[D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

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  • German Tourist
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    • 09.05.2006
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    • Meine Reisen

    #61
    AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

    @abt
    Gute Frage, denn ich "quäle" mich mit dem Ostteil dieser Wanderung schon seit geraumer Zeit herum und komme nicht wirklich weiter. Die Ostrichtung umfasst idealerweise den ganzen Karpatenzug und trotz intensiver Recherche musste ich leider feststellen, dass es für Rumänien und Ukraine nur sehr unzureichend Karten gibt. Wie schon einleitend geschrieben war mein Vorbild Nicholas Crane mit Karten aus dem Ersten Weltkrieg unterwegs....und leider hat sich das noch nicht grundlegend gebessert. Ich werde den Ostteil der Tour also noch eine ganze Weile vor mir herschieben und liebäugle zur Zeit eher mit einem logistisch etwas einfacherem Projekt: von Tarifa zum Nordkap, also vom südlichsten Punkt Europas zum nördlichsten.
    Den Ostteil der Tour werde ich sicherlich nicht vor 2016 in Angriff nehmen.

    Übrigens ist mein Reisebericht ja noch nicht zu Ende....
    http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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    • Enja
      Alter Hase
      • 18.08.2006
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      • Meine Reisen

      #62
      AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

      Das überrascht mich jetzt. Plane gerade meine eigene "Ost-Variante". Das geht eigentlich sehr gut. Hatte gedacht, du planst die Donau im Boot. Die Strecke ist nun wirklich nicht unerschlossen.

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      • German Tourist
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        • 09.05.2006
        • 849
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        • Meine Reisen

        #63
        AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

        Camino del Norte: Irun bis Bilbao

        Irun war ein wichtiger Punkt in meiner Wanderung: Ab hier hatte ich das technisch anspruchsvolle Gelände endgültig hinter mich gelassen und würde jetzt nur noch auf Pilgerwegen unterwegs sein. Ich war noch nie gepilgert und hatte auch keine allzu hohen Erwartungen daran. Ich hatte diese Route gewählt, da ich einfach mal rausfinden wollte, was es denn mit dem Pilgern so auf sich hat. Dabei hatte ich bewusst den Camino del Norte gewählt, der nicht so überlaufen wie der Camino Frances ist und sich auch mit dem relativ wenig begangenen Camino Primitivo kombinieren lässt.

        In Irun angekommen steuerte ich erst mal das Postamt an. Dort erwartete mich hoffentlich ein Nachschubpaket mit Karten. Die spanische Post hat für Pilger extra das sogenannte „Paquete Xacobeo“ eingerichtet. Die Postämter entlang der Caminos bewahren so markierte Pakete sogar 30 Tage lang auf. Und tatsächlich fand sich mein Paket auch sofort an. Auch mit der Zimmersuche hatte ich Glück. Obwohl aufgrund eines Festivals im Nachbarort San Sebastian die Unterkünfte knapp waren, fand mir ein netter Mitarbeiter in der Touristeninformation eine preisgünstige Unterkunft, wo ich mich erstmal von den Pyrenäen etwas erholen konnte.

        Am nächsten Tag ging es weiter in das 25 km entfernte San Sebastian. Die Strecke entlang der Küste ist eigentlich sehr schön mit tollen Ausblicken auf das Meer. In einem der kleinen Küstenorte erwartete mich ein riesiger Menschenauflauf. Hunderte, ja tausende von Menschen warteten entlang der Bucht und Polizei versuchte die Neugierigen unter Kontrolle zu halten. Leider war mir anfangs völlig unklar, worum die ganze Aufregung ging. Als ich selbst außerhalb des Ortes immer noch dutzende von aufgeregten Fotografen herumrennen sah, fragte ich mal nach. Alle Passanten warteten auf die Einfahrt eines großen Kreuzfahrtschiffes in die Bucht. Das passierte nur wenige Male im Jahr, denn die Einfahrt war extrem eng und schwierig. Und da hörte ich auch schon das Tuten eines Ozeanriesen und konnte durch die Büsche einen kurzen Blick auf das schwierige Einparkmanöver erhaschen. Der Kapitän muss wohl ziemlich geschwitzt haben bei dem knappen Manöver....

        Mir war sehr unschlüssig gewesen, ob ich mich in dieser dicht bevölkerten Gegend mit Wildzelten versuchen oder mein Glück in einer Jugendherberge suchen sollte. Leider erwiesen sich alle potentiellen Wildzeltplätze als problematisch und so lief ich immer weiter, bis ich schon fast die Stadtgrenze von San Sebastian erreicht hatte. Die Jugendherberge am Stadtrand hatte auch noch ein Bett für mich, die Rezeptionisten versuchte aber eindringlich, mich in die zentralere Stadtherberge umzuleiten und reservierte dort auch ein Bett für mich. Maximal 40 Minuten Fußweg seien es dorthin..... Wahrscheinlich war sie Marathonläuferin, denn ich brauchte mehr als 1,5 Stunden und erhielt einen echten Kulturschock. Genau zur Zeit des abendlichen Paseos erreichte ich die Strandpromenade von San Sebastian. Heerscharen von Spaziergängern versperrten mir den Weg. Ich, im schon ziemlich mitgenommenen Wanderoutfit sah mich plötzlich mit Hunderten von aufgetakelten Spanierinnen im Minirock und High Heels konfrontiert – der Kulturschock hätte nicht größer sein können.



