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  • Borgman
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    • 22.05.2016
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    #21
    @Fjellfex: vermutlich hätte dein Plan B sogar funktioniert, was den Schnee angeht ... aber dann hast du ja eine sehr befriedigende Alternative gefunden.

    @evernorth: die ersten zwei, drei Tage kriege ich bestimmt noch hin bis Freitag. Und dann bin ich natürlich auch äußerst gespannt auf deine Island-Tour ... wenn das klappt, du weißt schon, was ich meine ... das wird der Hammer! Ich drück dir ganz fest die Daumen. Pass gut auf dich auf!

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    • Borgman
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      • 22.05.2016
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      • Meine Reisen

      #22
      2. Teil: Syltefjord

      Wahrscheinlich kann sich niemand mehr daran erinnern – mein zweiter Bericht hier auf ODS war über eine Tour quer durch die Varangerhalbinsel von Vardø nach Tana Bru 2013. Schon damals hatte ich mir vorgenommen, irgendwann dort an der Küste zu wandern, aber es ist nie dazu gekommen. In meiner Vorstellung wollte sich keine sinnvolle, zusammenhängende Tour bilden, die mich genügend gereizt hätte, um jemals ein Plan zu werden.

      Genau vor diesem Problem stand ich jetzt wieder. Ich dachte: „ja, wenn ich nun schon in Kirkenes bin, dann kann ich doch endlich mal an der Varangerküste wandern. Direkt am Meer wird der Schnee doch wohl auch größtenteils weggetaut sein“. Besonders interessierte mich die Nordwestküste der Makkaur-Halbinsel zwischen Makkaur-Sandfjord und Syltefjordstauran, die Südostseite vom Syltefjord um indre und ytre Syltevika … und auf jeden Fall Sandfjorddalen. Dann lag dieses Frühjahr sehr viel Schnee in der Gegend, der Anfang Juni weich und brüchig sein und die Flüsse mit dem vielen Schmelzwasser in unüberwindbare Hindernisse verwandeln würde. Fjellfex riet mir ab, und wenn ich ehrlich bin, riet ich mir selber auch ab. Wie soll unter den Bedingungen eine sinnvolle, zusammenhängende Tour möglich sein? Genau ... gar nicht. Deshalb ist mein Plan, vollständig, bis ins kleinste Detail beschrieben, folgender: 1. Nach Båtsfjord fahren und gucken was geht. 2. Zurück wenn möglich von Vardø. 3. Zwischendrin nicht absaufen.


      Noch Freitag, 10. Juli: Båtsfjorddalen

      Mein Bus fährt gegen 16:00 Uhr von Kirkenes ab, jetzt ist es 11:00 Uhr. Ich bin in Hesseng zum Einkaufen. Hier weiß ich, dass ich alles kriege, was ich brauche. Spiritus als erstes bei CircleK für passable 82 Kr (nein, eigentlich ist es eine Frechheit, aber man kriegt den ja selten günstiger … manchmal im Baumarkt). Real Turmat finde ich im Intersport und den Rest im Rema 1000: Äpfel natürlich, die sind wichtig, dann die üblichen Kornmo und Bixit. Erdnussbutter gibt es zu meinem Entzücken sogar im Plastikgebinde, veganen Aufstrich, Nuss-Frucht-Mischung, Kaffee, ein Brot für 3 Tage Abendessen. Mills hat jetzt auch vegane Mayo, prima. Zum Schluss, ich kann einfach nicht widerstehen, landet ein 6er Pack Kvikk Lunsj im Einkaufskorb.

      Ich beschließe, dass ich den Bus 13:09 Uhr nach Kirkenes nehme. Nachdem es am Morgen bedeckt war, ist das Wetter jetzt wie gestern. Sonne, paar Wolken und ein empfindlich frischer Wind. Kirkenes ist nicht so aufregend. Ich laufe ein bisschen im Ort herum und gehe noch in den Joker für eine Art Pizzabrötchen und ein Farris. Dabei entdecke ich ein sensationell schönes Wort, das mir bestimmt irgendwann mal nützlich sein wird:



      Malmklang. Herrlich, ich liebe es!

      Zum Einkaufen für eine Tour, da mache man sich keine Illusionen, eignet sich Kirkenes gar nicht. Man kann es im Einkaufszentrum Handelsparken versuchen, da war ich nicht drin, aber ansonsten besser gleich nach Hesseng/Bjørkheim. Im Narvesen kaufe ich einen Kaffee mit Rosinenbrötchen, setze mich damit in die Sonne und lade dann mein Mobiltelefon in der Bibliothek. Da kann man bis 16:00 Uhr auch prima sitzen, wenn mal schlechtes Wetter ist.

      Der Bus fährt um 15:50 Uhr am AMFI ab und zuckelt zwei Stunden am südlichen Varangerfjord entlang bis Varangerbotn. Hier steht schon der Bus nach Båtsfjord, aber wir warten noch eine gute Viertelstunde auf einen verspäteten Anschluss aus Vardø. Dann geht es über Tana Bru immer am großen Fluss entlang zur Tana-Mündung. Ganz kurz sieht man Lávvonjárga auf der anderen Fjordseite. Ich denke an den guten Yngve Johansen (danke für den Tipp, Fjellfex), und dass ich hier auch mal eine Tour angedacht hatte, die vielleicht nie stattfinden wird.

      Überall liegt recht viel Schnee auf den Bergen, und es wird immer mehr, je weiter wir auf die Varangerhalbinsel fahren.


      vom Bus aus geknipst, mit dem Telefon

      An der Kreuzung Gednje gibt es Anschluss nach Berlevåg. Es ist ein Taxi, also eine Flexx Rute. Man muss sich anmelden, dann schauen sie, welches Fahrzeug sie brauchen. Hier, auf 230m Höhe, komme ich ins Grübeln. Es liegt wirklich noch sehr viel Schnee. Punkt 1 meines grandiosen Plans gerät schon ins Wanken, also „nach Båtsfjord fahren und gucken was geht“. Von Båtsfjord geht es erst mal nur hoch … und … so viel Schnee! Hmm … morgen ist sonniges Wetter bis 15 Grad angesagt … starke Schneeschmelze … in Verbindung mit den riesigen Geröllfeldern auf der Makkaur-Halbinsel könnte das problematisch werden.

      Die Alternative wäre weit weniger attraktiv, dafür viel sicherer. Nämlich auf der Straße ins Syltefjorddal laufen und dort gucken was geht. Ich bin sehr unentschlossen. Welche Variante soll ich machen? Wenige Minuten vor der Haltestelle Syltefjordkrysset siegt die Vernunft (Vorsicht? Angsthasigkeit?) über die Abenteuerlust und ich drücke den Stop-Knopf.


      an der Syltefjord-Straße

      Kalt ist es hier, und obwohl die Kreuzung viel tiefer liegt als Gednje, nämlich auf 75m, gibt es immer noch große Schneefelder. Reißende Wildbäche auf beiden Seiten der Straße. Weil es schon 20:15 Uhr ist, gehe ich nur noch einen Kilometer und suche mir gleich einen Platz. Das Gelände am Bach sieht okay aus, da finde ich was. Um 21:00 Uhr steht das Zelt, nicht optimal, aber ich will auch nicht lange suchen. Später Kaffee, kaltes Abendbrot, Bett. Morgen wird ein langer Tag.



