was für eine "verrückte" Reise-Idee, also im positiven Sinn, abseits des Mainstreams. Einfach eine krass-geile Unternehmung, dermaßen spannend-und spannend geschrieben. Ich freu mich sehr darauf zu lesen wie es weitergeht und was noch alles passiert.
[DE/AT/SI/HR/RS/BG/TR/GE/AE/UZ/NP] per Anhalter nach Nepal - naja, fast...
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Früh morgens zur Dämmerung schleiche ich mich aus dem Zimmer, es scheint noch niemand wach zu sein bis auf die Hunde, die aber nicht anschlagen. Ich verlasse die Pension und folge der Hauptstraße durch den Ort.
An einer Tankstelle bestelle ich mir einen Milchkaffee und schlürfe ihn genüßlich.
Ich laufe noch ein paar Meter, bis sich an einer alten Festungsanlage eine gute Mitnahmeposition ergibt und stelle den Rucksack ab.
Ein paar Autos fahren vorbei, doch dann hält ein kleiner, weißer Lieferwagen mit zwei Personen, die wie ich ins nahe Batumi wollen - wie schön.
Doch halt!
Der Laderaum, in den ich mich setzen soll, hat ja gar keine Fenster... außerdem liegen zwei massive LKW-Batterien darin
Hmpf... was man sich nicht alles antut...
Es ist stockfinster im Laderaum, ich erkenne die Batterien, die im Falle eines Unfalles hübsch auf mich draufpoltern würden, nur schemenhaft. Mein GPS hat keinen Empfang im Faradayischen Käfig, doch ich merke, daß wir stetig geradeaus fahren. Es wird sicherlich die Hauptstraße sein und keine Sackgasse in der ich ausgeraubt werde.
Fünfzehn Minuten, in denen mir allerlei Gedanken durch den Kopf gehen.
Doch dann halten wir an, die Seitentür wird geöffnet und Licht dringt in den Laderaum. Wir sind mitten in einer Großstadt und halten am Straßenrand im morgendlichen Berufsverkehrstau in der Stadtmitte. Alle gucken gefühlt, während ich aussteige und meinen Rucksack schultere. Meine Mitnehmer fahren weiter und ich bedanke mich noch schnell für die Fahrt.
Erstmal orientieren...
Direkt in der Nähe gibt es ein großes Einkaufszentrum mit einem Kaffeebereich, in dem Koffein, Zuckergebäck, Strom und WLAN auf mich warten.
Alt vs. neu
Krasse Gegensätze in Batumi
Blumenpflanzbrigade mitten auf der Straße ohne besondere Absperrungen
Das schöne Batumi aus der Ferne
Und wieder einmal ergibt sich das Dilemma mit der Großstadt. Ich bin drinnen und muß irgendwie wieder raus... also laufe ich ein paar Kilometer durch die Straßen Batumis. Auffällig ist der harte Kontrast zwischen maroder Bausubstanz und Neubauten. Um den Bahnhof herum wird meine Route etwas chaotisch, aber schließlich finde ich nach ein wenig Herumfragens die richtige Straße, die nach Tiflis führt und folge ihr.
Laut meinen Aufzeichnungen wurde ich zunächst von einem netten Mann mitgenommen, der zwischendurch extra an den Straßenrand gefahren ist, um mir ein paar Getränke und süße, leicht nach Rosinen schmeckende, georgische Teigfladen zu kaufen. Stilecht von einer alten Babushka, die ihren Backofen in einer kleinen Hütte an der Hauptstraße betreibt. Schmeckt wirklich klasse, wenn auch ein wenig trocken, aber mit genügend Weile läßt sich der ganze Fladen verspeisen - übrigens ein riesengroßer Brummer!
Irgendwo trennen sich dann unsere Wege und ich stehe wieder am Straßenrand - Freiwild für den kaukasischen Terrorfahrer des Grauens!
Ein junger Bursche im Lieferwagen hält an und ich steige nichtsahnend ein...
