Zitat von Goldi
Beitrag anzeigen
[SE] 2024 Meine Sarek-Premiere - Abgewettert wird nicht
Einklappen
Ankündigung
Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
-
-
Kommentar
-
-
Tag 8 (2.9.2024) Null-Sicht auf dem Sähkok
Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA
Die Kurzfassung:
Strecke: ca. 14 km, 820 hm
Wetter: viel Regen, dichte Wolken, zwischendurch trocken
getroffene Personen: ein Deutscher im Nebel
Heute ist das Wetter leider wieder trüb. Viele dunkle Wolken treiben durch das Tal. Der Zeltabbau findet aber noch im Trockenen statt. Dann gibt es zum wach werden erstmal ein Fußbad, denn der Ruopsokjåhkå will durchquert werden. Unterhalb der Badestelle geht das ganz gut.
Auf der anderen Seite treffe ich auf die Renvaktarstuga.
Das Gelände steigt sanft an. Mit mir rollen die Wolken den Hang hinauf.
Der Weg ist nicht zu verfehlen. Offenbar die Wintermarkierung zwischen den eben passierten Hütten und der Pårek-Ebene.
Ich werfe noch einen letzten Blick zurück ins Njoatsosvágge.
Die Wolken werden dichter und bald fängt es kräftig an zu regnen. Es wird ein echter Härtetest für die Regenklamotten. Ich stimme ein innerliches Loblied auf meine Arcteryx Jacke an. Dagegen war meine CMP 16,99-Hose in den Gestrüppeinsätzen hoffnungslos überfordert und hat mehrere Risse davon getragen. Durch die dringt jetzt unaufhaltsam das Wasser ein. Eine robuste GTX-Hose kommt auf die Liste.
Je höher ich steige, umso mehr gerate ich in die Wolke. Der Vorteil: der Regen lässt nach. Der Nachteil: die Sicht auch.
So geht es gut zwei Stunden, in denen ich praktisch blind den Wintermarkierungen folge. Der Fußpfad, der beim Aufstieg immer mal wieder sichtbar war, ist auf dem steinigen Untergrund nicht mehr zu erkennen. Die Steigung lässt nach, es geht auf einer Höhe weiter und irgendwann wieder bergab. Dann muss das wohl die Sähkok-Anhöhe gewesen sein, von der man so eine tolle Aussicht haben soll. Heute jedoch nicht.
Später kommt mir im Nebel eine Gestalt entgegen. Ein Deutscher, der ins Njoatsosvágge will und noch eine größere Tour vor sich hat. Wir tauschen uns kurz über die Furt-Bedingungen aus, aber für eine längere Konversation ist es in dem nasskalten Nebel zu ungemütlich.
Ich steige weiter ab und komme irgendwann unter die Wolkendecke. Schlagartig wird die Sicht klar. Der Tjievrajávrre ist zu sehen. Nur der Steilhang, der ihn wie ein Amphitheatar umgibt, steckt unsichtbar in den Wolken.
Die Wintermarkierung gehen schnurgerade weiter und da die Richtung stimmt, folge ich ihr.
Der Weg, den Grundsten beschreibt, verläuft etwas weiter in nordöstliche Richtung, während ich den Markierungen nach Südosten folge. Andererseits beschreibt er auch eine Querung des Sähkokjåhkå über eine Schneebrücke, vor der mich der Deutsche vorhin ausdrücklich gewarnt hat („nur für Lebensmüde“). Er sei etwas oberhalb klassisch gefurtet, wobei die Furtstelle wohl etwas schwer zu finden sei. Ich denke: Da ich sowieso den Grundsten-Weg verpasst habe, kann ich auch den Wintermarkierungen in die Pårek-Ebene folgen. Ich werde schon irgendwo über den Sähkokjåhkå kommen.
[redaktioneller Einschub: Wenn jemand aktuelle Infos von dem ominösen Schneefeld hat und wie man da über den Fluss kommt, wäre ich daran interessiert. Nur so aus Neugier.]
Allmählich kommt die Pårek-Ebene mit ihren unzähligen Seen in Sicht.
Weiter geht es bergab über Wiesen, niedriges Heidekraut und ein paar kleine Bäche. Angenehm zu begehen. Von links kommt die Einkerbung des Canyons näher, in dem der Sähkokjåhkå fließt. Die Markierungen zielen genau auf das untere Ende des Canyons. Da komme ich schließlich an und treffe auf den Fluss.
