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[NO] Als Instagram-Trekker durch Norwegen
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Cooler Link. Es braucht sicher einige Jahre, bis man das Instagram-Trekking sicher beherrscht. TikTok wäre die nächste Stufe auf der Leiter nach oben. "Als Tik-Trekker durch Tansania"? Im Moment noch Zukunftsmusik, aber wer weiß...
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Irgendwie hatte ich wohl schon damals eine Ahnung, dass du zu den Instagramern desertieren würdest.Zitat von Robtrek Beitrag anzeigenAls kultivierter Mensch mit guten Manieren hat der Fjellfex indirekt zu Verstehen gegeben, was weniger wortgewandte Zeitgenossen unverblümt so ausdrücken würden: ”Ey Junge, was regst du dich über die paar harmlosen Tröpfchen auf - wenn du mal richtig schlechtes Wetter für echte Männer erleben willst, geh nach Norwegen!“
Jedenfalls kannst du nicht behaupten, man habe dich nicht gewarnt.
Und wie schön, dass du meine Warnung in den Wind geschlagen hast, sonst hätten wir all die schönen Fotos nicht.
Und das mit den Schlange stehenden Tiefdruckgebieten ist wirklich so - hier ein Fall wo "nur" 3 in der Schlange sind:
- Det står tre lavtrykk i kø, som vil komme inn med 12 timers mellomrom
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Ja, irre, nicht? Da sind wir (unsere "Große" und ich) 2017 auf unserem Roadtrip zu unserer Sulitjelma-Padjelanta-Runde entlang gekommen, das hat mich schwer beeindruckt.Zitat von Robtrek Beitrag anzeigenUnd diese Zugangstunnel stoßen wiederum auf zwei andere Tunnel. Die Kreuzungen werden dabei jeweils über einen Kreisverkehr im Innern des Berges geregelt.
Und noch verrücktere Sachen sind ja im Bau, isbd. die Rogfast-Verbindung mit einem fast 27 km langen Tunnel unter dem Boknafjord bei Stavanger, bis fast 400 m unter dem Meeresspiegel, mit einer Abzweigung in fast 300 m unter Null, die dann spiralförmig nach oben zur Insel Kvitsøy (keine 1000 Einwohner) verläuft... Tja, wenn ein Land "zu viel" Geld hat. Soll 2033 eröffnet werden. Aber ja, auch in einem Land wie Norwegen verschiebt sich so etwas: in der ganz frühen Planung war noch von 2025/26 die Rede, aber dann hat sich mit dem - natürlich auch dort - Knackpunkt "Finanzierung" der Baubeginn auf 2021 verschoben.
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- My island in the sun
- Tour durch die Nacht
- Der Monument-Fjord
Die Entscheidung ist gefallen: meine Recherchen der letzten 24 Stunden haben ergeben, dass man als Instagram-Trekker in Nord-Norwegen zuallererst die Inseln ins Visier nehmen muss. Und eine von ihnen ragt ohne jeden Zweifel über alle anderen hinaus: Senja.
Senja und ich haben eine gewisse Vorgeschichte, die bis ins Jahr 2011 zurückreicht. Damals machte ich mit meinem Vater eine Reise auf der Hurtigruten. Wem das kein Begriff ist: es handelt sich um Post- und Versorgungsschiffe, die ständig zwischen Bergen und Kirkenes an der russischen Grenze pendeln und unterwegs alle wichtigen Häfen anlaufen.
Unser Schiff damals, die MS ”Lofoten“.
Auf der Rückreise von Kirkenes gingen wir in den Lofoten von Bord und schauten uns noch ein paar Tage lang diese Inselgruppe an (soweit man im Schneesturm etwas sehen konnte). In Senja waren wir auch für ein paar Stunden und deshalb wusste ich, dass diese Insel wohl recht schön sein muss.
Senja 2011
Damals konnten wir nur ein paar Blicke aus dem Auto erhaschen, aber viele begeisterte Berichte im Internet zeugen davon, dass Senja eine längere Reise wert ist. Wo genau ich auf der Insel am besten hingehe, muss ich nach der Landung in Narvik erst noch herausfinden. Die Wartezeit vor dem Abflug in Bergen nutze ich, um eine Satellitenkarte in die Navi-App herunterzuladen. Die Trekkingkarten für Norwegen und Schweden habe ich zwar komplett im Speicher, aber Satellitenkarten nehmen wesentlich mehr Gigabyte in Anspruch. Die lade ich je nach Bedarf runter, für diesen Sommer hatte ich dementsprechend nur Süd-Norwegen mitgenommen. Das wird jetzt um Senja ergänzt - vielen Dank Bergen lufthavn für dein schnelles Wifi!
Senja 2011
Wir starten in die dicke graue Suppe. Zur Aufmunterung verspricht uns der Pilot bereits jetzt einen Landeanflug auf Narvik mit fantastischer Sicht auf Norwegens Nationalberg. Als die Wolkendecke kurz vor Narvik endlich aufbricht und wir nahe an dem Berg vorbeifliegen, gerät unser Flugkapitän völlig aus dem Häuschen: ”Könnt ihr euch vorstellen, dass es geführte Bergtouren da hoch gibt? Ich auch nicht!“ Wie sich herausstellt heißt der Berg Stetind und hat vom Flugzeug aus eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Matterhorn.
Die MS Lofoten ist nicht mehr im Dienst, da veraltet - auf der Hurtigruten fahren heute vom Design und Komfort her richtige kleine Kreuzfahrtschiffe. Etwas Seefahrer-Romantik bleibt dabei sicherlich auf der Strecke: wohl kaum müssen vor den Bullaugen der Kajüten heute noch massive Stahlplatten festgeschraubt werden, wenn es bei schwerem Sturm mit Stärke 10 ums Nordkap geht. Nichtsdestotrotz ist die Reise mit den Hurtigruten jedem Norwegen-Liebhaber uneingeschränkt zu empfehlen. Ich bin eigentlich mehr ein Fan der großen Fahrt von Kontinent zu Kontinent über die Ozeane, aber die kleine Reise hoch und runter entlang von Norwegens Küste hat mich damals schwer beeindruckt. Ein tolles Erlebnis, lasst es euch nicht entgehen!