Es folgt ein Höllenritt mit Vollgas unter ständiger Mißachtung sämtlichen Selbsterhaltungstriebs
Die Straße hat eine Spur hin und eine zurück, Gegenverkehr voraus? Logisch, in der Mitte ist Platz zum Überholen...
Was macht man auf einer etwas breiteren Straße? Richtig, man überholt den Überholenden, während der Gegenverkehr seinerseits von jemandem überholt wird - es fahren also zeitweise magischerweise fünf Autos parallel/antiparallel, wobei eigentlich nur für drei deutsche Spuren Platz wäre
Während der Fahrt streift sich der Kollege ständig hektisch durchs Gesicht und macht den Eindruck, auf stimulierenden Substanzen zu sein
Riskiert er etwa tagtäglich so sein Leben, daß selbst mir als gestandenem Radkurier davon schlecht wird? Oder will er mir beweisen, daß er der bessere Michael Schumacher gewesen wäre?
Ich wage jedenfalls nicht, ihn mit der Kamera und meinem Videoprojekt von der Fahrt abzulenken oder gar zu weiter gesteigertem Halsbrechertum herauszufordern. Und so gibt existiert kein Beweis dieser äußerst fragwürdigen Fahrweise.
Wir kommen schließlich unverletzt an der Kreuzung bei Poti an, wo ich aussteige und meinen Weg nach Osten fortsetze - ohne ihn!
Zu guter Letzt fragt er mich noch nach etwas Kleingeld (vermutlich um sich die nächste Line zu finanzieren). Ich krame sieben Lari aus meiner Hosentasche, etwa 2,50 EUR, drücke sie ihm hastig in die Hand und bin froh, daß die Sache damit gegessen ist.
Übelholvorgang irgendwo in Georgien
Ich folge der Straße ein paar Hundert Meter zu einer Abfahrt und damit einer Lücke in der Leitplanke. Hier kann ich mich gefahrlos hinstellen. Hinter mir beginnt ein abgezäuntes Gelände, welches angeblich videoüberwacht wird - mitten in der Prärie, fern ab von Elektrizität - is klar, ne!
Ein kleiner Bach läuft hier entlang und überall liegt mal wieder Zivilisationsmüll herum. Der Bach erstickt in Plastik und Metall.
Vielleicht eine halbe Stunde warte ich hier, bis David mit seinem Heizöllaster anhält und mich mitnimmt. Auf einsamen Landstraßen und durch schwach besiedelte Gebiete nähern wir uns mit ca. 40 km/h der Kleinstadt Lanchkhuti, wo ich auf einer recht zentralen Kreuzung abgesetzt werde.
Hunger, Durst, warm! Quer über die Kreuzung hinweg wartet eine Imbißbude auf mich. Es gibt einen kleinen Nebenraum mit ramponierten Stühlen und Tischen, in dem ich Platz nehme und mir einen kleinen Snack reinpfeife. Ein sonniger Tag, viel zu warm eigentlich, ich bin froh über ein wenig Schatten.
Nach meinem Mahl schlendere ich die Hauptstraße entlang, bis ich ein Ortsschild erreiche und mal wieder den Daumen hinaushalte.
Hier scheint erstmal nichts zu funktionieren. Wenig Verkehr und alle fahren vorbei. Also wende ich nach einer kleinen Ewigkeit das Patentrezept an: Stellungswechsel! Und zwar logischerweise in Richtung Tbilisi/Tiflis, immer vorwärts, kein Schritt zurück! Laut OpenTopoMap wartet in kurzer Distanz eine Autobahnauffahrt und wo die ist, kann ich diejenigen abpassen, die in "meine" Richtung fahren.
An einem Kreisverkehr kurz vor der Auffahrt befindet sich ein Kiosk mit ein paar Menschen und geparkten Autos. Juchu!
Ich frage ein wenig herum, werde jedoch abgelehnt. Also stelle ich mit meinem kleinen Schild an die Auffahrt.
