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OT: probier mal nobite textilspray von außen auf hose und sockenschaft zu sprühen - wirkt lang und gut
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Zu den Zecken:
Ich habe jetzt zwei Jahre hintereinander eine Antibiotika-Behandlung wegen massiven Zeckenbefalls hinter mir. Wirklich keine Freude und natürlich Anlass, die Problematik ausführlich mit meinem Hausarzt zu besprechen. Dabei kamen eigentlich nur zwei Alternativen für meine spezielle Situation heraus:
Entweder ich verwende in Zeckengebieten, (sprich in Europa fast überall) ständig Autan oder andere DEET-basierte Mittel zur Zeckenabwehr.
Oder ich nehme ein Antibiotika als Notfallmittel mit, wenn der Zeckenbefall schlimm wird und/oder erste Symptome auftreten.
Ich habe den Arzt gefragt, was er tun würde. Selbst er sagte, dass das eine Entscheidung zwischen Teufel und Belzebub ist. Die ständige Anwendung von DEET ist alles andere als gesund. Vor allem beim Einsprühen oder Einreiben kommt DEET langfristig immer über die Hände irgendwie in den Mund und in den Körper. Ich verwende manchmal kurzfristig DEET in Hardcore-Mückengebieten, aber schon dabei habe ich ein schlechtes Gewissen. Langfristig möchte ich DEET nicht einsetzen, da ich die Langzeitfolgen nicht absehen kann. Die Erhöhung des Rucksackgewichts spielt allerdings keine Rolle bei dieser Entscheidung.
Und dann bleibt halt nur die Einnahme von Antibiotika, wenn es einen erwischt. Auch nicht gerade gesundheitsförderlich, aber zumindest zeitlich begrenzt. Bisher habe ich die Antibiotika sozusagen "auf Verdacht" genommen, wenn ich mehrere Tage hintereinander Dutzende von Zecken von mir runtergezogen habe. In Zukunft werde ich wahrscheinlich damit warten, bis sich Symptome zeigen. Das passende Antibiotikum hat mir mein Hausarzt prophylaktisch verschrieben und es ist auf jeder Wanderung dabei.
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Hallo Christine,
wirklich bereichernd, deinen so liebevoll geschriebenen Reisebericht zu lesen. Da freu ich mich glatt auf mehr davon!
Mehr als nur einmal habe ich mich selbst darin gesehen, als du angenerft von Menschenmassen warst. An anderer Gelegenheit hab ich mich aber auch selbst in solchen Menschenmassen quasi "wiedergefunden". Schon erstaunlich, wie unterschiedlich man selbst sein kann.
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht deinen Bericht zu lesen. Wissend, dass ich selbste mir nie diese Zeit wohl nehmen werde, die du hast.
Ich finde es aber toll, dass du so deinen Weg gehst. Wortwörtlich.
Nur eine Frage stell ich mir dennoch: Zecken sind wirklich keine Freude. Ich kenne das Problem diese Dre**sviecher aus dem Körper zu ziehen. Sobald du in Gegenden bist, die hier etwas problematischer sind, hast du keine Mittel dagegen?
Mit diversen netten Chemiekeulen hab ich da schon gewisse Erfolge verspürt.
Vom Mittelchen, dass auf die Hose kommt bis hin zum einfachen "Zecken-Authan".
Das wärs mir wohl wirklich wert, etwas mehr zu schleppen.
Ansonsten ein ganz großes Dankeschön für deinen tollen Reisebericht und ich hoffe auf mehr!
Grüße,
Bernd.
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Zitat von German Tourist Beitrag anzeigenIch will es versuchen, indem ich Euch kleine Anekdoten von unterwegs berichte und auf besonders schöne oder auch besonders furchtbare Teilstrecken hinweise. Den kompletten Reisebericht in Englisch inklusive Photos und vielen Tipps gibt es wie immer auf meinem Blog:
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Für Radpilger gibt es sowohl am CF als auch am Norte in passenden Abständen Campingplätze. Die Refugios bieten dazu oft ihre Gärten zum Zelten an. Die Fußpilger haben keine Zelte dabei. Alle 20 km ein Platz wäre wohl auch zuviel verlangt.
Wir waren dort im Juli. Vor 19 Uhr haben wir nie nach einem Refugio geguckt. Es fanden sich trotzdem immer Betten. Wenn nicht im ersten Refugio, dann im nächsten - 100 m weiter. Hektik war also keine erforderlich.
