[NO] Skikkelig kosetur - Lyngen und Kvænangen ganz entspannt

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  • Borgman
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    #21
    2. Teil: Kvænangen – Loppa

    In der Einleitung hatte ich es schon angedeutet: für die Tour im Spätsommer mochte ich mich vor der Reise auf nichts festlegen. Ich wollte gerne mehr Troms- und Finnmark-Küste erleben und hatte deshalb den Hinflug nach Alta und den Rückfug von Tromsø gebucht. Bei der Vorbereitung stand mal Sørøya ganz oben, dann die Bergsfjord-Halbinsel. Für kurze Zeit sogar Stjernøya. Eine andere Idee war, die Halbinsel um Kvænangstindan mit einzubinden. Als dann Fjellfex von seinem Plan im südlichen Teil der Gemeinde Kvænangen erzählte, habe ich mir auch Kvænangsdalen und Navitdalen genauer angeschaut und eine mögliche Tour im Navitdal mit Übergang zum Reisadal in die Liste aufgenommen. Eine Woche vor Abreise beschloss ich, das Packraft nicht einzupacken, weswegen ein paar der ambitionierteren Varianten schon mal rausflogen.

    Am Reisetag selber war dann die Wetterprognose so gut, dass ich aus dem Korb voller Möglichkeiten gar keine auswählte, sondern spontan Reinfjord als Startpunkt. Das ergibt eigentlich keinen Sinn – bei gutem Wetter wäre ja alles gegangen – aber mir schien es der perfekte Einstieg in eine Tour, die so entspannt und unverplant wie möglich werden sollte. Unbewusst wollte ich sicherlich alle Erwartungen unterlaufen, die ich selber schon aufgebaut hatte.


    Dienstag, 20. August: Elljajávri

    Nach Reinfjord kommt man mit dem Schnellboot, das an vier Tagen pro Woche zwischen Skjervøy und Burfjord pendelt. Bei manchen Fahrten ist es nur Bedarfshalt, man muss also vorher das Boot kontaktieren, aber heute wird Reinfjord regulär angefahren.



    Ganz links im Bild liegt das Boot im Hafen von Burfjord, dem Hauptort von Kvænangen, die Berge im Hintergrund sind die Kvænangstindan. Eine halbe Stunde vor Abfahrt um 15:20 Uhr werden Unmengen an Baumaterial, Kisten, kleinere Möbel und alle möglichen anderen Sachen aus Lieferwagen und Pickups ausgeladen und am Anleger gestapelt. Aha, das rutebåt dient nicht nur dem Personentransport. Ich hatte mich schon gewundert, dass es in einer Gemeinde mit einigen bewohnten Inseln und auch Siedlungen auf dem Festland ohne Straßenanbindung keine Autofähre gibt. Hier löst man das pragmatisch. Ruck zuck ist alles per Kran verladen und die Fahrt beginnt.


    (mit dem Telefon aufgenommen)


    store Kvænangstinden beim Halt in Valanhamn


    (noch eins vom Telefon)



    Das Häuschen am Anleger Reinfjord und die Picknickbank sind, ebenfalls nordnorwegisch-pragmatisch, mit einem fetten Betonklotz gegen das Wegfliegen bei Sturm gesichert. Erster Hinweis darauf, dass raues Wetter hier keine Seltenheit ist.


    Reinfjord mit Gárasnjunni

    Heute ist aber ein warmer Spätsommertag, und auch für morgen ist trockenes Wetter bei um die 20°C angesagt. Während ich meine Sachen richte, spreche ich mit einem Einheimischen über meinen Plan (ich habe keinen und bin offen für Vorschläge). Er legt mir den Nærsokk am Olderfjord als besonders lohnenden Aussichtsberg ans Herz und mag auch die offensichtlich einfachste Querung der Halbinsel nach Sør-Tverrfjord. Gute Angelgewässer gäbe es durchgängig ab dem Kanasdalen, hier müsse ich es gar nicht erst probieren. Ja, ich schätze mangels Angelrute werde ich es auch später nicht probieren, aber vielen Dank für die Tipps! Wahrscheinlich komme ich darauf zurück. Zuerst möchte ich in eine andre Richtung, nämlich hoch zum Elljajávri und ganz vielleicht morgen eine Route zum Gletscher Langfjordjøkelen erkunden.

    Äußerst gut gelaunt knabbere ich meinen letzten Apfel und beginne den Anstieg zwischen den Bächen Bonnikelva und Gaskajohka. Auf dieser, der östlichen Talseite, soll es für etwa 1/3 der Strecke einen Pfad geben, den ich auch sofort finde. Er ist sogar markiert und führt zu einer guten Aussichtsstelle: Vannberget.


    Blick nach Osten ins Bonnikdal, die Wand links im Hintergrund ist Áibmadasgáisá


    Elljavággi

    Direkt vor dieser Stelle steigt der Pfad nach rechts steil an. Da komme ich mit dem schweren Rucksack schon auf dem ersten Kilometer mächtig ins Schwitzen.



    Aber die Aussicht vom Vannberget belohnt die Mühe. Links store Kvænangstinden mit seiner charakteristischen, fast 200m tiefen Scharte, rechts die kegelige Insel Haukøya und dahinter die Ostseite von Kågen, deren Westseite ich im Juni von Lyngen aus bewundert habe. Toll, schon am ersten Tag eine Verbindung zur letzten Tour. Ich mag so was.


    oberes Elljavággi, ab hier geht es pfadlos weiter


    Blick zurück, der Buckel links oberhalb der Mitte ist Vannberget

    An dieser Stelle muss ich ein Stück über sehr losen Schotter queren. Der letzte Anstieg vor dem See wird dann steinig:




    fast schon ein Blockfeld, jedenfalls sehr grobes Geröll


    Elljajávri

    Geschafft! Jetzt muss ich nur noch den Abfluss queren und einen Zeltplatz suchen. Interessant finde ich den Kontrast zwischen dieser, also der Westseite und der Ostseite des Sees. Hier grauer Fels, dort nur verschiedene Brauntöne, was ja eigentlich auf eisenhaltiges Gestein hindeutet. Sieht außerdem ziemlich schroff aus. Da will ich morgen aufsteigen? Weiß ich noch nicht, wird sich finden.

    Was sich nicht so schnell findet ist ein geeigneter Platz für die Nacht. In dem steinigen Gelände am Westufer gibt es zwar Gras, aber ums Verrecken keine ebene Stelle. Lange laufe ich hoch und runter, kreuz und quer und nehme dann die einzig mögliche. Das Zelt steht zwar abschüssig, aber die Liegefläche ist genau auf der Länge einer Matte einigermaßen eben. Passt.


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    • Borgman
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      #22
      Mittwoch, 21. August: Abstecher zum Gletscher



      Nach einer sehr milden Nacht ist es heute Früh etwas windig mit hervorragender Sicht. Also, wenn ich zum Gletscher will, dann muss es heute sein. Für morgen sind mehr Wolken und leichter Regen angesagt. Während ich um 6 Uhr frühstücke, bedenke ich meine Optionen. Am spannendsten fände ich, das Gebirge nach Osten bis Langfjordhamn zu überqueren. Aber das ist mir zu viel, so abenteuerlustig bin ich heute nicht. Zumal absolut ungewiss ist, welche Hindernisse auf der Strecke liegen. Ich sehe mich schon mit vollem Gepäck eine Steilstufe hochklettern, die ich mich nicht wieder runter trauen würde (alles schon passiert).

      Stattdessen möchte ich lieber ohne Gepäck erkunden, ob es vom Elljajávri eine gangbare Route zum Langfjordjøkelen gibt und sie ein andermal nutzen. Oder wer auch immer sich dafür interessiert. Aufbruch um 7, das Zelt bleibt stehen. Ich entscheide mich für die nördliche Seeseite.




      Blick zum Seeabfluss und Kvænangstindan, gleich am Anfang ist ein unangenehmes Geröllfeld zu queren


      Blick zurück


      da muss ich hoch …


      ... und das geht auch, wenn ich an dem rechten Bach aufsteige



      Dahinter sieht es bis zur nächsten Steilstufe machbar aus. Ich baue ein Steinmännchen, damit ich beim Abstieg die richtige Stelle finde.


      Blick zurück zum Elljajávri



      Die Stufe am ersten Wasserfall lässt sich näher am Wasser mit einer leichten Kletterstelle oder rechts davon auf dem Geröll überwinden. Aber Vorsicht – das Geröll ist sehr lose und gerät unter dem Körpergewicht ins Rutschen. Ansonsten ist das Gestein hier überall scharfkantig und extrem griffig.



