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Vorbemerkung
Leichter soll es werden, liebe Freunde des Nordens. Leichter, und dabei so unkompliziert wie möglich. Nicht unbedingt die Tour selber, aber alles drumherum. Angefangen bei mir selber ... man soll ja immer bei sich anfangen, wenn es ans Abspecken geht, nicht wahr? Niemals – Nie! – hätte ich gedacht, dass es so einfach sein würde, 10 Kilo abzunehmen. Und so lecker. Tierische Nahrungsmittel weglassen, eine Woche Fasten und das neue, leichtere Körpergefühl richtig auskosten. Den Schwung nutzen, um noch ein paar überflüssige Pfunde loszuwerden. Das ging dann praktisch von selbst. Zum 50. Geburtstag war ich meinem Idealgewicht nahe und um etliche kulinarische Entdeckungen reicher.
Für alle Freunde pflanzenbasierter Ernährung teile ich hier auch gerne meine allerersten Erfahrungen mit veganer Tourkost, gute wie weniger gute. Einfach heißt hier: nicht selbst gedörrt oder kompliziert nach Nährwert zusammengestellt. Kein großer Aufwand. Alles in drei Läden gekauft und fertig. Details später.
Mehr Zeit und Überlegung hat gekostet, den Rest des Rucksackgewichts zu reduzieren, aber auch da bin ich schlussendlich zu einfachen Lösungen gekommen, die mir zumindest in der Theorie, vor der Tour, vertrauenerweckend schienen. UL musste es nicht unbedingt sein, nur eben leichter als sonst - ich wollte auch nicht alles neu kaufen, sondern nur die Ausrüstungsteile, bei denen der Effekt besonders groß war. Rucksack, Zelt, Kochersystem … ja, und ein paar weniger wichtige Kleinigkeiten, wo ich schon mal dabei war. Hier und da konnte ich was weglassen – oder doch nicht? Was, wenn es wirklich kalt und biestig wird? Innerhalb von drei Wochen kann viel passieren. Hmm, lieber die lange Unterwäsche wieder dazu packen. So ging es hin und her, bis eine finale Liste zusammengestellt war, die ein Startgewicht inklusive Nahrung und Brennstoff für 8 Tage von knapp 16 Kilo hatte. Damit sollte es mal gut sein. Selten hat mich Ausrüstung so umgetrieben wie in diesem Jahr. Ob sie in der Praxis funktionieren würde? Ich war gespannt.
Auch dieser Bericht darf natürlich gerne schlichter und direkter werden, wo wir schon mal beim Vereinfachen sind, aber das kann nur eine vage Absicht sein. Erfahrungsgemäß entwickelt so ein Text sein Eigenleben, wenn man ihn mal angestoßen hat. Letzter Punkt, und dann geht es endlich los, die Fotos. Und erstes Eingeständnis einer eigentlich völlig unnötigen Neuanschaffung. Ich habe mich tierisch in das neue 27mm/f2,8 Pancake-Objektiv von Fuji verknallt, das zusammen mit der X-E4 so unverschämt nach gar nix aussieht. Und doch als Reisekamera so richtig geil ist. Das war keine Vernunftentscheidung, das war pures Verlangen. Dazu stehe ich. Auch keine Vernunftentscheidung, diesmal aber reine Neugier, ist die Absicht, auf der Tour nur in Schwarz-Weiß zu fotografieren. Nein, keine Sorge, es wird auch Farbfotos geben, aber die Kamera ist immer auf Acros eingestellt, also im s/w-Modus. Ich will einfach nur wissen wie das ist … was auch in Grautönen funktioniert und was nur in Farbe und warum. Und wie viel Farbe nötig ist. Bin gerade ein bisschen übersättigt von Farbfotos.
Wer die Bilder gerne in Originalgröße sehen möchte (und auch, wie sich das kleine 27mm-Objektiv schlägt - ein anderes war nicht mit auf der Tour), kann das in diesem Album auf flickr tun.

Genug der Vorrede – los geht`s!
