• Borgman
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    • 22.05.2016
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    [GL] Qaqqaqaqaaq – zwischen Eqalorutsit Kangilliit und Jespersen Bræ

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 61.172467
    Längengrad -45.4240894
    ​ ​Solotour in Südwest-Grönland vom 06. bis 28. August 2025


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    Die grönländische Sprache ist genauso faszinierend und für uns fremdartig wie so ziemlich alles auf dieser Insel. Kalaallisut, ich werde sie niemals lernen. Vielleicht ist euch das Wort Qaqqaq schon mal untergekommen, es heißt schlicht „Berg“. Durch das Hinzufügen von Suffixen an den Wortstamm ergibt sich eine Bedeutung, die bei uns ein ganzer Satz wäre: „es gibt so viele Berge“ - Qaqqaqaqaaq. Als Wanderer und in meinem Fall kompletter Grönland-Neuling wird man schnell mit dieser Tatsache konfrontiert. Ja, es gibt viele Berge in Südgrönland, und die haben so ihre Tücken. Dazu kommen wir sehr bald. Eigentlich mag ich keine langen Einleitungen, aber ein paar nützliche Infos will ich doch unterbringen. Manche davon an der passenden Stelle später im Bericht, andere schon am Anfang. Eine Tour beginnt bekanntlich mit der Planung, und die hat eben auch ihre Tücken.

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    im Nebel gibt es manchmal auch gar keine Berge, Eqalorutsit Kangilliit

    Natürlich liest man alle verfügbaren Berichte zu der Gegend, für die man sich interessiert. Habe ich auch gemacht und schöne Bilder angeguckt, war danach aber nicht viel schlauer als vorher. Erstens gibt es nur sehr wenige, die einigermaßen detailliert sind, und dann weiß man ja auch nicht: sind die Berichteschreiber krass trainierte, lebensmüde Gesellen, die ständig ihre Grenzen austesten oder normale Wanderer wie ich, die zwar Erfahrung im weglosen Gehen mitbringen und Hindernisse als Herausforderungen annehmen, aber am Ende gerne noch alle Körperteile intakt an der richtigen Stelle haben und auch ein bisschen Zeit zum Erholen und Staunen brauchen? Und dann die Variablen, z.B. Gletscherflüsse, Buschwerk, Begehbarkeit von Gletschern und steilen Hängen in losem Moränenschutt. Das alles kann sich in wenigen Jahren stark verändern.

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    Landschaft im Wandel, Jespersen Bræ

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    Als sich die Fragezeichen immer mehr auftürmten, beschloss ich, das zu machen, was ich gut kann: improvisieren. Da ich eigene Erfahrung mit Gelände und Besonderheiten erst nach und nach sammeln musste, würde ich die ersten 10 Tourtage defensiv angehen, direkt von Narsarsuaq starten und nach Wetter, Lust und Fitness weiter in schwieriges Terrain vordringen (Johan Dahl Land) oder mich in einfacherem halten. Die 9 Tage danach wollte ich mich ungefähr an der von @Tilmann auf seiner eigenen Seite beschriebenen Runde von Igaliku zum Jespersen Bræ orientieren, die auf seinen Fotos für meinen Geschmack ungeheuer faszinierend aussah. Das war gesetzt.

    Zur groben Planung benutzte ich eine Online-Karte, Nunniffiit ...
    https://kort.nunagis.gl/portal/apps/...8fc8c26bf9be6b

    die hervorragend aufbereiteten Satellitenbilder von Dataforsyningen …
    https://dataforsyningen.dk/map/4783

    und für die aktuelle Schneelage sowie Situation von Getscherrändern und Eisfjorden die gröberen, tagesaktuellen (nur bei wolkenlosem Himmel natürlich), frei verfügbaren Bilder von Sentinel-2:
    https://browser.dataspace.copernicus...ateMode=SINGLE

    Die wenigen zum Kauf angebotenen gedruckten Papierkarten sind nicht so aktuell und decken auch nicht das ganze Gebiet ab, wollte ich aber unbedingt dabei haben.
    Arctic Sun Map: Narsarsuaq 1:50.000
    Vandrekort Sydgrønland: Narsarsuaq 1:100.000
    Vandrekort Sydgrønland: Narsaq 1:100.000

    Als ich die in Händen hielt, fand ich mehr zufällig heraus, dass Dataforsyningen eine komplette topographische Kartenserie der eisfreien Gebiete aufgelegt hat, deren einzelne Blätter man, sobald man sich als Benutzer angemeldet hat, anfordern kann und dann auch sofort kostenlos als pdf-Download zur Verfügung gestellt bekommt.
    https://dataforsyningen.dk/data/4848

    Großartig! So konnte ich ganz einfach die vorhandenen Karten ergänzen und hatte Papierkarten für das ganze Gebiet, das für mich in Frage kommen würde. Nachteil: sie haben, ebenso wie die identische Onlinekarte von Nunniffiit nur 50-Meter-Höhenlinien. Wenn man allerdings bei den Dataforsyningen-Satellitenbildern weit genug herein zoomt, erhält man 25-Meter-Höhenlinien. Jetzt kann man punktuell fragwürdige Stellen auf Papier markieren, den aktuellen Verlauf der Gletscherflüsse korrigieren (teils deutlich anders als auf den Wanderkarten) und, falls man aufs Eis will, die Gletscherfronten aus den Sentinel-Bildern übertragen. Das hilft wirklich – ich bin froh, dass ich mir die Mühe gemacht habe. Die magnetische Deklination beträgt 2025 für Narsarsuaq 20,45° West, also negativ.


    So. Nach dem komplizierten Kartengedöns halte ich die Anreise ganz knapp. Am 05. August geht es nach der Arbeit mit dem Nachtzug von Hamburg nach Kopenhagen, wo am 06. um 12:15 Uhr der Flieger nach Narsarsuaq startet. Große Entspannung! Mir fällt es immer schwer, loszulassen und für drei Wochen in die Wildnis abzutauchen. Diesmal bin ich fast schon krankhaft aufgeregt und im Zweifel, ob ich so lange weg sein kann. Ja doch, du bist entbehrlich, mach dich nicht so wichtig. Spätestens auf dem Flug wird alles ganz leicht, ich freue mich ungetrübt auf eine spannende Tour, neue Eindrücke und Erlebnisse.

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  • Borgman
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    • 22.05.2016
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    #2
    Mittwoch, 06. August

    In Narsarsuaq angekommen, führt der erste Weg den Wanderer üblicherweise direkt zum Blue Ice Cafe. Um Gas oder Spiritus zu kaufen, sich für das Hostel anzumelden, einen Bootstransfer zu buchen oder zu bezahlen, Informationen zur Wanderroute einzuholen, alles zusammen oder einfach nur auf einen Kaffee nach der Reise. Da bin ich keine Ausnahme. Bei Blue Ice Explorer kümmert man sich nett und geduldig um alle relevanten Anliegen. Vor Ort oder auch schon vorab per E-Mail. Hoffentlich bleibt es uns erhalten, wenn Ende 2026 wie geplant der internationale Flughafen nach Qaqortoq verlegt wird und der jetzige Flughafen Narsarsuaq zu einem Heliport schrumpft.


    Vieles wird sich verändern in Narsarsuaq ohne den Flughafen

    Ich kaufe meinen Spiritus, bezahle den Bootstransfer nach Itilleq am 17. und checke dann die Lage im Pilersuisoq-Laden. Weil ich nur für die ersten 10 Tage Nahrung dabei habe, bin ich darauf angewiesen, dort am 16. für die zweite Tour einzukaufen. Das Angebot ist naturgemäß für 160 Einwohner und ein paar Touristen etwas eingeschränkt und manche Regalfächer auch leer, aber Instantnudeln, Kekse und irgendwelche Nüsse sollte es eigentlich immer geben. Da darf ich dann halt nicht wählerisch sein. Geht klar.

    Jetzt bin ich frei bis Samstag nächste Woche – geiles Gefühl! – und vertrödele bei Sonnenschein und wenig Wind keine Zeit mehr im Kaff. Ich möchte heute noch hinter dem Flughafen den Gletscherfluss queren, morgen auf der Ostseite am Fjord nach Norden laufen. Die direkte Route zum Johan Dahl Land, also sofort ein steiler, pfadloser Anstieg von 500Hm und weiter bis auf 1050m über die Berge traue ich mir mit dem schweren Rucksack nicht zu, das bleibt pure Phantasie. Ein ruhiger Fahrweg am Fjord klingt dagegen äußerst attraktiv als Einstieg.


    auf dem Weg zum Fluss sieht man schon typische Vegetation


    die Bootspassage ist bei diesem Wetter reiner Genuss



    Auf der anderen Seite lasse ich das Packraft trocknen und denke mir, dass ich wohl heute keinen besseren Schlafplatz mehr finden werde als diese von Schafbeweidung geprägten grasigen Hügel. Bin auch müde, weil ich im Nachtzug keine Minute schlafen konnte. Nur Schatten hätte ich gerne. Es ist 18:30 Uhr, und die Sonne wird erst in vier Stunden untergehen. Die Zeitzone ist GMT-2, aber schon Südgrönland liegt dafür eigentlich zu weit westlich. Soll heißen, die Sonne hat (mit Sommerzeit) ihren höchsten Stand erst gegen 14 Uhr, geht spät auf und spät unter.



    Da links im Bild sind Birken, die gerade so einen ebenen Platz beschatten. Das ist meiner.



    Zum Waschen und Wasser holen muss ich hin und zurück jeweils einen guten halben Kilometer zum See gehen. Das ist mir die gute Zeltstelle wert. Uff – lange Reise – jetzt möchte ich nur noch schlafen.

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    • Fjellfex
      Fuchs
      • 02.09.2016
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      #3
      Hurra, es geht schon los - ich hatte gedacht länger warten zu müssen.
      Seit *ewigen* Zeiten liegt bei mir ein Trekkingführer Grönland vom Michael Vogeley herum ... aber den Hintern habe ich nie hochbekommen.
      Vielleicht ja auch deshalb, weil das für mich doch eine Nummer zu groß ist? Eisbären zum Beispiel. An der Ostküste ist das wohl echt ein Thema, im Westen und Süden eher weniger. (?)
      Und um Ecken einschätzen zu können aus denen man sonst keine Informationen bekommt, hat sich für mich google earth pro schon ein paar mal bewährt.
      Ich bin gespannt!

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      • zilka

        Erfahren
        • 29.06.2017
        • 448
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        #4
        Ich bin auch gespannt!
        Noch ein Bericht in meinem Lieblings-Unterforum zum Verfolgen…
        Und mit Packraft!

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        • fhvdrais
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          • 16.08.2015
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          #5
          Ich auch, sehr!
          Gab's viele Mücken Anfang August?

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          • Borgman
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            • 22.05.2016
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            #6
            Fjellfex : Eisbären nicht, aber auf eine unerwartete Bedrohung komme ich im nächsten Teil zu sprechen. Und ich wette um ein 6-er Pack Kvikk Lunsj, dass du auch mit Google Earth Pro in manchen Gebieten Grönlands nicht weit kommst. Im Johan Dahl Land z.B. sind ganze Höhenzüge mit dicken schwarzen Flechten überzogen – das wirkt wie eine Art „Stealth Mode“: beim reinzoomen der Satellitenbilder wird plötzlich der Bildschirm schwarz. Naja, vielleicht nicht ganz, aber du verstehst was ich meine. Ob und wenn ja wie und wo man Gletscherflüsse queren kann, lässt sich auch nicht mit den besten Online-Tools vorher einschätzen.

            zilka : Schön, dass du dabei bist. Das Packraft wird noch mehrmals zum Einsatz kommen.

            fhvdrais : zu den Mücken komme ich auch sehr bald. Ich kann jetzt schon dringend anraten, ein Kopfnetz auf die Packliste zu setzen

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            • Borgman
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              • 22.05.2016
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              #7
              Donnerstag, 07. August

              Noch im Halbschlaf, nach einer erholsamen Nacht, sickert ein nahes, schlagendes Geräusch allmählich in mein Bewusstsein. Hm … grunz … gähn … das Außenzelt flattert im Wind. Okay … gääähn … nicht schlimm. Aber dann bin ich plötzlich hellwach. Wieso? Welcher Wind? Jetzt spüre ich, dass etwas sehr lebhaft gegen meine Füße drückt. Ein Tier! Es muss durch den Lüfter gekommen sein und strampelt wohl in Panik. Ein Hase, der nicht mehr raus findet? Nee, Scheiße, es ist ein Polarfuchs, der rein will und wie wild den Stoff bearbeitet. Als ich draußen bin, will er mich angreifen, läuft immer wieder Kreise um mich und versucht, an mich ranzukommen. Lässt sich nicht durch brüllen und fuchteln vertreiben. Erst als ich ihn mit dem Stock erwische, wird er vorsichtig und läuft nach einigen weiteren halbherzigen Attacken den Hang hoch. Ist er endlich weg?

              Nach einem schnellen Frühstück (ich hätte auch das weglassen sollen), packe ich zusammen und muss noch mal dringend wo hin. Da ist der Fuchs wieder und startet erneut eine endlose Reihe von Angriffen. Er kennt ja jetzt meine Reichweite. Verdammt! Lass mich fertig packen und verschwinden! Erhöhten Speichelfluss oder Schaum vor dem Maul als Anzeichen von Tollwut sehe ich nicht, aber es gibt ja wohl keine andere Erklärung für dieses Verhalten. Ich darf nicht zulassen, dass er mich beißt, erwische ihn noch mal mit dem Stock und brülle so laut ich kann – bestimmt hört man es bis Narsasuaq. Jetzt verzieht er sich in die Ebene, was bedeutet, dass er mich weiter beobachtet. Aber ich kann endlich fertig packen und losgehen.


              Fuchs läuft Kreise um mich …


              und greift an

              Nach 100 Metern ist er wieder da, aber ich komme wenigstens voran. Solange ich mich mit im Kreis drehe und ihn auf Abstand halte, kann ich immer ein paar Schritte machen. Nach einer Zeit, die mir wie eine Stunde vorkommt, aber wahrscheinlich nicht mehr als zehn Minuten sind, bleibt er zurück. Was für ein Biest! So ein stressiger Start in den Tag! Den Urlaub hatte ich mir wahrlich entspannter vorgestellt. Muss man jetzt immer damit rechnen, dass irgendwelche tollwütigen Viecher angerannt kommen? Ich drehe mich noch mal um. Kein Fuchs zu sehen.

              Beim Gehen beruhige ich mich allmählich. Die Wolken lösen sich auf, man sieht schon blauen Himmel, es weht ein leichter Wind bei 9°C. Obwohl ich dem Fahrweg folge, komme ich mit dem schweren Rucksack nur mäßig voran. War die richtige Entscheidung, den Ball erst mal flach zu halten. Oder leicht hügelig, denn ein bisschen geht es immer hoch und runter am Fjord.


              Blick zurück nach Narsarsuaq und weiter über den Tunulliarfik (Eriksfjord, auch Skovfjorden)



              Hier mache ich Pause und drücke den Reset-Knopf. Von so einem kleinen Tier lasse ich mir nicht die die Tour vermiesen. Erst jetzt dämmert mir, dass ich den Tollwutfall melden sollte, damit sich ein Jäger darum kümmern kann. Ja, mache ich, wenn ich in 9 Tagen wieder zurück komme. Wanderer sind auf dieser Seite praktisch nie, und wer hier wohnt, kümmert sich selber. Jetzt will ich die Gedanken lieber darauf lenken, was vor mir liegt. Es zieht mich magisch zum Eqalorutsit Kangilliit, dem westlichen Eisfjord. Dafür muss ich auf die andere Fjordseite paddeln, über einen Bergsattel von gut 600m Höhe steigen und ein dicht bewachsenes Tal entlang gehen. Klingt abwechslungsreich, also los.


              der Fahrweg wird nicht oft befahren


              nur wenige Eisbrocken verirren sich in diesen Fjordarm

              Die Stille hier tut mir gut nach der lauten Reise und dem holperigen Start. An der schmalsten Stelle …





              blase ich das Boot auf und paddele auf die andere Seite. Zwei kleine Motorboote fahren vorüber, stoppen, fahren wieder ein Stück, stoppen und immer so weiter, als suchten sie was. Man sieht sie auf dem Foto ganz hinten.


              das Wasser ist ganz milchig vom Gletscherstaub


              Blick zur Gannet Bugt, dem Fjordende


              links sieht man wieder eins der Boote

              Nach der Überfahrt, als ich gerade Mittagspause mache, kommt ein Hubschrauber, steht über Land in der Luft, fliegt ein Stück, steht wieder, fliegt eine Runde, landet auf der anderen Seite, fliegt wieder ein Stück, steht in der Luft und so weiter. Definitiv suchen sie was. Hatte ich was von Stille gesagt? Für bestimmt zwei Stunden herrscht ein Heidenlärm. Hoffentlich haben sie gefunden, was sie suchten, hoffentlich ist kein Mensch zu Schaden gekommen. Natürlich macht man sich Gedanken. Es könnte ein Paddler sein, oder ein Packrafter, bei dem man nicht weiß, ob er an Land oder auf dem Wasser verschwunden ist.