Sieht doch gar nicht sooo schwer zu furten aus. Also Schuhe aus, Hose hochgekrempelt und vorsichtig durchtasten. In der Mitte merke ich, dass das Wasser doch über die Knie geht und die Strömung ganz schön an den Beinen zieht. Langsam pult das Wasser die Hosenbeine wieder herunter, die ich vorher extra hoch gerafft hatte. Die Steine im Flussbett sind auch eher groß und die Lücken dazwischen entsprechend tief. Aber schließlich komme ich doch gut auf der anderen Seite an. Für irgendwas müssen die 1,90m Köpergröße ja gut sein.
Man sieht, dass ich die Hosenbeine besser ausgezippt hätte. Egal, trocknet wieder. Es regnet ja gerade nicht.
Flussaufwärts von meiner Furtstelle strömt der Sähkokjåhkå durch seinen Canyon. Da wäre es schon gar nicht gegangen.
Unten noch der Blick auf den Canyon, nachdem ich aus dem Flusseinschnitt herausgestiegen bin.
Jetzt muss ich nur noch den Einstieg in den angelegten Weg finden, der durch die Seen- und Sumpflandschaft der Pårek-Ebene führt. Er muss westlich von mir liegen. Das Gelände bietet allerdings keine große Orientierungshilfe. Es ist flach, wie es sich für eine Ebene gehört und mit kleinen Hügeln, Senken und Tümpeln durchsetzt.
Ich wähle den langgestreckten Gipfel des Gállakvárre in der Bildmitte als Orientierungspunkt. Damit kann ich auch die teils dichten Waldbereiche umschiffen oder in eine Senke abtauchen, ohne die Richtung zu verlieren.
Dann treffe ich auf den Weg:
Er führt durch einen etwas morbiden Birkenwald.
Dann kommt sogar ein Holzsteg. Ich bin endgültig in der Zivilisation angekommen.
Auch ein Plätzchen zum Zelten ist schnell gefunden.
Camp 8 am nördlichen Ende der Pårek-Ebene.
Ich sitze auf einem Baumstamm, schreibe Tagebuch, esse ein Tütenessen und versuche, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass sich die Reise langsam aber sicher ihrem Ende nähert. Dann treibt mich der einsetzende Regen ins Zelt. Wie könnte es anders sein.
Zuletzt geändert von Goldi; 07.11.2024, 21:33. Grund: Ein Teil der Bilder neu hochgeladen. Sie wurden nicht angezeigt.
Kommentar
-
Bei deinem Regenhosenproblem solltest du mal Gamaschen in Betracht ziehen.
Ansonsten, ich lese hier von Anfang an mit. Freue mich allmorgendlich über deine Fortsetzungen. Tolle Tour!
Kommentar
-
Geht es nur mir so, ich sehe die ersten Bilder nicht? Ich denke mal, da sind welche? Das erste, dass ich sehen kann ist die Wintermarkierung. Und jetzt muss ich erst mal lesen.
Edit: Meinem Mann ist es am gleichen Tag genauso gegangen beim Furten. Muss am 02.09. liegen. Zack war das Wasser auf einmal über knietief und die ganze aufgekrempelte Hose nass. Ich stand noch am Ufer und hab schnell abgezippt. Hab ja auch kürzere Beine. 😉
Schau mal, hier hab ich Bilder von der Schneebrücke am 03.09.2020, bisschen runter scrollen.
https://www.outdoorseiten.net/vb5/forum/tourenberichte/tourenberichte-nördliches-europa/3048702-se-endlich-luohttoláhko-–-sarek-im-herbst-2020?p=3049981#post3049981
Zuletzt geändert von andrea2; 05.11.2024, 23:03.
Kommentar
-
Zitat von andrea2 Beitrag anzeigenGeht es nur mir so, ich sehe die ersten Bilder nicht? Ich denke mal, da sind welche? Das erste, dass ich sehen kann ist die Wintermarkierung. Und jetzt muss ich erst mal lesen.
Kommentar
-
Zitat von codenascher Beitrag anzeigenBei deinem Regenhosenproblem solltest du mal Gamaschen in Betracht ziehen.
Kannst du (oder sonst jemand) mir bitte mal bestätigen, ob jetzt alle Bilder zu sehen sind? Es fängt wie üblich mit der Karte an, dann kommt ein Flussbild.
Kommentar
-
Hi Goldi, die Bilder sind jetzt zu sehen.