        Ich fühlte mich nicht sehr wohl im trendy San Sebastian, wo sich alles um die Strandpromenade drehte und ergriff schon am nächsten Tag die Flucht. Die weitere Strecke nach Bilbao eröffnete mir gleich alle Aspekte eines Pilgerwegs. Es gab zwar auch schöne Strecken durch vor allem Eukalyptuswälder und auch einige schöne historischen Wege, aber leider auch endlos viel Strasse. Vor allem die Gegend um die Großstädte war in einziger Betonalptraum, der so gar nichts mit Pilgeridylle zu tun hatte.

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        • azaun
          Erfahren
          • 06.04.2009
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          • Meine Reisen

          #64
          AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

          Hatte gedacht, du planst die Donau im Boot. Die Strecke ist nun wirklich nicht unerschlossen.
          Nee, steht weiter oben, sie möchte die Karpaten machen Slowakei, Ukraine, Rumänien,
          Für mich auch eine Traumstrecke. Vielleicht in Verbindung mit Eisenach – Budapest ohne Ungarn.
          Wenn es da vernünftige Karten gibt bzw. GPS-Tracks wäre ich auch gern Informiert.

          @German Tourist

          Vielen Dank für deinen Bericht.
          Der GR11 scheint schon eine Nr. für sich. Noch vor einem Jahr wurde er mir, von kompetenter Seite, als einer der wildesten, einsamsten europäischen Fernwege gepriesen. Wobei er auch die 45 Tage als notwendig erachtete.
          Na ja, klettern und hochgradig potentielle Verletzungsgefahren brauch ich keine. Mal sehen.
          Aber wie in deiner Zusammenfassung: In den Bergen gibt es zwei arten von Menschen (brauch nur an meine Verwandten in A zu denken).

          lg

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          • lina
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            • 12.07.2008
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            #65
            AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

            Zitat von azaun Beitrag anzeigen
            Vielen Dank für deinen Bericht.
            Dem möchte ich mich anschließen
            Ich habe über die Strecke zwar schon auf Deinem blog geschmökert und mochte den Bericht dort, aber das alles nochmal hier und neu formuliert lesen zu können ist toll! Vielen Dank dafür, dass Du Dir die ganze Arbeit machst mit dem Nochmal-Schreiben! Das liest sich alles ganz wunderbar! Fein, dass es noch weitere Etappen gibt!

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            • Enja
              Alter Hase
              • 18.08.2006
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              #66
              AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

              Hallo Azaun,

              wenn du Infos zu den Karpaten möchtest, machst du dafür besser einen eigenen Thread auf. Das würde hier den Rahmen sprengen.

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              • Gast-Avatar

                #67
                AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
                @abt
                ... Die Ostrichtung umfasst idealerweise den ganzen Karpatenzug und trotz intensiver Recherche musste ich leider feststellen, dass es für Rumänien und Ukraine nur sehr unzureichend Karten gibt.
                Für die die Ukraine stimmt das nicht, da gibt es eigentlich ein recht umfangreiches Angebot. Mit welchem Teilgebiet hast Du denn Probleme? Auch für die rumänischen Karpaten kann ich mir das nur schwer vorstellen. Ja sicher, vor 1990 waren wir mit kopierten Skizzen unterwegs, aber die Zeiten sind vorbei.

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                • Abt
                  Lebt im Forum
                  • 26.04.2010
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                  • Meine Reisen

                  #68
                  AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                  Zitat von chrischian Beitrag anzeigen
                  Für die die Ukraine stimmt das nicht, da gibt es eigentlich ein recht umfangreiches Angebot. Mit welchem Teilgebiet hast Du denn Probleme? Auch für die rumänischen Karpaten kann ich mir das nur schwer vorstellen. .......
                  auch Bulgarien ist kartenmäßig komplett erfasst, die Wege sind allgemein gut markiert.
                  Zum Streckenverlauf gibt es zumindest zwei grobe Varianten. Aber OK,- im Extratread wenn ihr wollt.
                  Zuletzt geändert von Abt; 24.03.2013, 10:02.