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      • Fjellfex
        Fuchs
        • 02.09.2016
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        #23
        Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
        @Fjellfex: vermutlich hätte dein Plan B sogar funktioniert, was den Schnee angeht
        Bei meinem Tourenstart war auch bei Plan B noch mehr Schnee als in Hammastunturi...wäre vielleicht mit Blick auf "Schnee" trotzdem gegangen, aber mit Blick auf die "Frühjahrsflut" ...?!?
        Ich hatte den Eindruck: ab Ende der Schneeschmelze braucht es noch einmal etwa 1 Woche, bis die Pegel halbwegs normal sind. Werde in meinem Bericht diesbezüglich etwas ergänzen...

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        • Borgman
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          • 22.05.2016
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          #24
          Samstag, 11. Juni: Syltefjorddalen

          Mit dem Quilt habe ich anscheinend noch zu wenig Übung. Jedenfalls habe ich gefroren in der Nacht … keine Ahnung, woran es lag. Ganz ausgeruht bin ich deshalb nicht, als um vier die Sonne aufs Zelt scheint, aber trotzdem motiviert. Die jetzt noch 26 Kilometer auf der Straße will ich flott hinter mich bringen und zum Abend am Storvatnet hinter Nordfjord zelten. Von wegen, ich hätte keinen Plan – für heute habe ich sehr wohl einen. Nach dem Kaffee mit 3 Bixit-Keksen packe ich sofort zusammen und laufe um 05:45 Uhr hoch zur Straße.


          früher Aufbruch


          Blick nach SW


          Storelva


          meine Laufrichtung


          Storvatnet


          auf 200m Höhe – im Hintergrund sieht man den Windpark NW von Båtsfjord





          Viel zu erzählen gibt es nicht, die Bilder sprechen für sich. Bei dem sonnigen, fast windstillen Wetter und ohne Autoverkehr macht es sogar Spaß. Wenn ich mir den Schnee so angucke, war die Entscheidung zumindest nicht total falsch. Ich glaube, ich war gestern einfach noch nicht bereit, mich mit den Bedingungen hier wirklich auseinanderzusetzen. Kommt noch.

          Hinter der Passhöhe von 220 Hm geht es in einem engen Seitental hinunter zum Syltefjorddal. Hier wurde ein Naturreservat eingerichtet, um ein wertvolles Ökosystem am Rande der Arktis zu bewahren. Zahlreiche Pflanzenarten haben hier ihre nördliche Verbreitungsgrenze. Mehr dazu auf der Infotafel:



          Nach ziemlich genau 2 Stunden und gut 9 Kilometern treffe ich am Bach aus dem Skarpdal auf ein Toilettenhäuschen mit angelegten oder zumindest öfter genutzten Campstellen. Steht nichts weiter dran, also kann hier vermutlich jeder zelten. Was ich nicht vorhabe, aber es ist ein guter Platz für die Frühstückspause.

          Danach laufe ich weiter Kilometer um Kilometer durch dieses wirklich sehr schöne Tal. So grün wie in Pasvik sind die Birken hier natürlich noch nicht. Der Fluss Syltefjordelva führt, auch nicht ganz unerwartet, so viel Wasser, dass ich mir an keiner Stelle zutrauen würde, ihn zu furten. Teils sind auch flache Uferbereiche überflutet. Das macht mir keine Sorge … hab ja das Boot im Rucksack … und außerdem ist es ein Problem für Montag. Beim entspannten Gehen formt sich nämlich ganz von selber ein Plan. Morgen will ich die Basstölpel-Kolonie besuchen, von der ich gelesen hatte. Ich weiß zwar nicht genau wo sie ist, werde sie aber irgendwo an der Steilküste nordöstlich der verlassenen Siedlung Ytre Sytefjord finden. Montag gehe ich dann zurück und quere Syltefjordelva an der Mündung. Weiter ist der Plan noch nicht gediehen.


          Syltefjorddalen talaufwärts




          Syltefjordelva



          Inzwischen fährt ab und zu ein Auto auf der Straße, ich komme auch an einigen Hütten vorbei, doch es bleibt insgesamt ruhig. In den Ferien dürfte hier mehr los sein. Ein auffrischender Nordostwind treibt Wolken über die Berge. Ich laufe noch bis zum Kristoffervatnet und baue dort das Zelt für die Mittagspause auf, weil es sich im Wind doch etwas ungemütlich sitzt. Die knapp 21 Kilometer spüre ich deutlich in den Beinen. Für die Straße sind Bergstiefel ja auch kein geeignetes Schuhwerk … bestimmt werden sie ihre Vorteile noch ausspielen können.


          Syltefjordelva


          Båtsfjordfjellet


          wirklich schön: Syltefjorddalen


          Kristoffervatnet

          Gegen 14:00 Uhr bin ich bereit für die dritte und kürzeste Etappe. Reicht jetzt langsam mit Straße, zum Glück sind es nicht mal mehr ganz 6 Kilometer bis zum Wanderpfad – ein Klacks! Rechts ein paar Häuser mit Hinweisschild zu einem Campingplatz, das ist Vesterelv, dahinter der allerinnerste Zipfel vom Syltefjord. Die Strecke zur winzigen Siedlung Nordfjord zieht sich in der Realität dann doch länger hin, als sie auf der Karte aussieht.


          Syltefjord


          Nordfjord, Kapelle


          Nordfjord, Hafen … mit Kyst-Tavla im Hindergrund



          Ich glaube nicht, dass hier in Nordfjord noch jemand dauerhaft lebt, sieht eher nach reinem Sommerbetrieb aus. Jetzt zieht sich der Himmel allmählich wieder zu und es bläst ein wahrlich biestiger Ostwind. Am Ende der Straße setze ich mich noch mal für eine halbe Stunde hin, esse den vorletzten Müsliriegel, rauche eine und bereite mich mental auf einen steinigen Anstieg von knapp 150 Höhenmetern vor. Das ist nicht viel, aber ich bin heute auch schon ziemlich viel gelaufen.



