[SE] 2024 Meine Sarek-Premiere - Abgewettert wird nicht

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  • Goldi
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    [SE] 2024 Meine Sarek-Premiere - Abgewettert wird nicht

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    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 0020240829_100747 Titelbild.jpg Ansichten: 100 Größe: 2,02 MB ID: 3281717

    [SE] 2024 Meine Sarek-Premiere – Abgewettert wird nicht!


    Die Vorbereitung

    So, hatte ich mir gesagt. Schluss mit den bequemen Wegen, den Holzstegen und den vielen gutgemeinten Richtungsschildern. Ich bin ja schon groß und kann mir meinen Weg selbst suchen. Weglos wandern heißt das Zauberwort. Freiheit, ich komme! Ich sollte später lernen, dass das auch und vor allem heißt: Weidengestrüpp, Blockfelder, Sümpfe, Umwege und extra Höhenmeter. Und dass sich die Wegsuche ungleich schwieriger gestaltet, wenn man in einer Wolke steckt und in jede Richtung nur 10m Sicht hat. Aber ich durfte auch erfahren, wie gut es sich anfühlt, die Furt gemeistert zu haben oder den besten Weg durch das schwierige Gelände gefunden zu haben.

    Es sollte also der Sarek sein. Nach dem Studium von Karte und hier wohlbekannter Fachliteratur stand der Plan fest: Von Ritsem übersetzen, durch die Täler ziehen und zehn Tage später in Kvikkjokk wieder auftauchen. Um es vorweg zu nehmen: So habe ich es dann auch gemacht und hier schon mal den Track mitgebracht:

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Screenshot Gesamttrack.jpg Ansichten: 95 Größe: 1,39 MB ID: 3281718
    Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA

    Hier noch der Link auf Google Maps für alle, die es lieber digital haben: Sarek_2024.

    Jetzt noch kurz zu einem unerfreulichen Kapitel der Vorbereitung. In meiner Euphorie hatte ich mir letztes Jahr Lundhags bestellt, denn ich wollte mit standesgemäßem Schuhwerk unterwegs sein. Das war leider ein voller Misserfolg. Ich mühte mich redlich und das ganze Jahr über, sie einzulaufen. Allein, es sollte nicht sein. Immer drückte die Knickfalte so auf von oben auf meine Zehen, dass ich nach wenigen km aufgescheuerte Stellen bekam, die noch tagelang schmerzten. Das ließ sich auch durch zwei Socken, fester Schnürung, Einfetten mit original Lundhags Grease und vielen Anläufen nicht abstellen. Nichts zu machen - zu groß gekauft. (Wenn jemand Interesse am Modell Jaure II Größe 46 weite Form hat, bitte melden. Ich gebe sie zu einem Freundschaftspreis ab. Ich habe sie auch hier https://www.outdoorseiten.net/vb5/fo...-kaum-getragen eingestellt. Ich verschicke sie gerne auch zum Anprobieren.) Also müssen nochmal die sehr gut eingelaufenen, relativ frisch besohlten aber nicht ganz so wasserdichten Meindl Borneo herhalten.

    Beim Probepacken stelle ich fest, dass ich in den 75L Rucksack beim besten Willen nicht alles hinein bekomme. Also mache ich mich auf die Suche nach zusätzlichen Packtaschen, die außen am Rucksack hängen sollen. Aber kein Modell sagt mir wirklich zu und so setze ich mich hin und entwerfe selbst welche. Den Boden schaue ich mir bei einer Regenschirmhülle ab und den Tunnelzug bei meinem Zeltsack. Einige Skizzen und Papiermodelle später bestelle ich bei Extremtextil 2m Ripstop-Nylon (55 g/m2) und passendes Garn und übergebe alles meiner Frau und ihren Nähmaschinenkünsten. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Zwei längliche Beutel mit mehreren Schlaufen außen, durch die Packriemen laufen. Diese verbinden beide Beutel und werden über das Hauptfach gelegt (unter den Rucksackdeckel), so dass die Beutel wie Satteltaschen rechts und links herunterhängen. Die Riemen bilden Schlaufen, die sich unter den Beuteln kreuzen und so das Gewicht tragen. Ich kann einen Großteil des Proviants dort unterbringen.

    Beim Buchen der Zugverbindung warte ich vergeblich auf den Nachtzug 94, der um 18:10 Uhr von Stockholm abfährt und mich direkt nach Gällivare bringen sollte. Ich verfolge, wie dieser Zug Woche für Woche im Portal von vy.se erscheint und so meinem Termin am 24.8. immer näher rückt. Aber dann ist Anfang August Schluss und es gibt einfach keine neuen Einträge mehr. Ich warte noch eine Weile und nehme dann den deutlich ungünstigeren Nachtzug 92 nach Boden und von dort mit dem Bus weiter bis nach Ritsem. Die Rückreise ist genauso umständlich, aber ich bin froh, dass ich überhaupt eine Verbindung hin und wieder zurück buchen kann.


    Die Anreise (Samstag, 24.8.2024-Sonntag, 25.8.2024)

    Mit dem Bus geht es morgens zum Frankfurter Flughafen und ab nach Stockholm. Dort lasse ich den Rucksack im Schließfach am Bahnhof, kaufe Gas und gehe dann in den Lundhags-Store in der Kungsgatan. Ich kann es mir nicht verkneifen, die Jaure II in 45 anzuprobieren. Sie passen wie angegossen! Keine Knickfalte, kein Drücken. Am liebsten hätte ich sie gar nicht mehr ausgezogen. Aber natürlich kann ich sie nicht mitnehmen. Und über sechstausend Kronen sind auch nicht gerade ein Schnäppchen. Immerhin doppelt so teuer wie bei Outnorth! So gehe ich wieder mit dem vagen Gedanken, sie doch irgendwann zu bestellen. (Jetzt, wenige Wochen später, habe ich sie tatsächlich bestellt und auch schon erhalten.)

