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[COL] - Überwintern in Kolumbien
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Zitat von Spartaner Beitrag anzeigenUnd ich kenne eine ähnliche Pflanze unter dem Namen Riesen-Senezie. Die wächst in vergleichbarer Höhenlage an den Hängen des Kilimandscharo.
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Besteigung des Nevado Santa Isabel
Noch im Dunkeln zog ich mich an und machte mich bereit mit leichtem Gepäck auf den Gipfel zu steigen. Für den Kälteschutz nahm ich alles mit was ich hatte. Es sollte immerhin auf fast 5000 m gehen.
Durch von riesigen Paramograsstauden bestandenes Hochland führte der Weg entlang diverser Sümpfe und immer wieder kleiner Canyons, die Bäche durch den Torfboden gegraben haben und über die man mit einem Satz springen musste.
Erster Teil des Aufstiegs durch schwierige Bushvegetation
Diese Bänder sollen den Weg markieren
Die Wegfindung war alles andere als einfach. Die in meiner Open Topo Karte eingezeichneten Wege waren falsch oder führten ins nix. Man musste wirklich sehr genau dem kaum erkennbaren Trampelpfad folgen. Es gab an einigen Bäumchen auch noch ein paar kleine Bänder, die bei der Wegfindung halfen.
Bei Nebel wäre der Weg nicht zu finden gewesen, und ich war froh, so ein stabiles Wetter erwischt zu haben.
Nachdem ich mich zwei Mal fast verlaufen hatte, kam ich an eine kleine Felswand mit ganz leichter Klettereinlage. Dahinter stieß der Pfad auf einen größeren Weg, der auch zum Gipfel führte und es wurde deutlich einfacher dem Pfad zu folgen. Von hier oben hatte man eine hervorragende Sicht auf die Laguna Otun.
Otun See von weit oben
Zu meiner Linken tat sich ein weiterer kleiner See auf, der mit seinen zerklüfteten Ufern und den Frailejones noch malerischer war, als der große Otun See.
Von hier aus ging es gerade auf recht leicht erkennbarem Pfad immer weiter den Berg hoch. Auf über 4500 m. wurde nicht nur die Luft, sondern auch die Vegetation knapp. Frailejones wuchsen nun nur noch vereinzelt von nacktem Fels umgeben und hörten irgendwann ganz auf.
Vegetation wird immer spärlicher
Es war auch schon verdammt kalt. Ein kleiner Tümpel, an dem ich vorbei kam, war auch gefroren und es ging ein sehr starker Wind. Für mich, der seit Monaten keine Temperaturen unter 20 Grad gehabt hatte, war das gefühlt doppelt so kalt.
Tropisches Eis
Ich bewegte mich jetzt durch eine vulkanische Mondlandschaft mit recht bröckeligem Geröll. Wieder stand ich vor einem Problem, den Weg zu finden. Die Landschaft hier ist erst vor kurzem vom Eis freigegeben worden und verändert sich noch ständig, daher war ein klarer Pfad auszumachen. Hochalpin wurde es jetzt und man musste sich den Weg in dieser Felslandschaft irgendwie zurecht suchen.
Der Atem ging mir jetzt schon verdammt schwer. Ich ließ jetzt auch nur noch die GoPro laufen.
Ich machte mir schon etwas Gedanken wegen der Höhenkrankheit. Ich bin immerhin ohne große Akklimatisierung in Dreieinhalb Tagen hier hoch gelaufen, aber abgesehen von der Mordsanstrengung ging es mir körperlich gut.
Gerade das letzte Stück vor dem Gipfel, wo man sich an einer steilen Flanke über loses Vulkangeröll kämpfen muss, ließen mich beinahe umkehren. Es war schon eine echte Atemschlacht, aber irgendwie habe ich es dann tatsächlich auf das Gipfelplateau geschafft. Hier stehen riesige Blöcke kreuz und quer herum und wo der wirkliche Südgipfel des Nevado Santa Isabel ist, lässt sich gar nicht genau sagen. An dem meiner Meinung nach höchst gelegen Block, auf dem auch noch wie dafür gemacht ein Eisblock thronte, machte ich ein paar schnelle Gipfelaufnahmen. Laut dem GPS war ich hier auf 4942 m. Wirklich nur noch ein Katzensprung zu den 5000.
