Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

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  • German Tourist
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    • 09.05.2006
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    #61
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Als ich in Cortes de Pallas die Karte studierte, schwante mir nichts Gutes. Laut Karte würde ich auf einem Pfad laufen, der zumindest auf dem Papier im Nirgendwo verschwand. Dergleichen Wege endeten in der Regel in einem unangenehmen Bushwhacking und so machte ich mich recht missmutig auf. Aber wieder einmal überraschte mich der GR 7: Der Weg war gerade erst kürzlich gewartet worden und war sozusagen ein Musterexemplar an Wegeführung. Ich genoss den Blick auf den riesigen Stausee und die Mesa. Ich sah zwar einige tolle Zeltplätze, beschloss aber, angesichts des Vollmondes bis in die Nacht hinein zu laufen. Dies entpuppte sich leider als Fehlentscheidung, denn oben auf der Mesa stieß ich nur auf endlose Olivenplantagen. Die waren zwar flach, aber der Boden war aufgrund der wochenlangen Trockenheit steinhart und mit großen Steinbrocken übersät. Selbst mit meiner dicken Prolite Plus würde ich hier keinen bequemen Zeltplatz finden, und so lief ich weiter und immer weiter – aber weit und breit nichts als Olivenplantagen. Ich wollte mich schon in mein unbequemes Schicksal fügen, als ich einen einsamen Nadelbaum entdeckte, unter dem ich ein halbwegs „weiches“ Plätzchen fand. Die Nacht war sternenklar und deshalb saukalt. Das Quellwasser, dass ich am nächsten Morgen schöpfte, war im Verhältnis zur Außentemperatur dagegen fast lauwarm! Dafür wurde ich wieder mal mit einem dieser magischen Morgenstimmungen belohnt.


    Das nächste „rauf auf eine Mesa“ führte mich zum Berg Caroche – glücklicherweise auf gut ausgebauten Forstwegen. Erstaunlicherweise befand sich nicht weit vom Gipfel sogar noch eine Quelle, deren Wasser in einem riesigen Trog gesammelt wurde und nicht eingefroren war.... Also dann mal wieder runter von der Mesa:



    Ich lief durch ein riesiges Aufforstungsgebiet und freute mich schon angesichts des vielen Nadelswaldes auf ein weiches Nachtlager, als ich ein Schild „Vorsicht Forstarbeiten“ passierte. Wie ich es in Spanien noch öfter sehen sollte, hatten die Forstarbeiter den Wald sozusagen „entkernt“, also alle tiefergelegenen Äste einfach abgeschnitten, wahrscheinlich um die „Brandlast“ und somit die Waldbrandgefahr zu reduzieren. Nur leider waren die abgeschnittenen Äste noch nicht abtransportiert worden und so hatte sich der Wald in ein undurchdringliches Dickicht verwandelt. Keine Chance, hier irgendwo mein Zelt aufzustellen und die Forstarbeiten schienen kein Ende zu nehmen. Erst als ich aus dem Arbeitsgebiet der Forstarbeiter herausgewandert war, fand sich sofort ein schönes weiche Plätzchen unter einem Nadelbaum.

    Das nächste „runter von der Mesa“ führte mich in das Tal von Vallada, ein riesiges Orangenanbaugebiet. Die Bauern waren vielerorts schon bei der Ernte und ständig wurden mir saftige Orangen angeboten. Bald waren mein Rucksack und meine Hosentaschen voller Orangen und ich hatte klebrige Hände. Bald entdeckte ich inmitten der vielen Orangenplantagen auch einige Felder mit Khaki-Bäumen und die Feldarbeiter schenkten mir nicht nur einige riesige Früchte, sondern fotografierten mich sogar und gaben mir Wasser. Ich wäre gerne noch eine Weile durch dieses Orangenparadies gelaufen, aber ich musste mal wieder rauf auf eine Mesa. Der Blick zurück ins Tal auf dem Bild unten rechts der Collage zeigt, wie ausgeprägt der Kontrast zwischen Tal und Mesa hier ist. Das Tal wird für extensiven Obstbau genutzt, während es oben auf der Mesa eher einer Mondlandschaft ähnelt.



    Natürlich befand ich mich wieder mal oben auf der Mesa, als es Nacht wurde. Überall nur Gestrüpp und Gestein, kein Baum weit und breit. Bei sternenklarer Nacht würde es saukalt werden und ich hoffte auf einen Baum als Kondensationsschutz, aber leider musste ich komplett freistehend zelten. Wie befürchtet war am nächsten Morgen mein Zelt komplett überfroren, Es war schmerzhaft, das steifgefrorene Zelt zusammen zu rollen und einzupacken. Als ich die abgefallenen Eiskristalle ausschüttelte, sammelte sich ein richtiger kleiner „Schneehaufen“ an. Dafür wurde ich wieder mal mit einem traumhaften Sonnenaufgang belohnt. Der klare Morgen war zwar saukalt, aber tauchte auch alles in ein fast schon magisches Licht.



    Jetzt noch zwei Mal rauf und runter von der Mesa und ich war nach einer Woche Dauerzelten in Boicarent und meinem nächsten Ruhetag mit Zentralheizung angelangt.
    Zuletzt geändert von German Tourist; 24.03.2014, 10:25. Grund: Bildformate angepasst
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      #62
      AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

      Boicarents mittelalterliche Altstadt wurde als große Touristenattraktion angepriesen. Als ich mich der Stadt aber zu Fuß näherte, war davon nichts zu sehen. Das ganze Umland war durch einen Waldbrand komplett abgebrannt und ähnelte eher einer Mondlandschaft. Und im Tal führte eine Nationalstraße durch hässliche Industriegebiete. Dutzende von Schildern warnten mich davor, vom Weg abzuweichen, denn wieder mal lief ich durch ein privates Jagdgebiet. Als ich jedoch in die Stadt selbst kam, war ich völlig erstaunt, eine wirklich hübsche Altstadt anzutreffen. Jetzt in der absoluten Nachsaison hatten viele Hotels geschlossen und ich hatte nur mit Müh und Not eine halbwegs preiswerte Unterkunft gefunden. Die befand sich in einem alten Adelssitz und mein Zimmer wurde sogar mit einer Art Kronleuchter beleuchtet.

      Die Besitzer waren wahnsinnig freundlich und outeten sich ebenfalls als Wanderfreunde. Als ich fragte, wo ich denn wohl Gaskartuschen kaufen könnte, erboten sie sich sofort, mir eine Kartusche beim morgigen Einkaufstrip per Auto mitzubringen. Erfreut schrieb ich ihnen genau auf, welche Kartuschenart ich brauchte und gab ihnen sogar meine alte, fast leere Kartusche als Muster. Am nächsten Tag brachten sie mir auch tatsächlich eine Kartusche von Decathlon mit – allerdings in der falschen Größe. Aber besser eine zu große Kartusche als nur kalte Küche...

      Obwohl ich die meiste Zeit im Bett in meinem Luxuszimmer verbrachte, wollte ich dennoch zumindest ein bisschen war von der Stadt sehen. Im Stadtplan waren Höhlen eingezeichnet, die sich in Laufweite von meiner Unterkunft befanden und noch dazu nicht viel Eintritt kosteten. Ohne allzu große Erwartungen machte ich mich auf den Weg und war dann doch etwas befremdet, als mich der Mann an der Kasse frage, ob ich mich den körperlich fit genug für die Höhlenbesichtigung fühle. Natürlich tat ich das und machte mich nichtsahnend auf den Weg in die abgebrannte Mondlandschaft, wo sich der Höhleneingang befand. Der Führer erklärte mir, dass es sich hierbei nicht um natürliche Höhlen handelte, sondern um Vorratshöhlen, die noch von den Arabern in den Stein gehauen worden waren. Leider wurden sie nie fertiggestellt. Und dann begann eine Art Fitness-Hindernis-Parcours, der selbst mich echt ins Schwitzen brachte. Die Durchgänge zu den einzelnen Kammern waren so eng, dass ich mich mit meinen 1,82 m kaum hindurchzwängen konnte. Teilweise musste ich kriechen oder auf allen Vieren krabbeln. Hinterher war ich völlig verstaubt und verschwitzt – immerhin war mir jetzt nicht mehr kalt. Laut Führer hat es noch nie einen Unfall bei einer Höhlenführung gegeben, aber man würde auch nicht alle Besucher zulassen...