Ich verfolge deinen schönen Bericht übrigens mit Spannung.
Kommentar
-
Zitat von andrea2 Beitrag anzeigenSchau mal, hier hab ich Bilder von der Schneebrücke am 03.09.2020, bisschen runter scrollen.
https://www.outdoorseiten.net/vb5/forum/tourenberichte/tourenberichte-nördliches-europa/3048702-se-endlich-luohttoláhko-–-sarek-im-herbst-2020?p=3049981#post3049981
Kommentar
-
-
Zitat von Goldi Beitrag anzeigenKannst du (oder sonst jemand) mir bitte mal bestätigen, ob jetzt alle Bilder zu sehen sind? Es fängt wie üblich mit der Karte an, dann kommt ein Flussbild.
Danke für deinen Bericht, lese ihn sehr gerne
Kommentar
-
Ich vermute, ich habe den Bericht genau zu der Zeit hochgeladen, als das Bilderkomprimieren aktiv geschaltet wurde. War ein schlechtes Timing.
Kommentar
-
Ich war das letzte Mal 2012 an der Schneebrücke und sie sah (nur vom Foto) ähnlich aus wie bei Andrea gezeigt. Ich habe damals auch mit mir gehadert, aber da vor uns eine Herde Rentiere durch ist, hab ich mich getraut (Rentier ca in Europa im Mittel um die 100 kg, Mika+Gepäckk ca 100 kg)
das hat dann gut gepasst.
aber jedes Jahr ist anders, Schneereicher Winter und kühler Sommer ist halt besser als andersrum...So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
A. v. Humboldt.
Kommentar
-
Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigenIch war das letzte Mal 2012 an der Schneebrücke und sie sah (nur vom Foto) ähnlich aus wie bei Andrea gezeigt. Ich habe damals auch mit mir gehadert, aber da vor uns eine Herde Rentiere durch ist, hab ich mich getraut (Rentier ca in Europa im Mittel um die 100 kg, Mika+Gepäckk ca 100 kg)
das hat dann gut gepasst.
aber jedes Jahr ist anders, Schneereicher Winter und kühler Sommer ist halt besser als andersrum...Wenn ich wieder mal in der Gegend bin, schaue ich sie mir auf jeden Fall an.
Kommentar
-
Tag 9 (3.9.2024) Über die Pårek-Ebene – viele Stege und die letzte Furt
Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA
Die Kurzfassung:
Strecke: ca. 9 km, 140 hm
Wetter: Regen morgens und nachmittags, zwischendurch trocken bewölkt
getroffene Personen: erst ein Deutscher Senior, dann viel Verkehr auf dem Zubringer
Leichter Regen auch heute Morgen. Als ich mich am Fluss wasche, begegnen mir zum ersten mal auf dieser Tour Mücken. Sie missdeuten meine freiliegende Haut offenbar als eine Einladung zum Frühstück, so dass ich mich beeile und schnell wieder was überziehe.
Es folgen die zur Routine gewordenen Morgenrituale. Wasser kochen, Nescafe und Müsli aufgießen, die Karte studieren.
Dann packe ich zusammen. Es bleibt wie üblich nur ein trockener Fleck, der sich langsam im Regen auflöst.
Ich bin noch am zusammenräumen, da kommt ein älterer deutscher Wanderer den Weg entlang. Wir unterhalten uns und er kommt so richtig in Fahrt und erzählt von seinen langen Etappen und den Gipfeln, die er bei dieser und bei vorherigen Touren bestiegen hat. Dabei ist er fast siebzig. Unglaublich! Nachdem er mir dann noch gefühlt jedes seiner Ausrüstungsstücke mit allen Vorzügen und Besonderheiten erklärt und empfohlen hat, verabschieden wir uns und er zieht weiter.
Ich lasse ihm noch ein wenig Vorsprung und mache mich dann auch auf den Weg. Es geht auf langen Stegen über ziemlich sumpfiges Gelände.
So sehr ich auch innerlich die Nase rümpfe über diesen Flachlandtouristensteg, so froh bin ich doch, mir nicht mühsam einen eigenen Weg durch den Sumpf suchen zu müssen.
Dann kommt das erste Wegweiser-Schild. Alles klar, die Wildnis ist zu Ende.
Der Hinweis auf Axel Hambergs Hütte ist allerdings wirklich nützlich, denn sonst wäre ich vorbeigelaufen. So nehme ich den kurzen Abzweig und schaue mir die roten Blechhäuschen aus der Nähe an.