Bei der Landung in Evenes, dem Flughafen von Narvik, lautet die Durchsage ”Sonnenschein, 27°C“.
Yes! Wir sind wieder im Spiel.
Der Ort Finnsnes, das Tor zur Insel Senja, ist laut der Entur-App von hier auf zwei Wegen erreichbar: 3 Stunden mit dem Flughafenbus und einem Schnellboot über Harstad, oder 4 Stunden mit dem normalen Bus über Bardufoss, zweimal Umsteigen, 15 €. Die schnellere Variante ist fast viermal teurer, soviel ist mir die eine Stunde Zeitersparnis nicht wert.
Blick beim Umsteigen auf Narvik. Ich mag die Stadt. Vor zwei Jahren habe ich am Ende einer sehr schönen Tour dort einige interessante Tage verbracht.
Während der Busfahrt durchforste ich weiter das Internet nach Informationen über mein Reiseziel. Es ergibt sich folgendes Bild:
1. Senja ist gerade unglaublich in Mode.
2. 99% aller Besucher kommen mit dem Auto oder Wohnmobil und machen höchstens Tagestouren auf Aussichtsberge. So lassen sich die Schönheiten der Insel anscheinend am besten erschließen.
2a. Schnellcheck: was kostet hier aktuell ein Mietwagen für eine Woche? 150 €?? Pro Tag??? Nee, diese Variante lege ich gleich wieder beiseite.
3. Es existiert ein langer Trail durch das Innere der Insel, das wäre vielleicht interessant. Aber die Landschaftsfotos reißen mich nicht so vom Hocker. Sicher, wie überall gibt es ein paar hübsche Stellen, aber nichts, weswegen man jetzt unbedingt nach Senja kommen muss.
4. Dagegen ist die Nordküste mit ihren Fjorden geradezu umwerfend. Hier spielt sich alles ab, hier liegt der Grund, weswegen Leute aus der ganzen Welt keine Mühe scheuen, um diese entfernte Insel zu besuchen.
5. Es gibt Busverbindungen, aber nicht oft - wenn es hochkommt, zweimal am Tag. Am Wochenende fahren einige Linien gar nicht. Umsteigeverbindungen sind eher schlecht, klappen nicht jeden Tag, bedeuten z.T. stundenlange Wartezeiten. Der Transport ohne eigenes Auto erfordert also ein wenig Planung.
6. Von Finnsnes geht erst morgen Abend wieder ein Bus auf die Insel zu dem Ort, wo ich meine Tour starten will. Aber den ganzen Tag lang tatenlos rumsitzen und warten, das wäre blöd. Erst recht bei diesem Traumwetter - wer weiß, wie lange das anhält? Zum Glück gibt es morgen Vormittag noch einen anderen Bus in meine grobe Richtung. Ich müsste halt unterwegs an einer Kreuzung aussteigen und von dort aus laufen. Hört sich machbar an.
7. Das Gas nicht vergessen. Ich brauche neues Gas, die Kartuschen aus Deutschland konnte ich ja nicht mit ins Flugzeug nehmen. Gas gibt es zuverlässig nur in Finnsnes, nicht auf der Insel.
Wiederum Umsteigen. Während im Bus nach Tromsø noch vereinzelt andere Fahrgäste saßen, bin ich auf dem letzten Abschnitt nach Finnsnes der einzige Passagier. Für Norwegen keine Ausnahme sondern eher die Regel, wie ich in den nächsten Wochen lernen werde.
Nächster Punkt: Übernachtung. Auf der Satellitenkarte markiere ich ein paar Stellen in Finnsnes, wo man vielleicht ein Zelt aufschlagen könnte. Keine triviale Aufgabe, die Auswahl ist begrenzt und wenig ermutigend. Mein Favorit ist ein schmaler Uferstreifen, der relativ wild zu sein scheint, mit Felsen und ein paar Bootsschuppen. Tankstellen sind in der Nähe - das ist sehr wichtig, denn morgen bleibt nicht viel Zeit um Gas zu finden, bevor der Bus geht.
Und da fahren wir auch schon in Finnsnes ein. Gerade noch rechtzeitig drücke ich auf den Knopf und steige an der geplanten Stelle aus. (Auf norwegischen Buslinien gibt es Dutzende von Haltestellen, in dünn besiedelten Gegenden ist praktisch jede zweite Farm am Wegrand auch ein busstopp. Auf einem Bildschirm beim Fahrer wird laufend die nächste Haltestelle angezeigt. Wer aussteigen will drückt auf den Halteknopf, der sich an jedem Sitz befindet. Wenn niemand gedrückt hat - 95% der Zeit - fährt der Bus durch.)
Die markierte Stelle entpuppt sich als goldrichtig. Dort findet sich direkt am Meer ein Plätzchen mit ebenem Untergrund. Um 23 Uhr steht mein Zelt.
Der Himmel hat sich allerdings erneut zugezogen, von Sonne keine Spur. Was hat das jetzt wieder zu bedeuten? Ich dachte, ich hätte die meteorologischen Intrigen des Fjellfex erfolgreich ausmanövriert?
Die Nacht vergeht wie die vorige: statt zu schlafen, sammele ich im Internet Informationen für meine bevorstehende Tour. Vor allem die Busverbindungen in Senja benötigen etwas Zeit, bis ich sie einigermaßen verstehe. Die ganzen Ortsnamen sagen mir überhaupt nichts. Und welche Gipfeltouren bieten sich an? Was ich an Sinnvollem herausfinden kann, markiere ich durch Einträge in der Navi-App, bis irgendwann die Augen zufallen.
