[UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

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    [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

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    Mitreisende
    Knoydart im Frühjahr 2012
    Glenfinnan - Glen Dessary - Sourlies - Inverie - Barrisdale - Kinloch Hourn - Shiel Bridge

    Hallo!

    Nachdem ich dieses Forum ausgiebigst dazu benutzt habe mich auf diese Reise vorzubereiten (vielen Dank hierbei an all jene, welche hier eine unglaubliche Fülle an Informationen zum Thema Trekking und Schottland zusammengetragen haben), dachte ich, ich könnte auch etwas zurück geben und einen kleinen Reisebericht verfassen.

    Ich habe in einer siebentägigen Wanderung die Gegend rund um Knoydart in Schottland unsicher gemacht. Warum ausgerechnet Knoydart? - Nachdem ich im Jahr 2010 den Great Glen Way und 2011 den West Highland Way gewandert bin, war es für mich an der Zeit Schottland Light einmal hinter mir zu lassen und richtig in die Wildnis abzutauchen. Aufgrund der ausgezeichneten Reiseberichte zu der Region rund um Knoydart und auch den wunderbaren Photos, habe ich mich also für diese Ecke von Schottland entschieden.

    Unterwegs war ich alleine von Ende April bis Anfang Mai. Insgesamt bin ich sieben Tage gewandert.
    Zuletzt geändert von Hunter9000; 10.01.2020, 08:47.

  • Hunter9000
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    #2
    AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

    1. Tag, Samstag 28. April – Anreise
    Von der Zivilisation in die Wildnis

    Für die Anreise habe ich mich dazu entschlossen etwas Luxus walten zu lassen und anstatt mit einer Billigfluglinie, mit Lufthansa zu fliegen. Das bedeut: echte Tickets mit Sitzplatzzuweisung, Startplatz von einem echten Flughafen und nicht vom Ende der Welt und 23 kg Freigepäck. Das Startgewicht meines Rucksacks lag zwar nur bei 17.9 kg, aber trotzdem.

    Problemlos kann ich einchecken, auch wenn sich das Bodenpersonal wie üblich über meinen Packsack beschwert. Dennoch kommt er - mit meinem Rucksack darin - schließlich mit an Bord. Ich verabschiede mich von meiner Freundin, die mich zum Flughafen gebracht hat und dann geht’s los ins große Abenteuer.

    Wir starten erst mal mit 10 Minuten Verspätung. Man kann ja über Ryanair, mit der ich normalerweise fliege, schimpfen was man will, aber zumindest sind sie immer pünktlich. Als kleine Versöhnung gibt’s bei Lufthansa dafür gratis Essen und Trinken. Kurz vor dem Landeanflug entschuldigt sich die Stewardess dann auch noch, dass der Pilot alles getan hätte, damit wir Edinburgh pünktlich erreichen, wir aber trotzdem 12 Minuten zu früh da wären. Also haben wir auf einem Flug, der eineinhalb Stunden dauern sollte, mehr als zwanzig Minuten eingespart. Das ist auch eine Leistung.

    Mein Rucksack kommt mit mir in Edinburgh an und der Shuttlebus bringt mich dann innerhalb von 30 Minuten ins Zentrum der schottischen Hauptstadt. Hier wird – neben den ganzen Frühjahrsbaustellen – wieder einmal versucht eine Straßenbahnlinie zu bauen, weshalb die gesamte New Town ein einziges Chaos ist. Zum Glück weiß ich wo ich hin muss. Im Tisco kaufe ich mir Gas für meinen Kocher und unterhalte mich mit dem Besitzer über meine anstehende Tour. Ein letztes Mal gehe ich dann im Kopf durch, ob ich auch wirklich alles mithabe. Mir fällt nichts ein, was ich vergessen haben könnte.

    Also decke ich mich noch mit einem ungesundem Sandwich ein, setze mich in den Princes Street Garden, genieße bei windigem Wetter mein Mittagessen und schlichte meinen Rucksack von Flugmodus auf Tragemodus um. Ich habe ja Zeit. Ich bin um 12:45h in Edinburgh gelandet und mein Zug weiter nach Fort William startet erst um 17:15h. Diesen Zeitpuffer wollte ich auf jeden Fall haben, für den Fall, dass der Flug Verspätung bekommt. Wer konnte denn schon damit rechnen, dass wir zu früh landen?



    Schließlich geht’s aber endlich weiter. Zuerst mit dem Pendlerzug nach Glasgow, wo ich dann in die West Highland Rail einsteige. Entlang der Strecke des West Highland Ways, den ich im Herbst gewandert bin, geht es nun nach Norden. Zufällig erfahre ich, dass der Zug heute gar nicht in Fort William endet, sondern bis nach Malaig, ganz im Westen, weiter fährt. Eigentlich habe ich geplant in Fort William zu übernachten und erst am nächsten Tag Richtung Malaig weiter zu fahren, um dann in Glenfinnan zu starten. Aber so… Ich erkläre der Schaffnerin meine Lage und zeige ihr auch das Ticket, was ich für den nächsten Tag schon habe. Sie zuckt nur mit den Schultern: Klar, kein Problem, ich darf weiter mitfahren. Also komme ich heute noch an meinen Startpunkt!

    Je näher wir den Highlands kommen, desto schlechter wird das Wetter. Es regnet und auf den Bergen – sofern sie nicht in den Wolken hängen – liegt bis tief herab der Schnee. Keine guten Aussichten. Als wir in Fort William ankommen wird es schon dunkel und bald kann man gar nichts mehr sehen. Ich muss zugeben, dass mich das etwas beunruhigt, da der Zug nur dort stoppt, wo Leute aussteigen werden (der Schaffner muss sich das anscheinend merken). Irgendwie vertraue ich dem System nicht ganz, zumal die Stationen auch nicht angesagt werden. Etwas nervös, sitze ich daher am Fenster und starre in die Dunkelheit. Schließlich stoppen wir irgendwo in der Pampa: Glenfinnan.