Saltfjellet-Svartisen und Børgefjell

11. August bis 04. September 2021
Norwegen, Nordland Fylke und Trøndelag Fylke
Vorspiel: Volker in den Wolken, mit Kniebeschwerden
Mittwoch, 11. August
Wer dringend eine ausführliche Anreisebeschreibung braucht, möge bitte jetzt die Hand heben, dann kann ich sie nachliefern. Nur so viel: Die Lufthansa hat es mir mit ihren vier Änderungen nicht leicht gemacht, daran zu glauben, dass sie mich überhaupt befördern will. Zuletzt wurde noch mal eben der gebuchte Rückflug von Trondheim nach Bodø verlegt, so dass ich ein weiteres Mal umplanen durfte. Immerhin stehe ich jetzt um 19:30 Uhr eben dort, am Flughafen von Bodø, habe Spiritus beim BM und den Rest beim Extra Bankgata gekauft und noch mehr als eine Stundefür einen Kaffee mit Zigarillo, bevor der Bus nach Halsa abfährt. Das ist gut, ich entspanne mich. Den Bus wollte ich sowieso nehmen, bevor alles anders wurde. Bevor Volker schrieb, dass er unsere gemeinsam geplante Tour absagen muss. Wie es dazu kam, beschreibt er in seinem eigenen Bericht. Ich wollte in Fykan aussteigen, eine Stunde laufen und Volker mitten in der Nacht am Weg treffen. Er hätte schon eine gute Zeltstelle ausgesucht und würde viel von seinen aufregenden Tagen über dem Nordfjord und dem waghalsigen Abstieg ins Fonndal erzählen. So hatten wir uns das ausgemalt. Dann würden wir zusammen bei Traumwetter den westlichen Teil des Svartisen überqueren, den östlichen Teil und danach eine selten begangene Route ins Stormdal erkunden. Daraus wird jetzt nichts.
Stattdessen sitzt Volker fest. Er hat gestern geschrieben, ich solle doch einfach meine Tour machen, er käme schon klar. Nee, so läuft das nicht. Ich will wenigstens wissen wie es um ihn steht, und dass er eine reelle Chance hat, den nach beiden Seiten höllisch steilen Abstieg zu schaffen. Eine Kniebandage will ich ihm bringen und ein starkes Schmerzmittel. Und natürlich ein bisschen Aufmunterung, so gut es eben geht. Zumindest hat er sich dazu überreden lassen, seinen ursprünglichen Plan, Fonndalen, aufzugeben und über das Rismålskard abzusteigen. Nur nicht im Regen. Es regnet.
Der Bus fährt pünktlich um 20:45 Uhr ab. Zum Glück ist es noch lange hell, so dass ich viel von der ungeheuren Landschaft der Nordlandküste sehe, die mich immer wieder mit Ehrfurcht und Staunen erfüllt. Hier fühle ich mich weit weg von zu Hause, im Urlaub eben, frei von Zwängen. Vielleicht noch ein bisschen mehr als sonst, weil ich keinen blassen Schimmer habe, was in den ersten acht Tagen passieren wird. Als sich die Berge allmählich in Dämmerung hüllen, werden meine Gedanken klarer. Wenn ich mir dieses Rismålskard angeschaut (bzw. auch einmal hoch- und wieder runtergestiegen bin) und mit Volker gesprochen habe, ihm diese Strecke alleine zutrauen kann, dann … ja dann könnte ich im günstigsten Fall am Freitag den Mittagsbus zurück nach Fykan nehmen und hätte immer noch gut sechs Wandertage. Das reicht für mehrere denkbare Varianten bis zum Bahnhof Dunderland. Abfahrt 09:59 Uhr am 20.08. ist die Konstante, diesen Zug muss ich kriegen, um den letzten Bus der Woche ins Susendal zu erwischen. Darum herum gruppiere ich in Gedanken die Variablen: Volkers Zustand, das Wetter, mögliche Routen usw.
Ørnes, ein freundliches Lichtermeer ... später Glomfjord, düster und abweisend wie beim letzten Mal … die beiden Orte könnten unterschiedlicher kaum sein in meiner Wahrnehmung. Zwei Tunnel ... Fykan, wo ich nicht aussteige … der lange Tunnel … allmählich geht der Mittwoch zu Ende und weicht unbemerkt einem dunklen, nassen, ziemlich müden ...