Mein höchster Berg seit 2019 in Peru.
Kurz vor dem Gipfelplateau
Meiner Meinung nach der Gipfel
GPS sagt 4943 m.
Leider war der Blick zum riesigen Nevado del Ruiz durch die dicken Wolken versperrt. Nur für ein paar Sekunden konnte man den gewaltigen vergletscherten Schild sehen. Ich war durch den Wind schon stark ausgekühlt und konnte meine Hände kaum noch fühlen.
Es hieß also rasch wieder absteigen. Beim Abstieg ist auch das Stück unter dem Gipfel am gefährlichsten, wegen all den Rinnen voller Schotter, auf denen man sehr schnell wegrutscht. Erst weiter unten wird der Schotter so regelmäßig, dass man darauf abfahren kann. Ab dann ist der weitere Rückweg einfach.
Auf halbem Weg runter traf ich zwei Kolumbianer auf dem Weg nach oben. Es stellte sich heraus, dass sie es waren, die gestern Nacht diesen Krach gemacht haben und ihnen die Zelt gehörten.
Auch sie hatten das Ziel den Gipfel zu erreichen. Ich gab ihnen noch ein paar Tipps auf den Weg und dann zogen wir weiter.
Der Aufstieg, vor allem dieser Mix aus Höhe, Wind und der konstanten Pfadfinderei, was dem Gehirn ne Menge abverlangt, haben mich doch echt geschlaucht und ich brauchte bei dem eigentlich einfachen Rückweg immer wieder kleine Pausen.
Gerade im Paramogras sind immer wieder kleine Gruben oder Bäche verborgen und ich musste langsamer gehen als ich es gewohnt war, wegen der Erschöpfung.
Wieder am Zeltplatz angekommen traf ich den dritten im Bunde meiner Zeltpartner. Ihm ging es nicht gut und daher blieb er im Camp.
Wie sich heraus stellte waren sie in einem Ruck von Pereira über das riesige Otun Tal an einem Tag bis spät in die Nacht, bis zum See aufgestiegen ohne jegliche Akklimatisierung. Kein Wunder, dass es ihm dreckig ging.
Nach etwas Plausch verabschiedete ich mich in mein Zelt. Für heute war's das. Es gab jetzt nur noch essen, chillen und im eiskalten See baden.
Am späten Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang kamen auch die anderen beiden mit einem Hund vom Gipfel. Auch sie hatten es geschafft.
Die drei waren Freunde aus Pereira und sehr oft in den Bergen. So konnte ich auch verstehen wie sie es am Stück bis zum 4000 m. hoch gelegenen Otun See geschafft hatten.
Der Abend wurde lang und lustig mit viel Gequatsche und Blödsinn aber auch bitterkalt.
Zurück am See
Sonnenuntergang
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Dies war mit Sicherheit die kälteste Nacht, die ich je in Kolumbien hatte. Da das Wasser in meiner Flasche am Morgen tiefgefroren war, müssen es gut und gerne -8 bis -10 Grad gehabt haben.
Morgeneis
Der vereiste Rückweg
Für mich ist das immer einer der beeindruckendsten Dinge in den tropischen Anden. Ich hatte das ja auch schon in Peru erlebt. Auf kleinem Raum hat man tropischen dampfenden Regenwald und nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt. Schnee und Eis. (Bei letzterem ist die Frage wie lange noch)
Im dunklen packten wir noch zusammen, denn die drei Jungs wollten heute noch in Pereira sein und das geht nur indem man den einzigen “Chiva”, das sind die für die kolumbianischen Anden so typischen bunten Busse, nimmt, der an der kleinen Verladestation täglich um 12:30 abfährt.
Dies war durchaus als ein Sprint anzusehen, denn man muss praktisch das gesamte riesige Otun Tal am Vormittag absteigen, um diesen Bus zu erwischen.
Ich hatte nicht vor, mit den dreien den ganzen Weg abzusteigen, da ich ja Zeit hatte und mir noch das Tal ansehen wollte, aber beschloss zumindest, bis nach unten im Wald mit ihnen zu kommen.
