[NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

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    [NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Rondane
    > Prolog
    > 12.8.14 | Anreise
    > 13.8.14 | Hjerkinn - Grimmdalshytta | ca. 20km, 900hm
    > 14.8.14 | Grimsdalen - Dørålseter | ca. 16km, 1000hm
    > 15.8.14 | Dørålseter - Bjørnhollia | ca. 22km, 900hm
    > 16.8.14 | Bjornhollia - Rondvassbu | ca. 13km, 600hm
    > 17.8.14 | Rondvassbu - Peer-Gynt-Hytta | ca. 11km, 400hm
    > 18.8.14 | Peer-Gynt-Hytta - Brekkeseter | ca. 10km, 250hm

    >GPS-Route Rondane

    Hardangervidda

    > 19.9.14 | Haukeliseter - Hellevassbu | ca. 23km, 1350hm
    > 21.8.14 | Hellevasbu - Litlos | ca. 17km, 850hm
    > 22.8.14 | Litlos - Torehytten | ca. 17 km, 920hm
    > 23.8.14 | Torrehytten - Hadlaskard | ca. 11km, 300hm
    > 24.8.14 | Pausentag in Hadlaskard
    > 25.8.14 | Hadlaskard - Vivelid | 14km, 550hm
    > 26.8.14 | Viveli - Camp Systenvatnet, nördlich von Liseth | ca. 24km, 1350hm
    > 27.8.14 | Camp Sysenvatnet - Rembesdalsseter | ca. 20km, 700hm
    > 28.8.14 | Rembesdalsseter - Finse | ca. 22km, 1200hm
    > Epilog

    > GPS-Route Hardangervidda

    > Fazit

    Für Großansichten der Bilder zweimal klicken ...


    Prolog

    Juli 2013. Gestern noch auf Island, heute wieder in der süddeutschen Heimat. Es ist Sonntag - morgen geht die Arbeit weiter. Wir sitzen im Garten und klagen uns gegenseitig unser Fernweh, die Eindrücke der Tour sind noch ganz frisch. Am liebsten würden wir alle direkt wieder zurück. Noch in den Wochen und Monaten danach bin ich der festen Überzeugung, die nächste Tour ebenfalls wieder auf Island stattfinden zu lassen. Geht ja garnicht anders! Irgendwann ist dann auch der Reisebericht fertig, man gewinnt etwas Abstand und dann reift langsam der Gedanke, dass es doch noch so viele andere Orte zu sehen gäbe. Man will sich auch absetzen von den eigenen Eltern, die gefühlt seit Jahrzehnten immer dieselben sicheren Urlaubshäfen anschippern. Herzliche Grüße hiermit an meinen mitlesenden Vater - das ist alles selbstverständlich metaphorisch und im übertragenen Sinne zu verstehen, ähem!

    Norwegen, meinen Bekannte. Auch uns drängte sich das irgendwann fast auf. Die vielen Reiseberichte hier im Forum taten ihr übriges und so reihe ich mich jetzt eben die Norwegen-Berichterstattung ein, auch wenn unsere beiden Touren in 2014 sicherlich keinen Originalitätspreis gewinnen, wofür ich mich bereits vorab entschuldigen möchte.

    12.8.2014 | Anreise

    Um 3 Uhr morgens stehen Kathrin und ich auf, wach war ich schon seit Stunden vorher - den Kopf voller Alltagsgedanken, konnte ich sowieso schlecht schlafen. Aber ich kenne das vor Touren und Reisen, das passiert fast jedes Mal. Noch im Bett wird mir klar, dass die Gedanken an Ängste, Sorgen und Unerledigtheiten am heutigen Anreisetag nur langsam abklingen werden.

    Einen Abschied von Emil und Anton gibt es nicht, die Jungs sind auf Tour. Was Kater nachts eben so treiben. Ich habe diffus Angst um die beiden, obwohl ich rational weiß, dass ich sie sowieso nicht beschützen kann, auch nicht, wenn ich daheim bin. Für beide ist gesorgt, in der Küche steht ein Berg Futter, Günther als Katzenfreund und Untermieter übernimmt die nächsten drei Wochen als routinierter Dosenöffner. Um kurz vor 4 kommen wir dann tatsächlich pünktlich und nach Plan los.

    In Memmingen holen wir Chris ab, die diesjährige Reisetruppe ist damit komplett. Die Fahrt nach FFM verläuft zügig, erst ab Würzburg knödelt es etwas, diverse Ortsnamen sind aufgrund ihrer ständigen Radiopräsenz wohlbekannt. Kurz nach 6 Uhr herrscht dann reger LKW-Betrieb. Keine Stunde später sitzen wir im Bus-Shuttle zum Flughafen, das Auto steht die nächsten drei Wochen bei einem der vielen P+R-Anbieter um Frankfurt herum.

    Die Rucksäcke sind in Folie eingepackt, ich bin gespannt, wie mein neuer Leichtrucksack die Strapazen des Lufttransports übersteht. Die Gepäckwaage zeigt 15kg. Nicht schlecht, immerhin sind 6kg alleine an Essen pro Kopf dabei, die Fotoausrüstung schlägt auch noch bei jedem von uns zu Buche. Das Drehen an der Gewichtsschraube hat sich gelohnt, die Optimierung der Ausrüstung ist auch so eine netter Helfer zur Bewältigung von Fernweh in den Monaten vor der Tour. Einige neue Gegenstände werden sich beweisen müssen. Ich selbst jedoch gehe diesmal so schwer als nie zuvor auf Tour - Alltagstrott, langer Arbeitsweg und was man so eben noch an Ausreden parat hat. Das sollen die nächsten drei Wochen hoffentlich ändern. Wie immer mache ich mir Sorgen um meine Knie, diesmal aber wohl berechtigt. Egal, jetzt mal im Vorfeld keine Panik aufkommen lassen.

    Der Flug nach Oslo ist etwas rüttelig, als Entschädigung entpuppt sich das vom Pilot angekündigte Regenwetter als Sonnenschein, das Thermometer zeigt angenehme 18 Grad. Dank Smartphone und GPS lösen wir unser Spiritusproblem bereits eine Stunde nach der Landung an einer nahegelegenen Tankstelle. Auch die Minipris-Tickets halten wir schnell in Händen und so vertreiben Kathrin und ich die üppige Wartezeit auf den Zug nach Hjerkinn mit einem Bummel über den Flughafen, während Chris im Bahnsteig bleibt und die Rucksäcke bewacht.

    Im Zug sitzend schaue ich aus dem Fenster und überlege mir standesgemäße Adjektive, um die an uns vorbeiziehende Landschaft auch ausreichend zu würdigen, schon fahren wir an einer langgezogenen Baustelle einer neuen Bahntrasse entlang - die sehen dann doch wieder aus, wie bei uns in Deutschland auch. Als wir Lillehammer passieren, erkennen wir einige Drehorte der gleichnamigen Serie, die wir in den Monaten vor der Tour sozusagen als Reiseeinstimmung und Zeitvertreib geschaut haben. Nach der Bahnbaustelle begeistert uns die Landschaft dann auch wieder: Türkises Wasser, schroffe Felsen, steile Wälder, aufgeregtes Wolkenspiel - ich freue mich darauf, die nächsten guten zwei Wochen darin verbringen zu können. Lediglich der immer betrunkener werdende Norweger, der zwei junge deutsche Touristen immer lauter und zunehmend zusammenhangsloser zutextet, der müsste nicht sein. Der Fremdschämfaktor im Abteil ist entsprechend sehr hoch. Auch wie daheim.

    Unser Zug klettert Richtung Trondheim und nach einer düsteren halben Stunde mit starkem Regen lässt uns der nurmehr von einzelnen grauen Wolken bekleckerte Himmel darauf hoffen, ab Hjerkinn in eine schöne Abendstimmung hineinlaufen zu können. Der langfristige Wetterbericht ist kurz vor Tourstart noch etwas in Richtung „bewölkt und viel Regen“ gekippt, aber wir sind trotzdem optimistisch.


    Am Bahnhof in Hjerkinn werden die Rucksäcke fertig gepackt

    Rucksäcke und Inhalt sind noch nicht optimal konfiguriert, wir packen unsere Siebensachen am Bahnhof noch etwas ungelenk, aber immerhin sind wir kurz darauf endlich auf Tour. In Sichtweite des Bahnhofs begrüßt uns das erste rote T auf einem Schild, zwei Minuten später verlaufen wir uns das erste Mal für wenige hundert Meter.


    Zu Dokumentationszwecken: Unser erstes rotes T

    Bald geht es durch dichtes und etwas sumpfigen Unterholzbewuchs, dann beginnt es zu regnen.


    Die Landschaft holt uns langsam aus dem Alltag heraus

    Wir sind noch etwas eckig unterwegs, die Sitzerei der Anreise macht doch träger, als man meinen möchte. Man sollte kaum glauben, das man vom herumsitzen so schlapp werden kann. Auf den ersten Kilometern ist jeder für sich mit „reinkommen“ beschäftigt. Die ersten Schlucke selbstgezapftes Norwegen-Wasser machen uns dann doch noch etwas wacher.


    Wir queren die E6 und lassen Hjerkinn hinter uns


    Der Campingplatz bei Gautåsætre kommt in Sicht.

    Geplant ist, die morgige Etappe noch heutige etwas zu verkürzen und nach wenigen Kilometern ein lauschiges Plätzchen für unsere Zelte zu suchen. Langsam wird dunkel.


    Der Tag verabschiedet sich mit etwas Farbe am Horizont

    Dann bezahlen wir ordentlich Lehrgeld: Die Farbpalette der Vegetation werten wir noch nach dem Bewuchs in der Heimat aus. Das geht gründlich schief, und so führt uns das, was wir für eine trockene Wiese halten, in knöcheltiefen Sumpf. Mit brackigem Wasser in den Schuhen lernt man aus seinen Fehlern erstaunlich schnell, bald schlagen wir unser Nachtlager auf schaumig-hellgelben Bewuchs auf. Ein hastig verspachteltes Abendessen später verziehen wir uns in die wohl am schlechtesten aufgestellten Zelte Norwegens. Beim Aufbau war es noch windstill, die Heringe ließen sich nahezu widerstandslos in den Boden drücken - kein gutes Zeichen. Die Nacht verbringe ich dann mehr oder minder im Halbschlaf. Wind kommt auf, das Zelt raschelt an allen Ecken und Enden, hat dazu derart lausig aufgestellt noch ein Kondensproblem und überhaupt. Dazu gehen wir Alltagsangelegenheiten in seltsamer Reihenfolge und Kombination durch den Kopf. Dieses Nachleuchten der Zeit vor dem Urlaub kenne ich, trotzdem würde ich jetzt gerne schlafen.

    13.8.2014 | Hjerkinn - Grimmdalshytta | ca. 20km, 900hm

    Irgendwann kommt der Schlaf, wenige Stunden später wachen Kathrin und ich in den frühen Morgenstunden auf. Wir öffnen die Apsis auf ihrer Seite und blicken auf einen wolkenschweren Himmel, farbenprächtiger Sonnenaufgang inklusive. Heidenei! Genau so soll es sein.


    So lässt es sich in den Tag starten

    Sofort stellt sich wieder das Gefühl der Vorfreude auf die Tour ein. Chris ist ebenfalls wach und so machen wir uns nach einem kurzen Hallo-Wach-Kaffee gleich wieder auf Achse. Unser, nunja, „Schäufelchen“ kommt auch noch erfolgreich zum Einsatz.

    Bereits auf dem Rückweg zum normalen Pfad säuft mein rechter Schuh erneut ab. Ich werde ihn im Lauf des Tages durch konsequentes Sockenwechseln und -trocknen in den Pausen wieder trocken bekommen. Trotzdem: Die Treter waren letztes Jahr definitiv wasserdichter, mir schwamt Übles. Ist ja nicht so, dass man das in den Monaten vorher hätte testen können. Einige Kilometer hangaufwärts wird dann das im Vergleich zum Vorjahr abgeänderte Porridge-Rezept ausprobiert und für sehr gut befunden. Auch wenn es nun eher Müsli ist, schmeckt es uns alles deutlich besser. Noch vor dem Frühstück haben wir unseren ersten toten Lemming gesehen, kurz danach erschrecke ich fast genauso zu Tode wie das Schaf, das mich samt Nachwuchs hinter eine Kuppe weder kommen sah noch hörte.


    Schafe und ein blauer Lichtblick.

    Bei bedecktem Himmel und leichtem Wind laufen wir weiter, kurz vor der Querung der Gautåe sehen wir dann einige passable Zeltplätze - bis hierhin hätten wir es jedoch gestern auf keinen Fall mehr geschafft. Die Querung ist denen der folgenden Wochen ziemlich ähnlich: Auf Steinen und mit Trekkingstöcken kommt man recht problemlos trockenen Fußes ans andere Ufer. So bleiben unsere Furtsandalen dann auch den Großteil der Tour über reine Pausen- oder Hüttenschuhe. Im Gipfel des Gråhøe westlich von uns hängen dicke Regenwolken. Kaum lassen wir diese hinter uns, gelangen einige der blauen Himmelsfetzen vor die Sonne und es wird richtig warm und sonnig.