Donnerstag, 12. August
Forøy ferjekai, 00:15 Uhr. Nieselt ja nur. Ich spare mir die Regenhose, verabschiede mich vom Busfahrer und laufe ein Stück die Straße zurück. Vielleicht finde ich gleich eine prima Zeltstelle am Fjord. Nee, sieht nicht so aus. Folgealso hinter dem letzten Haus einem kleinen Bach hoch und fluche. Nass, nass, nass. Sträucher, dicke Moospolster, dahinter so was wie ein Moor. Na ja, ist jetzt auch egal. Ich stelle das Zelt so gut es geht auf einen unebenen Buckel, schmeiße den Rucksack rein und bin gegen 01:00 Uhr so weit sortiert, dass ich ein bisschen schlafen könnte, wäre ich nicht noch so aufgetrudelt von der Reise.
Ein paar Stunden später, um halb sechs, klingelt der Wecker. Kein Grund zur Eile, die Fähre geht erst um sieben, aber ich will vorher noch Ordnung in meine Siebensachen bringen. Im Zelt herrscht, wie immer in der ersten Nacht, heilloses Chaos. Für Kaffee reicht es daher leider nicht. Außerdem will ich mich am Fähranleger gründlich waschen und das Mobiltelefon laden. Als ich dort ankomme, ist der Warteraum offen, sehr wahrscheinlich war er sogar die ganze Nacht offen. Hätte ich doch viel bequemer hier übernachtet. Immerhin regnet es nicht mehr. Die Wolken hängen tief, aber für den Nachmittag ist sonniges Wetter angesagt. Um 07:15 Uhr sind wir in Ågskardet,ich sehe mir auch den dortigen Warteraum an. Leider sieht es nicht so aus, als bekäme man irgendwo in der Nähe einen Kaffee. Um 08:10 Uhr geht der Bus nach Jektvik. Ein Kleinbus, ich bin der einzige Fahrgast. Nach vielleicht einer Viertelstunde Fahrt klärt sich auch meine Frage, warum er für die vielleicht 12km bis Reppasjøen sage und schreibe 95 Minuten braucht. Antwort: 40 Minuten steht er einfach nur rum, nämlich am Vågaholmen hurtigbåtkai, die restliche Zeit trullert er sehr gemütlich alle Straßen ab. Den langen Aufenthalt kann ich immerhin gut nutzen, um den heiß ersehnten Kaffee zu kaufen und … ja, ein Schokomuffin und einen Stratos-Riegel. Beides nicht vegan. Cheat day schon am zweiten Urlaubstag. Ich rede mich damit heraus, dass ja nur die eigentliche Tournahrung vegan sein soll und denke nicht weiter über den Ausrutscher nach. Das Muffin ist jedenfalls lecker!
Fotos, wo wir schon bei Ausnahmen sind, mit dem Telefon gemacht. Die einzigen des Tages:

Ågskardet ferjekai

Reppasjøen
Um 09:45 Uhr steige ich in Reppasjøen aus und mache mich auf den Weg zu Volker, der da irgendwo in den Wolken sitzt. Sehr weit komme ich erst mal nicht. Ich folge dem Fluss Reppaelva auf der Südseite, erst auf einer Schotterstraße, dann auf einem alten, überwachsenen Fahrweg, vorbei an zwei verlassenen Häusern bis zur Brücke. Am nächsten Bach zweigt ein unmarkierter, nur stellenweise erkennbarer Pfad ab, der in einer steilen Rinne die ersten hundert Höhenmeter überwindet. Oben ist ein kleines Moor, dahinter quere ich an der einzig möglichen Stelle die wild zu Tal donnernde Memaurelva und nehme die nächsten Höhenmeter auf dem steilen Hang zwischen den Flüssen in Angriff. Das ist ziemlich anstrengend, mit wenig Schlaf und vollem Rucksack, und als der Hang sich zu einer weiten, moorigen Ebene abflacht, beschließe ich, dass es Zeit für eine Pause ist. Zumal es regnet. Als das Zelt steht, bin ich schon in den Wolken, Sicht nahe Null. Esse ein paar Kornmos, mache ein Nickerchen, gucke noch mal raus – unverändert. Für wenige Minuten kann ich zwischen zwei Wolken die Stromleitung sehen und dahinter Rismålskardet. Da muss ich später hoch. Das wird ein Stück Arbeit. Gegen 16:00 Uhr werde ich unruhig. Eigentlich müsste jetzt schon das versprochene schöne Wetter kommen.