Es gibt eine gute Tafel mit Erklärungen zum Hintergrund.
Leider sind die oberen Schrauben schon aus den Holzpfosten herausgebrochen und das Schild hängt auf halb acht. Es wäre schade, wenn es ganz abfällt und verschwindet.
Weiter geht es auf dem Weg nach Süden. Nach kurzer Zeit kommt die Furt über den Boarekjávrre. Ich wechsele zum letzten mal meine Schuhe und gehe durch das langsam fließende und nur etwas über knöcheltiefe Wasser.
Nach der kleinen Mittelinsel kommt die breitere Passage.
Die Holzdreiecke sind keine wirkliche Hilfe und ich laufe lieber geradewegs durch das kräuselig flache Wasser.
Wieder kommen lange Stege.
Ab jetzt begegnen mir ab und zu kleinere oder größere Wandergruppen. Es ist eben die südliche Einflugschneise in den Sarek. Welch ein Kontrast zu den vorherigen Tagen. Da war es eine Sensation, ein oder zweimal am Tag jemanden zu treffen. Man hat sich ausgiebig unterhalten, sich Tipps gegeben und Infos ausgetauscht. Jetzt nickt man sich zu, grüßt und geht weiter.
Ich blicke zurück nach Norden:
Das Pårte-Massiv hüllt sich konsequent in Wolken. Immerhin regnet es nicht mehr. Die Luft ist auch viel milder als in den Bergen.
Das Gras- und Sumpfland geht in einen spätherbstlichen und etwas tristen Birkenwald über.
Aus dem wird ein schöner Mischwald. Der Weg schlängelt sich bergab an den knorrigen Bäumen vorbei.
Nach kurzer Zeit sehe ich den See Stuor Dáhtá durch die Bäume.
Es ist zwar erst 14:00 Uhr, aber wenn ich jetzt weitergehe, bin ich einen Tag zu früh in Kvikkjokk. Ich habe erst für morgen reserviert. Falls es voll sein sollte, müsste ich zelten. Davon hatte mir jedoch ein Wanderer abgeraten, dem ich begegnet war, denn das Gelände sei dort nicht gut dafür geeignet. Also suche ich mir am Seeufer einen Zeltplatz. Wie es bei viel begangenen Wegen so ist, muss man nur einem davon abgehenden Trampelpfad folgen und steht nach ein paar Metern auf einem Platz, an dem man ebene Flächen in Zeltgröße, Feuerstellen und Sitzsteine findet.
Camp 9 am Nordufer des Stuor Dáhtá
Ich schalte den Flugmodus aus und habe tatsächlich Netz. Also gleich mal zuhause anrufen. Dann noch ein paar Bilder schicken. Die Kommunikation über den InReach war auf die Dauer halt doch etwas dünn.
Danach versuche ich mich an einem Lagerfeuer. Trage dürre, trockene Zweige zusammen, puhle von herumliegenden Birkenästen die Rinde ab und versuche, sie als Anzünder zu verwenden. Sie brennt auch ganz gut, so ungefähr wie Papier. Aber die Zweige sind zu nass und fangen nicht richtig Feuer. Es qualmt und glimmt, aber die Flammen wollen einfach nicht greifen. Ich ärgere mich, dass ich nicht ein paar Stücke Grillanzünder mitgenommen habe. Damit geht das zuhause im Garten immer ruckzuck.
Dann halt nicht, denke ich mir. Es ist eh nicht so gemütlich hier. Der Boden ist erdig-matschig, die Luft dumpf und feucht und Mücken kommen natürlich auch gleich angeflogen.
Ich erkunde noch die nähere Umgebung, hole an einem Zufluss in den See Wasser und verziehe mich dann in mein gemütliches Zelt.
Kommentar
-
Tag 10 (4.9.2024) Schlussetappe nach Kvikkjokk und Abreise am Folgetag
Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA
Die Kurzfassung:
Strecke: ca. 10 km, 230 hm
Wetter: trocken bewölkt
getroffene Personen: Viele
Meine letzte Zeltnacht liegt hinter mir. Ein letztes mal Zeltchaos, zerknüllte Anziehsachen, Herumwühlen in Packbeuteln, Suchen nach kleinen, aber wichtigen Dingen wie dem Feuerzeug und dem akrobatischen Hose anziehen im Liegen als Bodengymnastik am Morgen.