    Als sich dann die Landschaft vor uns öffnet und wir nach der Umlaufung eines weiteren Hügels weit talabwärts in die Rondane hineinschauen können, machen wir bei bestem Wetter und toller Aussicht Mittagspause. Einige Wanderer passieren uns an unserem Pausenplatz. Das Wetter ist etwas kippelig, aber bislang bleiben wir vom Regen verschont.

    Im weiteren Verlauf der Etappe geben wir die am Vormittag gewonnenen Höhenmeter wieder her. Die Landschaft mit ihren grünen Hügeln erinnert uns stellenweise stark an Island, auch wenn der Bewuchs hier ein anderer ist. Auf unserer 100.000er-Karte übersehen wir nach der Durchquerung einer längeren abschüssigen Ebene einen ziemlich steilen Abstieg, Flussüberquerung und ebenso steilen Aufstieg auf der Gegenseite inklusive. Die bewaldeten Berghänge mit Fluss im Tal zeichnen ein malerisches Panorama, also legen wir hier unsere Kaffeepause ein, vertilgen Oatsnacks und genießen die warmen Sonnenstrahlen in dieser großartigen Umgebung.



    Einige Kilometer weiter, es geht über gewundene Pfade Richtung Tal, kommt die obere Grimdallshytta nach einer Biegung unvermittelt in Sicht. Wir passieren die oberen als auch unteren Hütten und schlagen auf dem weiter in Tal gelegenen Campingplatz unsere Zelte auf - diesmal anständig. Dann klappt's nachts auch mit dem Geraschel. Nur wenige Gäste sind anwesend, Vater und Sohn mit Auto und Kajaks auf dem Dach, dazu einige Wohnmobile. Wir sind die einzigen, die nur mit Zelt unterwegs sind.


    Blick zurück

    Es ist erst früher Nachmittag, dennoch gehen uns ziemlich die Rollläden herunter. Die lange Anreise und die eher kurze erste Nacht gepaart mit der ersten Touretappe fordern ihren Tribut. Wir verkriechen uns in die Zelte und nachdem ich einige Zeilen dieses Berichts schreibe, schlafe ich in Rekordzeit ein. Mittagsschlaf!



    Abendessen gibt es bei immer noch gutem Wetter, danach verleitet uns das schöne Licht zu einer kurzen Fototour um den Campingplatz herum.




    Mitreisenden beim fotografieren zu fotografieren entspannt ...

    Müde bin ich immer noch, daher verschwinde ich schnell im Zelt und bekomme auch die Aufregung um eine fotografierenswerten Biber nur noch im Halbschlaf mit.

    14.8.14 | Grimsdalen - Dørålseter | ca. 16km, 1000hm

    Nach einer gefühlt kurzen und traumlosen Nacht wache ich auf. Der erste Blick aus der Apsis zeigt eine dichte, aber helle Wolkendecke. Mit etwas Glück bekommen wir auch heute nur wenig oder keinen Regen ab. Die Nacht war fast windstill, etwas Kondenswasser hatten wir daher auch heute im Zelt. Kathrin und ich schreiten zur Katzenwäsche am des Ufer der Grimse. Das kalte Wasser vertreibt schnell den Schlaf aus allen Gliedern und so sitzen wir bald hellwach zusammen mit Chris am Frühstück.

    Gegen 9 sind wir auf der Strecke, es geht es am Nordhang des Gravhøe bergauf durch ein hübsches Birkenwäldchen.



    Bald schon werden wir von einer geschätzt 70 Jahre alten Wandererin überholt. Sie gibt ein hohes Tempo vor, ist offensichtlich trainiert und natürlich ist auch ihr Rucksack deutlich leichter als unser Gepäck. Uns wird langsam klar, dass wir die Rolle der überladenen Deutschen perfekt ausfüllen, während alle anderen noch bei Verstand befindlichen Personen mit leichten Daypacks unterwegs sind und von Hütte zu Hütte laufen.

    Kaum lassen wir die letzten Bäume hinter uns, überholt uns der nächste Norweger, wir haben ihn bereits bei der Ankunft in Hjerkinn kurz gesprochen. Er passiert unseren Frühstücksort - ein großen Felsblock - inmitten eines Berghangs und wünscht uns einen guten Hike. Danke ebenso!


    Frühstück

    Nach der Pause geht es weiter bergauf, mit schönem Blick links ins Tal.



    Als der Weg schließlich recht eben verläuft und wir über eine schmale Ebene laufen, sehen wir einige schöne Campingmöglichkeiten links und rechts des Weges.

    Gegen Mittag schlagen wir die Feldküche mit Rundumblick in die umgebenden Täler auf, am Gegenhang erkennen wir schon den Aufstieg zu den Doralsgluppen, den meine Etappennotizen als „ziemlich anstregend“ umschreiben.



    Sieht auch von hier schon anstrengend aus. Vor uns geht es über geröllige Hänge steil bergab, der Hang ist vollgesogen mit Wasser, es geht über einige sehr schlammige Stellen. Noch steiler wird dann der Abstieg durch den mit großen Steinen durchsetzten Waldpfad durch ein Birkenwäldchen. Die vielen hohen Stufen gehe ich mit den Trekkingstöcken als Stütze, meine Knie melden sich zum ersten Mal, immerhin tut noch nichts weh. Noch vor der Brücke über den Haverdalsåe machen wir eine kurze Pause, dann stellen wir uns dem steilen Aufstieg. Dieser beginnt mit einem wirklich extrem steilen kurzen Stich, wird dann etwas flacher, zieht sich jedoch in die Länge. Laut Karte müssen wir etwa 400 Höhenmeter klettern, jedoch macht uns vor allem auch der aufgeweichte Boden mit vielen Steinen zu schaffen sodass wir nur relativ langsam vorankommen. Oben haben wir dann eine prima Sicht im Rücken und da wir ziemlich erledigt sind, ist Kaffeepause angesagt.


    Ging schon zapfig hoch, Pause verdient.

    Da sitzen wir dann, mit heißer Schokolade, Oatsnacks und immerhin ein bisschen Sonnenschein, Blick Richtung Tal. Hinter uns zieht sich eine Schlucht immer enger zusammen, bedeckt mit Geröll - wir betreten die Dørålsgluppen.



    Große Steinbrocken, mit hellgrün leuchtenden Flechten bewachsen, liegen überall.



    Anfangs läuft noch ein Bachlauf mit üppigem Moosrand am Pfad entlang, dann verliert sich der Pfad im Geröll. Die Schlucht verengt sich immer weiter, und es kommt unweigerlich das Gefühl auf, irgendwann vor einer soliden Felswand zu stehen.



    Zwei Altschneefelder passieren wir, dann folgen einige einfache Kletter- bzw. Kraxelpassagen. Nicht steil oder gefährlich, aber die Hände helfen hier definitiv weiter. Nach jeder Kuppe hoffen wir auf ein Ende, aber die Schlucht zieht sich in die Länge und das Gehüpfe von Stein zu Stein saugt uns die Kraft aus den müden Knochen. Das deutlich wahrnehmbare Echo und der lange Nachhall verstärken die Stimmung in der Schlucht, wir wären von der Dosis her jedoch langsam versorgt.


    Eigentümliche Stimmung in den Doralsgluppen

    Endlich geht s bergab - die Steinbrocken werden kleiner, die Schlucht wieder breiter, wir laufen weder auf einem Weg. Bald begleitet uns ein weiteres Bachlauf mit moosgrünem Rand, dann kommt nach einer Linkskurve weiter unten im Tal die Hütte Dørålseter in Blick. Erschöpft geben wir unseren Plan, einen Zeltplatz hinter der Hütte zu suchen schnell auf, wir sehen von unserer Anhöhe aus auch keine gute Möglichkeit in direkter Nähe.

    Ein Zimmer in der Hütte soll es daher werden. Der freundliche ältere Herr an der Rezeption liest unsere Gesichter dann genau richtig, keine fünf Minuten später sitzen wir vor einem dampfenden Abendessen: Suppe, Hauptgang, Nachtisch - gigantisch! Kurz vor 22 Uhr treten wir zum Matrazenabhorchdienst an.

    15.8.2014 | Dørålseter - Bjørnhollia | ca. 22km, 900hm

    Beim Frühstück sitzt der Norweger von gestern im Pausenraum, wir kommen ins Gespräch. Er sagt dass die gestrige Passage recht anstrengd sei, vor allem auch bei nassem Wetter und dass er deswegen froh sei, dass wir trotz schwerer Rucksäcke da wären. Wir verstehen die Anspielung, aber sie ist nett gemeint. Auch die schnelle Norwegerin sitzt im Frühstücksraum, wir rechnen nicht wirklich damit, sie auf der heutigen Etappe noch einmal zu sehen, so ist es dann auch. Chris versieht sie einen Tag später mit dem respektvoll zu verstehenden Namen „High-Speed-Oma“, da wir die Dame bis Rondvassbu meistens nur kurz von hinten, oder entspannt beim Essen sitzend sehen.
    Das Frühstück selbst ist üppig, wir schlagen kräftig zu und starten so gut ausgeruht in die nächste Etappe.



    Von den Doralen herunter drückt der Nebel, dicht darüber schieben dicke Wolken über die umgebenden Berge. Nach dem feudalen Frühstück laufen wir bei bedecktem Wetter los, es nieselt. Die ersten Kilometer gehen uns gut von dein Beinen, der Weg ist für Rondane-Verhältnisse recht eben und steinlos. Ein paar Gehminuten hinter der Hütte sehen wir linkerhand des Weges eine passable Campingmöglichkeit, Wasser inklusive. Nach einem kurzen aber steilen Stich nach oben biegen wir langsam zur Umlaufung des Digeronden ein. Da die Gipfel der Umgebung heute allesamt in tiefhängenden Wolken versteckt sind, entscheiden wir uns gegen die Alternativroute mit der Besteigung des Høgronden. Davon abgesehen wären wir dieser Etappe konditionstechnisch sehr wahrscheinlich nicht gewachsen gewesen. Auf den Karten sieht's eben doch oft machbarer aus, als dann vor Ort.

    Unser Weg bleibt eben und bringt nur wenig Höhenmeter mit sich, dennoch kommen wir nicht besonders schnell voran: Mit großen Steinen verblockte Passagen wechseln sich mit Stellen ab, an denen aus dem Berghang kommende Wasserläufe den Untergrund stark aufweichen.



    Die Rondane ist auch hier und heute patschnass. Trockene Schuhe behält nur, wer über die quasi ununterbrochen vertretenen Steine über die Rinnsaale und Pfützen balanciert (oder gescheite Schuhe besitzt, jajaj ...).



    Wir sind dennoch guter Laune und nehmen das Sekundärfrühsück auf einem großen Felsblock bei Sonnenschein ein. Das Wetter bleibt jedoch wechselhaft wie auch in den Tagen zuvor und so laufen wir bei nur kurze Zeit später bei grauem Himmel und leichtem Niesel weiter. Bislang war der Niederschlag nie so stark, dass die Regenklamotten notwendig gewesen wären. Softshell-Jacke und Trekkinghose sind einigermaßen wasserabweisend, der Rucksack soll wasserabweisend sein und hält sich bislang auch daran. Recht früh am Tag, noch vor Mittag kommen uns die ersten Wanderer entgegen. Wir vermuten, dass diese von Rondvassbu kommend das Boot über den Rondvatnet genommen haben. Hinter dieser Abzweigung haben wir die Route nach Bjornhollia dann für uns alleine. Nach der Aufzweigung begegnet uns bis zur Hütte kein Mensch mehr, lediglich einen einzelnen Wanderer erkennen wir in weiter Ferne.


    Letzter Blick zurück ins Bergedalen.

    Als sich die Sicht ins Langglupdalen langsam öffnet, machen wir im Schatten des Rondslottet Mittagspause. In der Ferne scheint die Sonne, ihre Wärme wird uns für heute jedoch nicht mehr vergönnt sein. Von dunkelgrauen Wolken beschattet laufen wir bei einem etwas unentschlossenen Nieselregen weiter ins Tal hinab - hinter uns kündigen tiefschwarze Wolken und dichter Nebel ein „Wetterchen“ im Langlupdalen an, daher sind wir froh, als wir unten im Tal ankommen.


    Das Ende des Langglupdalen kommt in Sicht.

    Kurz vor der Brücke über einen Fluß liegen linkerhand dann die einzigen guten Campingmöglichkeiten vor Bjørnhollia, die wir noch entdecken.