Okay … es sieht so mittelgut aus. Um 17:00 Uhr kann ich nicht länger auf Sonnenschein und gute Sicht warten, packe also zusammen und gehe zur Stromleitung. Der Regen hat aufgehört, aber die Wolken halten sich hartnäckig über der Ebene. Praktischerweise ist genau dort, wo ich den Aufstieg versuchen will, wo das Moor endet und der Wald beginnt, ein riesiger Strommast. Hier werde ich später meinen Rucksack wiederfinden. Die Sachen für Volker und den Schokoriegel nehme ich mit und tauche gegen 18:00 Uhr ein in den Wald. Tagelanger Nebel und Regen bei wenig Wind haben dafür gesorgt, dass sich auf allen Blättern unglaublich viel Wasser angesammelt hat. Es tropft nicht nur von den Birken und Stauden, den Farnen und hohen Gräsern, nein, das Wasser strömt bei der geringsten Berührung auf mich herab wie unter der Dusche. So was hab ich noch nicht erlebt. Im dichten Wald folge ich dem Bach und Tierpfaden bis ich eine steile Rinne erreiche, Rismålskardet. Die Sicht bleibt mäßig, aber zur kleinräumigen Orientierung reicht es. Weil ich schon auf der Südseite bin, steige ich hier auch gleich auf. Der Hang ist auf dieser Seite steiler, dafür ist die Vegetation etwas übersichtlicher. Auf der Nordseite wächst hoher Farn, der alle Hindernisse verdeckt. Etwa auf halber Höhe mache ich 20 Minuten Pause. Nass bin ich … richtig nass! Schuhe, Regenhose, Regenjacke, alles trieft. Weiter oben wird die Rinne steiniger und der Nebel dichter, die Sicht reicht nur noch für die nächsten vielleicht 10 Meter. Ein bisschen unheimlich ist das ... totenstill … und rutschig. Deshalb gehe ich vorsichtig, teste bei jedem Schritt den Halt.
Erst gegen 19:40 Uhr stehe ich am unteren Rismålvatn. Wenn es Volker wie geplant bis hierher geschafft hätte, müsste ja irgendwo sein Zelt stehen. Tut es aber nicht … verdammter Nebel … oder doch? Was ist das? Grau in grau vor grauem Hintergrund? Was ich für einen großen Stein gehalten hatte ist in Wirklichkeit … ein Zelt! Hey Volker! Ich rufe laut und quere den Seeabfluss.
So. Ab hier erzählt Volker von unserem Treffen im Nebel, zu gegebener Zeit, in seinem Bericht. Ich breche nach einer halben Stunde wieder auf, denn heller wird es heute ganz sicher nicht. Beim Abstieg halte ich mich auf der Nordseite der Rinne, mit allen Vor- und Nachteilen. Müde, erschöpft, durchnässt, muss ich mich voll konzentrieren. Einmal rutsche ich mehrere Meter unkontrolliert auf nassem Gras – kein Halt zu finden. Nix passiert, aber das ist pures Glück … hätte auch böse enden können. Ich brauche auf den Schreck eine kurze Pause mit dem Rest vom Schokoriegel, dann geht es wieder. Ziemlich genau um 22:00 Uhr, runter hat sogar etwas länger gedauert als hoch, bin ich am Rucksack und suche noch eine Weile nach einer passenden Zeltstelle. Uff, das war ja wirklich ein sehr besonderer Start in den Urlaub. Ein paar Kornmos schaffe ich noch zu essen, danach bin ich mehr als reif für den Schlafsack.