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                  • German Tourist
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                    • 849
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                    • Meine Reisen

                    #69
                    AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                    So, ich habe jetzt für die Kartendiskussion Osteuropa einen neuen Thread eröffnet.
                    http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                    • German Tourist
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                      • Meine Reisen

                      #70
                      AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                      Camino del Norte: Bilbao bis Santander

                      In Bilbao hatte ich mich in die ultramoderne Jugendherberge einquartiert. Die war super modern und sauber, hatte aber weder eine Küche oder einen Gemeinschaftsraum und vor allem keinen Büchertausch. Dementsprechend logierten dort auch vornehmlich Familien. In Bilbao interessierte mich vor allem das Guggenheim-Museum, das zwar in einem tollen Gebäude untergebracht war, aber inhaltlich nicht viel interessantes zu bieten hatte. Viel Luft um nichts.....Natürlich fiel mein Ruhetag auf einen Feiertag und so wurde es schwierig mit dem Einkaufen. Nur nach langem Suchen fand ich einen geöffneten Buchladen, wo ich mir endlich Lesenachschub kaufen konnte.

                      Der Weg hinaus aus Bilbao war lang und ziemlich ätzend. Zunächst stieß ich auf zwei versprengte Pilgerinnen aus Südafrika, die ohne Karte unterwegs waren und so in die völlig falsche Richtung liefen. Danach ich die beiden wieder auf den rechten Weg zurückgebracht hatte, legte ich einen Zahn zu und versuchte, die endlosen Vorstädte schnellstmöglich hinter mich zu bringen. Dabei ging es erst den halben Tag am Ria de Bilbao endlang, wo sich eine hässliche Industrieanlage neben die andere reihte. Erst bei Portugalete ging es mit der ältesten Schwebefähre der Welt über den Fluss und dann sogar per Rolltreppe auf dem Pilgerweg weiter. Doch leider hatte der Asphalt dann immer noch kein Ende. Mehrere Stunden ging es dann auf einem futuristischen Fahrradweg über und entlang der vielbefahrenen Autobahn. Erst ganz spät am Abend kam ich endlich aus der Beton- und Autobahnwüste heraus und fand einen Zeltplatz im Eukalyptuswald.



                      Überhaupt war das Wildzelten ausgesprochen schwierig in dieser dicht bevölkerten Ecke Spaniens. Es gab nur sehr wenig Wald zum Verstecken und der bestand fast ausschließlich aus Eukalyptus. Nur musste ich dabei leider lernen, dass dieser Eukalyptuswald komplett mit dichtem Unterholz und stacheligem Gestrüpp überwuchert ist, d.h. Zelten im Wald ist fast immer unmöglich. Und so musste ich mir irgendwelche alten Waldwege suchen, um mein Zelt aufzuschlagen. So fühlte ich mich nachts dann immer mehr wie in Australien denn in Spanien.

                      Bisher hatte ich noch keine einzige Pilgerherberge besucht, denn ich wollte mich nicht den Schnarchern im Riesenschlafsaal aussetzen. Mein Pilgerführer versprach mir aber, dass man an der vielgepriesenen Herberge von Padre Ernesto in Guemes auch Zelten könne, und so legte ich einen 40+ km Tag hin, um dort abends anzukommen. Ich war so spät dran, dass ich die Hälfte der allabendlichen Ansprache von Padre Ernesto verpasste. Der erzählt in der Hochsaison jeden Abend den Pilgern von der Reise des Lebens und vielen anderen Lebensweisheiten. Danach gibt es dann ein gemeinsames Abendessen für alle Pilger. Bei den Pilgern fand ich nicht so rechten Anschluss, aber während die Meute am nächsten Morgen früh aufbrach, ließ ich mir viel Zeit und konnte sehr ausführlich mit dem Padre über sein ausgesprochen interessantes Leben plaudern. Der war als Priester in jungen Jahren mit dem VW Bus auf Weltreise aufgebrochen und hatte sich in der Kirche der Befreiung engagiert. Jetzt lebte er als Dorfpfarrer in Guemes und führte die Pilgerherberge zwar mit der Duldung seiner kirchlichen Vorgesetzten, erhielt aber keinesfalls deren Unterstützung. Leider war die Herberge von Padre Ernesto das einzige spirituelle Angebot auf dem Camino del Norte, das ich mitbekommen habe.

                      Wieder mit einer Fähre ging es dann über die Bucht nach Santander, wo ich im Dauernieselregen ankam und die ersten Billigherbergen gleich voll belegt waren. Ich rettete mich in ein AYCE Chinabuffet, um neue Kräfte zu sammeln. Mit gefülltem Magen nahm ich die Zimmersuche dann per Telefon in Angriff und siehe da, es fand sich auch sogleich eine preiswerte und ausgesprochen schöne Unterkunft im Zentrum. Ich machte mir nur langsam Sorgen um mein Budget, denn so viele Nächte hatte ich auf der ganzen Wanderung noch nicht in bezahlten Unterkünften verbracht wie hier auf dem Camino. Als ich Santander verließ, war wie immer ein Feiertag und alles geschlossen... und es regnete.

                      http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                      • German Tourist
                        Dauerbesucher
                        • 09.05.2006
                        • 849
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                        • Meine Reisen

                        #71
                        AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                        Camino del Norte: Santander bis Oviedo