    Das mittlerweile nass und glitschig gewordene Geröll bremste uns den ganzen Tag über aus, so ist es auch schon 18 Uhr, als wir die Nordflanke des Veslsvulten in Angriff nehmen. An einigen leicht ausgesetzten Stellen sind wir aufgrund der glitschigen Felsen vorsichtig und langsam.


    Die Etappe neigt sich dem Ende zu - endlich oben!

    Endlich oben angekommen strapaziert der nach wie vor sehr steinige Weg unsere Fußsohlen und langsam auch unsere Geduld. Zumindest sind wir hier ausnahmsweise einmal froh, auf Tour eine „normale“ Strasse zu bewandern. Der breite Kiesweg ist eine Zufahrtsstrasse zur Bjørnhollia-Hütte. Normalerweise bin ich auf Tour sonst froh, diesen Belag nicht unter den Füßen zu haben.

    Auf der Suche nach einer ausreichend großen und trockenen Fläche für unsere beiden Zelte passieren wir die Hütte. Während ich mit Schäufelchen bewaffnet im Wäldchen links des Weges einem dringenden geschäftlichen Termin nachgehe, kundschaftet Kathrin den weiteren Weg aus - es geht steil bergauf, von ebenen Zeltplätzen weit und breit nichts zu erkennen. Unserer bisherigen Erfahrung nach lesen wir auch aus der Karte keinen geeigneten Plätze in der Umgebung heraus, also gehen wir zurück zur Hütte und geben uns auch heute den Wonnen den Vollverpflegung hin. Drei Nischen im Schlafsaal sind schnell bezogen, dann widmen wir uns dem Abendessen: Lachs, Kartoffeln, Sauce Hollandaise, lecker.

    Auf dem kurzen Weg vom Haupthaus hin zum Schlafsaal friere ich wie ein Schneider und zittere am ganzen Leib. Mein Körper ist stark erschöpft und ich erinnere noch heute ziemlich gut daran, dass mir hier die Fußsohlen brannten, die Knie wehtaten und ich nach kurzer Zeit im Sitzen die ersten Schritte kaum richtig laufen konnte. Kathrin und Chris geht es ähnlich. Wir laufen über unserer Kondition, die Tour geht auf‘s Material. Adapt or die: Noch bevor wir Bjørnhollia vom Langglupdalen aus erreicht haben, hatte ich Chris gefragt, ob er die Hardangervidda-Karte ebenfalls mitgenommen habe. Eine spürbare Erleichterung geht durch die Gruppe: Ursprünglich war geplant, nach der Rondane Richtung Jotunheimen abzubiegen, aber das erscheint uns in dem Augenblick nicht mehr als gute Idee. Da auch die langfristige Wettervorhersage für dieses Gebiet eher schlechter als besser wird, sind wir flexibel und biegen den zweiten Tourabschnitt bereits heute um. Diese Entscheidung erleichtert uns alle drei, nimmt die Anspannung aus der Gruppe und war für uns daher die richtige Entscheidung. Da die Vidda-Querung auch einmal Ausgangsidee für die Norwegen-Reise war, sind die Etappenpläne noch im Kopf.


    Drei Nischen im Schlafsaal.

    Am nächsten Morgen dann die Gewissheit, auch mit der Wahl des Schlafsaals Glück gehabt zu haben: Keine Schnarcher!
    Zuletzt geändert von Styg; 15.11.2014, 13:28.

  • fcelch
    Dauerbesucher
    • 02.06.2009
    • 521
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    #2
    AW: [NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

    Schöner Bericht, tolle Fotos. Freue mich wenn es weiter geht.
    Gruß,
    FCElch

    Kommentar


    • Styg
      Gerne im Forum
      • 01.05.2014
      • 86
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      #3
      AW: [NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

      Sa., 16.8.14 | Bjornhollia - Rondvassbu | ca. 13km, 600hm

      Das Frühstück ist gut und wir entdecken System hinter dem Angebot an den Hütten, es ist stets verlässlich ähnlich. Wenige Minuten nach halb zehn folgen wir wieder dem roten T - nicht jedoch, ohne meine Knie zuvor mit der Bordapotheke flott gemacht zu haben. Ich hoffe, dass es die Ausnahme bleibt. Um Gewicht zu reduzieren, lassen wir unsere durch die Hütten eingesparte Selbstversorgung zurück. Mit der Erfahrung der letzten drei Tage hätten wir die Verpflegung anders organisiert, ergo noch deutlich weniger mitgenommen. Dank des Trockenraumes in der Hütte unsere Klamotten und vor allem Schuhe wieder trocken. Letzteres hält bei mir nicht lang da ich nach dem steilen Anstieg einen glitschigen Stein übersehe und bei einer Bachquerung einen Ausfallschritt ins Wasser machen muss, um nicht zu stürzen. Man gewöhnt sich dran, warm werden die Füße ja trotzdem. Für die Schuhe wird‘s die letzte Tour gewesen sein.

      Die Strecke von Bjørnhollia nach Rondvassbu folgt im Prinzip durchgehend dem Wässerchen Illmannåe, das durch ein von vielen Gipfel flankiertes Tal verläuft. Da wir heute größtenteils bei bedecktem Himmel im Nieselregen laufen und uns die vielen Steine und matschigen Pfade dazu zwingen, den Blick auf den Boden gerichtet zu lassen, sehen wir von der Landschaft heute wenig. Fühlt sich etwas nach „Transportetappe“ an. Die Bodenbeschaffenheit ist ähnlich wie die Tage zuvor: Die Schritte unzähliger Wanderer haben über Jahre hinweg die dünne Erdschicht samt Bewuchs entfernt, Erosion und Regen haben dann die darunterliegende Steine freigelegt. Da die feuchten Flechten die Steine heute glitschig werden lassen, will jeder Schritt wohlüberlegt sein. „Immerhin keine Mücken, hat die ganze Zeit geregnet“ wird zur süffisanten Nebenbemerkung des Tages (und der Tour).


      Irgendwo da hinten scheint die Sonne

      Gute Zeltmöglichkeiten finden wir im mittleren Drittel der Etappe vor, immer dort, wo der Flusslauf kleine Bäuche bekommt und winzige Seen entstehen. Einige dieser Plätze sind trotz direkter Nähe zum Weg relativ gut vor Blicken geschützt. An einer dieser Stellen legen wir dann auch unsere Mittagspause ein. Als wir wieder aufbrechen und eine leere Plastikflasche am Rand des Pfades liegen sehen, fällt uns auf, dass dies eine der wenigen Stellen war, an denen wir Müll in der Natur gesehen haben. Lediglich einige gut geschützte „Örtlichkeiten“ sehen etwas mitgenommen aus, ansonsten sehen wir im gesamten Tourverlauf sehr wenig Müll am Wegesrand. Einiges davon dürfte schlicht auch von Rucksäcken gefallen und damit verloren gegangen sein.

      Eine gelbe Hose eines näherkommenden Wanderers kommt uns bekannt vor. Tatsächlich, es ist der Österreicher, den wir in der Dørålseter kurz gesprochen haben. Laut ihm muss halb Oslo am Vortag auf der Rondvassbu gewesen sein, wir vermuten, dass das Wochenende einen großen Schwung Touristen in die Rondane gespült hat und hoffen, heute schon die größte Welle hinter uns zu haben. Er will weiter Richtung Süden - seinen Tourenbericht findet ihr >hier (Grüße an dieser Stelle!)

      Dann passiert es: In Gedanken versunken unterschätze ich den Glitschigkeitsfaktor eines Steins massiv und lande auf dem Hosenboden. Bruchteile einer Sekunden später dopst meine Kamera neben mir auf. Mein Ungeschick handelt ihr einige stilechte Norwegen-Kratzer ein. Es sollten nicht die letzten sein, technisch ist jedoch alles in Ordnung. Macht noch Bilder, alles gut.


      Nasse Steine bremsen uns aus.

      Der See Fremre Illmanntjønne kommt in Sicht, auch hier stehen einige Zelte. Wir umrunden ihn und sind fast verwundert, Rondvassbu noch nicht zu sehen.


      Ein kurzer Lichtblick ...


      .. dann zieht es wieder zu.

      Laut GPS stehen wir fast schon davor, tatsächlich kommt die Hütte oder viel mehr „Hotelanlage“ - noch einmal deutlich größer als die Hütten zuvor - erst in Sicht, als wir oben am steilen Abhang direkt davor stehen.


      Die Anlage Rondvassbu kommt in Sicht.

      Das kleine Fährschiff, das Touristen vom anderen Ufer des Rondvatnet abholt, legt gerade an. Mittlerweile regnet es relativ stark und wir sind froh, dass diese Etappe ihrem Ende zu geht. Meine Knie machen zaghaft Meldung, wenn auch aufgrund der harmloseren Etappe nicht so akut wie gestern und so beschließen wir, auch heute einen Hüttentag einzulegen. Auf die Mehrkosten haben wir uns seelisch bereits eingestellt.

      Ein lauschiges Zimmer ergattern wir, dann fremdeln wir kurz mit dem "Hotelbetrieb" und finden die 14 erst einmal nicht. Eine kurze Suche führt zum Ziel und so sitzen wir bald im hübsch eingerichteten Aufenthaltsraum um Aufschriebe zu verfassen und die Zeit bis zum Abendessen zu überbrücken. Punkt 19 Uhr stehen wir im Speisesaal auf der Matte, nur Sitzplätze gibt es nicht mehr genügend und so warten wir dann noch bis 20:30 Uhr, bis es endlich Abendessen gibt. Als es dann endlich soweit ist, werden wir durch das gewohnt gute Essen entschädigt. Sogar eine Flasche Rotwein lassen wir uns heute im Übermut auf den Tisch stellen, obwohl der Geschmack nicht in Ansätzen zum epochalen Preis passen will. Egal, wir sind im Urlaub.

      Im Aufenthaltsraum lassen wir den Tag dann im gemütlicher Atmosphäre ausklingen, neben uns erzählt sich eine Gruppe etwas älterer Norwegen scheinbar nicht ganz jugendfreie Witze. Bedauerlicherweise verstehen wir nur einzelne Fetzen, das Gelächter ist dann wiederum universell verständlich. Wir lassen die bisherigen Tage Revue passieren, denn morgen führt unsere Etappe schon Richtung „Ausgang“ - wir wollen zur Peer-Gynt-Hytta und ab dort dann vor Ort entscheiden, wie es weitergeht.


      So., 17.8.14 | Rondvassbu - Peer-Gynt-Hytta | ca. 11km, 400hm

      Ich wache auf und höre einige Minuten sanftem Regen zu, verstärkt noch durch die Wasserfläche des Rondvatnet. Auf einen Sonnentag können wir auch heute nicht hoffen. Dann leitet jedoch erst einmal das Hüttenfrühstück verlässlich gut den Tag ein. Eine gesalzene Rechnung später vergesse ich noch fast mein zweites Paar Socken im Trockenraum, dann sind wir wieder auf Tour.

      Es regnet, entsprechend bekannt ist auch die Wegbeschaffenheit. Die vielen Steine und Felsbrocken werden jedoch immer dann vom Saulus zum Paulus, wenn man über sie hinweg morastige, schlammige Passagen oder kleine Bachläufe zu queren kann. Nach dem Aufstieg direkt hinter Rondvassbu gehen wir über eine steinige Ebene. Unsere Atemluft kondensiert, der kalte und schneidende Wind holt die sinkenden Temparaturangaben von der ausgedruckten Wettervorhersage der Hütte in die Realität.


      Blick zurück nach Rondvassbu, die Gipfel weiß gepudert.

      Von den umliegenden Gipfeln fallen Wolken und Nebel auf uns herunter, auf den weiß gepuderten Gipfel ist Raureif und vielleicht auch erster Graupel oder Schnee zu erkennen. Da jeder von uns stark auf den Weg achten muss, bringen wir einige schweigsame Kilometer hinter uns. Dem stärker werdenden Regen weichen wir zumindest ein bisschen aus, indem wir unsere Mittagspause einigermaßen regengeschützt neben einem großen Felsblock einnehmen. Der Spirituskocher ist durch Wind und Temperatur heute etwas unwillig, der Feuerstahl muss länger herhalten als sonst. Mein Rucksack kippt um und holt sich an einer scharfen Stelle einen kleine Riss. Ein "normaler" Rucksack hätte das wahrscheinlich weggesteckt, der Leichtrucksack ist hier jedoch eher Mimose. Mehr zur Ausrüstung nach dem Tourenbericht, falls das gewünscht ist.

      Danach geht es im Niesel weiter, südlich von uns eröffnet sich ein breites Panorama und windigem Wolkenspiel mit Blick auf Mysusæter.


      Breiter Blick auf Mysusæter

      Nachdem wir den Randen links liegen gelassen haben, kommt bald die Nothütte Ljosåbue in Sicht. Diese ist innen herrlich altmodisch eingerichtet und wäre nicht erst 13 Uhr, würden wir heute wohl hierbleiben.