Toiletten sind in so ausreichendem Umfang vorhanden, dass "shit in the woods" definitiv nicht erforderlich ist. Jeder Laden, jede Bar hat eine und die darf man auch als Nicht-Kunde benutzen.
Auf meine Pilgerurkunde habe ich etwa 10 Minuten gewartet.
Ich finde es erfrischend, dass hier mal keine Werbung für den Jakobsweg gemacht wird. Aber ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht.
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Zitat von changes Beitrag anzeigen...
Aber jedesmal wenn ich seitdem losgehe, und wenn es nur eine Tagestour ist und nicht auf einem Pilgerweg, frage ich mich ob es denn einen Unterschied macht. Ich bekomme auch so meinen Kopf frei, bin offen für alles was Gott mir zeigen und geben möchte. Von daher denke ich der einzige wirkliche Unterschied außer dem Namen der Strecke und dem vorgegebenen Ziel ist Glaube und wer nicht glaubt kann zig tausend Km Pilgerweg aus Sportgründen Laufen und ist nie wirklich gepilgert. Wie gesagt, meine Meinung.
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Zitat von German Tourist Beitrag anzeigenFazit Pilgern: Ziel des letzten Teils dieser Wanderung war es für mich gewesen, nach so vielen Tausend Kilometern Wandern auch mal Pilgern zu erleben.
Was das "Pilgern" an sich angeht.... Ich habe ja das Wandern erst durch das Pilgern angefangen. Meine Strecke in D war trotz Sommer und Ferienzeit sehr ruhig. Außer wenn ich durch Ortschaften musste habe ich im Durchschnitt täglich weniger Menschen gesehen als wenn ich zuhause im Winter auf dem Balkon sitze. Und auch dann nur Ortsnah.
Aber jedesmal wenn ich seitdem losgehe, und wenn es nur eine Tagestour ist und nicht auf einem Pilgerweg, frage ich mich ob es denn einen Unterschied macht. Ich bekomme auch so meinen Kopf frei, bin offen für alles was Gott mir zeigen und geben möchte. Von daher denke ich der einzige wirkliche Unterschied außer dem Namen der Strecke und dem vorgegebenen Ziel ist Glaube und wer nicht glaubt kann zig tausend Km Pilgerweg aus Sportgründen Laufen und ist nie wirklich gepilgert. Wie gesagt, meine Meinung.
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Da bleibt nur eins: Via de la Plata im Winter.
Heute, also bis 14:20 , sind übrigens 341 Fuß- und Radpilger in Santiago angekommen, die sich eine der beiden Urkunden abgeholt haben. Das liegt wohl an Ostern, dass um diese Zeit schon so viele unterwegs sind.
Die Zahlen aus dem Pilgerbüro in Santiago fast in Echtzeit.
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Camino Frances: Melide bis Santiago
In Melide stieß ich dann auf den gefürchteten Camino Frances – und alle meine schlimmsten Vermutungen bestätigten sich.... Der Camino Frances, vor allem hier so kurz vor Santiago, ist eine Wanderautobahn. Es war fast unmöglich, außerhalb der Sichtweite eines anderen Pilgers zu laufen. Hunderte von Malen am Tag wurde ich mit „Buen Camino“ begrüßt, was mir bald tierisch auf die Nerven ging. Nie hatte ich meine Ruhe und ungestört Pinkeln gehen war fast unmöglich. Heerscharen von Pilgern so weit das Auge reichte und nur am Nachmittag wurde es ruhiger. Da die Pilger im Kampf um die Schnarchsaalbetten schon vor Sonnenaufgang los rennen, war abends nicht mehr viel los auf dem Camino. Das Gerangel um die Pilgerherbergen empfand ich als schlimm: Wenn ich am späten Nachmittag durch die Orte kam, verkündeten Schilder an fast allen Herbergen „completo“. Glücklicherweise hatte ich ja mein Zelt dabei.