Leichter soll es werden, liebe Freunde des Nordens. Leichter, und dabei so unkompliziert wie möglich. Nicht unbedingt die Tour selber, aber alles drumherum. Angefangen bei mir selber ... man soll ja immer bei sich anfangen, wenn es ans Abspecken geht, nicht wahr? Niemals – Nie! – hätte ich gedacht, dass es so einfach sein würde, 10 Kilo abzunehmen. Und so lecker. Tierische Nahrungsmittel weglassen, eine Woche Fasten und das neue, leichtere Körpergefühl richtig auskosten. Den Schwung nutzen, um noch ein paar überflüssige Pfunde loszuwerden. Das ging dann praktisch von selbst. Zum 50. Geburtstag war ich meinem Idealgewicht nahe und um etliche kulinarische Entdeckungen reicher.
Für alle Freunde pflanzenbasierter Ernährung teile ich hier auch gerne meine allerersten Erfahrungen mit veganer Tourkost, gute wie weniger gute. Einfach heißt hier: nicht selbst gedörrt oder kompliziert nach Nährwert zusammengestellt. Kein großer Aufwand. Alles in drei Läden gekauft und fertig. Details später.
Mehr Zeit und Überlegung hat gekostet, den Rest des Rucksackgewichts zu reduzieren, aber auch da bin ich schlussendlich zu einfachen Lösungen gekommen, die mir zumindest in der Theorie, vor der Tour, vertrauenerweckend schienen. UL musste es nicht unbedingt sein, nur eben leichter als sonst - ich wollte auch nicht alles neu kaufen, sondern nur die Ausrüstungsteile, bei denen der Effekt besonders groß war. Rucksack, Zelt, Kochersystem … ja, und ein paar weniger wichtige Kleinigkeiten, wo ich schon mal dabei war. Hier und da konnte ich was weglassen – oder doch nicht? Was, wenn es wirklich kalt und biestig wird? Innerhalb von drei Wochen kann viel passieren. Hmm, lieber die lange Unterwäsche wieder dazu packen. So ging es hin und her, bis eine finale Liste zusammengestellt war, die ein Startgewicht inklusive Nahrung und Brennstoff für 8 Tage von knapp 16 Kilo hatte. Damit sollte es mal gut sein. Selten hat mich Ausrüstung so umgetrieben wie in diesem Jahr. Ob sie in der Praxis funktionieren würde? Ich war gespannt.
Auch dieser Bericht darf natürlich gerne schlichter und direkter werden, wo wir schon mal beim Vereinfachen sind, aber das kann nur eine vage Absicht sein. Erfahrungsgemäß entwickelt so ein Text sein Eigenleben, wenn man ihn mal angestoßen hat. Letzter Punkt, und dann geht es endlich los, die Fotos. Und erstes Eingeständnis einer eigentlich völlig unnötigen Neuanschaffung. Ich habe mich tierisch in das neue 27mm/f2,8 Pancake-Objektiv von Fuji verknallt, das zusammen mit der X-E4 so unverschämt nach gar nix aussieht. Und doch als Reisekamera so richtig geil ist. Das war keine Vernunftentscheidung, das war pures Verlangen. Dazu stehe ich. Auch keine Vernunftentscheidung, diesmal aber reine Neugier, ist die Absicht, auf der Tour nur in Schwarz-Weiß zu fotografieren. Nein, keine Sorge, es wird auch Farbfotos geben, aber die Kamera ist immer auf Acros eingestellt, also im s/w-Modus. Ich will einfach nur wissen wie das ist … was auch in Grautönen funktioniert und was nur in Farbe und warum. Und wie viel Farbe nötig ist. Bin gerade ein bisschen übersättigt von Farbfotos.
Wer die Bilder gerne in Originalgröße sehen möchte (und auch, wie sich das kleine 27mm-Objektiv schlägt - ein anderes war nicht mit auf der Tour), kann das in diesem Album auf flickr tun.

Genug der Vorrede – los geht`s!