Als nach kurzem Schlaf der Wecker klingelt, kommt gute Laune auf: Hurra, also doch - die Flucht vor dem Regen ist geglückt! Senja, my island in the sun. Harry Belafonte hatte mit Sicherheit nicht diese Insel im Sinn, hat wahrscheinlich nie von ihr gehört. Heutzutage würde sein weltberühmter Song wohl mit einem leicht veränderten Refrain erscheinen:
Oh island in the sun
Lovely Instagram-trekking land
All my days I will sing in praise
Of your fjords and mountains
Your shining sand
Der Bus nach Botnhamn auf Senja lässt mich an der Abzweigung zur Straße 862 raus. Von hier will ich in Richtung des kleinen Ortes Fjordgård am Ørnfjord losmarschieren. Vorher packe ich den Rucksack noch einmal richtig, das Handgepäck und das Gas von der Circle-K Tankstelle müssen verstaut werden.
Mein Rucksack wird von diesem Schild nicht ohne Grund als ”The fat cod“ (Der fette Kabeljau) bezeichnet. Trotz der zivilisationsnahen Trekkingregion habe ich den Urlaub aus Faulheit nämlich mehr oder weniger so geplant wie immer, d.h. autonom. Im Rucksack ist mithin reichlich Proviant, wenn auch nicht ganz so viel wie sonst. Aber für mindestens einen Monat habe ich genug zu Essen dabei.
Abends vor der Abreise in Deutschland. Wie üblich reicht die Zeit hinten und vorne nicht, ich packe die ganze Nacht hindurch. Hier sieht man den Proviant wie gekauft. Das Müsli muss noch gemischt und dann ebenso wie Zucker, Salz, Kräuter und Trockenmilch in Plastikflaschen abgefüllt werden. Um Platz zu sparen werden das Müsli und der Zucker dabei hoch verdichtet, bis die gefüllten Flaschen steinhart sind.
Soviel Vorräte braucht man hier im Grunde genommen natürlich nicht - auch auf Senja gibt es schließlich vereinzelt Lebensmittelgeschäfte, und einen ganzen Monat lang werde ich sowieso nicht bleiben. Aber was soll’s, der Rucksack ist halt etwas schwerer als nötig, das gibt ein besseres Muskeltraining. 35 kg werden es mindestens sein, das ist trotzdem nicht so viel wie sonst. Und ich muss ja nicht alles auf jeden Gipfel schleppen, sondern kann meist von Basislagern aus operieren.
Finnsnes und das Tourengebiet (blau), auf das ich mich in Senja konzentrieren will. Die eingezeichnete rote Straße ist eine der 18 Norwegischen Landschaftsrouten, die durch besonders schöne Gegenden führen. Ich befinde mich am Start nun rechts unten am Rand des blauen Kreises und muss zuerst ein wenig auf der roten Straße nach Nordwesten zu dem tief eingeschnittenen Fjord laufen.
Die ersten Kilometer auf der Straße. Der Berg rechts oben ist der Keipen, auf ihn oder auf seinen Nachbargipfel will ich heute möglichst noch rauf.
Der Keipen wird als Berg mit einer Bombenaussicht beschrieben. Womöglich noch dramatischer soll der Blick vom Nachbargipfel, dem Grytetippen, sein. Er ist hier auf der Übersichtskarte mit einer "1" markiert. Der Sattel zwischen den beiden Gipfeln ist laut meiner Trekkingkarte über einen steilen Trail erreichbar.
Nach zwei Stunden auf der Straße nähere ich mich dem Punkt, wo der Trail beginnt.
Es geht hoch, immer entlang eines reißenden Bergbachs. Das ist gut, denn es ist recht warm. Ich muss immer wieder anhalten, um etwas zu trinken.
Rückblick zur Straße nach weiteren zwei Stunden. Der Rucksack ist schon recht schwer, da geht man gerade am ersten Tag langsam und bedächtig und braucht regelmäßig Pausen.
Der hintere See ist kein See, sondern eine Meeresbucht. Die hohen Berge am Horizont sind bereits auf dem Festland.
Nach 500 Höhenmetern erreiche ich einen See, den ich mir als idealen Lagerplatz vorgemerkt habe. Weiter oben soll es laut Karte noch einen kleinen Tümpel geben, aber wozu den Rucksack da hintragen - morgen führt jede möglich Variante des Abstiegs sowieso wieder an dem größeren See hier vorbei. Das Zelt wird jetzt aber nicht aufgebaut, denn es ist schon 7 Uhr abends und ich will gleich weiter auf einen der Gipfel. Es ist inzwischen kühl geworden, nicht zuletzt weil ein immer stärkerer Wind weht. Ich deponiere den großen Rucksack und hole den Tagesrucksack heraus. Hinein kommen Vliesjacke, Windjacke, Mütze, Handschuhe, etwas zu essen und 1 Liter zu trinken, die Apotheke und die ganze Elektronik. Und die Sidushka, falls man sich oben hinsetzen möchte um die Aussicht zu genießen. Wer sich nicht erinnert: die Sidushka ist die kleine Sitzmatte zum Umschnallen.
Rechts der Keipen, links der Grytetippen. Sieht von hier aus nicht besonders spektakulär aus. Von der anderen Seite allerdings...
Blick nach Südwesten zum Breitinden, dem höchsten Berg Senjas (1.001 m). Direkt unter mir liegt der Sattel, über den morgen mein Weiterweg führt. Vom Sattel aus gibt es theoretisch mehrere Möglichkeiten, aber das muss ich vor Ort entscheiden, wenn das Gelände besser einzusehen ist.
Der Anstieg durch die Wand ist sehr steil und der Trail ist manchmal da, meistens nicht. Kein Wunder, denn es geht hauptsächlich über Blockfelder. Ich komme langsamer voran als gedacht. Erst um 21:30 bin ich auf dem Sattel zwischen den beiden Gipfeln. Oben geht der Blick zur einen Seite ins Innere der Insel Senja…
...und zur andern Seite auf den Øyfjord. An seinem Ende verzweigt er sich: direkt unter mir ist die Trælvika-Bucht während links, noch nicht sichtbar, der Ørnfjord liegt.