Vor allem die Begleiterscheinungen des Pilgerns fand ich abstoßend: Überall am Wegesrand hatten sich „Verpflegungsstationen“ angesiedelt. Statt einfach Wasser am jahrhundertealten Brunnen zu trinken, werden die Pilgern nun durch Getränkeautomaten mit eisgekühltem Coca-Cola versorgt. Der Strom kommt per Verlängerungskabel vom nächsten Haus. Dazu Karren mit Thermoskannen voller Kaffee (Becher 1 EUR) und Stände mit Obst. Sinnvoller wäre es wohl, Dixie-Klos aufzustellen, denn die von mir zum Wildzelten frequentierten Nebenwege waren alle mit Klopapier und noch unappetitlicheren Hinterlassenschaften zugemüllt. Alle 5 Minuten stieß ich auf Markierungen, die die Strecke nach Santiago mittlerweile auf den Meter genau angaben. Dazu Gedenkstätten für auf dem Camino verstorbene Pilger und Suchanzeigen nach dem Pilgerflirt. Immer was los hier...
Am 19. September war es dann soweit: Nach über 5 1/2 Monaten auf Wanderschaft kam ich Santiago de Compostela und damit am Endziel meiner Wanderung an. Ich war so erschöpft, dass ich gar keine Kraft hatte, mir die Stadt anzuschauen, sondern mir einfach in meinem Mini-Einzelzimmer im Seminario Menor einen gemütlichen Nachmittag machte. Erst am nächsten Tag fühlte ich mich fit für eine Stadtbesichtigung.
Ich empfand Santiago als wunderschöne Stadt, aber die Pilgermassen als fast erdrückend. Die mittägliche Pilgermesse war so proppenvoll, dass Sicherheitskräfte die Besucher dirigieren mussten. Es gab keine Sitzplätze mehr und beim Herumgehen in der Kathedrale musste man aufpassen, nicht über die zahllosen Pilgerrucksäcke zu fallen. Trotz meiner akribisch eingesammelten Pilgerstempel gab ich auch bald die Idee auf, mir die Compostela zu holen. Die Schlange am Pilgerbüro war endlos lang und Santiago viel zu schön, um zwei Stunden mit Warten auf ein Stück Papier zu verbringen. Vor dem Pilgerbüro parkten Dutzende von Fahrrädern der Radpilger und im Hof gab es sogar eine Ecke für abgelegte Pilgerstöcke. Auch meine Unterkunft, das Seminario Menor, war auf Massenabfertigung eingestellt. Die riesigen Schlafsäle umfassten 50 und mehr Betten pro Saal....
Das schönste Erlebnis für mich war jedoch das deutschsprachige Pilgertreffen, das dort in der Saison jeden Tag im Anschluss an die mittägliche Pilgermesse stattfindet. Hier können sich deutschsprachige Pilger mit einem Geistlichen und zwei Laienbetreuern treffen, ihre Erfahrungen austauschen und die vielen Erlebnisse gemeinsam oder im Gespräch mit den geistlichen Helfern verdauen. Leider hatten sich nur wenige Pilger eingefunden, um dieses interessante Angebot wahrzunehmen, was mir aber die Gelegenheit verschaffte, den Geistlichen ganz für mich alleine zu haben und mit Fragen löchern zu können. Der war angesichts meiner langen Wanderung so begeistert, dass er mich anschließend sogar zum Essen einlud. Ein würdiger Abschluss meiner Wanderung.
Zu guter Letzt stellte sich mir dann aber noch die Frage nach einem Abschlussphoto. Auf den amerikanischen Trails ist das ganz einfach und das Motiv ergibt sich von selbst. Auf dem AT stellt man sich vor das berühmte Schild auf dem Mt. Kathadin, auf dem PCT an das amerikanisch-kanadischen Grenzmonument und auf dem CDT ist es der Grenzzaun. Auf meiner UK-Wanderung gab es sogar die berühmten Wegweiser am Lands End und in John O Groats. Aber hier in Santiago? Wo lässt man sich als Pilger ablichten? Erst probierte ich es in der Kathedrale, was sich aber angesichts meiner Handyknipse als unpraktisch, weil zu dunkel erwies. Auch das Schild vor dem Pilgerbüro war nicht gerade dekorativ für ein Abschlussphoto. In strahlendem Sonnenschein schlich ich um die Kathedrale auf der Suche nach einem passenden Motiv. Schließlich entschied ich mich für zwei Apostel, die würdig auf mich herabblickten.
Anders als auf den klassischen amerikanischen Trails stellte sich bei mir allerdings jetzt kein besonderes Gefühl ein. Erstaunlicherweise war ich weder besonders stolz darauf, diese Wanderung geschafft zu haben, noch erleichtert, dass es vorüber war. Ich war einfach nur sehr zufrieden und glücklich und freute mich über die gelungene Tour – und auch schon auf den nächsten Trip....