So ging die lustige Vierergruppe noch bei Eiseskälte, aber strahlendem Sonnenschein seiner Wege durch den Paramo.
So kalt die Nacht auch war, trafen uns die allerersten Sonnenstrahlen, waren wir direkt im Hochsommer und es war Entkleiden angesagt. Der Abstieg folgte auf dem Weg, den ich auch gekommen bin, aber dann weiter runter, bis die ersten Fincas auftauchten.
An diesen Vorbei ging es über einen kleinen Pfad durch eine Mischung aus Almen und Bergregenwald. An einer der Fincas hielten wir an, weil die drei noch den Hund, der die ganze Zeit mit ihnen und auch auf dem Gipfel war, zu ihren Besitzern zurück bringen wollten.
Er war ihnen wohl beim Aufstieg einfach hinterhergelaufen, was mich sehr an mein Hundeerlebnis in Peru vor ein paar Jahren erinnerte. Nachdem wir noch einen Kakao mit Käse von den Finceros kriegten gingen wir auf einer Abkürzung weiter, die zuerst über einige Weiden und dann auf einem winzigen Dschungelpfad durchs Tal führte. Das war richtig cooles Dschungeltrekking.
Hinter uns erhob sich eine riesige Felswand, die treffend “Die küssenden Gorillas” genannt wird.
Der kleine Pfad wand sich durch den wilden Bergregenwald, da hier die ganzen Maultiere von den Fincas vorbei kommen, war der Weg entsprechend verschlammt und zerfurcht.
Die beiden verliebten King Kongs
Waren wir heute Morgen noch in Eiseskälte aufgebrochen schwitzen wir nun im dichten Bergwald, während um uns herum die Brüllaffen brüllten und Schwärme von Papageien ihre Runden zogen. In den unzugänglichen Seitentälern Berghängen leben auch noch Pumas, Tigrillos, Yaguarundis, Bergtapire und unzählige Vogelarten. Es ist das größte Urwaldtal im Los Nevados Nationalpark und sicher eines der größeren in der Zentralkordillere, welche am stärksten vom Menschen überprägt wurde.
Wieder im Regenwald
Da meine drei Companeros ihren Bus erwischen wollten, waren wir schnellen Schrittes unterwegs.
An der Finca la Pastora trennten sich unsere Wege. Ich hatte es nicht eilig und wollte gerne noch eine Nacht im Regenwald bleiben. Hier an der Finca gibt es einen kleinen Laden und Campingplatz. Für ein paar Pesos baute ich mein Zelt hier auf und ging nur mit leichtem Gepäck den Regenwald erkunden. Der Chef der Finca erklärte mir den Weg zu ein paar schönen Wasserfällen.
Ich wanderte wieder sehr langsam mit dem Zoom Objektiv im Anschlag durch diesen zauberhaften, von Moosen und Epiphyten überwucherten Bergwald.
Es gelang mir hier doch einige Vögel abzulichten. Etliche andere, z.b. einer schöner Andenfelsenhahn waren viel zu schnell weg. Für Birdwatcher sind diese Wälder ein El Dorado und es werden auch explizite Birdwatching-Touren in diese Berge angeboten.
Morgenammer - (Zonotrichia capensis)
Ein Baumsteiger - vermutlich Dendrocincla fuliginosa
Blaukappenhäher - (Cyanolyca pulchra)
Nachdem ich die Wasserfälle ausgiebig erkundet hatte, ging es wieder zurück zum Camp. Tatsächlich war ich hier am frösteln, denn man darf nicht vergessen, dass ich immer noch auf 2500 m. unterwegs war und der Wald nicht viel mit dem dampfend heißen Tieflandregenwald gemeinsam hat.
Am Abend bekam ich mit dem nassen Holz am Campingplatz sogar noch ein Feuer hin.
Weiter ging es am nächsten Tag nach der Dämmerung. Ich konnte mir zwar Zeit lassen, aber auch nicht trödeln, denn den Bus um 12 Uhr wollte ich schon gerne kriegen.
