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[SE] 2024 Meine Sarek-Premiere – Abgewettert wird nicht!
Die Vorbereitung
So, hatte ich mir gesagt. Schluss mit den bequemen Wegen, den Holzstegen und den vielen gutgemeinten Richtungsschildern. Ich bin ja schon groß und kann mir meinen Weg selbst suchen. Weglos wandern heißt das Zauberwort. Freiheit, ich komme! Ich sollte später lernen, dass das auch und vor allem heißt: Weidengestrüpp, Blockfelder, Sümpfe, Umwege und extra Höhenmeter. Und dass sich die Wegsuche ungleich schwieriger gestaltet, wenn man in einer Wolke steckt und in jede Richtung nur 10m Sicht hat. Aber ich durfte auch erfahren, wie gut es sich anfühlt, die Furt gemeistert zu haben oder den besten Weg durch das schwierige Gelände gefunden zu haben.
Es sollte also der Sarek sein. Nach dem Studium von Karte und hier wohlbekannter Fachliteratur stand der Plan fest: Von Ritsem übersetzen, durch die Täler ziehen und zehn Tage später in Kvikkjokk wieder auftauchen. Um es vorweg zu nehmen: So habe ich es dann auch gemacht und hier schon mal den Track mitgebracht:
Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA
Hier noch der Link auf Google Maps für alle, die es lieber digital haben: Sarek_2024.
Jetzt noch kurz zu einem unerfreulichen Kapitel der Vorbereitung. In meiner Euphorie hatte ich mir letztes Jahr Lundhags bestellt, denn ich wollte mit standesgemäßem Schuhwerk unterwegs sein. Das war leider ein voller Misserfolg. Ich mühte mich redlich und das ganze Jahr über, sie einzulaufen. Allein, es sollte nicht sein. Immer drückte die Knickfalte so auf von oben auf meine Zehen, dass ich nach wenigen km aufgescheuerte Stellen bekam, die noch tagelang schmerzten. Das ließ sich auch durch zwei Socken, fester Schnürung, Einfetten mit original Lundhags Grease und vielen Anläufen nicht abstellen. Nichts zu machen - zu groß gekauft. (Wenn jemand Interesse am Modell Jaure II Größe 46 weite Form hat, bitte melden. Ich gebe sie zu einem Freundschaftspreis ab. Ich habe sie auch hier https://www.outdoorseiten.net/vb5/fo...-kaum-getragen eingestellt. Ich verschicke sie gerne auch zum Anprobieren.) Also müssen nochmal die sehr gut eingelaufenen, relativ frisch besohlten aber nicht ganz so wasserdichten Meindl Borneo herhalten.
Beim Probepacken stelle ich fest, dass ich in den 75L Rucksack beim besten Willen nicht alles hinein bekomme. Also mache ich mich auf die Suche nach zusätzlichen Packtaschen, die außen am Rucksack hängen sollen. Aber kein Modell sagt mir wirklich zu und so setze ich mich hin und entwerfe selbst welche. Den Boden schaue ich mir bei einer Regenschirmhülle ab und den Tunnelzug bei meinem Zeltsack. Einige Skizzen und Papiermodelle später bestelle ich bei Extremtextil 2m Ripstop-Nylon (55 g/m2) und passendes Garn und übergebe alles meiner Frau und ihren Nähmaschinenkünsten. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Zwei längliche Beutel mit mehreren Schlaufen außen, durch die Packriemen laufen. Diese verbinden beide Beutel und werden über das Hauptfach gelegt (unter den Rucksackdeckel), so dass die Beutel wie Satteltaschen rechts und links herunterhängen. Die Riemen bilden Schlaufen, die sich unter den Beuteln kreuzen und so das Gewicht tragen. Ich kann einen Großteil des Proviants dort unterbringen.
Beim Buchen der Zugverbindung warte ich vergeblich auf den Nachtzug 94, der um 18:10 Uhr von Stockholm abfährt und mich direkt nach Gällivare bringen sollte. Ich verfolge, wie dieser Zug Woche für Woche im Portal von vy.se erscheint und so meinem Termin am 24.8. immer näher rückt. Aber dann ist Anfang August Schluss und es gibt einfach keine neuen Einträge mehr. Ich warte noch eine Weile und nehme dann den deutlich ungünstigeren Nachtzug 92 nach Boden und von dort mit dem Bus weiter bis nach Ritsem. Die Rückreise ist genauso umständlich, aber ich bin froh, dass ich überhaupt eine Verbindung hin und wieder zurück buchen kann.