      Die Nothütte Ljosåbue


      Zweckmäßige Einrichtung ...


      ... und zeitlose Hüttenregeln.

      So jedoch laufen wir weiter, verfolgt von schneller näherkommenden Wolken im Nacken. Die ständige Balanciererei malträtiert auch heute meine Knie, die Laune sinkt. Dass die Schuhe nass sind, versteht sich von selbst. Regen schön und gut, aber etwas weniger Steine wären toll. Immerhin keine Mücken.

      Die Peer-Gynt-Hytta bzw. -Anlage kommt in Sicht. Am Fahnenmast weht keine Flagge, Saisonende. Die Hütte hätte am Samstag - gestern - offen gehabt und wird auch im September zum „Indian Summer“ wieder geöffnet haben. Von der Rondane in Herbstfärbung hat schon der Hüttenwirt der Dørålseter geschwärmt.

      Die Anlage ist verlassen. Mit einem deutschen Paar kommen wir eine Weile ins Gespräch, sie erzählen uns, wieviel Trubel hier in der Hochsaison sei. Heute ist davon nichts zu sehen, lediglich einige Wanderer oder Spaziergänger sind am anderen Flussufer zu sehen. Auch eine französische Familie - Vater, Mutter, junge Tochter - die uns seit Bjørnhollia immer wieder begegnet, macht hier kurz Rast.

      Es gefällt uns hier, im Tourenplan ist noch gut Luft und bei dem Wetter wollen wir nicht unbedingt bis Høvringen weiterlaufen. Also bleiben wir hier, suchen in Ruhe einen geeigneten Platz für unsere Zelte und schlagen diese dann am Rand der Anlage auf, von Steinen geschützt existiert hier auch eine kleine Feuerstelle. Diese lässt sich jedoch nicht in Gang bringen, zu nass ist das bereitliegende Holz.


      Wettergeschützte Campingstelle bei der Peer-Gynt-Hytta

      Da nach dem Zeltaufbau erneut Regen einsetzt, gibt es das Abendessen oben bei der Kaffeehütte unter dem wettergeschützten Dach. Ein Piepmatz auf der Suche nach Nahrung, offensichtlich an Menschen gewöhnt, ersetzt uns das Fernsehprogramm. Dass wir diese Bachstelze „Gentscher“ nennen und auch alle weiteren Bachstelzen auf Tour so heißen werden (wir fühlen uns irgendwann verfolgt), dürfte dieser typische Tour-Schwachsinn sein, der wirklich nur auf Tour einen tieferen Sinn entwickelt und auch nur dort lustig ist. Zuviel Sauerstoff, möglicherweise. Nach dem Abendessen gibt es heiße Schokolade und Oatsnacks. Da nun ziemlich starker Regen einsetzt, machen Kathrin und ich uns zum Zelt auf, Chris füttert weiter Gentscher. Dem Regen ist es dann zu verdanken, dass ich diesen Bericht eine gute Stunde weiterschreiben kann, dann ruft mir Chris von außerhalb zu, dass das Wetter besser geworden sei und ich meine Kamera schnappen solle. Die Sonne scheint zwar nicht bei uns direkt, das Farbenspiel an den entfernt liegenden Hängen mitsamt schnell aufsteigendem Nebel und Dampf ist dennoch schöner anzuschauen, als das Grau in Grau der letzten beiden Tage.


      Heimelige Hütten bei der Peer-Gynt-Hytta


      Ein kurzer Lichtblick am Abend

      Zusammen mit Chris laufe ich noch eine gute halbe Stunde umher und es tut gut, den Tag noch mit etwas Licht beenden zu können. Die Dämmerung bringt eine düstere, aber auch friedliche Stimmung mit sich. Kaum laufen wir wieder Richtung Zelt, erwischen mich die ersten dicken Tropfen. Dann beginnt es ausgiebig zu kübeln, ausdauernd bis in die frühen Morgenstunden.

      Mo, 18.8.14 | Peer-Gynt-Hytta - Brekkeseter | ca. 10km, 250hm

      Die Nacht über regnet es beständig und so ist uns allen klar, dass die Etappe heute zwar nicht lang, dafür aber seht matschig werden wird. Zum Frühstück setzen wir uns an die Ostseite der Kaffeehütte und vertilgen unser Müsli. Die Sonne ist nur als fahler Fleck am Himmel auszumachen, auch der Hang von Mysusæter ist nur zu erahnen. Die Wolken hängen auch an unserem letzten Rondane-Tag tief, unser Lager bekommen wir jedoch ohne Niederschlag abgeschlagen. Als wir loslaufen, tröpfelt es erneut. Der Weg ist wie erwartet matschig, die Steine sind patschnass und rutschig.


      Fühlt sich pudelwohl - nass von unten und oben

      Der Pfad ist weniger verblockt als auf den Etappen der letzten Tage, wir machen gut Strecke. Die große Anlage Smuksjøseter-fjellstue passieren wir zügig, laufen einige hundert Meter auf der Schotterstraße, die zur Anlage führt und biegen dann wieder rechts auf einen Pfad Richtung Hovringen ab. Zur Hochsaison muss der Anlagengröße nach die Hölle los sein. Heute begegnen wir nur einigen wenigen Touristen, allesamt dick eingepackt in Regenponchos. Bald schon stehen wir vor einem Tor, das zur Brekkeseter-Anlage führt.

      Als wir das Tor durchschreiten, endet unsere Rondane-Tour.


      Schafe begleiten uns auf den letzten Meter unserer Rondane-Tour


      Wenige Augenblicke später sitzen wir unter dem Vordach des Haupthauses und knobeln via Smartphone aus, wie wir am besten nach Otta kommen. Wenige Augenblicke später hält ein silberne Mercedes-Bus neben uns, ein älteres Ehepaar steigt aus - und wir kurz darauf ein. Der Busfahrer hilft uns beim Verladen der Rucksäcke und da Chris' Kamera noch an selbigen hängt, bekommt auch diese beim Wurf in den Bus ihr Fett ab. Die Bruchlandung wird, wie sich in Deutschland später herausstellt, im finanziellen Totalschaden enden. Absicht war das natürlich keine, eher eigene Unachtsamkeit. Das Otta-Taxi fährt uns mit dem Taxi-Tarif nach Otta. In Otta angekommen hole ich Bargeld ab - das geht per Maestro EC-Karte an den Automaten problemlos - und kaufe ein. Dann vertreiben wir uns die Wartezeit auf den 17 Uhr Zug mit Essen, zwischendurch holen wir am Schalter die Karten, die wir Tage zuvor per Minipris online gekauft hatten. Ein Hotel ist ebenfalls schnell gebunden und im Vergleich zu den Hüttenübernachtungen nicht teurer.

      Die Zugfahrt geht ereignislos über die Bühne, am Hauptbahnhof in Oslo fremdeln wir dann etwas mit den Menschenmassen und machen uns Richtung Hotel auf. Warm duschen, Wäsche waschen, gutes Frühstück epischen Ausmaßes - darauf möchte ich die Beschreibung dieser Episode beschränken.
      Zuletzt geändert von Styg; 15.11.2014, 11:51.

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        #4
        AW: [NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

        Di., 19.9.14 | Haukeliseter - Hellevassbu | ca. 23km, 1350hm

        Um 9:30 des nächsten Tages sitzen wir bereits im Bus nach Haukeliseter, wir erwischen ihn eine knappe Minute vor Abfahrt. Verdammt seien die Bahnhofstoiletten mit ihren Wechselautomaten, aber ich _musste_ auf‘s Klo. Das DNT-Büro hatte Minuten zuvor eben exakt in der Stunde geschlossen, als wir den Hüttenschlüssel abholen wollten. Egal, noch ist Saison. Für die vielen Elektroautos bzw. eigentlich fast ausschließlich Tesla S-Modelle, die uns in Oslo auffallen, steht an einer Bushaltestelle, an der wir Pause machen, sogar eine recht große Schnellladestation. Die Busfahrt hinweg wechselt sich Sonnenschein mit leichtem Regen ab. Die langfristige Wettervorhersage sieht nach besserem Wetter, ja sogar einer Woche Sonnenschein aus - lassen wir uns überraschen.

        Als wir den Hang hinter Haukeliseter in Angriff nehmen, bringt uns die Sonne zusätzlich zum steilen Anstieg ins Schwitzen. Das aprupte Ende eines Tags Nichtstun in Zug, Hotel und Bus fährt uns schnell in die Knochen, aber wir sind allesamt froh, wieder auf Tour zu sein.


        Sonnenschein bei Haukeliseter


        Blick auf den Ståvatn nach dem ersten Aufstieg

        Es ist viel Wasser in der Vidda, auch hier sind die Hänge und Böden vollgesogen wie Schwämme. So mancher Teich hat einen Pflanzengrund, der nicht aus Wasserpflanzen besteht - es muss auch hier in letzter Zeit viel geregnet haben. Dennoch sind wir erleichtert, als wir nach den ersten bangen Kilometern feststellen, dass die Wege hier in besseren Zustand sind, als noch in der Rondane.

        Der See Mannevatn kommt in Blick, darum herum drapiert vereinzelte Zelte. Da es noch vor 19 Uhr ist, laufen wir weiter - erneut setzt Regen ein. Unser Lager schlagen wir schließlich ziemlich weit oben am Hang südlich des Klingenberg mit Blick auf den See Holmasjøen auf. Nachdem die Zelte aufgebaut sind, verhaften wir unser Abendessen etwas windgeschützt und einige Meter weiter östlich mit einem schönen Blick auf dem im Tal gelegenen See Nedre Poddevatnet. Es ist ziemlich kalt und sehr windig, der Spiritus lässt sich mit dem Feuerstein nur schwer entzünden, ein kleines Fitzelchen Klopapier als Lunte schafft dann doch noch Abhilfe. Es wird duster, um 22 Uhr herrscht Nachtruhe.


        Nachtlager mit Blick auf Nupsegga und einer Gletscherzunge des Store Nupsfonn

        In den Morgenstunden setzt leichter Nieselregen ein. Kathrin und ich sind nicht gut eingeschlafen. Vom Gletscher her zog kalter Wind, ich hatte die Wände unseres Tarpzeltes nicht tief genug Richtung Boden abgespannt. Irgendwann wurde es dann doch warm in den Schlafsäcken.

        Ein Überbleibsel ist Chris‘ Wecker am Outdoorhandy. Dieser hatte uns am Tag zuvor noch aus den Hotelbetten geschmissen, heute hallt er durch‘s Fjell. Schlimm ist das nicht, denn um 7 Uhr wachen wir alle drei meistens auf. Heute schlafen wir noch bis 8:30 weiter und schlagen unsere Zelte dann ohne Niederschlag ab. Kurz bevor wir loslaufen scheint dann sogar die Sonne!

        Kurz nach dem Aufbruch überholt uns eine Gruppe Jäger. An der Hütte später erfahren wir, dass die Jagdsaison gestern losging. Der böige Wind scheucht uns für die Frühstückspause hinter einen großen Felsen. Eine Herde Schafe passieren unseren Platz und zeigt keine Scheu. Im Gegenteil - sie entwickeln ziemliches Interesse für Kathrins Rucksack.


        Frühstück unter Schafen


        Neugierig und kein bisschen scheu

        Erneut setzt Regen ein, die Wege werden zunehmend schwammiger. Trotzdem bessert sich die Gruppenmoral und wir lachen, wenn auch noch etwas herbeigebetet, bald wieder über die üblichen Tourblödeleien - Gentscher schaut auch ab und an vorbei. Im Nachgang habe ich das Gefühl dass wir auf der ersten Etappe Angst hatten, in ein ähnliches Grau-in-Grau zu laufen, wie noch in der Rondane. Als absehbar wird, dass ein Wetterumschwung ansteht, fällt diese Angst von der Gruppe ab.


        Ganz langsam wird es heller in der Vidda


        Typische Brückenkonstruktion in der Hardangervidda

        Zwei Hängebrücken bringen uns trocken über Flüße, dann laufen wir am Westhang des Simletind entlang. In der Ferne kommt die Hütte Hellevassbu in Sicht. Dass wir auch in der Hardangervidda die Hütten vermehrt nutzen werden, ist uns allen klar. Wir freuen uns jedoch auch auf die teilbewirtschafteten Hütte, die uns auf ein etwas heimeligeres Hüttenerlebnis hoffen lassen.