Mit fast jedem Höhenmeter, den ich abstieg, wurden die Bäume hochwüchsiger und er wirkte tropischer.
Die Station El Cedral ist eine Verladestation, wo die Campesinos aus dem Umland ihre Waren, zumeist Kaffee und von weiter oben Käse mit Pferden und Maultieren, auf Jeeps laden. Ab hier beginnt eine fahrbare Piste und auch der rustikale Landbus “Chiva” hält hier einmal am Tag.
Ich kam vor der Zeit an und konnte mir gemütlich das Treiben ansehen. Die Kerle hier sind echte Cowboys und zähe Hunde.
Über eine Holperpiste durch Dschungel und später Farmland brachte uns der Chiva letztlich nach Pereira von wo ich den nächstbesten Bus zurück nach Cali nahm.
Letzter Abschnitt
La Chiva
Der Nationalpark Los Nevados ist für Trekkingfreunde mit Sicherheit eine der interessantesten Regionen in Kolumbien. Es ist vermutlich die zugänglichste Region in Kolumbien um mehrtägige Trekkingtouren ohne Guide zu machen. Er ist sicher, leicht erreichbar und bietet wunderschöne Landschaften und nicht zuletzt die Möglichkeit für eine tropische Hochtour auf den Nevado Tolima. Ist aber auch nicht zu unterschätzen, wenn man Off-Season unterwegs ist, denn in der Regenzeit ist das Paramo ein vernebelter Sumpf, indem man sich schnell verirren kann und ganze Berghänge können bei den heftigen Regenfällen abrutschen.
Die beste Reisezeit ist die Trockenzeit in den Nordanden zwischen November-März.
Auch hier habe ich wieder mal auch einen Film auf Youtube dazu gemacht:
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Gefangen von Guerilla:
Wie meine bisherigen Berichte vielleicht gezeigt haben, ist Kolumbien mittlerweile durchaus als Reiseland in Erwägung zu ziehen und es gibt mitlerweile einige Regionen, die durchaus sicher sind, (für südamerikanische Verhältnisse)
Ich habe mich entschieden, diesen Bericht zu schreiben, um zu zeigen dass es leider auch anders geht und es durchaus noch eine Gefahr durch Guerilla, Paramilitarios und Kartelle gibt und man seine Reise sehr gut planen muss, ganz besonders wenn man in abgelegene Regionen reisen will.
Nach nun einigen sehr guten Erfahrungen unter anderem auch in Chocó an der Pazifikküste, (Dazu schreibe ich noch einen separaten Reisebericht)hatte ich mir noch eine Abschlusstour überlegt, bevor ich im März 2024 wieder nach Deutschland zurückkommen würde.
An der Westseite der Westkordillere nicht weit von Cali entwässern einige kristallklare Flüsse in den Pazifik. Das Wasser stammt aus den Hochlagen der Farallones und ist sehr sauber und praktisch Sedimenfrei.
Einer dieser Ströme ist der Rio San Cipriano. Dieser Fluss ist eine lokale Touristenattraktion und an den Wochenenden kommen immer wieder viele Leute aus Cali, um in dem kristallklaren Wasser zu schwimmen oder, was sehr beliebt ist, sich mit LKW-Schläuchen den Fluss runter treiben lassen. Das Dörfchen hat sich schon völlig auf den Tourismus eingestellt und es gibt Hotels, Campingmöglichkeiten, Läden und kleine Restaurants. Die Bevölkerung besteht, wie typisch an der Küste, fast nur aus Afrokolumbianern und Indigenen Wounaan.
Ich war hier schon einmal im vorigen Jahr und habe von dem Dorf aus Tags und Nachts Exkursionen in den Regenwald und an den Fluss unternommen, wo ich auch einiges der Tierwelt ablichten konnte.
Am Rio San Cipriano
Zum Dorf kommt man mit der abenteuerlichsten Draisine, die ich jemals gesehen habe
An einem der kleinen Nebenflüsse
Ein kleiner Einblick in die Biodiversität
Dieses Opossum erschreckte mich nachts derart, da im Wald auch das Gebrüll eines Jaguars zu hören war und als ich diese beiden leuchtenden Augen sah, blieb mein Herz kurz stehen
Dieses mal hatte ich mein Augenmerk auf den Oberlauf gelegt. Meine Idee war es den Fluss, welcher jetzt Niedrigwasser hatte hochzulaufen, die Wasserscheide durch den Regenwald zu durchwandern und mit dem Packraft auf der anderen Seite zum Rio Anchicaya zu paddeln.