    Ich steige aus, der Zug verschwindet und ich stehe in der stockdunklen, eiskalten Nacht (aber immerhin regnet es nicht; im Gegenteil, es ist Sternenklar). Da bin ich also: Müde, hungrig und frierend an einem gottverlassenen Bahnhof. Also Stirnlampe aufgesetzt, Rucksack geschultert und los getrabt. Ich muss ein Stück zurück gehen, passiere dabei die schöne alte Kirche von Gllenfinnan und finde in der Dunkelheit schließlich die Abzweigung zu dem Parkplatz beim Glenfinnan Viadukt. Hier ist mein offizieller Startplatz. Direkt hinter dem Parkplatz finde ich eine ebene Stelle am Ufer des River Finnan. Hier baue ich mein Zelt auf (immerhin schon zum 2. Mal), koche mir eine Portion Kartoffelpüree mit Gemüse und Kräutern (fertig gemischt in der Packung), werfe mein Zeug ins Zelt und versuche für mich auch noch einen Platz darin zu finden. Es ist nach Ortszeit fast Mitternacht, ich bin erschöpft, aber auch aufgeregt, da es nun los geht.

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    • Hunter9000
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      • 02.06.2012
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      #3
      AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

      2. Tag, Sonntag 29. April – Von Glenfinnan nach Stratham
      Wenn die Magie von Harry Potter hinter einem liegt

      Nachts friere ich mir meinen Hintern ab. Wortwörtlich. Eingekleidet in Hose, langem Shirt und Fleecejacke, eingemummt in meinen neuen Schlafsack zittere ich vor Sonnenaufgang in meinem Zelt. Mein Hinterteil ist eiskalt (warum auch immer), ebenso meine Nase, die als einzige aus dem Schlafsack schaut. Ich verfluche den Hersteller des Schlafsacks und mich, weil ich keinen wärmeren gekauft habe. Außerdem freue ich mich schon wahnsinnig auf die Nächte im Hochland, wenn es hier schon so kalt ist.

      Endlich geht sie Sonne auf. Mein Zelt ist innen mit Kondenswasser beschlagen (es sollte das einzige Mal bleiben) und mein Schlafsack ist klamm. Als ich das Zelt öffne höre ich ein seltsames, schabendes Geräusch. Und dann wird mir auch klar, warum ich in der Nacht so gefroren habe: Es muss wirklich kalt gewesen sein. Mein ganzes Zelt ist mit einer Eisschicht überzogen, ebenso wie alle Pflanzen rund um mich. Mein Wasser in der Aluflasche ist knapp über dem Gefrierpunkt und mein Hartkäse ist ein Eisblock. Ich nehme mir also die Zeit, meine Sachen in der aufgehenden Sonne trocknen und auftauen zu lassen. Währenddessen besuche ich das Glenfinnan Monument, welches zur Erinnerung an Bonnie Prince Charly gebaut wurde, und probiere meinen neuen Wasserfilter in der Praxis aus: Nach mehreren Minuten wandert das Teil in die hintersten Tiefen meines Rucksacks. Funktioniert nicht wirklich und Nerven habe ich für das langsame Pumpen auch nicht. Ich nehme das Wasser so aus dem Fluss. Daran wird sich in der nächsten Woche auch nichts ändern.


      Lagerplatz am Finnan

      Dann aber geht’s los! Auf einer Asphaltstraße wandere ich nach Norden unter dem berühmten Glenfinnan Viadukt hindurch, welches in den letzten Jahren als „Harry Potter Brücke“ bekannt geworden ist. Das Teil ist zwar beeindruckend, aber hässlich wie die Nacht. Das haben sie für die Filme ordentlich nachbearbeitet. An der Brücke treffe ich auch meine erste Herde Hirsche, die mich zwar misstrauisch mustern, aber nicht Reißaus nehmen.


      Glenfinnan Viadukt

      Ich genieße diesen recht einfachen Anfang der Tour, das schöne Wetter, den Anblick der mich umgebenden Berge und übe mich etwas im Karten lesen. Rasch stelle ich fest, dass meine Karte für Details nicht brauchbar ist; zumindest nicht in diesem Tal. Es gab im letzten Winter beträchtliche Schäden an den Baumbeständen und wie es scheint wurden auch die Straßen und Brücken hier im Tal stark in Mitleidenschaft genommen oder schlichtweg weg gespült. Jedenfalls finde ich überall dort Brücken wo auf meiner Karte keine eingezeichnet sind und dort wo meine Karte welche aufweist, gibt es nur die Überreste von zerstörten Bauten. Naja, der River Finnan führt augenblicklich so wenig Wasser, dass ich ihn praktisch überall trockenen Fußes queren kann.


      Blick entlang der Straße

      Die Glenfinnan Lodge, welche ich nach einer Stunde erreiche, markiert das Ende der modernen Zivilisation hier im Tal. Ich werfe noch einen kurzen Blick in die Corryhully Bothy – der einzigen Schutzhütte Schottlands mit Strom, bevor ich mich an den Aufstieg auf den 471 Meter hohen Pass mache, der mich rüber nach Stratham bringen soll.


      Pass nach Stratham

      Nach der Lodge führt nur mehr ein Forstweg weiter, der sich nach und nach zu einem Fußweg verschmälert. Ich wundere mich etwas. In den Reisebereichten, die ich vorab gelesen habe, haben einige Leute geschrieben, dass sie hier Probleme gehabt hätten. Kann ich nicht verstehen. Sicherlich habe ich ausgezeichnetes Wetter, aber auch bei Regen wäre dieser Pfad kaum zu übersehen. Je weiter es hinauf geht desto schlechter wird der Weg jedoch, an einigen Stellen wurde er vom Fluss weggeschwemmt und einige hundert Meter vom höchsten Punkt des Passes entfernt, verschwindet der Weg dann schließlich ganz. Hier beginnt also meine erste Kraxeltour über Felsen, Bäche und Sumpf.


      Schottischer Weg

      Schließlich bin ich aber auf dem Plateau angekommen, welches sich am Pass oben befindet. Ein kalter Wind pfeift hier, aber nach dem anstrengenden Aufstieg tut die Abkühlung ganz gut. Immer noch ist nicht eine Wolke am Himmel zu sehen. Das Plateau besteht aus Sumpflandschaft. Diese ist zwar augenblicklich ziemlich ausgetrocknet, aber ich kann mir vorstellen, dass das hier bei Regen zu einer spaßigen Schlammschlacht ausarten kann. So komme ich aber flott voran und zu Mittag erreiche ich den Cairn, der den höchsten Punkt des Passes markiert. Kurz mache ich einige Fotos und dann suche ich mir eine windgeschützte Stelle, an der ich Mittagessen kann.