      Nach zwei Nächten in Boicarent musste ich nun eine Entscheidung fällen. Eigentlich war ich mittlerweile ausgeruht genug, um wieder einige Tage weiterzulaufen und zu zelten, aber die nächste Tagesetappe führte mich nach Alcoy, einer größeren Stadt. Dies wäre für mich die letzte Gelegenheit für Wochen, einen Decathlon zu besuchen und einzukaufen. Ich wollte mich aufgrund der kalten Temperaturen mit langer Unterwäsche und neuen Socken aufrüsten. Also beschloss ich, einen Tag zu laufen und dann wieder in ein Hotel zu gehen, damit ich in Ruhe meine Einkäufe tätigen konnte.

      Ich erwartete nicht viel von der kurzen Tagesetappe, wurde dann aber wieder mal mit einem grandiosen Abschnitt belohnt. Der Abstieg nach Alcoy erfolgte auf einem alten, aber gut ausgebauten Weg durch eine wilde Schlucht – bei wieder mal strahlendem Sonnenschein.


      Nur das mit dem Einkaufen in Alcoy gar nicht so einfach. Ich ließ mir in der Touristeninformation ausführlich erklären, mit welchem Bus ich den zu Decathlon kommen könnte, denn wie üblich in Frankreich war der Laden in einem Einkaufszentrum ausserhalb der Stadt untergebracht. Der Bus kam dann auch direkt an Decathlon vorbei – nur leider gab es dort keine Haltestelle. Und die nächste Haltestelle war 2 km entfernt... Ich wäre ja nun auch 2 km gelaufen, aber der einzige Weg führte entlang einer stark befahrenen Nationalstrasse ohne Gehsteig oder auch nur anständigem Randstreifen. Bei Einbruch der Dämmerung war mir das einfach zu gefährlich. Aber glücklicherweise hatte mich der Bus an einem anderen Einkaufszentrum abgesetzt und auch dort befand sich ein Billig-Sportladen. Ruckzuck hatte ich lange Unterhosen und Socken erworben und konnte mit dem Bus wieder zurück ins Zentrum zu meinem Hotel fahren.

      Am nächsten Vormittag war Sightseeing angesagt. Im Gegensatz zu den meisten Städten entlang des GR 7 war Alcoy höchst modern und vor allem durch modernistische Architektur geprägt. Natürlich gab es auch in Museum, das sich vor allem den örtlichen Festen widmete. Wie üblich in Spanien gab es auch in Alcoy jede Menge lokaler Feiertage, die mit farbenprächtigen Umzügen begangen werden, so z.B. das Fest, das die Befreiung Spaniens von den Arabern feiert. Dabei werden die historischen Begebenheiten in historisierenden Kostümen nachgestellt – und diese extrem aufwendigen und teuren Kostüme konnte man hier besichtigen.



      Der Wetterbericht war eher furchtbar, d.h. regnerisch, aber ich hatte von drei Hotelübernachtungen in Reihe genug und wollte nun wieder zelten. In der Hoffnung, dass es so schlimm nicht werden würde, machte ich mich auf den Weg in den Nationalpark Font Roja. Meine heimliche Hoffnung war, dass ich am Informationszentrum des Parks schon irgendeinen Unterschlupf finden würde. Ausserdem gab es dort sogar einen offiziellen Zeltplatz! In strömenden Regen machte ich mich auf den Weg. Wie üblich war ich nach dem stundenlangen Anstieg in Regenklamotten komplett nass – von aussen durch den Regen und von innen durch Schwitzen. Als ich dann endlich das imposante Informationszentrum erreichte, zerplatzten meine Hoffnungen auf einen überdachten Zeltplatz sehr schnell. Vor dem Zentrum parkten noch einige Autos von Mitarbeitern und gegenüber befand sich sogar noch ein Restaurant. Der Zeltplatz war ein noch größerer Flop, denn durch den Regen war er völlig überschwemmt. Also dann weiter. Nur leider fand sich so überhaupt kein verstecktes Plätzchen. Da der Wind mittlerweile sehr stark geworden war, suchte ich nicht nur nach Sicht-, sondern auch nach Windschutz. Ich war nass, mir war kalt und ausserdem lief mir die Zeit davon. Also stürtzte ich mich todesmutig in die Büsche und fand auch einen halbwegs ebenen Platz am Hang. Und so mitten im Gebüsch war ich auch halbwegs windgeschützt. Dennoch musste ich nachts einmal raus, um einen herausgekommenen Hering wieder zu befestigen. Aufgrund der beengten Situation im Gebüsch war es nicht möglich, das Zelt perfekt aufzubauen.

      Der nächste Morgen war vor allem windig und kalt. Ich musste einen Kilometer auf einem total ausgesetzten Kamm laufen und war heilfroh, wieder in die Bäume zurückzukommen. Die nächste Nacht erwartete ich eine einfache Zeltplatzsuche, denn ich lief durch ein ausgedehntes Waldgebiet. Aber leider waren Heerscharen von Waldarbeitern gerade dabei, den Wald zu „entkernen“. Die Bäumen standen nur noch vereinzelt und alle Äste waren bis auf 2 m Höhe abgeschnitten worden. So war es auch diesmal schwierig mit dem Wind- und Sichtschutz – dafür lag ich weich und eben. Am nächsten Tag stieß ich auf einen Ranger und befragte ihn ausführlich zu diesen „Entkernungsmaßnahmen.“ Wie vermutet sollen sie der Verminderung der Waldbrandgefahr dienen. Interessanterweise wird das Holz aber nicht mal kommerziell verwertet, weil es aufgrund schlechter Qualität kaum verkäuflich sei.



      Ich war nun in Elda angelangt, der letzten Stadt in der Provinz Valencia. Wie üblich gab es auch hier ein lokales Spezialmuseum: Elda war und ist ein Zentrum der spanischen Schuhindustrie und dementsprechend war es ein Schuhmuseum. Schuhe ohne Ende! Historische Schuhe, Schuhe von berühmten Menschen, Schuhe in der Kunst, Schuhwerkzeuge und vor allem die preisgekrönten Schuhentwürfe der örtlichen Schuhdesign-Schule.



      Fazit: Der GR 7 führt auf 578 km durch die Provinz Valencia. Dieser Abschnitt war der schönste meiner ganzen Tour. Landschaftlich ist er einfach spektakulär und abwechslungsreich, aber auch die Orte am Weg sind sehr reizvoll. Fast jede der kleinen Ortschaften lohnt einen Aufenthalt. Einziger Wermutstropfen ist die Qualität der Markierung und des Weges. Teilweise ist er zwar ausgezeichnet markiert und gewartet, teilweise gibt es aber auch total verwahrloste Abschnitte. Und die illegale Totalblockade des Wegs durch ein privates Jagdgebiet ist davon der Gipfel. Dennoch: Für Abenteuerlustige ist dieser Weg ein echter Geheimtip.
      Zuletzt geändert von German Tourist; 26.03.2014, 09:21.
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        #63
        Murcia Teil 1

        Von Elda aus war es noch etwa einen Tag nach Pinoso und danach würde ich die Provinz Valencia verlassen und durch die Provinz Murcia wandern. Der Abschnitt Elda – Pinoso sah auf der Karte schon trostlos aus. Und kaum hatte ich die Aussenbezirke von Elda verlassen, bekam ich schon mal einen Vorgeschmack darauf, was mich in Murcia oft erwarten würde: Weite, sonnenverbrannte Ebenen. Ich war bloss froh, dass ich hier nicht im Sommer laufen musste. Selbst im tiefsten Winter war ich hier im T-shirt unterwegs..