          Tursti, das kling gut, das klingt nach einem entspannten Pfad. Am Anfang gibt es den auch, aber dann:



          Ja, so dachte ich mir das. Über den steinigen Ausläufer der Syltefjordhøgda sind ein paar Stangen gesteckt, irgendwo rechts davon markieren zwei, drei Steinmännchen eine andere Route und eigentlich ist es egal wo man geht. Die Richtung ist klar: hoch, rüber und runter zum Storvatnet. Hoffentlich kann man da zelten.


          der Schnee ist wenigstens fest, also angenehm zu gehen


          Blick nach NO


          Storvatnet

          Sieht eigentlich ganz gut aus. Am See gibt es einige Vegetationsflecken, da wird sich was finden lassen.


          rechts die kleine Landzunge zum Beispiel

          Die steuere ich an, und sie ist tatsächlich perfekt. Feierabend um 17:00 Uhr. Nach dem Zeltaufbau muss ich mich noch im eisigen Wind waschen, auch die Haare, die habe ich gestern ausgelassen. Während ich zum Aufwärmen meinen Kaffee schlürfe, kommt die Sonne durch und der Wind lässt nach. Hätte einfach ne Stunde warten sollen, dann wär das Waschen nicht so biestig gewesen.




          noch mal mit Syltefjordhøgda

          Das war heute ein interessanter Wechsel von der offenen Hochebene durch das liebliche Tal zum Fjord … bis zu diesem Vegetationsfleck in der Geröllwüste. Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich diese landschaftlich abwechslungsreiche Route genommen hab, statt mich den ganzen Tag durch Geröll und Schnee über das Båtsfjordfjell zu quälen.

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          • evernorth
            Fuchs
            • 22.08.2010
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            #25








            Ein wirklich sehr schöner Zeltplatz. Gefällt mir ausgesprochen gut. 😎
            Hach…..bald. 😊

            My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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            • Ljungdalen

              Alter Hase
              • 28.08.2017
              • 3366
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              #26
              Cool.

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              • Borgman
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                • 22.05.2016
                • 795
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                #27
                evernorth, Ljungdalen : Danke! Hat sich dann so ergeben, dass ich einmal um den See herum gelaufen bin, und da gab es keine zweite Stelle, die auch nur halbwegs gegangen wäre. Glück gehabt . Hier geht es wahrscheinlich heute noch weiter...

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                • Borgman
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                  • 22.05.2016
                  • 795
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                  • Meine Reisen

                  #28
                  Sonntag, 12. Juni: Ytre Syltefjord

                  Ich habe Gesellschaft bekommen am Storvatnet. Hu – uuuu schallt es kraftvoll über den See. Das sind doch … sind das nicht … ich öffne den Zelteingang. Ja genau, Eiderenten. Kurze Zeit später höre ich einen anderen unverwechselbaren Ruf: au – aua – aua-A-ULI. Die quirligen Eisenten sind das genaue Gegenteil der geselligen, entspannten Eiderenten. Anscheinend können sie nie still sein, immer haben sie etwas miteinander zu verhackstücken. Sie schaffen es nicht mal, für das Foto einen Moment nett in die Kamera zu lächeln.


                  gechillte Eiderenten ...


                  auf dem Schnee chillt man noch besser - und eine vorbei sausende Eisente


                  leider kaum zu erkennen: drei davon im Flug

                  Auf der anderen Seeseite steht ein orangefarbenes Zelt. Hier ist wirklich viel los am Sonntag. Heute ist Wind und Wetter angesagt, ein paar Schauer hat es auch schon gegeben, aber um neun scheint die Sonne aufs Zelt. Also packe ich nach dem Frühstück sofort zusammen und breche um zehn auf. Man weiß ja nicht, was noch alles kommt. Ein kräftiger, ungewohnt warmer Wind weht aus Süden ... T-Shirt-Wetter. Teils über Geröll, teils auf Schnee oder Vegetation laufe ich am nördlichen Seeufer zum Abfluss und bleibe dann auch links vom Bach. Auf der Karte sieht es so aus, als gäbe es einen Pfad, der den Bach zweimal quert, aber das ist reine Phantasie.


                  Blick zurück: Storvatnet


                  Blick Richtung Syltefjord-Sandfjorden … da will ich hin



                  Allmählich komme ich hinunter zum Meer. Interessant sind die alten Küstenlinien aus abgerundeten Steinen am Hang. Hier hebt sich offensichtlich das Land, wogegen es in Westnorwegen bekanntlich sehr langsam im Meer versinkt.


                  Syltefjord-Sandfjorden

                  Über die wild schäumende Sandfjorddalselva gibt es zum Glück eine stabile Brücke, sonst hätte ich vermutlich schon hier das Packraft gebraucht. Dahinter komme ich in die verlassene Siedlung Ytre Syltefjord. Neben Holzhäusern in unterschiedlichen Stadien des Verfalls, von manchen sind nur noch die Fundamente übrig, stehen hier zwei Hütten. Eine etwas ältere, einfache, und eine neue, die ziemlich komfortabel aussieht. Hier will ich meinen Rucksack stehen lassen, wenn ich zu den Vogelfelsen laufe. Allerdings ziehen da sehr dunkle Wolken auf, der Wind dreht auf West und legt noch mal zu. Ich sollte besser das Zelt aufbauen. Das wird ungemütlich.


                  Ytre Syltefjord


                  Sandfjorddalselva



                  Beim Zeltaufbau gegen 12:00 Uhr sehe ich auch die beiden Zelter vom Storvatnet, allerdings bin ich höher am Fluss, so dass wir uns nicht treffen. Sie werden das aufziehende Wetter auch bemerkt haben, denn als ich Wasser hole sind sie weg. Ungemütlich war eine treffende Prognose. Mit dem ersten heftigen Regenschauer wird es richtig kalt, und es folgen noch weitere Schauer, während der Wind am Stratospire rüttelt. Beim Mittagessen um halb drei hört der Regen auf … noch ein gemütlicher Kaffee … dann sollte ich langsam aufbrechen. So richtig Lust auf Geröllwüste im kalten Wind habe ich zwar nicht, aber Syltefjordstauran will ich unbedingt sehen.

                  Das Zelt wird eingepackt und bleibt zusammen mit dem Rucksack an der älteren Hütte liegen. Zur Sicherheit schreibe ich einen Zettel, wann ich wieder zurück bin. Falls doch noch jemand kommt.


                  hier erkennt man schön die alten Küstenlinien

                  Tatsächlich ist das Geröll gar nicht so unangenehm wie befürchtet. Es läuft sich ganz passabel. Gegen den kalten Wind habe ich Mütze und Handschuhe an.


                  Steinwüste


                  Blick zurück

                  Schon nach einer knappen Stunde bin ich über den Berg 204m und stehe an der Steilküste. Und dann habe ich doch tatsächlich wieder Glück: in dem Moment reißen die Wolken auf. Nicht lange - nur für eine Viertelstunde baden die Klippen in der Sonne. Ich bin glücklich. Weder Fotos noch Worte können diesen Moment beschreiben. Tief unten kreisen die Basstölpel vor dem Brutfelsen über dem Meer. Diese eleganten Vögel mochte ich schon immer besonders gerne.