Die Anreise (Samstag, 24.8.2024-Sonntag, 25.8.2024)
Mit dem Bus geht es morgens zum Frankfurter Flughafen und ab nach Stockholm. Dort lasse ich den Rucksack im Schließfach am Bahnhof, kaufe Gas und gehe dann in den Lundhags-Store in der Kungsgatan. Ich kann es mir nicht verkneifen, die Jaure II in 45 anzuprobieren. Sie passen wie angegossen! Keine Knickfalte, kein Drücken. Am liebsten hätte ich sie gar nicht mehr ausgezogen. Aber natürlich kann ich sie nicht mitnehmen. Und über sechstausend Kronen sind auch nicht gerade ein Schnäppchen. Immerhin doppelt so teuer wie bei Outnorth! So gehe ich wieder mit dem vagen Gedanken, sie doch irgendwann zu bestellen. (Jetzt, wenige Wochen später, habe ich sie tatsächlich bestellt und auch schon erhalten.)
Ich schlendere durch das hochsommerliche Stockholm.
Es will so gar keine Fjäll-Wanderstimmung aufkommen. Die Flanier-Atmosphäre wirkt eher wie in Italien. Dann eine Demo. Ich denke noch: Die Schweden-Flaggen sehen aber komisch aus, haben die das Kreuz vergessen? Dann merke ich, dass es Ukrainer sind. Etwas weiter treffe ich auf Schritt und Tritt auf junge Asiaten, überwiegend in typischer K-Pop-Aufmachung. Die Erklärung lässt nicht lange auf sich warten: Im Kungsträdgården findet ein koreanisches Kulturfestival statt. Musik, Essen, viele Leute. Leider sehr lange Schlangen vor den Essensständen. Ich lasse mich hindurchtreiben und schlendere dann am Hafen entlang. Schließlich will ich mir noch die Vasa anschauen. Sie wirkt an diesem strahlend sonnigen Tag in ihrer gekühlten Museumshalle besonders wuchtig und düster.
Dann ist der Tag in Stockholm auch schon verbummelt. Noch ein letztes Bier am Bahnhof…
… und es geht in den Nachtzug. In meinem Abteil sind außer mir ein Schweizer mit deutschen Wurzeln, zwei Engländer und ein spanisches Paar. Der Deutsch-Schweizer will auch nach Ritsem und so reisen wir bis dort zusammen. Er will von dort an genau der Stelle des Nordkalottledens einsteigen, an der er letztes (oder war es vorletztes?) Jahr wegen Schneefall abbrechen musste und von da nach Abisko laufen. Er ist bei seiner Ausrüstung und Kleidung deutlich minimalistischer als ich. Ich hoffe, das Wetter in den nächsten Tagen hat ihm nicht zu sehr zugesetzt und er konnte sein Ziel erreichen.
Am nächsten Morgen rollen wir im Dauerregen in Boden ein. In der Bahnhofshalle stapeln sich die Rucksäcke.
Dann geht es mit dem Zug nach Gällivare und weiter mit dem Road-to-Ritsem-Bus, der kurz nach sechs Uhr abends ebendort eintrifft. Der See hat extremes Niedrigwasser und alle, die noch die Fähre über den See nehmen wollen, müssen ein gutes Stück hinabsteigen zum Anlegesteg, wo das Boot schon bereitliegt. Das Wetter ist ungemütlich und es gehen immer wieder Schauer nieder.
Drüben angekommen, reißen die Wolken kurz auf und geben den Blick auf das mächtige Ahkka-Massiv frei. Das will ich morgen umrunden.
Alle anderen, die mit mir übergesetzt haben, gehen weiter, vermutlich zur nahen Ahkkastugan. Der Sami-Imbiss am Fähranleger hat leider schon Saisonschluss und ist wie alle Hütten hier verrammelt. Da es schon sieben Uhr ist und ich ohnehin zelten will, bleibe ich gleich hier und schlage mein Zelt auf einer ebenen Fläche ein paar Schritte oberhalb des Seeufers auf.
Morgen geht es los. Vorfreude und Aufregung lassen mich innerlich vibrieren. Habe ich auch nichts vergessen? Schaffe ich das überhaupt? Will ich nicht doch lieber auf einem festen Weg nach Kvikkjokk gehen? Was habe ich mir da nur aufgehalst? Mit diesen Gedanken und dem Klang des leichten Regens, der auf das Außenzelt fällt, schlafe ich ein.
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