        Dennoch gab es dazwischen auch mal kurze Abschnitte mit Bäumen – und das verleitete mich leider dazu, Kilometer reißen zu wollen und erst hinter Pinoso zu campen. Das war leider eine total falsche Entscheidung... Schon in Pinoso fing es langsam an zu dämmern und ich wurde misstrauisch beäugt. Endlich durch Pinoso durch blickte ich voll Entsetzen auf die sich vor mir ausbreitende Landschaft: Eine total flache Ebene ohne den geringsten Sichtschutz durch Bäume. Um die Katastrophe noch vollständig zu machen, führte der Weg auch noch entlang einer Asphaltstrasse. So sehr ich mich auch anstrengte, hier würde ich niemals einen versteckten Zeltplatz finden. Ich musste also in den sauren Apfel beissen: Ich kramte meine Stirnlampe heraus und stellte mich auf Nachtwandern ein. Erstaunlicherweise wurde ich auf der Strasse fast ausschließlich von Autos mit britischen Kennzeichen überholt. Hier befand sich wohl eine Kolonie von Engländern auf der Suche nach winterlicher Sonne.

        Eine Stunde nach Sonnenuntergang verließ der GR 7 endlich die Asphaltstrasse und ich wanderte jetzt auf einem Wirtschaftsweg. Hier konnte ich es eher wagen, etwas abseits zu zelten. Wie durch ein Wunder entdeckte ich im Mondlicht auch die Silhouette einiger Nadelbäume am Rande einer Terrassenbepflanzung. Nichts wie hin und tatsächlich fand sich hier sogar ein recht bequemer und weicher Zeltplatz - mit wunderbarem Ausblick auf die Lichter von Pinoso in der Ferne.


        Am nächsten Morgen passierte ich dann die Grenze zwischen den Provinzen Valencia und Murcia. Es gab sogar einen Grenzmarkierungsstein. Die Landschaft änderte sich jedoch nicht: Weite, sonnenverbrannte Ebenen in denen nur Mandel- und Olivenbäume sowie einige Weinstöcke standen.



        In den tieferen Lagen begannen dann die fast schon industriellen Obstplantagen. Kilometerlange Plantagen mit Obstbäumen, die alle mit riesigen Netzen abgedeckt waren und mit Stacheldraht umzäunt. Im tiefsten Winter war hier natürlich nichts los. Nur sehr selten sah ich einige Arbeiter, die Obstbäume beschnitten. Einige dieser Arbeiter lebten am Rande dieser Plantagen in fast schon „slum“-artigen Siedlungen. Ich hatte überhaupt kein Wasser mehr und war so gezwungen, in einer dieser Hütten nachzufragen. Natürlich gab es vor jeder dieser Hütten einige Hunde, die mein Ankommen lautstark bellend ankündigten. Ich rief, um mich bemerkbar zu machen und endlich kam auch ein alter Mann aus dem Gebäude. Ich wollte eigentlich nur Wasser aus einem Wasserhahn zapfen, wurde aber gleich eines besseren belehrt. Die „Siedlung“ war nicht an das öffentliche Wassernetz angeschlossen. Der Wasserhahn zapfte nur das Grundwasser an, das in dieser Gegend aber ungeniessbar sei. Die Bewohner sammelten daher Regenwasser als Trinkwasser und aus diesem Vorrat füllte mir der freundliche Herr mit nur noch sehr wenigen Zähnen auch meine Wasserflasche. Die ganze Gegend hatte stark die Ausstrahlung einer spanischen „Deliverance“-Szene....

        Am nächsten Tag war der 24. Dezember und pünktlich zu Weihnachten würde es nach tagelangem Sonnenschein nun einen Wettersturz mit heftigen Regenfällen geben. Nur leider gab es kein billiges Hotel in der Nähe, um das Unwetter auszusitzen. Da ich nicht bereit war, 60 EUR für ein Zimmer zu zahlen, musste ich wohl oder übel ein verregnetes Weihnachten durchwandern. So wollte ich mir immerhin im nächsten Ort ein schönes Weihnachtsmenü für den Campingkocher kaufen. Der Weg hinein nach Cieza war eine der unschönsten Wegabschnitte in ganz Spanien. Erst ging es an endlosen übernetzten Obstplantagen entlang, dann stundenlang auf stark befahrerenen Asphaltstrassen an zahllosen wilden Müllkippen vorbei. Im ersten „Chinesen-Bazaar“ in Cieza kaufte ich mir sogleich in Erwartung des Regens erst mal einen Schirm und dann noch Proviant im Supermarkt. Jetzt fehlte eigentlich nur noch Wasser. Sonst gibt es in jeder spanischen Stadt öffentliche Wasserquellen aber nun ausgerechnet in Cieza fand ich keine. Ich irrte umher und wollte mich schon an einem Springbrunnen mit dem Schild „Kein Trinkwasser“ vergreifen, als eine Frau im Morgenmantel aus dem nächsten Haus kam. (Es war im übrigen schon drei Uhr nachmittags.) Sofort bot sie mir Wasser an und wollte mir darüberhinaus noch Obst mitgeben, aber leider war mein Rucksack schon übervoll. Im Überschwang weihnachtlicher Gefühle umarmte sie mich dann noch, was wohl ein sehr komisches Bild abgegeben haben muss.



        Der Weg aus Cieza hinaus war deutlich besser als der hinein: Es ging nämlich erst mal hinauf auf einen Aussichtspunkt, von wo aus ich einen großartigen Blick auf die Stadt hatte – leider nur etwas getrübt durch das schon diesige Wetter. Und als mein persönliches Weihnachtsgeschenk fand ich dann auch einen zauberhaften Zeltplatz auf weichen Fichtennadeln. Das Weihnachtskonzert gaben dann die kläffenden Hunde in der Nachbarschaft.....

        Zuletzt geändert von German Tourist; 28.03.2014, 11:25. Grund: Rechtschreibfehler korrigiert
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        • blitz-schlag-mann
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          • 14.07.2008
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          #64
          AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

          :thumbup:

          Viele Grüße
          Ingmar
          Viele Grüße
          Ingmar

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          • German Tourist
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            • 09.05.2006
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            #65
            Murcia Teil 2

            Mein Weihnachtsessen bestand aus frischen Ravioli mit Pilzfüllung und Käsekuchen zum Nachtisch. Danach schlief ich in froher Erwartung des großen Weihnachtsregens ein. Ich schaffte es gerade noch am nächsten Morgen mein Zelt trocken abzubauen, dann fing der große Regen auch schon an – und hörte den ganzen Tag nicht mehr auf. Laut Wetterbericht regnete es in meiner Gegend an diesem 25. Dezember 20 mm, was ja noch ganz erträglich war. In Ronda, wo ich in etwa 3 Wochen sein würde, gingen am selben Tag 80 mm runter. Für Spanien gab es also ein nasse statt einer weißen Weihnacht. Trotz Schirm und Regenjacke war ich nach einigen Stunden völlig durchnässt. Unterstände gab es auf der Strecke leider so gut wie nicht – selbst meine Mittagspause musste ich auf einem nassen Stein unter meinem Schirm verbringen.