                  Syltefjordstauran


                  und noch mal als Panorama


                  Basstölpel-Kolonie

                  Vorsichtig gehe ich am steilen Hang nach Süden bis er senkrecht abbricht. Von hier ist der Blick auf den Tölpel-Felsen besser.





                  Seltsam nur, dass an dieser Stelle fast keine anderen Vögel sind. Bestimmt gibt es mehr, die Steilküste zieht sich ja noch etliche Kilometer weiter bis zum Makkaur-Sandfjord. Eigentlich würde ich da gerne noch hin. Aber das müsste ich morgen machen, und ein deutliches Gefühl sagt mir, dass ich den Tag unbedingt nutzen sollte, um auf die andere Fjordseite zu kommen. Auch gut. Man muss auf seine Intuition hören.


                  Blick nach Osten über den Syltefjord

                  Beschwingt und zufrieden laufe ich gegen den Wind zurück nach Ytre Syltefjord. Der Abstecher hat sich auf jeden Fall gelohnt. Diesmal folge ich einer mit Steinwarten markierten Route, die näher an der Küste verläuft. Besser zu laufen ist sie nicht, nur der Blick ist schöner.



                  Gegen halb sieben bin ich zurück am Rucksack, hole noch Wasser aus dem Bach und gehe am Strand ein kleines Stück nach Osten. Hinter dem ersten Tümpel gibt es schöne Grasflächen, bevor es wieder krautig wird. Noch in Sichtweite der Hütte, aber da ist ja niemand. Ein Nachteil des Stratospire: bei Wind lässt es sich schwieriger aufstellen als z.B. das Akto. Wenn es dann steht, das muss man ihm lassen, steht es absolut sicher.



                  Austernfischer sind hier meine einzige Gesellschaft. Mich wundert ein bisschen, dass es kaum Möwen oder Küstenseeschwalben gibt. In Gedanken füge ich noch einen Wunsch zu meiner Liste hinzu und hake ihn gleich ab: einmal direkt am Meer zelten. Ein weiterer Höhepunkt, nach der Katzenwäsche, zusammen mit dem Kaffee ist das erste Kvikk Lunsj. Mmh … hatte schon fast vergessen wie überirdisch lecker das schmeckt.


                  später am Abend kommt noch mal kurz die Sonne durch – Blick aus dem Zelt






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                  • Borgman
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                    #29
                    Montag, 13. Juni: Austerdalen

                    So, da bin ich also. Ytre Syltefjord. Mein kühner Traum war es, von hier bei sanftem Nordwestwind mit dem Packraft über den Fjord zu schippern. Was bestimmt nicht unmöglich ist, aber doch wenig wahrscheinlich an der rauen Varangerküste. Heute Morgen weht immer noch ein kräftiger Wind aus West bis Südwest. Völlig ausgeschlossen, dass ich mich aufs Meer traue. Bleibt nur die langweilige Variante: zurück wie ich gekommen bin und die Syltefjordelva an der Mündung queren.

                    Aufbruch um 06:10 Uhr. Diesmal wähle ich, um wenigstens ein bisschen Abwechslung in die Tour zu bringen, eine südlichere Route zum Storvatnet und umrunde den See ebenfalls südlich. Das ist weder besser noch schlechter als die Route von gestern. Nur dass ich jetzt einen eiskalten Wind von vorne habe.


                    Ytre Syltefjord – rechts die neue Hütte, hinten in der Mitte die ältere




                    leider habe ich sie aufgeschreckt




                    Syltefjord-Sandfjorden


                    Storvatnet


                    fast geschafft – Blick Richtung Syltefjorddalen


                    Nordfjord

                    Gute zwei Stunden brauche ich für die Strecke zurück nach Nordfjord und stelle gleich am Bach, bevor die Straße beginnt, das Zelt für die Frühstückspause auf. Hehe, um diese Zeit frühstücken auch normale Leute. Danach sortiere ich schon mal die Sachen, die ich später zum Paddeln brauche, damit ich im Wind nicht den ganzen Rucksack ausräumen muss. Ab zehn laufe ich ziemlich genau eine Stunde auf der Straße bis Vesterelv zur Flussmündung … ziemlich flott, damit mir warm wird. Es ist Niedrigwasser, das könnte ein Vorteil sein.


                    Vesterelv – am Hang auf der anderen Seite soll die Tour weitergehen

                    Zuerst suche ich mir eine gute Stelle zum Einsetzen, wo die Strömung nicht zu stark, das Wasser aber auch nicht zu flach ist. Hier ist der Fluss ziemlich breit, hat aber immer noch starken Druck. Zur Not, wenn es mit dem Anlegen nicht klappt, lasse ich mich mit dem Strom noch ein Stück an der Landzunge entlang treiben. Die erste Herausforderung ist, dass nichts wegfliegt: Blasesack, Sitzkissen und vor allem nicht das aufgeblasene Packraft. Der Wind ist biestig. Flugbootwetter (wer es noch nicht kennt: Klick). Also schnell beladen, Foto machen und rein ins Wasser.



                    Im Hauptstrom muss ich kräftig paddeln, um auf die andere Seite zu kommen. Aber es gelingt, wenn auch nicht sehr elegant. Ich habe so viel Fahrt, dass ich unsanft auf die Steine am Grund rutsche. Prima, so kann ich bequem aussteigen ohne das Boot festhalten zu müssen. Das hat doch wunderbar geklappt.



                    Zum Trocknen binde ich das Packraft an eine Birke, stelle es auf die Seite und setze mich dahinter für eine halbe Stunde in den Windschatten. Mein Ziel für heute ist Austerdalen, wo wieder ein Fluss zu queren ist. Bis da hin sollte man eigentlich ganz entspannt am Fjordufer entlang gehen können.

                    Jaa, fast. Am Anfang geht es tatsächlich entspannt auf Rentierpfaden bist zum Bächlein Jonnejohka.


                    Bootsanleger Jonjok


                    viele Blumen am Fjordufer, hier Reinrose (weiße Silberwurz)


                    Mauern … gab es mal eine Siedlung an der Jonnejohka?



                    Das Bächlein von vielleicht 5 Kilometern Länge erweist sich als ausgewachsenes Hindernis. Es ist nur an der Mündung überhaupt furtbar, und selbst da muss ich mich Schritt für Schritt gegen den Druck vorarbeiten. So viel Schmelzwasser aus einem ganz kleinen Tal! Wie soll das erst im Austerdal oder morgen im Sandfjorddal werden? Da muss ich doch ständig Bäche queren. Abseits vom Fjord hilft mir das Packraft überhaupt nicht.

                    Bevor ich die Wanderstiefel nach der Furt wieder anziehe, mache ich erst mal Mittagspause. Jetzt kommt auch die Sonne durch und der Wind flaut etwas ab. Zumindest so viel, dass man nicht mehr alle Sachen festhalten muss. Um 15:00 Uhr geht es weiter am Fjord entlang. Die Strecke in Bildern:




                    Stengelloses Leimkraut


                    wieder Reinrose


                    Oternesan


                    eine Spitzkiel-Art vielleicht??