        In der Ferne kommt Hellevassbu in Sicht

        Die letzten zwei Kilometer laufen wir in strömendem Regen, vorbei der Traum von trockenen Schuhen. Der Weg wird verblockter und matschiger, erneut erleben wir das von uns auf „Hüttenkilometer“ getaufte Phänomen dass die letzten Schritte zu den Hütten häufig noch mit gefühlt sehr garstigen Hindernissen gespickt sind. So auch heute, Matsch und Wasser soweit die Füße tragen. Die Regenklamotten packen wir nicht mehr aus, in der Hoffnung, dass die Hütte offen ist. Dann rieche ich brennendes Holz, ein gutes Zeichen. Wir kommen an - es herrscht reger Betrieb, eine Schulklasse ist hier. Die Hüttenwartin weist uns Schlafplätze unter dem Dach zu. Wenige Augenblicke später stößt ein deutsches Pärchen, Johannes und Sabine aus München, zu uns. Wir beziehen ein schnuckeliges Dachzimmer.


        Dach überm Kopf

        Nachdem die nassen Sachen im Trockenraum über dem Kamin hängen, bessere ich einige Kleinigkeiten an der Ausrüstung aus und nehme den Solarlader in Betrieb - draußen scheint mittlerweile wieder die Sonne. Um 18 Uhr soll die Raubtierfütterung für die Schulklasse steigen, wir verschieben unser eigenes Abendessen daher für später und überbrücken mit einem Oatsnack.
        Die Schüler sind hungrig, jedoch bleibt soviel übrig dass die Betreuer uns den „Rest“ anbieten und wir zusammen mit Johannes und Sabine keinen Wareneinsatz haben. Suppe und Kartoffeln, es war wirklich lecker!
        Wir erfahren, dass drei Schulklassen gleichzeitig da sind - 8., 9. und 10. Klasse, in Summe etwa 20 Schüler. Abends kommen wir noch mit den Hüttenwarten ins Gespräch, dann setzt sich ein junger Jäger zu uns und wir beschließen einen netten Hüttenabend mit etwas kulturellem Austausch. Schon angenehm, so ein Hüttenabend.

        Do., 21.8.14 | Hellevasbu - Litlos | ca. 17km, 850hm

        Frisch ausgeschlafen sitzen wir im Aufenthaltsraum und vertilgen Wasa und Marmelade aus den Hüttenvorräten sowie unsere eigenes Müsli zum Frühstück. Erneut unterhalten wir uns eine ganze Weile mit Sabine und Johannes, sie laufen heute Richtung Haukeliseter ihre letzte Etappe. Draußen begrüßt uns dann tatsächlich die bei leicht verhangenem Himmel zaghaft die Sonne und so hat der mitgenommene Solarladar seine Premiere am Rucksack. Funktioniert erstaunlich gut, ginge aber auch ohne.


        Hellevassbu im Rücken laufen wir dem Sonnenschein entgegen

        Über die heutige „trockene“ Etappe sind wir sehr froh und ich spekuliere sogar darauf, heute trockenen Fußes in Litlos anzukommen. Wir haben den Sonnenschein genossen und sind gelaufen. Viel Aufschrieb habe ich zu dieser Etappe daher nicht.


        Mit der Sonne kommt auch Farbe in die Landschaft


        Mit Stock und über Steine ...


        ... übers Wasser

        Gegen Mittag erreichen wir ein kleinere Plateau und suchen nach einem geeignetem Platz für das Mittagessen.


        Essen fassen!


        Kein Vidda-Bericht ohne Wollgras!

        Ich erinnere mich, dass mich bei dieser Etappe über das „Licht“ und die tollen Kontraste sehr gefreut habe. Hoffentlich bleibt das die nächsten Tage so!


        Es werde Licht!


        Die Landschaft setzt sich dramatisch in Szene

        Jeder geht seinen Gedanken nach, die Stunden bis zur Hütte Litlos vergehen wie im Flug. Die Anlage am See kommt bei schönem Abendlicht in Sicht, hinter uns trabt ein Jäger stilecht auf seinem Pferd ein.

        Die Hütte selbst betreten wir 10 Minuten vor dem Abendessen, entsprechend hastig beziehen wir unser Zimmer. Das Essen ist gewohnt gut und danach kommen wir mit einem älteren deutschen Ehepaar ins Gespräch, das hier einen Pausentag einlegt. Wir tauschen Geschichten aus und lachen viel. Wenig später sitzen wir mit Ralf - einem Informatiker aus Saarbrücken - im Aufenthaltsraum. Zur Hebung der Moral genehmigen wir uns ein, zwei Bierchen. Das rächt sich kurz nach dem Zubettgehen in Form eines gehobenen Harndranges. Also raus aus dem warmen Schlafsack, rein in die Nacht und Richtung Nebenhaus. Diese Selbstversorgerhütte übernimmt ab Saisonende der vollbewirtschafteten Hütten den Betrieb und beherbergt auch die Toiletten. Als ich, nur mit einer Boxershort bekleidet, Richtung Zimmer zurückhaste, wandert mein Blick nach oben. Eine kristalklare Milchstrasse zeigt sich mir, auch ganz ohne Dunkeladaption und frei von Fremdlicht. Wunderschön - aber mir war in dem Moment zu kalt, um noch einmal mit der Kamera nach draußen zu gehen.

        Der Vollständigkeit halber sei erwähnt dass der Trockenraum in Litlos die olfaktorische Gesamtwertung der Tour problemlos gewonnen hat: Beim ersten Betreten blieb uns fast der Atem stehen, könnte an den zehn Paaren Jägerstiefeln gelegen haben ...
        Zuletzt geändert von Styg; 15.11.2014, 11:55.

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          #5
          AW: [NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

          Fr., 22.8.14 | Litlos - Torehytten | ca. 17 km, 920hm

          Erneut weckt uns Chris‘ Wecker um 7 Uhr, obwohl die Funktion eigentlich ausgeschalten ist. Egal, wir waren sowieso schon scharf auf das Frühstück, zuvor wird ausgiebig geduscht. Das ältere Ehepaar von gestern als auch Ralf brechen vor uns auf. Als wir vom Frühstücksraum zurück zu unserem Zimmer laufen, wabern Nebelschwaden die umliegenden Hänge nach oben, vertrieben von der Sonne. Unser erster richtig herrlicher Wandertag steht uns bevor, daher haben wir es auch nicht eilig.
          Tatsächlich laufen wir dann bei strahlendem Sonnenschein los.


          Start in den Tag bei Sonnenschein

          Der Weg ist nur den ersten Kilometer hinter der Hütte noch etwas sumpfig, danach machen wir gut Strecke und kommen auch dem Hårteigen zügig näher. Nur der sanfte, auf Kuppen mitunter auch verbindlich pfeifende Wind hindert uns daran, im T-Shirt zu laufen. In der Ferne allerdings, da braut sich offensichtlich ein Wetterchen zusammen.


          Blick zurück Richtung Litlos


          Hamster überall!

          Gegen Mittag gibt es die üblichen Nudeln hinter einem windgeschützten Hügel, den Hårteigen im Blick. Danach holt uns das norwegische Wetter doch wieder ein. Es zieht in kurzer Zeit zu. Nur kurz hagelt es, dann beginnt es zu regnen.


          Der Hårteigen kurz vor dem Hagelschauer

          Den Hårteigen werden wir bei diesen Bedingungen sicher nicht besteigen, da meine Knie wieder einigermaßen in Ordnung sind, wäre das vielleicht auch keine gute Idee gewesen. Wir passieren das Wahrzeichen der Vidda daher ohne Aufstieg.


          Den Aufstieg an der Ostseite lassen wir links liegen

          Vielleicht holen wir das morgen nach, bei unserem geplanten Day-Off auf der Torehytten. Noch oben auf der Anhöhe des Hårteigen stehend, bietet sich uns ein dramatisches Panorame: Während bei uns ganz vereinzelt schon wieder Sonnenflecken über die Landschaft huschen, geht weiter im Norden ein ziemliches Wetterchen durch.


          Am Hårteigen mit Blick nach Norden - Wetter!

          Der heutige „Hüttenkilometer“ ist ziemlich lang. Der Abstieg zur Torrehytten hinunter ist sehr sumpfig, dann wird es geröllig. Direkt vor der Hütte steht dann noch eine kleine, harmlose Kraxelei bevor. Wir sind froh, dass wir bald da sind. Erneut kündigt sich Regen an.

          Die Hütte selbst macht einen etwas ungepflegten Eindruck auf uns, zumindest von außen. Überall liegt Baumaterial verstreut herum. Innen ist jedoch alles in bester Ordnung aber wir beschließen dennoch, unseren freien Tag in Hadlaskard zu verbringen - auch der Aussage des Hüttenwarts der Torrehytten nach mit ein der schönsten Hütten in der Vidda. Der ältere Wart führt uns in unser Zimmer, das wir uns mit einer Vierergruppe Norwegerinnen teilen. Die vier Damen machen jedes Jahr eine solche Mädels-Tour für einige Tage.

          Nachdem wir erst unsere eigenen Vorräte dezimieren und dann noch die Hüttenvorräte zu einem leckeren Abendessen verarbeiten, entwickelt sich auch hier ein netter Hüttenabend. Ralf ist da, außerdem zwei lustige Holländer. Ihre selbstironisch vorgetragene Geschichte von den in der Heimat im Hochsommer getesteten Schlafsäcken und Zelten aus dem Supermarkt und dem harten Aufprall in der frostigen Realität in der ersten Nacht in Norwegen, sorgt für großes Gelächter. Im Laufe des späten Nachmittags kommen noch zwei Israelis an, die das Lager in der Nebenhütte beziehen. Dann unterhalten zwei Österreicher die Hütte für einige Zeit fast im Alleingang, bevor sie draußen ihre Zelte aufschlagen.

          Der Abend wird mit heißem Kaffee und der Verfassen der Reisenotizen eingeleitet. Dann entwickelt sich ein Gespräch zwischen dem Hüttenwart und seinen Gästen, wir unterhalten uns über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Norwegen und Deutschland, die Wiedervereinigung und zu guter Letzt die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn. Immer wieder interessant, Wahrnehmungen und Sichtweisen aus unterschiedliche Perspektiven auszutauschen, zumal niemand mit „Pauschalmeinungen“ das Gespräch an sich reißt. Um 22 Uhr hören wir den Wetterbericht stilecht im Radio, dann holen die Nachrichten mit den Vokabeln „IS“, „Hamas“ und „Isreal“ kurz einen Hauch Alltag in die Hütte. Pünktlich um 23 Uhr ist Schicht im Schacht.

          Sa., 23.8.14 | Torrehytten - Hadlaskard | ca. 11km, 300hm

          Als ich von seltsamen Träumen aus dem Halbschlaf in mein Hochbett zurückkehre, ist es draußen bereits hell. Die Norwegerinnen verrichten ihre Morgentoilette am Seeufer und frühstücken auch dort, wir haben das Zimmer daher für uns. Die beiden Österreicher kriechen ebenfalls aus ihren Zelten. Nach dem Frühstück beschließen wir, nach Hadlaskard weiterzulaufen. Den Hårteigen wollen wir nicht mehr hoch. Ich glaube, uns erschien zu dem Augenblick der Gedanke an den ziemlichen abgesoffenen Hinweg nicht sonderlich erfreulich. Vielleicht irgendwann.


          Blick zurück nach Torehytten

          Gegen 9:30 Uhr sind wir auf Tour - es ist trocken und sieht einigermaßen nach Sonne aus. Da klang der Wetterbericht im Radio noch anders, aber lassen wir uns überraschen. Nach dem ersten Anstieg direkt hinter der Hütte führt uns der Pfad an einem abschüssigen, steilen Hang entlang. Ich fotografiere ein Panorama, dann kommt mir ein Stück Alltag in den Sinn und statt auf den Weg zu achten, mache ich mich so richtig lang, unelegante Bruchlandung inklusive.


          Der heimtükische Stolperstein links vorne im Bild

          Neben mir kracht die Kamera ins Gemüse. Stein getroffen, prima! Das Geräusch will mir noch während meiner eigenen Flugphase nicht so recht gefallen. Glück im Unglück - die Sonnenblende hat das Schlimmste vermieden, ist aber einigermaßen hinüber, genauso die Aufnahme am Objektiv. Kratzer und Macken an der Kamera selbst bleiben auch nicht aus, ich ignoriere den Gedanken an die Rechnung beim wohl fälligen Service nach dem Urlaub. Immerhin keine Mücken.

          Es geht weiter bergab, die Landschaft wird eben, wir gehen dem Viersdalen entgegen. Wir werfen Schatten - die Sonne kommt heraus! Der Hårteigen wandert von unserer rechten Seite in unseren Rücken, dann erwartet uns ein Novum: Vor uns fließt der erste Fluss, über den wir uns nicht drübermogeln können. Der Hüttenwart erwähnte zwei dieser Stellen und so kommen unsere Furtsandalen doch noch ihrer eigentlichen Bestimmung zu.


          Zwei harmlose Flussüberquerungen stehen an

          Zur zweiten Furt laufen wir ohne Reifenwechsel durch, es sind nur wenige hundert Meter. Dass es in Norwegen tatsächlich Stechmücken gibt, merken wir, als wir bei Windstille zu den Wanderschuhen zurückwechseln. Elende Viecher! Bislang blieben wir von den Plagegeistern verschont.