Saltfjellet-Svartisen und Børgefjell

11. August bis 04. September 2021
Norwegen, Nordland Fylke und Trøndelag Fylke
Vorspiel: Volker in den Wolken, mit Kniebeschwerden
Mittwoch, 11. August
Wer dringend eine ausführliche Anreisebeschreibung braucht, möge bitte jetzt die Hand heben, dann kann ich sie nachliefern. Nur so viel: Die Lufthansa hat es mir mit ihren vier Änderungen nicht leicht gemacht, daran zu glauben, dass sie mich überhaupt befördern will. Zuletzt wurde noch mal eben der gebuchte Rückflug von Trondheim nach Bodø verlegt, so dass ich ein weiteres Mal umplanen durfte. Immerhin stehe ich jetzt um 19:30 Uhr eben dort, am Flughafen von Bodø, habe Spiritus beim BM und den Rest beim Extra Bankgata gekauft und noch mehr als eine Stundefür einen Kaffee mit Zigarillo, bevor der Bus nach Halsa abfährt. Das ist gut, ich entspanne mich. Den Bus wollte ich sowieso nehmen, bevor alles anders wurde. Bevor Volker schrieb, dass er unsere gemeinsam geplante Tour absagen muss. Wie es dazu kam, beschreibt er in seinem eigenen Bericht. Ich wollte in Fykan aussteigen, eine Stunde laufen und Volker mitten in der Nacht am Weg treffen. Er hätte schon eine gute Zeltstelle ausgesucht und würde viel von seinen aufregenden Tagen über dem Nordfjord und dem waghalsigen Abstieg ins Fonndal erzählen. So hatten wir uns das ausgemalt. Dann würden wir zusammen bei Traumwetter den westlichen Teil des Svartisen überqueren, den östlichen Teil und danach eine selten begangene Route ins Stormdal erkunden. Daraus wird jetzt nichts.
Stattdessen sitzt Volker fest. Er hat gestern geschrieben, ich solle doch einfach meine Tour machen, er käme schon klar. Nee, so läuft das nicht. Ich will wenigstens wissen wie es um ihn steht, und dass er eine reelle Chance hat, den nach beiden Seiten höllisch steilen Abstieg zu schaffen. Eine Kniebandage will ich ihm bringen und ein starkes Schmerzmittel. Und natürlich ein bisschen Aufmunterung, so gut es eben geht. Zumindest hat er sich dazu überreden lassen, seinen ursprünglichen Plan, Fonndalen, aufzugeben und über das Rismålskard abzusteigen. Nur nicht im Regen. Es regnet.
Der Bus fährt pünktlich um 20:45 Uhr ab. Zum Glück ist es noch lange hell, so dass ich viel von der ungeheuren Landschaft der Nordlandküste sehe, die mich immer wieder mit Ehrfurcht und Staunen erfüllt. Hier fühle ich mich weit weg von zu Hause, im Urlaub eben, frei von Zwängen. Vielleicht noch ein bisschen mehr als sonst, weil ich keinen blassen Schimmer habe, was in den ersten acht Tagen passieren wird. Als sich die Berge allmählich in Dämmerung hüllen, werden meine Gedanken klarer. Wenn ich mir dieses Rismålskard angeschaut (bzw. auch einmal hoch- und wieder runtergestiegen bin) und mit Volker gesprochen habe, ihm diese Strecke alleine zutrauen kann, dann … ja dann könnte ich im günstigsten Fall am Freitag den Mittagsbus zurück nach Fykan nehmen und hätte immer noch gut sechs Wandertage. Das reicht für mehrere denkbare Varianten bis zum Bahnhof Dunderland. Abfahrt 09:59 Uhr am 20.08. ist die Konstante, diesen Zug muss ich kriegen, um den letzten Bus der Woche ins Susendal zu erwischen. Darum herum gruppiere ich in Gedanken die Variablen: Volkers Zustand, das Wetter, mögliche Routen usw.
Ørnes, ein freundliches Lichtermeer ... später Glomfjord, düster und abweisend wie beim letzten Mal … die beiden Orte könnten unterschiedlicher kaum sein in meiner Wahrnehmung. Zwei Tunnel ... Fykan, wo ich nicht aussteige … der lange Tunnel … allmählich geht der Mittwoch zu Ende und weicht unbemerkt einem dunklen, nassen, ziemlich müden ...
