[IS] Molte und Cattle am A.. von Island

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  • Cattlechaser
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    [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

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    Molte und Cattle am A… von Island

    Im vergangenen Juni haben Moltebaer und ich eine Traumtour in Hornstrandir, der unbewohnten Halbinsel im äußersten Nordwesten von Island, gemacht. Gerne hätte ich den Reisebericht schon viel früher veröffentlicht. Nur: Großmeister Moltebaer, der sich mit insgesamt vier (!) schweren und teuren Objekten durch Island geschleppt hat und der zweifellos tolle Fotos macht, schafft es nicht, mir die Fotos zukommen zu lassen. Ich habe ihn schon mehrmals beim Stammtisch in KA darauf angesprochen. Er verspricht dann brav, demnächst die Fotos zu bearbeiten und mir zu geben. Nur: Was meint er mit „demnächst“?

    Um ihm Beine zu machen, fange ich einfach mal an. Nächsten Montag, 23.05., ist wieder Stammtisch. Vielleicht schafft er es bis dahin, insbesondere wenn er den Beginn des Berichtes liest.


    24. Juni 2015

    Als Storri mit dem motorbetriebenen Schlauchboot umdreht und durch den Fjord Hrafnfjördur wieder zurück Richtung Isafjödur fährt, sind wir ganz alleine. Rings um uns herum nur die steil ansteigenden Berge von Hornstrandir, das Eis des Gletschers Dranganjökülls in Sichtweite und vor uns die Ende Juni noch bemerkenswert verbreiteten Schneefelder, die sich in geschützten Lagen beinahe noch in den Fjord hinein ziehen.

    Gestern Vormittag war ich noch in Frankfurt, habe dann nachmittags Moltebaer am Busterminal von Reykjavik getroffen, um dann den Inlandsflug nach Isafjödur in die Westfjorde zu nehmen. Während Molte noch an seinem Rucksack herumfummelt, um die bei der Bootsfahrt ausgekühlten Hände mit seinen Handschuhen zu wärmen, lasse ich die völlige Einsamkeit auf mich wirken.

    Island ist geografisch der A… von Europa, die Westfjorde sind der A… von Island und Hornstrandir ist der A… der Westfjorde. Wir sind hier im letzten Winkel vom Ende der Welt“, sage ich grammatikalisch wacklig, geografisch korrekt.

    Molte schaut sich um, atmet einmal entspannt durch und nickt.

    Als nächstes hole auch ich die Handschuhe aus meinem Rucksackfach, um meine ausgekühlten Hände zu wärmen, und stelle fest: Ich habe zwei linke Handschuhe dabei, einmal meinen passenden und dann noch den mir zu kleinen linken Handschuh von Frau Cattlechaser. Das geht ja gut los! Notgedrungen ziehe ich den etwas größeren linken Handschuh umgedreht an die rechte Hand und den engeren an die linke; das ist zum Wärmen in Ordnung, nur Bewegungsfreiheit habe ich in keinem der beiden Handschuhe.

    Die Sonne scheint über einem fast wolkenlosen Himmel. Es ist kein einziger Regentropfen in Sicht und –so viel sei vorweg genommen- wir werden in der kommenden Woche nicht ein einziges Mal nass werden. Obwohl beständig ein kalter Wind vom Fjord über die Hänge fegt, sind dies für diese Gegend von Island traumhafte Bedingungen.

    Mit dick bepackten Rucksäcken gehen wir erst ein Stück am Ufer entlang und machen uns dann ohne über den nur teilweise erkennbaren Pfad in Richtung Pass. An diesem ersten Tag muss ich mich noch anstrengen, um mit Molte Schritt zu halten, der von seinen vorherigen Islandtouren schon eine hervorragende Kondition hat. Aber nach dem ersten Tag gibt sich das schnell.

    Als wir auf nur etwa 200 Höhenmeter gestiegen sind, beginnt das Schneefeld zur Passhöhe. Wir hatten schon gehört, dass der Winter dieses Jahr in Island extrem lang und schneereich war. Trotzdem hätten wir kaum erwartet, Ende Juni noch auf diese Höhe durchgängig Schnee zu finden. Zum Glück hat das gute Wetter der letzten Tage den Schnee so weit verharscht, dass er sich größtenteils verlässlich und ohne tiefes Einsinken begehen lässt. Ein Blick über die Spuren im Matsch und im Schnee verrät uns, dass erst eine einzige Person in diesem Jahr vor uns diesen Bereich von Hornstrandir begangen hat.
    Die Gegend ist von Beginn an magisch. Schneefelder, Wasserfälle, Bäche, die Dank der Schneeschmelze zu reißenden Flüssen geworden sind, die steil zur Grönlandsee abfallenden Küsten und die zahlreichen Seevögel. Wir queren über den Pass ins nächste Tal, sehen uns die Ruinen des verlassenen Dorfes Furufjödur an, das nicht mehr war, als sechs entlang des Strandes verstreute Häuser. Dann arbeiten wir uns entlang der Steinkünste weiter. Es ist bereits Abend, als wir in Bolungavik ankommen. In der Schutzhütte kochen und essen wir. Im Hüttenbuch hat sich vor fünf Tagen eine Gruppe eingetragen, welche mit dem Boot angelandet und wieder abgefahren ist. Ein Wanderer ist auch noch für dieses Jahr verzeichnet. Ansonsten sind wir, zumindest laut Eintragung des Hüttenbuches, in diesem Jahr die ersten.