Doch irgendwann kommt ein Mann auf mich zu und erklärt, daß er nur noch etwas vom Imbißstand holen will und ich schon mal zu seinem Wagen gehen könne. Im Wagen sitzen bereits zwei Personen und ein Hund. Bald kommt auch der Fahrer zurück und wir steigen ein. Es sind Dimar, Lena und Yevgejni aus der Ukraine. Sie wohnen bereits seit dem ersten Überfall Rußlands auf ihr Land 2014 in Georgien. Ihre Gesellschaft ist mir angenehm, wir reden nicht allzu viel über Politik und Krieg, sondern sind eher im Hier und Jetzt.
Zusammen rollen wir nach Osten, allerdings nicht mehr auf der Autobahn, sondern auf einer Nebenstraße in Richtung Kutaissi, wo sie mich absetzen wollen. Es ist später Nachmittag, als wir in der Stadt ankommen. Die drei wollen in die Berge fahren, nach Norden, nicht zu weit an die russische Grenze heran, versteht sich. Sie haben dort eine kleine Hütte gemietet und wollen eine Woche Urlaub machen. Sie fragen mich nach meinen Plänen und erwähnen die Möglichkeit, mich mit in die Berge zu nehmen. Dort wäre dann natürlich sehr wenig Verkehr um mich weiter mitzunehmen, es wäre nicht mehr meine angestrebte Richtung und bei ihnen in der Hütte wäre kein Platz für mich. Aber ich könne gerne noch ein paar Kilometer bei ihnen mitfahren.
Ich überlege eine Weile.
Mein nächstes Ziel wäre die Fähre ab Alat in Aserbaidschan, etwa 30-40 km südlich der Hauptstadt Baku am Kaspischen Meer. Doch dieses Schiff legt nur zweimal die Woche ab. Die nächste Abfahrt wäre zu sportlich, das schaffe ich zeitlich nicht, gut 700 km warten noch auf mich. Also könnte ich ja die nächste oder sogar übernächste Fähre nehmen und jetzt die gute Zeit genießen. So entscheide ich mich, mitzufahren und ein wenig Kaukasus kennenzulernen.
Die Straße windet sich Kurve um Kurve in die Landschaft hinein. Es wird langsam dunkel und kälter da draußen. Schließlich sind die Berge deutlich schroff und wir biegen vom Asphalt auf einen Schotterweg ab. Über Schlaglöcher, kleine einspurige Brücken, an senkrechten Felswänden und durch lichten Wald führt eine Spur kilometerlang durch den Südkaukasus.
Irgendwann kommen wir am Ende der Straße an und tatsächlich steht dort eine kleine Hütte hinter einem Gartenzaun.
Wir steigen aus. Es ist gut schattig hier, richtig frisch sogar und ziehe mir meine Jacke an. Der Besitzer tritt aus seiner Hütte heraus und Dimar redet mit ihm. Der Besitzer macht einen ungläubigen Gesichtsausdruck: drei Gäste wie verabredet und ein stinkender Deutscher mit großem Rucksack, der sich vor seinem Anwesen einen Platz für sein Zelt suchen will - das geht so nicht!
Es ist hier in den Bergen schließlich viel zu kalt, um draußen zu übernachten. Er möchte nicht, daß ich ihm direkt vor seiner Hütte erfriere
Neben der Hütte in der er mit seiner Frau wohnt und derjenigen, die von den drei Ukrainern gemietet wird, gibt es noch ein weiteres Häuschen, welches leersteht. Dimar gibt mir zu verstehen, daß mir der Besitzer dieses Häuschen für ein Fünftel des Normalpreises zur Verfügung stellt. Ich überlege ein wenig, aber nicht allzu lang. Natürlich würde ich dank 900 g Daunen nicht bei schlappen -5 °C erfrieren, andererseits ist das Angebot mehr als fair und der Mann macht einen sehr freundlichen Eindruck. Ich gönne ihm ein paar Devisen und würde ich sehr seltsam fühlen, diese Einladung abzulehnen und unbeirrt vor der warmen Stube zu zelten, nur um ein paar Flocken einzusparen.
Also folge ich dem Besitzer in meine unerwartete Unterkunft.