Habe ich eigentlich schon erzählt, dass mich meine TAR Isomatte ärgert? Ich wache 2x pro Nacht auf und liege mit Schulter und Hüfte auf dem Boden. Ich muss mich auf Füße und Hände stützen (Plank sozusagen, siehe Bodengymnastik), um mein Gewicht von der Matte zu nehmen, so dass ich nachpusten kann. Durch die Entlastung merke ich erst, wieviel Luft fehlt. Unglaublich, wie schlabberig die Matte nach ein paar Stunden ist. Dabei habe ich sie mir erst letztes Jahr gekauft. Von Anfang an war sie morgens schon etwas platt, aber das hatte ich auf den Temperatureffekt geschoben. Außerdem, so dachte ich, muss man bei dem dünnen Material eben Abstriche bei der Durchlässigkeit machen. Dafür ist sie halt schön leicht.
(Redaktioneller Einschub: Ich habe die Matte nach der Reise nach Fürth geschickt und aus Irland anstandslos eine neue erhalten. Leider wieder eine Neoair Ubelite. Wahrscheinlich ist sie in zwei Jahren wieder porös und verliert schleichend Luft. Ich vermute, dass TAR den Restbestand loswerden muss, denn dieses Modell ist nicht mehr im Programm. Warum wohl?)
Ich krabbel aus dem Zelt. Es ist feucht-warm und windstill. Der Himmel ist bewölkt, aber trotzdem zeigt sich über dem Stuor Dáhtá eine Art Sonnenaufgang, der mich sofort versöhnlich stimmt.
Sieht irgendwie aus wie bei Bob Ross, oder? „… take the two-inch brush… ahhh… only very little color… hmmm… very gentle…”
Aber dann ist die Sonne hinter den Wolken verschwunden und ich packe zusammen und baue das Zelt ab. Unter mir war wohl eine Mulde und so hat sich in im Groundsheet eine ordentliche Pfütze gebildet. Wenigstens weiß ich jetzt, dass mein Innenzelt noch vollständig wasserdicht ist.
Dann geht es auf die letzte Etappe. Zunächst muss ich am Westufer des Sees entlang. Mit den herbstlich gefärbten Birken sieht das Ufer sehr schön aus.
Ich überquere den Zufluss, an dem ich gestern Wasser geholt hatte. Das geht auf großen Steinen, ohne nass zu werden.
Der Weg ist ausgetreten und gut sichtbar. Er führt am See vorbei und durch den Wald bergab. Meistens ist er ziemlich matschig und nur teilweise mit Stegen ausgestattet.
Nach einer Weile treffe ich auf den Kungsleden. Unübersehbar. Schilder über Schilder.
Und falls man gerade nicht weiß, wo man sich befindet, zeigt es einem der rote Zeigefinger unzweideutig.
Also folge ich dem Kungsleden nach Süden. Der Weg wird breiter, aber nicht weniger matschig:
Immer wieder treffe ich Wanderer. Ein kurzer Gruß im Vorbeigehen. Mit zwei jungen Deutschen unterhalte ich mich etwas länger, aber das bleibt die Ausnahme.
Vom Weg führen kurze Trampelpfade zu den typischen plattgezelteten Stellen zwischen den Bäumen. Als ich Pause mache, muss ich die Erfahrung machen, dass die Mücken auch durch die dicken Wandersocken zwischen Hosenbeinen und Schuhen stechen können. Und natürlich durch das Kopftuch. Als ich mich später in Kvikkjokk im Spiegel anschaue, sieht meine Stirn aus, als hätte ich Beulenpest.
Dann kommen auch noch Werbeschilder mit Firmen, die irgendetwas gesponsert haben.
Zu guter Letzt wird der Fußweg zum Fahrweg. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern.
Und tatsächlich laufe ich kurz danach am Parkplatz vorbei und dann stehe ich am Eingang der Fjällstation.
Am Ziel. Endlich. Wie immer am Ende einer mehrtägigen Wanderung mischen sich die Gefühle. Ich spüre Erleichterung und Freude, aber auch eine gewisse Wehmut.
Es ist erst kurz vor 12:00 Uhr und am Haupthaus ist noch alles ruhig:
Zwischen zwei Bäumen hängt eine Waage und natürlich wiege ich meinen Rucksack.
Wie man sieht, komme ich mit leergefutterten Vorräten nur noch auf 14kg. Ich finde, das ist ein ganz guter Wert.