    Ich schlendere durch das hochsommerliche Stockholm.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20240824_143109 Tretboote.jpg Ansichten: 95 Größe: 3,13 MB ID: 3281719

    Es will so gar keine Fjäll-Wanderstimmung aufkommen. Die Flanier-Atmosphäre wirkt eher wie in Italien. Dann eine Demo. Ich denke noch: Die Schweden-Flaggen sehen aber komisch aus, haben die das Kreuz vergessen? Dann merke ich, dass es Ukrainer sind. Etwas weiter treffe ich auf Schritt und Tritt auf junge Asiaten, überwiegend in typischer K-Pop-Aufmachung. Die Erklärung lässt nicht lange auf sich warten: Im Kungsträdgården findet ein koreanisches Kulturfestival statt. Musik, Essen, viele Leute. Leider sehr lange Schlangen vor den Essensständen. Ich lasse mich hindurchtreiben und schlendere dann am Hafen entlang. Schließlich will ich mir noch die Vasa anschauen. Sie wirkt an diesem strahlend sonnigen Tag in ihrer gekühlten Museumshalle besonders wuchtig und düster.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20240824_140323 Vasa.jpg Ansichten: 94 Größe: 2,98 MB ID: 3281720

    Dann ist der Tag in Stockholm auch schon verbummelt. Noch ein letztes Bier am Bahnhof…

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20240824_173946 Bier.jpg Ansichten: 93 Größe: 2,02 MB ID: 3281721

    … und es geht in den Nachtzug. In meinem Abteil sind außer mir ein Schweizer mit deutschen Wurzeln, zwei Engländer und ein spanisches Paar. Der Deutsch-Schweizer will auch nach Ritsem und so reisen wir bis dort zusammen. Er will von dort an genau der Stelle des Nordkalottledens einsteigen, an der er letztes (oder war es vorletztes?) Jahr wegen Schneefall abbrechen musste und von da nach Abisko laufen. Er ist bei seiner Ausrüstung und Kleidung deutlich minimalistischer als ich. Ich hoffe, das Wetter in den nächsten Tagen hat ihm nicht zu sehr zugesetzt und er konnte sein Ziel erreichen.

    Am nächsten Morgen rollen wir im Dauerregen in Boden ein. In der Bahnhofshalle stapeln sich die Rucksäcke.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20240825_111229 Rucksäcke.jpg Ansichten: 93 Größe: 2,61 MB ID: 3281722

    Dann geht es mit dem Zug nach Gällivare und weiter mit dem Road-to-Ritsem-Bus, der kurz nach sechs Uhr abends ebendort eintrifft. Der See hat extremes Niedrigwasser und alle, die noch die Fähre über den See nehmen wollen, müssen ein gutes Stück hinabsteigen zum Anlegesteg, wo das Boot schon bereitliegt. Das Wetter ist ungemütlich und es gehen immer wieder Schauer nieder.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20240825_175051 Boot.jpg Ansichten: 92 Größe: 2,71 MB ID: 3281723

    Drüben angekommen, reißen die Wolken kurz auf und geben den Blick auf das mächtige Ahkka-Massiv frei. Das will ich morgen umrunden.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20240825_185156 Akka-Massiv.jpg Ansichten: 91 Größe: 2,73 MB ID: 3281724


    Alle anderen, die mit mir übergesetzt haben, gehen weiter, vermutlich zur nahen Ahkkastugan. Der Sami-Imbiss am Fähranleger hat leider schon Saisonschluss und ist wie alle Hütten hier verrammelt. Da es schon sieben Uhr ist und ich ohnehin zelten will, bleibe ich gleich hier und schlage mein Zelt auf einer ebenen Fläche ein paar Schritte oberhalb des Seeufers auf.

    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20240825_193228 Camp 0.jpg Ansichten: 91 Größe: 4,39 MB ID: 3281725

    Morgen geht es los. Vorfreude und Aufregung lassen mich innerlich vibrieren. Habe ich auch nichts vergessen? Schaffe ich das überhaupt? Will ich nicht doch lieber auf einem festen Weg nach Kvikkjokk gehen? Was habe ich mir da nur aufgehalst? Mit diesen Gedanken und dem Klang des leichten Regens, der auf das Außenzelt fällt, schlafe ich ein.
    Zuletzt geändert von Goldi; 22.09.2024, 20:34. Grund: Ortskoordinaten eingegeben + Tippfehler behoben

  • Fjellfex
    Fuchs
    • 02.09.2016
    • 1675
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    Bei so *heroischen* Überschriften zieht man erst mal ne Augenbraue hoch ... aber der weitere Verlauf zeigt ja wie man das einzuordnen hat.
    Vielversprechende Route ... ich bin dabei!

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    • andrea2
      Dauerbesucher
      • 23.09.2010
      • 989
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      Sehr spannend, ich freue mich schon deine Tour zu verfolgen. Die heroische Anwandlung kann ich durchaus verstehen, bei dem Wetter, das Ende August / Anfang September herrschte. Was mich erstaunt ist der Neuschnee auf Ahkka, ich hab dieses Jahr kein bisschen Schnee sehen können. Allerdings hatten wir am 25.08. abends nur den Blick nach Westen über den Virihaure nach Norwegen.
      Wenn ich deine Karte richtig interpretiere, kamen wir einen Tag nach dir am Álggájavrre vorbei. (31.08.)

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      • momper
        Dauerbesucher
        • 05.12.2011
        • 746
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        Endlich
        ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
        ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

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        • Blahake

          Vorstand
          Fuchs
          • 18.06.2014
          • 1937
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          Bin dabei!

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          • Tekumseh
            Anfänger im Forum
            • 05.10.2020
            • 25
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            Hi Goldi,
            bin auch gespannt, wie es bei dir gelaufen ist. Wir waren zu der Zeit etwas nördlicher unterwegs und haben ständig abgewettert. Hatten aber auch kein festes Ziel und konnten unsere Strecke anpassen.
            andrea2: Neuschnee (oben auf den Bergen) gab es bei uns während der ersten langen Niederschlagsphase Samstag bis Sonntag. Danach noch mehr 🙈

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            • Goldi
              Erfahren
              • 11.09.2022
              • 259
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              Oh, oh! Hochgezogene Augenbrauen von Fjellfex sind eine deutliche Stilkritik. Der muss ich mich natürlich stellen. Und zwar mit einem Plädoyer für Vielfalt und Individualität. Mir fällt immer wieder auf, dass die meisten Titel der Tourberichte sehr der formalen Ästhetik des Funktionalen gehorchen und etwa lauten: "Gebiet X von Ort Y nach Ort Z". Diese protokollarische Strenge hat gewiss auch seinen sprachlichen Reiz und ist inhaltlich ohnehin nicht angreifbar. Mich allerdings hat diese stilistische Monotonie dazu gebracht, einen kühnen Spruch rauszuhauen, der gewiss eine unnötige Fallhöhe erzeugt hat und Erwartungen weckt, die ich nur unterlaufen kann. Also rudere ich hiermit zurück und ... ach was soll´s. Genug herumschwadroniert. Ich fand den Titel einfach geil!

