[EE] Hiiumaa: 5 Tage allein über Estlands zweitgrößte Insel

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  • Biberato
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    [EE] Hiiumaa: 5 Tage allein über Estlands zweitgrößte Insel

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    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250731_160135579.jpg Ansichten: 0 Größe: 725,8 KB ID: 3343147
    Vorgeschichte
    Gerade aus Afrika zurück, bietet sich mir die Gelegenheit, nach Estland zu reisen. Resturlaub habe ich reichlich und so plane ich ein paar Tage. Ich buche die Flüge, als ich noch nicht genau weiß, wo genau im Land ich wandern werde. Die Reise wird (aus äußeren Gründen, aufgrund derer ich überhaupt dorthin reise) von Mittwoch bis Mittwoch gehen. Ich bin auf der Suche nach mehrtageswanderungsfähigen Wegen schnell auf Hiiumaa, Estlands zweitgrößte Insel, gestoßen. hiking.waymarkedtrails.org zeigt hier schön den Wanderweg Heltermaa-Ristna-Sarve haru an, der 234 Kilometer über die Insel führt. Der Weg ist weiß-grün-weiß markiert und führt letztlich weiter durch das ganze Land bzw. wurde erst vor einigen Jahren auf der Insel fortgesetzt. Ich schaue mir auch noch den hügligeren Süden des Landes an, plane dort eine eigene Tour, entscheide mich aber doch für die Insel. Zelten ist im Land grundsätzlich erlaubt, Schutzgebiete aber sind tabu. Ein fairer Deal. Ich werde unter Berücksichtigung der Reise von Tallinn nach Hiiumaa etwa 5,5 Tage Zeit zur Verfügung haben und nehme je Wandertag etwa 30 Kilometer Strecke als machbar an. Bergig ist es auf der Insel nicht, vielleicht etwas mühsam an Strandpassagen zu gehen. 1:1 wird das Ganze nicht aufgehen, wie anhand der am Ende gelaufenen Strecke zu sehen ist:
    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Karte.jpg Ansichten: 0 Größe: 308,6 KB ID: 3343149
    Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA)​​

    Meine Ausrüstung ist vorhanden und erprobt. Neu für mich ist eine Weitwanderung nur mit Trailrunnern (Decathlon MT3 Trail) und Gas muss ich wegen der Flüge vor Ort kaufen. Das kann ich im Vorfeld organisieren. Essen bringe ich (plus Reserve) für so viele Tage mit, bis mich meine Planung zu einem Supermarkt führen wird. Zuvor werde ich nach Plan auch an Lokalen vorbeikommen und dort essen. Letztlich ist alles zivilisationsnah, im schlimmsten Fall laufe ich zu der nächsten Straße und rufe telefonisch ein Taxi.

    Die Tour plane ich im Wesentlichen vier Tage dem Wanderweg folgend, bevor ich westlich davon abschwenken und den Flughafen wieder ansteuern muss, um den für den Abend vor Rückreise aus Tallinn gebuchten Flug von der Insel zu erreichen. Nicht passen wird nämlich voraussichtlich, den Flug am Morgen von der Insel zu nehmen. Das gilt auch für die Hinreise, die ich erst am Morgen nach Ankunft in Tallinn antreten kann.
    Es gibt auch eine Busverbindung von Tallinn auf die Insel, ich verspreche mir durch den kurzen Flug, die Zeit optimal ausnutzen zu können.