Zuletzt geändert von Robtrek; 16.10.2025, 06:50.
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Ich entscheide mich für den weiteren Aufstieg nach links, also zum Grytetippen. Im Licht der untergehenden Sonne tauchen immer neue Bergketten auf, je höher ich komme.
Kurz nach 22 Uhr erreiche ich das Gipfelplateau. Der Blick geht zum Nachbarberg Keipen und auf verschiedene Meeresarme im Osten.
Die Küste im Nordosten bei Tromsø.
Die Berge an Senjas Nordküste.
Am höchsten Punkt öffnet sich auch der Blick auf den Ørnfjord, dahinter liegt der Mefjord. Hier oben bläst ein starker, kalter Wind und es ist alles andere als gemütlich. Trotzdem bleibe ich fast eine Stunde, die Aussicht ist einfach sehr beeindruckend.
Øyfjord mit der Trælvika-Bucht (rechts) und dem Ørnfjord (links), ganz links der Mefjord.
270°-Panorama der Nordküste von Senja. Ganz rechts ist der Nachbargipfel Keipen.
Gegen 23 Uhr verschwindet die Sonne und es wird jetzt endgültig zu kalt. Ich mache mich an den Abstieg.
In den Blockfeldern unterhalb des Sattels kann ich irgendwann nicht mehr weiter, die Müdigkeit übermannt mich und ich muss mich setzen. Kein Wunder, seit Stavanger in Süd-Norwegen bin ich jetzt schon 66 Stunden fast ununterbrochen auf den Beinen mit nur zwei kurzen Schlafpausen. Der Körper fordert sein Recht, da kannste nix machen. Im Halbdunkel suche ich die Steilwand nach einer Stelle ab, wo ich mich hinlegen kann. Schwierig. Alles voller Blöcke. Aber dann sehe ich eine grasige Kuhle und wirklich, dort kann man einigermaßen windgeschützt liegen. Alles, was ich an Kleidung dabei habe wird angezogen, die Sidushka isoliert zumindest einen Teil des Rückens, der Rucksack hilft auch ein wenig. So muss ich ungefähr ein oder zwei Stunden geschlafen haben bis die Kälte mich aufweckt. Es geht weiter, aber bald darauf wiederholt sich das ganze und ich muss erneut eine Notpause einlegen. Wieder falle ich in einen kurzen, unruhigen Schlaf.
Gegen halb vier mache ich mich endgültig an den Abstieg. Die Sonne ist schon wieder aufgegangen und beleuchtet die umliegenden Berge.
Am Fuß der Steilwand finde ich den Trail. Auf dem Weg zu meinem Zelt kommen jetzt die Berge um den inneren Ørnfjord zum Vorschein.
Hier sieht man den kleinen Ort Fjordgård am Ørnfjord. Dort will ich heute noch hin.
Um fünf bin ich am Rucksack und baue das Zelt auf. Die Sonne scheint, es ist trotzdem noch sehr kühl. Ich kann es kaum erwarten, mich ins warme Zelt zu legen und gaaanz lange zu schlafen.
Aber jetzt leuchten die Berge gerade so wunderschön im Morgenlicht, da mache ich vorher doch noch einen Ausflug zur Abbruchkante, von wo aus man den Fjord einsehen kann.
Das Panorama reicht von Fjordgård am Ørnfjord (rechts) bis Mefjordbotn unterhalb des Breitinden (links). Einfach unglaublich, was man hier zu sehen bekommt, es ist wirklich großartig. Ganz begeistert von soviel Schönheit gehe ich um 6 Uhr in mein Zelt und falle endlich in den langverdienten Tiefschlaf.
Nach immerhin 7 Stunden Schlaf mache ich mich an den Weiterweg. Das Wetter ist nicht mehr so gut und der Wind bläst sehr stark. Zunächst einmal muss ich in jedem Fall runter auf den Sattel. Der Abstieg von meinem Camp ist sehr steil, aber es gibt einen rutschigen Trail. Nach zwei Stunden bin ich angekommen und setze den Rucksack ab, um das Gelände zu erkunden. Mein Ziel für heute ist Fjordgård, im Bild oben durch den Pfeil gekennzeichnet. Ich selber befinde mich auf dem Sattel zwischen der roten Straße und dem Fjord.
Theoretisch sehe ich vier Möglichkeiten für den Weiterweg:
1. Steiler Wiederaufstieg auf der anderen Seite des Sattels zum Berg Barden und von dort sehr steil runter nach Fjordgård. So würde ich eigentlich am liebsten gehen, aber der zugezogene Himmel verspricht für heute keine schöne Aussicht mehr und der Wind bläst stärker, als mir bei so einer Tour lieb ist. Das Panorama vom Gipfel des Barden soll aber ungemein lohnenswert sein, wenn irgend möglich will ich da bei gutem Wetter noch rauf.
2. Abstieg zum Ørnfjord durch einen grün bewachsenen Einschnitt rechts des Sattels. Der untere Teil der Route scheint machbar zu sein (siehe Bild), allerdings gibt es im oberen Teil einen nicht einsehbaren Felscanyon. Und ich muss zusätzlich darauf hoffen, dass die alte Küstenstraße unten am Fjord nicht durch Erdrutsche unterbrochen ist. Andernfalls müsste ich auf der neuen Straße durch einen mehrere Kilometer langen Tunnel marschieren. Das ist unrealistisch, ich wäre de facto auf Autostop angewiesen.
3. Abstieg direkt von der Mitte des Sattels aus, wo die Holzmasten einer alten Stromleitung Hoffnung auf einen Trail machen. Ich studiere die Steilwand sehr ausführlich, indem ich Fotos mache und mir diese im Zoom anschaue. Aber einen gefahrlosen Weg kann ich beim besten Willen nicht entdecken. Irgendwo endet jede Variante immer an einer steilen Felsplatte. Zu riskant.