      Blick über das Plateau


      Das bin ich

      Nach einer Pause von einer halben Stunde überquere ich den Rest des Plateaus und beginne dann mit dem Abstieg. Dieser gestaltet sich ganz anders als der Aufstieg: Beinahe Senkrecht geht es die ersten zwanzig, dreißig Meter über schlüpfriges Sumpfgras hinab. Bei Regen ist das sicherlich kein Spaß und ich verstehe nun, wie auf dieser Strecke bereits mehrere Wanderer aus dem Forum ihre Trekkingstöcke oder Knöchel geschrottet haben. Langsam, ganz langsam suche ich mir einen Weg nach unten, während mir einige schottische Wanderer schwer atmend entgegen kommen. Es sollten die einzigen Menschen sein, die ich in den nächsten 36 Stunden sehen würde.


      Abstieg

      Nach den ersten extrem steilen Metern wird der Weg besser. Das bedeutet, dass es wieder einen schmalen Trampfelpfad gibt, auch wenn er hin und wieder im Nichts verschwindet, nur um dann hundert Meter weiter wieder unvermittelt aufzutauchen. Über Stunden hinweg führt der Pfad recht eintönig und geradlinig durch das Tal Gleann a Chaorainn, immer dem mäandernden Fluss Allt a Chaorainn folgend. Auch dieser Fluss führt wenig Wasser und die notwendigen Durchquerungen sind alle möglich, ohne dass ich meine dampfenden Wanderschuhe ausziehen muss. Gegen Ende des Tales biegt der Weg auf dem ich wandere noch einmal steil nach oben ab, um einer Schlucht auszuweichen. Kurzer Blick auf die Karte: Das steht hier aber nicht so! Ein Blick in die Wirklichkeit zeigt mir aber, dass ich hier keine andere Wahl habe. Also nochmal ein paar Höhenmeter machen.


      Vielfotografierter Felsen

      Einige hundert Meter weiter, mittlerweile schon im Glean Pean, kehrt der Pfad an den Fluss zurück. Hier suche ich mir, unweit der Stelle, an welcher der Allt a Chaorainn in den River Pean mündet, einen ebenen, windgeschützten Lagerplatz. Nachdem das Zelt steht und eingerichtet ist, genieße ich noch die warmen Sonnenstrahlen, erkunde etwas die Umgebung und begutachte meinen geschundenen Körper: Am Schluss habe ich meinen Rucksack doch stark gespürt; nicht nur an den Schultern, sondern auch an der Hüfte, wo er recht hart auf meiner kleinen Speckschicht aufgesessen ist. Ein Zeichen, dass ich in letzter Zeit zu gut gegessen und zu wenig Sport gemacht habe. Auch mein linker Ellbogen, der schon seit Weihnachten auf mich beleidigt ist, meldet sich wieder leise zu Wort. Dafür sind meine Knie ok. Man muss immer das positive sehen!


      Ferner Blick auf Loch Arkaig


      Lagerplatz

      Tagesleistung laut Navi: 16.9 km
      Gehzeit: 5 Stunden, 35 Minuten
      Höhenunterschied: 534 m
      Maximales Gefälle: 19 %
      Minimales Gefälle: -25 %

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      • weserwolf
        Erfahren
        • 02.09.2008
        • 107
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        #4
        AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

        Und weiter! Hau rein!

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        • Hunter9000
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          • 02.06.2012
          • 679
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          #5
          AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

          3. Tag, Montag 30. April – Von Strathan nach Sourlies
          Vom Regen in die Traufe

          Diesen Tag muss man in zwei Teilen betrachten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Daher werde ich den Tag in 2 Teile splitten.

          3. Tag, 1.Akt – Von Strathan nach Glendessary Lodge

          Ich wache auf und höre das schwache Trommeln von Regen auf mein Zelt. Willkommen in Schottland. Nun, zumindest kann ich nun die Erkenntnis gewinnen, dass man im Inneren eines Jack Wolfskin Gossamer Zeltes seinen Rucksack packen kann; macht aber keinen Spaß. Als ich gegen acht dann mein Zelt verlasse, hat der Regen beinahe aufgehört und der Himmel scheint mir auch etwas heller zu sein. Dementsprechend verzichte ich auf Vollschutzkleidung und ziehe nur die Regenjacke und die Gamaschen an – ich nehme an, dass die Highlands nach einer halben Nacht Regen recht nass sein werden.


          Brücke über den Pean

          Ich überquere die Brücke über den River Pean und suche mir dann einen Weg durch das versumpfte Marschland, welches am Waldrand entlang führt. Irgendwann gibt es aber kein weiterkommen mehr und ich muss in den Wald hinein. Ich weiß aufgrund meiner Karte, dass sich darin ein Landrovertrack befindet. Dahin zu kommen ist aufgrund der dicht stehenden Bäume jedoch nicht ganz einfach. Der Track führt mich die wenigen hundert Meter, die ich ansonsten durch den Sumpf hätte zurücklegen müssen rasch an den River Dessary, den ich hier über eine weitere Brücke quere.

          Hier, bei den Ruinen von Strathan beginnt es dann auch wirklich zu regnen. Ach was, Regen. Eine Sintflut stürzt herab und durchnässt mich binnen Sekunden auf die Knochen. Zusätzlich setzt ein Sturm ein, dessen Windböen mich regelmäßig fast von der Straße wehen und aus den Regentropfen schmerzhafte Stiche im Gesicht werden lassen. Es ist klar, dass ich so nicht weiter komme. So suche ich Zuflucht in einer Scheune in der Glendessary Lodge. Diese ist zwar auf einer Seite offen, aber diese ist dem Wind abgewandt. Hier werden normalerweise Hirsche ausgeweidet, aber zum trocknen ist es auch ok. Ich wechsle in warme Kleidung, koche Tee und beobachte beunruhigt wie auf den Bergen der Schnee immer tiefer herab fällt.


          Meine Kameraden in der Hütte


          Ausblick aus der Hütte

          Ich bin zwar einerseits froh einen Unterstand gefunden zu haben, aber so komme ich heute nicht mehr nach Sourlies. Gedanklich stelle ich mich schon darauf ein hier zwischen Hirschgeweihen und Sägespäne meine Nacht zu verbringen. Doch so plötzlich wie der ganze Spuk begonnen hat, endet er auch wieder. Nach drei Stunden kann ich, diesmal dick in Regensachen verpackt, meine Reise fortsetzen.