              Das wird heute nichts mehr mit der Entspannung, ich finde auch nicht richtig in den Tourmodus. Bis zu dem See 227m nordwestlich vom Hof Qinngua will ich noch gehen und dort einen Platz suchen. Ich könnte bis kurz davor dem, auf dieser Seite häufiger befahrenen, Weg folgen, entscheide mich aber für einen Schafpfad am Hang.





              Erst hier fällt mir so richtig auf wie trocken der Boden und die Vegetation ist. Seit Wochen kann es nicht viel geregnet haben. Eigentlich sind es nur vielleicht fünf Kilometer im Gelände von der Anlandestelle bis zum See, aber die ziehen sich schier endlos. Niedriges Weidengesträuch, krautige Wiesen und steinige Stellen wechseln sich ab, der Wind hat etwas aufgefrischt, so dass es in der Sonne nicht zu warm wird, und der Blick ist herrlich.


              Blick zurück


              Blick Richtung Qinngua


              See 227m

              An einem anderen Tag wären noch ein paar Kilometer drin gewesen. Heute bin ich einfach nur froh, dass es am See trotz viel Gesträuch Zeltmöglichkeiten gibt. Wegen der (zu vermeidenden) Abendsonne schlage ich mich auf die linke, westliche Seite …



              richte mich gemütlich ein und klebe die mindestens 20 Löcher zu, die der Fuchs in mein Akto gebissen hat. Nicht, dass sie die Funktion groß beeinträchtigen – ich will sie nur nicht mehr sehen. Lieber gucke ich auf Klebestreifen (Kinesio-Tape haftet überraschend gut auf Silnylon, für das Innenzelt eignet sich Heftpflaster) als auf tollwütige Bisse.







              Muss ich so was noch mal befürchten? Bei uns und in Skandinavien gibt es ja keine Tollwut mehr, deshalb habe ich nie einen Gedanken daran verschwendet. Scheint in Grönland noch ein Thema zu sein, aber auch hier glaube ich, dass die Wahrscheinlichkeit, einem tollwütigen Tier zu begegnen, äußerst gering ist. Vorsichtshalber schließe ich die Lüfter und entspanne mich. Obwohl ich das Gefühl, dass Grönland mich abschrecken will, nicht ganz aus dem Hinterkopf verbannen kann, bin ich zuversichtlich: morgen wird ein besserer Tag.

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              • JulianD
                Gerne im Forum
                • 26.10.2017
                • 96
                • Privat


                #8
                Krasser Flashback, danke dafür! Bin 2019 genau so gestartet, aber ins Johan-Dahl-Land haben wir uns nicht gewagt, sondern am Fjord entlang nach Narsaq gelaufen. Es war eine unglaubliche Angelei und wir konnten uns ausschließlich von Fisch ernähren. An der Küste gab es auch im Gegensatz zum Inland keine Mücken. Aber jetzt kommst: an einem Lager (in meinen Aufzeichnungen kann ich bestimmt sehen, wo genau) kam auch ein Fuchs nachts an mein Zelt. Allerdings lies er sich durch einen Schlag gegen die Schnauze von innen vertreiben. Ich weiß noch genau, wie mein Puls ging, da ich im Halbschlaf zuerst an einen schnüffelnden Eisbären dachte, die sich kurze Zeit zuvor in der Gegend herumgetrieben hatten. Ich freue mich auf den Rest!

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                • Borgman
                  Dauerbesucher
                  • 22.05.2016
                  • 828
                  • Privat


                  #9
                  Hallo Julian, freut mich, dass du dabei bist. Polarfüchse sind neugierig und kommen gerne mal in Zeltnähe. Deiner war ziemlich sicher gesund, und zum Glück ist das auch in Grönland der Normalfall. An einem anderen Tag in einer anderen Gegend hatte ich in der Dämmerung, um jetzt mal vorzugreifen und keine Fuchspanik zu schüren, noch mal einen Fuchs, der sich vergewissern wollte, ob meine Abspannleinen auch halten. Mein riesiger Schreck war vollkommen unbegründet - er hat sofort das Weite gesucht und ließ sich bis zum Morgen nicht mehr blicken. Und nicht nur Füchse: wieder woanders waren es kleine Vögel, die sich am Zelt zu schaffen gemacht haben. Naja, sie haben dabei gepiepst, also keine Verwechslungsgefahr. Mein armes Akto musste ganz schön was einstecken auf dieser Tour.

                  Dein Hinweis auf gute Angelmöglichkeiten ist bestimmt für manche wertvoll.

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                  • TilmannG
                    Fuchs
                    • 29.10.2013
                    • 1392
                    • Privat


                    #10
                    Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                    ​...

                    Natürlich liest man alle verfügbaren Berichte zu der Gegend, für die man sich interessiert. Habe ich auch gemacht und schöne Bilder angeguckt, war danach aber nicht viel schlauer als vorher. ... Und dann die Variablen, z.B. Gletscherflüsse, Buschwerk, Begehbarkeit von Gletschern und steilen Hängen in losem Moränenschutt. Das alles kann sich in wenigen Jahren stark verändern....
                    ...Die 9 Tage danach wollte ich mich ungefähr an der von @Tilmann auf seiner eigenen Seite beschriebenen Runde von Igaliku zum Jespersen Bræ orientieren, die auf seinen Fotos für meinen Geschmack ungeheuer faszinierend aussah. Das war gesetzt....
                    ​​​​​
                    Hei Bernd - da bin ich jetzt extrem gespannt dabei!!!
                    Die Variablen - vor allem der Gletscherrückgang und daraus resultierend die Veränderung der Wasserlandschaft - sind bei Grönlandtouren wirklich extrem. Schon ein Jahr nach unserer Süd-Grönlandtour konnten wir anhand von neuen Sat-Bildern fast darauf setzten, dass wir vielleicht die letzten waren, die Motzfeldt Sø fussläufig erreicht haben. Aber du hast ja ein Boot dabei...und ich will wirklich nicht vorgreifen!

                    Dein Erlebnis mit dem Polarfuchs ist krass - wir hatten viele Begegnungen, aber so etwas nie. Meist waren sie in Fjordnähe, wo sie im breiten Gezeitengürtel gut Muscheln finden. Trotzdem hatte ich immer etwas Schiss, dass sie unsere Lebensmittel plündern, wenn wir bei Extratouren das Zelt zurück ließen.
                    Auch die bei dir offensichtliche Trockenheit hat mich überrascht, wenngleich die Schafzüchter in den letzten Jahren von Problemen mit zu hohen Temperaturen berichtet hatten.
                    Viele Grüße von Tilmann
                    http://www.foto-tilmann-graner.de/

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                    • jeha
                      Erfahren
                      • 04.08.2005
                      • 395


                      #11
                      Grönland und Packraft - da bin ich sowas von dabei! Das wäre mein Traum...
                      Bin sehr gespannt wie es weitergeht!!!


                      Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                      Seit *ewigen* Zeiten liegt bei mir ein Trekkingführer Grönland vom Michael Vogeley herum ...
                      Bei mir auch...

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                      • Borgman
                        Dauerbesucher
                        • 22.05.2016
                        • 828
                        • Privat


                        #12
                        TilmannG: Moin Tilmann, du kannst dich auf bekannte Landschaft freuen, die jetzt vielleicht ein bisschen anders aussieht. Was Motzfeldt Sø angeht, werde ich noch nichts vorwegnehmen, aber dank der aktuellen Satellitenbilder hatte ich zumindest eine Vorstellung von der Lage der Gletscherfronten und -randseen und dem Verlauf der Gletscherflüsse. Mit dem Packraft könnte es bei guten Bedingungen klappen, zu Fuß eher nicht, da hast du recht.
                        Jetzt wo du es sagst: Lebensmittel in einfachen Packbeuteln sind vermutlich nicht 100% sicher vor Füchsen...
                        Viele Grüße zurück!

                        jeha: dann bleib dran, hoffentlich kannst du deinen Traum verwirklichen. Ich bemühe mich um baldige Fortsetzung.

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                        • Borgman
                          Dauerbesucher
                          • 22.05.2016
                          • 828
                          • Privat


                          #13
                          Freitag, 08. August

                          Nach einer wunderbar erholsamen Nacht herrscht am Morgen endlich die ersehnte absolute Stille. Herrlich – das fühlt sich jetzt wirklich wie ein Neustart an. Bei 0°C und geschlossenen Lüftern hat sich viel Kondenswasser gebildet. Was mir herzlich egal ist. Entgegen meiner Gewohnheit trödele ich noch ein bisschen herum, gönne mir einen zweiten Kaffee zu meinen Keksen mit Erdnussbutter und gehe erst los, als die Sonne das Zelt bescheint, gegen 8:30 Uhr.



                          Die Weidensträucher, die den See auf dieser Seite dicht an dicht belagern, sind auch sehr nass. Da helfen Gamaschen nur bedingt. Also, ich kann kniehohe Gamaschen in Grönland nur empfehlen – sie verhindern schon die vorzeitige Zerstörung der Hosenbeine durch all die sperrigen Zweige, aber nicht, dass die Hose nach kurzer Zeit trieft. Ist mir auch herzlich egal. Und auch, dass die kurze Strecke zur nördlichen Seeseite ziemlich anstrengend ist. Heute bin ich richtig gut gelaunt.



                          Rechts von dem Bacheinschnitt in der Mitte geht es hoch. Der ist tiefer als es von hier aussieht und kann vorerst nicht gequert werden. Ein Schafpfad, den ich am Hang finde, erleichtert das Gehen erheblich.


                          Blick zurück zum See 227m


                          der Einschnitt nach oben …


                          und nach unten


                          weiter oben wird es steiniger


                          noch weiter hoch



                          In der steinigen, von kleinen Seen durchsetzten Ebene, die nach dem ersten Anstieg erreicht wird, sollte man sich nicht sklavisch an den Routenvorschlag in der Karte halten, sondern seinem Instinkt folgen. Hinter dem ersten See mache ich von 11 bis 13 Uhr ausgiebig Pause und nehme dann das letzte Stück bis zur Passhöhe von knapp 650m Höhe in Angriff. Jetzt komme ich in der Sonne ordentlich ins Schwitzen.


                          die beiden Seen 620m kurz vor dem Übergang



                          Geschafft! Ab jetzt geht es nur noch runter. Auch für den Abstieg halte ich mich nicht an den Routenvorschlag, sondern quere so bald es möglich ist auf die rechte Bachseite …


                          genau hier …

                          wo ich auf einen Schafpfad treffe, der recht steil aber völlig problemlos ins Tal führt. Der nur von hier oben niedlich aussehende Gletscherfluss, Qinnguata Kuua, ist für Wanderer nicht zu furten. Deshalb ist diese Route die kürzeste und beste zum Eqalorutsit-Gletscher. Ein neuer, auf den Dataforsyningen-Satellitenbildern noch nicht, aber bei Sentinel-2 erkennbarer Fahrweg lässt darauf schließen, dass es eine ruhige, breite Stelle gibt, die man zumindest bei geringerem Pegel im September mit dem Traktor queren kann. Die man vielleicht mit dem Packraft queren kann. Ansonsten gäbe es einen Kilometer westlich von hier eine Alternativroute über den See 527m und Paaratiisi, die neue Tourmöglichkeiten eröffnet.


                          Blick nach WNW zum Eqalorutsit-Gletscher


                          problemloser Abstieg



                          Bevor ich dann später durch das namenlose Tal gehe (sieht nach viel Gesträuch aus), möchte ich an einer kleinen Hütte Pause machen, auf die man nach dem Abstieg eigentlich gleich stoßen sollte. Die angebliche Stelle habe ich extra in der Karte markiert. Ja, entweder bin ich dumm oder blind oder die Hütte ist zu gut getarnt oder existiert nicht. Jedenfalls kann ich sie nicht finden, obwohl ich sogar ein unnötiges Stück weiter gehe, bevor ich dann nach Westen schwenke und am ersten Bach vom Gegenhang das Zelt aufstelle. Mittagspause von 16 bis 17:30 Uhr. Ich muss für eine Weile Schatten haben und vor allem Ruhe vor den Fliegen, Mücken und Kriebelmücken, die in großer Zahl das Tal bevölkern. Wie in Island sind die Fliegen besonders lästig, weil sie gezielt in Nase und Ohren hinein krabbeln. Beim Wandern geht es mit Kopfnetz ganz gut, in der Pause wünschte man sich Wind. Zigarillo-Rauch beeindruckt sie kein bisschen.


                          Blick zurück, links von der Mitte mein Abstieg, am rechten Rand die Alternativroute

                          So anstrengend die Strecke durch die Ebene war, wegen Gesträuch bis knapp einen Meter Höhe, so angenehm wird nach der Pause der Weiterweg. Ein Schafpfad schlängelt sich entlang der rechten Talseite, vermeidet das dichteste Buschwerk und hält sich gezielt an gut gangbare Stellen. Als ich ihn zwischendurch verliere, fange ich schon an zu fluchen – die Sträucher sind hier noch höher, um 1,5m – finde den Pfad aber nach wenigen Minuten wieder und bin der glücklichste Mensch.


                          mein Freund, der Schafpfad


                          Blick zurück talaufwärts (hier gelingt es nicht, die Insekten für eine Fotosekunde zu verscheuchen)


                          Ziel in Sicht

                          Im Tal brauche ich noch eine kurze Pause und erreiche dann endlich die Killertomate aus dem Weltall …


                          diese kleine Hütte ist unübersehbar …

                          und steht offen. Ob sie so richtig für Wanderer gedacht ist, kann ich nicht sagen – hauptsächlich für die Schafhalter, vermute ich. Heute ist es darin so heiß, dass man einen Rührkuchen backen könnte (sofern man die Zutaten zufällig im Rucksack findet), aber bei schlechtem Wetter kann man prima übernachten.


                          Tomate ganz links



                          Wenige hundert Meter weiter finde ich um 20 Uhr am Strand eine perfekte Stelle zum Zelten. Nach der Waschaktion und dem obligatorischen „Nachmittagskaffee“ steht die Sonne schon tief, es wird schnell kühl und die Insektenplage lässt nach. Ganz herrlich!



                          Nur wirklich ruhig ist es hier nicht. Ungefähr alle 10 bis 15 Minuten rumpelt oder kracht es, wenn Eis von der Gletscherfront abbricht oder auf dem Wasser schwimmende Eisbrocken entzwei brechen. Manchmal entsteht dabei eine kleine Flutwelle, die in die Bachmündung hinein drückt. Ich vermute, dass die Aktivität bei Knallwetter wie heute am Abend besonders hoch ist und über Nacht nachlässt.


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                          • vobo

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                            Dauerbesucher
                            • 01.04.2014
                            • 881
                            • Privat


                            #14
                            Knallwetter ist gut! Ich erinnere mich wie Du mir vor ein paar Jahren mal das norwegische Knallvær beigebracht hast

                            Kommentar


                            • Borgman
                              Dauerbesucher
                              • 22.05.2016
                              • 828
                              • Privat


                              #15
                              Zitat von vobo Beitrag anzeigen
                              Knallwetter ist gut! Ich erinnere mich wie Du mir vor ein paar Jahren mal das norwegische Knallvær beigebracht hast
                              Hehe, ja, das Wort hat an dem Abend auch für mich eine neue Bedeutung gewonnen

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                              • Borgman
                                Dauerbesucher
                                • 22.05.2016
                                • 828
                                • Privat


                                #16
                                Samstag, 09. August

                                Wieder eine kühle, klare, windstille Nacht bei nicht viel mehr als 0°C. Ausgeschlafen und bestens aufgelegt schaue ich am Morgen in den blauen Himmel und beschließe spontan, dass ich zwei Tage bleiben werde. Heute, weil es hier zum Verrücktwerden schön ist und ich das gute Wetter in aller Ruhe auskosten will. Und morgen, weil es den ganzen Tag regnen soll. Für Anfang der Woche sieht die Vorhersage so mittelprächtig aus, aber darauf gebe ich noch nichts. Gegen 7:20 Uhr lasse ich mein kondensnasses Zelt stehen, überquere die Strandebene nach NNW und mache mich an den Anstieg zu dem Höhenzug, der das Tal vom Gletscher trennt.


                                da unten steht das Zelt

                                Vom Strand kann man kaum was vom Gletscher sehen, also muss man für einen besseren Ausblick irgendwo hoch. Der Berg 522m direkt nördlich der Bucht sieht von hier zu steil aus, aber rechts daneben könnte es klappen. Trotz Mütze und Handschuhen ist mir kalt, und ein Teil nasses Weidengestrüpp ist am Hang unvermeidlich. Ich suche mir eine Route, die zumindest stellenweise auf Gras und Geröll verläuft.