Auf den Satellitenbildern sah das alles sehr toll aus. Reiner Primärregenwald ohne jegliche Siedlungen, vielleicht die Möglichkeit, noch einige wilde Tiere zu beobachten und sowieso, das war so nah an einer für kolumbianische Verhältnisse sehr touristisch erschlossenen Gegend.
Ich zog also dieses Mal an dem Forstweg schnellen Schrittes an dem touristischen Teil des Flusses vorbei. An der Stelle wo ein anderer Fluss in den Rio San Cipriano mündet, fing ich an durch das Flussbett zu waten und den Fluss flussaufwärts zu erkunden.
Es war eine wunderschöne Regenwald Atmosphäre mit überhängen Bäumen und Lianen, so konnte der Trip weitergehen.
Rechts erschien plötzlich eine kleine Finca. Da dachte ich mir nix bei. Es gibt immer wieder ein paar Einsiedelhöfe oberhalb der Dörfer, wo meist indigene Familien leben und Maniok und Kochbananen anbauen.
Doch hier sah ich plötzlich ein paar Jungs, sie können nicht älter als 19 gewesen sein, mit Sturmgwehren um die Schulter geschnallt. Mein allererster Gedanke war tatsächlich Militär. Doch beim zweiten hinsehen merkte ich, dass da einiges nicht stimmt. Die Kids trugen nur Jogginghosen und bunt gemischte Freizeitkleidung, nix wirkte organisiert und einer der Jungs kam direkt auf mich zu.
Ich stellte mich vor, und dass ich hier diesen Bachlauf erkunden wolle und ob das in Ordnung sei. Es wurden mir gemischte Signale gegeben. Zuerst sagte er ich könne weitergehen, wirkte aber etwas unsicher. Es kamen ein paar andere dazu unter anderem einer, der offenbar mehr zu sagen hatte.
Ich erzählte das selbe wie dem Anderen. Dass ich hier nur als Tourist bin und mich nur für Vögel und Pflanzen interessiere. Ich wurde gebeten ihm zu folgen und bei einem anderen kleinen Gebäude zu warten.
Ich wurde aufgefordert mein Handy abzugeben und zu entsperren. Damit gingen sie dann zu einem anderen Gebäude, wo mutmaßlich der Boss war.
Die Kids versuchten freundlich zu sein und etwas Smalltalk zu führen. Aber man merkte die angespannte Stimmung. Ich beobachtete die jungen Erwachsenen. Viele waren wie gesagt Blutjung, erstaunlich viele Mädels, teils mit manikürten Fingernägeln aber einem schweren Sturmgewehr und Patronengurt umgeschnallt.
Es war eine absurde Welt in der ich mich hier befand. Ich begutachtete auch die Waffen. Das war teilweise das modernste Zeug. AR-15 und Derivate, zum Teil mit Rotpunkt oder Zieloptik. Keine Spur von Uralt AK-47 aus alten FARC Beständen. Hier muss also richtig Geld im Spiel sein und wie dieses erwirtschaftet wird, kann man sich denken, zumahl wir uns hier so nah an Buenaventura, Kolumbiens größtem Pazifikhafen und größtem Kokainumschlagplatz befanden.
Ich war hier also in ernsthafter Gefahr, das dämmerte mir langsam ganz gewaltig. Ich versuchte irgendwie auszumachen, zu welcher der vielen möglichen Gruppierungen und Splittergruppen diese Leute sein könnten.
Clan del Golfo, das größte und mächtigste noch verbliebene Drogenkartell in Kolumbien ? Wohl eher nicht. Die sind eher Profis und keine halbstarken Teenager? Ähnliches für die rechten paramilitärischen Gruppierungen, die eigentlich auch nix anderes als Söldner für lokale Drogenbarone oder Großgrundbesitzer sind.