                    Syltefjorden


                    Austerdalen in Sicht




                    ist das Kunst oder kann das weg?

                    Austerdalen heißt nicht nur das Tal, sondern auch eine Paar-Häuser-Siedlung auf dem riesigen Strand aus grobem Kies. Bestimmt hat sie was mit Rentierhaltung zu tun. Ich will den Fluss natürlich gleich hier queren, die Mündung ist auf der anderen Seite der Bucht.


                    da hinten irgendwo … zu sehen ist nichts


                    da ist sie – definitiv nicht furtbar

                    War ja klar. Das Boot ist schnell aufgeblasen, und diesmal bekommen ich auch eine sanfte Landung auf der anderen Seite hin. Sehr schön. Wieder mache ich eine halbe Stunde Pause, wechsele die Karten, rauche eine und frage mich derweil, wie man auf dieser Talseite wohl voran- und am besten zum Sandfjorddal hinüberkommt. Bestimmt nicht ganz am Ende, das läuft sehr schmal aus. Irgendwo im südlichen Drittel vermutlich. Über die Berge.


                    sanfte Landung am Ostufer


                    Mündung der Austerelva


                    Furten ist auch in der Ebene keine Option

                    Als ich weitergehe, sind schon wieder Wolken aufgezogen. Wie vermutet gibt es auch im Austerdal Rentierpfade, denen man einfach folgen kann. Bald sehe ich sie auf der anderen Seite des Flusses, da stehen sie und schlagen sich genüsslich die Bäuche voll. Ähnlich wie im Syltefjorddal ist auch hier die Vegetation vergleichsweise üppig, es gibt nur weniger Wald.


                    Austerdalen …


                    und seine Bewohner – es sind geschätzt hundert Rentiere auf dem Foto


                    später im Sommer kann man hier bestimmt furten

                    Mir gefällt dieses offene, freundliche Tal sehr gut. Laut Karte überschreite ich bei einer Hütte die Grenze zum Varangerhalvøya Nationalpark. Das müsste dann wohl diese sein, sie hat ihre beste Zeit allerdings auch schon hinter sich:






                    wieder Rentiere

                    Gleich danach treffe ich auf den Bach aus dem Steinelvdal, den ich etwas oberhalb über eine Schneebrücke queren kann. Hier gibt es eine reiche Auswahl perfekter Zeltstellen auf Krähenbeerenheide. Ich wäre blöd, wenn ich daran vorbei gehen würde. Morgen ist auch noch ein Tag, und es dürfte sogar ein besonders spannender werden.


                    stabile Schneebrücke


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                    • Borgman
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                      • 22.05.2016
                      • 795
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                      #30
                      Dienstag, 14. Juni: Sandfjorddalen

                      Diesen Tag will ich gut nutzen, denn er soll laut Vorhersage (von gestern) bis zum Abend trocken sein. Nach einem schnellen Kaffee packe ich also sofort zusammen und bin um halb sieben unterwegs.

                      Mein Ziel ist die Telegrafhytta im Sandfjorddal, ungefähr 12 Kilometer Luftlinie östlich der Berge, die hier ziemlich steil zum Austerdal abfallen. Die direkte Route über Øver-Tavla interessiert mich aber gar nicht. Ich möchte lieber mehr von der Landschaft sehen, besonders vom Sandfjorddal. Mein Plan, nachdem ich gestern am Abend eingehend die Karte befragt habe, ist folgender: Richtung Süden starten, dann südöstlich über den Berg zum Sandfjorddal und an dessen oberer Kante entlang über den Heastačielgi-Rücken zur Hütte. Realistisch geschätzt werden das an die 20 Kilometer, weglos unter unabsehbaren Bedingungen, jedenfalls was Schnee und Geröll betrifft.

                      Für ein paar Kilometer laufe ich noch das hübsche Tal hoch, das ab jetzt immer enger wird. Dazu weht ein kalter Nordwind, nur selten zeigt sich die Sonne.


                      Austerdalen um 06:30 Uhr


                      Blick zurück – der Talgrund besteht aus mehr oder weniger nassen Wiesen …


                      auf denen Rentiere weiden




                      Mariedalen, eines der engen Seitentäler


                      südliches Austerdalen

                      Nach einer Stunde mache ich am Bach aus dem scharf eingeschnittenen Sløkholmdal eine kurze Pause. Ich muss sowieso die Stiefel ausziehen, um ihn zu queren. Den Hang südlich vom Bach habe ich für den Aufstieg ausgesucht. Recht steil schnaufe ich die ersten 180 Höhenmeter hoch, dann verflacht sich der Hang und es wird steiniger.


                      Sløkholmdalen




                      Austerdalen


                      über mir kreist ein Raubvogel – das könnte ein Steinadler sein


                      Blick nach Westen


                      schon etwas höher

                      Geröll von der angenehmeren Sorte. Auch die Schneefelder sind gut zu gehen. Fest bis zu den Rändern. So laufe ich eine ganze Weile, immer nur den breiten, sanft ansteigenden Hang vor mir. Entfernungen sind hier schwer zu schätzen, und ich weiß auch nicht genau, an welcher Stelle ich den Berg überschreite. Irgendwo um den Punkt 405m herum muss es sein. Jetzt wird endlich der Blick nach Südosten frei. Das ist gleich ein ganz anderes Gefühl, wenn man sieht, wohin man läuft.


                      nur der Blick zurück hilft zur Orientierung


                      meine Laufrichtung



                      Das da hinten muss Sandfjorddalen sein. Ein langes, sehr schmales Tal, das mit seinen zahllosen Seitentälern eine gigantisches Hochland durchschneidet. Die faszinierende, aber auch einschüchternde Weite der Varangerhalbinsel. Hier ist man als einzelner kleiner Mensch ziemlich verloren.



                      Nach meinem Plan muss ich mich jetzt nach Ost-Südost halten, bis ich direkt ins Sandfjorddal runter gucken kann. Auf dieser Bergseite ist der Schnee weicher. Die Stiefel sinken viel tiefer ein bei jedem Schritt, manchmal sackt der Schnee auch unter ihnen weg. So geht es langsamer und anstrengender. Die Strecke zieht sich ... hätte nicht gedacht, dass es noch so weit ist. Außerdem bin ich schon drei Stunden unterwegs, ich bräuchte wirklich dringend mein Frühstück.