                                Als die Sonne über den Berg kommt, wird es schlagartig warm, und schon versammeln sich sämtliche Fliegen, Mücken und Kriebelmücken um das einzig verfügbare Säugetier. Verdammt, ich habe Kopfnetz und Mückenmittel vergessen. Zurück zum Zelt will ich nicht, also muss es ohne gehen. Zwischen dem Berg und einem Bacheinschnitt geht es tatsächlich problemlos hoch auf eine Verebnung mit kleinen Seen. Ah gut, ja, Wasser habe ich auch nicht dabei. Irgendwie ist mein Ausflug schlecht vorbereitet.


                                der Hügel hinter dem See verspricht gute Aussicht auf den Gletscher …

                                darf ich vorstellen: Eqalorutsit Kangilliit Sermiat







                                Hammer! Der trägt seinen pompös klingenden Namen wahrlich zu recht. Gegenüber ist ein flacher Seitengletscher, auf den ich jetzt gerne gehen würde, aber der wild zerklüftete Hauptgletscher ist hier etwas mehr als drei Kilometer breit. Auch würde es mich reizen, von hier durch das nördliche Johan Dahl Land nach Osten zum Nordbosjø zu wandern. Dafür ist mir erstens die Wettervorhersage nicht stabil genug, und zweitens bin ich dafür momentan nicht abenteuerlustig genug. Nee, ich bin eigentlich zufrieden mit kleineren Zielen und einem entspannten Zeitbudget. Zurück geht es auf der selben Route mit noch mehr Insekten.


                                der Bacheinschnitt, links davon ist die steilste Stelle des An- und Abstiegs


                                Blick zurück von weiter unten


                                mit Blick auf die Bucht halte ich mich rechts am Hang in Richtung Gletscherfront




                                Eqalorutsit Kangilliit






                                komischer Vogel

                                Strandspaziergang zurück zum Zelt. Auf dem Weg begegnen mir zwei Däninnen, die gestern noch später als ich gekommen sind, um 22 Uhr. Eine von ihnen hat sogar in der brütend heißen Tomatenhütte übernachtet, die andere vernünftigerweise daneben im Zelt. Sie haben sich mit dem Boot nach Qinngua fahren lassen und sind ab dem See 277m ähnlich meiner Route gelaufen. Anders als ich haben sie die Hütte in der Ebene nach dem Abstieg gefunden und dort ihre Pause gemacht. Wir unterhalten uns noch ein bisschen über das bevorstehende Wetter und verschiedene Routenoptionen. Die beiden wollen heute noch zurück, möglichst den Aufstieg der Alternativroute schaffen und in 5-6 Tagen über die Bucht Tasiusaq nach Sillisit und weiter nach Narsaq laufen.

                                Gegen 12 Uhr, der Ausflug hat länger gedauert als gedacht, stelle ich das Zelt um, damit es sich besser beschatten lässt und ruhe nach dem Kaffee erst mal eine Stunde aus. Sobald Quilt, Regensachen, Softshell usw. auf dem Außenzelt ausgebreitet sind, wird es drinnen angenehm kühl. Gegen 13:30 Uhr ist Ebbe und damit Zeit für einen Spaziergang zwischen den gestrandeten Eisbrocken.

                                Tipp: Gezeitentabelle mitnehmen und wirklich den niedrigsten Wasserstand abwarten.









                                Absolut faszinierend, wie vielfältig das Eis geformt ist. Ich könnte stundenlang staunen, phantastische Wesen darin entdecken und Fotos machen. Dann gehe ich noch ein Stück am steinigen Südufer entlang und zurück.





                                Man sieht von hier nur einen kleinen Teil der drei Kilometer langen Gletscherfront. Für einen richtigen Überblick müsste ich weit den steilen Hang entlang gehen und dann 500 Meter aufsteigen. Dafür bin ich heute zu faul, mir reichten die großartigen Eindrücke des Tages vollkommen aus.




                                ein Selfie mit Eisbrocken





                                Beim Rückweg zum Zelt läuft das Wasser allmählich wieder auf. Ich nehme mir noch einen Mini-Eisberg für den Vorgarten mit, weil die Sonne jetzt von der Bucht scheint und ich den Schatten brauche … so kann man es aushalten …


                                und machen mir erst mal einen …


                                na was schon: Kaffee!

                                Der leichte, kühle Wind kann die Insekten nicht vertreiben, aber jetzt kann ich wieder das Kopfnetz überziehen, wenn es zu viel wird. Die paar normalen Mückenstiche von meiner Dummheit am Vormittag sind schon verschwunden, und die 20+ Bisse der Kriebelmücken fangen gerade an zu jucken (man erkennt sie an dem winzigen dunklen Punkt in der Mitte der Rötung). Das ist ja das Tückische an Kriebelmückenbissen: sie jucken nicht sofort, sondern später, manchmal erst in der Nacht oder am nächsten Tag. Da hilft nur Kühlen, hier kein Problem, oder kortisonhaltige Salbe – davon habe ich auch eine kleine Menge dabei.

                                Am späteren Nachmittag geselle ich mich nach der großen Waschaktion zu den ortsansässigen Schafen an den Strand und fühle mich schon fast als Einheimischer.


                                Sommer, Sonne, Strand und Schafe


                                mein Zelt links im Hintergrund

                                Jaa, ich weiß – zu viele Fotos. Falls jemand immer noch nicht genug hat, habe ich ein kleines Extra-Album bei Flickr eingerichtet, mit noch ein paar Bildern und Video-Schnipseln: https://www.flickr.com/photos/144877...77720328894289

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                                • codenascher

                                  Lebt im Forum
                                  • 30.06.2009
                                  • 5206
                                  • Privat


                                  #17
                                  Sehr schöner Bericht bis hierher, werde Dir weiter durch diese interessante Landschaft folgen!

                                  Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

                                  meine Weltkarte

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                                  • Fjellfex
                                    Fuchs
                                    • 02.09.2016
                                    • 1793
                                    • Privat


                                    #18
                                    Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                    https://www.flickr.com/photos
                                    Vielen Dank insbesondere für die Video-Schnipsel. Ich bin ja ein Freund bewegter Bilder; das hat noch mal eine extra Dimension, zum Beispiel wenn der Eisschollen-Eintopf ein wenig in der Mini-Dünung rumschwappt.

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                                    • Philipp
                                      Alter Hase
                                      • 12.04.2002
                                      • 2756
                                      • Privat


                                      #19
                                      Hallo Borgmann,

                                      vielen Dank für den schönen Bericht. Er weckt gute, alte Erinnerungen 😏.
                                      Die Landschaft hat sich stark gewandelt - vor 30 Jahren konnten wir noch einfach auf und über den Jespersen Breen latschen, um nach Sydpröven zu gelangen, jetzt sehe ich auf Deinen Bildern einen breiten seitenparallelen Abfluss..

                                      Der nur von hier oben niedlich aussehende Gletscherfluss, Qinnguata Kuua, ist für Wanderer nicht zu furten.
                                      Vor ebenfalls 30 Jahren ließ sich dieser Fluss durchwaten, auch wenn wir recht lange brauchten, um eine gute Stelle zu finden. Vermutlich waren wir aber auch nur naiv (und hatten Glück), und es ist besser, bei der Routenplanung nicht darauf zu bauen.

                                      Ich bin gespannt, wie es weitergeht und über welche Landschaften Du im Vergleich zu "früher" noch berichten wirst :-).

                                      Gruß, Philipp


                                      "Oft vereint sind im Gemüte Dämlichkeit und Herzensgüte." - W. Busch

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                                      • zilka

                                        Erfahren
                                        • 29.06.2017
                                        • 448
                                        • Privat


                                        #20
                                        Zitat von Borgman Beitrag anzeigen

                                        Jaa, ich weiß – zu viele Fotos.
                                        Finde ich ÜBERHAUPT nicht!!!

                                        zilka

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                                        • jeha
                                          Erfahren
                                          • 04.08.2005
                                          • 395


                                          #21
                                          Zitat von zilka Beitrag anzeigen

                                          Finde ich ÜBERHAUPT nicht!!!

                                          zilka
                                          OT: Den Satz habe ich auch nicht verstanden!

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                                          • Borgman
                                            Dauerbesucher
                                            • 22.05.2016
                                            • 828
                                            • Privat


                                            #22
                                            codenascher: Danke, das freut mich!

                                            Fjellfex: Okay - wenn das gewünscht wird, kann ich später (nicht in den nächsten Teilen) weitere kurze Videos zur Verfügung stellen. Sie sind aber alle mit meinem billigen Mobiltelefon aufgenommen und daher von unterirdischer Qualität.

                                            Philipp: Ja, am Jespersen Bræ ist es besonders auffällig. Ich habe mir die Stelle genau in der Karte markiert, wo ich vom Eis runter muss. Was Qinnguata Kuua betrifft, möchte ich meine Aussage "nicht furtbar" vorsichtshalber stehen lassen. Im nächten Teil gibt es Fotos vom Fluss. Der Pegel war am Dienstagmorgen nur wenige cm niedriger als am Abend zuvor. Man kann also nicht mit einem nennenswerten Abflusstagesgang rechnen. Es mag sein, dass man bei trockener, kühler, bedeckter Wetterlage eine geeignete Stelle findet, aber ich will hier keine großen Hoffnungen machen. Was du sagst: bitte nicht darauf bauen.

                                            zilka; jeha: Jaaa ... doch. Ich finde es ermüdend, wenn ein Bericht zu viele ähnliche Fotos hintereinander hat. Für den letzten Teil mochte ich auf keines davon verzichten.

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                                            • Borgman
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                                              • 22.05.2016
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                                              #23
                                              Sonntag, 10. August

                                              Abwettern oder Ruhetag, wie man’s nimmt. Es regnet fast durchgehend mit kurzen Pausen, in denen ich mir die Beine vertrete. Ansonsten kann ich den Tag gut zur Erholung brauchen. Könnte rüber zur Hütte gehen, aber mir fällt hier im Zelt überhaupt nicht die Decke auf den Kopf, obwohl es einen Tick zu niedrig ist. Ich finde es tatsächlich sehr gemütlich, auch weil einen weiteren Tag praktisch kein Wind weht. Donnerstag Nachmittag ein bisschen, aber nicht der Rede wert. Das ist ein auffälliger Unterschied zu Island, wo es fast immer windig ist und Lappland, wo Wetterwechsel eigentlich auch fast immer mit Wind einhergehen.



                                              Stiller (bis auf gelegentliches Rumpeln vom Gletscher), nasser Tag am Eqalorutsit Kangilliit.


                                              Montag, 11. August



                                              Am frühen Morgen beherrscht noch Nebel mit Nieselregen das Tal, aber ab 8 Uhr schimmert schon die Sonne etwas durch, und es bleibt trocken. Gegen 9:30 Uhr habe ich gepackt und gehe durch extrem nasse Vegetation auf dem Schafpfad das Tal hoch wie ich gekommen bin.


                                              Abschied vom Gletscher


                                              alles sehr nass





                                              Blick zurück – an solchen Stellen erkennt man den Pfadverlauf unter den bis zu anderthalb Meter hohen Sträuchern manchmal nur an einer Reihe von kahlen Zweigen.

                                              Mehr und mehr setzt sich die Sonne durch, der Nebel löst sich zögernd auf. Als ich nach einer Wanderstunde kurz Pause mache, sind Schuhe und Socken schon durchnässt. Egal, das wird ein schöner Tag, die trocknen auch wieder. Ich bin mit langsamem Tempo und kurzen Etappen zufrieden und möchte mich lieber ein bisschen treiben lassen und die stimmungsvolle Landschaft genießen als einen Plan zu fassen. Statt der Alternativroute über den Höhenzug beschließe ich spontan, dass ich mir den Gletscherfluss anschauen werde.


                                              noch ein Blick zurück


                                              die Fliegen sind auch wieder da


                                              Wasser fassen am Bach

                                              Wie – ich möchte schon fast sagen – „immer“ weht nur ein sehr leichter Westwind bei jetzt vielleicht 11 oder 12°C. Mittagspause mache ich gegen 12:30 Uhr dort, wo mitten in der Ebene die neue ATV-Spur beginnt und schaue danach nicht mehr auf die Uhr. Normalerweise notiere ich abends die Gehzeiten im Tagebuch, damit man sie später als Anhaltspunkt nutzen kann.



                                              Nur ein kurzes Stück folge ich dem Weg, auf dem ausschließlich Schafspuren zu sehen sind, keinerlei Reifen- oder Schuhabdrücke, bis zu den kleinen, etwas höher gelegenen Seen.



                                              Dann schwenke ich nach NO, um direkt auf den Gletscherfluss Qinnguata Kuua zu stoßen, wo er sich nach einer Engstelle zum ersten Mal verzweigt.


                                              genau hier

                                              Blick nach ONO Richtung Johan Dahl Land. Der Fluss fließt aus dem Nordbosjø durch ein teils stark zerklüftetes Tal, das extrem spannend aussieht. Andererseits ist die Route anspruchsvoll, mit steilen Auf-und Abstiegen in schwerem Gelände. Das widerstrebt mir, wo ich mich doch gerade erst dem Genusswandern verschrieben habe. Wer es sich gerne anschauen möchte, dem sei das schöne Video von Clemens ans Herz gelegt:
                                              https://www.youtube.com/watch?v=D794-Yzqh6Y&t=2507s

                                              Viel mehr reizt es mich, herauszufinden, ob sich der Fluss mit dem Packraft queren lässt. Die Strömung sieht auch hier einigermaßen stark aus, und ich bin bekanntlich eine Wildwasser-Niete. Wenn es zu schnell geht, überfordert mich das, und mein kleines Paddel ist auch nicht darauf ausgelegt. Also nicht lange nachdenken, dem Zweifel keinen Raum lassen, schnell das Boot aufblasen, Schwimmweste nicht vergessen und rein.

                                              Geht ganz gut. Ich bewahre kühlen Kopf, schaffe es aber bei der nächsten Teilung nicht in den linken Strom. Der rechte ist zu stark und zieht mich mit. Immerhin gelingt es, an einer flach auslaufenden Stelle auf Flusskieseln am linken Ufer anzulanden und schnell das Boot auf die Insel zu ziehen, bevor es weiter getrieben wird. Der zweite Hauptarm fließt ein Stück weiter etwas ruhiger, da kann ich wieder einsetzen. Auf der anderen Seite unterschätze ich den Strömungsdruck, werde beim Anlandeversuch quer gedreht und muss weiter paddeln, damit ich nicht unkontrolliert rückwärts treibe. Dann kommt eine ganz flache Stelle, an der ich mühelos aussteigen kann:



                                              Geil! Geschafft! Das hat doch super geklappt.



                                              Danach kommen zwei, drei kleinere Flussarme, die ich zu Fuß queren kann. Während das Boot trocknet, steige ich für besseren Überblick ein Stück den Hang hoch.




                                              da hinten aus dem Tal in der Mitte bin ich gekommen

                                              Mit Gepäck gehe ich nur noch einen guten Kilometer flussaufwärts, lasse den Rucksack stehen und gucke mir den Wasserfall und das Tal hinter der nächsten Biegung an.









                                              Zeltmöglichkeiten gibt es genug in der Ebene, aber bei genauerem Hinsehen sind sie alle recht hubbelig. Ich suche ziemlich lange, bis mir einer zusagt.



                                              Waschen im Gletscherfluss ist dann gar nicht so schlimm wie befürchtet – viel kälter als der Bach am Strand ist das Wasser auch nicht. Außerdem scheint ja immer noch die Sonne, und das soll sie laut der InReach-Prognose auch morgen tun. Am Abend überlege ich, wozu ich wirklich Lust habe. Ich könnte noch einen Tag nach Osten dem Tal folgen und dann in zwei oder drei Tagen über das Gebirge nach Narsarsuaq gehen. Oder ich könnte morgen eine längere, aber einfache Strecke am Fjord in Richtung Narsarsuaq machen, Mittwoch dann bis ins Blumental gehen und mir am Donnerstag den östlichen Eisfjord Qooroq angucken. Das klingt besser, grüner, erholsamer und macht überhaupt keinen Zeitdruck, egal wie das Wetter wird.

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                                                #24
                                                Dienstag, 12. August

                                                Wieder mal eine klare Nacht mit wenig Wind und einer Außentemperatur, die an der 0°C-Marke kratzt. Im Akto ist es ja immer ein paar spürbare Grade wärmer und damit perfekt für meine Schlafkombi aus STS Ether light, Katabatic gear Quilt und einem Mikrofaser-Inlett. Ich muss das hier mal erwähnen, weil ich vor der Tour leichte Zweifel hatte, ob sie wirklich ausreicht. Völlig unbegründet – tatsächlich habe ich bis jetzt in Grönland jede Nacht überdurchschnittlich gut geschlafen. So auch heute. Ich lasse mir Zeit bis die Sonne über den Berg kommt und breche um 8 Uhr auf.


                                                noch mit Mond am Himmel

                                                Die üblichen Insekten treten ihren Dienst auch schon an, aber heute habe ich einen entscheidenden Vorteil: ein leichter Wind weht direkt von vorne das Tal herauf. Das reicht gerade aus, damit sie sich hinter mir versammeln und ich mal ohne Kopfnetz gehen kann. Zurück durch die Ebene, dann kurz am Hang entlang und über die nächste Ebene bis zum Weg. Bevor ich dem folge, gucke ich mir natürlich den Wasserfall an.