Die Teenager bestanden praktisch ausschließlich aus der lokalen Bevölkerung, Schwarze und Indigene, darum vermute ich dass es sich hierbei um eine der zahllosen Splittergruppen der kommunistischen ELN oder der offiziell zwar aufgelösten, aber immer wieder neu ausgerufenen FARC handelt.
Oftmals werden junge Menschen, die ohne jede Perspektive in den abgelegenen Teilen des Landes leben und wo der Staat immer noch nichts zu melden hat, von diesen Gruppen angeworben und ihnen die große kommunistische Zukunft versprochen. Dabei sind die Hintermänner auch nix anderes mehr als Drogenhändler. Und vermutlich war die schwere Bewaffnung hier auch in erster Linie dafür da, das zu bewachen was im Oberlauf dieses Flusses vor sich geht. Also entweder Kokaanbau oder was ich für viel wahrscheinlicher halte, Kokainschmuggel. Da die Satellitenkarten einen völlig jungfräulichen Regenwald zeigen vermute ich eher, dass sich hier eine Schmuggelroute befindet, denn hier könnte man von der viel befahrenen Nationalstraße von Cali nach Buenaventura über den Rio San Cipriano und die Wasserscheide bis an den Pazifik kommen und mit kleinen Booten unbeachtet von der starken Militärpräsenz in Buenaventura Kokainlieferungen nach Panama verschiffen.
Nach einer Weile wurde ich zum anderen Gebäude gerufen. Es begrüßte mich eine etwa 35-40 jährige Schwarze, mit versilberter Deserte Eagle im Gürtel. Dies war ganz klar die “Chefin” hier. Es ging auch sofort mit den Fragen los, diese waren diesmal deutlich detaillierter und verhörartiger als von den “Gefreiten” zuvor.
-”Was machst du hier?”
“Ich bin hier um die Natur und den Regenwald zu erforschen”
-”Warum bist du hier hier alleine?”
“Ich habe schon viele Exkursionen wie diese,alleine in vielen Teilen Kolumbiens und Südamerikas gemacht, darum ”
-Wie bin ich auf diesen Ort aufmerksam geworden?
-Arbeite ich für irgend eine Organisation oder Regierungsbehörde
-Wie bin ich hierhin gekommen?...
…Und jetzt wurde es gefährlich, denn jetzt kamen die Fragen die ganz klar darauf abzielten um auszusondieren, was jetzt mit mir zu tun ist und was man sich erlauben könne.
-Wer weiß davon, dass ich hier bin?
-Wann werde ich zurück erwartet?
Und es wurden auch Testfragen gestellt ob ich wirklich in Cali wohne, wie z.B. in welchem Viertel die Altstadt liegt etc.
Meiner Meinung nach deutete alles darauf hin, dass man aussondierte ob ich eine Gefahr darstelle und ob man mich eventuell verschwinden lassen konnte.
Ich musste jetzt wirklich extrem vorsichtig sein, jede falsche Antwort könnte mein Verhängnis werden und es entwickelte sich ein psychologisches Schachspiel.
Es kam wieder der unsichere Junge vor, der mich als erstes entdeckt hatte und jetzt offenbar die Rolle des Bad Cop einnahm. Sehr energisch fühlte er mir auf den Zahn und fragte mich ob ich jemals beim Militär war oder in irgendeiner Weise weiß Waffen zu nutzen oder zu manipulieren.
Hier musste ich ein wenig lügen und versicherte, dass ich noch nie eine Waffe bedient habe.
Was mir beinahe zum Verhängnis wurde, war ein Foto, welches sie auf meinem Handy entdeckten, wo ich mit einer Softair-Waffe posiere. Ein völlig idiotisches, von mir längst vergessenes Foto, wo ich mich etwas mit den Softairs von meinem Cousin verblöde.