Fazit Pilgern: Ziel des letzten Teils dieser Wanderung war es für mich gewesen, nach so vielen Tausend Kilometern Wandern auch mal Pilgern zu erleben. Die Pilgerwege Camino del Norte, Camino Primitivo und Camino Frances hätten unterschiedlicher nicht sein können. Vom „Pilger-Ballermann“ auf dem Frances bis zum relativ naturnahen Pilgern auf dem Primitivo war alles dabei. Bei den meisten Pilgerberichten wird der Pilgerweg rückblickend verherrlicht. Die Bilder zeigen fast immer nur die schönen Seiten des Wegs, weswegen ich versucht habe, mit meinen Collagen auch mal die weniger schönen Aspekte ins Bewusstsein zu rücken. Pilgern in Spanien heißt in der Regel viel Asphalt und Zivilisationsnähe. Mehr über meinen Eindruck vom Pilgerleben gibt es hier auf meinem Blog.
Ich bin jetzt zwar am Ende mit meiner Wanderung, aber noch nicht am Ende des Berichts. Ich habe sehr viel gelernt auf dieser Wanderung durch Europa und werde sicherlich noch ein Fazit, Statistiken und über meine Lernerfolge schreiben. Und natürlich freue ich mich auch über Fragen zum Trip selbst, seiner Planung und Durchführung.
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Da Frage nach den Campingplätzen stelle ich mir auch. Am Camino del Norte gibt es, wenn überhaupt, nur Dauercampingplätze für Strandurlauber. Am Camino Primitivo habe ich keinen einzigen Campingplatz in Erinnerung. Nur kurz vor Santiago bin ich an einem Campingplatz vorbeigekommen, auf dem wahrscheinlich auch Pilger unterkommen.
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Zitat von Enja Beitrag anzeigen...
Wir haben meistens gezeltet. Auf den Campingplätzen entsteht genauso Abend um Abend ein Pilgertreff.
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Die Stempel sind eigentlich nirgendwo ein Problem. Jeder Übernachtungsbetrieb. Jeder Laden. Jede Bar hat einen und drückt dir den begeistert da rein. Dazu brauchst du keine Pilgerherbergen.
Die Pilger sind sehr lange unterwegs und können/wollen deshalb nicht für jede Nacht Hotel oder Pension anmieten. Außerdem mögen viele die Athmosphäre in den Herbergen. Dort bist du "ganz unter Pilgern", triffst Nacht um Nacht alte Bekannte. Es gibt jede Menge Austausch. Man geht zusammen in die Pilgermesse, um den Pilgersegen zu empfangen. Es wird immer mal zusammen gekocht. Es gibt Küche, Waschmaschine usw. Eben alles, was der Wanderer so braucht.
Wir haben meistens gezeltet. Auf den Campingplätzen entsteht genauso Abend um Abend ein Pilgertreff.
Wenn man all diesen Pilger-Specials ausweicht, macht es eigentlich kaum Sinn, ausgerechnet einen Pilgerweg zu wählen. Es gibt genügend Wanderwege, die landschaftlich endrucksvoller sind.
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Camino Primitivo: Lugo bis Camino Frances
Lugo war der letzte Stop und Ruhetag vor dem Ende meiner Tour in Santiago de Compostella. Ich hatte ursprünglich eigentlich bis nach Cabo Finisterre, also ans „Ende der Welt“ laufen wollen, aber das wäre zeitlich nun sehr schwierig geworden. Zudem war ich von den Pilgerwegen nicht so sehr angetan, dass ich noch 90 km dran hängen hätte wollen...
Lugo beeindruckte mich schon von Anfang an durch die imposante Stadtmauer, die die Stadt noch komplett umgibt und auch belaufen werden kann. Wie üblich wollte ich nicht in die Schnarcher-Pilgerherberge, sondern in eine billige Pension. Da ich in den letzten Städten nicht gerade positive Erfahrungen mit den Touristeninformationen gemacht hatte, begab ich mich gleich selbst auf Zimmersuche. Ich marschierte in das erste Haus mit „Hostal“-Schild und kippte beinahe aus den Schuhen, als mir ein Einzelzimmer für 12 EUR angeboten wurde. Ich erwartete eine Total-Absteige, aber das angebotene Zimmer war sauber und sogar ganz nett. Ich konnte es immer weniger glauben, warum die Pilger sich um die 5 EUR-Bette in den Schnarchsälen der Pilgerherbergen schlugen, wenn es hier in Spanien solch preisgünstige Alternativen gab. Ich verbrachte dann auch eine ruhige Nacht in meinem Billigzimmer, wenngleich auch am Morgen die einzige Glühbirne des Raums ihren Geist aufgab.