      Ab hier sieht es wirklich nach schwerem Gelände aus. Ich werde später der Rinne am rechten Bildrand folgen …


      aber erst nach einer Pause am zweiten Wasserfall




      Blick zum Elljajávri aus der Rinne



      Oben liegt ein kleiner See. Der Wind weht hier kräftig aus Ost über den Pass. Bevor ich mich dem Gletscher zuwende, arbeite ich mich ein Stück nach OSO vor, um eine gute Aussichtsstelle zu finden. In diesem Gelände aus Buckeln, Rinnen und Stufen geht es stellenweise nur durch Versuch und Irrtum weiter. Aber immerhin: es geht weiter.




      Jiehkkejávri und Svovlfjell




      Nordflanke des Áibmadasgáisá

      Sehr spannend! Danach gehe ich wieder runter zum Pass und steige nach Norden Richtung Gletscher ein Stück auf. Inzwischen habe ich mich an das mühsame Gelände schon fast gewöhnt und würde sagen: problemlos.


      Langfjordjøkelen Südseite



      Mission erfüllt. Von dieser Stelle kommt man ohne Zweifel auf den Gletscher, wenn man das möchte. Mir reicht, neben der herrlichen Aussicht, für heute die Gewissheit, eine gangbare Route gefunden zu haben. Der Wind bläst mir dann doch etwas zu stark um die Ohren, und ich möchte am Nachmittag noch zurück nach Reinfjord.



      Das Gestein hier ist auch wirklich interessant. Wieder einmal nehme ich mir vor, mehr über Geologie zu lernen.


      Rinne von oben


      Rinne von unten


      noch ein Stein


      unterer Wasserfall, danach zweite Pause




      mein Steinmännchen weist die sichere Abstiegsroute


      Ostende Elljajávri






      nur noch das nervige Geröllfeld, dann ist es geschafft

      Sehr zufrieden komme ich gegen 13:30 Uhr mit leicht schmerzenden Füßen zum Lagerplatz. Abzüglich der Pausen waren das 5½ Stunden reine, steinige Gehzeit. Der Wind hat noch mal zugelegt, fühlt sich hier „unten“ auf 300 Höhenmetern allerdings sehr warm an. Fast ein bisschen surreal, jedenfalls ungewöhnlich für diese nördliche Breite im Spätsommer.

      Nach einer ausgiebigen Mittagspause packe ich um 15 Uhr zusammen und bin 20 Minuten später auf dem Rückweg nach Reinfjord. Diesmal auf der anderen Talseite, nämlich westlich der Gaskajohka.



      Es ist diesiger als am Vormittag, und die Bewölkung verdichtet sich. Wie gut, dass ich meinen Abstecher so früh begonnen habe.



      Diese Talseite ist nicht nur deutlich einfacher, es gibt sogar eine markierte Route und teilweise einen Pfad. Diesmal sehe ich keinen Menschen in Reinfjord, die kleine Siedlung ist wie ausgestorben. Ich möchte ein bisschen bei den Ebereschen am Meer sitzen …



      und dann nur noch so weit in das Tal nach Norden gehen, bis ich einen Zeltplatz finde. Den eingezeichneten Pfad, der vor der Brücke zur östlichen Talseite abzweigen soll, finde ich zwar nicht, aber es ist nur ein kurzer Anstieg bis zur offenen Beerenheide.


      Blick zurück zum Reinfjord

      Hier herrscht kein Mangel an perfekten Zeltstellen und auch nicht an Heidelbeeren. Als das Zelt aufgebaut ist und ich ausgiebig im Fluss gebadet habe, lasse ich mich im warmen Wind trocknen.


      ganz herrlich, dieser Platz


      Reinfjorddalen

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        #23
        Donnerstag, 22. August: Reinfjorddalen

        Lausig geschlafen. Erstens war es im Zelt selbst für den Quilt als Decke zu warm, und zweitens, viel schwerwiegender: ich werde krank. Das Brennen in der Nase und im Rachen kündet ohne Zweifel einen Infekt an. Hoffentlich nur eine harmlose Erkältung. Wie blöd – ich muss mich auf der Reise angesteckt haben.

        Nachdem es in den ganz frühen Stunden etwas geregnet hat, ist es am Morgen bedeckt und trocken. Natürlich wäre es klug, wenn ich mich ein, zwei Tage hier auskuriere. Dann wird es wahrscheinlich gar nicht so schlimm und der Urlaub ist gerettet. Im schlechteren Fall könnte ich mit dem rutebåt nach Burfjord zum Arzt fahren. Der Platz, eine halbe Stunde Fußweg hinter Reinfjord, ist wirklich optimal.

        Andererseits hat man ja auch ein Gespür für sich selbst … also, hier den ganzen Tag herumzugammeln und Gänseblümchen zu pflücken (wohl eher Heidelbeeren) macht mich gar nicht an. Nee, ich probiere mal ohne Ziel und Druck was geht. Um es kurz zu machen: viel ist das nicht. Als ich am späten Vormittag weiter talaufwärts schleiche, fühle ich mich schwach und angeschlagen. An der Stelle, wo das Reinfjorddal nach Westen schwenkt, lasse ich den Rucksack stehen und steige nach Osten auf einen Moränenwall, um das Seitental Isdalen anzugucken. Es liegt weniger als zwei Kilometer nördlich vom Elljajávri, direkt hinter dem Bergkamm mit dem auffälligen „Hütchen“ vom Vortag.


        Reinfjorddalen



        Der Moränenwall umschließt halbkreisförmig den ganzen Talausgang, nur durchbrochen vom Gletscherfluss. Isdalen wirkt dadurch besonders geschützt, ein bisschen entrückt von der Welt.



        Na, das hat sich jedenfalls gelohnt. Hinter den schroffen Felsen blickt man auf die westliche Zunge des Langfjordjøkelen.


        am Talausgang

        Zurück am Rucksack, furte ich den Gletscherfluss:



        Hier muss es gehen. Bessere Stellen scheint es vor und hinter dem Moränenwall zu geben, aber selbst der Umweg von etwa einem Kilometer ist mir heute zu viel. Ich will es bis zu den Eidevannan schaffen, das ist noch eine halbe Stunde durch eher nasses Gelände, und dort eine längere Pause machen.


        noch ein Blick zum Isdalen


        Eidevannan



        Zwischen den beiden Seen gibt es gute Zeltplätze. Nach dem Mittagessen und einer Stunde Ausruhen steht fest, dass ich heute nicht mehr weitergehe. Der Schnupfen kommt jetzt voll durch und alle Glieder schmerzen etwas. Normalerweise wäre ich enttäuscht und bekäme schlechte Laune, weil so was bei mir oft ein paar Tage anhält bevor es besser wird, aber diesmal bleibe ich erstaunlich gelassen. Sofern es bei einem harmlosen Infekt bleibt und kein Fieber dazu kommt oder die Lunge Probleme kriegt, kann ich weiter entspannt mein Ding machen. Die anspruchsvollen Varianten, die sowieso nur ganz am Rand meines Bewusstseins angesiedelt waren, fallen jetzt ganz raus. Na und? Alles eine Sache der Einstellung. Ich freue mich einfach, dass ich in dieser wunderschönen Landschaft Urlaub machen darf und bin mir sicher, dass ich am Ende zufrieden und erholt sein werde.




        letzte Sonnenstrahlen kurz vor 20 Uhr

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          #24
          Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
          ...Sofern es bei einem harmlosen Infekt bleibt und kein Fieber dazu kommt oder die Lunge Probleme kriegt, kann ich weiter entspannt mein Ding machen. Die anspruchsvollen Varianten, die sowieso nur ganz am Rand meines Bewusstseins angesiedelt waren, fallen jetzt ganz raus. Na und? Alles eine Sache der Einstellung. Ich freue mich einfach, dass ich in dieser wunderschönen Landschaft Urlaub machen darf...
          D.h. besser kränklich im Fjäll als kränklich zuhause!? Seehr gute Einstellung!

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            #25
            Genau, im Fjäll oder an der Küste von Troms. Hängt natürlich auch davon ab, wie weit man von der Zivilisation entfernt ist. Letztes Jahr in Øvre Ánarjohka wäre mir wahrscheinlich mulmig geworden. So lange Tagesetappen schafft man ja angeschlagen dann doch nicht.

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              #26
              Freitag, 23. August: der Socke so nah

              Lange und erholsam geschlafen. Ich fühle mich am Morgen noch kränklich, aber nicht schlechter als gestern. Kein Fieber, keine neuen Symptome. Okay, damit kann ich leben. Der erste Blick nach draußen verscheucht dann auch den letzten Gedanken an einen Ruhetag:


              knallblauer Himmel

              Wie gestern möchte ich langsam und mit mehr Pausen eine kurze Strecke gehen. Um 7:30 Uhr habe ich gefrühstückt und baue das Zelt ab. Da steht der Mond noch über den namenlosen Bergen im Südwesten:



              Die Stromleitung weist darauf hin, dass ich nicht in totaler Wildnis bin, sondern immer noch zwischen den kleinen Siedlungen Reinfjord und Olderfjord. Das ist mir heute ehrlich gesagt ganz angenehm. Ich quere zuerst den Bach, der die beiden Seen trennt und gehe dann auf der südlichen Talseite nach Westen, teils über Beerenheide, teils nass, teils steinig.