    Im Gefühl der erhabenen Einsamkeit am Ende der Welt gehen wir ins Zelt.

    EDIT, 21:04 Uhr: Ich hatte eine Handcam dabei und habe gefilmt, aber auch ganz wenige Bilder gemacht. Hier zwei Impressionen, die übrigens einmal den fotografischen Großmeister zeigen, der definitiv bessere Bilder gemacht hat:



    Zuletzt geändert von Cattlechaser; 29.05.2016, 21:10.
    Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

  • surferin
    Erfahren
    • 14.03.2015
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    #2
    AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

    Ui spannend! Hoffe auf baldige Fortsetzung und Fotos!

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    • Benzodiazepin
      Fuchs
      • 12.03.2012
      • 1322
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      #3
      AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

      so ein bericht ist ja was schönes. aber mit fotos wäre es schon besser. also spute dich, molte!
      experience is simply the name we give to our mistakes

      meine reiseberichte

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      • Dieter

        Dauerbesucher
        • 26.05.2002
        • 535
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        #4
        AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

        @Molte: mach hinne!

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        • Chouchen
          Freak

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          • 07.04.2008
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          #5
          AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

          Molte kann nicht, der muss heute Abend mit mir Whiskey trinken.
          "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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          • Moltebaer
            Freak

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            • 21.06.2006
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            #6
            AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

            Asche auf mein Haupt!
            Ich kümmere mich drum - noch vor der nächsten Islandreise!

            OT: Whiskey!?
            Wenn schon, dann Whisky!
            Aber eigentlich gibt es Vodka und zwar Katla - natürlich mit Fischli-Fischli!
            Wandern auf Ísland?
            ICE-SAR: Ekki týnast!

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            • Cattlechaser
              Dauerbesucher
              • 04.08.2010
              • 848
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              #7
              AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

              Zitat von Moltebaer Beitrag anzeigen
              Asche auf mein Haupt!
              Ich kümmere mich drum - noch vor der nächsten Islandreise!
              [/OT]
              Für alle nicht Eingeweihten: Die nächste Islandreise steht unmittelbar bevor, sodass es sich nur noch um eine Frage von Tagen handelt.

              OT: Molte, trink einen Brennivin mit Chouchen und denkt an mich, wir sehen uns beim Stammtisch, dann geht's hier im Faden auch weiter!
              Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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              • Marxegger
                Anfänger im Forum
                • 05.10.2010
                • 45
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                • Meine Reisen

                #8
                AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                Hallo Cattle und Molte,
                wo ist die Brücke die auf dem Bild zu sehen ist? Am Übergang von Hrafnsfördur nach Furufödur? Ich habe Hornstrandir 1989 durchquert. Damals gab es an diesem Übergang noch keine Brücke, der Fluß hatte deutlich mehr Wasser, wir mußten ihn durchfurten. Bin sehr auf Euren Bericht und vor allem die Bilder gespannt, bin neugierig wie es heute dort aussieht.
                Grüße
                Franz

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                • Scrat79
                  Freak
                  Liebt das Forum
                  • 11.07.2008
                  • 12533
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                  Zitat von Chouchen Beitrag anzeigen
                  Molte kann nicht, der muss heute Abend mit mir Whiskey trinken.
                  Uns! Uns Madame!

                  Ansonsten bin ich mal gespannt, wie es weiter geht.
                  Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                  Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

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                  • Moltebaer
                    Freak

                    Liebt das Forum
                    • 21.06.2006
                    • 12470
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                    Zitat von Marxegger Beitrag anzeigen
                    wo ist die Brücke die auf dem Bild zu sehen ist? Am Übergang von Hrafnsfördur nach Furufödur?
                    Exakt, diese Brücke überspannt die Skorará und steht ziemlich mittig zwischen dem Ende des Hrafnfjörður und dem Skorarvatn.
                    Keine Ahnung, von wann die Brücke ist, im Jahre 2014 sah sie bei Dieter so aus.
                    Wandern auf Ísland?
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                    • Dieter

                      Dauerbesucher
                      • 26.05.2002
                      • 535
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                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                      Hallo,

                      Molte schrieb:
                      Keine Ahnung, von wann die Brücke ist, im Jahre 2014 sah sie bei Dieter so aus.
                      Die Tour und das Bild hab ich 2010 gemacht.
                      In einem Buch über Hornstrandir von 2007 ist ein Foto der Brück noch ohne Geländer.