Da ich wie üblich an einem Feiertag in der Stadt war, waren natürlich wieder mal alle Geschäfte geschlossen. Dafür war in der romanischen Kathedrale umso mehr Betrieb. Hier fanden die Hochzeiten quasi am Fließband statt. Stundenlang bestaunte ich das Treiben in der Kathedrale, wo es im Gegensatz zu draußen angenehm kühl war. Auf Empfehlung meines Billigherbergenbesitzers aß ich in einem sehr guten Restaurant zu sehr billigen Preisen und wurde noch dazu von einer perfekt Englisch sprechenden jungen Spanierin bedient. Wir kamen ein bisschen ins Plaudern: Sie hatte Englisch studiert und sogar darin promoviert, aber in Spanien aufgrund der derzeitigen Wirtschaftslage keinen Job gefunden. Und so arbeitete sie Vollzeit als überqualifizierte Kneipenbedienung.
Als am nächsten Tag Lugo verließ, so ich mich mit einem neuen Problem konfrontiert. Um die offizielle „Compostella“, also den Pilgernachweis zu bekommen, musste man zumindest für 100 km vor Santiago Stempel im Pilgerausweis vorweisen können. Nun war ich zwar deutlich weiter als 100 km gelaufen, aber mein letzter Stempel in Pilgerausweis stammte vom Diakonissenhaus in Eisenach.... Das war halt das Problem, wenn man wie ich nicht in Pilgerherbergen schläft. Jetzt musste ich mir plötzlich Gedanken machen, wo ich jeden Tag zwei Stempel her kriegen sollte. Glücklicherweise war das so nah vor Santiago kein Problem: Jede Bar am Wegesrand hatte eine Stempelstelle.
Die letzten Kilometer auf dem Camino Primitivo waren recht ereignislos. Der Weg verlief weiterhin durch recht verlassene ländliche Gegenden, aber leider war ich jetzt wieder auf überwiegend Asphalt unterwegs. Allerdings handelte es sich um kleine Landstrassen mit nur sehr wenig Verkehr. Und dabei war ich nicht allein: Oft musste ich mir den Weg mit ganzen Kuhherden teilen, denen ich mich mittlerweile heldenhaft stellte. Die Orte waren winzig und oft schon halb verlassen, dafür waren die Einwohner den Pilgern gegenüber sehr positiv eingestellt, denn sie brachten immerhin etwas Geld in diese verlassene Gegend. Überall entlang des Wegs wurden darum auch neue Pilgerherbergen gebaut oder alte renoviert.
Fazit Camino Primitivo: Im Vergleich zum Camino del Norte war der Camino Primitivo recht schön. Als Wanderweg würde ich ihn eher als mittelprächtig beurteilen, aber für einen Pilgerweg ist er ziemlich gut. Wildzelten war relativ unproblematisch und auch der Asphaltanteil hält sich in Grenzen. Einige Abschnitte, wie z.B. die Hospitales-Route sind sogar wirklich schön. Zudem hält sich der Massenansturm der Pilger hier noch in Grenzen. Obwohl dieser Camino als schwierig und anspruchsvoll beschrieben wird, fand ich ihn total einfach – sogar die gefürchtete „Hospitales“-Route. Wer also unbedingt pilgern möchte, findet hier einen relativ naturnahen und schönen Camino.
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Camino Primitivo: Oviedo nach Lugo
In Oviedo hatte ich mal wieder viel Glück mit einer preiswerten und guten Pension gehabt. Die nette Putzfrau ließ mich sogar bis in den frühen Nachmittag in meinem Zimmer, so dass ich mich recht gut erholen konnte. Ich wollte dann noch schnell im nahegelegenen Supermarkt einkaufen und mich wieder auf den Weg machen. Doch als ich vor dem Supermarkt stand, glaubte ich meinen Augen nicht: Trotz Wochentag war das Ding geschlossen! Ursache war mal wieder eine örtliche Fiesta... Das war mir nun schon zum dritten Mal passiert und so langsam wunderte ich mich nicht mehr über den desolaten Zustand der spanischen Wirtschaft... Hier schien es mehr Feier- als Arbeitstage zu geben. Immerhin hatten die Bäckereien offen und so konnte ich mir notdürftig Futter für die Strecke bis zum nächsten Ort beschaffen.