          3. Tag, 2.Akt – Von der Glendessary Lodge nach Sourlies

          Es windet zwar immer noch ein bisschen, aber immerhin ist es im Prinzip trocken. Zumindest von oben. Als ich bei der Jagdhütte Upper Glendessary vom Forsweg in die Highlands abbiege zeigt sich recht rasch, dass die trockenen Highlandsümpfe den Regen wie ein Schwamm aufgesogen haben; wie ein recht tiefer und schlammiger Schwamm. Über Stock und Stein, durch Sumpf und Bach geht es an der Nordseite des Glen Dessary entlang nach Westen. Lange habe ich den falschen Pass im Visier, von dem ich denke, dass er mich zur Bucht von Sourlies bringen wird. Aber natürlich ist mein Pass noch weiter entfernt und auch etwas höher.


          Ist es ein Bach, oder ein Weg?


          Ist es ein Sumpf, oder ein Weg?

          Der Weg dort hinauf zieht sich, ist aber recht schön. Zu beiden Seiten hängen die Berge in den Wolken und zwischendurch sieht man die schneebedeckten Spitzen hervor blitzen. Der Pfad selbst ist gut erkennbar, auch wenn er sich teilweise in einen Bach oder einen Sumpf verwandelt hat. Konzentration ist hier gefragt, wenn man die Schuhe halbwegs trocken behalten will. Kurz vor dem Pass fasse ich noch mein Mittagessen aus; heute bleibt die Mittagspause aber kurz. Zu kalt ist es im Wind und zu viel Zeit habe ich heute Vormittag bereits verloren.


          Schnee auf den Bergen

          Endlich ist der Pass erreicht und ich befinde ich auf der Hochebene zwischen den beiden Tälern. Hier weht der übliche eisiger Wind, wodurch ich alle Pausen trotz des traumhaften Panoramas ausfallen lasse. Vorbei an den beiden Seen Lochan a Mhaim stapfe ich durch das nun größtenteils weglose Hochland, bis ich den Abfluss der beiden Seen erreiche: Den River Finiskaig, der bei meinem heutigen Tagesziel – der Bucht von Sourlies – in den Loch Nevis mündet. Ich folge also dem Fluss bergab, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite.


          Lochan a Mhaim

          Ich bin so darauf konzentriert nicht im Sumpf zu versinken und dem Flusslauf zu folgen, dass ich plötzlich vor einer unpassierbaren Schlucht stehe, in welcher der Fluss verschwindet. Ein Blick auf die Karte zeigt mir, dass das auch so sein soll.


          Schlucht am Firniskaig River - hier geht's nicht weiter

          Ich muss wieder ein Stück zurück und weiter bergauf, um die Schlucht zu umgehen. Dieser Weg ist wieder etwas mehr für Alpinisten, dafür kommt endlich Sourlies ins Blickfeld kommt. Natürlich wird es noch einige Zeit dauern, bis ich dort unten angekommen bin.


          Sourlies und Loch Nevis

          Während ich weiter absteige überlege ich bereits, wo ich mein Lager aufschlagen will: An der Bothy von Sourlies oder doch lieber auf der anderen Seite der Bucht? Ich bin gerade recht glücklich mit meiner Einsamkeit und nicht in der Stimmung mit jemandem zu reden und ich brauche außerdem Frischwasser, welches bei der Bothy nicht vorhanden ist. Andererseits möchte ich am Meer zelten und wenn ich bei der Bothy übernachte, muss ich am nächsten Tag nicht so früh aufstehen um bei Ebbe das Wat zu durchqueren. Fragen mit denen man sich beschäftigt, wenn man alleine unterwegs ist und die ich gerne auch mal laut mit mir ausdiskutiere.

          Mittlerweile bin ich durch wieder klar erkennbare Pfade bis in die Bucht abgestiegen und passiere die Ruinen des Dorfes von Finiskaig, sowie die darin grasende Schafherde. Trotz der wieder scheinenden Sonne verbreiten die Ruinen des Dorfes eine recht bedrückte Stimmung. Wer hat hier früher wohl gelebt? Sind die Leute freiwillig gegangen – in ein anderes Land, in die wachsenden Städte von Glasgow und Edinburgh – oder wurden sie im Rahmen des Highland Clearings auf Schiffe deportiert und nach Übersee verfrachtet um Platz für die nun hier weidenden Schafe zu machen?


          Ruinen von Finiskaig

          Von der Bucht aus kann ich sehen, dass die Tür zur Bothy trotz strahlenden Sonnenscheins geschlossen ist. Wahrscheinlich befindet sich also niemand darin. Ich fülle also meine Wasserreserven noch am River Finiskaig auf, wandere kurz durchs Wat und erreiche die Bothy. Die hier grasenden Schafe sind über meine Ankunft nicht sehr erfreut und nehmen reiß aus. Direkt vor der Bothy, an einer Stelle, die nicht komplett mit Schafsdung übersät ist, baue ich mein Zelt auf.

          Ich bin fast fertig, als ein Rettungshelikopter über den Pass von Stratham in die Bucht einfliegt, kurz kreist und dann neben mir zur Landung ansetzt. Mein erster Gedanke: Meine Freundin hat gestern Abend meine SMS nicht erhalten. Der Copilot steigt aus und kommt auch zielstrebig auf mich zu. Wie’s mir geht und ob alles in Ordnung ist? – Äh, danke gut, nein, alles ok. Sie suchen einen alten Mann, der heute Morgen ebenfalls in Strathan aufgebrochen ist. Ich erkläre, dass ich niemanden gesehen habe, beschreibe meine Route und wann ich in etwa wo gewesen bin. Mit dieser zusätzlichen Information hebt der Heli wieder ab und beginnt langsam, suchend seinen Rückflug über den Pass.

          Ich beschließe mich sofort telefonisch bei meiner Freundin zu melden und rufe sie mit dem Sat-Handy an. Der Empfang ist jedoch schlecht, sie versteht mich kaum und die Erwähnung eines Rettungshelikopters trägt bei ihr nicht gerade zur Beruhigung bei. Morgen werde ich wohl wieder nur eine SMS schicken, ist besser. Aber ich bin auch etwas enttäuscht von der Empfangsqualität des Sat-Handys. Wie soll man so im Notfall klare Hinweise an Rettungstrupps ausgeben?