              @Alle: Danke für euer Interesse. Ich werde mich, so oft es geht, in die Schreibstube zurückziehen und der Berichterstatterpflicht nachkommen. Kann aber nix versprechen.

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              • Blubbi
                Erfahren
                • 17.01.2016
                • 466
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                Ich bin natürlich auch mit dabei und freue mich sehr auf diesen Bericht

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                • Fjellfex
                  Fuchs
                  • 02.09.2016
                  • 1675
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  Zitat von Goldi Beitrag anzeigen
                  mit einem Plädoyer für Vielfalt und Individualität.
                  ... hast du den Oberlehrer Fjellfex schön in die Schranken gewiesen!

                  Und nun her mit dem Fjäll ... wild, anarchisch, vielfältig-individuell, unerwartet, ... die Spannung auf den kühnen Bericht hier im Forum ist ja jetzt mit Händen zu greifen.

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                  • zilka

                    Erfahren
                    • 29.06.2017
                    • 420
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                    Und nun her mit dem Fjäll ... wild, anarchisch, vielfältig-individuell, unerwartet, ... die Spannung auf den kühnen Bericht hier im Forum ist ja jetzt mit Händen zu greifen.
                    Genau. Freue mich auch auf‘s Lesen und Teilhaben können!
                    zilka

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                    • Goldi
                      Erfahren
                      • 11.09.2022
                      • 259
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      Tag 1 (26.8.2024) Östlich um das Ahkka-Massiv

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Name: Track Tag 01 2024_08_26.jpg
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Größe: 2,24 MB
ID: 3282088
                      Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA

                      Die Kurzfassung:
                      Strecke: Ca. 20 Km, 840hm
                      Wetter: Sonne-Wolken-Mix, später Regen, leichter Wind
                      getroffene Personen: eine Schwedin und zwei Deutsche


                      Um halb fünf schlage ich die Augen auf. Es wird langsam hell. Kein Regenprasseln mehr. Der Blick aus dem Zelt ist verheißungsvoll, auch wenn das See-Panorama etwas zugewachsen ist.

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Name: 20240826_044802 Blick aus Zelt.jpg
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Größe: 3,02 MB
ID: 3282089

                      Dann geht der Blick auf das Thermometer. Das hatte ich mir extra vorher besorgt, um morgens schon die Außentemperatur zu checken. Es wiegt 25g und hat einen Fühler an einem 0,5m langen Kabel, das ich aus dem Zelt hängen lassen kann.

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Name: 20240826_045019 Thermometer.jpg
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Größe: 2,23 MB
ID: 3282090

                      Etwas frischer, als ich es aus den letzten Tagen in Deutschland gewohnt war. Immerhin ist es trocken und ich kann auf der Veranda der Imbisshütte frühstücken und den Blick auf den See genießen.

                      Dann geht es los, zunächst auf dem Padjelantaleden. Ich werfe einen Blick hinüber zum Ahkka-Massiv.

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Name: 20240826_070222 Ahkka am Morgen.jpg
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ID: 3282091

                      Auch heute umgeben sich die Gipfel mit Wolken und wirken unnahbar. Als hätten sie sich zurückgelehnt, die Arme verschränkt und würden mich spöttisch von oben herab ansehen.

                      Ich komme an der Ahkkastugan vorbei. Morgens um sieben ist hier wohl noch alles im Tiefschlaf. Jedenfalls sind alle Türen und Fenster geschlossen und dunkel. Ich folge dem Weg und komme an die Brücke über den Vuojatädno.

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Name: 20240826_075152 Brücke.jpg
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ID: 3282092

                      Die Hängebrücke ist imposant und die tosenden Wassermassen darunter nicht minder.

                      Auf der anderen Seite treffe ich eine Schwedin, die dort gecampt hat. Sie fragt mich, ob ich bei den Wetteraussichten wirklich in den Sarek will. Ich versuche, ein entschlossenes Gesicht zu machen und bedanke mich höflich für das Mitgefühl, dabei hat sie meine inneren Zweifel gerade um ein paar Umdrehungen hochgeschraubt. Die Vorhersage hatte ich auch gesehen: Für morgen starker Wind bis Sturm mit Ausrufezeichen und auch danach praktisch jeden Tag Regen. Ich denke mir, zur Not suche ich ein geschütztes Plätzchen und wettere halt einen oder zwei Tage ab.

                      Nach der Brücke biege ich nach links ab und verlasse ich den Weg. Einige Tage später wird mir jemand sagen, dass es besser sei, den Weg erst am ersten Zeltplatz zu verlassen, weil man da schneller über die Baumgrenze kommt. Ich gehe jedenfalls direkt in den Wald. Zunächst sind noch einzelne Pfade zu erkennen, die sich aber schnell verlieren.

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Name: 20240826_075749 Birkenwald.jpg
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Größe: 5,64 MB
ID: 3282093

                      Aber der Wald ist licht und der Boden fest, wenn auch mit Farn überwuchert. Ich komme ganz gut voran. Wenn immer es eine gute Möglichkeit gibt, Höhe zu gewinnen, nutze ich sie.

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Name: 20240826_081312 nach oben.jpg
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Größe: 4,93 MB
ID: 3282094

                      Bald bin ich aus dem ersten Wald heraus und gehe über freies Gelände. Nach knapp zwei Stunden mache ich an einem Felsen, der mir als Sitzbank dient, Pause. Der Blick zurück auf die Flussmündung ist schon mal eine schöne Aussicht.