Ich hatte gehofft, dass der Camino Primitivo, der laut Pilgerführer abgelegen, schwer und wenig begangen sein sollte, mir nun besser gefallen würde. Nur leider waren die ersten Tag ähnlich furchtbar wie auf dem Camino del Norte. Was vorher die Küstenautobahn war, war hier die A63. Zwar noch im Bau befindlich verschandelte sie die Landschaft. Dazu die üblichen vergammelten Industrieanlagen und Müllkippen. Ich hatte die Schnauze voll von den Caminos.
Doch nach einigen Tagen änderte sich die Umgebung. Plötzlich keine Autobahn mehr, kein Laufen auf Asphaltstrassen sondern plötzlich Waldwege und abgelegene Pfade. Dann gab es sogar Alternativwege: Man konnte entweder den „schwierigen“ Weg über den Pass gehen (Hospitales) oder das ganze eher umlaufen. Mein Führer schilderte die Hospitales-Route in den abschreckendsten Tönen. Man sollte diese Route nur wählen, wenn man sich mental und körperlich dazu in der Lage sähe und das Wetter gut sei. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass es hier so schlimm sein könne wie in den Pyrenäen und wählte die „schwierigere“ Route, die sich dann auch prompt als idioteneinfach herausstellte. Und das, obwohl ich das ganze Stück in dichtem Nebel gehen musste, wovon mein Führer natürlich dringend abriet. Dabei war der ganze Weg durchgehend so gut markiert, dass mir selbst meine Sichtweite von unter 50 m nichts ausmachte. In dichtem Nebel kam ich oben am Pass und einer völlig zugemüllten Schutzhütte an. Beim Abstieg lichtete sich dann der Nebel und ich fand sogar noch einen Zeltplatz mit Aussicht. Überhaupt muss ich sagen, dass sich das Wildzelten auf dem Primitivo deutlich einfacher machen ließ als auf dem Camino del Norte.
Auch nach der für Pilgerverhältnisse „spektakulären“ Hospitales-Route blieb der Weg weiterhin recht schön. Der Stausee bei Grandas de Salime war recht beeindruckend – genau wie der lange Abstieg vom Pass hinunter zum Stausee. Ich war nun wieder ein wenig mit dem Camino versöhnt. Endlich nicht mehr endloser Asphalt und Großstädte, sondern Wege und hübsche Dörfer. Leider tauchten nun völlig unerwartet auch wieder Zecken auf, die schon seit Monaten kein Problem mehr gewesen war. Aber nun ausgerechnet hier, wo ich nicht mal viel durch hohes Gras und Gesträuch laufen musste, fielen sie wieder über mich her. An einem Abend musste ich wieder mal 10 festgebissene Zecken von mir runterziehen....
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Du wolltest den CF nicht, um dort nicht den Pilgern zu begegnen. Stattdessen hast du dann den Norte genommen. Um dort dem Massentourismus, der Schwerindustrie und den Autobahnen zu begegnen. Ich glaube, dass das keine gute Entscheidung war.
Spirituelle Angebote gibt es durchaus. Aber die findest du nicht im Wald. Wenn du Kirchen, Pilgerherbergen und Pilger meidest, ist es relativ schwer, sich für das Pilgern zu begeistern. Bzw. es überhaupt kennenzulernen.
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Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigenDu hast doch nicht die Rolltreppe genommen? Das gäbe 0,05 Punkte Abzug in der B-Note.
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Zitat von German Tourist... und dann sogar per Rolltreppe auf dem Pilgerweg weiter.
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Camino del Norte: Santander bis Oviedo
Ich gebe zu, dass mich der Camino del Norte langsam anfing zu nerven. Nach Irun/San Sebastian und Bilbao war Santander jetzt die dritte große Metropole, die ich durch Beton- und Industriewüsten betreten und verlassen musste. Und fast immer dauerte es fast einen ganzen Tag, in die Stadt hineinzulaufen und nochmals fast einen ganzen Tag, um wieder aus der Stadt und ihren Industrie- und Vorstädten rauszukommen. Leider wurde es danach auch nicht viel besser. Gerade dieser Abschnitt des Camino del Norte zeichnete sich durch eine Vielzahl von Industrieansiedelungen aus und läuft auch noch über weite Strecken entlang der Küstenautobahn. Zudem ist das Umweltbewusstsein der Spanier auch nicht besonders ausgeprägt: Fast jeden Tag stieß ich auf wilde Müllkippen. Die Pilger tragen auch noch dazu bei, in dem sie in jedem Seitenweg ihr Geschäft erledigen und dann auch noch massenweise Klopapier hinterlassen. Entsprechende Photos erspare ich Euch hier. Alle Photos der nächsten Collage sind auf diesem Abschnitt aufgenommen – nur leider zeigen die meisten Pilger in ihren Berichte eine verklärte Idylle und nicht die ebenso realen Betonwüsten auf den Caminos.