                        Ich gebe zu, dass mich der Camino del Norte langsam anfing zu nerven. Nach Irun/San Sebastian und Bilbao war Santander jetzt die dritte große Metropole, die ich durch Beton- und Industriewüsten betreten und verlassen musste. Und fast immer dauerte es fast einen ganzen Tag, in die Stadt hineinzulaufen und nochmals fast einen ganzen Tag, um wieder aus der Stadt und ihren Industrie- und Vorstädten rauszukommen. Leider wurde es danach auch nicht viel besser. Gerade dieser Abschnitt des Camino del Norte zeichnete sich durch eine Vielzahl von Industrieansiedelungen aus und läuft auch noch über weite Strecken entlang der Küstenautobahn. Zudem ist das Umweltbewusstsein der Spanier auch nicht besonders ausgeprägt: Fast jeden Tag stieß ich auf wilde Müllkippen. Die Pilger tragen auch noch dazu bei, in dem sie in jedem Seitenweg ihr Geschäft erledigen und dann auch noch massenweise Klopapier hinterlassen. Entsprechende Photos erspare ich Euch hier. Alle Photos der nächsten Collage sind auf diesem Abschnitt aufgenommen – nur leider zeigen die meisten Pilger in ihren Berichte eine verklärte Idylle und nicht die ebenso realen Betonwüsten auf den Caminos.



                        Dabei gibt es auch einige schöne Abschnitte am Meer, wie die nachfolgende Collage zeigt. Dabei fand ich es herzzerreißend, dass nur noch wenige Pilger diese hübschen Abschnitte so ungestört genießen werden können, denn genau dort wird jetzt gerade die Küstenautobahn weitergebaut.....



                        Auf diesem Abschnitt hatte ich dann auch meine nächsten Erfahrungen mit Pilgerherbergen. Dabei war die erste völlig unbeabsichtigt: Ich kam spät am Abend noch durch ein Dorf und wollte die Herberge eigentlich nur von außen beäugen, als ich in der Kneipe davor schon von der Hospitalera als Pilger erkannt und abgefangen wurde. Eh ich es mich versah, hatte ich einen Stempel und war fünf Euro ärmer – dafür durfte ich aber auch Zelten und musste mich nicht mit anderen Schnarcher herum plagen. Dabei gab es in dieser Herberge sogar ein Schnarcherzimmer....Den Abend verbrachte ich dann mit einem spanischen Pilger bei philosophischen Gesprächen in der örtlichen Bar.

                        Wenige Tage später konnte ich bei aufkommendem Nebel so überhaupt keinen vernünftigen Schlafplatz finden und beschloss, die Pilgerherberge zu testen. Nur leider konnte man dort nicht zelten und man wies mir ein Zimmer mit einem dänischen Ehepaar zu. Die entpuppten sich allerdings als hardcore Dauerschnarcher. Es war so schlimm, dass ich auf den Balkon der Herberge flüchtete, um dort wenigstens ein bisschen Ruhe zu haben. Ruhig war es zwar, aber der Nebel durchfeuchtete meinen Quilt derartig, dass ich ihn am Morgen fast auswringen konnte. Glücklicherweise war ich mit Synthetik unterwegs. Als ich zurück im Schnarcherzimmer meine Siebensachen packte, schnarchten die beiden Dänen immer noch lautstark vor sich hin, obwohl mittlerweile schon ein Dutzend Pilger türenknallend die Herberge verlassen hatte. Ich beschloss, dass dies mein letztes Herbergsexperiment gewesen war.

                        Die Orte auf diesem Abschnitt des Camino versprühten oft einen morbiden Charme. Viele romantisch überwucherte Häuserruinen erzählen von der Landflucht. Sehr interessant sind allerdings die Horreos, die ehemaligen mäusedichten Vorratsspeicher, die sich in allen möglichen Variationen am Wegesrand befinden.



                        Camino del Norte Fazit:
                        Der Camino del Norte war wohl die schlimmste Wanderung meiner ganzen mittlerweile schon 28.000 km umfassenden Wanderkarriere. Es ist mir ein totales Rätsel, warum Pilger von diesem Weg schwärmen. Dieser Camino verläuft zu 75% auf Asphalt, darunter auch häufig viel befahrene Strassen. Die vielen Großstädte am Weg sind zwar interessant, aber zum Wandern furchtbar. Wildzelten ist zwar möglich, aber so schwer wie nirgendwo sonst in Europa, wenn man Wert auf Ruhe und Abgeschiedenheit legt. Eine etwas umfassendere Kritik findet sich hier auf meinem Blog.
                        http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                        • Werner Hohn
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                          #72
                          AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                          Zitat von German Tourist
                          ... und dann sogar per Rolltreppe auf dem Pilgerweg weiter.
                          Du hast doch nicht die Rolltreppe genommen? Das gäbe 0,05 Punkte Abzug in der B-Note.
                          .