              Natürlich gibt es in einem Tal mit „rein“ im Namen auch Rentiere. Diese sehen ganz wunderbar wie Plüschtiere aus, bewegen sich aber schneller. Nach der Engstelle auf halber Talstrecke mache ich eine Pause. Auch heute ist es ungewöhnlich warm und selbst in der klaren Nacht kaum abgekühlt. Dazu weht mäßiger Wind aus Ost. Tatsächlich laufe ich besser als ich mich insgesamt fühle … muss mich etwas bremsen, weil die Ausdauer dann doch begrenzt ist.

              An der zweiten Engstelle kurz vor dem Olderfjord lasse ich den Rucksack stehen, fülle die Wasserflasche und gehe geradewegs zum Nærsokk. Ich bezweifle, dass ich den Aufstieg ganz schaffe, aber den Versuch ist es bestimmt wert. Man erinnert sich: das war die klare Empfehlung des netten Reinfjorders am Dienstag.


              Nærsokk

              Der Berg heißt wirklich so, und es bedeutet genau das was man denkt: Nahsocke. Ich glaube nicht, dass der Name eine tiefere Bedeutung hat, vermutlich ist er nur eine Verballhornung des eigentlichen samischen Namens Njárgaceahkki. Trotzdem finde ich ihn sehr niedlich. In meinem angeschlagenen Zustand klingt eine nahe Socke wie genau der Berg, den ich mir vielleicht noch zutrauen kann.


              Olderfjord

              Am Fuß der Socke, also des Berges, mache ich eine weitere Pause, habe außerdem gutes Netz und sende Grüße nach Hause. Dann geht es im Schneckentempo hoch. Das Gelände ist unerwartet angenehm – neben ein paar Geröllstellen findet sich auch viel Vegetation. Ein Moment des Zweifels überkommt mich vor dem letzten, etwas steileren Anstieg. Reicht das nicht? Die Aussicht ist von hier schon ganz hübsch.


              Blick nach Osten


              Blick nach Südwesten

              Dann gebe ich mir einen Ruck und steige doch bis zum Gipfel.


              verschnupft und müde, aber glücklich


              rechts neben dem toppvarde im Hintergrund: Svartfjelljøkelen


              der Klops links ist Middagsfjellet


              Nakkefjellet am Olderfjord, hinten Arnøya


              Rødøya, dahinter Haukøya

              Zurück in der Ebene vor dem Nærsokk brauche ich eine weitere Pause, damit ich die zwei Kilometer bis zum Rucksack schaffe. Zeit habe ich momentan wesentlich mehr als Kraft.


              Reinfjorddalen


              der Abstecher zum Nærsokk ist jetzt auch von mir eine klare Empfehlung

              Mit dem Rucksack gehe ich nur noch ein kleines Stück talabwärts bis ich eine gute Zeltstelle zwischen Birken entdecke. Von Nahem erweist sich das Gelände dann doch eher als uneben, aber weiter kann ich auf keinen Fall. Als ich mich für eine Stelle entschieden habe, wasche ich mich kurz im Bach und liege dann eine Runde wie tot auf der Matte. Die kleine Gipfeltour hat sich trotzdem wirklich gelohnt.


              Camp mit Blick zum Olderfjord

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              • Borgman
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                #27
                Samstag, 24. August: jetzt aber wirklich ein Ruhetag

                Der Tag beginnt bedeckt und windig, ab 9 Uhr kommt etwas Regen dazu. Ein guter Vorwand, finde ich, um hier zu bleiben. Wobei gar kein Vorwand nötig ist, ich kann ja tun und lassen wozu ich Lust habe. Also anders: es kommt mir ganz gelegen, dass mich heute kein sonniges Wetter zum Aufbruch anspornt. Während der trockenen Stunden um Mittag herum gehe ich ein bisschen raus, bevor es dann am frühen Nachmittag mehr regnet und der Wind auffrischt.

                Gegen 18 Uhr bemerke ich, dass sich eine Menge Kriebelmücken in den üblichen Ecken des Akto versammelt haben. Wo kommen die plötzlich her? Die ganzen Tage war ich von Plagegeistern verschont, bis auf vereinzelte Stechmücken. Aber ja, jetzt merke ich es auch: es ist zum ersten Mal ganz windstill. Ab 19 Uhr kommen Wind und Regen mit neuer Kraft zurück und verscheuchen die Blutsauger.


                Sonntag, 25. August: Kanasdalen

                Immer noch sind die Nächte sehr mild. Selbst ganz geöffnet kann ich den Quilt nicht länger als ein paar Minuten ertragen. Ganz ohne ist es aber auch ungemütlich. Eine dünne Fleecedecke wäre genau richtig. Am Morgen begrüßt mich strahlend blauer Himmel und ein prachtvoll beleuchteter Sukkertoppen:



                Das macht Lust zum Aufstehen. Ich lasse noch das regennasse Zelt komplett trocknen, frühstücke in aller Ruhe und packe gegen 8 Uhr zusammen. Ungewöhnlich spät für meine Verhältnisse, was ich als Anzeichen fortgeschrittener Entspannung werte. Vielleicht liegt es auch ein bisschen an der Erkältung, jedenfalls fühlt es sich gut und richtig an, dass ich mir alle Zeit der Welt lasse.




                rechts Nakkefjellet, dahinter die Inseln Laukøya und Arnøya



                Olderfjord. Bevor ich runter zum Weg gehe, schalte ich noch das Telefon ein (schwaches Netz, am Lagerplatz gab es gar keins) und schreibe Tom, dass wir uns statt am 2. wohl erst am 4. September in Svensby treffen können. Das verschafft mir ein bisschen Luft, und er kann besser planen. Meine eigene Planung wird jetzt konkreter: ich möchte erst am Mittwoch oder Donnerstag von Sør-Tverrfjord nach Burfjord fahren, dort einkaufen und den Schulbus nach Navit nehmen. Dann hätte ich eine knappe Woche für Südwest-Kvænangen und den Übergang zum Reisadal. Wenn der Fjellfex sich auch für die Variante mit Navitdalen am Anfang seiner Tour entscheidet, könnten wir zumindest einen Tag gemeinsam wandern. Das wäre doch schön – er müsste diesmal gar nicht anmerken, dass ich immer voraus renne.

                Im Gegenteil. Besser als am Freitag komme ich in einen gemächlichen „Fjellfex-Flow“ und genieße den herrlichen Sonntagmorgen. Olderfjord ist aber auch wirklich ganz zauberhaft still und friedlich. Auf einer Boje breitet ein Kormoran nach dem ersten Tauchgang des Tages seine Flügel zum Trocknen aus


                Fahrweg am Fjord




                Bukta

                Hinter der Brücke über die Buktelva biege ich vom Fahrweg auf einen Pfad zum Buktevatnet ab …


                Buktevatnet

                quere dahinter das Moor und halte mich zwischen Kanastinden und Olderfjordvatnet am Waldrand.


                Olderfjordvatnet

                Nach einer halben Stunde Pause geht es nördlich am Kanastinden entlang ins Kanasdalen. Am Hang gerate ich bald in unangenehm dichten, steinigen Birkenwald. Besser geht man sicherlich unten am Fluss.


                Olderfjordvatnet und Sukkertoppen


                Kanasdalen

                Bei nächster Gelegenheit mache ich das auch, quere den Fluss an einer breiten, flachen Stelle ohne Schuhwechsel und folge auf der Nordseite dem Rentierzaun nach Osten.


                Kanaselva



                Blick zurück. Von links bin ich zu hoch am Hang gekommen, rechts sieht man den Rentierzaun. Diesen quere ich ebenfalls und laufe weiter durch nasses, steiniges, buckeliges Gelände bis zum Bach aus dem Bjørndalen. Viel weiter will ich gar nicht. Ab Mittag soll es regnen, für morgen ist gutes Wetter angesagt. Also dürfte gerne bald ein geeigneter Zeltplatz ins Auge springen.


                Kanasdalen, Blick nach Südost


                Blick nach Süden


                Bjørndalen


                Talende

                Auch die Heideflächen sind steinig, nur im Notfall zum Zelten geeignet. Ich quere noch den nächsten Bach und suche südlich davon weiter, mehr in der Talmitte. Da sieht man eine sandige Böschung und – Bingo! – perfektes Zeltgelände.