          Nach dem Aufbau des Lagers und einem leckeren Abendessen aus der Tüte genieße ich den Sonnenuntergang über Loch Nevis. Der aufkommende Wind vertreibt mich aber recht bald wieder ins Zelt. Kaum bin ich drinnen kommen auch die Schafe wieder zurück und weiden direkt vor meinem Lagerplatz. Auch eine Herde Hirsche spaziert seelenruhig direkt an meinem Zelt vorbei. Doch noch ein schöner Abschluss eines Tages, der so schlecht gestartet ist.


          Schttenspiele in der untergehenden Sonne

          Tagesleistung laut Navi: 19.4 km
          Gehzeit: 6 Stunden, 53 Minuten
          Höhenunterschied: 421 m
          Maximales Gefälle: 10 %
          Minimales Gefälle: -22 %

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          • weserwolf
            Erfahren
            • 02.09.2008
            • 107
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            #6
            AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

            Fein! Gut geschrieben! Freue mich auf Fortsetzung!

            Schicken Sonntag noch

            Lutze

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            • Mario294
              Erfahren
              • 11.12.2011
              • 270
              • Privat

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              #7
              AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

              Schottland ist so schön wann da nicht der viele Regne währe würde ich da gern mal hin aber so muss ich mir das doch zwei mal überlegen Hattest du öfters Probleme mit Kondenswasser in deinem Gosammer ich habe das selbe und hatte noch keine probleme damit, schöne bilder hast du gemacht freu mich auf fortsetzung
              gruß mario

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              • Borderli
                Fuchs
                • 08.02.2009
                • 1737
                • Privat

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                #8
                AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                Mittlerweile bin ich durch wieder klar erkennbare Pfade bis in die Bucht abgestiegen und passiere die Ruinen des Dorfes von Finiskaig, sowie die darin grasende Schafherde. Trotz der wieder scheinenden Sonne verbreiten die Ruinen des Dorfes eine recht bedrückte Stimmung. Wer hat hier früher wohl gelebt? Sind die Leute freiwillig gegangen – in ein anderes Land, in die wachsenden Städte von Glasgow und Edinburgh – oder wurden sie im Rahmen des Highland Clearings auf Schiffe deportiert und nach Übersee verfrachtet um Platz für die nun hier weidenden Schafe zu machen?
                Von "freiwillig" kann hier nicht die Rede sein. Die "Räumung" von Strathan und der Siedlungen am Loch Nevis wird im Buch "The Highland Clearances" beschrieben. Das war definitiv kein netter Ausflug für die Bewohner.

                Aber schreibe bitte an deinem Bericht weiter! Ich mag es, über eine mir bekannte Gegend zu lesen.

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                • Ruckie
                  Anfänger im Forum
                  • 23.10.2011
                  • 21
                  • Privat

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                  #9
                  AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                  Danke für deinen tollen Bericht. Ich war ungefähr zwei Wochen vor dir dort. Bei der Schlucht hab ich mich auch ein wenig verstiegen, mußte ein Stückchen zurück, und die Flußseite wechseln. Na wenigstens bin ich nicht der einzige, der da nicht aufgepasst hat .

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                  • Hunter9000
                    Dauerbesucher
                    • 02.06.2012
                    • 679
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                    @ Mario: So viel Regen hatte ich nicht. Genau genommen war der zweite Wandertag der einzige, an dem ich wirklich viel Regen hatte. Die Sonne sollte ein viel gröberes Problem werden. Und Kondenswasserprobleme hatte ich wirklich nur in der ersten Nacht, vielleicht war da das Zelt auch nicht gut aufgebaut (war doch schon sehr müde und es war ja auch stockdunkel).

                    @ Borderli: Interessantes Buch, werde ich mir definitv mal zulegen. War übrigens dein Reisebericht zu Knoydart, der mein Interesse für die Gegend geweckt hat.

                    @ Ruckie: Ich fand den Abstecher zur Schlucht gar nicht so schlecht. Ist ein sehr schönes Plätzchen da unten, nur der Aufstieg um wieder auf den Weg zu kommen ist etwas mühselig.

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                    • Borderli
                      Fuchs
                      • 08.02.2009
                      • 1737
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                      #11
                      AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                      Ich hatte in Schottland schon lange kein Problem mehr mit der Sonne. Hätte ich aber gerne wieder mal, nur um zu wissen, wie das ist.
                      Dann freue ich mich schon auf Schönwetter-Fotos!

                      Das Buch liest sich übrigens sehr, sehr zäh. Wenn mich das Thema nicht so interessiert hätte, hätte ich mich nicht bis zum Ende durchgekämpft.

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                      • Hunter9000
                        Dauerbesucher
                        • 02.06.2012
                        • 679
                        • Privat

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                        #12
                        AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                        4. Tag, Dienstag 1. Mai – Von Sourlies nach Inverie
                        Einmal österreichischen Wanderer bitte. Gut durchgebraten, wenn möglich!

                        Eigentlich hatte ich ja keinen Weckdienst bestellt. Ich habe aber doch einen bekommen. Ich erwache recht unsanft, als ein Schaf über eine Abspannleine des Zeltes stolpert, sich verheddert, halb in mein Zelt stürzt und dann hektisch die Flucht ergreift. Ich kann fühlen wie mein Herz einen Satz macht, kurz aussetzt und dann panisch weiter schlägt. Na zumindest bin ich wach. Ich klettere aus dem Zelt und bewundere den traumhaften Sonnenaufgang über Sourlies. Keine Wolke am Himmel!


                        Loch Nevis von Sourlies aus. Man beachte den Himmel!

                        Rasch also Lager abbauen, Rucksack gemütlich neu packen, aufschultern und ab geht es. Da es Ebbe ist kann ich durch das Wat gehen und so eine erste kleine Kletterpartie auf einer Landzunge einfach umgehen. Außerdem schaffe ich so einige schöne Schnappschüsse vom Loch Nevis. So komme ich ins Glen Carnoch, welches der Bucht von Sourlies sehr ähnlich sieht. Jedoch scheinen die Berge hier etwas höher zu sein.


                        Glen Carnoch


                        Pass nach Inverie

                        Langsam aber sicher wird es auch ziemlich warm und ich komme gut ins schwitzen, während ich das Schwemmland des River Carnoch flussaufwärts durchquere. Da auch dieser Fluss kaum Wasser führt quere ich ihn an der erstbesten Stelle. Weiter oben gibt es zwar eine Brücke, aber egal. Als ich an dieser dann ankomme, zeigen deutliche Warnschilder, dass man sie besser nicht benützen sollte. Also war’s sogar eine gute Entscheidung zu furten.