                                                Hier gab es vor einigen Jahren noch eine Brücke, eher einen Steg, der immer wieder beschädigt und dann nicht mehr aufgebaut wurde. Auf dem Foto sieht man am anderen Ufer noch Reste davon.






                                                vom Weg aus


                                                von hier sieht man fast alle Fallstufen

                                                Frühstückspause 9:30 bis 11 Uhr am Ende der Engstelle im Tal. Danach geht es weiter durch das breiter und flacher werdende Tal bis zum Hof Qinngua kangilleq. Nicht zu verwechseln mit dem Hof Qinngua westlich der Gannet Bugt. Auf der älteren Papierkarte sind die Namen vertauscht, was keinen Sinn ergibt, wenn man weiß, dass kangilleq „östlich“ bedeutet. Wer grönländische Wörter übersetzen will, sollte nicht Google Translator oder anderen vertrauen (das ergibt allzu oft abseitigen Quark), sondern immer den Umweg über Dänisch gehen, also kalaallisut – dansk suchen. Diese Seite finde ich brauchbar: https://iserasuaat.gl/daka/. Für die Aussprache hier mal reinhören: https://sumut.dk/da/dagens-groenland/udtaleordbog/




                                                bis zum Fjord sind es noch einige Kilometer




                                                kurz vor der Mündung teils sich der Fluss wieder in mehrere Arme



                                                Über den westlichen und östlichen Flussarm gibt es jeweils eine Brücke, der mittlere muss gefurtet werden. Ich bleibe aber, nach einer kurzen Pause, auf der Ostseite und folge weiter gemütlich dem Weg.



                                                Der Hof (hier die Scheune) hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Dauerhaft bewohnt wirkt er nicht, obwohl auf der Wiese Heu gemacht wird.


                                                also doch irgendwie bewirtschaftet


                                                Mündungsbereich Qinnguata Kuua mit Hof Qinngua auf der anderen Seite


                                                Blick zurück, Qinngua kangilleq



                                                Wenn ich es richtig verstanden habe, sind Nadelbäume hier nicht wirklich heimisch. Diese sind eingezäunt und auf der Karte mit „Rosenvinges Plantage“ bezeichnet.


                                                sie wachen aber auch außerhalb der Plantage

                                                Nicht weit dahinter mache ich im Schatten von etwa drei Meter hohen Birken gemütlich Mittagspause. Von dieser Stelle will ich mich gar nicht lösen – mit Bäumen fühle ich mich immer so behütet.



                                                Das Schaf beobachtet mich interessiert. Ansonsten begegnet mir niemand auf dem Weg. Qinngua im Hintergrund sieht aber bewohnt aus. Oberhalb davon liegt hinter dem ersten Hügel der See 227m, an dem ich Donnerstag gezeltet habe. Nach etwa fünf weiteren Kilometern in Richtung Narsarsuaq …



                                                komme ich an eine Stelle nahe der Ruine Iterlak an der gleichnamigen Bucht, die sich perfekt zum Zelten eignet. Wiese, Bach, Schafe, fröhlich zwitschernde kleine Vögel – es ist einfach nur idyllisch.


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                                                  #25
                                                  Mittwoch, 13. August

                                                  Obwohl ich heute mal wirklich vor fünf wach bin, lasse ich mir wieder viel Zeit und breche erst um 8:30 Uhr auf. Dieses Herumtrödeln am Morgen ist eigentlich total untypisch – normalerweise koch ich mir ’n Kaffee und packe. Grönland ist eben doch ein bisschen unerklärlich … anders. Bei bedecktem Himmel zeigt das Thermometer 5°C.


                                                  Blick zurück, rechts von der Mitte meine Zeltstelle an der Bucht


                                                  hier sieht man, dass der Fahrweg wirklich nicht oft benutzt wird

                                                  Gute anderthalb Stunden brauche ich bis zum Fuchshügel und dem Gletscherfluss, wo ich wieder das Boot fertig mache. Heute quert es sich bei leichtem Westwind genauso unproblematisch wie vor 8 Tagen.



                                                  Genau auf der anderen Seite von Narsarsuaq liegt derweil ein etwas größeres Boot vor Anker, nämlich ein Kreuzfahrtschiff. Ich hatte ja gehofft, dass dieser Kelch an mir vorüber geht, dass große Schiffe vielleicht nur in Qaqortoq stoppen, aber wie es aussieht muss ich da jetzt durch. Am Flughafen würde ich gerne ein paar Sachen waschen und dann kurz im Laden vorbeischauen, um die verbliebenen Riegel und Tütenessen für die zweite Tour aufzusparen.

                                                  Jaa, es ist schon sehr einfach, sich über Kreuzfahrttouristen lustig zu machen, die jetzt überall zu zweit oder in kleinen Grüppchen herumgehen. Low hanging fruit könnte man sagen, oder mit einem guten alten Wort: wohlfeil. Sie wollen ja auch nur mal was Fremdartiges begucken und dann wieder auf ihr Schiff. Man sollte verständnisvoller sein. Grönland ist kalt, wurde ihnen gesagt, also tragen sie Thermohose, Daunenjacke, Hardshell, Mütze, Schal und Handschuhe. Tun sie das zu Hause auch bei 12 Grad? Einige tragen auch ein Kopfnetz, obwohl es hier praktisch keine Insekten gibt. Nicht nur im Blue Ice Cafe und im Museum, wo sie hingehören um das Geschäft anzukurbeln, sondern auch im Flughafen laufen sie so herum. Warum? Ist ihnen draußen zu kalt? Mit Kopfnetz? Wovor haben sie Angst?

                                                  Ich bin etwas irritiert, lade mein Telefon, rasiere mich und wasche die Wandersocken mit viel Seife und warmem Wasser. Finden mich andere auch so seltsam? Dass man in der Flughafentoilette Körperpflege betreibt und seine inzwischen etwas müffelnden Socken wäscht, dass man draußen bei nur 12 Grad im T-Shirt herumläuft, dass man lieber im Zelt schläft als im Hotelzimmer, ist bestimmt auch merkwürdiges Verhalten. Also halte ich mal lieber die Klappe und wende mich dem Pilersuisoq zu.

                                                  Also, Pilersuisoq ist super: https://pilersuisoq.gl/da/
                                                  Ein Netz von Geschäften für den täglichen Bedarf versorgt selbst kleine Siedlungen unter 50 Einwohner in ganz Grönland zu einheitlichen Preisen. Es gibt ein Basissortiment (zum großen Teil die bekannten REMA 1000 Eigenmarken), das man sich hier als pdf herunterladen kann: https://pilersuisoq.gl/da/basissortiment/
                                                  Natürlich kann mal etwas ausverkauft sein, und es wird nicht immer alles nachgeliefert. Verhungern wird man trotzdem nicht. Heute sind einige Regale leer. Mit Blick auf nächste Woche kann ich die letzten 3 Päckchen Marie-Keks und die vorletzte Erdnussbutter ergattern. Obst und Gemüse faulen im Kühlregal vor sich hin, aber der schüchterne junge Mann an der Kasse macht mir Hoffnung für Freitag – auch was Erdnüsse und Müsliriegel betrifft. Okay, dann muss ich Samstag vor 12 Uhr wieder hier sein, war sowieso geplant.

                                                  Am ersten Bach in Richtung Blomsterdalen, also direkt hinter dem Flughafengelände, mache ich eine lange Mittagspause. Ich humpele etwas, weil mein linker Fuß aus unerklärlichen Gründen schmerzt, und bin auch allgemein ein bisschen erschöpft. Wenn ich morgen den Tagesausflug über Mellemlandet zum Gletscherfjord Qooroq machen will, sollte ich heute noch möglichst weit ins Tal hinein gehen, denn die aktuelle Prognose sagt für morgen Schauer, ab dem Abend Regen und für Freitag satte 33mm Niederschlag voraus.



                                                  Nach einer guten Stunde Straße und Fahrweg überblickt man schön das Blomsterdal (Blumental). Wo der Weg in der Ebene endet, beginnt rechts am Rand ein Pfad, der sogar stellenweise mit roten Punkten markiert ist. Als alter Norwegen-Fan freut man sich leider zu früh, denn die Markierungen weisen lediglich auf den geänderten Pfadverlauf und den Startpunkt der neuen Aufstiegsroute (neben dem Wasserfall ganz hinten rechts) hin. Blomsterdalen ist schön, keine Frage, aber Blumen gibt es hier weniger als so ziemlich überall sonst. Keine Ahnung, wer sich den Namen ausgedacht hat. Vielleicht blühen sie hier früher als woanders?


                                                  links neben dem Wasserfall geht es hoch, aber nicht mehr heute



                                                  Hinter dem Durchbruch des Flusses sieht man gerade so die flach auslaufende Zunge des Narsarsuaq-Gletschers, der auf der einen Karte als Kuussuup und auf der anderen Kiattuut Sermiat bezeichnet wird. Zwischen dem Aufstiegspunkt und dem Durchbruch finde ich nach einer weiteren Wanderstunde einem absolut befriedigenden Zeltplatz.






                                                  Donnerstag, 14. August

                                                  Anhaltender Regen am Morgen schreckt mich doch ein bisschen von meinem Vorhaben ab, die Tageswanderung über den Höhenzug Mellemlandet zum Qooroq Eisfjord zu versuchen. Während einer trockenen Phase am Vormittag suche ich zwar halbherzig ein Paar Sachen zusammen, die ich mitnehmen würde, aber das Wetter sieht alles andere als stabil aus. Nach kurzer Überlegung beschließe ich, dass ich es am Ende des Urlaubs direkt vor dem Rückflug noch einmal probieren werde und ergebe mich meinem Schicksal.

                                                  Wie richtig die Entscheidung war, zeigt sich gegen Mittag, als ein Gewitter mit starkem Regen einsetzt, der gar nicht mehr aufhören will. So war das nicht angesagt. Überall rauscht Wasser vom Hang und sammelt sich in einem neuen Bach, der gestern noch ein Pfad war. Bei der Niederschlagsmenge hat sich das DMI völlig verschätzt – 7mm, my ass!


                                                  Freitag, 15. August

                                                  Heute regnet es sehr viel den ganzen Tag. Wenn es mal für kurze Zeit nur nieselt, mache ich draußen meine Erledigungen, bevor es wieder richtig pladdert. Nicht weit vom Zelt ist ein neuer Wasserfall entstanden, und der Bach von gestern mündet jetzt in einen neuen See. Mein Platz ist zum Glück nicht gefährdet. Innen bleibt es trocken und gemütlich. Ich schlafe viel, lese ein bisschen und betrachte die erzwungene Untätigkeit als willkommene Regeneration vor der Tour zum Jespersen Bræ.

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                                                    • 24.01.2011
                                                    • 13110
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    Sehr cool, das alles. Und ein paar Spritzer Philosophie drüber - gefällt mir.
                                                    ..
                                                    Gut, unbewusst warte ich immer auf den Eisbärenauftritt. Aber man kann nicht alles haben.

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                                                      • 22.05.2016
                                                      • 828
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      Zitat von ronaldo Beitrag anzeigen
                                                      Sehr cool, das alles. Und ein paar Spritzer Philosophie drüber - gefällt mir.
                                                      Das freut mich!

                                                      ... Eisbärenauftritt ...
                                                      Spoiler - den wird es nicht geben. Dafür in der zweiten Hälfte interessante, noch mal andere Landschaft und ein paar schöne Paddeleinlagen. Was dann hoffentlich für den fehlenden Eisbären teilweise entschädigt.

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                                                        • 22.05.2016
                                                        • 828
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        Samstag, 16. August

                                                        Nebel hängt tief über dem Tal, der Regen hat aufgehört. Wie gut, dass ich mir volle 21 Tage in Grönland gönne, plus Reise. Die bisher drei Regentage fallen da kaum ins Gewicht. Bin gespannt, was das Wetter in der zweiten Hälfte zu bieten hat. Am Morgen laufe ich die zwei Stunden zurück nach Narsarsuaq.


                                                        der Wasserfall spiegelt sich in der neuen Seenlandschaft


                                                        trotz mehr Wasser lässt sich der Bach leicht überschreiten


                                                        vorläufiger Abschied vom Blumental – ich komme wieder

                                                        Im Pilersuisoq ist viel aufgefüllt: Obst und Gemüse, Brot, Aufschnitt, aber z.B. keine Erdnussbutter. Man muss wirklich taktisch einkaufen, also die wichtigen Dinge dann, wenn es sie gibt. Ich decke mich mit Kaffee, Instantnudeln, Erdnüssen, Digestive- und Ballerina-Keksen und Müsliriegeln für die Tour ein. Für heute gibt es noch Äpfel, Bier, Brot und was für drauf. Dann frage ich bei Blue Ice, ob sich die Abfahrt nach Itilleq geändert hat (hat sie – ich soll morgen schon um 9 Uhr hier sein) und ob ich gegen eine Gebühr im Hostel duschen und die Waschmaschine benutzen dürfte (darf ich für 100 Kr, was okay ist). Man kann auch für 225 Kr neben dem Hostel zelten, wenn man möchte.

                                                        Einen Wäschetrockner gibt es im Hostel nicht, aber es wird sonnig. Am Bach hinter dem Flughafengelände finde ich die perfekte Lösung:




                                                        Sonntag, 17. August

                                                        Die zweite Urlaubshälfte beginnt mit dichtem Nebel, der keine Anstalten macht, sich auch nur minimal zu lichten. Um 8:30 Uhr, das reicht locker, gehe ich los zum Blue Ice Cafe, wo ich schon erwartet werde. Wir sammeln mit dem Kleinbus noch Leute vom Hotel auf und fahren dann zum Hafen. Hier herrscht ein bisschen Verwirrung, weil ein Bootsführer krank ist und anders disponiert werden muss als geplant. Ich werde in ein Boot gesetzt, wieder heraus gerufen und an der Mole platziert. Mikisoq soll ich mir merken, so heißt das andere Boot. Wenn es von der ersten Tour nach Qassiarsuk zurück ist, fährt es nach Itilleq.

                                                        Mikisoq bedeutet einfach nur „klein“, und der Name passt. Mit fünf Passagieren schon fast voll, geht es 25 Minuten zwischen Eisbrocken durch den Nebel den Fjord entlang. Zwar ohne den erhofften Blick vom Wasser auf die Berge, aber mit Aussicht auf Besserung. Ab 12 Uhr soll es aufklaren.


                                                        Mikisoq am Anleger Itilleq, hier hebt sich der Nebel schon

                                                        Den Hotelgästen wird nur das Gepäck nach Igaliku gebracht, die 5km bis zum Ort laufen müssen wir alle.


                                                        Igaliku

                                                        Hier mache ich nur eine kurze Pause und gehe dann noch eine halbe Stunde weiter zum Fjordende. Jetzt könnte ich weitere 5-6km auf der nordöstlichen Fjordseite bis zum Abzweig in das Hochtal Qoororsuaq wandern, aber warum sollte ich? Hab ja ein Boot. Bei Sonnenschein und wenig Wind kann ich einfach an der Küste entlang schippern.




                                                        Blick nach Igaliku


                                                        hier mache ich Pause und esse meinen letzten Apfel


                                                        an Land muss man stellenweise durch Weidengestrüpp


                                                        interessante Wolken – ob sie wohl eine Bedeutung für das Wetter haben?



                                                        An dem Strand am linken Bildrand lege ich an und stelle gegen 14 Uhr erst mal mein vom Nebel tropfnasses Zelt für die Mittagspause auf. In der Mitte sieht man das Tal Qoororsuaq. Links davon auf der Nordseite werde ich später noch ein Stück hochgehen.


                                                        der Nebel löst sich auch an der Bergen langsam auf, Nalagaa


                                                        Sulussugutaasaa


                                                        Herrlich! Das hat Spaß gemacht!

                                                        Ab 15:30 Uhr steige ich etwa 300 Hm am Hang auf, also eine gute Stunde durch leichtes Gelände.


                                                        anfangs noch mit Vegetation, hier Gras und niedrige Weidensträucher …


                                                        ... später grau in grau über Steine, Sand und losen Schotter

                                                        Mit Zeltplätzen sieht es hier weniger gut aus, aber es gibt immer noch kleine grüne Flecken. An einem der höchsten will ich bleiben. Leider sind die ebenen bewachsenen Flächen komplett durchnässt. Ich suche eine ganze Weile – nichts zu machen. Man sinkt richtig in den nassen Schutt ein. Dann muss ich also auf Steinen zelten und vorher die Stelle etwas einebnen. Nicht gerne, nur das kleinere Übel.



                                                        Inzwischen sind Wolken aufgezogen. Es bleibt jedoch mild und fast windstill, so dass ich nach dem Waschen den Nachmittagskaffee mit Blick auf den Igalikup Kangerlua (auch Einarsfjord, Igaliko Fjord oder Aniaaq genannt) einnehmen kann. Das war ja wohl ein superguter Start in die zweite Tour. Ich bin sehr zufrieden und freue mich auf morgen.