Dabei gibt es auch einige schöne Abschnitte am Meer, wie die nachfolgende Collage zeigt. Dabei fand ich es herzzerreißend, dass nur noch wenige Pilger diese hübschen Abschnitte so ungestört genießen werden können, denn genau dort wird jetzt gerade die Küstenautobahn weitergebaut.....
Auf diesem Abschnitt hatte ich dann auch meine nächsten Erfahrungen mit Pilgerherbergen. Dabei war die erste völlig unbeabsichtigt: Ich kam spät am Abend noch durch ein Dorf und wollte die Herberge eigentlich nur von außen beäugen, als ich in der Kneipe davor schon von der Hospitalera als Pilger erkannt und abgefangen wurde. Eh ich es mich versah, hatte ich einen Stempel und war fünf Euro ärmer – dafür durfte ich aber auch Zelten und musste mich nicht mit anderen Schnarcher herum plagen. Dabei gab es in dieser Herberge sogar ein Schnarcherzimmer....Den Abend verbrachte ich dann mit einem spanischen Pilger bei philosophischen Gesprächen in der örtlichen Bar.
Wenige Tage später konnte ich bei aufkommendem Nebel so überhaupt keinen vernünftigen Schlafplatz finden und beschloss, die Pilgerherberge zu testen. Nur leider konnte man dort nicht zelten und man wies mir ein Zimmer mit einem dänischen Ehepaar zu. Die entpuppten sich allerdings als hardcore Dauerschnarcher. Es war so schlimm, dass ich auf den Balkon der Herberge flüchtete, um dort wenigstens ein bisschen Ruhe zu haben. Ruhig war es zwar, aber der Nebel durchfeuchtete meinen Quilt derartig, dass ich ihn am Morgen fast auswringen konnte. Glücklicherweise war ich mit Synthetik unterwegs. Als ich zurück im Schnarcherzimmer meine Siebensachen packte, schnarchten die beiden Dänen immer noch lautstark vor sich hin, obwohl mittlerweile schon ein Dutzend Pilger türenknallend die Herberge verlassen hatte. Ich beschloss, dass dies mein letztes Herbergsexperiment gewesen war.
Die Orte auf diesem Abschnitt des Camino versprühten oft einen morbiden Charme. Viele romantisch überwucherte Häuserruinen erzählen von der Landflucht. Sehr interessant sind allerdings die Horreos, die ehemaligen mäusedichten Vorratsspeicher, die sich in allen möglichen Variationen am Wegesrand befinden.
Camino del Norte Fazit: Der Camino del Norte war wohl die schlimmste Wanderung meiner ganzen mittlerweile schon 28.000 km umfassenden Wanderkarriere. Es ist mir ein totales Rätsel, warum Pilger von diesem Weg schwärmen. Dieser Camino verläuft zu 75% auf Asphalt, darunter auch häufig viel befahrene Strassen. Die vielen Großstädte am Weg sind zwar interessant, aber zum Wandern furchtbar. Wildzelten ist zwar möglich, aber so schwer wie nirgendwo sonst in Europa, wenn man Wert auf Ruhe und Abgeschiedenheit legt. Eine etwas umfassendere Kritik findet sich hier auf meinem Blog.
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Camino del Norte: Bilbao bis Santander
In Bilbao hatte ich mich in die ultramoderne Jugendherberge einquartiert. Die war super modern und sauber, hatte aber weder eine Küche oder einen Gemeinschaftsraum und vor allem keinen Büchertausch. Dementsprechend logierten dort auch vornehmlich Familien. In Bilbao interessierte mich vor allem das Guggenheim-Museum, das zwar in einem tollen Gebäude untergebracht war, aber inhaltlich nicht viel interessantes zu bieten hatte. Viel Luft um nichts.....Natürlich fiel mein Ruhetag auf einen Feiertag und so wurde es schwierig mit dem Einkaufen. Nur nach langem Suchen fand ich einen geöffneten Buchladen, wo ich mir endlich Lesenachschub kaufen konnte.