          Rentierschädel am Wegesrand

          Der Weg wird eben und flach, und nachdem mich ein leicht angriffslustiger Hund nur fast beißt - hatte wohl Angst, die allgegenwärtigen Hamster an uns abtreten zu müssen - holen wir Ralf ein. Er macht gerade Pause. Viele Wanderer kommen uns heute entgegen, wir schätzen die Zahl auf etwa 25, deutlich mehr, als die Tage zuvor. Da die Sonne immer noch scheint und der Hårteigen in unserem Rücken majestätisch in der Landschaft trohnt, mache ich noch einige Bilder - man weiß ja nie, wie lange man noch eine funktionierende Kamera bei sich hat ...


          Der Weg wird eben und ziemlich grün

          Der Weg macht bald einen Linksknick, ein breites, vom Fluss Veig gegrabenes Tal kommt in Sicht. Bald schon sehen wir die Hütte, dann begrüßt uns der Hüttenkilometer mit Matsch, Schlamm, unterspülten Pfaden und Miniseen, wo einst der Weg gewesen sein muss.


          Hadlaskard kommt im Sicht

          Im Norden sieht's schon wieder nach Regen aus, aber es ist ja nicht mehr weit. Kurz darauf überqueren wir die Hängebrücke zur Hütte.


          Eine Hütte wie aus dem Bilderbuch

          Die Anlage ist von aussen malerisch gelegen und auch innen wirklich urig. Da wir die vier Stunden Laufzeit der Karte eingehalten haben, haben wir die Hütte am frühen Nachmittag noch für uns alleine.


          Der noch leere Aufenthaltsraum in Hadlaskard

          Laut Hüttenbuch sind wir heute die ersten Gäste. Zimmer Nummer 4 eröffnet uns einen schönen Blick auf den Hårteigen und ist schnell bezogen. Bald kommt auch Ralf an und bezieht das Zimmer neben uns.

          Als wir kurz darauf gemeinsam in der Küche sitzen, vertilgen wir Pasta aus dem Reste-Regal. Dann holen wir Wasser in zwei großen Eimern vom Fluss. Da wir in dieser Hütte nun definitiv einen Pausentag einlegen werden, wasche ich auch einen Großteil meiner Kleidung. Die Hüttenwartin - ein freundliche ältere Frau - hat mittlerweile im Aufenthaltsraum angefeuert und uns für morgen zum Frühstück Brötchen in Aussicht gestellt. Das wird immer besser hier! Da fällt auch ein kurzer und heftiger Regenschauer am Nachmittag nicht mehr ins Gewicht.


          Ein Regenbogen scheint durch's Küchenfenster


          Nach dem Regen kommt noch kurz etwas Blau in den Himmel

          Die Landschaft setzt sich in eine düstere Pose, wir sitzen in der lauschig warmen Hütte - so lässt es sich aushalten! Gegen Abend füllt sich die Hütte mit Übernachtungsgästen, dennoch finden alle in der Küche oder im Aufenthaltsraum Platz.


          So., 24.8.14 | Pausentag in Hadlaskard

          Der Tag beginnt mit einer freudigen Überraschung: Frische gebackene Semmeln, zu 10 Kronen das Stück. So beginnt der Tag mit einem ausgiebigen Frühstück, man könnte sich direkt dran gewöhnen. Ralf setzt sich zu uns, er wird heute noch weiterlaufen. Die Hütte lehrt sich und bald breiten wir uns in der Küche aus.


          Urige Küche in Hadlaskard ...


          ... mit gemütlicher Sitzecke

          Ich komme endlich dazu, mal wieder ausgiebig zu lesen. Gegen Mittag bereiten wir die überschüssigen Spaghetti-Portionen zu, die Ralf aus Gewichtsgründen an uns abgetreten hat. Dann wende ich mich meinem Kofferraum zu: Der Leichtrucksack hat sich bisher gut geschlagen, nur dass ich mich mit ihm zweimal kopfüber in die Botanik geworfen habe, fand er nicht so gut. Ich nähe einige kleine Risse, mit ein bisschen Silikon wird die Sache dann wieder wasserfest.

          Gegen Mittag strandet ein junges Pärchen aus der Schwei bei der Hütte. Sie zieht ihr Knie nach und humpelt ziemlich. Zwangsläufig werden die beiden einige Tage hier verbringen, oder aber, wenn das Knie nicht besser werden sollte, auf den Hubschrauber zurückgreifen müssen. Wir kommen ins Gespräch und schon bald ist es Nachmittag. Ich seile mich für weitere Stunden in mein Buch ab. Dass ich in der Vidda mehr gelesen habe, als im gesamten bisherigen Jahr, gibt mir zu denken.


          Auch heute einige Wetterchen um uns herum ...


          ... aber wir haben heute Pause

          Wie schon gestern, füllt sich auch heute am Abend die Hütte. Bei zumindest zwei Gruppen hängt ganz klar der Haussegen schief, in so manchen Gesprächen schwingt Ärger mit. Man sitzt aufeinander, muss seine Privatsphäre deutlich reduzierter, mehr Kompromisse eingehen. Am Abend wird dann durch heißes Öl in einer Pfanne ein Rauchmelder nervös und bringt etwas Leben in die Hütte.

          Da wir an diesem Tag quasi stille Beobachter eines typischen Hüttentages waren, sind uns einige Dinge leider auch negativ aufgefallen: Im Hüttenbuch standen deutlich weniger Personen, als den Tag über anwesend waren. Nein, wir haben nicht mit erhobenem Zeigefinger nachgezählt, aber als wir am Folgetag unser Abreisedatum eintragen, ist das offensichtlich. Für die Zahlscheine bzw. Geldumschläge im Hüttentresor dürfe wahrscheinlich ähnliches gelten. Schade, hoffentlich aber eine Ausnahme.

          Den Pausentag auf Hadlaskard haben wir alle genossen. Die Hütte ist groß genug, um keine Platzangst zu bekommen, und gemütlich genug, um sich wohl zu fühlen. Auch den Brötchenservice kann man nicht oft genug erwähnen. So verschwinden wir ausgeruht in unsere Schlafsäcke - morgen geht es wieder auf die Piste.

          In der Nacht regnet es heftig und ausdauernd.


          Mo., 25.8.13 | Hadlaskard - Vivelid | 14km, 550hm

          Bei gewohnt üppigem Frühstück unterhalten wir uns noch eine ganze Weile mit dem Schweizer Pärchen. An einen Weitermarsch ist für die beiden heute noch nicht zu denken, das geschwollene Knie wird eher schlimmer. Gerne würde ich wissen, wie es den beiden ergangen ist - vielleicht lesen sie hier ja mit. Gegen 11 Uhr marschieren wir dann los, die Sonne scheint, nur wenige Wolken sind am Himmel. Noch einige Meter laufen wir parallel zum Flussufer, dann knickt der Pfad rechts ab und wir queren durch die Hügel Sjonarhaug und Hallaskarhalsen. Bald schon steht die Sonne hoch am Himmel, Kathrin und ich laufen das erste Mal in Norwegen ohne Jacke. Richtiges Kaiserwetter! Immer wieder sehen wir kleine und auch größere Hütten entlang des Weges - kein Wunder, bei dieser Szenerie.


          Wir lassen das Hallaskardalen hinter uns

          In Richtung Hedlo geht es für einige Wegminuten pber eine Art natürliche Autobahn, eine wahrscheinlich durch Wanderer und Erosion freigelegte Felsplatte. Hedlo selbst kommt hinter einem Rechtsknick recht plötzlich in den Blick. Die Anlage liegt in einem idyllischen Tal, umgeben von Birken und üppiger Vegetation.


          Hedlo kommt in Reichweite

          Der Weg hinter der Hütte wird jedoch zunehmend schlammiger und verblockter, Wasser drückt rechts aus dem Berghang heraus. Ein guter Kilometer ist faktisch überschwemmt, wir balancieren über Steine um tiefe Tümpel zu durchqueren und müssen so manchen Matschteich weitläufig umlaufen - es geht nur langsam voran.


          Hinter Hedlo geht's durch hübsche Birkenwäldchen


          Kandidat für die Mittagspause, aber wir gehen noch etwas weiter

          Einen trockenen Pausenplatz finden wir erst, nachdem wir den Kjeshovden links liegen gelassen haben: An der Weggabelung, die links nach Viveli und rechts nach Liseth führt, setzen wir uns hinter einer Brücke auf eine kleine Grasfläche direkt am Ufer des Bachlaufs. Kocher anwerfen - Mittagessen!


          Rastplatz am Fluss ...


          ... Seele baumeln lassen

          Die Landschaft leuchtet heute richtiggehend, Steinschicht über Steinschicht, mit Moos, Gräsern und einzelnen Birken überzogen. Rundgeschliffene Felsblöcke liegen darin verstreut, als wären sie erst gestern die Berghänge hinabgekullert.

          Der letzte Kilometer Richtung Viveli lässt uns das Phänomen „Hüttenkilometer“ erneut erleben: Glitschige, überspülte Pfade, sumpfige Flächen und viel Matsch. Man gewöhnt sich dran. Zeltmöglichkeiten vor Vivelid haben wir entsprechend nur wenige gesehen, die wenigen Freiflächen waren meist überschwemmt oder noch sehr sumpfig. Dann öffnet sich der Blick ins Tal, wir erkennen eine größere Ansammlung Hütten und Häuser.


          Viveli kommt in Sicht


          Dank Brücke kein Problem

          Nach der Überquerung zweier Brücken erreichen wir die Hütte Vivelid und nehmen uns ein Zimmer. Die Anlage ist gepflegt, macht aber auch einen etwas verwohnten Eindruck. Kathrins Rucksack wird um einige Rationen erleichtert, dann nutze ich das schöne Abendlicht und gehe noch ein Weilchen fotografieren.


          Windschiefes altes Hüttchen bei Vivelid


          Die Abendsonne bringt die Landschaft zum Leuchten ...


          ... das Moos leuchtet gelb-grün ...


          ... und die ersten Herbstfarben kommen zum Vorschein


          Pilze überall!

          Eine vierköpfige Wanderergruppe, uns noch aus Hadlaskard bekannt, bezieht das Zimmer neben uns. Durch die Wand hinweg werden wir unfreiwillig zu stummen Zeugen weiterer, scheinbar unendlicher Diskussionen um aufgebauschte Nichtigkeiten. Im Urlaub sollen ja schon Freundschaften zerbrochen sein. So hört sich das dann an, schätze ich. Um zu flüchten, nutzen wir die kostenlosen Duschen ausgiebig.


          Ein tatsächlich stilles Örtchen in Vivelid

          Den Rest des Abends verbringen wir dann im gemütlichen Gemeinschaftszimmer, der kräftig bollernde Ofen trocknet unsere Kleidung in Rekordtempo. Gottseidank ohne weitere Diskussionen.

          In der Nacht regnet es erneut ausdauernd.


          Di., 26.8.14 | Viveli - Camp Systenvatnet, nördlich von Liseth | ca. 24km, 1350hm

          Der kellerartige Abgang, der im Vivelid-Haupthaus zum Frühstücksraum führt, tut selbigem Unrecht. Der Raum ist durch eine große Glasfront mit schönem Blick recht hell und freundlich. Kurz kommen wir mit einem norwegischen Ehepaar ins Gespräch, dass hier schon so lange Urlaub macht, dass sie dieses Mal ihre goldene Hochzeit feiern.

          Kurz vor 10 Uhr sind wir startklar und wandern unter einem wolkenlosen Himmel in den Tag - der zweite Tag ohne Regen. Der Hüttenwart teilt uns mit, das die nördliche Route Richtung Eidfjordvatnet direkt hinter Viveli und wohl auch die Abzweigung durch das Berastøldalen in weiten Teilen ziemlich unter Wasser stünde. Er zeigt mit seiner Hand kurz über seine Hüfte. Danke für den Hinweis!


          Auch heute tadelloses Wetter!

          Für uns geht es daher einen gute halbe Stunde auf der gestrigen Route zurück, bis wir an die Abzweigung direkt am Fluss kommen, an der wir gestern unsere letzte Pause eingelegt haben. Der Weg dorthin ist noch matschiger als gestern und Kathrin setzt sich exakt an der Stelle auf den Hosenboden, an der sie das schon gestern tat.

          Der Platz ist belegt, zwei Deutsche legen gerade ihre Besitztümer trocken. Sie seien gestern Abend in heftigen Regen geraten. Wir biegen Richtung Liseth ein und bringen die ersten Höhenmeter hinter uns und sehen noch ein letztes Mal (dachten wir zumindest) den Hårteigen im Südwesten.