                      Dieter

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                      • Mika Hautamaeki
                        Alter Hase
                        • 30.05.2007
                        • 3980
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                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                        5 Tage später...keine Bilder... MOLTE!! MOLTE!!!!!!!!!!!!!!
                        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                        A. v. Humboldt.

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                        • Moltebaer
                          Freak

                          Liebt das Forum
                          • 21.06.2006
                          • 12470
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                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                          Eh! Cool bleiben, ja!?
                          Ich habe gerade alle Hände voll zu tun...

                          Das Karlsruher Büro schuftet rund um die Uhr und ich koordiniere aus dem Nordwesten
                          Wer meckert muß sich mit pissenden Füchsen begnügen
                          Wandern auf Ísland?
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                          • Cattlechaser
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                            • 04.08.2010
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                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                            Molte is jetzt nicht mehr schuld. Er hat am Montagabend geliefert und ich sitze zu Hause und hab Schreibblockade...

                            Morgen geht's mit der Familie in die Pfalz, Probetrekken für Norwegen. Und spätestens Sonntagabend geht's hier weiter.
                            Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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                            • Cattlechaser
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                              #15
                              AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                              So, Moltebaer hat mir wie geschrieben die Fotos gegeben und ich habe meine Schreibblockade hinter mir gelassen. Weiter geht’s, und zwar zunächst mit einem fotografischen Rückblick auf den ersten Trekkingtag mit den Fotos von Moltebaer.


                              Storri fährt mit dem Schlauchboot davon. Jetzt sind wir in einer wirklich menschenleeren Gegend.




                              Der Aufstieg zum ersten Pass:




                              Die Reste der alten Siedlung, mit einem neu gebauten Sommerhaus.




                              abends, am Steinstrand unterwegs nach Bolungarvik:





                              25. Juni 2015


                              Ein windiger aber sonniger Tag beginnt. Wir frühstücken wieder in der Hütte, dann bauen wir das Zelt ab und machen uns auf den Weg. Eine lange Etappe liegt vor uns. Zunächst passieren wir auf dem Kiesstrand von Bolungarvik den breit aber sehr flach in das Meer mündenden Bolungarvikuros. Dann geht es mehr als 300 Höhenmeter durch völlig wegloses Gelände den 366 Meter hohen Pass Göngumannaskard herauf. Das ist viel steiler, als es sich anhört. Stumm, aber mit guter Laune fressen wir Kilometer um Kilometer. Der Pass liegt in den Wolken. Hier oben empfangen uns Schneefelder. An den steilsten Passagen geht immer einer von beiden vor und tritt Stufen in den harschigen Schnee, so dass es der andere leichter hat. Das funktioniert schnell mit völliger Routine. Endlich sind wir oben. Der Aufstieg hat viel Kraft gekostet, aber der Blick zurück nach Bolungavik entschädigt für alle Mühen.







                              Nach einigen Metern Abstieg sind wir aus den Wolken und können schon den Blick auf die nächsten Kilometer erhaschen. Der heutige Tag ist ein ständiges Auf und Ab. Kaum ein einziger Kilometer führt uns eben unserem Ziel entgegen. Der Abstieg nach Bardsvik geht schnell. Von der alten Siedlung können wir keine Spuren entdecken. Völlig unberührte Natur liegt vor uns.
                              Am sehr breiten Bardsvikuros machen wir Rast und genießen Sonne und die im Tal vorhandene Windstille. Die Flussquerung gehen wir unterschiedlich an: Ich ziehe die Stiefel aus und die Watschuhe an, Molte meint, dass man angesichts der geringen Tiefe auch mit Stiefeln und Gamaschen gehen könne. Könnte man auch problemlos, wenn die Gamaschen denn dicht halten würden. Moltes halten jedenfalls nicht dicht, aber ich verkneife mir ein Lachen (was sich einige Tage später auch als mein Glück herausstellen soll). Viel Wasser ist nicht im Stiefel.

                              Es geht weiter, über eine zerklüftete und felsige Landschaft mit nur wenig Bewuchs, wieder den nächsten Pass herauf, welcher nicht so steil ist wie der letzte, wieder in das nächste Tal herunter, dann wieder ein Anstieg über einem felsigen Hang. Endlos. Kilometer für Kilometer. Uns begleiten nur die zahlreichen Seevögel, die in den Steilküsten ihre Nester bauen. Es sind nur die Vorboten der Vogelkolonien am Hornberg, die in die Zehntausende gehen sollen.