                        Baufällige Brücke über den Carnoch


                        Warnschild an der Brücke inklusive Totenkopf (vom Schaf)

                        An den Ruinen von Carnoch geht es dann schließlich wieder bergauf. Der heutige Pass soll mich nach Inverie bringen, der einzigen größeren Siedlung auf meinem Trip (das bedeutet, die "Stadt" hat 100 Einwohner). Zugleich ist dieser Pass auch der steilste auf meinem Urlaub und mittlerweile knallt die Sonne richtig heiß vom wolkenlosen Himmel. Gestartet bin ich am Morgen im Fleece, Haube und mit Gamaschen. Es dauert während des Aufstiegs nicht lange, bis ich auf kurze Hose, Sonnenhut und T-Shirt umgestellt habe. Nun werde ich zwar nicht in meinen warmen Sachen gebacken, dafür in der Sonne gegrillt. Natürlich habe ich keine Sonnencreme eingepackt (wer denkt auch schon daran, wenn er zwei Wochen Schottland im Frühjahr bucht). Zum Glück geht der Weg schön im Zickzack nach oben, wodurch ich gleichmäßig von allen Seiten gebraten werde. Ich trinke während der fünfhundert Höhenmeter fast eineinhalb Liter Wasser und am Scheitelpunkt des Passes bin ich schließlich völlig erledigt. Zumindest entstanden in den zahllosen Rast- und Trinpausen einige nette Bilder (Positiv denken!).


                        Ruinen von Carnoch


                        Blick hinab auf Loch Nevis und die Halbinsel, welche Sourlies von Carnoch trennt

                        Natürlich war der Pass auch um einiges höher, als man ursprünglich von unten gesehen hat. Hier hilft die Karte einfach nicht, die zeigt, dass es noch weiter nach oben geht! Man sieht den scheinbaren Gipfel ja von unten (den man als Scheitelpunkt ja auch anpeilt); nur um dann festzustellen, dass es nach einem kleinen Plateau doch noch weiter rauf geht. Scheiß Psychologie! Im Ganzen brauche ich mit vielen Pausen eineinhalb Stunden nach oben, wobei ich am Ende schon im roten Bereich laufe.

                        Aber schließlich ist es doch geschafft und ab jetzt geht es für heute wenigstens nur mehr bergab. Schon bald erhasche ich einen ersten Blick auf die Bucht von Inverie. Aber dahin wird es – so wie gestern nach Sourlies – leider noch etwas dauern.


                        Blick hinab auf die Inverie Bay

                        An dieser Stelle bemerke ich auch zum ersten Mal, dass das alleine wandern zwar allgemein recht schön ist, aber ich denke auch, dass es erst dann wirklich viele erinnerungswürdige Momente gibt, wenn eine Person dabei ist, mit der man diese Teilen kann. Auch einfache Bergtouren zu Hause bleiben mir eigentlich immer dann besonders in Erinnerung, wenn ich sie mit Freunden gemacht habe.

                        Der Weg hinab in das Tal von Inverie folgt dem Fluss Allt Gleann Meadail und zieht sich mal wieder ziemlich in die Länge. Ich bin aber auch vom Aufstieg am Morgen immer noch erledigt und lege dementsprechend bald an einem schattigen Plätzchen eine frühe und verlängerte Mittagspause ein. Hier treffe ich auch das erste Mal auf andere Wanderer aus Inverie, die gerade auf dem Weg nach Sourlies sind (ich werde sie aber am Abend in der Bar in Inverie wieder treffen). Sie tragen keine Kopfbedeckung und der eine hat auch keine Haare, wodurch sein Kopf bereits eine gefährliche rote Farbe angenommen hat. Scheint ihn aber nicht zu stören.

                        Kurz bevor ich in das Tal von Inverie einbiege komme ich zu einer Engstelle des Allt Gleann Meadail und da es mittlerweile immer heißer geworden ist, beschließe ich kurzerhand eine kurze Kneipkur zu machen und eine Katzenwäsche durchzuführen. Das eiskalte Gebirgswasser bringt herrliche Abkühlung und aktiviert meine tot gegelaubten Lebensgeister.

                        Dermaßen gestärkt marschiere ich weiter zum River Inverie, überquere ihn und marschiere über eine breite Forststraße Richtung Meer, Pub und Dusche. Rasch brennt die Sonne die Kühle wieder aus meinem Körper und der Wunsch nach einem kalten Bad, einem Eis und einem eiskalten Cider wird wieder größer. Auch der dichte Wald von Inverie, durch den mich mein Weg führt, kann kaum Abkühlung bringen. Die Luft steht und es ist drückend heiß. Wo ist der schottische Wind, wenn man ihn mal braucht?

                        Nach dem Wald von Inverie erreiche ich eine asphaltierte Straße und ich sehe sogar Autos! Schock! Nun dauert es nicht mehr lange bis ich den Long Beach – den Campingplatz im Süden der Bucht von Inverie – erreiche. Es stehen bereits einige andere Zelte hier an diesem traumhaften Strand mit Ausblick über Loch Nevis und die Isle of Sky.


                        Long Beach mit Blick auf das Meer

                        Ich baue mein kleines Zelt neben den relativ großen Anlagen meiner Wanderkollegen auf (neben einem Gossamer sind aber auch alle Zelte groß) und suche das Bunkhouse auf, das sich unweit des Long Beach befindet. Angeblich darf man hier als Besucher des Long Beach duschen. Leider findet sich niemand an der Rezeption (das ist anscheinend normal). Ich gehe trotzdem erst mal duschen. Im Bad kann ich auch meinen traumhaften Sonnenbrand auf den Beinen und im Gesicht bewundern. Ich denke, ich bin knapp an einem Sonnenstich vorbei geschrammt, so rot wie ich bin. Auch als ich wieder zur Rezeption komme ist noch keiner da, also lege ich einfach die drei Pfund, die man normal dafür bezahlen soll, auf den Tresen.

                        Zum Abendessen wandere ich an der Uferstraße entlang in das „Zentrum“ von Inverie, in das Pub The Old Forge. Das Pub ist ganz nett, aber nichts besonderes, wenn man davon absieht, dass es sich um das „remotest pub on the british mainland“ handelt. Hier komme ich auch mit meinen Zeltnachbarn ins reden: Woher kommen wir, wohin gehen wir, wie lange brauchen wir dafür… Schließlich fragt einer der beiden älteren Herren, was ich den beruflich mache. Die Antwort darauf, könnte der Anfang eines Witzes sein: Treffen sich ein Astronom, ein Physiker und ein Chemiker in einer Bar! Wir reden also über das, worüber Wissenschaftler so reden: Die aktuelle Wirtschaftslage, Schulsysteme und Wanderrouten in Großbritannien und dem Festland.