                Besser geht es nicht. Kurz nach 12 Uhr steht das Zelt, und genau mit den ersten Regentropfen komme ich vom Waschen am Bach zurück. Das war für heute ein gutes Maß an Wandern. Den Rest des Tages wird gefaulenzt. Ganz gesund bin ich noch nicht, aber der Schnupfen lässt schon nach.



                Blick nach Norden. Links Bjørndalen, rechts der Pass, den ich morgen zum Lovttajávri und søndre Tverrfjorddalen gehen will. In der Karte und auch auf Norgeskart ist der als „Modersliv“ bezeichnet, was ich mit „Mutterschaft“ übersetzen würde (wörtlich Muttersleben). Seltsamer Name … ich frage mich wirklich, woher der kommt.

                Bis 17:30 Uhr regnet es durchgängig. Als ich danach den Zelteingang öffne, sitzt da ganz nah, nur etwa 60 Meter entfernt auf einer abgebrochenen Birke der größte Seeadler, den ich je gesehen habe. Kerzengerade, bestimmt einen Meter hoch. Er scheint mich nicht zu bemerken, und ich verharre regungslos. Keine Chance zur Kamera zu greifen, ohne den erhabenen Augenblick zu stören. Langsam, als sei er auf besonders majestätische Wirkung bedacht, breitet er seine Schwingen aus und gleitet wenige Meter über dem Boden talabwärts. Ich muss jetzt zu dem Birkenstumpf gehen, um einen Maßstab zu haben. Ja, sitzend mindestens einen Meter hoch, und eine Spannweite von mindestens 2,50 Meter. Wusste nicht, dass die so groß werden können. So was erlebt man nur ein Mal, wenn überhaupt, in einem Menschenleben.
                Zuletzt geändert von Borgman; 28.09.2024, 11:33.

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                • Fjellfex
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                  #28
                  Zitat von zilka Beitrag anzeigen
                  … kannte ich noch nicht, den Begriff
                  Jetzt weißt du was ein armchair traveller ist ... und ich bin heilfroh nur als solcher dank Borgman diese Ecke kennenlernen zu dürfen.
                  Klasse Bilder aus einer herrlichen Landschaft ... aber irgendwo hatte ich wohl eine Ahnung:
                  Rund um Ellajavri hatte ich nicht mit sonderlichen Problemen gerechnet, lese aber von schlechtem Zeltgelände, "Kletterstelle oder loses Geröll", "Versuch und Irrtum", ... Richtung Jiehkejavri schien es noch unangenehmer zu werden, ... und das waren noch nicht die eigentlichen Problemstellen meiner angedachten Tour!

                  Vielen Dank Borgman! Auch dafür dass mein Rumgeschleiche als "Fjellfex-Flow" einen verbalen Upgrade erfährt.
                  Und könnte "modersliv" eine Abwandlung von livmor = Gebärmutter sein? (Wenn eine Rentierherde durch diese Engstelle geht könnte sich vielleicht die Assoziation "Geburt" einstellen? In einer Gegend wo Berge als "nahe Socke" bezeichnet werden scheint nichts unmöglich...)
                  Zuletzt geändert von Fjellfex; 28.09.2024, 16:31.

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                  • Goldi
                    Erfahren
                    • 11.09.2022
                    • 264
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                    • Meine Reisen

                    #29
                    Tolle Bilder! Bisher bin ich ja bekennender Smartphone-Knipser, aber so langsam kommen mir Zweifel. Zumal die Samsung-KI immer dreister die Bilder verändert - gegen meinen erklärten Willen und ohne das man es abschalten könnte. Hast du die Kamera eigentlich an der Hüfte hängen? Oder vorne am Schultergurt? Ist ja bestimmt ein ziemlicher Klotz.

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                    • Borgman
                      Dauerbesucher
                      • 22.05.2016
                      • 795
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                      #30
                      Fjellfex : rund um Langfjordjøkelen hatte ich bei der Vorbereitung auf jeder angedachten Route große Fragezeichen. Sicherlich gibt es auch deswegen so extrem wenige Infos und Berichte aus der Gegend – das Gelände ist nicht ganz einfach. Das sollte dich aber nicht abschrecken, meine Route ist machbar. Ich habe sie nur deshalb so detailliert beschrieben, damit man sich genügend Zeit lässt und sie nicht auf die leichte Schulter nimmt.

                      Deine Assoziation von modersliv mit livmor klingt zumindest einleuchtend, auf die Deutung kam ich gar nicht. Im nächsten Teil gibt es dann auch Bilder davon.

                      Und Fjellfex-Flow wird der neue Outdoor-Trend . Dann wird man auch sagen: „dieses Jahr gehe ich fjellfexen“ und meint damit langsam wandern, kurze Tagesetappen machen, bei Regen kurzfristig einen Plan B mit Hütten hervorzaubern und viel Zeit für kleine Abstecher nehmen.

                      Goldi : Danke! Mir ist es tatsächlich wichtig, dass die Bilder möglichst natürlich aussehen. Nö, die Kamera ist kein Klotz, selbst gewogen 453g inklusive dem 27mm Objektiv. Ich habe sie immer um den Hals seitlich unter dem linken Arm hängen, in einer leicht gepolsterten alten Fernglas-Tasche. Mehr dazu können wir gerne als PN austauschen.

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                      • Borgman
                        Dauerbesucher
                        • 22.05.2016
                        • 795
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                        #31
                        Montag, 26. August: Storvatnet im søndre Tverrfjorddalen

                        Die Abkühlung am späteren Abend und in der Nacht hat auf jeden Fall dazu beigetragen, dass ich endlich mal wieder wie ein Stein durchschlafen konnte. Und dieser wunderbare, absolut ebene Platz, den ich am liebsten überall mit hin nehmen würde. Heute wird das Zelt nicht so schnell trocknen, also muss ich es zum ersten Mal auf dieser Tour nass einpacken. Aufbruch um 8 Uhr, zurück zum Bach aus dem Modersliv und dann hoch zum Pass.






                        Abschied vom Kanasdalen, in der Mitte Kanastinden


                        Modersliv

                        Interessant, dass hier auf der Westseite ein langgestreckter Geröllwurm mittig im Tal liegt. Anscheinend eine Moräne, aber so ganz erklärt sich mir das nicht.



                        Anfangs kann ich noch seitlich auf dem bewachsenen Streifen gehen, aber es empfiehlt sich, rechtzeitig auf das Geröll zu wechseln, weil der Grashang jäh über großen Felsblöcken abbricht:


                        da ist kaum noch ein Durchkommen

                        Auf dem Pass sollte man sich sich von den Blöcken nicht abschrecken lassen. Und die herumliegenden Stangen der Wintermarkierung einfach ignorieren. Wenn man ein bisschen sucht, findet man eine sichere Route.



                        Für das Foto bräuchte ich einen Mitwanderer als Größenvergleich. Die Blöcke sind teils mehr als mannshoch und können etwas einschüchternd wirken. Tatsächlich ist der Pass aber recht einfach zu überwinden, jedenfalls bei trockenem Wetter.


                        Blick nach Nordosten zum Lovttajávri

                        Nach einer Pause geht es noch ein Stück über verblocktes Geröll, das weiter unten mit üppigen Grasflecken abwechselt.




                        Blick zurück


                        Lovttajávri

                        Ich denke, das schlimmste ist geschafft, aber da täusche ich mich. Die unangenehmste Stelle kommt direkt am Lovttajávri-Ufer. Da ist bei Norgeskart ein Pfad eingezeichnet:



                        Das ist natürlich grober Unfug. Es gibt auch keine Markierungen – jedenfalls sehe ich keine, als ich auf der Suche nach der einfachsten Route ein bisschen auf und ab steige.


                        Blick zurück, noch bin ich nicht durch …


                        aber jetzt!


                        noch mal im Überblick

                        Dahinter geht es angenehm bis zu der schmalen Stelle am Nordostende, die ich wegen des sehr niedrigen Pegels schon vor der „Schwanzflosse“ (Lovttajávri sieht auf der Karte aus wie ein Fisch) ohne Schuhwechsel queren kann.



                        Auf dem Foto ist die Flosse nicht ganz drauf, aber man erkennt den niedrigen Pegel. Lovttajávri ist kein angelegter Stausee, hat aber auch keinen direkten Abfluss, sondern endet in einer Art natürlichen Staumauer.

                        Mein Ziel ist Jøkelvatnet, von dem aus ich noch einen Abstecher nach Süden machen möchte. Auf der Karte sieht es ganz logisch aus, dass ich hier direkt nach Osten abkürze, aber die Wirklichkeit legt mir im wahrsten Sinne des Wortes Steine in den Weg.