                              Rast in Windstille und Sonne:




                              In steilen Schneefeldern tritt der Vorausgehende Stufen aus:




                              Beständiges Auf und Ab, den ganzen Tag:




                              Irgendwo in der öden Felslandschaft von Bjanarshaed – es ist nach unserer letzten Rast schon fast 18 Uhr – gebe ich auf. 18 Kilometer am heutigen Tag durch wegloses Gelände, unzählige Höhenmeter, drei Flussquerungen. Mir reicht es. Also schlage ich Molte vor, hier heute unser Zelt aufzuschlagen. Molte nickt zunächst. Aber: Er ist zäh wie ein Ochse und listig wie eine Schlange . Und er will noch weiter! Also wägt er zunächst ab, meint, in Latravik könne der alte Leuchtturm offen sein, lockt mich mit einer warmen Übernachtung, meint dann, dass es ohnehin nicht mehr so weit sei und die Sonne nicht vor 23:30 Uhr untergehe. Außerdem könne er selbst noch und es würde sich gerne auch auf mein Tempo einstellen. Alles in dem freundlichsten Ton, den man sich vorstellen kann. Fürsorglich, helfend. Irgendwann hat er mich. Ich raffe mich auf, wir ziehen zusammen weiter. Mechanisch, aber trotzdem noch mit voller Konzentration. Irgendwann werden die Beine tatsächlich wieder leichter und der Blick für die Landschaft, der Genuss der Tour, ist wieder da.

                              Beschienen vor der immer tiefen stehenden Sonne, die ein besonderes Licht auf die Umgebung wirft, arbeiten wir uns den letzten Berg nach Latravik heraus. Der Blick herunter ist wieder einmal imposant. Fast dramatisch stürzt der Hang nach unten, der alte Leuchtturm von Latravik sieht aus wie ein Spielzeughaus. Der jetzt erstmalig erkennbare Pfad windet sich in mehreren Serpentinen durch den Steilhang. Wir konzentrieren uns ein letztes Mal und sind dann, es ist schon am fortgeschrittenen Abend, unten in Latravik.

                              Im alten Leuchtturm ist ein Wanderheim mit einigen Zimmern eingerichtet. Ein Schild an der Tür erklärt uns aber, dass der Leuchtturm erst in einer Woche öffnet. Wir sind wirklich außerhalb der Saison. Egal, dann genießen wir eben die Einsamkeit. Heute Abend hat schon jeder seine Rolle: Molte ist der Quartiermeister und baut mit Akribie das Zelt auf, pumpt die Luftmatratzen, etc. Ich bin der Küchenmeister und packe derweil verschiedene trockene Nahrungsmittel und Dosen aus, aus denen ich abends fast immer, so gut es eben geht, eine halbwegs frische Mahlzeit koche.

                              Nach dem Essen gehe ich schleunigst in den Schlafsack, während Molte das Licht der nun wirklich untergehenden Sonne nutzt, um Fotografien zu machen.








                              26. Juni

                              Von den gestrigen Strapazen gut erholt beginnen wir den nächsten Tag. Der Himmel ist heute wolkenverhangen, so dass wir den vor uns liegenden Weg nur bedingt sehen können. Die Tour geht zunächst so weiter, wie der gestrige Tag geendet hat. Durch eine felsige, zerklüftete Landschaft bergab und bergauf. Heute peilen wir den Hornberg an, den nördlichsten Punkt unserer Tour mit der höchsten Steilklippe Islands und den Vogelfelsen.


                              Blick zurück über Latravik die Steilküste entlang:




                              Den 542 Meter hohen Dögunarfell queren wir an seiner östlichen Flanke. Vom Gipfel ist vor tiefhängenden Wolken nichts zu sehen. Zeitweise arbeiten wir uns durch nicht sehr dichten, aber grau-tristen Nebel. Die Stimmung ist schon fast etwas unheimlich. Dann reißt plötzlich der Nebel auf und wir sehen einen Menschen. Einen Menschen! Das hat sicherlich Edgar Wallace persönlich arrangiert. Die Gestalt ist das erste menschliche Wesen, das wir sehen, nachdem Storri uns vor zwei Tagen im Fjord abgesetzt hat. Es ist eine sehr nette Studentin, die mit einigen anderen Biologen in der Bucht von Hornvik zeltet und ein Forschungsprojekt durchführt. Was genau, hab ich mir nicht gemerkt. Dafür ist Molte zuständig, er ist der Naturwissenschaftler.

                              Molte fotografiert seinen ersten Polarfuchs und wir kommen immer weiter aus den Wolken heraus. Der Himmel klar auf. Jetzt kommen wir rechts an die Steilküste heran. Sie ist so hoch und steil, dass ich mich auf den Bauch legen muss, um herunter zu schauen. Molte lässt so etwas kalt. Er steht an der Abbruchkante und fotografiert Vogel um Vogel. Ein Blick nach unten, egal wo, zeigt die unzähligen Brutpaare, die in den Felsnischen und Scharten sitzen.