            Gegen drei Uhr hatte ich die Nase voll und beschloss, für heute den Tag zu beenden. Aber genau dann stand ich plötzlich in einer Landschaft, die ich eher in den schottischen Highlands denn in Südspanien vermutet hätte:



            Durch einen Waldbrand war hier jede Vegetation zerstört worden und bisher war nur niedriges Gestrüpp nachgewachsen. Dies hier war so ziemlich das letzte, in dem ich an einem stürmischen Tag zelten wollte. Also dann doch weiter – frühes Zelten bringt im Winter sowieso nicht viel. Kaum ist die Sonne weg, wird es in der Regel so kalt, dass man im Zelt sowieso nichts mehr machen kann als schlafen - und das tue ich sowieso schon 10 Stunden täglich.... Nach einer weiteren Stunde war ich endlich am Ende des Waldbrandgebietes angelangt und zurück in den „Bäumen“. Nun muss man sich „Bäume“ in Südspanien nicht wie Bäume in Deutschland vorstellen. Die Bäume hier werden nicht hoch, werden zur Reduktion der Waldbrandgefahr auch ständig ausgedünnt und sind auch nicht sehr dicht gepflanzt. Da zwischen den Bäumen auch immer ziemlich stacheliges Gestrüpp ist, gestaltete sich die Zeltplatzsuche nicht ganz einfach. Als ich dann endlich das Zelt aufgebaut hatte, hörte dann auch prompt der Regen auf.... Na gut. Dafür gab es am nächsten Morgen strahlenden Sonnenschein und tolle Ausblicke auf Calasparra, der nächsten Stadt am Weg.


            Am 26. Dezember waren in Calasparra alle Geschäfte geöffnet, was mich zwar sehr erstaunte, mir aber einen unerwarteten Sondereinkauf bescherte. Warum Weihnachten in Spanien mit nur einem Feiertag begangen wird, sollte ich später noch erfahren..... Für mich ging es erst mal weiter – und höher. Bisher war ich in Murcia immer sehr niedrig gelaufen – daher auch die sehr sommerlichen Temperaturen. Jetzt würde ich auf 1.500 m aufsteigen. Schneegrenze war laut Wetterbericht 1.200 m.... Zunächst ging es entlang der Schlucht des Rio Alharabe. Rio oder Fluss muss man sich jetzt auch nicht mit deutschen Maßstäben vorstellen: Aufgrund des vielen Regens führte der Fluss zwar Wasser, war aber zu Fuß leicht zu furten. (Collage unten rechts).



            Dafür machte mir ein anderes Problem viel mehr zu schaffen: Der Regen hatte die Wege in eine Schlammschlacht verwandelt und der Lehm klebte mir kiloweise an den Schuhen. Nach der dramatischen Schlucht kam ich dann oben auf dem Altiplano, also der Hochebene an, wo mich aber genau derselbe Anblick wie vor einigen Tagen erwartete: endlose sonnenverbrannte Anbauflächen. Nur war es hier oben deutlich kälter und ich fragte mich langsam besorgt, wo ich denn hier zelten sollte. Immerhin war von Schnee hier wie auch in den nächsten Tagen, außer ein paar kläglichen Resten nicht viel zu sehen. Aber je höher ich kam, desto mehr Bäume gab es und so fand sich auch immer ein Zeltplatz für mich.

            Der 28. Dezember schien hier allgemeiner Jagdtag zu sein. Ständig kamen Autos mit Anhängern und Dutzenden von Jagdhunden an mir vorbei. Unglücklicherweise warnte auch ein handgemaltes Schild am GR 7 vor einer großen Wildschweinjagd. Aber es half nichts, ich musste hier durch, denn eine Umleitung war natürlich nicht ausgeschildert. Gottseidank hatte ich ja meine neonorange Idiotenkappe, denn nach mehreren Tagen Schlammschlacht auf dem GR 7 ähnelte ich wohl äußerlich mehr einem Wildschwein als einem zivilisierten Menschen. Ich kam unangeschossen durch das Jagdgebiet – nur um wenig später wieder auf ein ähnliches Schild zu treffen. Ich hatte bald das Gefühl, dass es in diesem Gebiet mehr Jagdhunde als Wildschweine gab.

            Kurz vor der „Grenze“ zu Andalusien hatte ich dann noch mal eine etwas gruselige Begegnung. Auf der Suche nach einem geschützten Zeltplatz musste ich mal wieder Kilometer reißen und so war es schon fast dunkel, als plötzlich aus dem Nichts ein Mann vor mir auftauchte und mich fragte, wo ich denn hin wollte. Ich erschrak mich ziemlich, denn normalerweise war hier um diese Jahreszeit kaum jemand zu Fuß unterwegs und schon gar nicht bei Einbruch der Dunkelheit. Der Mann war zudem ziemlich ungepflegt und machte keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck, zumal er mich auch noch um Zigaretten und Geld anpumpen wollte. Ich erzählte mein übliches Märchen vom Ehemann, der an der nächsten Strasse mit dem Auto auf mich wartete und machte mich schnellstmöglich aus dem Staub. Ich suchte einen extra versteckten Zeltplatz im Dunkeln, also ohne meine Stirnlampe, die aus der Entfernung meinen Standort hätte verraten können. Der Mann war wahrscheinlich völlig harmlos und ein Feldarbeiter auf einem nahegelegenen Bauernhof, aber sein plötzliches Auftauchen aus dem Dunkeln hatte mich ziemlich erschreckt. Dennoch verbrachte ich eine ruhige und ungestörte Nacht. Und am nächsten Morgen passierte ich dann auch gleich die „Grenze“ zu Andalusien, wieder markiert durch einen Grenzstein.



            Fazit: Mir hat die kurze einwöchige Strecke durch Murcia ziemlich gut gefallen, obwohl sie landschaftlich nicht mit Valencia oder Andalusien mithalten konnte. Dennoch fand ich es ziemlich interessant, mal hautnah zu sehen und zu erleben, wo und unter welchen Umständen das Obst in den deutschen Supermärkten angebaut wird. Ich empfand die weiten sonnenverbrannten Ebenen als interessante Abwechslung, allerdings kann ich nur dringend abraten, hier im Sommer zu laufen. Insgesamt war die Strecke abwechslungsreicher als gedacht und vor allem ist sie das ganze Jahr über begehbar.

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            • FatmaG
              Erfahren
              • 14.03.2013
              • 233
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              • Meine Reisen

              #66
              AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

              Pünktlich zum Sonntagmorgen-Kaffee...
              Wie immer lese ich Deinen Bericht mit großer Spannung und Neugier.
              Schön, dass Du nicht nur die Freuden, sondern auch Deine "gruseligen" Momente mit uns teilst.
              Das macht Mut (zumindest mir).

              Komm nicht zu schnell in Tarifa an ;)

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              • German Tourist
                Dauerbesucher
                • 09.05.2006
                • 849
                • Privat

                • Meine Reisen

                #67
                AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                Keine Sorge, es geht jetzt noch einen Monat durch Andalusien.....

                Zu der "gruseligen" Begegnung: Ich hatte lange überlegt, ob ich das wirklich schreiben soll, denn letztendlich war das ganze ja völlig harmlos. Da ich aber ständig gefragt werde, ob ich denn "so als Frau alleine" keine Angst hätte, wollte ich zeigen, dass diese Begegnung so mit das "schlimmste" war, was mir "so als Frau allein" passiert ist.

                Wenn ich unterwegs jemandem begegne, dann ist diese Person in der Regel zumindest genauso überrascht wie ich. Dies war auch das "gruselige" an der o.g. Begegnung. Der Mann hatte mich schon erwartet.

                Bei meinen Outdoorunternehmungen gehören unangenehme Begegnungen bzw. Menschen, die mir Angst machen meist zu zwei Gruppen:

                Alkoholisierte bzw. sonstwie unter Drogen stehende Gruppen, vor allem Party feiernde Jugendliche: Aus diesem Grund übernachte ich in Europa nur dann in oder an öffentlich zugänglichen Schutzhütten, wenn das Wetter so schlecht ist, dass keine Freiluftparty zu erwarten ist.

