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Schräge Typen und Regenbögen – Kvikkjokk bis Abisko
Im Rückblick waren es zwei Dinge, die uns immer wieder ins Staunen und Schmunzeln gebracht haben: Erstens eine Unzahl von Regenbögen, einer schöner als der andere, gepaart mit dem Spiel von Wolken, Wind, Sonne und Schatten.


Und zweitens die unglaubliche Anzahl an sympathischen, entspannten, spannenden, verrückten, leichtsinnigen und witzigen Typen, die wir getroffen haben. Auch, wenn die meisten der Leute, die wir getroffenen haben, gut ausgerüstet und vorbereitet waren, so bleibt die Minderheit der unerfahrenen bis waghalsig-verrückten Trekker am Nachhaltigsten in Erinnerung. Hier meine Top 10:
10. Der Regencape-Mann
Die Ausrüstung eines uns entgegen kommenden Wanderers im Fjäll bei schlechtem Wetter mit Regen, Matsch und nassen Steinen ist: Turnschuhe und Jeans! Als Regencape trägt er einen transparenten Plastiksack mit hinein geschnittenen Armlöchern, so wie dies z.B. viele Leute auf Rockkonzerten oder zum Warmhalten vor dem Marathonstart anhaben.
9. Die Schlotternde Schwedin
Auf dem Abstieg vom Tjäkktjapass kommt uns eine Schwedin entgegen, die offensichtlich keine Handschuhe hat. Bei nasskaltem Wetter, Gegenwind und Temperaturen von etwa 5 Grad sind ihre Hände vermutlich eisig kalt. Es ist generell eine natürliche Reaktion, diese in die Taschen des Softshells zu stecken. Bloß: Wenn es im sehr, sehr steil abfallenden Gelände über nasse und daher sehr rutschige Steine geht, würde ich lieber an die Hände frieren (oder gleich Handschuhe mitnehmen), als einen schlimmen Sturz zu riskieren.
8. Der geizige Holländer
Die Geschichte hat mir ein Hüttenwirt erzählt. Wir haben die beiden allerdings auch gesehen: Mutter und Sohn, dieser ca. 16 Jahre, stampfen durch das Fjäll. Die beiden sind Niederländer. Der Sohn hat vermutlich erwartet, dass man im August mal locker durch die Berge spazieren kann. Er trägt Jeans, die vom Nieselregen feucht sind. Er hat auch keine Handschuhe. Es nieselt, der Wind bläst und es ist mit 3 Grad sehr kalt. Vor der Hütte sitzt er im Windschutz, zusammen gekauert, versucht irgendwie die Hände zu wärmen. Der Wirt meint, er könne ihm ein Paar leichte Handschuhe verkaufen. Die sind ihm aber zu teuer. Der Wirt bietet den beiden an, sich für die Tagesgebühr von je 40 Kronen in der Hütte aufzuwärmen und sich einen Tee zu machen. Auch das ist den beiden zu viel Geld. Nach einer kurzen Pause ziehen sie nass und zitternd weiter.
7. Die Fjäll-Diva
Bei starkem Wind und leichtem Regen kommt uns eine Wandergruppe entgegen. Wir müssen zweimal hinsehen. Was trägt denn die Frau in der Mitte? Einen Regenschirm?!!! Einen Regenschirm, der ständig vom Wind nach vorne und hinten geweht wird und den sie immer wieder neu ausrichten muss. Als wir die Gruppe passieren, sehen wir, dass die Frau –etwa um die 50- zudem noch ein komplettes Make-Up aufgetragen hat. Wie in der alten 3-Wetter-Taft-Werbung: Kiruna, 6 Grad und Wind – die Frisur hält!
6. Die Feuermacherin
In einer Wanderhütte ist es kühl; das Feuer im Ofen ist aus. Eine schwedische Frau mittleren Alters wirft zwei riesige vor dem Ofen liegende Holzscheite hinein. Dann nimmt sie den Gasanzünder neben dem Herd mit einem kleinen Piezozünder (!!!) und klickt mit dem Anzünder wieder und wieder im Ofen an die Holzscheite. Als es wundersamer weise nicht klappt, klickt sie an dem zweiten Holzscheit herum. Selbstverständig genauso sinn- und ergebnislos. Schließlich erbarmt sich ein Schwede, nimmt ihr den Zünder aus der Hand, wirft einige dünne trockene Holzspäne in den Ofen und zündet diese mit dem Feuerzeug an.