Ich stelle meinen Rucksack vor der Tür ab, ziehe mir die Schuhe aus und gehe erstmal in den Gastraum. So früh ist noch nicht viel los, aber die Hütte hat einen wirklich einladenden Wohnzimmercharme. Sehr gemütlich.
Dann kommt der große Moment. Frisches Essen! Eine Lachs-Bowl mit Rucola. Und… ein BIER!!! Unbeschreiblich.
Während ich esse, füllt sich der Raum allmählich. Viele Schweizer, einige Schweden und verschiedene andere Nationalitäten. Viele sind auf dem Kungsleden von Nord nach Süd unterwegs. Ein Waliser berichtet, wie er sich durch das schlechte Wetter gekämpft hat („I´m Welsh, I know what bad weather is!“). Er sagt, er sei auf dem Kebnekaise kompett in den Wolken gewesen. Ich erzähle, dass es mir letztes Jahr genauso ergangen war.
Dann gehe ich aufs Zimmer im Nebengebäude. Die Fjällstation ist total ausgebucht, aber ich habe das Zweierzimmer für mich allein, denn der Gast, der das andere Bett gebucht hat, kommt nicht. Die Dusche im Keller ist nach dem Mittagessen das zweite Highlight des Tages.
Den Rest des Tages verbringe ich in der gemütlichen Leseecke.
Während das Handy auflädt, schreibe ich Tagebuch und blättere durch die schwedischen Jahrbücher und naturkundlichen Abhandlungen, die in den Regalen stehen. Ich verstehe zwar kein Wort, aber Spaß macht es trotzdem.
Abends esse ich dann das Gericht mit Elch- und Rentierschinken. Das Rentierfleisch schmeckt so würzig-tranig, wie ich es in Erinnerung habe. Elch ist für mich neu und der eigentliche Grund, weshalb ich das Menü gewählt habe. Es schmeckt nicht besonders aufregend, eher etwas fad. Insgesamt ist mir das Essen zu viel und zu mächtig. Ich wünsche mir heimlich mein Tütenessen zurück, aber die Zelttage sind natürlich vorbei.
Die Rückreise am nächsten Tag ist schnell erzählt. Der Bus fährt um 5:25 Uhr los und an der Bushaltestelle versammelt sich zu dieser gottlos frühen Zeit ein ganzer Pulk von Rucksacklern, die wie ich die Heimreise antreten.
Mit dem Bus geht es nach Jokkmokk, dann mit einem anderen Bus nach Boden, von dort mit dem Zug nach Umeå und dort endlich in den Nachtzug nach Stockholm, von wo am nächsten Tag der Flug nach Frankfurt geht.
Während ich in Arlanda auf den Abflug warte, lese ich auf dem Smartphone, was sich bei ODS so tut. Aha, Sturm am 27. August… kann ich bestätigen. Viel Regen in den letzten Wochen… auch das.
Ich blättere in meinem Tagebuch. Mache noch ein paar Notizen zur Ausrüstung. Vergebe Schulnoten für die Travellunch-Essen. Schaue mir mehrmals begeistert das Zelt-Aufbau-Video bei Hilleberg an. Dann scrolle ich bei Google Maps in Skandinavien herum und schaue, wo ich nächstes Jahr hinfahren könnte. Diesmal näher ans Meer. Vielleicht Norwegen. Vielleicht eine Insel.
ENDE
Kommentar
-
Wirklich ein toller Bericht, vielen Dank dafür!!
Leider habe ich es bis heute nicht geschafft in den Sarek zu fahren. Stand auch irgendwie nie zur Debatte (Schottland ist es halt immer wieder geworden). Wenn meine Mädels größer sind, hoffe ich aber den Sarek nachzuholen.
Kommentar
-
Vielen Dank für den tollen Bericht und die schönen Fotos!
Du hast ja sowas von Recht mit Bob Ross, ich habe herzhaft gelacht und ihn vor meinem inneren Auge vor der Staffelei gesehen
Bin sehr gespannt, wo es dich im nächsten Jahr (mit Soulo?) hinverschlägt
Kommentar
-
Och schade, schon vorbei!
Nee, das war ein seehr schöner Berichtsehr anschaulich und ehrlich und authentisch geschrieben, da ist man richtig dabei! Hab' lieben Dank dafür!
Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht aus Norwegen, vom Meer und einer Insel!Da hast Du dann bestimmt auch besseres Wetter! 🍀🍀🍀
Kommentar
Kommentar