                Obdachlose, vor allem, wenn sie einen geistig verwirrten oder betrunkenen Eindruck machen: Dies ist ein Phänomen, das man weniger in Europa als in den USA oder Australien antrifft. Dort nutzen einige Obdachlose die Trail shelter als Dauerunterkunft bzw. sie wandern teilweise auch den Trail entlang. In der Regel sind diese Begegnungen völlig harmlos und oft habe ich dabei auch schon sehr interessante Lebensgeschichten gehört, aber manchmal sind diese Menschen geistig etwas verwirrt und können zu unerwarteten Handlungen neigen.

                Mir ist in meiner ganzen Outdoorlaufbahn noch nie auch nur ansatzweise irgendetwas von einem anderen Menschen angetan worden. Ich fühle mich draussen im Wald deutlich sicherer als z.B. in der Großstadt. In der Regel ist die eingebildete Gefahr deutlich größer als die tatsächliche....
                http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                • aachenbenne
                  Erfahren
                  • 03.11.2013
                  • 296
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #68
                  AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                  Danke für den tollen, ausführlichen Bericht. Sieht wirklich nach einer sehr schönen Gegend aus, wobei ich persönlich wohl die Jahreszeit wechseln würde

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                    • 09.05.2006
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                    #69
                    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                    Kaum war ich in Andalusien, verschwanden auch gleich noch die eh schon spärlichen Wegmarkierungen – dafür tauchten sie dann immer genau da wieder auf, wo laut Karte keine Weg sein sollte. Laut Karte sollte der Weg die letzten Kilometer vor Puebla de Don Fadrique auf der Straße entlang führen, die Wegmarkierungen zeigten jedoch in eine völlig andere Richtung. Ganz offensichtlich wollten die Wegplaner die Strecke von der Straße wegverlegen, aber wie groß würde der Umweg sein? Mit unzuverlässigen Markierungen und keiner Karte der Strecke war mir das Risiko zu groß, einen endlosen Umweg zu laufen. Ich blieb auf der Strecke underreichte Puebla am Mittag. Dort quartierte ich mich an das örtliche Hotel ein, wo ich mit 20 EUR das billigste Zimmer auf der ganzen Tour hatte – dabei hatte das Zimmer wie üblich Dusche, WC, Fernseher und natürlich wifi. Nur leider erfolgte die Anmeldung an der Bar des dazugehörigen Restaurants und der Kellner machte sich einen Spaß daraus, unschuldige Touristinnen unter dem Gelächter der natürlich ausschließlich männlichen Gäste zu verarschen.

                    Ich blieb nur eine Nacht – nicht nur wegen des Kellners mit dem seltsamen Humor, sondern vor allem weil Silvester im Anzug war. Und dies wollte ich fernab von jeglicher Zivilisation und Strasse in meinem Zelt verbringen. Davor hatten die Wegplaner allerdings erst mal 36 km auf Asphalt gesetzt. Ich blieb solange als möglich in meinem Hotelzimmer (Check-out in spanischen Hotels ist in der Regel wandererfreundliche 12 Uhr), schaute mir noch das unscheinbare Puebla an und wanderte nachmittags los, um so die 36 km Strasse zumindest auf zwei Tage zu verteilen.

                    Entgegen aller Erwartungen war dieser Strassenabschnitt gar nicht so furchtbar, denn auf der kleinen Landstraße war so gut wie kein Verkehr. Dafür schraubte sich die Straße unerbittlich in die Höhe. Ab 1.500 m begann der Schnee – zwar keine durchgehende Schneedecke, aber doch noch erhebliche Reste. Ich wollte nicht direkt an der Straße zelten und schlug daher eine Nebenroute ein, die mich letztendlich auf 1.700 m führte – und damit direkt in den Schnee hinein. Ich suchte mir einen Zeltplatz unter einem Baum, wo kein Schnee mehr lag und verbrachte eine erwartungsgemäß recht kalte Nacht.



                    Meine selbstgebastelte Nebenroute führte leider bald wieder auf die Strasse zurück, auf der es jetzt nach Santiago de la Espada hinunter ging. Laut Karte ging der GR 7 jetzt von der Strasse ab, aber natürlich gab es an dieser Stelle keinerlei Schild oder Markierung. Stattdessen durfte ich erst mal einen Fluss überqueren – und natürlich gab es auch keine Brücke. Dafür stand ich jetzt in einer eigenartigen Schlucht, in der Behausungen in die Klippenwände gehauen worden waren.


                    Als ich mich weiter in die Schlucht vorwagte, stellte ich fest, dass nicht alle Behausungen verlassen waren. Es lag jede Menge Müll herum und irgendwo spielten auch Kinder. Das ganze hatte schon etwas sehr Surreales. Irgendwann kam ich nicht mehr weiter, denn die Schlucht wurde zu eng. Der Weg musste nun wohl irgendwo auf die Klippen hinaufführen – nur wo? Ich wollte zwar nicht den Höhlenbewohnern durch ihren Vorgarten laufen, aber mir blieb nicht viel anderes übrig. Dabei stieß ich dann auch auf die Höhlenbewohner selbst: eine Art Öko-Kommune, die mir freundlich den Weg aus der Schlucht hinaus zeigten. Ich glaubte, mein Elend hätte nun ein Ende – aber da steckte ich dann auch schon wieder auf schlammigen Wegen fest. Ich schaffte es aber dennoch noch nach Santiago de la Espada, wo sich entgegen all meiner Internetrecherchen sogar mehrere auch noch geöffnete Supermärkte befanden. Ich hatte völlig umsonst für mehrere Tage Proviant aus Puebla mit geschleppt. Egal: Heute war Silvester und ich würde einen ruhigen Schlafplatz brauchen.

                    Der GR 7 teilt sich in Andalusien bei Santiago de la Espada in eine Nord- und Südvariante, die bei Villanueva del Cauche wieder zusammen kommen, um dann gemeinsam in Tarifa zu enden. Die Südvariante durch die Sierra Nevada ist die landschaftliche schönere, ist aber auch deutlich höher gelegen. Da ich Schneeprobleme befürchtete, entschied ich mich daher für die tiefer gelegene Nordvariante. Nicht einmal diese wichtige Stelle des GR 7 war markiert...


                    Gegen Abend bekam ich dann noch einen für Spanien üblichen Begleiter: Ein Hund lief ständig hinter mir her – ich wollte Silvester aber doch lieber alleine verbringen. Als es mir endlich gelang, den Hund abzuschütteln, fand sich auch bald ein idealer Zeltplatz zum Jahresausklang. Das Neujahrskonzert lieferten mal wieder kläffende Hunde in der Ferne.... Aber darüberhinaus störte nichts meine Ruhe in dieser Silvesternacht. Nicht mal in der Ferne konnte ich irgendwelches Feuerwerk hören.
                    http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                      #70
                      AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                      Zitat von aachenbenne Beitrag anzeigen
                      Danke für den tollen, ausführlichen Bericht. Sieht wirklich nach einer sehr schönen Gegend aus, wobei ich persönlich wohl die Jahreszeit wechseln würde
                      Danke für das Lob, aber ich habe ja ganz bewusst den Winter gewählt. Natürlich wäre es etwas einfacher gewesen, die Strecke im Herbst oder Frühjahr zu laufen (Sommer ist aufgrund der Hitze deutlich ungeeignet), aber ich wollte herausfinden, ob man auch in Europa das ganze Jahr über halbwegs bequem wandern kann. Und wie mein Bericht zeigt: Man kann!
                      Obwohl ich sicher auch ab und zu unter den kalten Nachttemperaturen und dem zeitweiligen Regen gelitten habe, in Summe war diese Tour nicht "schlimmer" als eine vergleichbare 3-Jahreszeiten-Tour. Ich hatte halt nur eine etwas wärmere Ausrüstung dabei - und habe noch nie so viel geschlafen....
                      http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                        #71
                        Cazorla Nationalpark