Donnerstag, 12. August
Forøy ferjekai, 00:15 Uhr. Nieselt ja nur. Ich spare mir die Regenhose, verabschiede mich vom Busfahrer und laufe ein Stück die Straße zurück. Vielleicht finde ich gleich eine prima Zeltstelle am Fjord. Nee, sieht nicht so aus. Folgealso hinter dem letzten Haus einem kleinen Bach hoch und fluche. Nass, nass, nass. Sträucher, dicke Moospolster, dahinter so was wie ein Moor. Na ja, ist jetzt auch egal. Ich stelle das Zelt so gut es geht auf einen unebenen Buckel, schmeiße den Rucksack rein und bin gegen 01:00 Uhr so weit sortiert, dass ich ein bisschen schlafen könnte, wäre ich nicht noch so aufgetrudelt von der Reise.
Ein paar Stunden später, um halb sechs, klingelt der Wecker. Kein Grund zur Eile, die Fähre geht erst um sieben, aber ich will vorher noch Ordnung in meine Siebensachen bringen. Im Zelt herrscht, wie immer in der ersten Nacht, heilloses Chaos. Für Kaffee reicht es daher leider nicht. Außerdem will ich mich am Fähranleger gründlich waschen und das Mobiltelefon laden. Als ich dort ankomme, ist der Warteraum offen, sehr wahrscheinlich war er sogar die ganze Nacht offen. Hätte ich doch viel bequemer hier übernachtet. Immerhin regnet es nicht mehr. Die Wolken hängen tief, aber für den Nachmittag ist sonniges Wetter angesagt. Um 07:15 Uhr sind wir in Ågskardet,ich sehe mir auch den dortigen Warteraum an. Leider sieht es nicht so aus, als bekäme man irgendwo in der Nähe einen Kaffee. Um 08:10 Uhr geht der Bus nach Jektvik. Ein Kleinbus, ich bin der einzige Fahrgast. Nach vielleicht einer Viertelstunde Fahrt klärt sich auch meine Frage, warum er für die vielleicht 12km bis Reppasjøen sage und schreibe 95 Minuten braucht. Antwort: 40 Minuten steht er einfach nur rum, nämlich am Vågaholmen hurtigbåtkai, die restliche Zeit trullert er sehr gemütlich alle Straßen ab. Den langen Aufenthalt kann ich immerhin gut nutzen, um den heiß ersehnten Kaffee zu kaufen und … ja, ein Schokomuffin und einen Stratos-Riegel. Beides nicht vegan. Cheat day schon am zweiten Urlaubstag. Ich rede mich damit heraus, dass ja nur die eigentliche Tournahrung vegan sein soll und denke nicht weiter über den Ausrutscher nach. Das Muffin ist jedenfalls lecker!
Fotos, wo wir schon bei Ausnahmen sind, mit dem Telefon gemacht. Die einzigen des Tages:

Ågskardet ferjekai

Reppasjøen
Um 09:45 Uhr steige ich in Reppasjøen aus und mache mich auf den Weg zu Volker, der da irgendwo in den Wolken sitzt. Sehr weit komme ich erst mal nicht. Ich folge dem Fluss Reppaelva auf der Südseite, erst auf einer Schotterstraße, dann auf einem alten, überwachsenen Fahrweg, vorbei an zwei verlassenen Häusern bis zur Brücke. Am nächsten Bach zweigt ein unmarkierter, nur stellenweise erkennbarer Pfad ab, der in einer steilen Rinne die ersten hundert Höhenmeter überwindet. Oben ist ein kleines Moor, dahinter quere ich an der einzig möglichen Stelle die wild zu Tal donnernde Memaurelva und nehme die nächsten Höhenmeter auf dem steilen Hang zwischen den Flüssen in Angriff. Das ist ziemlich anstrengend, mit wenig Schlaf und vollem Rucksack, und als der Hang sich zu einer weiten, moorigen Ebene abflacht, beschließe ich, dass es Zeit für eine Pause ist. Zumal es regnet. Als das Zelt steht, bin ich schon in den Wolken, Sicht nahe Null. Esse ein paar Kornmos, mache ein Nickerchen, gucke noch mal raus – unverändert. Für wenige Minuten kann ich zwischen zwei Wolken die Stromleitung sehen und dahinter Rismålskardet. Da muss ich später hoch. Das wird ein Stück Arbeit. Gegen 16:00 Uhr werde ich unruhig. Eigentlich müsste jetzt schon das versprochene schöne Wetter kommen.