                        søndre Tverrfjorddalen, hier will ich ganz rechts im Bild absteigen


                        an dieser Stelle mache ich eine weitere Pause und hole die Wettervorhersage ein


                        um das verblockte Geröll kann ich mich nicht herum mogeln, da muss ich durch







                        Später werde ich rechts vom Bach talabwärts gehen, doch zuerst wende ich mich nach Süden dem Jøkelvatnet zu.


                        am See hält ein einzelnes Rentier die Stellung


                        ungünstig im Gegenlicht: Jøkelvatnet


                        auch dessen Abfluss ist einfach zu queren

                        Hier lasse ich den Rucksack stehen und gehe östlich am See entlang ein Stück in das Tal, an dessen Ende man wieder auf den Gletscher Langfjordjøkelen stößt, diesmal von Norden. Mich würde brennend interessieren, ob es auch von dieser Seite einen Zugang ohne unüberwindliche Schwierigkeiten gibt, aber das Wetter soll morgen so schlecht werden, dass ich heute noch so nah wie möglich an Sør-Tverrfjord heran kommen möchte. Vernünftigerweise sollte ich also in zwei bis drei Stunden zurück sein.




                        der Felsriegel lässt sich links umgehen




                        Blick nach Westen zum Gaskarášša


                        søndre Tverrfjorddalen

                        Bis zum Aussichtshügel 315m (314m bei Norgeskart) ist der Abstecher auf jeden Fall empfehlenswert. Dahinter gibt es gute Zeltstellen. Für weitere Erkundungen könnte man hier ein Basislager einrichten. Heute gehe ich nur noch ein Stück höher und kehre dann um.


                        nur die nächste Stufe hoch




                        Blick zurück zum Aussichtspunkt 315m


                        Blick in Richtung See 398m, weitergehen macht heute keinen Sinn


                        die Wolken ziehen sich jetzt auch endgültig zu

                        Zurück am Rucksack setze ich mich gegen 15 Uhr nur kurz hin, esse einen Riegel und rauche eine. Dann geht es auf der rechten Seite ohne besondere Vorkommnisse zum store Rundvatnet. Hier wurde für die Angler ein Windschutz gebaut, der den nächsten schneereichen Winter vielleicht nicht mehr übersteht:



                        Der tragende Querbalken ist gebrochen und die provisorischen Stützen … na ja, wer weiß? Provisorien halten ja oft am längsten.



                        Noch ein Blick zurück. Ich gehe weiter zum Ternvatnet und halte schon mal Ausschau nach einem Zeltplatz. Angesichts des nahenden Unwetters mit viel Regen und starken Böen gedenke ich morgen abzuwettern, also sollte der Platz eine bequeme Liegefläche bieten und die Heringe müssen wirklich fest im Boden zu verankern sein. Am Ternvatnet finde ich nichts, und auch an der Brücke über den Zufluss lille Rundvatnet sieht es schlecht aus:



                        Fündig werde ich erst hinter den Hütten am Südende des Storvatnet. Windgeschützt sieht anders aus, aber ich vertraue dem Akto. Nach dem vielen Geröll tut das Liegen richtig gut.




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                        • Borgman
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                          #32
                          Dienstag, 27. August: Abwettern

                          Am Vormittag regnet es gemütlich, einschläfernd bei mäßigem Wind. Ich gehe sogar kurz zum See um mich frisch zu machen und spanne die Leinen nach, als es mal nur nieselt. Ab Mittag bis tief in die Nacht prasselt dann starker Regen auf das Akto, getrieben von stürmischem Wind. Angesagt sind Böen um 22 bis 23 m/s, also 80 km/h, was auf offener Heide schon nicht mehr so gemütlich ist, selbst wenn man seinem Zelt aus Erfahrung diese Windgeschwindigkeit problemlos zutraut. Der Wind rüttelt ordentlich am Stoff und nervt auf die Dauer, aber Sorgen mache ich mir nicht.

                          Snelandia schickt eine Meldung raus, dass der Fährverkehr nach Hasvik wegen Unwetter eingestellt wurde. Das betrifft dann wohl auch meine Route, weil es nur zwei Schiffe sind, die hier alle 5 Häfen bedienen. Hoffentlich läuft morgen Früh wieder alles nach Fahrplan.


                          Mittwoch, 28. August: Øksfjord

                          Mein Wecker klingelt um 4:30 Uhr nach einer Nacht mit wenig Schlaf. Der Wind ist vor Kurzem deutlich abgeflaut, und der Regen hat auch nachgelassen. Keine Nachricht von Snelandia, also geht die Fähre fahrplanmäßig um 6:50 Uhr nach Bergsfjord und Øksfjord. Zum Frühstück koche ich einen extrastarken Kaffee, packe zusammen und gehe dann die zwei Kilometer nach Sør-Tverrfjord.





                          Es ist eine geschlossene, wie ich denken würde hochseetaugliche Fähre. Wenn die nicht rausgefahren ist, muss der Sturm wirklich saftig gewesen sein. Mal schauen was die Wetterstationen gemeldet haben: Hasvik 22,9 m/s, so viel wie angesagt, Øksfjord und Rognsund sogar bis 24,9 m/s, das sind knapp 90 km/h. Im Warteraum ziehe ich mich noch um, es ist ja kein Mensch hier, gehe kurz vor Abfahrt an Bord und freue mich auf die zwei Stunden lange Fahrt an der Loppa-Küste.




                          Sør-Tverrfjord


                          Langfjorden


                          Storfjellet auf Silda


                          Blick zurück nach Sør-Tverrfjord


                          Bergsfjord


                          Ullsfjorden


                          Nuvsfjorden mit Øksfjordjøkelen im Hintergrund

                          Und damit endet der 2. Teil. Von Øksfjord werde ich mit dem Bus nach Bognelv fahren, dort zwei Stunden totschlagen, bevor es dann weiter nach Burfjord geht, wo ich vor 8 Tagen das Schnellboot nach Reinfjord bestiegen habe. Die Tour war von der Strecke kurz, aber gerade wegen der Abstecher reich an Eindrücken. Ich hoffe, dass es mich noch mal in diese Gegend verschlägt. Hier ist noch so viel zu entdecken.

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                          • Breitfuessling

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                            • 06.04.2023
                            • 974
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                            #33
                            Prima, ich habe gern mitgelesen und die beschriebenen Eindrücke auf den Bildern verfolgt.
                            Dein entspanntes und flexibles Vorgehen gibt mir gute Orientierung für meine Vorhaben.

                            Schön zu erkennen, dass ich auch bereits unbewusst Anhänger des Fjellfex-Flows war.
                            Viele Füße vom Breitgrüßling

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                            • Borgman
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                              • 22.05.2016
                              • 795
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                              #34
                              Breitfuessling: Freut mich, dass du dabei bist. Ziemlich flexibel geht es auch im nächsten Teil zu, der gleich kommt ...

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                              • Borgman
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                                • 22.05.2016
                                • 795
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                                #35
                                3. Teil: Kvænangen – Nordreisa

                                Nachdem ich jetzt ein bisschen den Norden von Kvænangen kennengelernt habe, wo es zwischen den schroffen Bergen überall nur wenige einfachere Tourmöglichkeiten gab, habe ich für die zweite Woche mehr Lust auf eine klassische Fjelltour. Navitdalen hoch, dann irgendwo rüber nach Westen und irgendwie nach Storslett. Das Ganze in ungefähr 6 Tagen. Das beschreibt meinen Plan in aller Ausführlichkeit. Nicht gerade bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, aber gut genug.


                                Immer noch Mittwoch, 28. August: Navitelva

                                In Burfjord kann man prima einkaufen. Spiritus bekomme ich in der Tankstelle, neuen Proviant im hervorragend sortierten Coop prix. Der bietet sogar ein oder zwei vegane Sorten Real Turmat an, die ich allerdings nicht brauche. Ich habe noch genug pflanzliche Bolognese von Greenforce übrig und kaufe nur Instantnudeln dazu. Bixit, Kornmo, Nüsse etc. wie üblich und als Extras Äpfel, Schokolade, Bier und eine große Kardamomschnecke.

                                Nachdem alles im Rucksack verstaut ist, habe ich nur noch Zeit für einen Kaffee, dann muss ich auch schon zur Schule gehen. Falls jemand mal nach Kvænangsbotn will: es gibt einen normalen Bus Nr. 490, der auf der Ostseite bis Nordbotn fährt und einen Minibus mit derselben Nummer für die Westseite bis Sørfjordbotn. Der Minibus fährt nur von der Schule ab, nicht von der Tankstelle, und hält auch nicht an der E6. Ich nehme den Minibus und bitte den Fahrer, dass er mich am Navitfossen rauslässt (das ist keine reguläre Haltestelle). Er erzählt mir, dass er da auch schon mal gewandert ist, lädt mich aber nicht zum Kaffee ein. Was ich ihm nicht ankreide – er ist trotzdem sehr nett.