                        Als ich im neuen Jahr erwachte und aus dem Zelt schaute, fühlte ich mich eher wie in Schottland denn in Andalusien. Draußen herrschte dichter Nebel - und mitten drin eine Schafherde. Auf dem Weg zur Quelle des Rio Segura stieß ich erstmals auf die ausgezeichnete Markierung und die großen Informationstafeln des neuen GR 247, Bosques del Sur. Ich sollte in den nächsten Tagen immer mal wieder auf diesen GR stoßen – und irgendwann werde ich diesen Weg auch mal komplett laufen. Jetzt sollte eigentlich das Highlight der Südvariante des GR 7 folgen: Der Cazorla Nationalpark. Aber leider sollte ich davon nicht viel mitbekommen. Es hatte in der Gegend 4 Monate lang nicht geregnet, aber genau jetzt setzte nach dem großen Weihnachtsregen ein dreitägiger Nieselregen ein. Immerhin führte dies dazu, dass der Schnee auf den Höhenlagen schon fast komplett abgetaut war. Trotz des dichten Nebels konnte ich erahnen, wie schon die Gegend eigentlich war.



                        Ich wurde zunehmend frustrierter und vor allem immer nässer. Am meisten nervte mich, dass ich sogar für meine Mittagspause keinen Wetterschutz finden konnte. Und es macht echt keinen Spaß, auf einem nassen Stein sitzend unter dem Regenschirm zu kochen. Immerhin war es nicht sehr kalt, so dass ich wenigstens nicht besonders fror.


                        Der Weg stieg nun ab ins Tal des Guadalquivir – von dem ich leider aufgrund des Nebels auch nicht viel sah. Das weite Flusstal ist wohl Überschwemmungsgebiet, aber der Fluss selbst war im Moment nicht wirklich breit. Immerhin bot der Nebel einen guten Sichtschutz beim Zelten, denn im Tal des Guadalquivir war relativ viel los, trotz der Wintersaison. Mehrfach begegneten mir Spaziergänger und Jogger – ganz ungewohnt nach langer Einsamkeit auf dem GR 7.



                        Der GR 7 folgt dann einem der Nebenflüsse des Guadalquivir wieder hinauf. Dieser recht populäre Wegabschnitt ist in der Tat recht spektakulär und die gepflegten und breiten Wege lockten auch bei Nieselregen mehrere Tageswanderer an. Von Cazorla aus werden auch Jeeptouren in diese Gegend angeboten, aber der andauernde Regen hatte zu zahlreichen Erdrutschen und Steinschlägen geführt, die jetzt die Forststraßen blockierten. Ich konnte da natürlich drüberklettern, hatte danach aber den Nationalpark wieder für mich ganz allein.



                        Im Nachhinein finde ich es sehr schade, dass ich sowenig vom Nationalpark mitbekommen habe. Im Gegensatz zur Sierra Nevada ist der Cazorla Nationalpark ausserhalb Spaniens recht wenig bekannt, aber gerade im Winter eine echte Alternative, da er niedriger gelegen ist. Der GR 247 führt als Rundtour durch den Park. Die einzelnen Tagesetappen enden dabei meist an kostenlosen Refugios – die ich im Regen gut hätte gebrauchen können, die aber leider nicht am GR 7 lagen....Und so war ich denn ausgesprochen froh, als ich endlich in Cazorla ankam und mich und meine Ausrüstung im Hotel erst mal wieder richtig trocknen konnte.
                        http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                        • AlfBerlin
                          Lebt im Forum
                          • 16.09.2013
                          • 5073
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                          #72
                          AW: Cazorla Nationalpark

                          Danke für Deinen Reisebericht

                          Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
                          Am meisten nervte mich, dass ich sogar für meine Mittagspause keinen Wetterschutz finden konnte. Und es macht echt keinen Spaß, auf einem nassen Stein sitzend unter dem Regenschirm zu kochen.
                          Weshalb baust Du nicht in solchen "Notfällen" Dein Zelt auf?

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                          • berniehh
                            Fuchs
                            • 31.01.2011
                            • 2408
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                            #73
                            AW: Cazorla Nationalpark

                            Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
                            Ich wurde zunehmend frustrierter und vor allem immer nässer. Am meisten nervte mich, dass ich sogar für meine Mittagspause keinen Wetterschutz finden konnte. Und es macht echt keinen Spaß, auf einem nassen Stein sitzend unter dem Regenschirm zu kochen.
                            .
                            Das würde mich auch ziemlich nerven wenn ich während meiner Mittagspause im Regen sitzen müsste. Daher schlage ich für solche Fälle auch gerne mal auf die Schnelle mein Zelt auf.
                            www.trekking.magix.net

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                              • 09.05.2006
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                              #74
                              AW: Cazorla Nationalpark

                              In meiner Situation war das Zeltaufbauen zur Mittagspause keine besonders attraktive Option - ich empfinde das als viel zu aufwendig. Erst mal müsste ich einen geeigneten Platz finden, was angesichts des spanischen stacheligen Gesträuchs nicht einfach ist. Dann ist das Zelt nach der Mittagspause wieder nass und muss nass eingepackt werden. Dadurch ist es nicht nur schwer, sondern tropft vor allem auch eine ganze Weile vor sich hin - und zwar genau auf meinen Hintern. Wenn es vorher nicht schon nass war, hätte ich durch die Aktion auch noch den Innenraum nass gemacht, denn meine Klamotten sind ja auch nass. Das wichtigste Argument gegen den Zeltaufbau ist jedoch die Zeit. Auf dieser Wintertour hatte ich im Dezember und Januar gerade mal 10 Stunden Tageslicht - da versuche ich die Mittagspause kurz zu halten - auch um bei kälteren Temperaturen und/oder nassen Klamotten nicht auszukühlen. Abends im Dunkeln kann ich dann ausführlich kochen, denn ich muss ja 14 Stunden im Zelt rumbringen.

                              Ich gebe aber zu, dass ich prinzipiell kein Freund von Zeltaufbauen zur Pause bin - das ist mir fast immer zu aufwendig. Aber: HYOH!
                              http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                              • GClaus
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                                • 18.02.2014
                                • 16
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                                #75
                                AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                Danke Christine für Deine letzten 2 schnelle Berichte.
                                Ich habe schon befürchtet, der nächste Bericht dauert wieder ewig!!! Bedenke wir wollen Deine Berichte lesen, Rechtschreibfehler kannst Du behalten!
                                Was mir an Deinen Berichten gefällt: sie sind ehrlich, aufschlussreich und mit ein bisschen (Galgen) Humor geschrieben und nach der Art: was ich anfange ziehe ich durch egal was kommt.
                                Ich bin froh, dass Du diese Berichte in Deutsch schreibst, in Englisch bin ich nicht so toll, macht mir dann auch nicht so viel spaß, immer wieder einzelne Wörter zu übersetzten, der Sinn und Christines „Galgenhumor“ kommt so besser an.

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                                • German Tourist
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                                  • 09.05.2006
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                                  #76
                                  AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                  Zitat von GClaus Beitrag anzeigen
                                  Was mir an Deinen Berichten gefällt: sie sind ehrlich, aufschlussreich und mit ein bisschen (Galgen) Humor geschrieben und nach der Art: was ich anfange ziehe ich durch egal was kommt.
                                  Danke für das Lob! Du hast zwar recht mit dem, was Du mir als Einstellung unterstellst - "was ich anfange, ziehe ich durch, egal was kommt" - aber auf dieser Tour war das gar nicht so schwer. Mir hat diese Wanderung sehr viel Spass gemacht und ich habe kein einziges Mal an Aufgeben gedacht - auch wenn es mal ein paar Durchhänger gab. Im Gegenteil: Dies war eine der entspanntesten Langstreckenwanderungen meiner ganzen Outdoorlaufbah.
                                  http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                    #77
                                    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                    Cazorla lebt vom Tourismus. Schon auf dem Weg zu meinem Hotel kam ich an zahlreichen Outdooragenturen vorbei, die 4WD-Touren in den Nationalpark anbieten. Mir war allerdings schleierhaft, wie die da mit ihren Fahrzeugen durchkommen wollten, denn der viele Regen hatte zu zahlreichen Erdrutschen und Steinschlägen geführt, die jetzt die Wege blockierten. Geführte Wanderungen hingegen wurden kaum angeboten....