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                                                          • 22.05.2016
                                                          • 828
                                                          • Privat


                                                          #29
                                                          Montag, 18. August

                                                          Am Morgen ist es immer noch größtenteils bedeckt, mit 9°C ziemlich mild, und es weht ein spürbarer NO-Wind das Tal herunter. Ausnahmsweise konnte ich nicht gut schlafen. Ein bisschen müde, aber mit innerer Unruhe, die mich irgendwann in der Nacht überkam, packe ich nach dem ersten Kaffee zusammen und mache mich um 7:15 Uhr an den weiteren Anstieg zum Qoororsuaq Hochtal.


                                                          letzter Blick nach Igaliku


                                                          Igalikup Kangerlua

                                                          Von 300 auf 600 Höhenmeter geht es zwar hoch, aber durch leichtes Gelände aus losem Schutt und mittelgrobem Geröll. Nur an steilen Stellen, etwa am Rand von Bachrinnen, rutscht der Schutt unter meinem Gewicht öfter ab, was es dann doch auf die Dauer etwas anstrengend macht. Denn Bachrinnen sind viele zu queren, mache trocken, manche mit einem kleinen Rinnsal. In der Karte wird eine Route auf der anderen, südöstlichen Talseite vorgeschlagen, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Hier sieht es deutlich besser aus.

                                                          Für 20 Minuten Pause nach der ersten Wanderstunde suche ich mir einen großen Stein als Schutz, denn hier oben weht der Wind empfindlich. Die Wolken hat er schon weggeblasen.


                                                          ich steige etwas höher als nötig und habe dafür einen besseren Überblick


                                                          dann komme ich in die Talebene





                                                          Die Strecke durch das Tal zieht sich länger als ich eigentlich vor dem Frühstück gehen möchte, aber ich hätte auch gerne einen netten Platz. Direkt vor dem Hügel, am See 570m, stelle ich kurz nach 11 bis 13:00 Uhr das Zelt auf einen Vegetationsfleck. Quilt, Regenzeug usw. – alles was ich für eine ordentliche Beschattung brauche – muss ich gegen den Wind festbinden. Trotzdem ist es mit jetzt schon fast 20°C im Schatten zu warm.

                                                          Ich halte mich nach der Pause westlich des Hügels auf dem oberen Bild und komme über eine Passhöhe von 650 Metern auf die Nordseite. Ziemlich genau so hoch wie der Übergang von Qinngua zur Eisbucht, aber so unterschiedliche Landschaft. Absolut faszinierend!


                                                          Blick nach Westen vom Pass


                                                          Blick nach ONO


                                                          rechts der kleinere nördliche See


                                                          Blick nach Norden in meine Laufrichtung

                                                          Bei kräftigem Gegenwind suche ich mir eine Abstiegsroute durch sandiges, steiniges, teils auch verblocktes Gelände.




                                                          Am westlichen Rand sieht es besser aus …



                                                          und am östlichen Rand sieht es auch besser aus. Irgendwie hänge ich hier in der Mitte fest.


                                                          Blick nach Osten zum Qoororsuup Ilulequtai (1656m) links und dem Gipfel 1714m rechts



                                                          Hier könnte ich vielleicht den mächtigen Wildbach zur Ostseite queren, aber ich spekuliere auf einen schönen unverstellten Blick auf den Fjord unten im Haupttal und bleibe deshalb lieber auf dieser Seite.





                                                          Mittagspause 14:45 bis 16 Uhr an windgeschützter Stelle. Bin etwas erschöpft. Das war technisch nicht schwierig, aber zwischen Steinen und Sand doch anstrengend. Für den Weiterweg halte ich mich etwas höher und weiter westlich als in der Karte vorgeschlagen. Zuerst noch einen Blick talaufwärts, da wird es morgen weiter gehen …


                                                          der Gletscherfluss Qooqqup Kuua (Sorteelv, der schwarze Fluss) hat selbst an der breiten Stelle gewaltig Strömung …

                                                          dann laufe ich einen Bogen, um über einen lang gestreckten Moränenkamm abzusteigen.


                                                          Blick über das Flussdelta zum Qooroq Eisfjord


                                                          auf dem Kamm

                                                          Der Wind bläst hier unerträglich aus Osten direkt das Haupttal herunter, treibt Sandkörner wie Nadelstiche auf ungeschützte Hautstellen. Als mich eine Bö regelrecht umweht und ich mich nur mühsam aufrappeln kann, muss ich auf die steile Westflanke der Moräne ausweichen.

                                                          Tja, es lässt sich nicht mehr leugnen. Ich werde mich mit einem Phänomen auseinandersetzen müssen, von dem ich gelesen hatte, das ich mir aber nicht so recht vorstellen konnte. Dem berüchtigten stürmischen, sehr warmen Föhnwind, der direkt vom Inlandeis kommt und tagelang anhalten kann. Klingt widersinnig? Willkommen in Grönland! Es wird empfohlen, feste Behausungen aufzusuchen. Jo – einfacher gesagt als getan. Das beste, was ich hier kriegen kann, wenn ich nicht auf Sand zelten will (wo die Heringe nicht halten), sind Weidenbüsche. Nach längerer Suche entscheide ich mich für eine halb geschützte, leicht abschüssige Stelle.



                                                          Wenn das Akto wie hier bombenfest abgespannt werden kann, verträgt es eine Menge Wind. Laut ist es natürlich trotzdem, aber ich bin zuversichtlich. Heute nur Katzenwäsche in der Apsis.

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                                                            • 24.01.2011
                                                            • 13110
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            Faszinierende Landschaft. Stark.

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                                                            • Borgman
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                                                              • 22.05.2016
                                                              • 828
                                                              • Privat


                                                              #31
                                                              ronaldo: Ja, stark ist auch das Adjektiv, das mir zuerst in den Sinn kommt. Starke Eindrücke und ein starkes Wildnisgefühl prägen den nächsten Teil:


                                                              Dienstag, 19. August

                                                              Der starke, irritierend warme Föhnwind rüttelt mein Zelt die ganz Nacht ordentlich durch. An Schlaf ist kaum zu denken. Eine, maximal zwei Stunden mit unruhigen Träumen von einem bösen Menschen, der mit einer baumlangen Stange auf mein Zelt eindrischt. Nee, andere Menschen sind hier nicht und ehrlich gesagt kann ich das verstehen.


                                                              Blick aus dem Zelt

                                                              Ziemlich gerädert, der Tag gestern war ja nicht ganz unanstrengend, nehme ich um 7 meinen Frühkaffee ein und breche um 8 Uhr auf. Gleich ohne Hose und in Furtsandalen, denn als erstes muss ich durch den wild schäumenden Bach aus dem Qoororsuaq-Tal. Ich hätte ja gedacht, an der Mündung in den Gletscherfluss sei der leicht zu furten, aber dort ist er keineswegs breiter und flacher.


                                                              Bachmündung – eindrucksvoll, aber auch ein bisschen gruselig

                                                              Ich furte also etwas oberhalb und stoße an meine Grenzen. Der Strömungsdruck ist so stark, dass ich mit ganzer Kraft und Konzentration gerade so dagegen ankomme.


                                                              Furtstelle

                                                              Der Nebenarm ist dann einfacher zu queren. Nach diesem ersten Hindernis geht es über eine steinige Ebene, bis auf der Ostseite wieder Vegetation und einfacheres Gelände anfängt. Auf der Karte ist die Route am Gletscherfluss entlang als schwarz, also schwer markiert (die von gestern war rot, was mittelschwer bedeutet). Mal sehen was noch kommt – hier läuft es sich jedenfalls prima.


                                                              Qoororsuaq, gestern bin ich von der Mitte am Hang nach rechts gegangen, heute in der Ebene aus groben Flusskieseln nach links




                                                              Blick zurück


                                                              leichtes Gelände am Hang, es gibt sogar einen Schafpfad

                                                              Nur der kräftige Gegenwind macht mir zu schaffen. Immerhin hat er sich im Vergleich zu gestern Nachmittag etwas abgeschwächt, sonst hätte ich ein Problem. An der Engstelle finde ich um 9 Uhr einen geschützten Platz für die Frühstückspause.


                                                              die überschwemmten Sträucher bedeuten wohl etwas höheren Pegel als normal


                                                              großartige Berglandschaft, ganz rechts hinten Illerfissalik (1756m, auf der topographischen Karte fälschlich Illerfissavik geschrieben)


                                                              namenloser Berg 1697m im Norden

                                                              Als ich um 10:40 Uhr weitergehe, ist Wind für die nächste Zeit kein Thema mehr. Nicht weil er nachgelassen hätte. Nachdem ich nämlich für 200 Meter frohgemut einem Schafpfad gefolgt bin, finde ich mich plötzlich im dichtesten Dickicht wieder. Zwei bis drei Meter hoch wachsen die Weiden hier, halten schön den Wind ab, verhindern aber auch äußerst effektiv jegliches Vorankommen. Bushwhacking der übelsten Sorte. Meter für Meter kämpfe ich mich durch, suche links und rechts nach passierbaren Stellen, aber es ist aussichtslos.

                                                              Apropos Aussicht: mein Gefühl sagt mir, ich sollte etwas höher steigen, um vielleicht einen Überblick zu gewinnen. Das gelingt auch, aber um den Preis, dass ich jetzt erkennen muss, wie wenig an Strecke ich mit viel Körpereinsatz geschafft habe und wie viel besser es weiter unten am Fluss aussieht. Mitten zwischen den Sträuchern war das nicht zu ahnen.



                                                              Dorthin, also quer zu meiner Laufrichtung zum Fluss, schlage ich mich jetzt durch gefühlt noch dichteres Buschwerk (was nicht sein kann) und finde nach einer Ewigkeit tatsächlich wieder eine Art Pfad. Wenn man nicht höher ist als ein Schaf, kommt man ganz gut durch. Als Mensch mit Rucksack ist es trotzdem noch stellenweise ein Kampf mit störrischen, kreuz und quer wachsenden Zweigen. Zahlreiche blutige Schrammen an den Armen zeugen davon. Die kann ich nicht alle versorgen, so viele Pflaster habe ich gar nicht dabei, höchstens in der Pause mit Spiritus desinfizieren.


                                                              zurück am tosenden Gletscherfluss

                                                              Aber, um jetzt endlich mal wieder was Positives zu sagen, der Schafpfad steuert gezielt die besseren, strauchfreien Stellen an und erhöht meine Durchschnittsgeschwindigkeit enorm. Als ich nach anderthalb Stunden eine kurze Pause einlege, kann ich auch stolz auf anderthalb zurückgelegte Kilometer Luftlinie blicken. So! Ohne Pfad wären das sehr viel weniger.


                                                              auf dem Foto kann man erahnen, dass es absolut idiotisch war, es hangaufwärts zu probieren


                                                              offen heißt auch wieder windig


                                                              solche Stellen mit losem Schutt werden ab jetzt häufiger



                                                              Die nächste Buschwerk-Passage, die sich auf dem Foto schon andeutet, umgehe ich im Flussbett. Dafür muss ich zwar dreimal die Schuhe wechseln, aber es sind nur unproblematische kleine Nebenarme.


                                                              hier läuft es sich trotz der großen Flusskiesel besser …


                                                              dort muss ich mich wieder in die Büsche schlagen


                                                              das Gesträuch ist etwas niedriger – ich kann drüber gucken und verliere den Pfad nicht mehr

                                                              Um 13:30 Uhr finde ich am Ende der nächsten breiten Stelle im Flussbett einen perfekt windgeschützten Platz für die Mittagspause. Ich mag eigentlich gar nicht mehr weg, hier ist es so schön. Nur kommen danach zwei Kilometer mit ziemlich steiler Böschung, die ich auf jeden Fall noch hinter mich bringen will. Gegen 16 Uhr kann ich mich aufraffen.





                                                              Aus Richtung des Gletschers im Hintergrund kommt der Wind. Zum Glück weht er jetzt stetig ohne Böen, denn es geht schon ein bisschen steil hoch und runter auf losem Schutt. Besonders unangenehm sind hier wieder die Bachrinnen, man erkennt sie auf den Fotos überhaupt nicht, die sich tief in den Hang einfressen haben. Eine davon rutsche ich wirklich auf dem Hosenboden runter, weil ich mit den Schuhen keinen Halt finde.


                                                              Blick zurück – da sind zwei Rinnen direkt hintereinander, vielleicht kann man sie erahnen

                                                              Zusammen mit dem Weidendickicht ist das hier wohl der Grund für die Einstufung als schwer. Theoretisch gibt es auch am Hang einen Schafpfad, der aber an manchen Stellen durch Erosion weggebrochen ist. Da muss ich mich rüber mogeln. Manchmal trete ich kleine Steinlawinen los. Der Untergrund ist nicht unbedingt sicher.

                                                              Als das Gröbste geschafft ist, mache ich noch eine kurze Pause und gehe ab 17:30 Uhr eine weitere Stunde am Fluss entlang. Einen Teil der Zeit verbringe ich allerdings mit Zeltplatzsuche.



                                                              Also, eine komplett windgeschützte Stelle findet sich nicht. Der Platz, für den ich mich letztlich entscheide, ist aber dann gar nicht mal so ungemütlich:



                                                              Obwohl es auf den ersten Blick feucht aussieht, hat er trockenen Untergrund, großartige Landschaft und liegt zumindest nicht ganz exponiert.


                                                              Blick Richtung Motzfeldt Sø


                                                              Blümchendeko hat der Platz auch zu bieten

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                                                              • TilmannG
                                                                Fuchs
                                                                • 29.10.2013
                                                                • 1392
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                Nabend Bernd,
                                                                Schön dass du das so ausführlich beschreibst! Das frischt die Erinnerung auf, die dann doch überlagert ist vom Besuch am Motzfeldt Sø und dem offensichtlich obligatorischen Sturm. Den haben wir in den Flusskieseln überstanden...An die Büsche kann ich mich jetzt auch wieder erinnern: ich war genervt davon dass die mich genervt haben, schließlich waren wir vom Tasermiut gerade anderes gewohnt. Kleiner werden sie in den 12 Jahren jetzt nicht geworden sein. Wenn mein Rechner sein neues Betriebssystem hat, dann muss ich mal nach Fotos zum Vergleich suchen.
                                                                Bin weiter gespannt dabei!
                                                                Grüße von Tilmann
                                                                http://www.foto-tilmann-graner.de/

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                                                                  Dauerbesucher
                                                                  • 16.08.2015
                                                                  • 597
                                                                  • Privat


                                                                  #33
                                                                  Mir hat dieser Wind so viel feinen Moränenstaub in die Reißverschlüsse des Zelts geblasen, dass am Ende keiner mehr funktionierte.

                                                                  Kommentar


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                                                                    Dauerbesucher
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                                                                    • 828
                                                                    • Privat


                                                                    #34
                                                                    TilmannG: die Büsche sind vielleicht auch ein paar cm gewachsen, aber bestimmt wart ihr schlauer als ich und habt euch gleich näher am Fluss gehalten. Vergleichsbilder fände ich sehr interessant, nicht nur von diesem Tal. Falls du hier welche reinstellen möchtest, wäre der beste Zeitpunkt im Bericht nach dieser Tour, wenn ich wieder nach Igaliku komme und vor dem Bonus-Ausflug am Ende.

                                                                    fhvdrais: wirklich ätzend, so was ist mir in Island 2010 mit dem nagelneuen Soulo passiert. Leider ein reales Risiko bei Sturm in solchen Gebieten.


                                                                    Mittwoch, 20. August

                                                                    Diese Nacht konnte ich deutlich besser schlafen – war auch nötig. Der Wind, um den sich jetzt all meine Gedanken drehen, bläst immer noch kräftig und ungewöhnlich warm aus Ost bis Südost. Motzfeldt Sø liegt nur gut vier Kilometer nordöstlich. Ein Binnensee, eingefasst von steilen Berghängen, in den zwei Gletscher kalben. Da möchte ich natürlich unbedingt hin. Das Problem ist, dass ich dafür zwei Gletscherflüsse überwinden muss, die ein Stück oberhalb meiner Zeltstelle zusammen mit dem Seeabfluss eben jenen Qooqqup Kuua bilden, den ich gestern den ganzen Tag bewundern durfte. Zur Veranschaulichung hier das Sentinel-Bild vom 27. August:


                                                                    Copernicus Sentinel data 2025
                                                                    Legal notice

                                                                    Zu Fuß durch das Vorland zum Ostgletscher (der hat einfach keinen Namen) und ein Stück über selbigen, um den nördlichen Fluss zu umgehen, wie es 2013 Tilmann und Susanne noch gelungen ist, sieht unmöglich aus, weil es praktisch kein Gletschervorland mehr gibt. Selbst wenn ich den ersten Zufluss von Süden, also vom Jespersen Bræ, furten könnte (was angesichts der hohen Pegel wegen des sehr warmen Wetters mehr als fraglich ist), bräuchte ich am Ostgletscher das Boot, um auf die Nordseite zu kommen. Realistischer ist, dass ich sowohl über den Randsee des Jespersen Bræ als auch den des Ostgletschers paddeln muss. Bei wenig Wind sieht das attraktiv und machbar aus, aber heute würde ich das, zumal alleine, nicht riskieren.