                      Blick nach NO – inzwischen kommt öfter die Sonne durch


                      schon näher am Sandfjorddal

                      Nicht nur der Schnee, auch das Geröll ist hier wesentlich unangenehmer. Als ich endlich einen Vegetationsfleck mit Schmelzwasserbach für die Pause gefunden habe, stelle ich fest, dass ich zu weit nach Süden abgedriftet bin. Direkt gegenüber ist nämlich ein größeres Seitental, eindeutig Juovkkaidávži. Der Grund dämmert mir jetzt auch … ich habe mich nach dem Sonnenstand und der Uhr orientiert, aber Varanger liegt schon so weit östlich, dass die Uhr eigentlich mindestens auf osteuropäischer Zeit stehen müsste, damit es funktioniert. Wie blöd, daran habe ich nicht gedacht. Wir sind hier doch sogar schon etwas östlicher als St. Petersburg.




                      Juovkkaidávži gegenüber

                      Richtig sonnig wird es in der langen Pause von 10:10 bis 12:00 Uhr. Wärmt mich schön auf, bedeutet aber auch mehr Strahlung, also stärkere Schneeschmelze. Was mir bisher noch gar nicht in den Sinn kam, aber jetzt als Frage aufploppt: sind ab der Telegrafhytta überhaupt alle Seitenbäche furtbar? Bei der ungeheuren Wassermenge, die da unten aus allen Richtungen zusammenkommt? Besonders Orošjohka sticht mir ins Auge, gleich nach der Hütte. Was, wenn meine Route eine Sackgasse ist? Das Packraft wäre nur dann hilfreich, wenn ich in einer total abgelegenen, unzugänglichen Gegend bereit wäre für ein Wildwasserexperiment. Bin ich nicht.

                      Planänderung. Ich vermute, dass Orošjohka viel weiter oben, zwischen den Punkten 266m und 256m zu furten ist, da verzweigt sie sich laut Karte mehrfach. Diese Stelle will ich also ansteuern. Meine neue Route führt erst mal kilometerlang durch nassen Schnee, teils fester, teils weich, selten brüchig.


                      die Möwe wundert sich auch über den seltsamen Wanderer


                      Blick zurück

                      Weiter nordöstlich und etwas tiefer ist der Schnee schon fast weggeschmolzen – eine nasse Ebene aus Bächen, überschwemmter Vegetation, Schneesumpf und brüchigen Schneeresten.








                      endlich: Orošjohka



                      Der Abstieg ins Tal führt über zum Glück griffigen Schnee. Wild strömendes Wasser füllt den ganzen Talgrund aus. Scheint aber nicht sehr tief zu sein, das könnte klappen. Ich suche mir eine Route aus, wechsele in Sandalen und Neoprensocken, Regenhose über die Knie gekrempelt. Der Hauptstrom zeigt mit gleich, wer der Stärkere ist. Bevor er mir die Beine wegdrückt weiche ich zurück und suche mir eine andere Stelle flussabwärts. Was von oben eindeutig aussah, ist mitten drin verwirrend. Hier fließt Wasser zusammen ... dort teilt es sich, ist aber zu tief … ein Stück weiter geht es mit Konzentration und kleinen Schritten. Etwas mehr als knietief. Der zweite Hauptstrom - warum gibt es jetzt plötzlich einen zweiten? - sieht auch ernst zu nehmen aus, ist aber nur knapp knietief, was einen deutlichen Unterschied macht. Trotzdem, der Druck ist mächtig.


                      talaufwärts vor der Furt


                      hinten meine Abstiegsroute … rückblickend die einzig mögliche Stelle


                      talabwärts nach der Furt

                      Glücklich auf der anderen Seite und wieder in Wanderstiefeln, sehe ich das nächste Hindernis. Der Hang da vorne geht anfangs noch, ist mir aber im weiteren Verlauf zu steil. Sogar die Rentierpfade hören da auf, und die können besser klettern als ich. Nee, da steige ich lieber gleich hier hoch und laufe über den Hügelrücken zurück ins Tal.


                      also da hoch? … hmm … okay … ?

                      Von oben habe ich immerhin einen prachtvollen Blick auf meine Route. Sehr cooles, wildes Tal!




                      mein Lieblingsfoto - funktioniert auch in s/w


                      auf dem Hügelrücken läuft es sich prima


                      ein Seitental


                      da geht es zurück ins Orošjohka-Tal

                      Ab hier sollte es möglich sein, immer am Hang zu laufen. Erst mal Mittagspause, von halb drei bis vier. Wolken ziehen auf, der Wind wird deutlich kälter. Es regnet ein bisschen. Hoffentlich wird das nicht mehr.





                      So geht es danach weiter talabwärts. Schneefelder, dann ein Stück am Hang, ab und zu eine etwas steilere Stelle. Insgesamt problemlos. Meist gibt es einen Rentierpfad. Ziemlich genau eine Stunde brauche ich für die zweieinhalb Kilometer bis zum Sandfjorddal. Direkt gegenüber steht verlockend die Telegrafhytta. Sieht sehr nett aus, da würde ich gerne die Nacht verbringen. Geht aber nicht. Hier würde ich auf keinen Fall furten.


                      hier mündet die Orošjohka in die Sandfjordelva


                      Telegrafhytta: unerreichbar für mich …


                      aber nicht für die Falkenraubmöwe

                      Will auch nicht in Sichtweite der Hütte zelten, davon bekäme ich in Wind und Wetter nur schlechte Laune. Also wende ich mich nach Norden und stoße schon nach einem halben Kilometer auf das nächste Hindernis, nämlich ein steiles Schneefeld, das von oben bis zum Fluss keine sanfter geneigte Stelle zu bieten hat. Nicht mal den ersten Schritt wage ich, obwohl es eigentlich möglich sein sollte.


                      da, genau in der Mitte – der Hang links und das erste Schneefeld sind kein Problem …


                      das zweite ist mir zu steil

                      Was tun? Hier zelten und das Problem auf morgen verschieben? Gehe ein Stück zurück, gucke nach geeigneten Zeltplätzen. Dabei ist mir dann auch nicht wohl. Nee, diese Stelle will ich heute noch überwinden. Nur wie? Nach oben hin wird der Schnee noch steiler. Eine Weile stehe ich ratlos in der Gegend herum. Vom Orošjohka-Tal kann man da schon irgendwie aufsteigen. Ach, scheiß drauf! Ich will da hoch, hier und jetzt. Nur nicht runtergucken, nicht einen einzigen Blick. Saubere Stufen in den Schnee treten. Ruhe bewahren.


                      grenzwertig … und das am Ende eines sowieso schon ausgefüllten Tages


                      Blick zurück, hinten rechts die Hütte


                      Blick voraus, das sieht machbar aus

                      Ich steige sogar so weit auf, gut 100 Höhenmeter, dass ich die steile Stelle am Hang hinter dem Schneefeld gar nicht bemerke. Bis zur nächsten Ebene im Sandfjorddal lässt es sich dann ohne Schwierigkeiten absteigen. Uff! Auf dem erstbesten zugigen Hügel stelle ich das Zelt auf. Es ist kalt. Ich bin müde. Aber auch äußerst zufrieden. Nicht nur, dass ich die psychologisch schwierige Stelle geschafft habe, sondern auch mit dem ganzen Tag.