                                    Cazorla hat wie üblich eine hübsche alte Altstadt, aber der wichtigste Claim to fame ist wohl die Kirche, von der jetzt alllerdings nur noch die Rückwand übrig ist. Sie ist die einzige Kirche Europas, durch die ein Fluss fließt. Oder wohl eher: unter der ein Fluss fließt. Dieser Fluss entspringt in der Sierra de Cazorla und wird auf seinem Weg durch Cazorla durch einen unterirdischen Kanal geleitet, auf dem eben auch besagte Kirche erbaut wurde. Nur leider hat dieser Fluss der Stadt kein Glück gebracht: Der Fluss wurde durch Steinschläge aufgestaut, und als sich die Felsblockade endlich löste, überschwemmte der Schwall rückgestauten Wassers die ganze Stadt und brachte die Kirche fast komplett zum Einsturz.



                                    In Cazorla tobt gerade im Winter ein harter Kampf um die Touristen und so hatte ich nicht nur ein günstiges Hotel, sonder konnte im angeschlossenen Restaurant auch recht gut und vor allem billig essen. Die Kellnerin fragte mich immer, ob ich denn zum Essen „Vino Casera“ haben wolle, was ich immer als Hauswein interpretiert hatte. Nur müsste der grammatikalisch korrekt „Vino Casero“ heissen. Die freundliche Kellnerin klärte mich dann auf und verhalf mir zu einem neuen Lieblingsgetränk. „Casera“ ist die Marke einer Zitronenlimonada und Vino Casera daher die spanische Version von einem Radler: Rotwein mit Zitronenlimonade und Eis. Auch Tinto der Verano, also Rotwein des Sommers, genannt, gab es übrigens dann auch bei Lidl für 99 Cent pro 1,5 l.....Kopfschmerzen habe ich davon nie bekommen.

                                    Die nette Dame in der Touristeninformation verhalf mir gleich zu einem weiteren Aha-Erlebnis. In Spanien bekommt man seine Weihnachtsgeschenke nicht am 24.12., sondern erst 06.01., also zum Dreikönigsfest oder in Spanisch „Los Reyes“. Daher ist in Spanien auch der 26.12. kein Feiertag mehr. Stattdessen werden die Drei Könige mit riesigen Strassenumzügen am 06.01. begangen. Das wollte ich mir natürlich anschauen, aber in Cazorla war ich nun schon 2 Nächte gewesen und wollte nicht noch länger bleiben. Aber wieder mal passte alles: Einen kurzen Tagesmarsch entfernt befand sich Quesada, wo es ein halbwegs billiges Hotel und sogar ein Museum gab. Dort würde ich mir den Umzug anschauen.

                                    Diese kurze Etappe führte mich größtenteils durch den Nationalpark Cazorla, diesmal allerdings bei strahlendem Sonnenschein. Dabei konnte ich dann an Ansätzen sehen, was ich in den Tagen vorher aufgrund des Nebels verpasst hatte.



                                    Besonders beindruckend aus der Ferne war die Schlossruine von Cinco Esquinas, also das Schloss mit den 5 Ecken. Die Gegend und auch die von mir nachfolgend durchwanderte Region war jahrhundertelang Grenzregion zwischen Spanien und dem von Arabern besetzten Gebieten.


                                    Das modernistische Museum in Quesada ist dem dort geborenen Maler Zabaleta gewidmet. Ich gebe ehrlich zu, dass ich vorher noch nie etwas von ihm gehört hatte. Da er allerdings sehr viele Bilder seiner Heimatstadt gemalt hat, poste ich hier keine Photos von Quesada, sondern Bilder von Zabaleta.



                                    Wie im Hotel so war ich auch im Museum der einzige Besucher. Die Dame an der Kasse war höchst erfreut über mein Interesse an spanischer Folkore und erzählte mir in allen Details von den spanischen Weihnachstgebräuchen. Wie es der Zufall so wollte, bereiteten sich die Drei Könige nämlich gerade in der Tiefgarage unter dem Museum auf den Umzug vor und mir wurde als ausländischer Ehrengast eine Privataudienz mit einem der Heiligen Drei Könige vermittelt. Leider bekam ich kein Geschenk von „Balthasar“, obwohl ich die Frage, ob ich denn das ganze Jahr über brav gewesen sei, wahrheitsgemäß mit „Ja“ beantwortet hatte. Der Umzug wird jedes Jahr von einer anderen Gruppe im Dorf organisiert. Dieses Jahr waren die „Motoristas Medievales“ dran, also die mittelalterlichen Motorradfahrer. Mir war zwar unklar, was Mittelalter mit Motorrädern zu tun hat, aber die Jungs fanden es wohl lustig, in Rüstung und Kettenhemd auf ihren Harleys herumzudüsen und den Festumzug zu begleiten..

                                    In der Tiefgarage herrschte eifriges Treiben. Der Umzug fand hier nicht mehr wie traditionell auf Pferden statt, sondern auf ganz normalen LKW-Anhängern. Wobei jeder König einen extra Wagen mit seinem persönlichen Tross aus Engeln und Bediensteten hatte, die ihm dann beim Bonbon-Verteilen halfen. Ich hätte gerne noch mit Maria gesprochen, aber die machte gerade Zigarettenpause, bevor sie sich während des ganzen Umzugs um den kleinen Jesus kümmern musste.

                                    Beim Umzug selbst hielt ich es nicht lange aus, denn die örtliche Musikkapelle spielte gar grauselig und gegen die spanischen Kids, die professionell mit Plastiktüten ausgerüstet auf Bonbonjagd gingen, konnte ich eh nicht mithalten. Ich besuchte stattdessen die Gemeindekirche, in der ein traditionell gekleidetes Jesuskind schon auf den Besuch der Heiligen Drei Könige wartete.



                                    Insgesamt war diese Drei-Königsnacht eines der interessantesten kulturellen Erlebnisse dieser Wanderung und ich kann jedem nur dringend raten, mal einen dieser Umzüge zu besuchen. Sie finden wirklich in so ziemlich jeder spanischen Stadt Spaniens statt, egal ob groß oder klein.
                                    http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                    • Werner Hohn
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                                      • 05.08.2005
                                      • 10870
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                                      #78
                                      AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                      Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
                                      ... Der Umzug wird jedes Jahr von einer anderen Gruppe im Dorf organisiert. Dieses Jahr waren die „Motoristas Medievales“ dran, also die mittelalterlichen Motorradfahrer. Mir war zwar unklar, was Mittelalter mit Motorrädern zu tun hat, aber die Jungs fanden es wohl lustig, in Rüstung und Kettenhemd auf ihren Harleys herumzudüsen und den Festumzug zu begleiten..
                                      Eine Anspielung auf "Alte Herren"? Die Harleys würden in diese Zielgruppe passen - jedenfalls wenn ich mir vergegenwärtige, welch Volk bei uns auf diesen Kisten hockt.
                                      .