                        Nach einem leckeren Abendessen und zwei Cider kehre ich an meinen Zeltplatz zurück. Angesäuselt wie ich bin sehne ich mich nach Gesellschaft. Zumal der Sonnenuntergang über der Bucht auch einfach traumhaft ist. Sowas muss man mit jemandem teilen.


                        Sonnenuntergang über der Inverie Bay

                        Dementsprechend ist auch der letzte Eintrag in meinem Tour-Tagebuch:
                        Einsam…



                        Tagesleistung laut Navi: 17.55 km
                        Gehzeit: 6 Stunden, 36 Minuten
                        Höhenunterschied: 647 m
                        Maximales Gefälle: 25 %
                        Minimales Gefälle: -17 %

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                        • Mario294
                          Erfahren
                          • 11.12.2011
                          • 270
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                          #13
                          AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                          Sehr schöne bilder .
                          Dass mit Schottland muss ich mir noch mal überlegen
                          freu mich auf die fortsetzung lass uns nicht so lange warten
                          gruß mario

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                          • weserwolf
                            Erfahren
                            • 02.09.2008
                            • 107
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                            #14
                            AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                            Sehr schön

                            Das mit Einsam und jemandem teilen kann ich sehr sehr gut nachvollziehen. Wir sind zwar meist "zu zweit allein", aber mir fehlt immer die "Gruppe" mit der man das Erlebte teilen kann! War früher anders, seufz ... Auf unserer ersten Schottlandtour waren wir zu sechst ...

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                            • Hunter9000
                              Dauerbesucher
                              • 02.06.2012
                              • 679
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                              #15
                              AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                              @ Wolf: Zu zweit wandern finde ich im allgemeinen am angenehmsten. man hat einen Ansprechpartner, muss aber nicht dauernd auf irgendjemanden warten der muede ist, pinkeln muss, Fotos macht oder sich am Popo kratzt. Sechs Leute waeren mir eindeutig zu viel und da wuerde ich mich rasch absetzen.

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                              • weserwolf
                                Erfahren
                                • 02.09.2008
                                • 107
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                Wenn's so war haben wir 2 3er-Gruppen gebildet

                                Wir sind allerdings nicht "nur" zu Fuß unterwegs gewesen sondern hatten eine Blockhütte als Standquartier. Waren 3x wandern (Tagestouren) (2x als 6er-Gruppe, 1x als 2x 3er-Gruppe) und sind ansonsten mit der (den) Autos herumgefahren.

                                Und in einer großen Gruppe bekommt man nicht so schnell einen "Lagerkoller" finde ich ...

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                                • Hunter9000
                                  Dauerbesucher
                                  • 02.06.2012
                                  • 679
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                  5. Tag, Mittwoch 2. Mai – Von Inverie nach Kinloch Hourn
                                  Lauf, kleiner Wanderer! Lauf!

                                  Wieder ein Tag, den man in 2 Teilen betrachten muss. Nachdem der dritte Tag scheiße begonnen hat und gut geendet ist, muss es ausgleichsmäßig natürlich auch einen Tag geben, bei dem es genau umgekehrt ist.

                                  5. Tag, 1. Akt – Von Inverie zu dem kleinen Sandstrand am Loch Hourn
                                  (57° 06' 2.66'' N 05° 28' 29.69'' W)

                                  Ich wache an diesem Tag erst um acht auf – hier gibt es auch keinen Weckservice. Es stellt sich die Frage ob mich der Cider von gestern so k.o. macht, der anstrengende Aufstieg, oder der heftige Sonnenbrand. Egal, es dauert heute bis ich in die Gänge komme, zumal es wieder ein sehr heißer Tag zu werden scheint. Na zumindest ist meine Tagesroute heute nicht allzu lange (soweit war zumindest die Idee).

                                  Aber auch als ich um kurz nach neun aufbreche, sind die meisten anderen noch in ihren Zelten. Auch der Ranger war noch nicht da, um den kleinen Obolus für den Long Beach einzusammeln. Also werfe ich das Geld in die entsprechende Box und wandere los. Auf dem Weg den ich gestern in die Stadt gekommen bin, verlasse ich sie wieder.


                                  Weg hinaus aus Inverie

                                  Ein Forstweg bringt mich durch den Wald von Inverie, durch das weite Tal des River Inverie und am Loch an Dubh-Lochain vorbei. Hinter diesem kleinen See beginnt der Aufstieg zum 480 Meter hohen Mam Barrisdale. Dieser Pass soll mich in die Bucht von Barrisdale bringen, meinem angestrebten Tagsziel (angeblich gibt es dort einen weiteren sehr schönen Lagerplatz am Meer). Obwohl es auch heute sehr heiß ist, ist der Aufstieg leichter als gestern. Es ist deutlich weniger steil und ein schöner Trampelpfad führt bis an die Spitze.


                                  Loch an Dubn-Lochain


                                  Mam Barrisdale

                                  Auf dem Gipfel mache ich meine frühe, lange Mittagspause und genieße die Aussicht hinab auf den See und hinüber in die Bucht von Barrisdale. Außerdem kann ich so die drei Rettungshubschrauber bewundern, die während meiner Mittagspause verirrte und verausgabte Wanderer von den umliegenden Gipfeln einsammeln.


                                  Blick hinab nach Barrisdale

                                  Rasch geht es hinab nach Barrisdale, einer hübschen, von Bergen eingeschlossenen Bucht. Auch auf dieser Seite ist der Weg leicht zu begehen und viel zu schnell bin ich unten im Tal. Hier befindet sich eine kleine Farm, ein Bunkhouse und eine ausgeschriebene Wiese (weitab vom Meer), auf der man campen darf. So habe ich mir das eigentlich nicht vorgestellt. Ich mache erst mal eine Stunde ein Nickerchen in der Sonne und pflege so meinen Sonnenbrand an den Armen.


                                  Hirschherde am Meer von Barrisdale

                                  Nach einer Stunde wandere ich weiter. Der Pfad bringt mich an das Ufer von Loch Hourn und ich folge dem Meeresarm Ostwärts. An einer am Ufer grasenden Hirschherde vorbei gehe ich staunend weiter. Ich habe das Gefühl am Mittelmeer zu sein. Das Wasser ist kristallklar, der Himmel wolkenlos blau, das Ufer des Lochs von Sandstränden eingesäumt.