    Tag 1: Anreise nach Estland
    Meinen Trekkingrucksack packe ich in Folie ein, dafür hat die Mitarbeiterin am Schalter erkennbar kein Verständnis. Ich mache das trotzdem. Zufrieden mit dem Ergebnis bin ich aber nicht. Der Airbus A321 der Lufthansa ist von der Ausstattung kein Vergleich zum A320 von RwandAir ein paar Wochen zuvor: Die Sitze in der Economy-Klasse sind ein Witz (insbesondere kaum gepolstert), selbst die Business-Klasse macht eher den Eindruck der Economy der afrikanischen Airline. Nicht mal Displays in den Vordersitzen gibt es. Als Verpflegung inklusive ist nur eine kleine Schokolade. Alles andere kostet extra. Kuchen sind bereits beide aus – für die verständnisvollen Flugbegleiter ohne Nachfrage absolut normal. Die Chance auf Kuchen sei „besser“, wenn man vorbestelle. Aber auch nicht garantiert. Bei über 400 EUR je Ticket für mich ein Unding. Auch hier war RwandAir weit besser, Verpflegung gab es immer, und zwar inklusive. War allerdings auch ein Interkontinentalflug und nicht innerhalb Europas.
    Wir landen ein paar Minuten verspätet. Es ist mit 26 Grad sehr warm. Bis das Aufgabegepäck ankommt, vergeht einige Zeit.

    Meine Unterkunft für die Nacht ist ein Hostel nahe des Flughafens, das ich für 54 EUR vorab reserviert hatte. In meinem Fall belege ich das Zweibettzimmer allein. Zusammen mit einem weiteren Zimmer teilt man sich ein Bad mit Dusche und Toilette. Alles ist einwandfrei sauber. Das andere Zimmer ist nicht belegt, so dass ich das Bad auch für mich allein habe. Die freundliche Rezeptionistin bringt mich hoch und weist auf die Temperatur durch Sonneneinstrahlung heute hin, deshalb habe sie das Fenster schon gekippt. Das ist nett, half aber nur bedingt, es ist sehr warm. Zum Essen gehen empfiehlt sie mir das nahe Einkaufcenter. Ich lasse meine Sachen hier, und gehe nach einem Blick auf Google Maps dorthin. Die Auswahl ist groß. Eigentlich hatte ich Burger im Sinn, komme dann aber an dem kleinen Laden Poke Bowl vorbei. Hier wähle ich das vegetarische Gericht, eine Erbsen-Tempeh-Bowl. Es schmeckt lecker und gesünder hätte ich wahrscheinlich kaum vor den nächsten Tagen essen können. Auf dem Rückweg zum Hostel setze ich mich noch in einen Park und freue mich auf die kommenden Tage.
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    Es ist kurz vor 21 Uhr Ortszeit, eine Stunde später als zu Hause. Für die Nacht schlafe ich nur mit Unterhose und dem großen Handtuch, es ist so warm im Zimmer. Die Verdunklung ist mäßig, der Sonnenaufgang früh, weshalb ich mit Schlafmaske schlafe. Zwar dauert es ein wenig, aber im Ergebnis schlafe ich ganz gut ein.

  • Biberato
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    #2
    Tag 2: Anreise nach Hiiumaa und erster Tag zu Fuß
    Die Nacht endet um 5:30 Uhr sehr früh. Kurz nach dem Aufstehen sehe ich die in der Nacht angekommene Nachricht der Airline, dass der Flug nicht um 7:30 Uhr, sondern erst um 9:05 Uhr starten wird. Ich hätte gerne länger geschlafen und die Info nur zwei Stunden früher und damit vor dem Zubettgehen benötigt. So lege ich mich einfach nochmal für eine Stunde hin. Nach dem zweiten Aufstehen dusche ich und packe die wenigen Sachen zusammen. Den Flughafen erreiche ich wieder zu Fuß. Dort ein Schock: Ein Mitarbeiter am Schalter teilt mir mit, die Check-in-Zeit für das Aufgabegepäck sei von der Verspätung unabhängig und der Check-in bereits geschlossen. Ich soll aber zu einer anderen Kollegin gehen. Diese checkt den großen Rucksack ein, nachdem ich ihn wieder in Frischhaltefolie eingewickelt habe und stellt in Aussicht, dass das Gepäck mit an Bord kommen werde. Ein mulmiges Gefühl bleibt aber. Durch die Sicherheitsschleuse komme ich schnell und finde das Gate problemlos. Jetzt heißt es noch ein wenig warten, bis man runter auf das Vorfeld zum Bus darf, der zu dem kleinen Flieger fährt.
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ID: 3343592
    Am Flugzeug angekommen, geht alles flott. Die Maschine ist mit geschätzt 25 Passagieren besetzt. Ich hatte in der Konfiguration 1-2 den Einzelsitz in der zweiten Reihe gebucht. Dort ist die Raussicht eingeschränkt, was die Flugbegleiterin offenbar weiß und mir und den beiden anderen Passagieren der Reihe anbietet, einfach in die leere Reihe dahinter zu wechseln. Sehr aufmerksam und freundlich! Der Flieger macht einen alten Eindruck, wahrscheinlich fliegt die Maschine immer die Route Tallinn - Kärdla. Laut ist sie mit ihren beiden Propellern noch dazu.