                                                                    vor dem Zufluss vom Jespersen Bræ

                                                                    Und niemals würde ich riskieren, den Fluss mit dem Boot zu queren, an keiner Stelle. Aber wer weiß, vielleicht lässt der Wind heute noch nach. Ich bleibe mal in der Nähe und halte mich bereit. Um 8:30 Uhr gehe ich den letzten Kilometer nach Osten und schwenke dann nach Süden in die große Ebene. Statt abzuflauen legt der Wind genau jetzt noch mal mächtig zu. Staub und Sand treibt mir ins Gesicht, während der Böen komme ich nicht mehr voran. Schon der Versuch, die Kamera für ein Foto ruhig zu halten, scheitert kläglich. So geht das nicht. Ich brauche schnellstmöglich Windschutz.

                                                                    Alles, was es hier gibt, sind Moränenhügel und vereinzelt kleine, nasse Vegetationsflecken. Zum Glück finde ich schon bald einen Hügel, der quer zum Wind steht, mit ein bisschen Gras davor. Die Apsis reicht ein Stück in den Matsch, aber das ist jetzt egal. Weil der Wind selbst hier noch ungemütlich mal um die eine, mal um die andere Seite des Hügels bläst, baue ich auf beiden Seiten kleine Mauern an die schmalen Zeltenden, damit zumindest die „Überdachungen“ der Lüfter als größte Angriffspunkte geschützt sind. Dann beginnt es zu regnen. Auch gut, ich muss mich hier sowieso einrichten. Für den Rest des Tages gibt es neben etwas ruhigeren auch weitere Phasen mit Sturmböen und gelegentlich Regen. Morgen ist mein zweiter Reservetag, da könnte ich die Fahrt über den Gletschersee probieren. Am Freitag müsste ich dann weitergehen, wenn am Ende noch ein bisschen Puffer für Unwägbarkeiten übrig bleiben soll.

                                                                    Kommentar


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                                                                      Dauerbesucher
                                                                      • 22.05.2016
                                                                      • 828
                                                                      • Privat


                                                                      #35
                                                                      Donnerstag, 21. August

                                                                      Laut der InReach-Prognose wird dies der vierte und letzte Tag mit Föhnwetterlage. Hoffen wir’s – es reicht langsam. Wind war für Montag und auch gestern viel zu wenig vorhergesagt, darauf gebe ich nichts mehr, aber die Temperatur soll von heute wieder 20 Grad auf morgen nur noch 11 Grad fallen. Da kommt wohl tatsächlich ein Wetterwechsel.


                                                                      Sonnenaufgang über dem Ostgletscher



                                                                      Beim Aufbruch um 7 Uhr hat es schon 12°C, der Wind weht mäßig aus Ost. Ich gehe schnurstracks zum breiten Abfluss vom Randsee des Jespersen Bræ, breite das Packraft aus und versuche mein Glück. Wenn überhaupt, dann geht es jetzt. Aber genau in diesen fünf Minuten, als hätte der Wind nur den Moment mit der größten Wirkung abgewartet, legt er los. Mit jeder Füllung des Blasesacks bläst er auch ein bisschen stärker. Es ist wie verhext. Als ich das Boot festhalten muss, damit es nicht davon fliegt, gebe ich auf. Nie wäre ich bei diesem Gegenwind auch nur einen Meter vom Strand weg gekommen.

                                                                      Okay, Motzfeldt Sø ist gestrichen. Gegen die Natur kann man nicht angehen und sollte es auch nicht versuchen. Eine Übung in Demut, wenn man so will. Zwar kann ich einen kleinen Rest Enttäuschung nicht leugnen, aber die tritt sehr schnell in den Hintergrund. Als ich für heute kein Ziel mehr habe und einfach nur durch die Moränen laufe, sickert erst so richtig ein, wie faszinierend diese Landschaft ist, wie stimmungsvoll das Morgenlicht, wie kraftvoll die Elemente. Hier zu sein, lebendig, und das Sein zu spüren, ist ein starkes Gefühl.


                                                                      Blick zurück zum Flusstal


                                                                      Ostgletscher


                                                                      Jespersen Bræ




                                                                      Moränenlandschaft








                                                                      blaues und smaragdgrün schimmerndes Eis



                                                                      Dort werde ich morgen auf den Gletscher gehen. Jetzt möchte ich erst mal eine windgeschützte Stelle suchen und frühstücken. Dafür quere ich den größten Bach, der weit aus dem Tal im Westen kommt, steige ein Stück den Hang hoch und suche mir ein Vegetationsfleckchen hinter einem Moränenwall. Der ist nicht optimal gegen den Wind ausgerichtet, aber eine bessere Stelle entdecke ich nicht. Also stelle ich das Zelt auf, baue eine Mauer, diesmal nur auf einer Seite … und schnaufe anschließend einmal richtig durch.

                                                                      Eine Stunde später, inzwischen sind Wolken aufgezogen, gehe ich für einen besseren Überblick den Hang weiter hoch. Ganz auf den nordöstlichen Bergausläufer werde ich es nicht schaffen, wieder mal dem Wind geschuldet, aber zumindest ein Stück höher als das Zelt steht. Als ich den Bach überquert und ein steile Sandböschung erklommen habe, fällt mir auf, dass ich die Kamera vergessen habe. Beim Zurückgehen, um die Kamera zu holen (wo habe ich bloß meine Augen und mein Hirn?), fällt mir auf, dass auf der nördlichen Bachseite, gegenüber und gut sichtbar vom Zelt, ein Schiffscontainer steht.


                                                                      den muss ich mir angucken


                                                                      der Eingang ist nur mit einem dünnen Draht gesichert

                                                                      Ein Unterschlupf für Wanderer? Eher nicht. Was da wohl drinne ist? Eine Horde Zombies? Halb verweste Leichen oder Skelette von früheren Bewohnern? Draußen sieht man keinerlei Fahr- oder sonstige Spuren. Der wurde lange nicht benutzt.



                                                                      Sieht aus wie die Unterkunft einer geologischen Erkundung. 18 Betten mit Matratzen befinden sich darin, ein alter Schlafsack, Werkbänke, Küchenausstattung, Reste von Olivenöl und Kartoffelbrei, die ich nicht näher begutachte, ein verrosteter Gasbrenner und sogar ein halb voller Kanister mit Spiritus. Staub.

                                                                      Im Notfall könnte man hier übernachten, aber gemütlich ist was anderes. Dann lieber ein flatterndes Akto. Ich verschließe die Tür und gehe weiter bis zum höchsten Punkt der Moräne mit schönem Ausblick zum Motzfeldt-See. Für die Gegend hätte ich gerne eine weitere Woche, das lohnte bestimmt.


                                                                      Motzfeldt Sø


                                                                      Ostgletscher


                                                                      Jespersen Bræ


                                                                      links der Container, rechts (schwer zu erkennen) mein Zelt


                                                                      der Wildbach lässt sich nicht an jeder Stelle queren

                                                                      Zurück am Zelt, bei stark auffrischendem Wind direkt aus Süd, erhöhe ich die Mauer noch ein bisschen. Gerade als ich fertig bin, beginnt es zu regnen. Gutes Timing. Es bleibt bei einzelnen Schauern, aber gegen Abend gibt es wieder Sturmböen, die nicht nur mein Zelt malträtieren, sondern auf die Dauer auch meine Nerven.





                                                                      Für alle Freunde bewegter Bilder gibt es jetzt endlich wieder ein paar Videoschnipsel in einem Extra-Album, das nach dem nächsten Teil erweitert wird:
                                                                      https://www.flickr.com/photos/144877...7720329105137/

                                                                      Kommentar


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                                                                        Dauerbesucher
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                                                                        • 828
                                                                        • Privat


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                                                                        Freitag, 22. August

                                                                        In der Nacht wird das Zelt vom Wind ordentlich durchgerüttelt. Nicht, dass ich besorgt wäre, aber es ist ganz schön laut, und das Außenzelt drückt bei jeder Windbö gegen meinen Kopf. Erholsamer Schlaf kommt dabei nicht auf. Als es um 6 Uhr heller wird, rufe ich beim Kaffee erneut das InReach-Wetter ab. Immer mal wieder soll es etwas regnen und der Wind gegen Mittag abflauen. Na ja, das glaube ich erst, wenn es wirklich passiert.

                                                                        Nach einem guten Frühstück aus Digestive-Keksen mit Erdnussbutter packe ich zusammen, froh, dass ich diesen ungemütlichen Platz verlassen kann, und laufe um 8:40 Uhr über die Moränenhügel zum Gletscher.



                                                                        Man könnte auch weiter westlich durch das Bergland gehen, aber heute sind die Bedingungen passend für eine Gletscherwanderung. Mäßiger Nordostwind bei guter Sicht. Am Eisrand finde ich sofort eine Stelle, wo ich den Seitenbach ohne Schuhwechsel queren kann und problemlos auf den Gletscher komme. Genauso spannend wie die Spaltenlage ist ja, wie man hoch und wie man wieder runter kommt.







                                                                        Anfangs, also auf der Nordseite, gibt es schon einige Spalten, die sich aber alle umgehen oder überschreiten lassen. Obwohl der Wind jetzt wieder deutlich auffrischt, ist er auszuhalten. Das ist wichtig für die Konzentration, weil man auf dem Gletscher komplett ungeschützt ist und nie mal im Windschatten verschnaufen kann.




                                                                        (letzter) Blick zum Ostgletscher



                                                                        Ich gehe ein paar Umwege und drifte nach oben, also östlich ab, weil es da interessant aussieht. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich mir auch Zeit lassen und alles angucken.





                                                                        Nach gut zwei Stunden raste ich sehr ungemütlich für 20 Minuten im kalten Wind. Das ist neu, er war am Morgen noch warm. Damit kündigt sich bestimmt der ersehnte Wetterwechsel an. Im südlichen Teil meiner Route gibt es kaum noch Spalten, dafür wesentlich mehr Oberflächenwasser, das in kleinen Bächen dahin rauscht, bis es fröhlich in tiefen Löchern verschwindet.


                                                                        Blick Richtung Jespersen Dal








                                                                        Berge,Täler und Bäche – alles aus Wasser





                                                                        Der Regen scheint an mir vorbeizuziehen – bis er mich dann doch erwischt. Auf der Karte habe ich schon die Stelle markiert, an der ich vom Gletscher muss, weil der Randsee beginnt. Kurz vor dem großen Bach vom Berg. Den steuere ich direkt an und finde auch sofort einen guten Übergang vom Eis zur Moräne, ohne im Schlamm zu versinken oder andere Überraschungen.









                                                                        Die Strecke über den Jespersen Bræ hat Spaß gemacht: nicht zu anspruchsvoll, aber auch so abwechslungsreich, dass es nicht langweilig wird. Etwas mühsam geht es danach über nasse Sand- und Schutthügel zum Bach …





                                                                        und kurz dahinter komme ich nicht weiter. Was auf den ersten Blick wie ein Sandhügel aussieht, ist eigentlich mit Sediment bedecktes Eis. Solches Toteis spaltet sich beim Zurückweichen des aktiven Gletschers ab und bleibt dann einfach liegen, bis es irgendwann abgeschmolzen ist. Das kann sehr lange dauern, wenn der Toteisblock komplett bedeckt ist. Die Sedimentschicht isoliert wirklich gut.

                                                                        Ich könnte jetzt entweder höher steigen, was wie gesagt im nassen Schutt anstrengend ist, oder paddeln. Der Wind weht von Norden, also hätte ich ihn im Rücken. Nach mehr Regenschauern sieht es auch nicht aus.


                                                                        da muss ich nicht lange nachdenken






                                                                        ein weiterer eindrucksvoller Toteisblock …


                                                                        und ein unscheinbarer mit einer faszinierenden Sanduhr




                                                                        Blick zurück





                                                                        Herrlich, diese Kombination aus Gletscherwanderung und Paddeln! Vom Wasser aus hat man noch mal ganz andere Einblicke. Rechtzeitig vor dem Seeabfluss lege ich an, trockne das Boot und packe um. Obwohl es schon 13:30 Uhr ist, mache ich nur eine zweite kurze Müsliriegel-Pause. Hätte der Wind nicht längst abflauen sollen? Na, das wird schon noch. Weiter geht es über Moränenhügel …


                                                                        Blick zurück …


                                                                        und zwischen Felsen hindurch nach Südwesten zum Jespersen Dal.


                                                                        hier sieht es schon vielversprechend aus


                                                                        noch ein Blick zurück


                                                                        Südende Jespersen Bræ


                                                                        ein Stück weiter wird es richtig grün

                                                                        Hier will ich bleiben. Ziemlich genau um 15 Uhr bietet sich die perfekte Zeltstelle an. Behaglich zwischen Weidenbüschen, ebener Boden mit ein bisschen Gras und Moos, ein klares Bächlein nur wenige Meter entfernt – so kann man es aushalten.





                                                                        Gründlich gewaschen, mit dem Kaffeebecher in der Hand, fühle ich mich sauwohl an diesem Platz. Seit in der Nacht zu Montag das Föhnwetter anfing, bin ich zum ersten Mal wieder durch und durch entspannt.


                                                                        So viel zum Thema „zu viele ähnliche Bilder hintereinander in einem Bericht“. Damit es nicht noch mehr werden, habe ich einige in das Extra-Album verschoben, zusammen mit ein oder zwei Fotos und kurzen Videos vom Mobiltelefon.

                                                                        Kommentar


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                                                                          • 828
                                                                          • Privat


                                                                          #37
                                                                          Samstag, 23. August

                                                                          Am Morgen begrüßt mich fröhliches Gezwitscher von zwei um das Zelt herum flatternden kleinen Vögeln – und sonst nichts. Kein Wind. Die Temperatur liegt wieder knapp über dem Gefrierpunkt. Noch nie habe ich mich so über Kondenswasser am Zelt gefreut wie heute. Ich lasse mir Zeit mit meinen Verrichtungen, bis die Sonne wenigstens ein bisschen davon getrocknet hat und breche um 8 Uhr auf.


                                                                          Jespersen Dal

                                                                          Es gibt zwei Möglichkeiten, um von hier zum Fjord zu kommen: entweder hinter dem im Bild beschatteten Bergausläufer rechts das Tal hoch und dann etwas kompliziert parallel zum Jespersen Dal am Rand eines tiefen Einschnitts, wie es Tilmann und Susanne gemacht haben, oder am teilweise recht steilen, mit den beliebten Weidenbüschen bewachsenen, Hang im Jespersen Dal, von dem man links davon ein Stück sieht.

                                                                          Nachdem ich ein paar hundert Meter das freundliche Wetter genossen habe, entscheide ich mich für die dritte Möglichkeit. Es ist einfach zu schön heute – ich versuche den Gletscherfluss Kujalliup Kuua hinunter zu paddeln. Bald ist eine gute Stelle zum Einsetzen gefunden.


                                                                          für den Anfang ist der Fluss sehr breit und ruhig


                                                                          hier steht eine kleine Hütte



                                                                          Krass, wie klar die Luft heute ist. Der kleine, kahle Hügel in der Mitte, knapp 9km entfernt, sieht ganz nah aus.


                                                                          mein gebrochenes und geflicktes Paddel schlägt sich wacker

                                                                          Nach anderthalb herrlich ruhigen Kilometern sitze ich plötzlich auf Grund. In dem trüben Wasser sieht man natürlich gar nichts. Einen Meter daneben könnte eine tiefere Stelle sein. Drei, vier Mal muss ich aussteigen und treideln, manchmal sogar das Boot anheben, weil es so flach ist. Trotz Neoprensocken schmerzen die Füße vor Kälte. Die Luft ist ja auch nicht gerade warm, vielleicht 6°C, und im Boot sammelt sich durch das viele Aus- und Einsteigen Wasser. Dann geht es wieder ein Stück flott, bis die nächste flache Stelle kommt. Einmal trage ich Boot und Rucksack über die Kiesinsel zu einem anderen Flussarm.


                                                                          hier geht es flott


                                                                          hier nicht – wenigstens kann ich mal das Wasser auskippen

                                                                          Bevor der Fluss aus dem Gletscher Sermeq Kangilleq von Süden einmündet, macht es wieder richtig Spaß.



                                                                          Hier fließt es noch moderat, aber wo unter mächtigem Druck in mehreren Armen von links der zweite Gletscherfluss einströmt …



                                                                          muss ich mich schon konzentrieren, um nicht an den Rand gedrückt zu werden. Trotzdem versuche ich, ein paar Fotos zu schießen.


                                                                          durch die enge Schlucht im Hintergrund donnert der ganze Seitenfluss herunter


                                                                          Blick zurück

                                                                          Als es nach dem letzten Arm wieder breiter und ruhiger wird, lege ich bestens gelaunt am Südufer an. Das war richtig geil! Nach zwei Stunden auf dem Wasser habe ich jetzt aber auch riesigen Hunger. Während der Frühstückspause lasse ich Zelt und andere nasse Sachen so gut wie möglich trocken. Der Kleiderbeutel, den ich als Sitz benutze, lag natürlich auch im Wasser und hat dicht gehalten. Danach mache ich eine Spaziergang (40 Minuten retour) durch die riesige Kiesebene zur Schlucht.