Okay … es sieht so mittelgut aus. Um 17:00 Uhr kann ich nicht länger auf Sonnenschein und gute Sicht warten, packe also zusammen und gehe zur Stromleitung. Der Regen hat aufgehört, aber die Wolken halten sich hartnäckig über der Ebene. Praktischerweise ist genau dort, wo ich den Aufstieg versuchen will, wo das Moor endet und der Wald beginnt, ein riesiger Strommast. Hier werde ich später meinen Rucksack wiederfinden. Die Sachen für Volker und den Schokoriegel nehme ich mit und tauche gegen 18:00 Uhr ein in den Wald. Tagelanger Nebel und Regen bei wenig Wind haben dafür gesorgt, dass sich auf allen Blättern unglaublich viel Wasser angesammelt hat. Es tropft nicht nur von den Birken und Stauden, den Farnen und hohen Gräsern, nein, das Wasser strömt bei der geringsten Berührung auf mich herab wie unter der Dusche. So was hab ich noch nicht erlebt. Im dichten Wald folge ich dem Bach und Tierpfaden bis ich eine steile Rinne erreiche, Rismålskardet. Die Sicht bleibt mäßig, aber zur kleinräumigen Orientierung reicht es. Weil ich schon auf der Südseite bin, steige ich hier auch gleich auf. Der Hang ist auf dieser Seite steiler, dafür ist die Vegetation etwas übersichtlicher. Auf der Nordseite wächst hoher Farn, der alle Hindernisse verdeckt. Etwa auf halber Höhe mache ich 20 Minuten Pause. Nass bin ich … richtig nass! Schuhe, Regenhose, Regenjacke, alles trieft. Weiter oben wird die Rinne steiniger und der Nebel dichter, die Sicht reicht nur noch für die nächsten vielleicht 10 Meter. Ein bisschen unheimlich ist das ... totenstill … und rutschig. Deshalb gehe ich vorsichtig, teste bei jedem Schritt den Halt.
Erst gegen 19:40 Uhr stehe ich am unteren Rismålvatn. Wenn es Volker wie geplant bis hierher geschafft hätte, müsste ja irgendwo sein Zelt stehen. Tut es aber nicht … verdammter Nebel … oder doch? Was ist das? Grau in grau vor grauem Hintergrund? Was ich für einen großen Stein gehalten hatte ist in Wirklichkeit … ein Zelt! Hey Volker! Ich rufe laut und quere den Seeabfluss.
So. Ab hier erzählt Volker von unserem Treffen im Nebel, zu gegebener Zeit, in seinem Bericht. Ich breche nach einer halben Stunde wieder auf, denn heller wird es heute ganz sicher nicht. Beim Abstieg halte ich mich auf der Nordseite der Rinne, mit allen Vor- und Nachteilen. Müde, erschöpft, durchnässt, muss ich mich voll konzentrieren. Einmal rutsche ich mehrere Meter unkontrolliert auf nassem Gras – kein Halt zu finden. Nix passiert, aber das ist pures Glück … hätte auch böse enden können. Ich brauche auf den Schreck eine kurze Pause mit dem Rest vom Schokoriegel, dann geht es wieder. Ziemlich genau um 22:00 Uhr, runter hat sogar etwas länger gedauert als hoch, bin ich am Rucksack und suche noch eine Weile nach einer passenden Zeltstelle. Uff, das war ja wirklich ein sehr besonderer Start in den Urlaub. Ein paar Kornmos schaffe ich noch zu essen, danach bin ich mehr als reif für den Schlafsack.
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