4. Bleibt als letzte Möglichkeit der Abstieg zur ”falschen“ Seite des Sattels, die dem Fjord abgewandt ist. Von dort geht es zuerst durch den Tunnel unter dem Sattel durch, der ist keine 900 m lang, da könnte man laufen. Danach kommt aber wieder das Problem mit der alten Küstenstraße, sonst bliebe nur der Weg durch den zweiten, kilometerlangen Tunnel.
Nachdem keine der vier Möglichkeiten ideal aussieht komme ich zum Glück auf die Idee, hier oben das Internet einzuschalten. Gutes Signal! Ich checke die Entur App. Heute geht nichts, aber morgen ganz früh fährt tatsächlich ein Bus nach Fjordgård, der einzige des Tages. Also ist die Lösung sehr einfach: anstatt heute mit aller Gewalt mein Ziel anzusteuern zelte ich lieber unten auf der ”falschen“ Seite des Sattels und nehme morgen den Bus durch die zwei Tunnel nach Fjordgård. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Hier zeigt sich meine mangelnde Erfahrung als Instagram-Trekker: ich stecke immer noch zu sehr im veralteten Denken fest, wonach ”Trekking“ vor allem Beinarbeit bedeutet. Wozu aber laufen, wenn man bequem fahren kann? 🤗
Blick vom Sattel auf den Ørnfjord und Fjordgård. Links kann man die alte Küstenstraße erkennen. Sie ist nicht mehr befahrbar und ich werde mir auch bei genauem Fotostudium nicht darüber klar, ob sie auf ganzer Länge begehbar ist.
Der Abstieg ins Tal ist unproblematisch. Weitaus schwieriger gestaltet sich die Suche nach einem nicht versumpften Zeltplatz in akzeptabler Entfernung zum Trinkwassersee. Aber mit Hilfe der Satellitenkarte werde ich auf einer kleinen Anhöhe oberhalb von Mefjordbotn doch noch fündig.
Am nächsten Morgen warte ich um 7 Uhr früh an der Straße, wo der Zubringer nach Fjordgård abzweigt. Bald darauf hält ein Kleinbus mit einem schweigsamen Fahrer. Die Fahrt verläuft hauptsächlich im Berg. Wie schon vermutet ist der erste, kürzere Tunnel durchaus begehbar und sogar beleuchtet, während der kilometerlange zweite Tunnel auf einen Fußgänger absolut abschreckend wirkt.
Fjordgård schläft bei meiner Ankunft noch, der einzige Laden ist geschlossen. Aber halt, das geniale Teil erlaubt 24/24 Zugang und Einkauf mit Hilfe der Kreditkarte. Wie modern, ich probiere es gleich aus und kaufe Wasser. Ein Liter ist bei langen Tagesausflügen wie gestern doch ein bisschen knapp bemessen, jetzt habe ich eine zweite Flasche.
Problematisch ist wieder die Zeltplatzsuche. Früher durfte man z.B. am Ortsende campen, jetzt ist das nicht mehr erlaubt. Am Laden hängt eine Karte, auf der darum gebeten wird, die örtlichen Regeln zu respektieren. Es gibt jetzt einen Touristenboom, der das reizende Dorf Fjordgård an seine Kapazitätsgrenzen bringt. Immerhin weist die Karte Zeltplätze neben dem Besucherparkplatz aus. In der Realität ist dort aber nichts. Ich steige weiter auf und möchte mein Lager auf 118 m Höhe im Tal des Storevatnet aufschlagen - der einzigen Wasserquelle, die ich auf dieser Seite des Ortes ausmachen kann. Aber nachdem ich zwei übergroße Schilder passiere, die Camping hier oben aus Gründen des Trinkwasserschutzes ausdrücklich verbieten, kehre ich wieder um. Das Verbot ist ja nicht willkürlich erlassen und mir würde es als Einheimischer auch nicht gefallen, wenn jeder Tourist für sich selber entscheidet, ob die Regeln auch für ihn gelten oder nicht.
Bei genauerer Suche finde ich am Wegrand etwas oberhalb des Besucherparkplatzes doch noch eine Einbuchtung mit einer alten Feuerstelle, wo drei bis vier Zelte Platz finden könnten. Für mich gut genug, Wasser kann ich ja in den öffentlichen Duschen am Parkplatz in 5 Minuten Entfernung holen.
Ich baue auf und mache mich dann auf den Weg zu meinem heutigen Gipfelziel, dem Hesten, in der Karte oben mit einer ”2“ markiert.
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Bald nach Beginn des Aufstiegs zum Hesten überquert man einen Bach. Hier fülle ich meine Flaschen auf, es ist die einzige Trinkwasserquelle für die Wanderung heute.
Der Trail von Fjordgård den Hang hinauf ist extrem stark ausgetreten, und auch ich will heute meinen fairen Teil dazu beitragen. Wer seine Doktorarbeit gerade über Trail Erosion schreibt - auf zur Feldstudie nach Senja, hier findet sich reichlich Anschauungsmaterial. Profitiert ein ohnehin reiches Land wie Norwegen eigentlich von soviel Tourismus, speziell Wandertourismus? Auch die im Norden Skandinaviens allgegenwärtigen Wohnmobile bringen zwar den Campingplätzen und Supermärkten zusätzliches Einkommen, aber sie verursachen andererseits jede Menge Abgase und Staus auf engen Bergstraßen. Mein Eindruck nach dieser Reise ist, dass der Tourismus uns Touristen sehr viel mehr nützt als den Norwegern. Mir scheint, wir verbrauchen ihre Natur, ohne dafür zu zahlen. Und selbst wenn wir zahlen - die Natur bleibt ja trotzdem geschädigt. Solche Gedanken erscheinen Outdoorleuten im Vergleich zu der ganzen Fachsimpelei über die neuesten Ausrüstungsgimmicks wahrscheinlich weltfremd. Aber Fakt ist, Norwegens Natur leidet unter den vielen Gästen, einheimischen wie ausländischen, punktuell sehr stark, das kann ich hier in Senja konkret sehen.