Und bin erstmal sprachlos!
In der guten Stube befindet sich eine großzügige Wohnküche mit Fernseher, WLAN und Kamin, dazu zwei Schlafzimmer mit Doppelbetten und natürlich ein Badezimmer. Ich bin beeindruckt und mein Gastgeber nutzt das Überraschungsmoment um flott ein Feuer im Ofen zu entfachen. Nun wärmt sich die Bude allmählich auf, bis es sehr gemütlich ist und die Glut im Dunkel leise vor sich hinknistert. Total romantisch
Ich lasse den Fernseher laufen, es gibt sogar ein wenig englischsprachiges Programm mit den neuesten Nachrichten und ich checke Emails.
Als das Feuer heruntergebrannt ist, gucke ich auf die Uhr. Hoppla! Schleunigst ab in die Falle.
Heute war ein guter Tag!
Zuletzt geändert von Moltebaer; 15.06.2025, 03:37.
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Ganz schön gemütlich hier, so daß ich das Weiterschreiben fast vergessen hätte.
Am nächsten Morgen werde ich von den drei Ukrainern zum Frühstück eingeladen. Es gibt Bratkartoffeln, Speck, Ei, gegrilltes Gemüse, Joghurt und natürlich Kaffee.
Wir kommen auf meine Weiterreise zu sprechen. Offenbar ist die Landgrenze ins östliche Nachbarland Aserbaidschan geschlossen, was meine Pläne ziemlich durchkreuzte.
Meine Connection ist so nett, mich bis ins nächste Städtchen mitzunehmen.
Georgischer Wein
Georgisches Haus
Es dauert nicht lange, bis mich David aufpickt und nach Ambrelaouri fährt. Zwischendurch sammelt er noch jemand anderen auf. In im niedlichen Ambrelaouri angekommen, stelle ich mich an die Straße in Richtung Tkibuli. Dort wartet ebenfalls noch jemand und beginnt, mich zuzulabernDoch immerhin erhalte ich so weitere Informationen bzgl. der Grenzsituation nach Aserbaidschan. Angeblich sei das eine noch nicht abgestellte CoViD-Maßnahme. Ich bleibe nett und verständnisvoll bzgl. der aufgedrückten Konversation. Die Stelle scheint mir strategisch zu günsitg, um sie nochmal zu wechseln nur weil mir die Beschallung nicht gefällt.
Es hält schließlich ein Pickup, ich stopfe meinen Rucksack rein und steige ein.
Nanu? Da quetscht sich noch ein älterer Mann, der neben mir auf der Straße gewartet hat, in "mein schickes, neues Auto" hinein... eh, das war meine Leistung, den heranzuwinken! Aber die Fahrer scheinen gelassen. Offenbar ist das hier einfach Usus. Einsteigen und einsteigen lassen. Gemeinsam fahren wir an einen nahegelegen See, damit die fahrenden Bauprojektleiter dort ihrer Arbeit nachgehen können.
Ich warte neben der Baustelle und Sersa hält für mich auf dem Weg ins sich nach Süden ausstreckende Tal, in welchem die Automagistrale nach Osten verläuft.
Ich werde an einer Autobahnabfahrt rausgelassen und ich gehe nach Osten. Bald komme ich an einen kleinen Straßenstand, der mit LPG für die Autos handelt. Ich überlege und kalkuliere. Aufgrund der geschlossenen Grenze auf dem Landweg werde ich wohl oder übel doch fliegen müssen, denn seitdem Rußland die Ukraine und Israel den Iran angegriffen haben, möchte ich mich wirklich gerne flott in meinem engen Korridor nach Osten stehlen. Nach Norden und Süden fragwürdig, nach Osten unmöglich. Noch habe ich zwei recht volle Gaskartuschen, die auf dem vermutlich nicht zu vermeidenen Luftweg nicht mitgenommen werden können. Also verschenke ich eine der beiden Kartuschen an die beiden Männer in der kleinen Gasbude. Sie sind höchsterfreut und wollen mir sogleich einen echten, georgischen Schnabbes andrehen. Es ist warm, früh am Tag, ich habe lange nichts gegessen und möchte heute noch in die etwa 200 km entfernte Hauptstadt Tbilisi kommen - ich schaffe es, abzulehnen, aber es war nicht leicht, die Leute können hier sehr freundlich und einladen sein
Ich bin bei Argveta und steuere auf eine kleine Ladenzeile mit Parkplatz und Imbißstube zu. Sehen wir doch mal, was es hier so leckeres zu essen gibt...