          Links der Hårteigen, rechts ganz klein der Hardangerjøkulen

          Der Nordhang des Flotsdalsfjellet ist wie ein Schwamm vollgesogen mit Wasser, entsprechend abgesoffen sind die Wege. Die Kartengehzeiten intepretieren wir sowieso als reine Gehzeit in straffem Tempo bei optimalen Bedingungen - von denen aber sind wir die letzten Tage weit entfernt. So mancher Kilometer kostet uns auch heute fast eine Stunde. Im Tal Berastøl machen wir Mittagspause. Als Premiere haben wir dieses Mal den Fresspaket-Service der Hütte ausprobiert und vertilgen diese. Ausgezeichnete Idee! Wieder einmal lege ich routiniert meine völlig abgesoffenen Schuhe trocken und entdecke dabei an beiden den Außenflanken unten bei der Sohle Risse im Material. Waren die daheim auch schon da? Ich glaube nicht. Gaffa-Tape haben wir natürlich keins dabei.

          Nach der Pause geht es nordöstlich den Hallingehaugane hinauf. Es wird noch feuchter, eigentlich laufen wir in kleinen Bächen, die ab und zu Tümpel bilden.


          Der Bach ist der Weg ist das Ziel

          Auch oben angekommen bleibt der Weg morastig, aus dem Hang zum Gipfel links drückt Wasser. Irgendwann kommt dann doch Liseth unten im Tal in Sicht. Der Abstieg gestaltet sich wie der Weg vorher, die hübsch anzusehenden Birkenwäldchen wissen wir daher kaum zu würdigen.


          Unten im Tal Liseth, oben der Gletscher - da müssen wir hin

          Eine Brücke führt uns über einen reißenden Bach, dann laufen wir durch eine Märchenbuchkulisse wenige hundert Meter durch eine Wald.


          Auch hier kündigt sich der Herbst an

          Kurz darauf stehen wir hinter einer Leitplanke an der Hauptstraße 7. Jedes Wohnmobil, das vorbeikommt, hat ein deutsches Nummernschild. War in der Zeit überhaupt noch jemand daheim? Eine zweite, größere Pause wollen wir erst nach der Pension Liseth machen. Ein kurzes Stück folgen wir der Hauptstraße Richtung Norden, dann geht es rechts in eine Seitenstraße. Überall wird heftig gebaut, wir laufen an vielen Rohbauten vorbei.

          An der Pension Liseth laufen wir links Richtung Kjeldebu, wir wollen die Ostroute nach Rembesdalsseter nehmen, von der Westroute haben wir schon zuviele entnervte Berichte über das ewige Auf und Ab gelesen und gehört. Ein schmaler Pfad führt bergauf Richtung Norden, auch dieser wird im Schatten des Grytehorga zunehmend sumpfiger. Immer wieder liegen links und rechts des Weges wunderschön gelegene und gepflegte Ferisenhäuser. Pause machen wir dann direkt am Ufer des Isdøolo auf einer Felsplatte, kurz bevor es steil bergauf geht.


          Pause vor dem letzten Aufstieg

          Die Wasservorräte werden aufgefüllt, ausserdem buchen wir - noch haben wir guten Empfang - direkt Minipris-Tickets für die geplante Abreise in Finse. Schon seltsam, man sitzt mitten in der Pampa und surft im Internet. Immerhin gebe ich dem Drang nicht nach, meine Mails abzurufen ...

          Der steile Anstieg hinter unserem Pausenplatz ist dann trocken. Die Baumgrenze lassen wir bald hinter uns, dann taucht die untergehende Sonne die Landschaft in wunderschönes gelbes Licht.


          Norwegen zeigt uns, wo's langgehen kann ...


          ... die Sonne führt ein ziemliches Spektakel auf

          Es ist spät am Nachmittag. Wir genießen das Hineinlaufen in diese Traumlandschaft. Für mich einer der eindrücklichsten Momente auf dieser Tour. An einem der kleinen Seen campt ein Vater mit seiner Tochter.


          Ewig hätte ich hier sitzen können

          Im Sonnenuntergang laufen wir den Nordhang des Grønenuten hoch, dann wird es langsam dunkler und wir suchen nach einem guten Zeltplatz. Wir fündig, nah am Weg gelegen aber doch etwas abgeschieden, eine Wasserquelle ist nicht weit weg. Da der Wasserlauf jedoch nicht sehr groß ist und wir heute verflixt viele tote Hamster gesehen haben, kommt zur Sicherheit das erste Mal Micropur zum Einsatz. Durch die Lage am Osthang steigt meine Hoffnung auf einen hübschen Sonnenaufgang. Durch den Blick auf den See Systenvatnet im Süden erhält das Camp auch seinen Namen.


          Das Abendrot verglimmt am Hardangerjøkulen ...


          ... und beleuchtet auch die Hügel über Systenvatnet noch kurz

          Entspannt und mit der Landschaft ganz für uns alleine nehmen wir unser Nachtessen ein. Dann geht es ab in den Schlafsack. Die Etappe heute war lang und die Bedingungen in der ersten Hälfte ziemliche kräftezehrend. Insgeheim hoffe ich, dass wir nun hoch genug sind, um von vollgesogenen Hängen größtenteils verschont zu bleiben.


          Mi. 27.8.14 | Camp Sysenvatnet - Rembesdalsseter | ca. 20km, 700hm

          Die Sonne weckt uns gegen 7 Uhr. Frühstück genießen wir bei blauem Himmel, wir schauen den ersten Quellwolken zu, wie sie langsam wachsen.


          Frühstück!

          Es ist kurz nach 9, als wir unsere vorletzte Etappe in Angriff nehmen. Bis zur Weggabelung, die rechts Richtung Kjeldebu und links nach Rembesdalsseter abgeht, ist es nicht mehr weit. Weit genug für mich, meine Schuhe erneut unter Wasser zu setzen. Bald schon führt uns der Weg bergaug, die Landschaft wird schroffer, felsiger, die Farben wechseln von grün nach grau. Gleichzeitig nehmen die Bachläufen im Weg und sumpfigen Bewuchsteppiche ab, was ich als recht angenehm empfinde. Zur Mittagspause haben wir die markante Felsformation am Store Tresnuten hinter uns gelassen. Ich trockne meine Socken erfolgreich am heißen Windschutz des Kochers ohne diese abzufackeln.

          Ausgeruht geht es weiter über Stock und Stein, dann erkennen wir in weiter Ferne die Hütte Demmesvasshytta, unwirklich an einem steilen Abhang gelegen. Sie liegt jedoch auch viel weiter vom Gletscher entfernt, als dieser auf unserer Karte verzeichnet ist.


          Die Routen treffen wieder aufeinander

          In großartiger Kulisse legen wir wir unsere letzte Verschnaufpause vor dem Abstieg ein, im Tal sehen wir bereits die Hütte, davor der See Rembesdalsvatnet, rechts von unser ein Ausläufer des Harangerjøkulen.


          Pausenblick ins Tal

          Dieser Ausläufer spuckt sehr viel Wasser aus, wir erkennen aus der Ferne auch einigen Eisbruch. Naja, laut Karte erwarten uns noch zwei Brücken, alles halb so wild. Rotorschläge hallen durch das Tal, wir halten den Helikopter, der erst den Gletscherbruch und dann den Gletscher selbst abfliegt, für eine Touristentour.
          Wir gehen den Abstieg an, ein steiler Pfad führt uns über Stock und Stein dem Tal entgegen.


          Der Weg ins Tal ist gespickt mit Geröll

          Einige kleine Kraxeleien bleiben nicht aus, aber alles harmlos. Unten angekommen kommen wir doch langsam ins Grübeln: Eine Brücke ist weg, die zweite steht an einer völlig nutzlosen Stelle. Der Fluß hat seinen Lauf offensichtlich geändert und führt auch deutlich mehr Wasser mit sich, als sonst.


          Rechts ein Gletscharm, links Rembesdalsvatnet

          Ein Schild steht unmotivert in der Gegend herum und teilt uns ganz lapidar mit, dass diese Route geschlossen sei. Brucheis könne vom Gletscher herunterrutschen, außerdem sei mit Hochwasser zu rechnen. Aus Frust gehe ich erst einmal Amtsgeschäfte erledigen. Steine gibt es hier ja genügend.

          Prima, da stehen wir nun. Noch bevor wir Palaver halten können, landet der Helikopter von vorhin auf einer Stufe über uns. Ein Mann steigt aus und schnappt sich das Schild. Bedeutet das, dass die Route wieder offen ist? Der Mann kommt auf mich zu uns schreit mir unter Rotorenlärm zu, dass oben beim Gletscher wohl ein See „verschwunden“ sei, dessen Wasser nun hier durchkäme. Wir sollen vorsichtig sein. Läuft - gehen wir‘s an.


          Helikopter mit dem Schildabholer

          Der erste Arm des Flusses geht leicht von der Hand. An der breitesten Stelle queren wir, gut kniehoch ist noch in Ordnung. Das Wasser ist erwartungsgemäß eiskalt. Wir stehen auf einer Insel zwischen zwei Armen, die sinnlos gewordene Brücke führt über einen kleinen Nebenarm, der mit wenigen Schritten durchwatet ist. Der letzte Arm macht uns mehr Sorgen: Eine richtig breite Stelle gibt es nicht, stehende Wellen zeigen die Fließgeschwindigkeit an.

          Kurz darauf stehe ich bis knapp über der Hüfte im Wasser, Kathrin ist direkt hinter mir, Chris vor uns ist fast schon drüben. Die Strömung ist stark und der Grund des Flusses ist schwer bis garnicht abzuschätzen. Jeder Schritt will wohl überlegt sein. Im Prinzip balancieren wir auch hier über Steine, nur mit dem Unterschied, sie nicht zu sehen.

          Warum zur Hölle habe ich zwei voll geladene Li-Ion-Akkus in der Jackentasche? Selbige hängt nämlich gerade unter Wasser. Vergessen, na prima! Ich fummle die Jackentasche nach oben unter einen Riemen des Rucksacks und habe kurz das absurde Bild vor Augen, mir mitten in einem Gletscherfluss Verbrennungen zu holen. Durch den einen fehlenden Stock als Stütze drückt mich das Wasser für Sekundenbruchteile aus dem Gleichgewicht nach hinten, ich stehe kurz quer zur Fließrichtung, Wasser schwappt mir auf die Brust. Habe erfolgreich eine Untiefe gefunden. Mein Kreislauf teilt mir höflich mit, dass er hier gerne bald wieder draußen wäre. Adrenalin, dann ein Schritt zurück, ich packe Kathrin am Arm, der nächste Schritt findet einen großen Stein, der macht das Wasser deutlich weniger tief. Chris kommt uns entgegen uns so sitzen wir bald drüben am Ufer und wärmen unsere eiskalten Extremitäten. Schnell wird uns wieder warm. Alles nochmal gut gegangen.

          Der Weg führt uns nun wieder nach oben Richtung Hütte, wir raten drei entgegenkommenden Wanderern dringend von der Überquerung ab. Sie haben keine Stöcke dabei - auf keinen Fall!


          Bald ist die Etappe geschafft

          Nach einer halben Stunde Aufstieg und etwas Kraxelei erreichen wir die Hütte Rembdesdalsseter. Auch diese ist offen.
          Drei Schweden sind neben uns die einzigen Gäste, ein Zimmer haben wir daher für uns alleine. Chris und ich machen sofort zwei Dosen Suppe warm, Kathrin testet den berühmt-berüchtigten Pizzabelag, der so gut sein soll. Wir sind total ausgehungert, kaltes Wasser scheint hungrig zu machen.

          Die letzten Sonnentrahlen nutze ich dann, um zu fotografieren. Die Fotos, die während der Etappen entstehen häufig „aus der Hüfte“ und ich bin froh, manchmal bewusst und „absichtlich“ fotografieren zu können. Man weiß ja nie, wozu man die tausend Blümchenfotos doch mal brauchen kann!


          Abendsonne auf dem Bewuchs ....


          ... und letztes Licht bei Rembesdalsseter

          Die Schweden scheinen ähnliche Gedanken zu haben uns so liegen wir zu viert im Gemüse und fotografieren. Nachdem die Abendsonne so tief abgestiegen ist, dass unser Tal im Schatten liegt, wende ich mich meinen Aufzeichnungen zu. Kathrin geht früh schlafen, wir sind alle einigermaßen platt. Meine Knie und vor allem mein linkes Sprunggelenk dürften froh darüber sein, dass morgen unsere letzte Etappe ansteht. Ich selbst bin vor allem wehmütig. So scharf bin ich nicht darauf, bald wieder in den Alltag zurückzukehren.


          Do. 28.8.14 | Rembesdalsseter - Finse | ca. 22km, 1200hm

          Um 7 Uhr ist unsere kleine Gruppe erneut wach. Das Frühstück wird fürstlich, da wir unsere restlichen Vorräte nun nicht mehr benötigen und aufbrauchen. Auch das seit zwei Jahren abgelaufene Wasa aus dem Hüttenbestand schmeckt einwandfrei. Die Schweden laufen kurz vor uns los, um 8:30 Uhr starten wir dann selbst auf unsere letzte Etappe.