                              Wir steigen an zum Berg Kalfatinar, der wie alle Berge hier in dieser Ecke von Hornstrandir sanft von West nach Ost ansteigt, um dann dramatisch über hunderte Meter ins Meer zu fallen. Wir folgen dem sanften Anstieg des Berges nach Westen. Hier kommt ein großes Schneefeld, das im Kern sehr harschig und auf der Oberfläche leicht angetaut ist. Das macht jeden Schritt schwer, weil das gesamte Schneefeld rutschig ist und die Härte des darunter liegenden Harsches jeden Versuch erschwert, Trittstufen in das Schneefeld zu treten. Auf der Kammlinie angekommen liegt nun ein ungewöhnlich steiler Abstieg nach Norden vor uns. Im oberen Bereich ragt der Berg mit Felszinnen und Rinnen nach oben und gibt ein beeindruckendes Bild ab.


                              Gorillas im Nebel:




                              der Berg Kalfatinar, vor uns der steile Abstieg:




                              …wird fortgesetzt.
                              Zuletzt geändert von Cattlechaser; 29.05.2016, 21:17.
                              Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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                              • Donik
                                Erfahren
                                • 24.03.2014
                                • 199
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                                #16
                                AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                                Sehr schön geschrieben und tolle Bilder. Ich freu mich schon soooooo auf Island

                                Vielen Dank, ich freu mich auch auf die Fortsetzung ;)

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                                • Prachttaucher
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                                  • 21.01.2008
                                  • 11919
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                                  #17
                                  AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                                  Von mir auch ein Dankeschön für´s Wecken alter Erinnerungen. Am Leuchtturm habt Ihr auch den (ganz passablen) Kuchen verpaßt und natürlich den netten Leuchtturmwärter mit Töchterchen.

                                  Ich hoffe doch sehr, daß auch noch ein Polarfuchs-Foto kommt.

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                                  • Moltebaer
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                                    • 21.06.2006
                                    • 12470
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                                    Zitat von Prachttaucher Beitrag anzeigen
                                    Am Leuchtturm habt Ihr auch den (ganz passablen) Kuchen verpaßt
                                    Aber ob der gegen Cattlechasers Pfannkuchen bestehen kann?

                                    Zitat von Prachttaucher Beitrag anzeigen
                                    Ich hoffe doch sehr, daß auch noch ein Polarfuchs-Foto kommt.
                                    Sischa dat!

                                    Schöne Grüße von Snæfellsnes
                                    Wandern auf Ísland?
                                    ICE-SAR: Ekki týnast!

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                                    • Chouchen
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                                      • 07.04.2008
                                      • 20009
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                                      Zitat von Moltebaer Beitrag anzeigen
                                      Schöne Grüße von Snæfellsnes



                                      "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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                                      • Cattlechaser
                                        Dauerbesucher
                                        • 04.08.2010
                                        • 848
                                        • Privat

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                                        #20
                                        AW: [IS] Molte und Cattle am A.. von Island

                                        Fortsetzung 26. Juni

                                        Wir steigen vom Westkamm des Kalfatinars herab über ein steiles Schneefeld. Unser Gewicht und die Steilheit des Hanges helfen uns dabei, Trittstufen in den Schnee zu treten. Ich steige in Serpentinen vor, Molte kommt hinterher. Das Schneefeld hört irgendwann auf und es kommt ein nicht weniger steiles Blockfeld zum Vorschein. Hier ist der Gang viel schwerer, weil wir uns teilweise mit Händen über die großen Felsblöcke hinab ins Tal arbeiten müssen. Wir sind nur etwa 300 Höhenmeter abgestiegen, aber die haben geschlaucht.

                                        Nach einer Mittagspause geht es zunächst über sanfte sumpfige Wiesen und dann sehr schnell wieder bergan in Richtung des Südgipfels des Hornberges. Der Berg selbst ist an die 500 Meter hoch, und wir arbeiten uns auf etwa 400 Höhenmeter hinauf, die letzten Höhenmeter schon nur noch mit Hilfe der Hände. Dann trifft der Pfad auf eine Scharte, durch die man den Blick auf die steilste Klippe Islands werfen kann. Es ist atemberaubend. Ich kann schon nur noch liegend an den Rand gehen, so steil ist es.

                                        Über ein Steilstück von drei Metern, durch das man über Steine und Erdbuckel hinaufklettern muss, gelangt der Pfad direkt auf den Gipfelgrat des Hornberges. Rechts geht es direkt (mit nur ein bis zwei Metern Abstand) steil nach unten, links fällt der Hang über eine Neigung von etwa siebzig Grad nach unten. Auch wenn links noch Gräser und Moose über die Steine wachsen – das Gefälle ist für mich zu viel. Ich klettere nach einem kurzen Versuch wieder runter. Molte ist neugierig, probiert es zunächst für einige Meter, kommt aber dann doch wieder zurück. Zwar hat er keine Höhenangst wie ich, aber mit dem schweren Rucksack kann nur ein kleiner Fehltritt einen nicht mehr aufzuhaltenden Absturz bedeuten, welcher auch auf den linken Hang tödlich sein kann. Wir verzichten beide aus Sicherheitsgründen, den Pfad über den Gipfelgrat mit Trekkingrucksack zu laufen und nehmen eine verkürzte Route durch den nur mäßig abfallenden, aber sehr sumpfigen Osthang herunter auf die Wüstung der Siedlung Horn.