Georgische Raststätte
Georgische Speisekarte (ich habe auf Anraten das oberste bestellt)
Ich bin gespannt, habe ich doch vorher die Bedienung nach dem gefragt, was ihr nun auch gerne schmecken würde. Und dazu eine von diesen grünen Flaschen aus dem Kühlschrank!
Georgische Räucherkäsepizza mit Sahnelimonade
Sooo lecker, aber auch sooo viel! Ich bin kleinere Portionen gewohnt oder der Käse stopft einfach so gut.
Frisch gestärkt verlasse ich das Lokal und halte mich auf jeden Fall an den Hinweis, meine Füße nicht im Waschbecken zu waschen
Ich gehe zu einer nahen Bushaltestelle am rechten Autobahnstreifen. Hier tummeln sich ein paar Leute. Sind die vor kurzem ausgestiegen oder kommt da gleich ein Bus?
Die Menschen diffundieren und ich stehe alleine in der Abendsonne am Straßenrand.
Während der vorigen Fahrt fiel es mir bereits öfters auf, hier habe ich jedoch die Gelegenheit, daß die Kamera in Reichweite ist und so entsteht ein für Georgien völlig normales Bild:
mit 50 mm Brennweite schwierig zu erkennen, die Kuh auf der Überholspur, die den Mittelstreifen zu ihrem Büffet auserkoren hat
Und nun haltet Euch fest!
Rati hält für mich an...
[es folgt eine dramaturgische Pause]
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"es folgt eine dramaturgische Pause "
Dir ist bewußt dass es hier Menschen mit einer begrenzten Lebenserwartung gibt?
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90er Erinnerungen stellen sich ein. 1000 Dank für diesen fulminanten Bericht!~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
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Rati ist Mitglied der Fraktion-Heiße-Reifen
Er stellt sich als Afghanistanveteran mit kleinem Kind daheim bei Kutaissi vor und sei auf dem Weg nach Tbilisi. Er hat es eilig für georgische Autobahnverhältnisse und macht dies auch aggressiv deutlich. Sogleich fängt er auch an, mich mit "Joint, Marihuana, I like" vollzulabernJaja, schon gut, ich auch - aber etwa während der Fahrt in einem prohibierenden Staat?
Jau, während der Fahrt! Er hält an einer Tankstelle, besorgt Essen und Trinken für uns - und noch etwas anderes. In Ermangelung von Drehpapers stopft er sich eine Paperhülse gedacht für Stopftabak mit einer Mischung, die er als ganz besonders gut für Georgien anpreist. Und wieder rauf auf die Piste und angezündet, den Ofen. Ich öffne beschämt das Fenster einen Spalt breit und lehne dankend die Einladung zum Mitrauchen ab. Nachher ist der noch von der Polizei oder sowas.
Nun sitze ich hier in Georgien in einem schnellen, leicht abgeranzten Wagen mit kiffendem Fahrer, der von der Autobahn auf die parallel verlaufende Landstraße nach Osten abfährt. Wenigstens paßt er auch seine Fahrweise an. Es herrscht wenig Verkehr und sein Stil wird zunehmend entspannter. Woran das wohl liegen mag
Wir verwenden wieder Google-Translate und mein Fahrer kommt auf das Thema Politik mit Rußland zu sprechen. Hier sollte man wissen, daß Rußland sich in den letzten Jahren einige georgische Territorien gemopst hat und deutlich macht, sich auch den Rest des Staates einzuverleiben. Es ist auch die Zeit des Referendums, welches wohl (wer hätte es gedacht) von Rußland manipuliert wurde. Rati ist überhaupt nicht erfreut von diesen Tatsachen und gibt mir zu verstehen, wie sehr er die Russen mag. Ebenso, wie er die Rolle Georgiens als östlichstes Bollwerk gegen den Islam versteht.