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Name: 20240826_082520 Rast über den Bäumen.jpg
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Größe: 4,75 MB
ID: 3282110

                      Später komme ich an einem seltsamen Leckstein, vorbei, der in ca. 3m Höhe auf einem toten Baumstamm angebracht ist.

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Name: 20240826_084447 Leckstein.jpg
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ID: 3282095

                      Sieht irgendwie skurril aus. Die Spuren rundherum zeigen, dass hier oft ein ziemliches Rentiergedränge herrscht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie an den Stein selbst kommen, dafür hängt er zu hoch. Vermutlich lecken sie das salzige Regenwasser ab, das den Stamm herunterläuft. Der ist auch verdächtig glatt und sauber.

                      Ich gehe immer am Hang an der Ostflanke des Ahkka-Massivs entlang. Das Gelände ist mal felsig, mal von Birken bewachsen und mal von Weidendickicht durchzogen.

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Name: 20240826_095204 Hang mit Steinen.jpg
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ID: 3282096

                      Die Bacheinschnitte sind am schwierigsten. Sie sind fast immer mit dichten Weidenbüschen zugewachsen, durch die ich mich mühsam hindurcharbeiten muss. Dabei sind die Flanken steil und felsig und unten stehen die Büsche oft einen halben Meter tief im Wasser.

                      Was die Orientierung angeht, so denke ich mir, wenn ich auf der Höhe bleibe, werde ich langsam aber sicher das Bergmassiv umrunden und automatisch auf die Gassalahko-Ebene einschwenken. Die ist für heute mein Ziel.

                      Das Wetter ist ein angenehmer Sonne-Wolkenmix bei mäßigem Wind. Ich tausche Hardshell und Mütze gegen Windbreaker und Buff-Tuch.

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Name: 20240826_095230 Selfie mit Kopftuch.jpg
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ID: 3282097

                      An einigen Stellen ist schon ein Hauch von Ruska zu sehen.

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Name: 20240826_095849 Ruska.jpg
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ID: 3282098

                      Dann stehe ich vor dem Canyon des Njirramjåhkå.

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Name: 20240826_104010 Canyon.jpg
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ID: 3282099

                      Unten rauscht der Fluss, den ich irgendwo überqueren muss. Erst einmal dem Rand des Canyons nach unten folgen und wertvolle Höhenmeter aufgeben. Dann bin ich am Flussufer.

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Name: 20240826_105740 schneller Fluss.jpg
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ID: 3282100

                      Wie heißt es bei Claes Grundsten so schön: „… kann sich als schwierige Furt erweisen …“. Stimmt! Das Wasser tost und fließt echt schnell und mächtig. Für meinen Geschmack zu schnell und zu mächtig. Ich steige weiter ab und schaue immer wieder intensiv auf die Flussarme. Ist es hier nicht ein wenig langsamer? Wird es da vorne nicht breiter? Oder flacher? Aber es ist immer noch ein schneller Wildbach mit einem starken Gefälle. Ich stecke den Stock hinein und die Strömung zieht heftig daran. Keine Chance. Also weiter. Nach einer Weile sehe ich eine Stelle, an der der Hauptarm eine enge, tiefe Einschnürung aufweist. Sollte ich hier meine Schrittlänge ausspielen und einfach drübersteigen anstatt klassisch zu furten?

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Name: 20240826_110507 großer Schritt.jpg
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ID: 3282101

                      Unter dem vorspringenden Grasstück ist ein großer Stein, den ich ausgiebig auf seine Festigkeit prüfe. Es ist rund einen Meter bis zum anderen Ufer. Mit den Stöcken sondiert, fühlt sich das gegenüberliegende Ufer hinreichend trittfest an. Ich schaue nach unten. Den Schritt nicht zu schaffen ist definitiv keine Option. Ich mache zur Sicherheit Becken- und Brustgurt auf. Den vorderen Fuß fest platzieren, nochmal nach hinten lehnen und Schwung holen. Dann Luft anhalten und nach vorne schnellen. Mit einer beherzten Vorwärtsbewegung mache ich den Schritt und stehe sicher auf dem anderen Ufer. Geschafft! Ausatmen. Puh. Erstmal ein paar Schritte weg von der Uferkante und durchatmen.

                      Die anderen Flussarme sind kein Problem und können über Trittsteine entspannt und trocken passiert werden.

                      Dann gehe ich auf der anderen Seite nach oben, bis ich wieder auf meiner alten Höhe bin und setze den Weg fort.

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Name: 20240826_115134 andere Seite.jpg
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ID: 3282102

                      Zunächst geht es sich gut am Hang mit dem festen, griffigen Boden. Ich treffe zwei Deutsche, die gerade Pause machen. Sie wollen auch über die Gassalahko-Ebene, dann durch das Guhkesvagge und in Suorva aussteigen und haben sich dafür neun Tage vorgenommen. Ich komme ins Grübeln mit meinen zehn Tagen und der viel längeren Route nach Kvikkjokk. Dann sprechen wir noch über den für morgen angekündigten Sturm und wie stabil wohl unsere Zelte sind. Wieder ein paar Umdrehungen innerer Zweifel.

                      Ich ziehe weiter und mache mir Gedanken, ob bei meiner Routenplanung das Verhältnis Weg/Zeit in einem guten Bereich liegt. Weg pro Zeit ist ja bekanntlich Geschwindigkeit. Also mal schauen, wie weit ich heute noch komme und welche Schlüsse ich für die nächsten neun Tage ziehen kann. Im Moment geht es sich jedenfalls ganz gut und ich komme gefühlt schnell voran. Ab und zu gleiche ich das Seenpanorama mit der Karte ab. Dabei merke ich, dass ich doch nicht so flott bin. Die Umrundung des Ahkka macht kaum Fortschritte und in dem 1:100.000er Maßstab scheine ich mich überhaupt nicht vorwärts zu bewegen.

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Name: 20240826_140155 Seen unter mir.jpg
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ID: 3282103

                      Der Guodekjavrre links will einfach nicht vorüber gehen…

                      Ein leichter Regen setzt ein. Also wieder umrüsten auf wetterfest.