Es kostete mich alles an Überzeugungskraft ihnen klar zu machen, dass diese Waffe nur ein Spielzeug ist und des Weiteren auch, dass meine Freundin und Freunde mich in Cali spätestens übermorgen wieder erwarten und dass ich meine Daten auch beim deutschen Konsulat angegeben habe. (Eine Lüge)
Des weiteren erklärte ich auch mehrfach, dass ich natürlich voll auf der Seite der Bevölkerung bin und nicht im entferntesten Interesse daran habe, die “natürliche Ordnung” zu stören und die lokalen Regeln akzeptiere und es schlicht nicht wusste und mir im Dorf auch niemand gesagt hat, dass man als Tourist nicht hierherkommen kann und dass es mir natürlich auch leid tut und ich freilich kooperiere.
Die Chefin zog sich kurz mit zwei ihrer Leute zur Beratung zurück. Die Atmosphäre war mehr als nur angespannt und Minuten vergingen wie Stunden.
Kurz darauf kam sie zurück und erklärte mir, dass beschlossen wurde, dass jemand aus dem Dorf kommen würde und mich zurückführen würde.
Von einer Sekunde auf die andere entspannte sich die Lage. Mein Handy wurde mir wieder zurückgegeben und man brachte mir etwas zu essen und zu trinken.
Die Kids verstreuten sich zum Teil, andere kamen an, um ein bischen zu quatschen.
-Wie ist Deutschland ? - Haben wir auch Dschungel? -Was ist meine Lieblingsfußballmanschaft? die typischen Dinge, die man mit den jungen Leuten auf der ganzen Welt so ähnlich bequatscht. Mir fiel mehr als ein Stein vom Herzen.
Nachdem sich die meisten in alle Winde verstreut hatten, wurde mir angeboten ob ich nicht ein bischen am Fluss abhängen und ein bisschen schwimmen wolle. Es war eine surreale Situation. Ich hing am Fluss rum mit meinen beiden bewaffneten Bewacherinnen, die ich unter anderen Umständen vielleicht auch in einem Nachtclub in Cali hätte treffen können.
Die Zeit verflog und es passierte weiterhin nix, die Chefin kam irgendwann heraus und sagte, Planänderung, sie bringt mich bis zum Fluss und dort laufe ich schön zurück auf den Forstweg. Mit gezogener Desert Eagle gingen wir nun also ein Stück weit am Fluss entlang und ab dem Zeitpunkt andem er leicht zu furten war, forderte sie mich auf hier zurück zu gehen. Ich sollte sofort ins Dorf und von dort wieder nach Cali.
Gesagt, getan, marschierte ich durch den Fluss zurück und dann auf dem selben Forstweg, auf dem ich gekommen war, zurück ins Dorf. Es begann wie aus Eimern zu regnen. Ein Wolkenbruch, wie man ihn hier kennt. Mir war alles egal, ich marschierte im Funktionsmodus durch und erreichte das Dorf nach einiger Zeit.
Irgendwie musste ich jetzt erstmal ein wenig runterkommen und holte mir ein Bier in einer der kleinen Bars dort. Ich wartete ab, dass der Regen nachließ und machte mich dann wieder auf den Weg zu dem kleinen “Bahnhof”.
Plötzlich kamen mir drei Jungs entgegen und nahmen mich beiseite. Ob ich derjenige sei der in das verbotene Gebiet eingedrungen sei ?
Spätestens jetzt wurde mir klar, dass das ganze Dorf in der Geschichte mit drin steckt. Nach aussen hin gibts Ökotourismus aber daneben laufen auch ganz andere Geschäfte.
Na spitze, ich war also immer noch tief in der Höhle des Löwen. Man erklärte mir, dass ich eine Strafe zu zahlen habe, 5 Million Pesos - etwas mehr als Tausend Euro.
Irgendwie musste ich mich da jetzt auch noch rauswinden. Ich versuchte ihnen klarzumachen, dass ich das Geld weder dabei noch so viel auf meinem Konto habe. Mit viel Überredungskunst brachte ich sie dazu, dass ich ihnen einfach gebe was ich dabei habe, was 200.000 Pesos - keine 50 Euro waren.
Damit waren sie ziemlich zufrieden und vermutlich auch auf sowas gepokert. Mit den 5 Million wollten sie ausloten, wie weit sie mich noch ausquetschen konnten. Ich denke, die Drei haben nicht auf Auftrag von “ganz oben” gehandelt, eher waren sie Opportunisten, haben von der Situation erfahren und wollten sehen, was für sie dabei rausspringt.