Irgendwann zeigt er mir einen Filmschnipsel, der eine Gefechtsszene aus einem Schützengraben irgendwo in Afghanistan zeigen soll. Er macht einen authentischen Eindruck und stellt offenbar keine Übung dar. Möglicherweise von ihm selbst gefilmt oder von einem seiner Kameraden? Dann zeigt er mir ein Foto von einem Sturmgewehr, mutmaßlich seinem eigenen. Im Laufe des Gesprächs frage ich ihn "was willst Du tun?" und seine Antwort lautet: bleibe nicht in Kutaissi, sondern fahre gezielt nach Tbilisi. Vermutlich hat er nicht ausschließlich zivilen Protest gegen das Referendum im Sinne? Derzeit finden täglich Kundgebungen in der Hauptstadt gegen die Regierung statt, die Lage ist angespannt.
Wir stecken auf einer Zufahrtstraße in die Hauptstadt im dichten Verkehr, es geht kaum noch voran und ist schon längst dunkel geworden. Ich habe kein Interesse, mit ins Zentrum genommen zu werden. Erstens wäre das Anhaltern wieder sehr kompliziert, zweitens bin ich mir nicht sicher, wie sicher es dort in der Innenstadt derzeit noch bleibt oder welche Rolle Rati tatsächlich dort spielen wird, drittens muß ich definitiv per Flieger von Tbilisi ins aserbaidschanische Baku und folglich an den Flughafen. Ich lasse mich an einer Tankstelle absetzen und frage die Kassiererin, ob sie mir ein Taxi holen könne.
In knapp einer halben Stunde soll der Wagen ankommen, die Wartezeit überbrücke ich mit Snacks und Bier.
Fast eine Stunde später kommt auch der Wagen, es ist nicht einfach, durch die Rushhour zu kommen. Der Wagen ist ein fahrbares Kino eines bekannten, amerikanischen Elektroautoherstellers. Die Musik ist laut und mein Fahrer möchte mir wohl etwas gutes tun, spielt also irgendetwas von Helene FischerSind die hier etwa alle gegen mich!? Doch ich darf das DJ-Pult übernehmen und so fahren wir mit Guns 'n' Roses, Led Zeppelin, Queen und Moloko mit aufgerissenen Scheiben durch die tbilisische Nacht. Die Stadt macht einen hübschen Eindruck mit all den Lichtern. Endlich mal wieder etwas los, hier!
Ich lasse mich direkt ans Flughafenhotel bringen, bzw. der Fahrer fährt am Hotel vorbei (gut, das Schild war schlecht zu sehen) und kommt bereits am Terminalparkstreifen an. Ich meine, ich könne von hier aus auch die paar hundert Meter zurück laufen, doch mein Fahrer sieht wohl seine Taxifahrerehre verletzt (bzw. wittert ein paar Scheine mehr?) und meint, er wolle die Anfahrt nochmal versuchen.
Wir drehen also eine Runde und kommen auf Höhe des Hotels - nur auf der anderen Straßenseite - vorbei. Ich meine, wir könnten hier doch prima halten und ich könne dann auf die andere Straßenseite hüpfen. Unmöglich sei das, überall Parkverbot und Kameras, er hätte keine andere Chance, als die gesamte, lange Zubringerstraße zum Flughafen nochmal zurück und wieder hin zu fahren (na, klar doch!). Eine fürstliche Taxirechnung später betrete ich das Flughafenhotel in Tbilisi und mache mir ohne Reservierung ein Zimmer mit Frühstück klar. Uff!
Zuletzt geändert von Moltebaer; 17.08.2025, 06:12.