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Name: 20240826_145201 leichter Regen.jpg
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ID: 3282104

                      Dann unterteilt sich der Hang in Stufen aus Grashängen und Felswänden.

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Name: 20240826_145554 Felsstufen.jpg
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ID: 3282105

                      Ich befürchte, in eine Sackgasse zu laufen, wenn „meine“ Stufe endet oder zu steil wird. Also beschließe ich, meine Höhe zu reduzieren und abzusteigen und kämpfe mich durch ziemlich steiles Blockgelände nach unten.

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Name: 20240826_153417 steiles Blockgelände.jpg
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ID: 3282106

                      Ich muss höllisch aufpassen, nicht auszurutschen und zu stürzen. Die Felsen sind nass und rutschig, einige wackeln oder kippen auch unvermittelt und rutschen ein Stück ab. Ich nehme beide Hände zu Hilfe und steige vorsichtig, Felsblock um Felsblock, aus dem steilen Blockfeld ab. Einmal mehr denke ich: Das hier ist nicht der Kungsleden, bei dem jeder Stein x-fach täglich von Wanderschuhen festgetreten wird. Niemand kann mir garantieren, dass nicht gleich alles ins Rutschen gerät und ich unter einer Lawine aus Felsbrocken begraben werde. Ich bin jedenfalls froh, als ich aus dem Blockgelände heraus bin.

                      Hier nochmal der Blick von unten auf den Hang, den ich abgestiegen bin.

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Name: 20240826_160041 Felsen Blick von unten.jpg
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ID: 3282107

                      Jetzt bin ich auf einer niedrigeren Höhe, wo es weniger Felsen gibt, aber dafür dichtes Buschland, ebenfalls steil und rutschig.

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Name: 20240826_165320 steiles Buschland.jpg
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ID: 3282108

                      Ich bin so weit abgestiegen, dass ich deutlich unterhalb der Höhe der Gassalahko-Ebene bin. Ich werde also nicht mehr automatisch darauf stoßen, sondern muss irgendwann den Punkt finden, wieder nach oben zu steigen. Ich schaue immer wieder hoch, um zu sehen, ob die Felsbänder und Blockfelder weniger werden und ob ich schon an der Bergflanke des Ahkka vorbei bin. Schwer zu sehen von meiner Position im unteren Hang-Drittel.

                      Außerdem bin ich die meiste Zeit von dichten, übermannshohen Weidebüschen umgeben, die hier nicht mehr nur in den Bacheinschnitten wachsen, sondern ÜBERALL. Ich arbeite mich mit beiden Händen hindurch. Die knorrigen Stämme zerren an mir und an meinem Rucksack und stehen so dicht, dass ich mich kaum hindurchquetschen kann. Immer wieder schaue ich mich um oder fühle mit den Händen auf meinem Rücken, ob nicht etwas von meiner Ausrüstung abgerissen wurde und jetzt in den Zweigen hängt. Einen Weg finde ich auch nicht, nicht mal eine Wildspur. Der Boden ist uneben und von Wasserläufen durchzogen. Ich komme kaum vorwärts.

                      Von diesem Wegabschnitt gibt es keine Fotos, weil ich einfach zu genervt und erschöpft bin.

                      Als es schon fast 18:00 Uhr ist, stoße ich im Gestrüpp auf eine halbwegs geeignete Zeltfläche und beschließe, es für heute gut sein zu lassen, auch wenn ich mein Ziel, die Gassalahko-Ebene nicht erreicht habe.

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Name: 20240827_080344 Camp 1.jpg
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ID: 3282109
                      Camp 1 am Osthang des Ahkka-Massivs

                      Meine Hände sind zerkratzt, die Beine haben blaue Flecken, ich bin verschwitzt und erschöpft. Ein paar mal hatte ich während des Nahkampfs mit den Sträuchern nicht auf den Boden geachtet und war tief ins Wasser getreten. Meine beiden Schuhe sind innen komplett nass. Ich gieße das Wasser aus und wringe meine Socken und die Innensohlen aus, insgeheim auf das Wunder der über-Nacht-Trocknung hoffend (das natürlich ausbleibt).

                      Ich denke an „Weg pro Zeit“ und an die lange Strecke, die noch vor mir liegt. Hoffentlich geht das nicht so weiter. Es ist der erste Tag und ich bin schon hinter dem Zeitplan. Und überhaupt: Wo sind die weiten Täler, die kargen Wiesen, die tollen Ausblicke, die in den Forumsberichten immer vorkommen? Bis zum Horizont ein einziger fußschmeichelnder, ebener Teppich aus Flechten, Moos und kurzem Heidekraut, federleicht zu durchschreiten, alles in gleißend hellem Sonnenlicht präsentiert. Stattdessen kämpfe ich mich im Nieselregen durch diesen dunstigen undurchdringlichen Mangroven-Dschungel.

                      Aber jetzt erstmal ab ins Zelt, trockene Sachen anziehen, etwas warmes Essen, einen Tee trinken und runterkommen. Weglos gehen ist doch anstrengender, als ich dachte.

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                      • Blahake

                        Vorstand
                        Fuchs
                        • 18.06.2014
                        • 1937
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        Ich musste gerade schon schmunzeln, als ich in Deinem gpx-Track die "Beule" am Njirramjåhkå gesehen habe. Den Schlenker habe ich vor fünf Jahren auch gemacht und mich genauso geärgert, all die mühsam erkämpften Höhenmeter wieder zu verlieren. 😂 Ich sehe mich noch das Ufer und die Verzweigungen inspizieren mit der Frage, wo ich da endlich heil rüberkommen kann. Das gleiche bei Dir zu lesen, hat mich komplett zurückversetzt, genauso wie der anschließende Kampf mit den Weiden. Herrlich! Danke, dass Du mich wieder dahin gebeamt hast!

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                        • Goldi
                          Erfahren
                          • 11.09.2022
                          • 259
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          Danke Blahake, für die tolle Rückmeldung. Freut mich total. Ich habe gerade nochmal überflogen, was ich gestern geschrieben habe. Klingt alles vielleicht ein wenig jammerig. Ich sollte nicht so negativ schreiben. Ja, oft war es ein Kampf, aber es gab auch so viele tolle Momente auf der Tour. Und wenn man abends im Zelt liegt und die Spannung von einem abfällt, ist es ein unbeschreiblich gutes Gefühl, den Tag Revue passieren zu lassen und zu wissen, was man geleistet hat.