5. die Unverbesserlichen Wetteroptimisten und
4. die Quälige Quasselstrippe und
3. der Härteste der Harten
Alle drei getroffen an der Aktse-Hütte. Mehr unter dem Bericht vom 15. August.
2. Die beiden unerschrockenen Im-Sturm-Zelter
Getroffen am der Tjäktja-Hütte.
1. Die Drei Hessischen Musketiere
Rainer, Jürgen und Björn - diese drei aus einer zu Recht legendären Truppe sind mein absolutes Highlight. Aber davon mehr unter dem Bericht vom 20. bis 22. August!
13. August 2013
Um kurz vor 6 Uhr morgens steigen wir kurz vor Höhe des Polarkreises aus dem Nachtzug in Boden aus. Geschätzte 150 Trekker schieben sich mit dick aufgetürmten Rucksäcken über den Bahnhof des nordschwedischen Städtchens. Eigentlich sollte der Zug ja noch weiter nach Norden gehen, nach Abisko für viele oder für einige wie uns nach Murjek. Aber nachdem gestern auf der Strecke in Schwedisch-Lappland zwei Güterzüge kollidiert sind, ist die schwedische Bahn noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Alle Reisenden werden in Busse umgeladen und nach Zielort sortiert weiter transportiert. Es ist ein sonniger freundlicher Morgen mit für Lappland angenehmen Temperaturen. Die schwedischen Bahnmitarbeiter bemühen sich, den Ansturm der Trekker in die Busse zu dirigieren. Obwohl sie die Ansagen auf Englisch wiederholen, bekommen wir nicht alles genau mit. Von einem älteren Herren mit großen Trekkingrucksack und etwas aus der Mode gekommenen Outdoorsachen bekomme ich mit, wie er sich in zwei Sätzen mit dem Bahnmitarbeiter in Schwedisch austauscht und dabei das Wort „Kvikkjokk“ fällt. Also halte ich mich an ihn. Als Claudia fragt, warum, bemerke ich, er sei wohl Schwede und wolle auch nach Kvikkjokk. Der alte Herr bekommt dies mit und antwortet uns lächelnd, dass er aus Köln komme. Der Bus nach Jokkmokk mit Verlängerung nach Kvikkjokk komme in etwa 10 Minuten. Und schon sind wir mit dem ersten erfahrenen Trekker im Gespräch. Er geht den Padjadalleden. Den Kungsleden hat er schon vor über 10 Jahren gemacht. Seine Frau sei zu Hause, sie komme wie immer nicht mit. Aber er lasse sich das Wandern nicht nehmen. Respekt mit einem Alter von optisch über 60 Jahren.
Wenig später geht es dann im Bus über Land. Die Häuser von Boden sind schnell hinter uns gelassen. Von da an geht es in schönstem Wetter durch die praktisch menschenleere Landschaft Nordschwedens. Zwischendurch nehmen wir noch etwas Schlaf. Der Bus in Jokkmokk wartet dann auf uns. Nach einer weitere Stunde stehe wir schließlich am Ende der Straße in Kvikkjokk, umgeben von einem Dutzend Häuser, unsere Rucksäcke auf dem Rücken. Wie immer das herrliche Gefühl: Es geht wieder los!
Ursprünglich wollten wir den Kungsleden ganz klassisch von Nord nach Süd laufen. Wegen der gerade in Abisko statt findenden Fjällräven Classics haben wir uns aber dazu entschieden, das Ganze in der relativen Menschenleere von Kvikkjokk zu starten, statt sich mit Hunderten von lärmenden Wanderern durch die „Wildnis“ zu wälzen. Jetzt starten wir kurz vor 12 Uhr mit nur einer Handvoll anderen Wanderer. Das Wetter ist gut, sommerlich. Wir wandern mit T-Shirts durch den Wald, der immer dichter wird und uns langsam ins Fjäll hinein führt. Langsam steigt der Pfad leicht an, wird etwas steiniger. Claudia bekommt heute ihr Erfolgserlebnis: Mein Rucksack mitsamt Zelt und dem Proviant drückt auf meinem Rücken. Ihrer ist um Einiges leichter und so habe ich große Mühe, an den Steigungen mitzuhalten. Fairerweise muss man festhalten, dass sie gleich anbietet, noch einige Kilogramm von mir in ihren Rucksack zu nehmen. Aber ich lehne dankend ab: Wenn sie als eine der wenigen Trekkingfrauen mitkommt, dann soll sie auch einen Rucksack von nicht mehr als 15 Kilogramm tragen.