                                                                          viel sehen kann man nicht, aber der Geräuschpegel ist enorm


                                                                          selbe Stelle, andere Richtung


                                                                          Rückweg zum Zelt


                                                                          Jespersen Bræ im Hintergrund

                                                                          Ein Stück kann ich noch paddeln, aber in wenigen Kilometern kommt ein gefährlicher Wasserfall. Ich beschließe, mein Glück nicht unnötig auf die Probe zu stellen, sondern hinter dem letzten Steilhang auf der Nordwestseite wieder in die Wanderstiefel zu wechseln. Dafür quere ich noch diesen Flussarm, trage das Boot über die Kiesinsel und setze in den Hauptstrom ein. Der hat mächtig Druck, aber ich traue ihn mir noch zu.


                                                                          an dieser Stelle kann ich leicht anlegen




                                                                          Jespersen Dal

                                                                          Total schön hier, ich liebe dieses Tal! Falls man ein Packraft dabei hat und das Wetter einigermaßen passt, sollte man wirklich erwägen, auf dem Kujalliup Kuua zu paddeln. Wenn ich das kann, kann es jeder, möchte ich behaupten. Nur markiert euch bitte irgendwie den Wasserfall. Bis zum Fjord geht es nicht auf dem Fluss.



                                                                          Hier breite ich alles nasse Zeug aus, esse einen Müsliriegel und rauche eine. Dann laufe ich ganz bis zum Ende der Kiesebene.


                                                                          ein paar Altarme können leicht umgangen werden, auf der älteren Karte noch als Flusslauf eingetragen


                                                                          Schafspuren

                                                                          Da hinten rechts geht es später aus dem Tal raus. Der markante Berggrat im Hintergrund ist Killavaat (Redekammen) auf der Qaqortoq-Halbinsel.


                                                                          Blick zurück



                                                                          Bevor ich dort hoch gehe, lasse ich am Bach den Rucksack stehen und schaue mir den Wasserfall an. Knapp 200 Meter südlich gibt es einen zweiten, der von dieser Seite nicht zu sehen ist.


                                                                          an den Stromschnellen ist es schon zu spät zum Aussteigen


                                                                          nördlicher Wasserfall


                                                                          Blick zum südlichen Strom

                                                                          Zwischen dem Berg und den beiden vorgelagerten Hügeln geht es jetzt nach NW ein bisschen hoch und dann nach W wieder runter zur Bucht, wo ein verlassenes Haus steht.


                                                                          letzter Blick zurück zum Jespersen Dal





                                                                          Das Haus wird wohl von Wanderern als Hütte genutzt, aber man kann es keinesfalls gemütlich nennen. Abgeranzt, verrottet, voller Müll – schade.




                                                                          Küchenecke

                                                                          Viel weiter will ich heute nicht mehr gehen. Ich quere noch den Bach aus dem Seitental …



                                                                          wo ein riesiger Seeadler sitzt, der sich bei meinem Näherkommen in die Luft schwingt. Ein beeindruckender Vogel. Fun fact: wenn im Film, vorzugsweise einem Western, ein Adler gezeigt wird, hört man auf der Tonspur fast immer den Schrei des Rotschwanzbussards. Die quäkigen, fast möchte man sagen piepsigen Laute, die der Seeadler von sich gibt, passen nämlich so gar nicht zu seiner majestätischen Erscheinung.


                                                                          ohne Teleobjektiv unbefriedigend


                                                                          man erkennt immerhin die weißen Schwanzfedern

                                                                          Hier kommt auch aus dem tief eingeschnittenen Seitental herunter, wer die Alternativroute vom Jespersen Bræ gegangen ist. Ich folge noch einen knappen Kilometer einem Schafpfad bis zu der Fläche, die ich schon von Weitem, nämlich von der Hütte, zum Zelten ausgesucht habe. Leider gibt es kein Wasser, also muss ich noch mal zurück zum letzten Bach. Der gute Platz und die Aussicht ist aber die kleine Mühe wert.


                                                                          Blick über die Südbucht zum Hof Igaliku Kujalleq


                                                                          hinten links die Hütte

                                                                          Weiterer Vorteil: ab 19:30 Uhr wird das Zelt vom Berg beschattet. Mehr Sonne brauche ich für heute wirklich nicht. Als ich gegen 22:00 Uhr gerade am Einschlafen bin, schreckt mich lautes Zerren an einer Abspannleine auf. Kurz danach noch mal. Genervt davon, dass ich mich noch mal aus dem Quilt schälen und nach Draußen muss, brülle ich den armen, neugierigen Fuchs, in der Dämmerung ist er gerade noch zu erkennen, so laut an, dass er sofort die Flucht ergreift und sich nicht mehr blicken lässt. Er kann ja nichts dafür, dass ich auf Füchse am Zelt momentan etwas überempfindlich reagiere.
                                                                          Zuletzt geändert von Borgman; 21.09.2025, 11:22.

                                                                          Kommentar


                                                                          • Borgman
                                                                            Dauerbesucher
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                                                                            • 828
                                                                            • Privat


                                                                            #38
                                                                            Sonntag, 24. August



                                                                            Heute sieht die Welt wieder anders aus, wobei … eigentlich sieht man gar nicht viel von der Welt. Der Nebel hebt sich nur sehr zögerlich. Weil ich überhaupt keinen Zeitdruck habe, es ist nur noch eine Tagesetappe bis Igaliku und mein Disko-Line-Transfer geht erst Dienstag Morgen, warte ich ab, bis die Sicht ausreicht.



                                                                            Ab 9:40 Uhr laufe ich weiter auf dem deutlich ausgetretenen Schafpfad an der Küste entlang bis zum heruntergekommenen Hof Iterlak. Den Namen gab es schon mal, zwischen Qinngua und Narsarsuaq, da habe ich sogar eine Nacht gezeltet. Er kommt vermutlich noch öfter vor in Grönland, denn Iterlak heißt einfach nur „Meeresbucht“ oder „Senke“. Da war man nicht sehr einfallsreich mit der Namensgebung.


                                                                            dort um die Spitze herum




                                                                            die Bucht namens „Bucht“ mit dem gleichnamigen Hof


                                                                            sieht nicht wirklich bewohnt aus


                                                                            Blick zurück

                                                                            In der Ebene treffe ich auf eine kleine Herde scheuer, knuddeliger, teddybärenohriger Kühe. Die Zäune am Hof sind alle kaputt, also gehören die Rinder sicherlich nicht hier hin. Sie laufen frei herum wie die Schafe.



                                                                            Ab dem Hof finde ich keinen Pfad mehr, obwohl in der Karte sogar eine Art Weg am Hang eingezeichnet ist. Die Weidenbüsche wachsen aber weder sehr hoch noch sehr dicht – es läuft sich auch ohne Pfad ganz einfach. Die Frühstückspause (11 bis 12:30 Uhr) verbringe ich wegen des nieseligen Nebels im Zelt und steige dann weiter östlich vom Bach zum Sattel auf 200m Höhe auf. Hier quere ich den Bach, …





                                                                            und von oben sieht man auch schon mehr von der Landschaft. Es war genau richtig, nicht früher aufzubrechen.


                                                                            interessant finde ich den senkrechten Streifen schwarzen Gesteins gegenüber

                                                                            Unten an der Küste, auf der nordwestlichen Seite des Sattels, findet sich wieder ein Schaf-und (was sich anhand der zahlreichen eingetrockneten Fladen unschwer erkennen lässt) Kuhpfad. Trotzdem wird das Gesträuch hier stellenweise lästig, und an den Querrinnen geht es ein bisschen hoch und runter.





                                                                            Ich bin ganz froh, dass ich ab hier schön am Strand spazieren kann. Eigentlich wäre längst Zeit für die Mittagspause, aber es gibt keinen Bach. So laufe ich weiter bis zum großen Bach, der aus dem Qoororsuaq-Tal kommt …



                                                                            und furte diesen an der erstbesten Stelle (knietief, mäßige Strömung). Auf dem ersten Vegetationsfleck nach der Furt stelle ich um 15:50 Uhr das Zelt auf. Die Strecke hat länger gedauert als gedacht. Vielleicht hab ich auch ein bisschen getrödelt, das kann sein. Jedenfalls beginnt es jetzt zu regnen, und ich nehme das zum Anlass, gleich hier zu bleiben. Zum ersten Mal seit einer Woche gibt es wieder nennenswert Kriebelmücken.


                                                                            Montag, 25. August

                                                                            Der Morgen ist sehr still am Strand. Nebel mit leichtem Sprühregen, kaum ein Windhauch bei 6°C. Kein Wetter, bei dem ich absehbar noch einen Abstecher machen würde. Igannaq hatte ich mir als leicht zu erreichenden Aussichtsberg vorgemerkt, aber das ist ja nun total sinnlos. Ich entspanne mich und genieße einfach den ruhigen Vormittag.


                                                                            ich bekomme Besuch – auch knuddelige Kühe mögen Strandspaziergänge


                                                                            nur sehr wenig hebt sich der Nebel

                                                                            Kurz nach 12 Uhr folge ich weiter dem immer gut sichtbaren Schaf-/Kuhpfad an der Küste entlang. Zum Paddeln ist es mir zu kalt. Die zwei Wanderstunden bis Igaliku möchte ich noch laufen und irgendwo an dem kleinen See 29m nordwestlich der Siedlung zelten.


                                                                            hier bin ich vor 8 Tagen bei Sonnenschein angelandet und den Hang hoch gegangen, heute sieht es irgendwie trostlos aus


                                                                            nur bei Ebbe kann man (fast?) trockenen Fußes die Insel Usuk erreichen, hier rechts im Bild finden sich gute Zeltstellen


                                                                            zwar sehr nasses, aber nicht sehr hohes Weidengestrüpp

                                                                            Der Bach von Norden, kurz vor dem Fahrweg, lässt sich ohne Schuhwechsel queren. Auch da kann man prima zelten. Ich gehe noch ein Stück weiter und suche am Hang nordöstlich des angepeilten Sees so lange, bis ich einen extrem gemütlichen Platz gefunden habe.


                                                                            nämlich ein gutes Stück oberhalb von dem Felsen mit den zwei Raben

                                                                            Leider gibt es kein Foto vom Zelt an dieser Stelle. Ist aber auch wirklich ein bleigrauer, trüber Nachmittag, der Nebel hängt wie angenagelt auf etwa 250m Höhe. Zum Waschen habe ich einen kleinen Tümpel, Trinkwasser muss ich aus dem Seeabfluss holen. Den Rest des Tages wird gechillt, das heißt ich melde mich zu Hause, höre beim Kaffee ein bisschen Musik und rufe das Wetter ab.

                                                                            Für die nächsten Tage sieht die Prognose exzellent aus. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann ich am Mittwoch (meinem letzten vollen Urlaubstag vor der Rückreise) den ins Wasser gefallenen Abstecher nachholen. Deshalb gräme ich mich auch gar nicht darüber, dass man heute so gar nichts von den Bergen sieht. Und überhaupt bin ich sehr zufrieden mit der Tour. Der Föhnwind war ein bisschen blöd, aber letzten Endes lief doch alles gut, und ich hatte sowohl für den Gletscher als auch das Flusspaddeln Glück mit dem Wetter.

                                                                            Besonders heute, in diesem Gelände mit feuchten Wiesen, kleinen Sträuchern und viel Moos, das auch für Lappland so typisch ist, fällt mir auf, dass es fast keine Beeren gibt. Gerade mal zwei einzelne Pflanzen der Krähenbeere habe ich gesehen. Frage an die Experten: ist das überall in Grönland so? Weil es mein erstes Mal auf der Insel ist, bin ich wirklich erstaunt. Und an Tilmann: hast du ein paar Vergleichsbilder gefunden? Die Alternativroute, die ihr vom Jespersen-Gletscher zum Fjord gegangen seid, würde mich auch interessieren. Du hast sie kurz beschrieben, aber ohne Fotos.

                                                                            Kommentar


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                                                                              Fuchs
                                                                              • 29.10.2013
                                                                              • 1392
                                                                              • Privat


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                                                                              Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                                                              ....Und an Tilmann: hast du ein paar Vergleichsbilder gefunden? Die Alternativroute, die ihr vom Jespersen-Gletscher zum Fjord gegangen seid, würde mich auch interessieren. Du hast sie kurz beschrieben, aber ohne Fotos.[/FONT]​[/SIZE]
                                                                              Moin Bernd,
                                                                              ja es gibt ein paar Fotos, die sich zum Vergleichen gut eignen. Aber ich brauch noch ein paar Tage...
                                                                              Dein Ausstieg über den Fluss war cool!
                                                                              Grüße von Tilmann
                                                                              http://www.foto-tilmann-graner.de/

                                                                              Kommentar


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                                                                                Dauerbesucher
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                                                                                • 828
                                                                                • Privat


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                                                                                Hallo Tilmann, prima, danke - das wertet den Bericht dann noch mal auf. Ich warte einfach so lange mit der Fortsetzung.
                                                                                Der schöne Ausstieg mit dem Packraft hat mich auch ein bisschen versöhnt damit, dass ich den Motzfeldt-See nicht erreichen konnte.
                                                                                Viele Grüße, Bernd

                                                                                Kommentar


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                                                                                  Fuchs
                                                                                  • 02.09.2016
                                                                                  • 1793
                                                                                  • Privat


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                                                                                  Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                                                                  Hallo Tilmann, prima, danke - das wertet den Bericht dann noch mal auf. Ich warte einfach so lange mit der Fortsetzung.
                                                                                  He, Moment mal: Tilmann meinte, es dauert noch ein paar Tage ...
                                                                                  Bisher hast du ja super-flott geliefert ... schon jetzt mal merci dafür.

                                                                                  Kommentar


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                                                                                    • 18.06.2014
                                                                                    • 2015
                                                                                    • Privat


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                                                                                    Von mir auch ein dickes merci! Ich lese schon länger ganz stille mit, auf dem Handy in Grönland. Ganz stille deswegen, weil ich auf die selbe unrühmliche Weise reise, wie Du sie in Post Nummer 25 beschreibst. Das gebe ich natürlich nur sehr ungern zu.
                                                                                    Aber Beeren habe ich auch fast gar keine gesehen, bei unseren Landgängen. Wie Du schreibst, nur ganz wenige Krähenbeeren, sonst nix. Keine Ahnung, warum. Vielleicht ist denen das grönländische Klima schon zu rau? In Lappland werden die Heidelbeeren ja auch oft gar nicht reif, bevor der Winter kommt.

                                                                                    Kommentar


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                                                                                      Dauerbesucher
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                                                                                      • 828
                                                                                      • Privat


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                                                                                      Gern geschehen, Fjellfex. Die flotte Lieferung habe ich von dir gelernt, und sie hat wirklich ihre Vorteile. Große Literatur kommt nicht dabei heraus, aber dafür ziemlich ungefilterte Bescheibungen der Erlebnisse, wie man sie noch frisch in Erinnerung hat. Das Tagebuch benutze ich selten und eigentlich auch nur für die Zeiten.

                                                                                      Ein paar Tage kannst du bestimmt durchhalten. Schau dir doch noch mal Tilmanns Foto-Galerie an:
                                                                                      https://www.foto-tilmann-graner.de/f...roenland/sued/

                                                                                      Kommentar


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                                                                                        Fuchs
                                                                                        • 02.09.2016
                                                                                        • 1793
                                                                                        • Privat


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                                                                                        Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                                                                        Gern geschehen, Fjellfex.
                                                                                        Ein paar Tage kannst du bestimmt durchhalten. Schau dir doch noch mal Tilmanns Foto-Galerie an
                                                                                        grummel grummel .... na gut.
                                                                                        Knipsen kann er ja, der Tilmann.

                                                                                        Kommentar


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                                                                                          Dauerbesucher
                                                                                          • 22.05.2016
                                                                                          • 828
                                                                                          • Privat


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                                                                                          Blahake: Hallo Anne, schön, dass du dabei bist! Unrühmlich würde ich gar nicht sagen, ich finde es schon gut, wenn Touristenströme kanalisiert werden. Das macht sie wenigstens einigermaßen berechenbar. Deshalb gelingt es ja auch, sich von Touri-Hotspots so weit wie möglich fernzuhalten, wenn man das möchte. Obwohl mir bewusst ist, dass ich selber ein schnöder Tourist bin, der ohne Einladung in einer sehr empfindlichen Natur herum stapft. Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir uns im übertragenen Sinne bewegen. Zu viele Individualwanderer, die sich einfach unkontrolliert überall ausbreiten, können auch zum Problem werden.