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Ich verbringe zwei Nächte im Hotel, verschenke die zweite, randvolle Gaskartusche an den Hotelchef, der mir dafür ein Bier an der Bar ausgibt, genieße das reichhaltige Frühstück und gucke eifrig Nachrichten bzgl. der landespolitischen Lage.
Grillgemüse zum Frühstück - yummi!
Tausche Gas gegen Bier
Zwischendurch gehe ich kurzerhand zu Fuß zum Flughafen und buche mir einen Gabelflug nach Tashkent in Usbekistan via Sjarjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Man hat es hier nicht so mit der Privatsphäre an Schaltern wie Flugbuchung, Geldwechselbude etc. Mein neuer Plan ist: Aserbaidschan, Baku, das Hafenhotel in Alat, die Fähre übers Kaspische Meer und Kasachstan auszulassen, dann aber in Usbekistan noch ein paar ehrenhafte Anahlterkilometer zu schrubben, bevor ich nach Nepal weiterreise, um das eigentliche Ziel dieser Reise zu erreichen: die Trekkingtour im Himalaya.
Landeanflug aufs Lichtermeer der Emirate
Der Iran macht von oben einen ausgesprochen schönen Eindruck. Viele schroffe Berge und Täler.
Es ist Nacht, doch man kann aus dem Kabinenfenster deutlich die Küstenlinie im bewohnten Bereich der Emirate erkennen. Mir fallen hunderte, vor der Küste ankernde Schiffe auf. Der gesamte Golf scheint voller Schiffe zu sein und schließlich setze ich in der riesigen, leuchtenden Glitzerstadt auf.
Wir haben ein wenig Verspätung und ich renne zu meinem nächsten Gate, hoffend, daß der Rucksack auch mitfliegen wird. Im Flieger nach Tashkent wird viel gehustet und gedrängelt, die Männer tragen lustige, kleine Hütchen und eine alte Frau sitzt auf meinem FensterplatzDaneben eine jüngere Frau und ein gleichaltriger Mann, der mir die Geschichte vom Pferd erzählt, weshalb seine arme Mutter nicht auf ihrem eigenen Platz am Gang hinter ihm sitzen könne
Jo, setz Du Dich nur ans Fenster. Ist ja eh Nacht da draußen. Er meint noch etwas von "Spazibo", geht klar.
Mitten in der Nacht landen wir im zentralasiatischen Tashkent und die Leute pressen sich in den Gang, mir wird der Tip gegeben, mich ebenfalls ins Getümmel zu stürzen, da es hier nicht ohne immense Drängelei abliefe - so läuft das in Usbekistan, also aufi!
Nachdem mir der Ausstieg gelingt, warte ich am Gepäckband auf meinen Rucksack.
Zu sehr aufs Anhaltern und Trekken statt auf die Flugreisen fokussiert, habe ich meinen Rucksacktransportbeutel vergessen und hoffe auf ein unversehrtes Gepäckstück. Es scheint, als habe jeder Usbeke jeweils 2 Kartons mit Wasserflaschen aufgegeben. Gefühlt werden tausende Wasserkartons vom Gepäckband herumtergehievt. Schließlich kommt auch mein Rucksack an und ich mache mich auf den Weg an die frische Nachtluft.
Es ist Anfang November und immer noch angenehm warm ohne, daß man eine Jacke bräuchte. Ich bereite mich auf das Spalier der Taxifahrer vor. "Mister, Taxi!", "Taxi, Mister!", "Mister!", "Taxi!", "Good price!"Irgendwann habe ich sie alle hinter mir gelassen. Ich laufe durch die Dunkelheit über volle Parkplätze und leere Straßen, laut GoogleMaps gibt es in der Nähe einen Park. Soll ich um 0330 morgens mitten in irgendeinem zentralasiatischen Flughafenvorpark campen? Ich verwerfe die Idee und mache mich die 1-2 km auf den Weg zum nächstbesten Hotel. Ich checke mitten in der Nacht dort ein und schlafe ein paar Stunden, ohne mein Gepäck ernsthaft auszupacken.
Zuletzt geändert von Moltebaer; 17.08.2025, 16:49.
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