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                            #73
                            AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                            Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                            Du hast doch nicht die Rolltreppe genommen? Das gäbe 0,05 Punkte Abzug in der B-Note.
                            Oh je, erwischt.... Ich gestehe es: Ich habe die Rolltreppe genommen...
                            http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                              #74
                              AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                              Du wolltest den CF nicht, um dort nicht den Pilgern zu begegnen. Stattdessen hast du dann den Norte genommen. Um dort dem Massentourismus, der Schwerindustrie und den Autobahnen zu begegnen. Ich glaube, dass das keine gute Entscheidung war.

                              Spirituelle Angebote gibt es durchaus. Aber die findest du nicht im Wald. Wenn du Kirchen, Pilgerherbergen und Pilger meidest, ist es relativ schwer, sich für das Pilgern zu begeistern. Bzw. es überhaupt kennenzulernen.

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                                • 09.05.2006
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                                #75
                                AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                                Camino Primitivo: Oviedo nach Lugo

                                In Oviedo hatte ich mal wieder viel Glück mit einer preiswerten und guten Pension gehabt. Die nette Putzfrau ließ mich sogar bis in den frühen Nachmittag in meinem Zimmer, so dass ich mich recht gut erholen konnte. Ich wollte dann noch schnell im nahegelegenen Supermarkt einkaufen und mich wieder auf den Weg machen. Doch als ich vor dem Supermarkt stand, glaubte ich meinen Augen nicht: Trotz Wochentag war das Ding geschlossen! Ursache war mal wieder eine örtliche Fiesta... Das war mir nun schon zum dritten Mal passiert und so langsam wunderte ich mich nicht mehr über den desolaten Zustand der spanischen Wirtschaft... Hier schien es mehr Feier- als Arbeitstage zu geben. Immerhin hatten die Bäckereien offen und so konnte ich mir notdürftig Futter für die Strecke bis zum nächsten Ort beschaffen.

                                Ich hatte gehofft, dass der Camino Primitivo, der laut Pilgerführer abgelegen, schwer und wenig begangen sein sollte, mir nun besser gefallen würde. Nur leider waren die ersten Tag ähnlich furchtbar wie auf dem Camino del Norte. Was vorher die Küstenautobahn war, war hier die A63. Zwar noch im Bau befindlich verschandelte sie die Landschaft. Dazu die üblichen vergammelten Industrieanlagen und Müllkippen. Ich hatte die Schnauze voll von den Caminos.



                                Doch nach einigen Tagen änderte sich die Umgebung. Plötzlich keine Autobahn mehr, kein Laufen auf Asphaltstrassen sondern plötzlich Waldwege und abgelegene Pfade. Dann gab es sogar Alternativwege: Man konnte entweder den „schwierigen“ Weg über den Pass gehen (Hospitales) oder das ganze eher umlaufen. Mein Führer schilderte die Hospitales-Route in den abschreckendsten Tönen. Man sollte diese Route nur wählen, wenn man sich mental und körperlich dazu in der Lage sähe und das Wetter gut sei. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass es hier so schlimm sein könne wie in den Pyrenäen und wählte die „schwierigere“ Route, die sich dann auch prompt als idioteneinfach herausstellte. Und das, obwohl ich das ganze Stück in dichtem Nebel gehen musste, wovon mein Führer natürlich dringend abriet. Dabei war der ganze Weg durchgehend so gut markiert, dass mir selbst meine Sichtweite von unter 50 m nichts ausmachte. In dichtem Nebel kam ich oben am Pass und einer völlig zugemüllten Schutzhütte an. Beim Abstieg lichtete sich dann der Nebel und ich fand sogar noch einen Zeltplatz mit Aussicht. Überhaupt muss ich sagen, dass sich das Wildzelten auf dem Primitivo deutlich einfacher machen ließ als auf dem Camino del Norte.



                                Auch nach der für Pilgerverhältnisse „spektakulären“ Hospitales-Route blieb der Weg weiterhin recht schön. Der Stausee bei Grandas de Salime war recht beeindruckend – genau wie der lange Abstieg vom Pass hinunter zum Stausee. Ich war nun wieder ein wenig mit dem Camino versöhnt. Endlich nicht mehr endloser Asphalt und Großstädte, sondern Wege und hübsche Dörfer. Leider tauchten nun völlig unerwartet auch wieder Zecken auf, die schon seit Monaten kein Problem mehr gewesen war. Aber nun ausgerechnet hier, wo ich nicht mal viel durch hohes Gras und Gesträuch laufen musste, fielen sie wieder über mich her. An einem Abend musste ich wieder mal 10 festgebissene Zecken von mir runterziehen....

                                http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                • German Tourist
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                                  • 09.05.2006
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                                  #76
                                  AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                                  Camino Primitivo: Lugo bis Camino Frances

                                  Lugo war der letzte Stop und Ruhetag vor dem Ende meiner Tour in Santiago de Compostella. Ich hatte ursprünglich eigentlich bis nach Cabo Finisterre, also ans „Ende der Welt“ laufen wollen, aber das wäre zeitlich nun sehr schwierig geworden. Zudem war ich von den Pilgerwegen nicht so sehr angetan, dass ich noch 90 km dran hängen hätte wollen...