                      Am Abend ziehen zwei Adler ihre Runden über dem Tal, mehrere Goldregenpfeifer rufen sich gegenseitig zu, und ein Singschwan-Paar schaut auch noch vorbei. Eigentlich ein idyllischer Platz. Nur der eiskalte Nordwind macht mir ein bisschen zu schaffen. Es wird nicht richtig warm im Zelt, selbst als nach dem Kaffeekochen der Brenner noch eine Weile läuft. Vielleicht ist das Stratospire doch etwas zu luftig für dieses Wetter.

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                      • vobo

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                        #31
                        Toller Tag! Sieht auf dem Foto gar nicht so steil aus das zweite Schneefeld, aber live dann bestimmt doch. Gut dass Du es oben umgehen konntest.
                        War Deine Quilt-Konstruktion nicht warm genug? Aber klar, gegen starken kalten Nordwind ist das Stratospire vermutlich ein nur schwacher Schutz.

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                        • evernorth
                          Fuchs
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                          #32
                          Nun war ja die Campstelle auch recht ausgesetzt und exponiert und somit dem Wind voll ausgesetzt.
                          Ich mag ja solche Plätze, die etwas gegen die Logik und Vernunft gewählt werden.
                          Ich bin begeistert. Traumhafter Ausblick bestimmt von dort oben. 🤩
                          My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                          • Borgman
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                            • 22.05.2016
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                            #33
                            vobo : Nein, so steil war es auch nicht. Das Schneefeld, über das ich aufgestiegen bin, war steiler, aber es lief unten flacher aus. Das ist der Punkt: ab einem bestimmten Neigungswinkel habe ich ein psychologisches Problem damit, ein Schneefeld zu queren, das unten in einen Fluss oder Steilhang abbricht, selbst wenn es technisch machbar wäre.

                            Mit dem Quilt ging es dann, ich meinte wirklich nur das Zelt. Beim Soulo, mit dem ich etliche Touren zu allen Jahreszeiten gemacht habe, ist der Raum viel kleiner und das Außenzelt geht ganz bis zum Boden, ähnlich beim Akto. Was für wesentlich schlechtere Belüftung sorgt und Kondenswasserbildung fördert, hat aber auch hat einen Vorteil: der kalte Wind bleibt draußen, im Zelt wird es auch bei ungemütlichem Wetter schnell warm. Jede Bauweise hat eben ihre Vor- und Nachteile. Nächstes Mal nehme ich eine Daunenjacke mit.

                            evernorth : Schöner Blick aus dem Zelt, ja, auch wenn der Hügel gar nicht so hoch war, wie es vielleicht aussieht. Trotzdem natürlich exponiert. Die Wiesen drum herum waren einfach viel zu hubbelig, und weiter wollte ich wirklich nicht gehen. Dann bin ich gespannt, welche Plätze wider die Vernunft du jetzt in Island findest, wenn du sie so magst

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                            • Borgman
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                              • 22.05.2016
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                              #34
                              Mittwoch, 15. Juni: Ytre Syltevika

                              Mit einem Extrapulli und Wanderhose unter dem Quilt wurde es dann warm, aber trotzdem fand ich es zugig im Zelt. Für diese Nacht hätte ich mir wirklich das Akto gewünscht. Am Morgen regnet es bei 4°C, Wind konstant aus Nord. So stark ist der auch wieder nicht. Es solte eigentlich kein Problem sein, das Stratospire so anzupassen, dass das Außenzelt zumindest an einer Seite nah am Boden fixiert ist. Brauche nur zwei kürzere Stangen für eines der Pitchlocs und kleinere, unelastische Schlaufen für zwei Ecken. Werde ich zu Hause ausprobieren.



                              trübes Wetter am Morgen

                              Ich frühstücke um neun, warte noch einen Schauer ab und stelle mich ab zehn dem nasskalten Wind da draußen. Was für ein Glück, dass ich den Tag gestern bei trockenem Wetter und guter Sicht voll ausgenutzt habe. Die ersten beiden Kilometer läuft es sich sehr einfach am Hang, dann stoße ich auf zwei Seitentäler hintereinander - mit jeweils einem schönen Schmelzwasserbach. Den ersten kann ich ein Stück oberhalb auf einer Schneebrücke queren, den zweiten gerade noch so mit Stiefeln. Hier verlasse ich auch schon den Nationalpark.


                              drei Singschwäne einträchtig zusammen sind vermutlich Junggesellen


                              Nationalparkgrenze


                              vertrauenswürdige Schneebrücke am ersten Bach

                              Mittlerweile hat der Sprühregen aufgehört. Am Rundhaug entlang gibt es schon einen deutlich ausgetretenen Pfad bis zum Bach aus dem Gunnargamdal. Schon mit Blick auf die Karte war klar, dass dieser ein Hindernis sein würde. Gut: an dieser Stelle teilt er sich in mehrere Arme. Schlecht: sie sind alle einzeln von Schneewänden eingefasst.





                              Nach kurzer Suche finde ich eine Stelle, wo man zum Bach runter kommt und probiere es. Etwas mehr als knietief mit kräftiger Strömung, aber es gelingt beim ersten Versuch. Einmal entspannt ausstrecken im Windschatten bitte, nachdem die Füße getrocknet sind. Das war die letzte Furt! Ab jetzt ist es nur noch ein Kilometer bis zur Straße.


                              Sandfjordelva, links die Straße

                              Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich vorerst genug habe von schneebedeckten Bergen und morgen lieber ein Stück Straße laufe. Deshalb habe ich genügend Zeit übrig, um die gut 5 km hin und dann wieder zurück zum Syltefjord zu gehen. Ein breit ausgetretener Pfad führt durch teils nasses Gelände zum Syltevikvatnet und weiter bis zur Küste.


                              Syltevikvatnet

                              Aber zuerst brauche ich was zu Essen, mit Kaffee natürlich. Den See lasse ich hinter mir und baue etwas oberhalb vom Pfad am Bach aus dem Kristenvatnet das Zelt auf. Vielleicht bleibe ich sogar hier, das ist kein schlechter Platz. Am Tümpel unten brütet ein Singschwanpaar. Bei all den Schwänen hier ist es das erste Nest, das ich tatsächlich sehe. Wetter zieht auf:



                              Mit ca. 6°C ist es nicht viel wärmer als am Morgen, auch bin ich hier wieder ziemlich exponiert. Nee, für die nächste Nacht soll es ein geschützter Platz sein. Als der Regen nachlässt, bleibt das Zelt stehen, und ich gehe hinüber zur Bucht, ytre Syltevika. Irre Landschaft hier ... aber auch ganz schön windig. Unten steht eine einzelne Hütte, die wohl ein neues Dach bekommt. Ich laufe zwischen den Felsen ziemlich steil hoch und runter noch ein Stück nach Westen und dann zurück zum Zelt.