                                An dem kleinen Campingplatz südlich vom Wasserfall gibt es eine Infotafel mit Picknickbank und Trockenklo, der Einstieg zum Pfad ist dann nördlich davon.




                                Navit


                                den Wasserfall kriege ich nicht aufs Foto, freue mich aber über die Kiefern

                                Heute will ich nicht mehr weit laufen, sondern nur einen schönen Platz suchen wo ich meinen jetzt doch wieder recht schweren Rucksack ein gutes Kilo leichter machen kann. Bier schmeckt am besten unter Kiefern, so viel steht fest.


                                ein kurzes Stück flussaufwärts




                                und noch ein bisschen weiter

                                Hier bleibe ich. Vielleicht gibt es noch bessere Plätze, aber ich habe jetzt keine Lust zu suchen. Für das Zelt findet sich eine etwas beengte Stelle mit bequemer Liegefläche. Ansonsten ist hier im Wald alles ziemlich steinig.



                                Der Fjellfex hat gestern schon geschrieben, dass wir uns übermorgen um 9 Uhr an der Brücke unterhalb des Geitfjelltinden treffen. Heute hat er ein bisschen Sorge wegen der angesagten Windböen bis 16 m/s geäußert, aber den Treffpunkt noch mal bestätigt. Ja, oben auf den Bergrücken dürfte es morgen Nachmittag etwas ungemütlich werden.

                                Ich genieße erst meine Kardamomschnecke mit Kaffee auf den Felsen am Fluss und gehe dann nahtlos zum Bier über. Herrlich! Als es später leicht zu regnen beginnt, ist die nötige Bettschwere längst erreicht.


                                Donnerstag, 29. August: Navitdalen, Vuovdenjunnejohka

                                Am Morgen ist alles sehr nass. Das Zelt von außen natürlich, aber innen auch viel Kondenswasser. Das wundert mich, weil die Nacht gar nicht kalt war. Ich frühstücke Lefse mit gutem Kaffee (auch neu erstanden: Coop Espresso franskbrennt) und breche um 8 Uhr auf. Erster Halt, schon nach wenigen Minuten, ist Røykfossen:



                                Bei mehr Wasser im Fluss ist er bestimmt noch eindrucksvoller – trotzdem sehr hübsch. Eher durch Zufall schalte ich das Telefon ein und bemerke einen entgangenen Anruf vom Fjellfex und mehrere Nachrichten. Für morgen ist jetzt noch stärkerer Wind angesagt, bis 20 m/s, deshalb plant er um und beginnt seine Tour von der anderen Seite, also Nordbotn. Klar, verstehe ich. Man muss sich nach dem Wetter richten und immer seinem Gefühl folgen. Zum Glück geht er gleich ans Telefon, so kann ich ihn noch direkt in seiner Entscheidung bestätigen und god tur wünschen. Wird sich schon noch eine andere Gelegenheit finden.

                                Anschließend folge ich weiter dem unmarkierten Pfad, der eigentlich eine raue Fahrspur ist. Kurze Apfelpause vor einem größeren Moor, durch das ein (nach Eisen schmeckender) Bach fließt. Hinter dem Moor zweigt ein Pfad ab, dem ich ein Stück folge. Dann wechsele ich doch wieder auf die Fahrspur, weil ich mir mit dem Pfad nicht sicher bin und komme in hügeliges Gelände. Hier verläuft sich die Spur, und ich bin auch näher am Fluss als ich nach der Karte sein dürfte. Na, das ist jetzt auch egal, wer braucht einen Pfad? Ich kann genauso gut dem Fluss folgen.


                                Blick zum Geitfjelltinden


                                unten im Tal ist es noch etwas neblig


                                Rentierpfade führen überall und nirgends hin


                                Navitelva und Geitfjelltinden



                                Vor dem nächsten Anstieg setze ich mich für eine halbe Stunde in die Heide und komme dann auf die Ebene vor dem Geitfjelltinden:




                                da hinten, wo die Stromtrasse den Fluss quert, ist auch die Brücke



                                Es ist kurz vor 12 Uhr – Zeit für die Mittagspause. Wenn das Treffen mit Fjellfex morgen geklappt hätte, dann wäre ich noch auf den Berg gestiegen. Stattdessen will ich den Nachmittag nutzen, um weiter ins Tal zu kommen. Vorher steige ich trotzdem ein Stück den Hang hoch, bis ich schwaches Mobilnetz habe und schreibe Tom, dass wir den 4. September fest verabreden können und mit welchem Bus ich nach Svensby komme. So, jetzt kann ich mich in aller Ruhe dem Navitdal widmen.


                                schön hier, Blick nach Süden

                                Ich halte mich auf der westlichen Talseite und stoße dort schon bald auf einen tiefen, offensichtlich extrem schlammigen Querbach. Eine Weile suche ich nach einer Stelle mit steinigem oder wenigstens sandigem Untergrund, finde aber keine und quere schließlich dort, wo wenigstens das Ufer fest ist. An anderen Stellen wäre ich schon mit dem ersten Schritt im Schlamm eingesunken. Barfuß, weil ich keine Sandale einbüßen will.



                                Hier geht es ganz gut, man sinkt nur etwa knöcheltief in den Schlamm und das Wasser geht bis über das Knie. Allerdings kriege ich danach die Füße kaum sauber. Besser wäre, noch einen Kilometer weiter am Hang zu queren, aber ich möchte lieber über die offene Heide gehen, in der Karte mit Guolban bezeichnet.




                                Blick zurück zum Geitfjelltinden

                                Inzwischen weht kräftiger Südwind. Hinter dem nächsten Querbach mache ich eine Pause, dann geht es weiter auf Tierpfaden durch lichten Birkenwald durch die Ebene bis zu der Stelle, wo der Osthang des Vuovdenjunni auf den Fluss stößt. Dahinter sieht es an einer Sandböschung nach perfektem Zeltgelände aus …



                                und das ist es auch. 200 Meter ebene Beerenheide direkt am Fluss – die Auswahl scheint grenzenlos. Allein, man findet beim besten Willen keinen Windschutz. Eine einzelne Birke bringt halt gar nichts, und es weht jetzt schon ungemütlich. Ja, im Notfall würde ich noch eine Nacht wie vorgestern auf offener Heide überstehen, aber das ist hier nicht nötig. Den für mich brauchbaren Kompromiss aus ebener Liegefläche und ein bisschen Windschutz finde ich 300 Meter südlich des Bächleins Vuovdenjunnejohka. Was bedeutet, dass so weit eben auch das Wasser zum Trinken und Waschen entfernt ist.



                                Wacholderbüsche sehen immer ein bisschen mickrig aus, bieten aber erstaunlich guten Windschutz auf der Höhe, wo der Wind am Zelt die größte Angriffsfläche hat, nämlich im unteren Drittel. Und es fühlt sich heimelig an – ich bin sehr zufrieden mit dem Platz. Nach der Waschaktion, die heute wegen der weiten Strecke länger dauert, ziehen gemächlichen Schrittes die ersten Rentiere in kleinen Gruppen am Zelt vorüber. Na bitte, ich habe hier sogar freundliche Gesellschaft.

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                                • Borgman
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                                  • 22.05.2016
                                  • 795
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                                  #36
                                  Freitag, 30. August: Ruhetag

                                  Trotz etwas Wind konnte ich hervorragend schlafen. Mit dem Unwetter am Dienstag ist das gar nicht zu vergleichen, bestimmt sogar weniger als angesagt. Was mich aber nicht dazu verleitet, der Vorhersage gar keinen Glauben mehr zu schenken. Am Vormittag soll es Schauer geben und am Nachmittag so ziemlich durchgängig regnen. Man könnte also ein paar Stunden gehen. Andererseits ist der Platz hier so gemütlich, dass ich der Versuchung erliege, ihn noch den ganzen Tag auszukosten.





                                  Als der Wind nachlässt und sogar für eine Stunde die Sonne durchkommt, mache ich einen Spaziergang in der Ebene und hole noch mal Wasser aus dem Bach. Vielleicht mögen die Rentiere diesen freundlichen Ort auch besonders gerne, oder sie halten sich einfach zu dieser Zeit Ende August immer hier auf, jedenfalls ziehen hunderte von ihnen in Grüppchen von 10 bis 20 Tieren talaufwärts, talabwärts und vermutlich wieder zurück. Man sieht immer welche, den ganzen Tag. Gegen 12:30 Uhr beginnt ein stetiger Kvænangenscher Landregen, der sich über mehrere Stunden zu starkem Regen auswächst und dann wieder zu einschläfernder Gemütlichkeit zurück findet.