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                          • Blahake

                            Vorstand
                            Fuchs
                            • 18.06.2014
                            • 1937
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            Zitat von Goldi Beitrag anzeigen
                            ...Klingt alles vielleicht ein wenig jammerig. Ich sollte nicht so negativ schreiben...
                            Ach was, im Weidengestrüpp und bei ähnlich widrigen Bedingungen hat man schon mal Grund zu jammern! Im Nachhinein fühlt sich das ja alles gar nicht mehr so schlimm an, aber vor Ort war das schon doof, oder? Und da finde ich es nur richtig und authentisch, das dann auch ehrlich zu beschreiben.

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                            • Ljungdalen

                              Alter Hase
                              • 28.08.2017
                              • 3293
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              Zitat von Blahake Beitrag anzeigen
                              ...im Weidengestrüpp ... hat man schon mal Grund zu jammern!
                              +1. Für mich das Schlimmste, was es gibt. Da ziehe ich es sogar vor - v.a. wenn es zB regnet und/oder Schuhe und alles sowieso nass - *in* einem in Gehrichtung verlaufenden Bach/Fluss zu laufen, wenn vorhanden und Tiefe/Strömung das zulassen. Habe ich gelegentlich, abschnittsweise, gemacht (Sarvesjåhkå, Låddejåhkå, unterhalb Skierffe Richtung Aktse...), wenn ich zudem die Geduld verloren habe, (Tier-)Pfade zu finden. Und das passiert schnell

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                              • Goldi
                                Erfahren
                                • 11.09.2022
                                • 259
                                • Privat

                                • Meine Reisen

                                #16
                                Tag 2 (27.8.2024) Viel Gegenwind auf der Gassalahko-Ebene

                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: Track Tag 02 2024_08_27.jpg
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ID: 3283137
                                Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA

                                Die Kurzfassung:
                                Strecke: ca. 15 Km, 490hm
                                Wetter: starker Wind bis Sturm aus West (Gegenwind), zwischendurch Sonne/Wolken, aber immer wieder auch anhaltenden Regen
                                getroffene Personen: keine

                                Wie gestern geht der erste Blick auf das Thermometer in der Apsis.

                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: 20240827_061431 Thermometer.jpg
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ID: 3283138

                                Der Spätsommer in Lappland zeigt sich auch heute wieder von seiner schroffen Seite. Dazu ein prasselndes Geräusch, das viel Wasser von oben verkündet. Da heißt es: Frühstück im Zelt, halb im Schlafsack:

                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: 20240827_062638 Frühstück im Zelt.jpg
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ID: 3283139

                                Müsli kauend denke ich über den für heute angekündigten Sturm nach. Mein derzeitiger Zeltplatz in den Büschen ist ganz gut geschützt. Es wäre schon verlockend, heute hier zu bleiben, auch wenn der Boden nicht ideal ist und die nächste offene Wasserstelle etwas mühsam zu erreichen ist. Andererseits würde ich schon am zweiten Tag einen ganzen Tag verlieren. Und das, obwohl ich gestern noch nicht einmal mein Tagesziel geschafft habe. Wenn der Weg weiterhin so schwierig ist und ich jeden Tag weiter hinter den Zeitplan falle, kann ich meinen Rückflug vergessen.

                                Ich ärgere mich, nicht mehr Zeit eingeplant zu haben. Meine Routenplanung sieht vor, in 8 Tagen ca. 150 km zu laufen und zwei Tage Puffer zu haben. Am Tag 10, den 4. September habe ich eine Nacht in der STF-Hütte in Kvikkjokk reserviert. Ich muss aber schon am nächsten Morgen um 05:25 den Bus nehmen, um abends in Umeå den Nachtzug nach Stockholm zu erwischen. Das ist der einzige Bus, der an dem Tag aus Kvikkjokk fährt. Es ist halt schon Nachsaison. Also wäre es gut, nicht erst spät abends in Kvikkjokk einzutrudeln, sondern Zeit zu haben, zu duschen und meine Sachen für die Rückreise zu sortieren.

                                Wenn ich an meinen zähen Kampf gestern denke, erscheinen mir die Puffertage zu kostbar, um sie schon jetzt einzulösen. Außerdem sind die Wetteraussichten für die Folgetage auch nicht viel besser. Wie viele Tage soll ich hier verbringen und auf besseres Wetter warten? Also beschließe ich, keinen Tag zu opfern und mich auf den Weg zu machen, Sturm hin oder her. Abgewettert wird nicht! Ich packe alles im Zelt zusammen, ziehe mich wetterfest an und baue im Regen das Zelt ab.

                                Zunächst geht es wie am Vortag durch gnadenlos dicht stehende Büsche. (Wenn ich jetzt, auf dem heimischen Sofa das Bild sehe, muss ich mir selbst wieder klarmachen: Das Bild zeigt nicht die Büsche neben dem Weg. Das IST der Weg, mittendurch!)

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Name: 20240827_083208 Ende der Büsche.jpg
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ID: 3283140

                                Dann komme ich endlich in offenes Gelände. Wie befreit gehe ich über den hindernisfreien Boden. Ich erreiche das obere Ende des Hangs und kann einen ersten Blick in die Gassalahko-Hochebene werfen.

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Name: 20240827_091550 erster Blick Hochebene.jpg
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ID: 3283141

                                Gut, viel zu sehen ist nicht, denn über der Ebene liegt eine dicke Wolkensuppe. Der Wind schlägt mir entgegen, aber er ist noch halbwegs moderat. Die Regenhülle des Rucksacks knattert und bläht sich auf. Ich sichere sie mit zusätzlichen Gurten. Dann noch die Kapuze ganz eng gestellt, Handschuhe an und die Ärmelklettverschlüsse ebenfalls eng gestellt. So geht es ganz gut. Der Regen hört allmählich auf, aber der Wind nimmt eher zu und weht mir direkt entgegen.

                                Das Gelände wird steiniger und ich nähere mich den ersten Seen.