                                  Lugo beeindruckte mich schon von Anfang an durch die imposante Stadtmauer, die die Stadt noch komplett umgibt und auch belaufen werden kann. Wie üblich wollte ich nicht in die Schnarcher-Pilgerherberge, sondern in eine billige Pension. Da ich in den letzten Städten nicht gerade positive Erfahrungen mit den Touristeninformationen gemacht hatte, begab ich mich gleich selbst auf Zimmersuche. Ich marschierte in das erste Haus mit „Hostal“-Schild und kippte beinahe aus den Schuhen, als mir ein Einzelzimmer für 12 EUR angeboten wurde. Ich erwartete eine Total-Absteige, aber das angebotene Zimmer war sauber und sogar ganz nett. Ich konnte es immer weniger glauben, warum die Pilger sich um die 5 EUR-Bette in den Schnarchsälen der Pilgerherbergen schlugen, wenn es hier in Spanien solch preisgünstige Alternativen gab. Ich verbrachte dann auch eine ruhige Nacht in meinem Billigzimmer, wenngleich auch am Morgen die einzige Glühbirne des Raums ihren Geist aufgab.

                                  Da ich wie üblich an einem Feiertag in der Stadt war, waren natürlich wieder mal alle Geschäfte geschlossen. Dafür war in der romanischen Kathedrale umso mehr Betrieb. Hier fanden die Hochzeiten quasi am Fließband statt. Stundenlang bestaunte ich das Treiben in der Kathedrale, wo es im Gegensatz zu draußen angenehm kühl war. Auf Empfehlung meines Billigherbergenbesitzers aß ich in einem sehr guten Restaurant zu sehr billigen Preisen und wurde noch dazu von einer perfekt Englisch sprechenden jungen Spanierin bedient. Wir kamen ein bisschen ins Plaudern: Sie hatte Englisch studiert und sogar darin promoviert, aber in Spanien aufgrund der derzeitigen Wirtschaftslage keinen Job gefunden. Und so arbeitete sie Vollzeit als überqualifizierte Kneipenbedienung.



                                  Als am nächsten Tag Lugo verließ, so ich mich mit einem neuen Problem konfrontiert. Um die offizielle „Compostella“, also den Pilgernachweis zu bekommen, musste man zumindest für 100 km vor Santiago Stempel im Pilgerausweis vorweisen können. Nun war ich zwar deutlich weiter als 100 km gelaufen, aber mein letzter Stempel in Pilgerausweis stammte vom Diakonissenhaus in Eisenach.... Das war halt das Problem, wenn man wie ich nicht in Pilgerherbergen schläft. Jetzt musste ich mir plötzlich Gedanken machen, wo ich jeden Tag zwei Stempel her kriegen sollte. Glücklicherweise war das so nah vor Santiago kein Problem: Jede Bar am Wegesrand hatte eine Stempelstelle.

                                  Die letzten Kilometer auf dem Camino Primitivo waren recht ereignislos. Der Weg verlief weiterhin durch recht verlassene ländliche Gegenden, aber leider war ich jetzt wieder auf überwiegend Asphalt unterwegs. Allerdings handelte es sich um kleine Landstrassen mit nur sehr wenig Verkehr. Und dabei war ich nicht allein: Oft musste ich mir den Weg mit ganzen Kuhherden teilen, denen ich mich mittlerweile heldenhaft stellte. Die Orte waren winzig und oft schon halb verlassen, dafür waren die Einwohner den Pilgern gegenüber sehr positiv eingestellt, denn sie brachten immerhin etwas Geld in diese verlassene Gegend. Überall entlang des Wegs wurden darum auch neue Pilgerherbergen gebaut oder alte renoviert.



                                  Fazit Camino Primitivo: Im Vergleich zum Camino del Norte war der Camino Primitivo recht schön. Als Wanderweg würde ich ihn eher als mittelprächtig beurteilen, aber für einen Pilgerweg ist er ziemlich gut. Wildzelten war relativ unproblematisch und auch der Asphaltanteil hält sich in Grenzen. Einige Abschnitte, wie z.B. die Hospitales-Route sind sogar wirklich schön. Zudem hält sich der Massenansturm der Pilger hier noch in Grenzen. Obwohl dieser Camino als schwierig und anspruchsvoll beschrieben wird, fand ich ihn total einfach – sogar die gefürchtete „Hospitales“-Route. Wer also unbedingt pilgern möchte, findet hier einen relativ naturnahen und schönen Camino.
                                  http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                  • Enja
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                                    • 18.08.2006
                                    • 4750
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                                    #77
                                    AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                                    Die Stempel sind eigentlich nirgendwo ein Problem. Jeder Übernachtungsbetrieb. Jeder Laden. Jede Bar hat einen und drückt dir den begeistert da rein. Dazu brauchst du keine Pilgerherbergen.