Der Tag verläuft unspektakulär. Wir laufen uns ein, genießen das Fjäll. Gegen 18 Uhr kommen wir an die Hütte. Der Hüttenwirt begrüßt uns. Außer uns sind nicht übermäßig viele Leute da. In der Hütte treffen wir einen Mann etwa Mitte 40, der uns sodann auf Deutsch anspricht. Er ist nach seinem Medizinstudium in Freiburg mit seiner Frau nach Schweden ausgewandert. Der Grund: Als Medizinerin hätte sich seine Frau im deutschen Klinikalltag entscheiden müssen – entweder Kinder oder Karriere. Sein zutreffender Satz ist, dass „die deutschen Chefärzte mit ihrer Personalpolitik zwei gut ausgebildete Generationen von Medizinern nach Skandinavien getrieben haben“. Nach dem, was ich so von ein paar Freunden weiß, die auch Mediziner sind, hat er da ziemlich Recht. Jetzt wohnen die beiden seit vielen Jahren in Umea. Er ist Oberarzt für Hämatologie in der lokalen Klinik. Die beiden haben mittlerweile vier Kinder und sind voll berufstätig. Seine Frau ist mit den Kindern gerade auf Besuch bei den Großeltern in Deutschland. Er wollte die Zeit nutzen, um eine Runde um den Sarek über Kungsleden und Padjadalleden zu drehen. Er ist Trekkingprofi. Aber auch die sind nicht frei von Fehlern. Er hat seine neuen Trekkingschuhe beim Trekken einlaufen wollen, um dann festzustellen, dass er nach drei Tagen vor lauter Blasen kaum noch laufen kann. Er zeigt uns seine lädierten Füße. Einen Tag hat er schon Zwangspause machen müssen. Den nächsten Tag will er sich bis Kvikkjokk durchschlagen und wird dann wohl einen Hubschrauber nach Ritsem nehmen müssen, wo sein Auto geparkt ist.
Wir gehen am ersten Abend früh ins Zelt. Gegen 22 Uhr schlafe ich im Hellen ein, wache kurze Zeit danach wieder im Hellen auf und vermute, dass ich nur kurz eingenickt bin. Die Uhr zeigt aber 4 Uhr morgens. An die Länge der Tage im nordskandinavischen Sommer muss ich mich erst wieder gewöhnen.


Im Rückblick waren es zwei Dinge, die uns immer wieder ins Staunen und Schmunzeln gebracht haben: Erstens eine Unzahl von Regenbögen, einer schöner als der andere, gepaart mit dem Spiel von Wolken, Wind, Sonne und Schatten.
Und zweitens die unglaubliche Anzahl an sympathischen, entspannten, spannenden, verrückten, leichtsinnigen und witzigen Typen, die wir getroffen haben. Auch, wenn die meisten der Leute, die wir getroffenen haben, gut ausgerüstet und vorbereitet waren, so bleibt die Minderheit der unerfahrenen bis waghalsig-verrückten Trekker am Nachhaltigsten in Erinnerung. Hier meine Top 10:
10. Der Regencape-Mann
Die Ausrüstung eines uns entgegen kommenden Wanderers im Fjäll bei schlechtem Wetter mit Regen, Matsch und nassen Steinen ist: Turnschuhe und Jeans! Als Regencape trägt er einen transparenten Plastiksack mit hinein geschnittenen Armlöchern, so wie dies z.B. viele Leute auf Rockkonzerten oder zum Warmhalten vor dem Marathonstart anhaben.
9. Die Schlotternde Schwedin
Auf dem Abstieg vom Tjäkktjapass kommt uns eine Schwedin entgegen, die offensichtlich keine Handschuhe hat. Bei nasskaltem Wetter, Gegenwind und Temperaturen von etwa 5 Grad sind ihre Hände vermutlich eisig kalt. Es ist generell eine natürliche Reaktion, diese in die Taschen des Softshells zu stecken. Bloß: Wenn es im sehr, sehr steil abfallenden Gelände über nasse und daher sehr rutschige Steine geht, würde ich lieber an die Hände frieren (oder gleich Handschuhe mitnehmen), als einen schlimmen Sturz zu riskieren.