Nach zwei Stunden gibt es bereits tolle Ausblicke auf Fjordgård und den Ørnfjord. Der hohe Gipfel über der Schattenwand rechts im Bild ist übrigens der Grytetippen, auf dem ich vorgestern bei meiner Tour durch die Nacht war.
Die markante Spitze rechts im Bild will im Moment noch incognito bleiben, aber jeder Instagram-Trekker erkennt sie sofort: es ist DAS Wahrzeichen von Senja.
Ich erreiche den Grat oberhalb von Fjordgård. Einen Schritt weiter, und die Felswand fällt senkrecht wie mit dem Messer abgeschnitten 400 m zum Mefjord ab. Oben rechts erkennt man einen anderen Wanderer, das verdeutlicht die Dimensionen. Trotzdem ist es bei weitem nicht die höchste Felswand, die ich auf meiner Reise zu sehen bekomme, da warten noch ganz andere Kaliber.
Das Incognito ist gelüftet: natürlich handelt es sich bei der dramatischen Spitze um die Segla, in aller Welt bekannt und auf unzähligen Bildern verewigt.
In der Realität davorzustehen ist einfach atemberaubend. Was hat die Natur hier für Schönheiten erschaffen! Die Felsformationen erinnern ein wenig an Arizonas Monument Valley. Norwegens Antwort ist der Monument Fjord.
Wieder der Grytetippen von vorgestern, dahinter der Keipen.
Von dieser Seite sehen die beiden gar nicht mehr so langweilig aus wie von der anderen.
Nach einer etwas längeren Kletterei erreiche ich den Gipfelgrat des Hesten. Von hier öffnet sich der Blick ins nächste Tal, das Korkedalen. Die Spitze links im Bild ist der Inste Kongen. Man kann ihn ohne Kletterausrüstung besteigen, dazu muss man den steilen Pass vor der hintersten Spitze überschreiten und dann auf der Rückseite der Bergkette zum Inste Kongen queren. Das ist eine eher anstrengende Tour für Freaks, nichts für Instagram-Trekker wie mich. Wir bevorzugen drohnengerechte Aussichtsgipfel, die ohne unnötigen Körpereinsatz erreichbar sind. Es nennt sich Vernunft.
Viele Besucher Fjordgårds begehen anscheinend den Fehler, ihren einzigen Tag hier für die Besteigung der berühmten Segla zu verwenden. Oben angekommen wundern sie sich, warum das Panorama vom Gipfel nicht den Fotos entspricht, die sie auf Instagram gesehen haben.
Die hilfreiche Karte am 24/24 Laden trägt deshalb diesen Hinweis: ”If you want this picture of Segla, stand here.“ Das ”here“ zeigt genau auf den Berg Hesten, wo ich mich jetzt befinde.
180°-Wahnsinnspanorama beim Anstieg zum Hesten.
Um 18 Uhr erreiche ich den Gipfel. Die hohe Spitze rechts ist wieder der Inste Kongen. Noch schwieriger zu erreichen ist der höchste Gipfel der Halbinsel, der Skultran, im Bild weiter hinten. Wer im Internet nach Berichten über seine Ersteigung sucht wird zwar fündig, aber nur ganz vereinzelt.
Blick vom Gipfel des Hesten auf den Mefjord.
270°-Panorama vom Hesten. Die Aussicht ist schier unglaublich, ich bin hingerissen. Rechts von der Bildmitte erkennt man, gerade noch von der Sonne angeleuchtet, Fjordgård.
Blick auf Inste Kongen und Skultran. Nach anderthalb Stunden am Gipfel mache ich mich an den Abstieg. Zunächst geht es wieder hinunter zum Sattel zwischen dem Hesten und seinem weniger spektakulären Nachbarberg, dem Stavelitippen.
Danach steige ich etwas den Gipfelgrat des Stavelitippen hoch. Auch von hier ist die Aussicht wunderschön.
Fjordgård unten liegt nun schon tief im Schatten. Auch ich muss langsam an den Abstieg denken, denn eine weitere Nacht mit Zwangspausen auf dem Berg wäre zuviel des Guten.
Um 21 Uhr geht es nach unten.
Eine Stunde später ist die Sonne hinter den Wolken am Horizont verschwunden.
Ein Schritt zu weit nach rechts, und…
Nach einem letzten bewundernden Blick auf die Segla gehe ich den langen Hang hinunter nach Fjordgård. Dort schläft schon alles. Um Mitternacht erreiche ich mein Zelt. Was war das heute für eine großartige Landschaft! Jede Mühe der Anreise hat sich dafür gelohnt.
Fortsetzung folgt, darin u.a.:
- Panoramen nicht von dieser Welt
- Der einsame Busfahrer
- Biking statt Hiking
😌
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Der Herr Fjellfex würde sehr gerne über die magischen Fähigkeiten verfügen die du ihm andichtest, da hätte er nämlich im Sommer wegen schlechtem Wetter nicht seinen Plan A schrotten müssen.Zitat von Robtrek Beitrag anzeigenDer Himmel hat sich allerdings erneut zugezogen, von Sonne keine Spur. Was hat das jetzt wieder zu bedeuten? Ich dachte, ich hätte die meteorologischen Intrigen des Fjellfex erfolgreich ausmanövriert?

Abgesehen davon: super Bilder!
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@Herr Fjellfex:Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigenDer Herr Fjellfex würde sehr gerne über die magischen Fähigkeiten verfügen die du ihm andichtest
"Ein vorauseilendes Dementi ist noch kein Schuldeingeständnis, aber oft ein ziemlich sicherer Indikator."
(alte Journalistenregel)
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Danke Blahake. Ich arbeite an meiner ersten Million Follower. Du bist ganz vorne mit dabei. Genauer gesagt, die allererste.Zitat von Blahake Beitrag anzeigenIch hätte nie gedacht, dass ich einem Instagrammer mal begeistert folgen würde!