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                                      • German Tourist
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                                        • 09.05.2006
                                        • 849
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                                        #79
                                        AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                        Ich verspreche, dass sich das Gejammere über schlechtes Wetter ab jetzt in Grenzen halten wird. Nicht etwa, weil es ab jetzt nur noch gutes Wetter gibt – nein, sondern weil es ab jetzt ein neues Jammer-Thema gibt: Olivenbäume. Der Bezirk Jaen ist weltweit einer der größten Produzenten von Olivenöl. Ab jetzt würden sich die Olivenbaumplantagen bis zum Ende meiner Tour endlos hinziehen. Jeden Tag kam ich an Tausenden von Olivenbäumen vorbei. Olivenbäume, Olivenbäume und noch mehr Olivenbäume. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das so auf den Geist gehen würde.


                                        Die Olivenbäume brachten auch ein kleines Zeltproblem mit sich. Erstens kann man sich in Olivenbaumplantagen nicht richtig gut verstecken, denn die Bäume stehen sehr weit auseinander und es gibt kein Unterholz. Dann gibt es auch keine Streu gleich welcher Art, die einem ein weiches Lager ermöglicht. Entweder man liegt auf steinharter, sonnenverbrannter Erde – oder, nach anhaltendem Regen – im Schlamm. Letzteres war zur Zeit der Fall. Es wurde abends und zu allem Unglück waren die Olivenbaumplantagen jetzt auch noch umzäunt. Ich lief mal wieder Strasse und bog in einen Seitenweg ab, um ungestört vom Verkehr einen Zeltplatz zu finden. Nur leider war der Boden so aufgeweicht, dass ich nirgendwo so richtig zelten wollte. Endlich fand ich einen Platz tief in einer Plantage auf ein bisschen Gras – nur leider total freistehend, so dass am nächsten Morgen mein Zelt wieder mal komplett überfroren war. Ich hatte am Morgen einen etwas hektischen Start, denn ich hörte schon in der Nähe einige Feldarbeiter und wollte schnell fort, bevor sie mich entdeckten.

                                        Die GR 7-Planer geben immerhin ihr bestes, um dem Oliven-Einerlei etwas Abwechslung zu verschaffen. Hinter Jodar schickt einen der GR 7 steil hoch auf einen Berg (natürlich durch Olivenbäume), von wo aus man dann eine grandiose Aussicht auf das Tal hat (Collage rechts). Nur leider mischt sich ein Wermutstropfen in die schöne Aussicht, nämlich die Frage, wie man jetzt da wieder runter kommen soll. Der Weg endet nach einigen Hundert Metern und man steht vor einem steilen Abgrund. Passenderweise liegt dort unten dann ein Autowrack, das einem während des ganzen Abstiegs vor Augen führt, was einem im Falle eines Absturzes passieren kann. Ganz so schlimm wurde es dann doch nicht, aber dennoch musste man auf den rutschigen Geröllfeldern schon recht vorsichtig sein. Ich jedenfalls war froh, als ich wieder unten ankam – und durch meine heißgeliebten Olivenbäume wandeln durfte. Die Zeltfrage gestaltete sich mal wieder schwierig, zumal ich durch den schwierigen Abstieg etwas hinter meinem Zeitplan herhinkte. Aber auf einer alten Terrasse fand sich dann ein schönes Plätzchen mit grandioser Aussicht auf den Sonnenaufgang (Collage unten links).



                                        Der nächste Tag brachte mal wieder ein echtes Highlight: Den kleinen Nationalpark Sierra Magina. Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel machte das Wandern jetzt richtig Spass. Als ich oben auf dem Pass angekommen war, hatte ich mal wieder einen traumhaften Ausblick. Vor mir konnte ich sogar die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada sehen - und mich freuen, dass ich jetzt nicht durch Schnee stapfen musste, sondern mich auf der tieferliegenden Südvariante befand.



                                        Während meiner Mittagspause im Sonnenschein hatte ich angesichts dieser Traumkulisse einen regelrechten Glücks-Flash, der mich dann der Berg geradezu hinterhüpfen liess. Allerdings hielt dieser Glückstaumel nicht lange an, denn ich musste leider entdecken, dass der Track auf meinem GPS abgeschnitten war. Da der GR 7 hier in Andalusien so gut wie gar nicht markiert war, war dies eine echte Katastrophe. Und ohne richtigen PC konnte ich das Problem auch nicht beheben. Meine Vermutung bestätigte sich dann einige Wochen später nach meiner Rückkehr nach Deutschland. Der Track dieses Streckenabschnitts hatte mehr als 10.000 Trackpunkte. Und danach schneidet Garmin beim Übertragen auf das Gerät einfach den Track ab. Ich hatte mich darauf verlassen, dass es beim Übertragen eine Fehlermeldung geben würde, aber das war leider nicht geschehen. Und nun stand ich halt für die nächsten Tage ohne Track da....


                                        Die erste Bewährungsprobe ließ nicht lange auf sich warten. Ich durchquerte abends das Dorf Cambil und musste nun dem Fluss Cambil folgen. Eigentlich eine einfache Sache sollte man denken. Nur: Auf welcher Seite verlief der Weg? Durch heftige Regenfälle in den Vorjahren war der Weg und einige Brücken weggespült worden. Als der Weg im Nichts endete, zeltete ich erst mal, denn ich wollte nicht im Dunkeln durch Flüsse waten müssen. Letztendlich hatte ich Glück. Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass die meisten Brücken wieder aufgebaut worden waren. Ich musste zwar einige Kilometer „bushwhacken“, aber das ist unter Olivenbäumen doch recht einfach. Dennoch war ich froh, als ich das Tal unter einer wenig anheimelnden Autobahnbrücke hindurch wieder verlassen konnte.



                                        Dafür wurde ich jetzt mit einer unerwartet schönen Strecke belohnt. Zunächst ging es wieder mal durch endlose Olivenbäume, bis der Weg laut meiner Papierkarte abzweigt, um in eineFlusstal abzusteigen. Dieser Abzweig war natürlich in keinster Weise markiert und ich musste mal wieder über Stacheldrahtzaun klettern und durch eine Viehherde durch, bis ich mich auf so etwas wie einem Weg wiederfand. Aber welche Überraschung, als ich am Kamm oben ankam und sich mir der Blick auf das Tal eröffnete. Vor mir lag nicht nur ein enges, dramatisches Flusstal, sondern auch ein Stausee – und vor allem ein wunderbarer uralter Serpentinenpfad hinunter. Durch die vielen Serpentinen war der steile Abstieg gar nicht schlimm und ich musste nur ständig anhalten, um die tolle Aussicht zu genießen. Und unten am Fluss gab es sogar eine passable Brücke. Als ich dann auch noch wenige Stunden später einen Zeltplatz unter Nadelbäumen fand, war mein Glück perfekt.



                                        Da war es dann auch nicht mehr schlimm, dass sich der letzte Tag bis nach Alcala la Real hinzog wie Kaugummi – natürlich unter Olivenbäumen. Erst ganz zum Schluss tauchte hinter einer Kuppe Alcala auf.

                                        http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                        • macroshooter
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                                          • 17.07.2012
                                          • 988
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                                          #80
                                          AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                          Danke für den anschaulichen Bericht. Ich warte gespannt auf die nächsten Etappen. Besonders weil es jetzt in mein geliebtes Andalusien geht.
                                          Die GR 7-Planer geben immerhin ihr bestes, um dem Oliven-Einerlei etwas Abwechslung zu verschaffen. Hinter Jodar schickt einen der GR 7 steil hoch auf einen Berg (natürlich durch Olivenbäume), von wo aus man dann eine grandiose Aussicht auf das Tal hat.
                                          Leider hast Du da einen Joke vergeben.

                                          Die GR 7-Planer geben immerhin ihr bestes, um dem Oliven-Einerlei etwas Abwechslung zu verschaffen. Hinter Jodar schickt einen der GR 7 steil hoch auf einen Berg (natürlich durch Olivenbäume), von wo aus man dann eine grandiose Aussicht auf Olivenbäume hat.

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