                              ytre Syltevika






                              Syltefjordstauran in der Ferne


                              Reinrose

                              Mit diesem schönen Abstecher könnte die zweite Tour eigentlich vorbei sein. Angesichts der starken Schneeschmelze bin ich glücklich, dass ich es überhaupt bis hier geschafft habe und nicht vorzeitig umkehren musste. Ja, es war viel zu früh im Sommer für diese Gegend, ist ja kalendarisch sowieso noch Frühling, das wusste ich vorher. Dafür hat doch alles ziemlich gut geklappt. Punkt 3 auf meinem Plan, nicht absaufen, betrachte ich als erfolgreich abgehakt. Bleibt Punkt 2: zurück von Vardø. Über die Berge will ich nicht, da sind auch noch zu viele Flüsse im Weg. Also Straße. Die Frage ob Laufen oder Autostopp verschiebe ich auf morgen.


                              Varangerhalvøya nasjonalpark


                              meine Tour, grob eingezeichnet … den Vogelschiss bitte ich zu entschuldigen

                              Heute brauche ich nur noch einen geschützten Platz für die Nacht und habe mir auch schon einen ausgesucht. Etwa 8 km von hier, eine Flussschleife direkt vor den ersten Häusern. Die ist auf der Karte grün … und grün heißt Wald und Wald heißt Windschutz. Meistens. Bin schon sehr gespannt, wie an der Sandfjordelva ein Wald aussieht.


                              für wenige Kilometer geht es am Fluss entlang



                              Er besteht aus zwei bis drei Meter hohen Weiden, dicht an dicht. Anscheinend Wollweiden … wusste nicht, dass die so hoch werden können. Nach kurzer Suche finde ich einen Durchschlupf zum Fluss und bald auch eine passende Stelle für das Zelt. Perfekt! Hier ist viel weniger Wind als auf der offenen Fläche vor den Weiden. Genau der geschützte Platz, den ich mir gewünscht hatte. Zu mehr als einer gründlichen Katzenwäsche mit dem Waschlappen kann ich mich trotzdem nicht durchringen.


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                                Fuchs
                                • 18.06.2014
                                • 1968
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                                • Meine Reisen

                                #35
                                Brrr, mir wird vom Bilder angucken schon kalt, bin froh, dass Du in dem kuscheligen Weidenwald gelandet bist. Wäre für mich viel zu schwierig und zu rau, umso mehr freue ich mich, dass ich vom Sofa aus mitreisen darf!

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                                • Borgman
                                  Dauerbesucher
                                  • 22.05.2016
                                  • 795
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                                  • Meine Reisen

                                  #36
                                  Blahake : schön, dass du mitkommst, trotz der rauen Bedingungen. Bei solchem Wetter können es die Fotos dann auch nicht mehr rausreißen – sie wirken wahrscheinlich wenig einladend. Die nächsten beiden Tourtage werden eher noch ungemütlicher. Da habe ich selbst für Varanger-Verhältnisse ungewöhnlich kühle Tage erwischt. Andererseits muss man dort auch im Juli und August damit rechnen, und wenn es drauf ankam hatte ich doch immer Glück mit dem Wetter. Hat also alles gepasst.

                                  Was ich zu schreiben vergessen habe: in dem Weidenwald wimmelte es von fröhlich zwitschernden Vögeln. Da kann man einfach nur gute Laune haben.

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                                  • Ljungdalen

                                    Alter Hase
                                    • 28.08.2017
                                    • 3366
                                    • Privat

                                    • Meine Reisen

                                    #37
                                    Zitat von Borgman Beitrag anzeigen

                                    meine Tour, grob eingezeichnet … den Vogelschiss bitte ich zu entschuldigen
                                    Klar, ist doch stylish

                                    Was sind das eigentlich für Hütten in der Mitte des Parks (Helheim, Heimdal, Ragnarokk - was'n Name!, Bjørnskardhytta)? Norgeskart und ut.no "kennen" die zwar, wenn man weit genug reinzoomt, aber keinerlei weitergehende Info bspw. auf ut.no, wo ja sonst auch oft Info über Nicht-DNT-Hütten gibt. Ist irgendwas bekannt?

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                                    • Borgman
                                      Dauerbesucher
                                      • 22.05.2016
                                      • 795
                                      • Privat

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                                      #38
                                      Was die Namen betrifft, würde ich sagen: da hat jemand zu viele Thor-Filme geguckt . Nordische Mythologie jedenfalls. Die Hütten sind wohl vor dem 2. Weltkrieg für den Bau einer Stromleitung zwischen Ordo (Oarddojávri) und Komagvær errichtet worden. Deshalb nennt man sie liniehyttene. Die Leitung gibt es nicht mehr, aber die Hütten sollen offen und allgemein zugänglich sein.

                                      Der verneplan von 2006 sagt nur knapp: „Diagonalt over området ligger det gamle linjehytter (etter en tidligere kraftlinje), disse står stort sett åpne for allmennheten.“

                                      Und in der Broschüre der Nationalparkverwaltung liest man: „Flere av linjehyttene ble bygget før 2. verdenskrig, for å gi husly til linjearbeiderne og hestene deres, og var skjulesteder under partisanernes kamp mot okkupasjonen av Finnmark. Mellom Komagdalen og Ordo finner du fire åpne linjehytter. Linjehytta Helheim er lettest tilgjengelig sommerstid fra Ordo. En femte hytte, Telegrafhytta, ligger nordøst i Sandfjorddalen.“


                                      https://www.nasjonalparkstyre.no/upl...M-1137_web.pdf

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                                      • Ljungdalen

                                        Alter Hase
                                        • 28.08.2017
                                        • 3366
                                        • Privat

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                                        #39
                                        Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                        „Diagonalt over området ligger det gamle linjehytter (etter en tidligere kraftlinje), disse står stort sett åpne for allmennheten.“
                                        Spannend, danke.

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                                        • Fjellfex
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                                          • 02.09.2016
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                                          #40
                                          Zitat von Ljungdalen Beitrag anzeigen
                                          Bjørnskardhytta.... Ist irgendwas bekannt?
                                          Eindrücke von der Hütte kannst du am Anfang des folgenden Videos gewinnen:
                                          https://www.youtube.com/watch?v=kwr9a8vMh54
                                          Nettes Ding eigentlich, und die anderen Hütten dürften ähnlich sein.

                                          @Borgman: Da habe ich dir wohl nicht ganz zu unrecht von Varanger unter diesen Umständen abgeraten. Vielen Dank, dass du für uns trotzdem das Versuchskaninchen gegeben hast.
                                          So blöd die Schneereste und hohen Flusspegel zum Wandern auch sind ... auf den Fotos macht sich das richtig schick.

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