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Verdammt, wie komme ich aus der Nummer bloß wieder raus...?Zitat von Robtrek Beitrag anzeigen
@Herr Fjellfex:
"Ein vorauseilendes Dementi ist noch kein Schuldeingeständnis, aber oft ein ziemlich sicherer Indikator."
(alte Journalistenregel)

Warum den Spieß nicht einfach umdrehen? OK: Dank meiner bestens dokumentierten Fähigkeiten kann ich für die kommende Saison perfektes Tourenwetter bieten; von Skandinavien bis zum Himalaya. Schönwetterslots werden ab sofort meistbietend versteigert...
(Der Rechtsweg ist natürlich ausgeschlossen; Seite 25 vom Kleingedruckten.)
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Ich nehme das wörtliche Zitat mal so wie geschrieben ins Protokoll auf und komme evtl. im Verlauf meines Reiseberichts aus gegebenem Anlass darauf zurück.Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigenDank meiner bestens dokumentierten Fähigkeiten kann ich für die kommende Saison perfektes Tourenwetter bieten
OT: F. formuliert hier durchaus geschickt (positiv und Sonne versprechend). Wer weiter denkt wird sich aber fragen, welches Tourenwetter F. wohl demjenigen "bietet", der sich WEIGERT, einen Schönwetterslot zu ersteigern? Was findet sich wohl dazu im "Kleingedruckten"?

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Das findet sich nicht nur im Kleingedruckten, sondern auch in den Nachrichten:Zitat von Robtrek Beitrag anzeigenWer weiter denkt wird sich aber fragen, welches Tourenwetter F. wohl demjenigen "bietet", der sich WEIGERT, einen Schönwetterslot zu ersteigern? Was findet sich wohl dazu im "Kleingedruckten"?
Massive Schneestürme überraschen Wanderer nahe des Mount Everest - News - SRF
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- Panoramen nicht von dieser Welt
- Der einsame Busfahrer
- Biking statt Hiking
Nach meinen ersten beiden Gipfeltouren lege ich eine kleine Zwangspause ein, denn der nächste Tag bringt hauptsächlich Schlechtwetter. Immerhin schaue ich mir Fjordgård an, was sich gut in einer Regenpause unterbringen lässt. Das sympathische Fischerdorf hat gerade mal 200 Einwohner und kann in 15 Minuten durchschritten werden.
Zum Sonnenuntergang verziehen sich die Wolken, was für morgen auf besseres Wetter hoffen lässt. Ich möchte gerne den Berg Barden besteigen, den ich vorgestern schon von der anderen Seite aus gesehen habe.
Der Barden ist auf der Karte mit der ”3“ markiert. Für die Tour habe ich nur einen halben Tag Zeit. Am frühen Nachmittag muss ich zurück sein, um den einzigen Bus aus Fjordgård zu erwischen. Mit dem will ich heute weiter an der Nordküste von Senja entlangfahren.
Um 6 Uhr früh bin ich schon auf halber Höhe am Barden. Blick zurück auf das Tal oberhalb von Fjordgård, in dem ich wegen des Trinkwasserschutzgebiets nicht wie geplant zelten konnte.
Die Spitze des Inste Kongen, dahinter der unzugängliche Skultran.
Der von der Morgensonne angeleuchtete Berg ist kein anderer als die Segla. Von dieser Seite aus kann sie problemlos bestiegen werden.
Um 7 Uhr stehe ich am Gipfel des Barden und schaue auf beiden Seiten zu Fjorden hinab. Links von mir liegt der Mefjord...
...und rechts der Øyfjord, bzw. direkt unter mir sein innerster Arm, der Ørnfjord.
Gegenüber von Fjordgård liegt auf einer kleinen Insel das zweite Dorf am Fjord, Husøy.
Blick in Richtung Festland. Die schwedische Grenze am Torneträsk ist ungefähr 100 km entfernt.
Fjordgård im Licht der Morgensonne. Die Stimmung täuscht aber, hier oben weht ein unglaublich starker kalter Wind.
Blick auf den Mefjord. Ganz rechts hinten sieht man ein paar Häuser vom Ort Mefjordvær. Dort möchte ich unbedingt noch hin. Weil ich aber die Busfahrpläne berücksichtigen muss, werde ich Mefjordvær heute überspringen und erst später dorthin fahren.
270°-Panorama vom Gipfel des Barden. Einfach unwirklich, was für Rundblicke man hier auf Senja überall hat, einer schöner als der andere.
Um 11 Uhr mache ich mich an den Abstieg.
Hier beginnt das Trinkwasserschutzgebiet. Hinter dem See geht es rechts runter nach Fjordgård.
Nachmittags warte ich auf den Bus. Ich habe die Fahrpläne studiert und mich deshalb dafür entschieden, heute nach Skaland zu fahren (der rote Pfeil auf der Karte). Am Wochenende kommt man von dort zwar nicht weg, aber das ist hier überall so. Am Montag geht von Skaland jedoch ein Bus nach Mefjordvær. Wenn ich dagegen heute nach Mefjordvær fahre, komme ich am Montag von dort nicht nach Skaland. Wie gesagt, ohne eigenes Auto muss man auf Senja ein bisschen planen, was aber mit Hilfe der Entur App nicht weiter schwierig ist.