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Name: 20240827_094642 Steinebene.jpg
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ID: 3283142

                                Irgendwo hinter oder in den Wolken müssen auch Berge sein. Orientierungspunkte sind jedenfalls Mangelware. Naja, denke ich mir. Erstmal nach Süden gehen, bis ich auf die größeren Seen stoße.

                                Dann stehe ich am Ufer des ersten Sees. Ich suche hinter einem Felsen Schutz vor dem Wind und checke die Karte. Es kommt sogar mal die Sonner heraus.

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Name: 20240827_101704 hinter einem Stein.jpg
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ID: 3283143

                                Auf dem Foto sieht es ganz friedlich aus, aber man erkennt vielleicht am Wellenmuster auf dem kleinen See, wie sehr der Wind das Wasser aufpeitscht.

                                Der Blick nach Norden zeigt, dass vom Ahkka außer dem alleruntersten Teil auch nicht viel zu sehen ist. Dafür die Andeutung eines Regenbogens.

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Name: 20240827_101709 Regenbogen.jpg
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ID: 3283144

                                Es ist schwer, Anfang, Ende und Größe der Seen abzuschätzen. Ich möchte mich südlich des Sees 914 und seines östlichen Nachbarn halten, an dessen Ufer ich mich gerade befinde. Also, denke ich mir, gehe ich einfach im Uhrzeigersinn am Ufer entlang, dann werde ich ihn schon umrunden und an das Südufer gelangen. Nach kurzer Zeit stoße ich erstmal auf den Ausfluss nach Osten.

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Name: 20240827_103153 Ausfluss See.jpg
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ID: 3283145

                                Direkt am Ausfluss ist es mir noch zu steil, lieber hier nicht furten. Ich schaue flussabwärts.

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Name: 20240827_103157 flussabwärts besser.jpg
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ID: 3283146

                                Da vorne scheint sich der Fluss zu verbreitern. Ich gehe hin und finde tatsächlich eine gute Furtstelle.

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Name: 20240827_103714 Furtstelle.jpg
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ID: 3283147

                                Hier sieht es doch ganz gut aus. Also die Crocs an, die Hosen hochgekrempelt und vorsichtig hinein. Das Wasser geht mir nur bis zur Mitte der Schienbeine und ist auch nicht besonders schnell. Das Problem ist eher, dass ich mich quer zum Wind bewege und mit dem Rucksack eine große Angriffsfläche biete. Immer wieder muss ich einen Schritt hin und her machen und mich mit den Stöcken abstützen, um nicht umgeweht zu werden. Bloß nicht hektisch auf einen wackeligen Stein treten. Ich gebe bestimmt keine elegante Figur ab, wie ich mich so durch das Flussbett stochere, aber zum Glück ist niemand da, der Haltungsnoten vergibt.

                                Dann bin ich drüben. Schuhwechsel und weiter geht es am Ufer entlang und dann nach Südwesten. Die Seen und Verbindungsarme sind mal klar und mal aus milchig-türkisgrünem Gletscherwasser. Es ist ein wahres Labyrinth aus Wasser. Oft ist es ein Glücksspiel, ob die Seen rechts und links von mir sich plötzlich verbinden und ich am Ende einer Landzunge stehe und zurück muss, oder ob ich auf einer durchgängigen Landbrücke unterwegs bin. Ein paar mal schaffe ich es gerade so, über Trittsteine meinen Weg fortzusetzen und nicht zu weit zurück zu müssen. Insgesamt eine skurrile, aber auch schöne Landschaft.

                                An den Wind habe ich mich inzwischen gewöhnt. Zum Glück regnet es nicht mehr. Ohne Kapuze sieht man einfach mehr von der Landschaft und es knattert und flattert auch nicht so laut um den Kopf.

                                Meine Route ist ganz einfach: Immer auf den östlichen Ausläufer des Vardotjåhkkå zulaufen, den ich zum Glück unter der Wolkendecke sehe. Auf dem Bild sind es die hintereinander stehenden Hügel im Hintergrund.

                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: 20240827_115301 Ausläufer Vardotjohkko.jpg
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ID: 3283148

                                So bleibe ich trotz des Seen-Slaloms auf Kurs. Das Gelände ist mal felsig, mal bewachsen, aber immer gut zu gehen und immer abwechslungsreich. So habe ich mir das vorgestellt (vielleicht mit etwas mehr Fernsicht). Viel besser als das Gestrüpp gestern. Wie gut, dass ich nicht die heute-bleibe-ich-im-Zelt-Option gewählt habe.

                                Dann erreiche ich die Hügelkette und halte mich links davon, das heißt ich gehe an der südlichen Flanke entlang.

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Name: 20240827_140223 am Vardojohkko.jpg
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ID: 3283149

                                Vom Nijak und den Gipfeln des Sarekmassivs sehe ich leider überhaupt nichts, obwohl sie auf der anderen Talseite sein müssen. Alles in Wolken.

                                Jetzt setzt auch der Regen wieder ein und peitscht ganz schön. Gegen 16:00 Uhr treffe ich auf einen Einschnitt im Hang, der nach einem brauchbaren Windschutz aussieht. Ich stelle mich hinein, fühle den abgeschwächten Wind und finde, das könnte mein Zeltplatz sein. Also Rucksack ab, Zelt raus und vorsichtig aufbauen. Alles immer mit Heringen sichern, damit bloß nichts davon fliegt. Ich mühe mich und probiere es mit allen Tricks. Aber leider ist mein Wechsel Exogen 1 nicht das beste Zelt, wenn es darum geht, es im Wind aufzubauen. Die Geländemulde ist zudem auch nicht so windgeschützt, wie ich anfangs dachte. Immer fährt eine Böe in das noch nicht abgespannte Außenzelt, drückt es unter die Stangen und zieht sie aus den Ösen oder drückt die Steckverbindungen auseinander. Ich stelle den Rucksack rein, dann mich selbst und versuche immer wieder, das Außenzelt schnell über die Stangen zu ziehen und sofort einzuclippen und zu spannen. Es hilft alles nichts. Die Stelle ist zu windig. Also alles wieder zusammenpacken. Cool bleiben! Der Tag ist noch lang, es wird schon eine geeignete Stelle kommen. Heringe zählen. Zeltsack aufschnallen. Regenhülle drüber. Nochmal umschauen, dass nichts liegenbleibt. Und weiter.