                                        Mittlerweile haben sich die Wolken fast gänzlich verzogen und es beginnt ein fast sommerlicher Nachmittag. Je tiefer wir kommen, umso heißer wird es. Unten in der großen Bucht von Hornvik ist es zudem noch windstill. Wir ziehen die Softshells aus, die T-Shirts an und krempeln schließlich die Beine unserer Trekkinghosen nach oben. In der Sonne wandern wir mit Genuss am Sandstrand entlang, im Hintergrund die schneeweißen Berge von Hornstrandir. Ich bekomme den Song von Neil Young in den Kopf: [I]„It’s a dream, only a dream, all my memories – fading away“[/I]. Der Song passt perfekt, nur mit Akustik-Instrumenten und einer herrlichen Steel Guitar. Die Filmaufnahmen, die in an dieser Ecke mit einer Kamera mache, werde ich später zu Hause mit dieser Musik unterlegen. Eine perfekte Wiedergabe der Stimmung.

                                        Die Bucht von Hornvik ist geprägt durch den kilometerlangen Sandstrand, der als Schwemmboden von den umliegenden Bergen stammt. In der Mitte der Buch hat sich ein mehr als ein Kilometer langes Schwemmland mit großen Sanddünen gebildet, das von der westlichen Seite, von der wir uns nähern, durch einen breiten Brackwasserfluss, den Hafnaros, abgetrennt wird. Am Auslauf des Flusses ist dem Schwemmland eine lange Sandbank vorgelagert, von der eine Furt auf die Dünenlandschaft gehen soll. Dieser Weg ist leider durch einen schmalen, aber mindestens 150 cm tiefen Kanal versperrt; der Hafnaros ist hier eindeutig zu tief. Egal, es ist gerade wie Traumwandeln. Irgendwann ziehen wir auch unsere Stiefel aus und gehen barfuß durch den Sand.

                                        Der Brackwasserfluss wird fünfhundert Meter nach Beginn des Dünenfeldes sehr breit, mehr als einhundert Meter, aber auch extrem flach, und fließt mit sanfter Geschwindigkeit. Wir können barfuß furten. Das flache Wasser hat durch die Sonne ein für isländische Verhältnisse erstaunliche Temperatur.

                                        Wir treffen auf einige Wanderer, die eine geführte Tour durch diesen Teil von Hornstrandir machen und die ihre (vom Schiff angelandeten) Zelte am Ostende des Dünenfeldes, bei der Wüstung von Höfn, aufgeschlagen haben. Darunter ist ein nettes deutsches Paar etwas mittleren Alters, mit dem wir uns kurz unterhalten. Der Weg geht weiter durch die teilweise über zwei Meter hohen Dünen, auf denen verbreitet Dünengras wächst. Der jetzt leicht aufflauende Wind wirbelt den Sand auf, der im Licht der Sonne goldene Schlieren in die Luft malt. Jede Spur in den Dünen wird schnell vom Sand verweht, so dass wir mit Karte, Kompass und dem Blick zur Sonne unseren Weg durch das Sandlabyrinth suchen. Am Ende des Dünenfeldes queren wir den Fluss über einem quer liegenden Schwemmholz, das die Meeresströmung hier aus Russland anspült. Dahinter kommt die kleine Zeltsiedlung von mehreren Gruppen, die hier für mehrere Tage mit den Booten von Adventure-Anbietern angelandet wurden. Es sind nicht mehr als zehn Zelte und ein Klohäuschen, aber nach zwei Tagen völliger Wildnis kommt es uns schon fast wie eine Stadt vor.


                                        It’s a dream, only a dream, all my memories, fading away…




                                        Dünenlandschaft und verschneite Berge:




                                        Es geht schon wieder in den Abend und die Sonne wirft ein schönes Licht. Wir arbeiten uns auf dem schmalen Pfad entlang, welcher auf Steinstrand und Blockfeldern zwischen dem Meer rechts und den Steilwänden links verläuft. Das Gehen ist anstrengend, weil sich die Herausforderungen oft abwechseln und der Untergrund durch die bei Flut wachsenden Algen an einigen Stellen glitschig ist. Mehrere Kilometer gehen wir gleichförmig, klettern an einer Stelle an einem angehängten Seil über ein Neigung von 70 Grad mehrere Meter nach oben, gehen weiter auf dem immer näher an die Steilwände heranrückenden Pfand, bis wir schließlich vor einer senkrecht in das tiefe Wasser abfallenden Felsmauer stehen. Molte klettert ein Stück ohne Rucksack an den Felsen entlang, bis hinter die nächste Biegung, kommt aber zurück und meint, dass die Steilwand über mehrere hundert Meter direkt in das Meer münde und das Wasser zum Waten viel zu tief sei. Wir gleichen den Tidenkalender ab. Es ist Ebbe, fast der absolute Tiefstand des Wassers überhaupt. Das heißt: Hier kommen wir nicht weiter.