Ich konnte also endlich hier abhauen und machte mich auf direkten Weg zurück nach Cali.
Nach etlichen sehr positiven Erlebnissen in Kolumbien, war dieses Erlebnis ein Weckruf sich nicht vom Survivorship Bias in falscher Sicherheit wiegen zu lassen. Zwar hat sich in Kolumbien sehr viel in den letzten 15 Jahren getan, aber es gibt nach wie vor den schwelenden Konflikt und vor allem verschieben sich die Fronten.
Während der Amazonas und die Orinoco Region immer sicherer werden, ist die gesamte Pazifikküste gefährlicher geworden.
Ich habe mich wohl in erster Linie irre leiten lassen, dass ja an so einem touristischen Ort, keine Bewaffneten Gruppen sein könne, aber offenbar gehen Tourismus und andere Geschäfte prima Hand in Hand.
Ich komme hiermit weiterführend zu meinem Fazit, Kolumbien als Outdoorland? - Jein.
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Krass - danke für diesen Zusatzbericht! Finden sich in kolumbianischen sozialen Medien Berichte von Leuten, denen es ähnlich ergangen ist?
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Zitat von fhvdrais Beitrag anzeigenKrass - danke für diesen Zusatzbericht! Finden sich in kolumbianischen sozialen Medien Berichte von Leuten, denen es ähnlich ergangen ist?
Großangelegte Entführungen von organisierten Gruppen in touristischen Hotspots, gibt es aber gar nicht mehr. Die letzten Berichte davon stammen aus den 2010ern. Aber man sollte natürlich niemals nie sagen.
Ich habe diesen recht rezenten Fall aus Reddit mal nachgeschlagen und da sind es die typischen Maschen und im Fall der beiden Amis auch leider absolute Dummheit und Lernresistenz:
https://www.reddit.com/r/backpacking...mbia/?tl=es-es
edit: Ich weiß aber auch von einem Bekannten, der schon viele Rafting Touren in Kolumbien gemacht hat und als erster Chiribiquete von Nord nach Süd durchquert hat, dass man auch mit Guerilla durchaus verhandeln kann, wenn die richtigen Bedingungen zutreffen. Gestandene Krieger und Geschäftsmänner wollen in erster Linie ihr Ding durchziehen und entführte oder vermisste Touristen, die eventuell viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das Militär auf den Plan rufen könnten, sind sehr schlecht fürs Geschäft und man kann sich mit dem richtigen Kleingeld oftmals für freies Geleit arangieren.
Wirklich gefährlich ist das was mir passiert ist, Kids with Guns, mit mehr Hormonen als Verstand. Wäre die Chefin nicht da gewesen, wer weiß wie die Geschichte geendet wäre.Zuletzt geändert von Intihuitana; 28.02.2025, 15:52.Russian Roulette is not the same without a gun. - Lady Gaga
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Sowas kommt vor. Mir wurde beim Trekking der Fall einiger amerikanischer Bergsteiger geschildert, die in der betreffenden Region von Islamisten gefangen genommen wurden. Das war im Karavshin, dem Patagonien des Pamirs, gigantische senkrechte Felswände usw. Das Militär war den Islamisten auf der Spur. Es begann ein Versteckspiel im Hochgebirge, die Bergsteiger dienten als Geiseln.
Die Amerikaner waren aber aus härterem Holz geschnitzt. Als sie einmal nur von einem einzelnen Bewaffneten bewacht wurden, ergriffen sie die Gelegenheit und stürzten ihn eine dieser Felswände hinunter. Danach konnten sie fliehen und es gelang ihnen, sich zu den Regierungstruppen durchzuschlagen.
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Zitat von Robtrek Beitrag anzeigen...der Fall einiger amerikanischer Bergsteiger geschildert, die in der betreffenden Region von Islamisten gefangen genommen wurden.....
Danke an Intihuitana für die Forstsetzung dieser eindrucksvollen Geschichte!
Komme zZ leider kaum hinterher... ihr sei alle so fleissig am Schreiben!
Grüße von TilmannZuletzt geändert von TilmannG; 01.03.2025, 20:31.
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