8. Der geizige Holländer
Die Geschichte hat mir ein Hüttenwirt erzählt. Wir haben die beiden allerdings auch gesehen: Mutter und Sohn, dieser ca. 16 Jahre, stampfen durch das Fjäll. Die beiden sind Niederländer. Der Sohn hat vermutlich erwartet, dass man im August mal locker durch die Berge spazieren kann. Er trägt Jeans, die vom Nieselregen feucht sind. Er hat auch keine Handschuhe. Es nieselt, der Wind bläst und es ist mit 3 Grad sehr kalt. Vor der Hütte sitzt er im Windschutz, zusammen gekauert, versucht irgendwie die Hände zu wärmen. Der Wirt meint, er könne ihm ein Paar leichte Handschuhe verkaufen. Die sind ihm aber zu teuer. Der Wirt bietet den beiden an, sich für die Tagesgebühr von je 40 Kronen in der Hütte aufzuwärmen und sich einen Tee zu machen. Auch das ist den beiden zu viel Geld. Nach einer kurzen Pause ziehen sie nass und zitternd weiter.
7. Die Fjäll-Diva
Bei starkem Wind und leichtem Regen kommt uns eine Wandergruppe entgegen. Wir müssen zweimal hinsehen. Was trägt denn die Frau in der Mitte? Einen Regenschirm?!!! Einen Regenschirm, der ständig vom Wind nach vorne und hinten geweht wird und den sie immer wieder neu ausrichten muss. Als wir die Gruppe passieren, sehen wir, dass die Frau –etwa um die 50- zudem noch ein komplettes Make-Up aufgetragen hat. Wie in der alten 3-Wetter-Taft-Werbung: Kiruna, 6 Grad und Wind – die Frisur hält!
6. Die Feuermacherin
In einer Wanderhütte ist es kühl; das Feuer im Ofen ist aus. Eine schwedische Frau mittleren Alters wirft zwei riesige vor dem Ofen liegende Holzscheite hinein. Dann nimmt sie den Gasanzünder neben dem Herd mit einem kleinen Piezozünder (!!!) und klickt mit dem Anzünder wieder und wieder im Ofen an die Holzscheite. Als es wundersamer weise nicht klappt, klickt sie an dem zweiten Holzscheit herum. Selbstverständig genauso sinn- und ergebnislos. Schließlich erbarmt sich ein Schwede, nimmt ihr den Zünder aus der Hand, wirft einige dünne trockene Holzspäne in den Ofen und zündet diese mit dem Feuerzeug an.
5. die Unverbesserlichen Wetteroptimisten und
4. die Quälige Quasselstrippe und
3. der Härteste der Harten
Alle drei getroffen an der Aktse-Hütte. Mehr unter dem Bericht vom 15. August.
2. Die beiden unerschrockenen Im-Sturm-Zelter
Getroffen am der Tjäktja-Hütte.
1. Die Drei Hessischen Musketiere
Rainer, Jürgen und Björn - diese drei aus einer zu Recht legendären Truppe sind mein absolutes Highlight. Aber davon mehr unter dem Bericht vom 20. bis 22. August!
13. August 2013
Um kurz vor 6 Uhr morgens steigen wir kurz vor Höhe des Polarkreises aus dem Nachtzug in Boden aus. Geschätzte 150 Trekker schieben sich mit dick aufgetürmten Rucksäcken über den Bahnhof des nordschwedischen Städtchens. Eigentlich sollte der Zug ja noch weiter nach Norden gehen, nach Abisko für viele oder für einige wie uns nach Murjek. Aber nachdem gestern auf der Strecke in Schwedisch-Lappland zwei Güterzüge kollidiert sind, ist die schwedische Bahn noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Alle Reisenden werden in Busse umgeladen und nach Zielort sortiert weiter transportiert. Es ist ein sonniger freundlicher Morgen mit für Lappland angenehmen Temperaturen. Die schwedischen Bahnmitarbeiter bemühen sich, den Ansturm der Trekker in die Busse zu dirigieren. Obwohl sie die Ansagen auf Englisch wiederholen, bekommen wir nicht alles genau mit. Von einem älteren Herren mit großen Trekkingrucksack und etwas aus der Mode gekommenen Outdoorsachen bekomme ich mit, wie er sich in zwei Sätzen mit dem Bahnmitarbeiter in Schwedisch austauscht und dabei das Wort „Kvikkjokk“ fällt. Also halte ich mich an ihn. Als Claudia fragt, warum, bemerke ich, er sei wohl Schwede und wolle auch nach Kvikkjokk. Der alte Herr bekommt dies mit und antwortet uns lächelnd, dass er aus Köln komme. Der Bus nach Jokkmokk mit Verlängerung nach Kvikkjokk komme in etwa 10 Minuten. Und schon sind wir mit dem ersten erfahrenen Trekker im Gespräch. Er geht den Padjadalleden. Den Kungsleden hat er schon vor über 10 Jahren gemacht. Seine Frau sei zu Hause, sie komme wie immer nicht mit. Aber er lasse sich das Wandern nicht nehmen. Respekt mit einem Alter von optisch über 60 Jahren.