                                    Die Pilger sind sehr lange unterwegs und können/wollen deshalb nicht für jede Nacht Hotel oder Pension anmieten. Außerdem mögen viele die Athmosphäre in den Herbergen. Dort bist du "ganz unter Pilgern", triffst Nacht um Nacht alte Bekannte. Es gibt jede Menge Austausch. Man geht zusammen in die Pilgermesse, um den Pilgersegen zu empfangen. Es wird immer mal zusammen gekocht. Es gibt Küche, Waschmaschine usw. Eben alles, was der Wanderer so braucht.

                                    Wir haben meistens gezeltet. Auf den Campingplätzen entsteht genauso Abend um Abend ein Pilgertreff.

                                    Wenn man all diesen Pilger-Specials ausweicht, macht es eigentlich kaum Sinn, ausgerechnet einen Pilgerweg zu wählen. Es gibt genügend Wanderwege, die landschaftlich endrucksvoller sind.

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                                    • Werner Hohn
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                                      • 05.08.2005
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                                      #78
                                      AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                                      Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                      ...
                                      Wir haben meistens gezeltet. Auf den Campingplätzen entsteht genauso Abend um Abend ein Pilgertreff.
                                      Das finde ich interessant, aber ich frage mich, wo sind die Campingplätze. Mittlerweile habe ich 2.000 km spanische Caminos unter den Füßen gehabt - übrigens als Wanderer, denn die Caminos sind auch profane Wanderwege (GR 65, GR 100 , Europäischer Fernwanderweg E3 und E9) - doch Campingplätze habe ich nur sehr selten gesehen. Für Radfahrer mag das anders aussehen, denn die sind flexibler.
                                      Zuletzt geändert von Werner Hohn; 29.03.2013, 18:10. Grund: Rechtschreibung
                                      .

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                                        #79
                                        AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                                        Da Frage nach den Campingplätzen stelle ich mir auch. Am Camino del Norte gibt es, wenn überhaupt, nur Dauercampingplätze für Strandurlauber. Am Camino Primitivo habe ich keinen einzigen Campingplatz in Erinnerung. Nur kurz vor Santiago bin ich an einem Campingplatz vorbeigekommen, auf dem wahrscheinlich auch Pilger unterkommen.
                                        http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                          #80
                                          AW: [D] [FR] [ES]: 4.500 km zu Fuss durch Westeuropa

                                          Camino Frances: Melide bis Santiago

                                          In Melide stieß ich dann auf den gefürchteten Camino Frances – und alle meine schlimmsten Vermutungen bestätigten sich.... Der Camino Frances, vor allem hier so kurz vor Santiago, ist eine Wanderautobahn. Es war fast unmöglich, außerhalb der Sichtweite eines anderen Pilgers zu laufen. Hunderte von Malen am Tag wurde ich mit „Buen Camino“ begrüßt, was mir bald tierisch auf die Nerven ging. Nie hatte ich meine Ruhe und ungestört Pinkeln gehen war fast unmöglich. Heerscharen von Pilgern so weit das Auge reichte und nur am Nachmittag wurde es ruhiger. Da die Pilger im Kampf um die Schnarchsaalbetten schon vor Sonnenaufgang los rennen, war abends nicht mehr viel los auf dem Camino. Das Gerangel um die Pilgerherbergen empfand ich als schlimm: Wenn ich am späten Nachmittag durch die Orte kam, verkündeten Schilder an fast allen Herbergen „completo“. Glücklicherweise hatte ich ja mein Zelt dabei.

                                          Vor allem die Begleiterscheinungen des Pilgerns fand ich abstoßend: Überall am Wegesrand hatten sich „Verpflegungsstationen“ angesiedelt. Statt einfach Wasser am jahrhundertealten Brunnen zu trinken, werden die Pilgern nun durch Getränkeautomaten mit eisgekühltem Coca-Cola versorgt. Der Strom kommt per Verlängerungskabel vom nächsten Haus. Dazu Karren mit Thermoskannen voller Kaffee (Becher 1 EUR) und Stände mit Obst. Sinnvoller wäre es wohl, Dixie-Klos aufzustellen, denn die von mir zum Wildzelten frequentierten Nebenwege waren alle mit Klopapier und noch unappetitlicheren Hinterlassenschaften zugemüllt. Alle 5 Minuten stieß ich auf Markierungen, die die Strecke nach Santiago mittlerweile auf den Meter genau angaben. Dazu Gedenkstätten für auf dem Camino verstorbene Pilger und Suchanzeigen nach dem Pilgerflirt. Immer was los hier...



                                          Am 19. September war es dann soweit: Nach über 5 1/2 Monaten auf Wanderschaft kam ich Santiago de Compostela und damit am Endziel meiner Wanderung an. Ich war so erschöpft, dass ich gar keine Kraft hatte, mir die Stadt anzuschauen, sondern mir einfach in meinem Mini-Einzelzimmer im Seminario Menor einen gemütlichen Nachmittag machte. Erst am nächsten Tag fühlte ich mich fit für eine Stadtbesichtigung.