                                        Angesichts des fortgeschrittenen Abends hebt dies nicht gerade die Laune. Molte prüft noch einmal sein GPS, und das zeigt eine Abzweigung vor etwa 80 Metern, die wir verpasst haben müssen. Wir arbeiten uns durch das Blockfeld zurück, stehen an der Stelle, die das GPS anzeigt und blicken auf eine steile, wenngleich nicht felsige Wand. Weiter oben, in etwa zwanzig Meter Höhe, können wir aber einen Pfad sehen; darunter ist wohl vor einigen Wochen eine Moräne losgegangen und hat alles, was als Weg zu erkennen war, mitgerissen. Über diese Moräne aus kleinen Steinen und felsiger Erde arbeiten wir uns auf allen vieren schon fast kletternd nach oben. Wir finden dort den Pfad, aber er verläuft auf den ersten Metern extrem ausgesetzt direkt an der Steilwand, mit einem senkrechten Fall von 20 bis 30 Metern. Ich bringe alle Überwindung auf, die ich habe, schlucke kurz und lasse mich von Molte durch diese ausgesetzte Stelle führen. An dieser Stelle noch einmal Dank für einen tollen Trekkingpartner, mit dem ich mich super ergänzt habe und der mir in allen kritischen Stellen jederzeit helfend und motivierend zu Seite gestanden hat.
                                        Auf dich kann man sich verlassen, Moltebaer!

                                        Der Weg verläuft schnell wieder ebener, auf dem breiten Felsrücken, der sich ins Meer schiebt. Wir kommen nach einem Kilometer an die alte Siedlung Rekavik, von der nichts mehr zu sehen ist, außer einer ebenen Wiese, auf der es sich hervorragend zelten lässt. Wir kochen und genießen die Reste dieses traumhaften Trekkingtages, die sinkende Sonne erlaubt uns einen Ausblick auf den Hornberg und davor die Bucht von Hornvik.


                                        Kletterpartie über eine Moräne zum Pfad:





                                        Camp bei Rekavik, im Hintergrund Hornberg (links) und Kalfatinar (rechts):






                                        27. Juni

                                        Der Tag beginnt kühl und bedeckt. Nach dem anstrengenden Tag gestern lassen wir uns heute Morgen Zeit. Ich als Küchenmeister mache morgens erst einmal mit Mehl, Eipulver, Milchpulver, Zucker und Pflanzenöl frische Pfannkuchen. Dazu gibt es Erdbeermarmelade. Die Pfannkuchen schmecken hier in der Wildnis sensationell.

                                        Wir packen zusammen und machen uns an den Aufstieg durch das Rekavik-Tal auf den Atlaskard-Pass. Das geht angesichts der gleichmäßigen Steigung recht einfach. Auf der anderen Seite zeigt Island sein raues Gesicht. Der Wind bläst uns kühl ins Gesicht. An der Gebirgsflanke führt der Weg über Geröll und wirklich große Schneefelder, durch die der größte Teil der Strecke verläuft. Die Schneefelder sind nach Nordosten, zu unserer rechten Seite hin, abschüssig, was das Gehen wesentlich erschwert. Der auf der Karte eingezeichnete Bach ist durch das Schmelzwasser kein Bach mehr, sondern aktuell ein reißender Fluss, der mit beachtlicher Geschwindigkeit von den Berghängen rauscht und das vor uns liegende Schneefeld in zwei Teile schneidet. Den Fluss zu furten scheint angesichts von Tiefe und Geschwindigkeit unmöglich, aber in einiger Entfernung gibt es eine Schneebrücke, die von dem Fluss unterspült wird. Das wird jetzt schon fast wie eine Expedition. Um die Festigkeit der Schneebrücke zu testen, krieche ich ohne Rucksack bäuchlings über die Brücke. Nachdem sie dies ausgehalten hat, teste ich die Brücke im Stehen mit den vor mir aufgesetzten Stöcken. Auch dies hält sie aus. Schließlich gehe ich mit Rucksack darüber, Molte folgt.