Wenig später geht es dann im Bus über Land. Die Häuser von Boden sind schnell hinter uns gelassen. Von da an geht es in schönstem Wetter durch die praktisch menschenleere Landschaft Nordschwedens. Zwischendurch nehmen wir noch etwas Schlaf. Der Bus in Jokkmokk wartet dann auf uns. Nach einer weitere Stunde stehe wir schließlich am Ende der Straße in Kvikkjokk, umgeben von einem Dutzend Häuser, unsere Rucksäcke auf dem Rücken. Wie immer das herrliche Gefühl: Es geht wieder los!
Ursprünglich wollten wir den Kungsleden ganz klassisch von Nord nach Süd laufen. Wegen der gerade in Abisko statt findenden Fjällräven Classics haben wir uns aber dazu entschieden, das Ganze in der relativen Menschenleere von Kvikkjokk zu starten, statt sich mit Hunderten von lärmenden Wanderern durch die „Wildnis“ zu wälzen. Jetzt starten wir kurz vor 12 Uhr mit nur einer Handvoll anderen Wanderer. Das Wetter ist gut, sommerlich. Wir wandern mit T-Shirts durch den Wald, der immer dichter wird und uns langsam ins Fjäll hinein führt. Langsam steigt der Pfad leicht an, wird etwas steiniger. Claudia bekommt heute ihr Erfolgserlebnis: Mein Rucksack mitsamt Zelt und dem Proviant drückt auf meinem Rücken. Ihrer ist um Einiges leichter und so habe ich große Mühe, an den Steigungen mitzuhalten. Fairerweise muss man festhalten, dass sie gleich anbietet, noch einige Kilogramm von mir in ihren Rucksack zu nehmen. Aber ich lehne dankend ab: Wenn sie als eine der wenigen Trekkingfrauen mitkommt, dann soll sie auch einen Rucksack von nicht mehr als 15 Kilogramm tragen.
Der Tag verläuft unspektakulär. Wir laufen uns ein, genießen das Fjäll. Gegen 18 Uhr kommen wir an die Hütte. Der Hüttenwirt begrüßt uns. Außer uns sind nicht übermäßig viele Leute da. In der Hütte treffen wir einen Mann etwa Mitte 40, der uns sodann auf Deutsch anspricht. Er ist nach seinem Medizinstudium in Freiburg mit seiner Frau nach Schweden ausgewandert. Der Grund: Als Medizinerin hätte sich seine Frau im deutschen Klinikalltag entscheiden müssen – entweder Kinder oder Karriere. Sein zutreffender Satz ist, dass „die deutschen Chefärzte mit ihrer Personalpolitik zwei gut ausgebildete Generationen von Medizinern nach Skandinavien getrieben haben“. Nach dem, was ich so von ein paar Freunden weiß, die auch Mediziner sind, hat er da ziemlich Recht. Jetzt wohnen die beiden seit vielen Jahren in Umea. Er ist Oberarzt für Hämatologie in der lokalen Klinik. Die beiden haben mittlerweile vier Kinder und sind voll berufstätig. Seine Frau ist mit den Kindern gerade auf Besuch bei den Großeltern in Deutschland. Er wollte die Zeit nutzen, um eine Runde um den Sarek über Kungsleden und Padjadalleden zu drehen. Er ist Trekkingprofi. Aber auch die sind nicht frei von Fehlern. Er hat seine neuen Trekkingschuhe beim Trekken einlaufen wollen, um dann festzustellen, dass er nach drei Tagen vor lauter Blasen kaum noch laufen kann. Er zeigt uns seine lädierten Füße. Einen Tag hat er schon Zwangspause machen müssen. Den nächsten Tag will er sich bis Kvikkjokk durchschlagen und wird dann wohl einen Hubschrauber nach Ritsem nehmen müssen, wo sein Auto geparkt ist.
Wir gehen am ersten Abend früh ins Zelt. Gegen 22 Uhr schlafe ich im Hellen ein, wache kurze Zeit danach wieder im Hellen auf und vermute, dass ich nur kurz eingenickt bin. Die Uhr zeigt aber 4 Uhr morgens. An die Länge der Tage im nordskandinavischen Sommer muss ich mich erst wieder gewöhnen.
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