                                  Samstag, 31. August: Navitdalen bis kurz vor Šlimpogorsa



                                  Heute merkt man zum ersten Mal so richtig, dass der Herbst naht. Am Morgen hat es nicht mehr als 2°C, Nebel bedeckt den Talboden und eine Menge Kondenswasser mein Zelt. Das wische ich erst mal von innen und außen ab, bevor ich Kaffee koche. Die Sonne braucht noch eine Weile, bis sie über den Hügeln aufgeht, wärmt dann aber ein bisschen, als ich gegen 7 Uhr frühstücke. Aufbruch eine Dreiviertelstunde später durch tropfnasses Gras und Beerenheide.





                                  Anfangs geht es noch sehr angenehm durch die Ebene, im weiteren Verlauf hügelig, bis auf der anderen Flussseite die kleine Samensiedlung (manche sagen auch „Alm“) Sáiva auftaucht. Da ist schon richtig was los, Quads brummen, Menschen rufen und hämmern irgendwas zusammen – man bereitet sich auf den Zusammentrieb der Rentiere vor.


                                  Navitelva südlich von Sáiva




                                  man übernachtet hier offenbar gerne außer Rufweite

                                  Im von Mooren durchsetzten Gelände westlich von Sáiva muss ich drei Rentierzäune überwinden. Das nervt etwas, weil sie solide gebaut sind und ziemlich dicht mit dem Boden abschließen. Neben dem auf meiner Karte eingezeichneten Zaun sind das wohl mehrere Gehege, die man auch umgehen kann, wenn man bereit ist, die Moore zu durchwaten. Nee, da quetsche ich mich lieber unter den Zäunen durch. In wenigen Tagen wird hier alles von Rentieren wimmeln, denke ich, also ist die Gelegenheit günstig.

                                  Danach bin ich ziemlich durchnässt. Der Himmel hat sich wieder ganz zugezogen, es weht ein kühler Wind. Deshalb wird die Pause nach zwei Wanderstunden etwas kürzer als ich gerne hätte. Die nächsten Kilometer sind wegen der vielen Buckel, nassen Stellen und Sträuchern nicht so angenehm zu gehen.


                                  nur selten ein Sonnenstrahl, aber neben schwedischem Hartriegel auch extrem viele Heidelbeeren und Krähenbeeren …


                                  und besonders viele tote Birken



                                  An der Furt Iŋggájohka bin ich ziemlich platt und stelle um 11:30 Uhr das Zelt für anderthalb Stunden Mittagspause auf. In diesem ganzen Abschnitt halte ich mich wo es geht an die Hügel direkt am Fluss.


                                  Šlimpogáisá, rechts Iŋggágáisá


                                  Blick nach Süden


                                  Blick zurück nach Norden





                                  Am See Čierrejávri (Foto oben) mache ich 15:15 bis 15:45 Uhr noch eine ungemütliche Pause. Das Wetter hält nicht so ganz, was es heute Morgen zu versprechen schien. Kurz danach ändert sich das schlagartig. Die Sonne kommt durch, und statt einer Unmenge toter Birken gibt es hier prächtige Herbstfärbung. Der Kontrast ist so stark, so plötzlich, dass es wirkt, als hätte ich das Tor zu einer Zauberwelt durchschritten. Ich kann mich gar nicht satt sehen.









                                  Auf einem deutlichen Rentierpfad laufe ich durch üppige Vegetation, bis der Fluss vor Šlimpogorsa einen Knick nach Osten macht:





                                  Das ist ja wirklich traumhaft schön, hier will ich bleiben. Es dauert eine ganze Weile, bis ich einen geeigneten Platz am Hang gefunden habe, und als es dann steht …



                                  dreht der Wind. Umso besser. Nach dem Waschen in sehr kaltem Bach drehe ich auch das Zelt und habe den Blick über die Ebene zu den Bergen im Osten jetzt sogar vom Eingang.


                                  Und so sah die Strecke zwei, drei Tage später bei Fjellfex aus – in umgekehrter Richtung und auf der anderen Talseite:
                                  https://www.outdoorseiten.net/vb5/fo...88#post3279988

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                                    • 02.09.2016
                                    • 1705
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                                    #37
                                    Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                    Und so sah die Strecke zwei, drei Tage später bei Fjellfex aus – in umgekehrter Richtung und auf der anderen Talseite
                                    Wirklich interessant wie unterschiedlich sich das darstellt! Westseite Navitelva mit Schlammbach, Rentierzäunen, Buckelgelände ... Weicheiern wie mir kann man wirklich die Ostseite nahelegen, wo das alles dank ATV-Spur Flaniergelände war.
                                    Und ich bin gespannt wie sich das an der Kondensfront weiterentwickelt hat. Die letzten beiden Nächte in denen es bei dir auch innen feucht wurde war ich ja auf Hütten, den Rest der Tour aber im Zelt, und auch hier wie in allen bisherigen Nächten im access 1 (und das sind inzwischen schon ein paar) hatte ich NIE Probleme mit Kondens.

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                                    • Borgman
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                                      • 22.05.2016
                                      • 795
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                                      #38
                                      Na ja, so komfortabel wie deine ATV-Spur war es zwar nicht, und den Abschnitt zwischen Sáiva und dem Čierrejávri ​fand ich etwas blöd, aber trotzdem kann ich die Westseite ebenso empfehlen. Sie hat auch sehr schöne Stellen.

                                      Beim Akto bildet sich bei entsprechendem Wetter etwas mehr Kondenswasser als in luftigeren Zelten, was ich aber nicht als Problem sehe. Jede Konstruktion hat ihre Vor- und Nachteile. Die Nächte danach waren trocken und windig, also blieb auch das Akto trocken.

                                      Im nächsten Teil gibt es wieder zu viele Fotos, weil ich sie so gut wie möglich dokumentieren will. Ich glaube, man findet zu der Route nach Westen/Nordwesten ansonsten nicht viele Infos.

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                                      • Borgman
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                                        • 22.05.2016
                                        • 795
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                                        #39
                                        Sonntag, 01. September: See 892m am Hárjerášša

                                        Der Tag beginnst sonnig mit durchziehenden Wolken und frischem Westwind. Beste Bedingungen, um die doch deutlich höher gelegene Etappe über die Ausläufer des Oahpis nach Nordreisa in Angriff zu nehmen. Es wird steinig, so viel ist sicher, aber ansonsten habe ich keine Vorstellung davon, was mich heute erwartet. Gegen 8 Uhr (der späte Aufbruch ist schon zur Gewohnheit geworden) gehe ich zur Schlucht Šlimpogorsa, quere den Bach und steige an der Südeite zum Šlimpojávri hoch.


                                        Blick nach Süden




                                        Šlimpogorsa





                                        die gemütlich in der Sonne liegenden Rentiere fühlen sich leider durch mich gestört


                                        Šlimpojávri, dahinter Šlimpogáisá


                                        Njallavárri

                                        Ich gehe nur noch ein Stück in das Tal zwischen den beiden Bergen, Njallavággi, dann ist auch schon Zeit für die erste Pause. Weil ich mit einem recht anstrengenden Tag rechne, möchte ich immer nach einer guten Stunde Wandern 20 bis 30 Minuten ausruhen.


                                        im Njallavággi ist das Gelände anfangs sehr angenehm, wird dann aber immer steiniger


                                        Blick zurück


                                        genau in der Mitte ist der Übergang zum Hochtal südlich des Oahpis


                                        an dieser Stelle überschreite ich die Grenze nach Nordreisa


                                        Blick zurück nach Kvænangen


                                        See 888m hinter dem Pass

                                        Hier (2. Pause) wechselt sich noch Geröll mit Vegetationsflecken ab. Vielleicht wäre es besser an den Seen in der Ebene zu gehen, aber ich entscheide mich spontan für eine höher gelegene Route in möglichst direkter Linie zum Südwesthang des Oahpis.


                                        man sieht am Wasser, dass es windig ist


                                        meine Route in der linken Bildhälfte



                                        Rechts sieht man besagten Oahpis-Hang. Ganz am Ende muss ich aufsteigen, um den steilen Abbruch dahinter zu umgehen. Bis dahin sind es noch einige Kilometer über Geröll. Am Zufluss des bohnenförmigen Sees 960m ist Zeit für eine längere Mittagspause. Man kann das Zelt zwar nicht richtig aufstellen, aber ich brauche es trotzdem als Windschutz.


                                        See 960m


                                        Mielggasjávri 943m nach der Pause


                                        Blick zurück zum Bohnensee 960m



                                        Nicht ganz einfach, eine Route zu finden, die möglichst die gröbsten Blöcke vermeidet und trotzdem einigermaßen den Kurs hält. Die herum liegenden Weidenruten einer Wintermarkierung sollte man auch hier ignorieren. Während ich anfangs dachte, dass da eine Winterroute kreuzt, bin ich jetzt sicher, dass sie auf genau den Übergang zusteuert, den ich ausgesucht habe.