                                                                                          Kommentar


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                                                                                            Alter Hase
                                                                                            • 12.04.2002
                                                                                            • 2756
                                                                                            • Privat


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                                                                                            Hei Borgman,

                                                                                            bis zum heruntergekommenen Hof Iterlak.
                                                                                            War der Hof nur heruntergekommen, oder mittlerweile aufgegeben? 1992 konnten wir uns von dort (damals eine Schafsfarm) noch gegen Entgelt nach Söndre Igaliku übersetzen lassen, um weiter nach Sydpröven zu marschieren. Wenn nun der Hof unbewohnt ist, wäre diese schöne und eigentlich klassische Südgrönlandwanderung ohne eigenes Packraft nicht mehr möglich.
                                                                                            Kannst Du das bestätigen?

                                                                                            Vielen Dank und viele Grüße
                                                                                            Philipp
                                                                                            "Oft vereint sind im Gemüte Dämlichkeit und Herzensgüte." - W. Busch

                                                                                            Kommentar


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                                                                                              Dauerbesucher
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                                                                                              • 828
                                                                                              • Privat


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                                                                                              Hallo Philipp, das kann ich weder bestätigen noch dementieren . Der Hof Iterlak sah für meine Augen verlassen aus, oder jedenfalls nicht mehr dauerhaft bewohnt. Ich habe aber auch nicht an die Tür geklopft, also wer weiß? - vielleicht war auch jemand zu Hause und hat sich nur nicht raus getraut, um kumoorn zu sagen. Die Zäune waren wie gesagt alle kaputt.
                                                                                              Für einen Bootstransfer nach Igaliku Kujalleq (=Søndre Igaliku) würde ich beim Igaliku Hotel anfragen:
                                                                                              https://blueiceexplorer.gl/accommoda...tel-and-lodges
                                                                                              Vielleicht können die was organisieren oder einen Kontakt herstellen. Igaliku Hotel, Narsarsuaq Hostel, Blue Ice Explorer und Disko Line gehören übrigens alle zur selben Firma. Da gibt es kurze Dienstwege, und man kriegt eigentlich immer die nötigen Infos. Wenn z.B. in Igaliku das Disko-Line-Boot nicht kommt, kann man kurz im Hotel nachfragen, die wissen dann ziemlich sicher was los ist.

                                                                                              Kommentar


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                                                                                                Fuchs
                                                                                                • 29.10.2013
                                                                                                • 1392
                                                                                                • Privat


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                                                                                                Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                                                                                                Hallo Tilmann, prima, danke - das wertet den Bericht dann noch mal auf. Ich warte einfach so lange mit der Fortsetzung.
                                                                                                ...
                                                                                                Das kann ich jetzt unmöglich weiter verantworten!
                                                                                                Sehr aufschlussreich wird es vielleicht nicht und Wunderwerke gibt es auch nicht, es sind meistens aussortierte Fotos.
                                                                                                Im großen Flusstal Qooqqup Kuua hatte ich wenig fotografiert. Wir hatten aber offensichtlich (in der letzten August Woche 2013) deutlich weniger Wasser im Fluss und niedrigeres Buschwerk.

                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_2639.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,02 MB ID: 3343733

                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_2640.jpg Ansichten: 0 Größe: 1.012,2 KB ID: 3343734
                                                                                                Zum Vergleich Borgmann von 2025:
                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 54788367207_7c22106b26_c.jpg Ansichten: 0 Größe: 117,0 KB ID: 3343735

                                                                                                Nochmal Borgmann:
                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 54789546965_19fec3abfa_c.jpg Ansichten: 0 Größe: 132,7 KB ID: 3343736
                                                                                                und ähnlich 2013:
                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_2645.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,38 MB ID: 3343737

                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_2674.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,05 MB ID: 3343738

                                                                                                weiter zur Situation am Gletscher, hier jetzt Aufnahmen vom Berg oberhalb unseres Lagers.

                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Motzfeldt-See.jpg Ansichten: 0 Größe: 653,5 KB ID: 3343740

                                                                                                Am Fuss des Ostgletschers noch kein zusammenhängender See, zwischen den Tümpeln kamen wir ganz gut aufs Eis. Aber zwischen den beiden Gletschern gab es schon viel Wasser. Diesen Abfluss haben wir 4x gefurtet, hüfttief, aber ohne nennenswerte Strömung.

                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_2937.jpg Ansichten: 0 Größe: 549,2 KB ID: 3343741

                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_2931.jpg Ansichten: 0 Größe: 678,2 KB ID: 3343739
                                                                                                Und so jetzt bei Borgmann:
                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 54794102567_eb0af54232_c.jpg Ansichten: 0 Größe: 81,6 KB ID: 3343744

                                                                                                Beim Weiterweg über den Gletscher hatten wir beim Zustieg ziemlich mit tiefem Schlamm zu kämpfen. Nachdem Verlassen war es weniger das Toteis, als der Treibsand der uns zu schaffen gemacht hatte.

                                                                                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3003.jpg Ansichten: 0 Größe: 870,1 KB ID: 3343742
                                                                                                Zuletzt geändert von TilmannG; 25.09.2025, 18:40.
                                                                                                http://www.foto-tilmann-graner.de/

                                                                                                Kommentar


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                                                                                                  Fuchs
                                                                                                  • 29.10.2013
                                                                                                  • 1392
                                                                                                  • Privat


                                                                                                  #49
                                                                                                  Auch beim Übergang ins Inoqquassaap Kuua habe ich wenig fotografiert. Wir waren an diesem Tag bei bescheidenem Wetter ja schon über den Jespersen Bre und etwas unter Druck, noch durch die Schlucht zu kommen.

                                                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3021.jpg Ansichten: 0 Größe: 916,3 KB ID: 3343760
                                                                                                  Anfangs noch zähes Buschwerk, das hat sich aber schnell gelichtet

                                                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3024.jpg Ansichten: 0 Größe: 1.017,1 KB ID: 3343761

                                                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3032.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,19 MB ID: 3343762
                                                                                                  Hier oben wäre ich auch gern weiter in die Berge aufgestiegen. Aber wir haben gemacht, dass wir raus kommen. In der folgenden Nacht hat es dann ungefähr bis auf diese Höhe geschneit.

                                                                                                  Rückblick in die Schlucht Inoqquassaap Kuua:
                                                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3039.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,07 MB ID: 3343763

                                                                                                  Manchmal mussten wir orog. links in den Hang ausweichen. Größere Probleme gab es nicht, aber ganz triviales Gelände ist dieser Übergang auch nicht. Hier sieht man schon bis zum Igaliku Fjord:

                                                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3041.jpg Ansichten: 0 Größe: 511,3 KB ID: 3343764

                                                                                                  Der Eingang der Schucht war scharf bewacht:
                                                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3048a.jpg Ansichten: 0 Größe: 1.022,8 KB ID: 3343765

                                                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3057.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,01 MB ID: 3343766

                                                                                                  An ziemlich der gleichen Stelle wie Borgmann konnten wir Seeadler sehen!Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: greenland-13_3116a.jpg Ansichten: 0 Größe: 434,6 KB ID: 3343767

                                                                                                  Super interessant, wie Standort-treu diese Population zu sein scheint. Bei 5 Grönland-Reisen kann ich mich jetzt nur an eine weitere Sichtung (nördl Manitsoq) erinnern. Die auffallend großen Vögel wurden früher mal als eigene Gröndland-Gattung geführt.

                                                                                                  Iterlak war definitiv schon bei uns 2013 aufgegeben.

                                                                                                  So - jetzt hoffe ich, dass Borgmann weiter erzählt!
                                                                                                  Bei uns ist jedenfalls wieder viel Lust aufgekommen, über eine 6. Reise dorthin nach zu denken.

                                                                                                  Viele Grüße von Tilmann
                                                                                                  http://www.foto-tilmann-graner.de/

                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                    Alter Hase
                                                                                                    • 28.08.2017
                                                                                                    • 3471
                                                                                                    • Privat


                                                                                                    #50
                                                                                                    Cool.

                                                                                                    Kleinigkeit:
                                                                                                    Zitat von TilmannG Beitrag anzeigen
                                                                                                    Die auffallend großen Vögel wurden früher mal als eigene Gröndland-Gattung geführt.
                                                                                                    Falls Kondor hier mitliest, komme ich ihm mal zuvor Sicher "Unterart", nicht "Gattung"? (Gattung wäre ja etwas der Art - hier Seeadler - Übergeordnetes.)

                                                                                                    OT: Seeadler haben wir hier in der Umgebung (< 3 km Luftlinie) erfreulicherweise auch. Kenne 3 Horste, schön abgelegen im Wald, keine Wege in der Nähe. Gut für sie. Aber manchmal machen sie ihren Namen alle Ehre und fliegen über dem See

                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                      Fuchs
                                                                                                      • 29.10.2013
                                                                                                      • 1392
                                                                                                      • Privat


                                                                                                      #51
                                                                                                      Zitat von Ljungdalen Beitrag anzeigen
                                                                                                      ...
                                                                                                      Falls Kondor hier mitliest, komme ich ihm mal zuvor Sicher "Unterart", nicht "Gattung"? (Gattung wäre ja etwas der Art - hier Seeadler - Übergeordnetes.)...
                                                                                                      Da hast du natürlich völlig Recht. Zeit ist gerade knapp und der Kondor ja relativ Standorttreu in Norwegen 🤭
                                                                                                      Hier gibt es ein bisschen was zu den Grönland Adlern:
                                                                                                      https://naturschutz.ruhr/der-seeadler
                                                                                                      Bei Nuuk wurde wohl mal ein besonders riesiges Exemplar vermessen. Mir kamen diese Beiden am Igaliku Fjord extrem groß vor, aber das ist natürlich ziemlich subjektiv.
                                                                                                      Zuletzt geändert von TilmannG; Gestern, 13:03.
                                                                                                      http://www.foto-tilmann-graner.de/

                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                        Dauerbesucher
                                                                                                        • 22.05.2016
                                                                                                        • 828
                                                                                                        • Privat


                                                                                                        #52
                                                                                                        Vielen Dank, Tilmann! Ich fand die Bilder schon sehr aufschlussreich. Auch wenn sie nicht 1:1 den selben Blickwinkel haben wie meine, kann ich die Unterschiede aus dem Gedächtis gut erkennen (ist ja noch nicht lange her). Dass der Pegel nach viel Regen und danach sehr warmem Wetter bei mir besonders hoch war, dachte ich mir schon, aber wie deutlich das Buschwerk seit 2013 in die Höhe gewachsen ist, überrascht mich etwas. Du hast netterweise die Unterschiede gleich schon benannt. Treibsand hatte ich z.B. an keiner Stelle. Wer zukünftig eine Tour plant, weiß jetzt zumindest, wie stark sich die Landschaft am Gletscher verändern kann.

                                                                                                        Und schön, dass du auch noch Bilder von der Alternativroute durch die Schlucht hattest. Für andere Wanderer ohne Packraft dürfte die auf jeden Fall interessant sein. Bei mir waren es auch zwei Seeadler (vielleicht sogar die selben, sie können recht alt werden), und einen davon habe ich ganz aus der Nähe beim Starten erlebt. Der war tatsächlich auffallend, ja fast erschreckend groß und schien mir noch etwas größer als der norwegische, den ich letztes Jahr auf der Bergsfjord-Halbinsel auch ganz nah beobachten konnte. In der Luft lässt sich die Größe natürlich nicht mehr gut einschätzen.

                                                                                                        Kommentar


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                                                                                                          Erfahren
                                                                                                          • 29.12.2022
                                                                                                          • 154
                                                                                                          • Privat


                                                                                                          #53
                                                                                                          Ljungdalen und​ TilmannG​ Ich habe meinen Namen vernommen und da gebe ich dann gerne meinen Senf dazu. Ich bin kein Experte für den Grönland-Seeadler, aber ein paar Informationen als Ergänzung zu Tilmann's Link kann ich noch geben. Der Grönland-Seeadler (Haliaeetus albicilla groenlandicus) wird zumindest aktuell nicht als eigene Unterart betrachtet, da dieser evolutionsgeschichtlich noch relativ jung auf Grönland vorkommt und sich dadurch wahrscheinlich noch nicht genügend abweichende Merkmale zur Nominatform des Seeadlers (Haliaeetus albicilla) herausgebildet haben. Daher gilt der Grönland-Seeadler lediglich als Variation der Nominatform. Die Verbreitungsdaten zeigen eine Konzentration auf Südwestgrönland.

                                                                                                          TilmannG : Dein Subjektives Empfinden der Größe täuscht dich wahrscheinlich nicht, denn die Grönländischen Seeadler sollen im Schnitt etwas größer sein als die Seeadler in Europa und Sibirien. Das könnte mit der Bergmannschen Regel zusammenhängen, wonach nördlich lebende Populationen gleichwarmer TIere (z.B. Vögel) tendenziell größer sind als weiter südlich lebende Polulationen der gleichen Art. Danke für die Informationen und Bilder.

                                                                                                          Zitat von TilmannG Beitrag anzeigen
                                                                                                          Zeit ist gerade knapp und der Kondor ja relativ Standorttreu in Norwegen 🤭
                                                                                                          , ja auf das ODS-Forum bezogen stimmt das weitgehend, im realen Leben zum Glück nicht und der Kondor treibt sich da gerne auch mal in anderen Region und Kontinenten rum.

                                                                                                          Grönland kann ich mir dabei sehr gut als zukünftiges "Streifgebiet" vorstellen. Zeit ist leider wirklich rar, so dass ich diesen Bericht hier bislang nur kurz überflogen habe (wird aber noch gelesen!). Danke im voraus Borgman für den interessanten Reisebericht.
                                                                                                          Zuletzt geändert von Kondor; Gestern, 15:52.

                                                                                                          Kommentar


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                                                                                                            • 828
                                                                                                            • Privat


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                                                                                                            Dienstag, 26. August



                                                                                                            Von den Bergen ist heute nicht viel mehr zu sehen als gestern, nur wirkt alles etwas freundlicher. Statt wie auf der Hinfahrt von Itilleq (5km laufen und 25 Min. Überfahrt), gönne ich mir die Rückfahrt gleich hier von Igaliku mit dem Linienboot durch die Fjorde. Was nach Fahrplan 3 Std. und 35 Min. dauert. So sehe ich mal was von der Küste, dachte ich mir bei der Buchung. Mit Nebel hatte ich da natürlich nicht gerechnet. Disko Line fährt nur dienstags die Route Qaqortoq – Igaliku – Qaqortoq – Narsaq – Itilleq – Qassiarsuk – Narsarsuaq mit einem Boot, das 12 Passagiere aufnehmen kann.




                                                                                                            ich bin der erste an Bord

                                                                                                            Pünktlich um 10:20 Uhr geht es los. Bis zum ersten Halt sind noch zwei Plätze frei, ab Qaqortoq keiner mehr. Man sollte frühzeitig buchen. Der Hochnebel löst sich zwar erst auf, als wir gegen 13:30 Uhr Narsarsuaq erreichen (der Halt Itilleq wurde ausgelassen), aber trotzdem finde ich die Fahrt bei ruhiger See wirklich schön. Mit Aussicht auf die Berge wäre es halt noch etwas besser.


                                                                                                            Qaqortoq


                                                                                                            massenhaft Kreuzfahrttouristen am Kai von Qaqortoq


                                                                                                            vor Narsaq

                                                                                                            In Narsarsuaq geht es mit dem Bus, also dem Bus zum Flughafen …



                                                                                                            wo ich mein Telefon zum Laden einstöpsele und den Rucksack stehen lasse, um derweil ein letztes Mal zum Pilersuisoq zu pilgern. Heute gibt es leider überhaupt kein Brot – abgesehen von pappigen Burger Buns, die ich mich weigere, Brot zu nennen – aber immerhin noch ein paar von den leckeren Äpfeln aus der letzten Lieferung. Zusammen mit Keksen, Bier, Chips und ein paar anderen Sachen lässt sich da schon ein, wenn schon nicht vollwertiges, dann doch wenigstens sättigendes Menü bereiten.

                                                                                                            Von 15 bis 17 Uhr mache ich an meiner Lieblingsstelle am Bach hinter dem Flughafen Mittagspause und wasche meine Wanderhose. T-Shirt ziehe ich sowieso jeden Tag durchs Wasser, alles andere ist noch gut genug für die Reise. Aber die Hose hat von den Weidenbüschen so viele kleine grüne klebrige Flecken (die ich mit meiner Outdoorseife auch nicht ganz raus kriege), dass sie wenigstens gut riechen soll. Dann gehe ich die knapp zwei Stunden zu meinem bewährten Platz im Blomsterdal.


                                                                                                            kurze Pause


                                                                                                            links neben dem Bach geht es morgen hoch



                                                                                                            Als die Sonne verschwindet, wird es schnell sehr kühl. Nach dem Bier koche ich mir einen Tee (ja, Überraschung, den gibt es bei mir auch manchmal) zum Aufwärmen und freue mich tierisch auf morgen. Das wird noch mal ein richtiger Knaller zum Abschluss.

                                                                                                            Kommentar


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                                                                                                              • 828
                                                                                                              • Privat


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                                                                                                              Kondor: Gerne! Schreib du erst mal an deinem eigenen Bericht weiter und lies diesen, wenn du Zeit dafür findest. Und danke für die ergänzenden Infos zum Grönland-Seeadler.

                                                                                                              Kommentar