          Rembesdalsseter lassen wir bei Sonnenschein hinter uns

          Der steile Aufstieg direkt hinter der Hütte weckt unsere Lebensgeister, geht aber gut von der Hand. Erst geht es über grasbewachsene mit Steinen und Felsbrocken verblockte Hänge, dann laufen wir ein steiles Steinplateau hinauf.


          Es geht steil bergauf - die Wasserläufe sind tükisch glatt

          Bald schon treffen wir die Schweden, die gerade Kleidung ablegen - strahlender Sonnenschein auch heute. Oben angekommen sehen wir einige hübsch an kleinen Seen und Tümpeln gelegene Campingmöglichkeiten, die auch bereits von Wanderern belegt sind.

          Der Gletscher liegt rechts von uns. Auch heute fällt uns erneut auf, dass die auf der Karte eingezeichneten Eiszungen in der Realität deutlich kleiner geworden sind. Knapp die Hälfte der Etappe liegt hinter uns, wir genießen die landschaftliche Abwechslung, die der Weg heute mit sich bringt.


          Anders sieht es aus, hier oben

          Gegen Mittag machen wir Pause am länglichen See Ramnabergvatnet. Als wir so im Gras sitzen und auf heißes Wasser warten, kommt die Wehmut offen zur Sprache. Einerseits sind drei Wochen irgendwo auch „genug“, andererseits wartet am Montag ein Schreibtisch auf mich - so spannend ist der auch wieder nicht. Dementsprechend genießen wir unsere letzten Norwegenkilometer und gehen weitgehend in Gedanken versunken. Die Umgebung wandelt sich, die großen hellen Feldblöcke weichen dumklem und rostrotem, brüchigen Gestein, das an einigen Stellen des Pfades fast so fein wie Sand ist.


          Rostrotes Gestein

          Der Abstieg zum Finsevatnet hinunter führt uns dann wieder über die altbekannten Stein- und Geröllhänge, dann passieren wir ein letztes, relativ steiles Altschneefeld.


          Unser letztes Norwegen-Altschneefeld für 2014


          Bald schon kommt Finse in Sicht


          Im Tal angekommen, laufen wir über unsere letzte Hängebrücke und an vielen Hütten vorbei. Bald schon führt uns ein Schild auf den Rallarvegen. Als wir diesen geschotterten Radweg betreten, endet unsere Tour für mich.


          Der Weg nach Finse zieht sich ziemlich. Unsere Beine sind den gleichmäßigen Belag nicht gewohnt. Kleinere Gruppen Radfahrer kommen uns entgegen, wir passieren einen Verleih der unzählige von Rädern auf dem Hof stehen hat. Zur Hochsaison dürfte hier die Hölle los sein. In Finse sehen wir einen Helikopter mehrmals Personen vom Gletscher kommend absetzen, dann betreten wir leicht humpelnd die, äh, „Hütte“.


          Finsehytta, unsere letzte Station

          Es ist fast so voll wie am Hauptbahnhof in Oslo. Zimmer sind erwartungsgemäß keine mehr frei, aber drei Betten im Gemeinschaftszimmer sichern wir uns. Es ist mehr ein Durchgangszimmer und die sehr hellen Notausgangsschilder beleuchten den Raum auch nachts grün. Auch die beiden Stahltüren sind nicht gerade leise. Die Dame an der Theke frägt skeptisch nach dem Zustand der Querung in Rembesdalsseter und wir erstatten Bericht.

          Nach einer ausgiebigen Dusche - meine drei Minuten warmes Wasser sind deutlich länger als Chris‘ - wenden wir uns dem Abendessen zu. Durch die vielen Gäste erinnert uns das eher an eine wohlorganisierte Massenfütterung, aber das Essen ist gewohnt sehr gut. Wir treffen Ralf wieder und sitzen Abends erst draußen noch eine Weile zusammen, bevor wir vor der Kälte in den gemütlichen Aufenthaltsraum flüchten. Ich schlafe wie ein Stein.


          Epilog

          Am Tag darauf verlassen wir die Finsehytta nach dem Frühstück. Am Bahnhof holen wir unsere Tickets am Schalter ab und verabschieden uns von Ralf. Die Zugfahrt verbringe ich weitgehend mit Lesen, ich will mich gedanklich einfach abseilen. In Oslo angekommen beziehen wir die im Vorfeld gebuchten Hotelzimmer und gehen dann stilecht chinesisch Essen. Auf dem Rückweg zum Hotel setzen wir uns noch auf einen Absacker in einen Biergarten. Das war's jetzt irgendwie einfach.

          Am Folgetag investieren wir unsere restlichen Bargeldbestände noch in Süßkram am Duty Free-Shop, dann fliegen wir zurück nach Frankfurt. Ich lese im Flugzeugt - daheim werde ich Nachschub benötigen. Mein Rucksack bekommt noch ein letztes Mal sein fett ab, Loch durch Zeltstange, aber das ist jetzt auch egal. Über die Autobahn geht‘s nach Hause, die Katzen warten schon.

          Fünf Kilo leichter, um viele schöne Erinnerungen reicher.
          Zuletzt geändert von Styg; 15.11.2014, 12:16.

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          • berlinbyebye
            Fuchs
            • 30.05.2009
            • 1197
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            #6
            AW: [NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

            Äußerst schöner Bericht, nette, lesenswerte Geschichtchen, die sich mit tollen Fotos abwechseln.

            Finde es immer schön, wenn auch Bilder vom Innenleben der Unterkünfte gezeigt werden.
            (Beruhigend, wenn man sieht wie andere auch ähnlich chaotisch in ihren Stoffhäusern hausen wie man selbst. )

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            • Styg
              Gerne im Forum
              • 01.05.2014
              • 86
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              #7
              AW: [NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

              Fazit

              Beginnen wir mit Neuerungen bei unserer Ausrüstung - warum haben wir nicht häufiger gezeltet? Einerseits, weil wir die Hütten schnell zu schätzen gelernt haben (und verfressen sind), andererseits, weil Chris mit seinen >190cm Körpergröße in seinem Gram-Counter Gear LiteHouse Solo doch ziemlich wenig Rangiermöglichkeiten hatte, anders gesagt: Presspassung. Daher fiel unsere Wahl dann noch etwas häufiger auf die Hütten, als wir das anfangs geplant hatten. Kathrin und ich waren mit dem Six Moon Designs Lunar Duo Explorer ziemlich zufrieden. Das Zelt bietet innen massig Platz, die beiden Apsiden sind zudem ziemlich praktisch. Mit Trekkingstöcken ist das Stoffhaus auch schnell aufgebaut. Der recht glatte Boden könnte etwas mehr Grip vertragen, wir haben daher relativ lange nach wirklich geraden Flächen zum Aufbau gesucht. Sollte sich mit etwas Silikon beheben lassen. Natürlich nix für den Winter, nach Island würde ich es wahrscheinlich auch nicht mitnehmen. Chris und ich hatten ziemliche leichte, faltbare Trekkingstöcke von Black Diamond dabei - die haben sich für ihn und mich gut bewährt und dürfen jederzeit wieder mit. Mein Leichtrucksack von Pajak war deutlich leichter als mein Deuter, aber auch deutlich weniger stabil. Im Umgang damit muss man vorsichtiger sein, weil das Aussengewebe definitiv anfälliger für kleine Risse oder Löcher ist, als ein konventioneller Rucksack. Für mich ging das jedoch völlig in Ordnung, auch den Entfall der Regenhülle fand ich praktisch. Die angegebenen 12kg Traglast habe ich anfangs etwas überschritten, trotzdem hatte ich mit dem Gewicht niemals Probleme. In der Hinsicht bin ich aber auch relativ unempfindlich. Seltsam, plagen mich im Alltag doch gerne mal Rückenschmerzen. Bei den Schlafsäcken haben wir alle bei Cumulus ins Regal gegriffen. Alles in bester Ordnung, nur die Komfortgrenze von 2°C war - subjektiv - etwas optimistisch. Das waren unsere „Neuigkeiten“, der Rest hat sich gewohnt gut geschlagen, und so arg aufs Material gingen die Touren sowieso nicht.

              Zur Routenwahl: Natürlich gewinnt man weder mit Rondane noch Hardangervidda einen Originalitäspreis, aber das war uns herzlich egal: Wir waren alle drei das erste Mal in Norwegen, daher war für uns sowieso jede Route die richtige. Die vielen Tourberichte, die sich zu beiden Gebieten finden, machten uns auch die Vorbereitung einfacher. Trotzdem kommt's dann ja sowieso immer anders, als man denkt und letztendlich ist sowieso der Weg das Ziel.

              Die Hardangervidda hat uns im Nachgang einen Tick besser gefallen als die Rondane. Nun kann die Rondane nichts für das etwas triefige Wetter, aber auch davon abgesehen hatte mir persönlich etwas die Weite gefehlt. Zwischen Gipfeln zu laufen, brachte manchmal auch eine gewisse Enge mit sich. Ich hatte auch aufgrund der Wegbeschaffenheit oft das Gefühl, den ganzen Tag nur auf den Boden geschaut zu haben, um Steinen auszuweichen. Kann aber auch die typische „Kopfsache“ zum Tourenbeginn gewesen sein - wahrscheinlich sähe das im goldenen Herbst wieder ganz anders aus und auch, wenn man bei Rondvassbu und Weitsicht einige Gipfeltouren unternehmen kann. Die „Hütten“ sind hier meist größere Anlagen mit guter Essensversorgung - letzteres haben wir schnell zu schätzen gelernt. In diesem Gebiet waren auch deutlich mehr Norweger, als in der Vidda - hier war ein halber Landkreis aus Deutschland anwesend. Selber schuld waren wir an unserer eigenen Kondition: Das zwar immer noch recht niedrige Anfangsgewicht unserer Rucksäcke hat uns anfangs schon ziemlich geschlaucht, das haben wir aber auch irgendwie so erwartet. Hier ist man mit leichten Daypacks doch deutlich näher an den strammen Netto-Gehzeiten der Karten, als wir das waren. Die Dørålsglupen möchte ich bei Regen trotzdem nicht überqueren müssen ...

              Die Hardangervidda wiederum ist dann doch unebener, als man nach einem flüchtigen Blick auf die Karte meinen möchte. Auffällig war, dass in der Vidda deutlich weniger rote Ts standen, als noch in der Rondane. Spontan hätte ich das anders herum erwartet. Mit dem Wetter hatten wir auf unserer Tour gerade hintenraus ziemliches Glück. Im Nachhinein ist uns aufgefallen, dass wir zeitlich und örtlich ziemlich um dem Regen herumgelaufen sind. Wasser war zwar trotzdem allgegenwärtig, aber bei richtig heftigem Dauerregen mussten wir nie abwettern oder laufen. Die Wege waren trotz der allgegenwärtigen Sumpfigkeit einfacher zu gehen als die der völlig aufgeweichten Rondane. Landschaftlich habe ich die Abwechslung nach Liseth und Richtung Hardangerjøkulen als sehr angenehm empfunden. Auch die teilbewirtschafteten Hütten waren prima, unser Pausentag auf Hadlaskard war extrem angenehm. Die Süd-Nord-Richtung hat für uns daher gepasst. Eine Tour im Winter kann ich mir ebenfalls sehr gut vorstellen. Etwas befremdlich war für uns die E7, die wir gekreuzt haben. Eben noch in der Pampa, auf einmal auf einer Landstraße mit Wohnmobilen und Tanklastzügen. Andererseits macht die Straße auch deutlich, dass man in der Vidda nie wirklich weit weg von der Zivilisation mit ihrer Infrastruktur ist, was nicht negativ sein muss.

              Und jetzt so, Norwegen? Jederzeit gerne wieder! Auch Jotunheimen ist nicht vergessen. Nur nicht nächstes Jahr. Wohin‘s dann gehen soll, wissen wir derzeit noch nicht. Mir selbst schwebt eine etwas einsamere Tour vor, aber das wird sich mit der Zeit ergeben - Grönland? Oder doch Schweden? Wieder Island? So viele Möglichkeiten!

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              • Daddyoffive
                Fuchs
                • 24.08.2011
                • 2437
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                #8
                AW: [NO] Rondane und Hardangervidda August '14 - Hauptsache, keine Mücken!

                Schöner Bericht und tolle Fotos! Danke. Macht mich ganz froh, dass wir nur zwei Tage zuvor keinerlei Probleme mit den Flüssen hatten. Und wir haben trotz des der bescheidenen Wetters immer gezeltet !
                Das Leben ist kein Problem, das gelöst werden müsste, sondern ein Abenteuer, das gelebt werden will.
                John Eldredge
                ><>

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