                                        Spätestens hier beginnt das Gebiet, in dem Plattengeröll dominiert. Das sieht erst mal harmlos aus, wird mich aber im weiteren Verlauf Nerven kosten. Die Platten sind wackeliger als ihre abgerundeten oder unregelmäßig geformten Brüder und Schwestern, außerdem rutschen kleinere Scherben auch gerne mal mitsamt dem Schuh auf größeren Scherben.


                                        kurz vor dem Abbruch, jetzt muss ich rechts auf 1120m steigen


                                        auf der Karte nicht ersichtlich: oben ist eine steile Geröllstufe


                                        Blick nach Westen zum See 855m

                                        Geschafft! Höchster Punkt der Tour. Hier mache ich eine Pause und habe auch gutes Mobilnetz. Leider ist es etwas dunstig, was die Fernsicht einschränkt, aber zumindest kommt kurz die Sonne durch, bevor die nächsten Wolken aufziehen.


                                        Moskkanjávri


                                        Blick nach Norden in Laufrichtung


                                        Doaresdalen

                                        Die nächsten anderthalb Kilometer bis zum See 986m östlich Moskkanjávri gehören wegen einiger quer verlaufender Rinnen mit steilen Wänden zu den unangenehmsten dieser Etappe. Außerdem sind meine Füße schon müde von der langen Geröllstrecke. Danach geht es deutlich einfacher hinunter zum See 892m, wo ich auf einen Vegetationsfleck zum Zelten hoffe.


                                        Blick zum Moskkanjávri






                                        See 892m, mein Ziel für heute


                                        sieht gut aus, da finde ich bestimmt was

                                        Auf der zweiten Landzunge im Bild gibt es mehrere Vegetationsflecken, teils mit Krähenbeeren und Moos. Darunter natürlich steinig, ganz eben sind sie auch nicht, aber unter den Umständen die beste Wahl. Ich bin zufrieden, mit dem Platz, mit dem Tag und überhaupt. Sechseinhalb Stunden reine (recht straffe) Gehzeit habe ich für die Strecke gebraucht. Weil sich das gute Wetter halten soll, nehme ich mir für die weitere Strecke in Richtung Storslett den Übergang zum Røyedalen/Rokkilvággi vor – das wird noch mal spannend.


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                                          #40
                                          Montag, 02. September: Røyeldalen

                                          Trotz einwandfreier Liegefläche bin ich um 3 Uhr wach und kann nicht wieder einschlafen. Egal, das reicht ja auch. Erster Kaffee um 5, Frühstück mit ein bisschen Sonne auf dem Zelt um 6:30 Uhr, Aufbruch eine knappe Stunde später.


                                          früher Morgen am See 892m


                                          klarer Himmel und kühler Südwind



                                          Vor dem nördlichen Teil des Sees gibt es einen natürlichen Übergang zur Westseite – der erspart mir einen Umweg.




                                          dahinter wieder Geröll, nicht ganz unerwartet



                                          Blick nach Norden. Heute ist die Fernsicht optimal, im Hintergrund erkennt man sogar Øksfjordjøkelen. Norden ist zwar meine Richtung, aber ich mache einen Schlenker nach Westen über den Pass Gæiraskaret. Der Abstieg dürfte dort weniger steil sein.


                                          wieder Plattengeröll am See 856m


                                          ŋkajávri


                                          Gæiraskaret mit der Stromtrasse, die ich an der Brücke über die Navitelva schon mal gequert habe



                                          Die stört natürlich massiv, weil sie ein ansonsten recht wildes Gebiet komplett zerschneidet. Hätte es da nicht eine elegantere Lösung gegeben? Beim Abstieg zum See Láŋkajávri muss ich mich wegen der Platten und flachen Scherben ziemlich konzentrieren. Weiter unten treffe ich auf eine selten benutzte Fahrspur.


                                          kleines Eisfeld am Hang, südlich des Sees


                                          ŋkajávri


                                          einziges blühendes Heidekraut auf der gesamten Tour


                                          den Seeabfluss furte ich noch und mache dahinter die erste Pause


                                          unglaublich, wie steil am Hang man noch Rentierzäune bauen kann


                                          Blick zurück nach der Pause


                                          Blick nach Norden (wieder mit Øksfjordjøkelen) am Pass westlich des Láŋkavárri

                                          Die Fahrspur geht (anders als eingezeichnet) hier ins Tal runter, aber es empfiehlt sich, rechts davon dem Hügelrücken zu folgen. Die Aussicht ist von dort viel besser.


                                          Blick nach Osten


                                          Riehppegáisá (1339m oder 1337m, die Angaben schwanken), der zweithöchste Berg in Nordreisa nach Ráisduottarháldi


                                          solch einen Blick hat man von der Fahrspur nicht

                                          Da ich bald nach Westen abbiegen möchte, quere ich direkt hinter dem See 693m die Jiehkkejohka und versuche am Hang die Höhe zu halten.


                                          Jiehkkejohka


                                          unterhalb dieser Stelle hätte es nicht mehr ohne Schuhwechsel geklappt


                                          links Riehppejávri



                                          Blick nach Westen zum Pass Rokkilčahca. Obwohl jetzt schon 11 Uhr ist, steht die Sonne noch so tief hinter dem Riehppegáisá, dass er vermutlich im Schatten bleibt. Am Ende des Sees stelle ich für die Mittagspause das Zelt auf. Wie gestern brauche ich mal eine Auszeit vom Wind. In Böen weht er ziemlich ungemütlich.


                                          die Berge im Norden

                                          Da ich von hier nicht einschätzen kann, ob man in direkter Linie ohne Hindernisse zum Pass kommt, wähle ich eine Variante hinter dem Hügel nördlich See 672m, mache also einen deutlichen Schlenker nach Norden.


                                          Blick zurück zum Riehppejávri


                                          Oaivvoščohkka



                                          Rokkilčahca Ostseite. Der Anstieg zum Pass ist wie erwartet komplett im Schatten und, nun ja, steinig. Ich bin sehr gespannt wie es auf der anderen Seite aussieht, die laut Karte enger und steiler ist. Hoffentlich kein Blockfeld. Ganz oben gibt es etwas Vegetation, sogar stellenweise einen Rentierpfad …


                                          Blick zurück …



                                          und Sonne. Jetzt bin ich allerdings zu hoch gestiegen und muss wieder runter in den Schatten:


                                          Rokkilčahca


                                          das sieht übel aus



                                          Tatsächlich ein Blockfeld. Aber was ist das?


                                          ein alter angelegter Weg?


                                          Blick zurück zum Pass

                                          Ich kann mein Glück gar nicht fassen. Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Wenn der noch intakt ist und nicht irgendwo von einem Felssturz verschüttet (es muss ja ein Haken dabei sein, sonst wäre er doch auf der Karte verzeichnet … ?), dann wird der Abstieg ein Kinderspiel.


                                          Røyeldalen

                                          Die gigantischen Schatten lassen das Tal auch tatsächlich wie eine Spielzeuglandschaft wirken. Fröhlich und beschwingt steige ich ohne Probleme hinunter, und als das Gelände einfacher wird, verschwindet auch der Weg spurlos.



                                          Blick zurück … also … ist er jetzt wirklich verschwunden? Das war doch nur eine Redensart … ich kann ihn nicht mehr erkennen. Hm, egal, ich mache noch eine Pause und laufe weiter zum oberen See, 567m.



                                          An diesem bleibe ich noch nördlich und quere den Fluss, Rokkiljohka, vor dem mittleren See. Eigentlich hätte ich hier gute Zeltstellen erwartet, aber es ist alles steinig und uneben.


                                          See 498m


                                          Rokkilčahca von Westen

                                          Also furte ich erneut den Fluss, diesmal geht es nicht ohne Schuhwechsel, wieder auf die Nordseite, werde auch hier nicht fündig und furte vor dem unteren See (446m) noch einmal nach Süden. Hier geht nun gar nichts. Auf allen ebenen Wiesen steht das Wasser.

                                          Erst ganz am Ende der Ebene, bevor das Tal enger wird, finde ich um 17 Uhr einen geeigneten Platz. Schnell baue ich das Zelt auf und wasche dann alle Wandersachen am Fluss. Bei dem kräftigen Wind habe ich eine Chance, dass sie über Nacht trocknen.



                                          Blöd nur, dass der Wind sich nicht für eine Richtung entscheiden kann. Mal bläst er ungemütlich von Westen in den Eingang, mal von Osten. Heute, nach einem weiteren anstrengenden Tag hätte ich nichts gegen einen geschützten Zeltplatz im Wald.


                                          See 446m


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