                                  Sandstrand am Loch Hourn


                                  Loch Hourn

                                  Wäre das Wasser nicht so eiskalt, würde ich sofort rein springen und Baden gehen. So beschränke ich mich auf staunen und Fotos machen. Das aber so sehr, dass ich meine Abzweigung in die Berge hinauf verpasse und wieder einen halben Kilometer zurück gehen muss. An einer alten Ruine vorbei muss ich wieder ein paar Höhenmeter machen. Aber immer noch marschiere ich nach Osten am Loch entlang und kann weiter Fotos knipsen – diesmal halt von weiter oben.


                                  Loch Hourn vom Ufer aus


                                  Loch Hourn von "oben"

                                  Als ich an einer kleinen Landzunge vorbeikomme, neben der ein Bach über einen kleinen Wasserfall in den Loch Hourn mündet, ist für mich klar, dass das hier mein Lagerplatz wird. Ich schlage mein Zelt auf, mache es mir gemütlich, wasche mich an meinem Wasserfall und meine dreckige, durchschwitzte Hose gleich mit.


                                  Mein gemütlicher Lagerplatz

                                  5. Tag, 2. Akt – Von dem kleinen Sandstrand am Loch Hourn nach Kinloch Hourn

                                  Nachdem das alles gemacht ist, aber noch vor dem Essen, will ich meiner Freundin meine tägliche SMS mit meinen Standortkoordinaten schicken. Also SAT-Handy einschalten, warten. Kein Empfang. Wie, kein Empfang? Ich lasse noch einmal nach Satelliten suchen; mit dem gleichen Ergebnis. Ich schnappe also mein Handy und wandere etwas weiter den Pfad entlang in der Hoffnung eine Stelle zu finden, an der ich senden kann. Aber auch nach einer fünfzehn Minuten gibt es keine Besserung. Also zurück ins Lager, nachdenken und dann zurück in Richtung Barrisdale geeilt. Nach einer halben Stunde zeigt sich auch hier keine Besserung. Aber ich sehe einen Hügel, der sich vielleicht erklimmen lässt. Ich kraxle durch das Hochmoor rauf, soweit ich kann. Völlig erschöpft erreiche ich ein kleines Plateau, wo ich abermals mein Handy austeste. Wieder vergebens. Jetzt bin ich fast so weit das Teil in die Highlands zu werfen. Ich packe die Karte aus und sinniere. Anscheinend brauche ich nach Süden hin einen flacheren Hoizont. Der nächste Platz, an dem ich nach Süden freies Sichtfeld habe, ist erst in Kinloch Hourn.

                                  Ich klettere den ganzen Hügel wieder runter (wobei ich einige Male fast stürze) und kehre ins Lager zurück. Mittlerweile ist es 19:30h, um 21:30h wird es dunkel. Das muss doch zu schaffen sein!

                                  In 30 Minuten gelingt es mir alles zusammenzupacken (neuer Rekord) und nebenbei auch noch zwei Reserve Müsliriegel zu verdrücken. Den Rucksack fest geschnallt und die Trekkingstöcke am Schwerpunkt gepackt, beginne ich im Schweinsgalopp die fünf Kilometer nach Kinloch Hourn zu joggen. Meine Ausbildner in der Armee wären stolz auf mich gewesen. Natürlich kommt der beschissenste Abschnitt des heutigen Weges genau jetzt! Es geht viel auf und ab, über Stock und Stein und durch viel Heidekraut.

                                  Ich versuche ein Mittelmaß zwischen Tempo und Trittsicherheit zu finden. Irgendwo zwischen den beiden Jagdhütten Runival und Skiary verliere ich dann auch noch meinen geliebten Wanderhut, den ich mir zuvor um eine Hand gebunden hatte. Naja, jetzt liegt er irgendwo am Ufer des Loch Hourn oder dient einem anderen Wandersmann.

                                  Um Punkt 21:30h biege ich um die letzte Kurve, die mir den Blick auf Kinloch Hourn verwehrt hat. Kaum sehe ich die drei Gebäude des Ortes, springt mein SAT-Handy auf vollen Empfang. Ich schicke die SMS ab und völlig fertig baue ich direkt neben der Straße mein Zelt auf. Eine heiße Suppe geschlürft (damit ich irgendetwas Warmes an dem Tag zu mir genommen habe), ein letztes Foto gemacht und dann ab in den Schlafsack. Heute bin ich wirklich kaputt.

                                  Tagesleistung laut Navi: 21.6 km (+5.4 km Nachtlauf)
                                  Gehzeit: 7 Stunden, 54 Minuten (+ 1 Stunde 30 Minute Nachtlauf)
                                  Höhenunterschied: 681 m (+ x-Meter Nachtlauf)
                                  Maximales Gefälle: 30 %
                                  Minimales Gefälle: -28 %

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                                  • weserwolf
                                    Erfahren
                                    • 02.09.2008
                                    • 107
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                    Shit ...

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                                    • Kris
                                      Alter Hase
                                      • 07.02.2007
                                      • 2812
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                      Schöne Ecke, schöner Bericht. Danke, so long.

                                      Zitat von Hunter9000 Beitrag anzeigen
                                      Nachdem das alles gemacht ist, aber noch vor dem Essen, will ich meiner Freundin meine tägliche SMS mit meinen Standortkoordinaten schicken. Also SAT-Handy einschalten, warten. Kein Empfang. [...]
                                      Was hat man früher nur ohne den Kram gemacht!?
                                      „Barfuß am Leben ist auch was wert.“ - Kasperl

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                                      • Hunter9000
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                                        • 02.06.2012
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                                        #20
                                        AW: [UK] Schottland - Knoydart im Frühjahr 2012

                                        Natürlich geht es auch ohne Satellitenhandy. Meine Freundin verpflichtete mich allerdings eines zu mieten und mit zu nehmen. Man trifft doch nicht so viele Leute da draußen, die einen helfen könnten. War von der Idee her ja auch für mich etwas beruhigend. Ein Knöchel ist doch schnell gebrochen und dann hat man den Salat.

                                        War aber von der Leistung des Geräts sehr enttäuscht und im Endeffekt hat es mehr Ärger bereitet als geholfen.

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