Der Weg hinaus aus Bilbao war lang und ziemlich ätzend. Zunächst stieß ich auf zwei versprengte Pilgerinnen aus Südafrika, die ohne Karte unterwegs waren und so in die völlig falsche Richtung liefen. Danach ich die beiden wieder auf den rechten Weg zurückgebracht hatte, legte ich einen Zahn zu und versuchte, die endlosen Vorstädte schnellstmöglich hinter mich zu bringen. Dabei ging es erst den halben Tag am Ria de Bilbao endlang, wo sich eine hässliche Industrieanlage neben die andere reihte. Erst bei Portugalete ging es mit der ältesten Schwebefähre der Welt über den Fluss und dann sogar per Rolltreppe auf dem Pilgerweg weiter. Doch leider hatte der Asphalt dann immer noch kein Ende. Mehrere Stunden ging es dann auf einem futuristischen Fahrradweg über und entlang der vielbefahrenen Autobahn. Erst ganz spät am Abend kam ich endlich aus der Beton- und Autobahnwüste heraus und fand einen Zeltplatz im Eukalyptuswald.
Überhaupt war das Wildzelten ausgesprochen schwierig in dieser dicht bevölkerten Ecke Spaniens. Es gab nur sehr wenig Wald zum Verstecken und der bestand fast ausschließlich aus Eukalyptus. Nur musste ich dabei leider lernen, dass dieser Eukalyptuswald komplett mit dichtem Unterholz und stacheligem Gestrüpp überwuchert ist, d.h. Zelten im Wald ist fast immer unmöglich. Und so musste ich mir irgendwelche alten Waldwege suchen, um mein Zelt aufzuschlagen. So fühlte ich mich nachts dann immer mehr wie in Australien denn in Spanien.
Bisher hatte ich noch keine einzige Pilgerherberge besucht, denn ich wollte mich nicht den Schnarchern im Riesenschlafsaal aussetzen. Mein Pilgerführer versprach mir aber, dass man an der vielgepriesenen Herberge von Padre Ernesto in Guemes auch Zelten könne, und so legte ich einen 40+ km Tag hin, um dort abends anzukommen. Ich war so spät dran, dass ich die Hälfte der allabendlichen Ansprache von Padre Ernesto verpasste. Der erzählt in der Hochsaison jeden Abend den Pilgern von der Reise des Lebens und vielen anderen Lebensweisheiten. Danach gibt es dann ein gemeinsames Abendessen für alle Pilger. Bei den Pilgern fand ich nicht so rechten Anschluss, aber während die Meute am nächsten Morgen früh aufbrach, ließ ich mir viel Zeit und konnte sehr ausführlich mit dem Padre über sein ausgesprochen interessantes Leben plaudern. Der war als Priester in jungen Jahren mit dem VW Bus auf Weltreise aufgebrochen und hatte sich in der Kirche der Befreiung engagiert. Jetzt lebte er als Dorfpfarrer in Guemes und führte die Pilgerherberge zwar mit der Duldung seiner kirchlichen Vorgesetzten, erhielt aber keinesfalls deren Unterstützung. Leider war die Herberge von Padre Ernesto das einzige spirituelle Angebot auf dem Camino del Norte, das ich mitbekommen habe.
Wieder mit einer Fähre ging es dann über die Bucht nach Santander, wo ich im Dauernieselregen ankam und die ersten Billigherbergen gleich voll belegt waren. Ich rettete mich in ein AYCE Chinabuffet, um neue Kräfte zu sammeln. Mit gefülltem Magen nahm ich die Zimmersuche dann per Telefon in Angriff und siehe da, es fand sich auch sogleich eine preiswerte und ausgesprochen schöne Unterkunft im Zentrum. Ich machte mir nur langsam Sorgen um mein Budget, denn so viele Nächte hatte ich auf der ganzen Wanderung noch nicht in bezahlten Unterkünften verbracht wie hier auf dem Camino. Als ich Santander verließ, war wie immer ein Feiertag und alles geschlossen... und es regnete.
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So, ich habe jetzt für die Kartendiskussion Osteuropa einen neuen Thread eröffnet.
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