                                        Zum Bergkamm des Skalarkambu, einem durch Gletscher hufeisenartig geformten Massiv, sind es von der Nordostseite aus nur wenige Höhenmeter. Zur anderen Seite, in das hufeisenförmige Tal, fällt die Wand steil ab. Direkt unter uns kann man nur als Kletterer absteigen. Erst nach einiger Suche finden wir einen Pfad, der in Serpentinen einen halbwegs gangbaren Weg nach unten bildet. Beim Abstieg verziehen sich die zuvor schon aufgeklarten Wolken und wir kommen in den Genuss eines weiteren Sonnentages. Unweit des Abstieges, inmitten einer grünen Wiese mit Wildblumen, die jeden Hobbit mit Neid erfüllen würde, stehen an der alten Siedlung von Budir einige Sommerhäuser. Wir machen hier unsere Mittagspause. Anschließend macht Molte in der Umgebung ein paar Fotos und ich in der Sonne einen Mittagsschlaf. Herrlich!


                                        Die Schneebrücke trägt!




                                        Steiler Ausblick vom Skalarkambu:




                                        Steiler Abstieg vom Skalarkambu:




                                        Nach dem Abstieg legt Cattlechaser sich ab:





                                        Weiter gehen wir an der Bucht von Hlödurvik entlang. Der Pfad ist jetzt wieder klar zu erkennen und führt über angenehm zu laufendes Grasland. Nur die hin und wieder zu übersteigenden Baumstämme, die als Strandgut im Laufe der Jahre und Jahrzehnte angelandet wurden, erschweren den Weg. Dann kommen wir an den Fluss Hlödurvik und der ist wirklich breit und durch das Schmelzwasser aus den Bergen auch tief. Einige hundert Meter laufen wir flussaufwärts, gehen auf kleinere Anhebungen, um die Tiefe in der Mitte des Flusses beurteilen zu können, diskutieren immer wieder darüber, wo die beste Stelle sein könnte. Schließlich findet Molte eine Ecke, bei der wir zunächst die Hälfte des Flusses queren können, auf einer Sandbank einige Meter laufen müssen und dann den Rest des Flusses an einer weiteren seichten Stelle furten können. Wir ziehen Stiefel und Hose aus, lösen die Hüftgurte der Rucksäcke und los geht’s. Der Plan funktioniert. Zwar geht uns das Wasser zwischendurch bis weit über die Knie, aber die Strömung ist sanft genug, durch diese Tiefen zu gehen.
                                        Auf der anderen Seite treffen wir zwei junge Isländer, die hier ihre Zelte aufgeschlagen haben, einfach um einige Tage in der Wildnis zu genießen. Auch so kann man Hornstrandir angehen: Ganz entspannt.

                                        Der Weg führt uns auf den Berg Alfsfell zu und um ihn herum. Er ist einer der imposantesten Berge, die ich kenne. Ein massiver und steiler Felskegel, der mit seinen Rinnen und Klüften aussieht, als sei er im sozialistischen Zuckerbäckerstil der Fünfzigerjahre entworfen worden. Wir gehen noch einige Kilometer weiter in der Bucht von Hlöduvik. Der Fluss Kjaransvika hat wie alle anderen fließenden Gewässer auf Hornstrandir eine beachtliche Geschwindigkeit und ist in diesem Zustand nicht, zumindest nicht im Bereich der Mündung, zu furten; zum Glück haben sich im Mündungsbereich eine ganze Reihe von angeschwemmten Baumstämmen gesammelt, von denen sich ein besonders großer quer über den Fluss gelegt hat.

                                        Wir unternehmen noch die Flussquerung als letzten Balanceakt des Tages. Dann suchen wir uns langsam einen Zeltplatz und werden nach ein bis zwei Kilometern auch fündig. Ein wunderschöner Platz, der so windgeschützt ist, dass ich mir traue, eine Dusche zu nehmen: Zwei Töpfe mit Wasser erwärmen, dann in eine halbwegs windgeschützte Ecke stellen, den ersten Topf zum Nassmachen, schnell einseifen, den zweiten Topf zum Nachspülen. Das ist zwar schmerzhaft (zumindest für mich, ich bin sehr temperaturempfindlich), aber es ergibt das herrliche Gefühl, frisch geduscht zu sein.

                                        Der Wind kühlt mich beim Abtrocknen so schnell aus, dass ich direkt in den Schlafsack schlüpfe. Molte kommt triumphierend zum Zelt. Er hat die ganze Zeit auf einen Polarfuchs gelauert, der um unseren Zeltplatz herum streicht. Und jetzt hat er ihn aus nur wenigen Metern Entfernung fotografiert. Molte ist stolz wie nichts.

                                        Beim Einschlafen meinte Molte noch: „Wenn das Bild des Polarfuchses gut geworden ist, will es bestimmt Prachttaucher in unserem ODS-Reisebericht haben.“

                                        Ich meine: „Falls ja, dann stelle ich es ein. Ich wünschte nur, dass Prachttaucher heute Morgen von meinen Pfannkuchen hätte probieren können.“

                                        Dann schlafen wir ein.


                                        majestätischer Alfsfell:




                                        Polarfuchs:

                                        Zuletzt geändert von Cattlechaser; 07.06.2016, 20:14.
                                        Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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