                                          Ich empfand Santiago als wunderschöne Stadt, aber die Pilgermassen als fast erdrückend. Die mittägliche Pilgermesse war so proppenvoll, dass Sicherheitskräfte die Besucher dirigieren mussten. Es gab keine Sitzplätze mehr und beim Herumgehen in der Kathedrale musste man aufpassen, nicht über die zahllosen Pilgerrucksäcke zu fallen. Trotz meiner akribisch eingesammelten Pilgerstempel gab ich auch bald die Idee auf, mir die Compostela zu holen. Die Schlange am Pilgerbüro war endlos lang und Santiago viel zu schön, um zwei Stunden mit Warten auf ein Stück Papier zu verbringen. Vor dem Pilgerbüro parkten Dutzende von Fahrrädern der Radpilger und im Hof gab es sogar eine Ecke für abgelegte Pilgerstöcke. Auch meine Unterkunft, das Seminario Menor, war auf Massenabfertigung eingestellt. Die riesigen Schlafsäle umfassten 50 und mehr Betten pro Saal....

                                          Das schönste Erlebnis für mich war jedoch das deutschsprachige Pilgertreffen, das dort in der Saison jeden Tag im Anschluss an die mittägliche Pilgermesse stattfindet. Hier können sich deutschsprachige Pilger mit einem Geistlichen und zwei Laienbetreuern treffen, ihre Erfahrungen austauschen und die vielen Erlebnisse gemeinsam oder im Gespräch mit den geistlichen Helfern verdauen. Leider hatten sich nur wenige Pilger eingefunden, um dieses interessante Angebot wahrzunehmen, was mir aber die Gelegenheit verschaffte, den Geistlichen ganz für mich alleine zu haben und mit Fragen löchern zu können. Der war angesichts meiner langen Wanderung so begeistert, dass er mich anschließend sogar zum Essen einlud. Ein würdiger Abschluss meiner Wanderung.

                                          Zu guter Letzt stellte sich mir dann aber noch die Frage nach einem Abschlussphoto. Auf den amerikanischen Trails ist das ganz einfach und das Motiv ergibt sich von selbst. Auf dem AT stellt man sich vor das berühmte Schild auf dem Mt. Kathadin, auf dem PCT an das amerikanisch-kanadischen Grenzmonument und auf dem CDT ist es der Grenzzaun. Auf meiner UK-Wanderung gab es sogar die berühmten Wegweiser am Lands End und in John O Groats. Aber hier in Santiago? Wo lässt man sich als Pilger ablichten? Erst probierte ich es in der Kathedrale, was sich aber angesichts meiner Handyknipse als unpraktisch, weil zu dunkel erwies. Auch das Schild vor dem Pilgerbüro war nicht gerade dekorativ für ein Abschlussphoto. In strahlendem Sonnenschein schlich ich um die Kathedrale auf der Suche nach einem passenden Motiv. Schließlich entschied ich mich für zwei Apostel, die würdig auf mich herabblickten.

                                          Anders als auf den klassischen amerikanischen Trails stellte sich bei mir allerdings jetzt kein besonderes Gefühl ein. Erstaunlicherweise war ich weder besonders stolz darauf, diese Wanderung geschafft zu haben, noch erleichtert, dass es vorüber war. Ich war einfach nur sehr zufrieden und glücklich und freute mich über die gelungene Tour – und auch schon auf den nächsten Trip....



                                          Fazit Pilgern: Ziel des letzten Teils dieser Wanderung war es für mich gewesen, nach so vielen Tausend Kilometern Wandern auch mal Pilgern zu erleben. Die Pilgerwege Camino del Norte, Camino Primitivo und Camino Frances hätten unterschiedlicher nicht sein können. Vom „Pilger-Ballermann“ auf dem Frances bis zum relativ naturnahen Pilgern auf dem Primitivo war alles dabei. Bei den meisten Pilgerberichten wird der Pilgerweg rückblickend verherrlicht. Die Bilder zeigen fast immer nur die schönen Seiten des Wegs, weswegen ich versucht habe, mit meinen Collagen auch mal die weniger schönen Aspekte ins Bewusstsein zu rücken. Pilgern in Spanien heißt in der Regel viel Asphalt und Zivilisationsnähe. Mehr über meinen Eindruck vom Pilgerleben gibt es hier auf meinem Blog.

                                          Ich bin jetzt zwar am Ende mit meiner Wanderung, aber noch nicht am Ende des Berichts. Ich habe sehr viel gelernt auf dieser Wanderung durch Europa und werde sicherlich noch ein Fazit, Statistiken und über meine Lernerfolge schreiben. Und natürlich freue ich mich auch über Fragen zum Trip selbst, seiner Planung und Durchführung.
                                          Zuletzt geändert von German Tourist; 29.03.2013, 16:23. Grund: Link eingefügt
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