Es kommt der gleiche Kleinbus, der mich vorgestern hierher nach Fjordgård gebracht hat. Am Steuer sitzt wieder der schweigsame Fahrer. Ich zeige ihm mein Ticket nach Skaland und sage zur Sicherheit noch, dass ich im Ort Senjahopen in eine andere Buslinie umsteigen muss. Als wir Senjahopen erreichen hält er jedoch nicht, sondern biegt auf die Stichstraße nach Mefjordvær ab. Nun gut, ich schweige weiter mit ihm zusammen, er wird schon wissen, was er tut. Und das weiß er in der Tat: in Mefjordvær halten wir an der Endstation. Er dreht an einer Kurbel und siehe da, jetzt sind wir laut Anzeige eine ganz andere Buslinie - genau die, welche in Skaland hält. Mir wird langsam klar, dass das gesamte Busnetz in Senjas Norden mit seinen verschiedenen Linien einzig und allein aus diesem Kleinbus und seinem Fahrer besteht. Schweigsam zieht er tagein, tagaus seine Kreise auf der Norwegischen Landschaftsroute. Wofür Touristen von weither extra anreisen, ist für ihn nur täglich Brot: die Fahrt auf und ab entlang der grandiosen Küstenstraße von Senja.
In Skaland gibt es einen Campingplatz direkt am Fjord. Hier liegt eigentlich alles direkt am Fjord.
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Am nächsten Tag mache ich mich auf den Weg zum Husfjellet. Das ist eine harmlose Wanderung, die Aussicht vom Gipfel soll aber sehr schön sein. Beim Aufstieg sieht man links den großen Bergsfjord mit seinen vielen Inseln.
Voraus liegt das Husfjellet. Bis zum Gipfel sind es etwas über 600 Höhenmeter.
Unterwegs geht’s durch etwas Sumpf.
Sobald man den Gipfelgrat erreicht, hat man einen schönen Blick auf die andere Seite. Dort liegen Ersfjord und Steinfjord.
Der innere Steinfjord.
Die zerklüfteten Spitzen heißen Okshornan.
Der Gipfel des Husfjellet über dem Steinfjord.
Das Dorf im Steinfjord heißt… Steinfjord.
Schon wieder so ein grandioser Ausblick: 180°-Panorama vom Ersfjord (links) über Steinfjord (Mitte) und Bergfjord (rechts) bis Straumsbotn (ganz rechts).
Okshornan
Steinfjord und Bergsfjord.
Um 20 Uhr mache ich mich an den Abstieg. Dieser Ausflug hat sich wirklich gelohnt. Von den Gipfeln war das Husfjellet bisher der einfachste, sehr gut auch als Tagestour mit Kindern geeignet. Nur ganz oben muss man ein bisschen die Hände zu Hilfe nehmen, um bis an die äußerste Abbruchkante zum Fjord zu gelangen.
Die blaue Stunde am Bergsfjord.
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Heute ist Sonntag, Busse fahren nicht. Aber ich habe gestern in Skaland eine gute Idee bekommen, was ich heute machen kann: ich miete ein Fahrrad. Nicht weit vom Campingplatz ist ein Outdoorverleih. Dort habe ich alles arrangiert und weiß bereits, wo ich jetzt den Schlüssel finde. Da muss ich die Leute am Sonntag früh nicht rausklingeln. Ich will auf der Küstenstraße zuerst am Bergsfjord entlang bis zu einem Aussichtspunkt fahren und dann in die andere Richtung bis Ersfjordstranda. Zum Strand!
Am Bergsfjord.
Innerer Bergsfjord vom Aussichtspunkt Bergsfjordbotn.
Als nächstes muss ich zwischen den beiden zackigen Bergen links der Bildmitte durch. Dort ist der Übergang vom Bergsfjord zu Steinfjord und Ersfjord. Es gibt einen Tunnel.
Vielleicht lesen hier ja zufällig auch ein paar Biker mit. Senja ist ein populäres Ziel für Fahrradtouristen, man sieht dauernd welche. Die Steigungen halten sich in Grenzen, das Haupthindernis sind wohl eher die Tunnel. Bei manchen ist am Eingang ein Knopf. Wenn man den drückt, blinkt in den nächsten Minuten ein Warnsignal für die Autofahrer: ”Biker im Tunnel“. In jedem Fall benötigt man Licht am Fahrrad oder eine Stirnlampe, denn die meisten Tunnel sind kaum beleuchtet. Mein Fahrradlicht funktioniert nicht, also kommt die Stirnlampe in diesem Urlaub erstmals zum Einsatz.
Der Steinfjord auf der anderen Seite des Tunnels. Das Husfjellet, mein Gipfel von gestern, ist links zu sehen.
Schöner Strand am Steinfjord. Dort gibt es auch einen kleinen Stellplatz für Camper, und zelten kann man dort im Prinzip auch.
Die Landspitze zwischen Steinfjord und Ersfjord heißt Tungeneset, dort ist auch ein beliebter Aussichtspunkt.
Blick vom Tungeneset auf die Okshornan
Und das ist Ersfjordstranda, das Ziel meiner kleinen Fahrradtour.
Es gibt eine ganze Menge Leute, die hier baden. Mir selber reicht ein Schläfchen in der heißen Sonne. Wie gut, dass ich hier bin und nicht im Süden, wo immer noch der Fjellfex mit seinem Dauerregen wütet.
Die Straße ist heute am Sonntag wenig befahren, die Tour macht großen Spaß. Als Trekker bin ich das Radfahren aber nicht so gewohnt, die 40 km mit ein paar leichten Steigungen strengen ganz schön an.
Zurück am Zeltplatz. Das war wieder ein schöner Tag. Morgen geht es mit dem ersten und einzigen Bus weiter nach Mefjordvær.
Pünktlich um 6 Uhr früh warte ich in Skaland auf den Bus. Auf Svipper, der App der öffentlichen Verkehrsmittel hier oben im Bereich Tromsø, kann man die Fahrt der Busse live verfolgen. Meiner nähert sich bereits dem Tunnel zwischen Steinfjord und Bergsfjord.
Er hat wohl ein bisschen Verspätung. Jetzt muss er aber gleich auftauchen.
Warum kommt er denn immer noch nicht? Ich öffne Svipper und überprüfe den Live-Standort. Mein Bus hat umgedreht. Er entfernt sich von Skaland.
Fortsetzung folgt, darin u.a.:
- Am Ende der Straße liegt Mefjordvær
- Die Tragödie der Russehula
- Am 69. Breitengrad
😌
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