                                Eine Viertelstunde später komme ich an eine Geländekante, die recht scharf abfällt und einen schönen Windschatten bildet. Hier oder nie! Ich suche die am wenigsten matschige und schräge Stelle und versuche es erneut. Gleiches Spiel, mehrere Anläufe. Flatter, flatter. Ich rutsche in meinen Regensachen auf dem Boden herum, schiebe mir ein ums andere mal die Kapuze aus den Augen, fange lose Enden ein, binde fest, clippe ein, ärgere mich über meine klammen Finger, aber am Ende steht das Zelt. Uff! Nochmal drum herum gehen, die Heringe so tief reindrücken, wie es geht, die Leinen ordentlich spannen, alles kontrollieren. Die Lüftungsluken bleiben zu. Dann das ganze Zeug rein, Reißverschluss zu und erstmal durchschnaufen.

                                Ich bin im Nachhinein froh, dass ich mir den Tag über keine Gedanken über den Zeltaufbau gemacht hatte. Hätte ich gewusst, wie schwierig es wird, dann hätte ich den Tag nicht so genießen können. Ich denke an meine Ideen und Pläne für Touren in den kommenden Jahren. Wie von allein schreibt sich das Soulo ganz oben auf meine Wunschliste.

                                Bilder von Camp 2 gibt es beim nächsten Tag, da waren das Wetter und auch die Sicht besser. (Ich habe tatsächlich an dem Tag kein Bild mehr gemacht. Ich bin nur noch kurz für das Allernötigste rausgegangen. Selbst die Zähne habe ich mir im Zelt geputzt.)

                                Ich schreibe meiner Frau über den inReach eine SMS, dass alles ok ist und ich warm und sicher im Zelt sitze. Sie schreibt zurück, dass es heute in Deutschland 32°C warm war (leider, leider zu warm zum Joggen) und es jetzt am Abend immer noch nicht abkühlen will. Ich lächle, nippe an meinem heißen Tee und freue mich, warme, trockene Fleecesachen anzuhaben.

                                Dann rufe ich noch den aktuellen Wetterbericht ab. Der Sturm soll sich heute Nacht legen. Gut so. Für morgen ist Regen vorausgesagt und normaler Wind, danach gemischtes Wetter.

                                Schließlich liege ich im warmen Schlafsack, schließe die Augen und höre zu, wie der Wind am Zelt rüttelt. Es hört sich gar nicht so bedrohlich an, jedenfalls nicht so sehr, dass ich mir Sorgen um mein Zelt mache. Wenn es erstmal steht und gut gespannt ist, ist es doch ganz brauchbar. Wie gut auch, dass ich diesen Platz gefunden habe. Mal sehen, was der morgige Tag bringt. Ob ich endlich Berge zu Gesicht bekomme?

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                                • Tekumseh
                                  Anfänger im Forum
                                  • 05.10.2020
                                  • 25
                                  • Privat

                                  • Meine Reisen

                                  #17
                                  Vielen Dank schon mal für deine (für mich voll nachvollziehbaren) Schilderungen und guten Bilder dieser nicht einfachen Tage. Aber wie du schon schreibst: Wenn man sich den Herausforderungen (Wetter, „Wege“, …) gestellt und sie auch überwunden hat, stellt sich doch eine angenehme Zufriedenheit ein.
                                  Wir haben an diesem Tag das Zelt nur zum Allernötigsten verlassen; es hatte bei uns (50 km entfernt) aber auch durchgeregnet und wir hatten genügend Zeit (und Essen) zum Abwettern (wie in Beitrag # 6 schon erwähnt). Um so schöner bei dir zu lesen, dass sich dein Aufbruch gelohnt hat.
                                  Zuletzt geändert von Tekumseh; 29.09.2024, 21:53. Grund: Klammer berichtigt

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                                  • Goldi
                                    Erfahren
                                    • 11.09.2022
                                    • 259
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #18
                                    Danke, Tekumseh für die Rückmeldung. Letztlich war es eine Fehlplanung von mir. Ich hatte einfach zu wenig Zeit veranschlagt. So habe ich gerade an den ersten Tagen unter einem gewissen Druck gestanden. Dabei ist ab und zu ein Relax-Tag wirklich viel Wert. War der Wind an dem Tag bei euch eigentlich auch so heftig?

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                                    • Uwe66
                                      Anfänger im Forum
                                      • 10.09.2022
                                      • 19
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      "Die Kurzfassung:
                                      Strecke: ca. 15 Km, 490hm
                                      Wetter: starker Wind bis Sturm aus West (Gegenwind), zwischendurch Sonne/Wolken, aber immer wieder auch anhaltenden Regen"

                                      Hallo Goldi,

                                      ich lese hier gerne und gespannt mit. Dein 2. Tag (27.08. 2024) war mein Tourenstart ab Suorva, aber erst abends 17:30. Ich hatte auch viel Respekt vor dem angekündigten Sturm. Deshalb bin ich an dem Abend nicht mehr bis ins Kahlfjäll aufgestiegen (Sliehkkojavrre), sondern unterhalb geblieben, hatte eine ruhige Nacht und am anderen morgen hatte sich der Wind gelegt.​ Am 30. 8. war ich dann auf der Nordseite des Nijak, also nah an deinem 2. Lager.
                                      Zuletzt geändert von Uwe66; 29.09.2024, 08:19.

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                                      • Goldi
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                                        • 11.09.2022
                                        • 259
                                        • Privat

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                                        #20
                                        Hallo Uwe,

                                        freut mich, dass dir der Bericht gefällt und cool, dass du auch da warst und wir uns knapp verfehlt haben. Vielleicht haben wir noch mehr Routenüberlapp. Ich bin dann durch das Ruohtesvagge weiter, aber das kommt im nächsten Teil... Ich muss jetzt leider erstmal eine Schreibpause einlegen, weil ich nächste Woche nochmal kurz in die Berge fahre. Zum Saisonausklang sozusagen

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