    Beim Start werde ich kräftig in den Sitz gedrückt und schnell haben wir die niedrige Reiseflughöhe erreicht, aus der ich einen Eindruck von dem grünen Land gewinnen kann. Verpflegung: Ein Bonbon, ich hatte auf dem Flug für 34 EUR je Strecke nicht mehr erwartet. Bald schon geht es wieder in den Landeanflug und nach weniger als 30 Minuten landen wir in Kärdla. Hier läuft man von der Maschine ins Flughafengebäude. Die wenigen Aufgabegepäckstücke werden direkt in den Raum gefahren, in dem wir das Gebäude betreten. Das aber wusste ich natürlich nicht und schaue zuerst nach einem Hinweis für die Gepäckabholung und Frage dann einen der Mitarbeiter, der mich über den überschaubaren Ablauf hier aufklart. Mein Rucksack ist auch dabei, ich bin erleichtert. Vor dem Flughafengebäude wartet der Bus nach Kärdla, sehr schön, dass hier offenbar die Verspätung unkompliziert berücksichtigt wird. Die Fahrt kostet 2 EUR und der Fahrer sagt mir, wo ich für mein Ziel Baumarkt aussteigen muss. Dort möchte ich die vorab geklärte Gaskartusche zu kaufen. Den kleinen Faltrucksack fürs Handgepäck leere ich flott, mittlerweile hat er schon zwei Löcher an den Nähten. Abwarten, ob er den Rückflug nach Deutschland überlebt. Von der Bushaltestelle im Ort laufe ich zum Baumarkt. Nach gut einem Kilometer angekommen, weist mir die Kassiererin den Weg. Dort steht aber nicht die vorab per Mail mitgeteilte Kartusche mit 230 Gramm Inhalt. Sie verstand schon meine auf Englisch gestellte Frage zum Standort nicht, mir erscheint deshalb eine Nachfrage zwecklos. Es stehen aber auch andere Kartuschen dort, mit passend erscheinenden Schraubverschlüssen, so dass ich einfach die Kartusche mit 175 Gramm Inhalt kaufe. Die Wahl sollte für gut fünf Tage passen. Vor dem Baumarkt teste ich die Funktion erfolgreich und gehe dann zum Supermarkt. Hier kaufen ich drei Bananen, drei Zimtschnecken und eine Paprikatasche sowie eine Literflasche Wasser. Vor dem Supermarkt schmiere ich mich mit Sonnencreme ein und esse dann die erste Banane. Los geht es also!

    Die Stadt lasse ich schnell hinter mir. Auf dem Weg komme ich an einem Toilettenhäuschen vorbei, was mir gelegen kommt. Sehr niedlich eingerichtetes Plumpsklo, Teppich inklusive.
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ID: 3343588

    Die letzten Gebäude weichen dem teils endlos erscheinenden Wald. Meist sind es Nadelbäume, ganz überwiegend Kiefern, und der Boden ist mit Wacholder übersäht. Die Wege sind meist Singletrails. Meine Planung orientiert sich an dem durch ganz Estland verlaufenden Fernwanderweg, markiert durch einen weißen, darunter je einen grünen und noch einen weißen Streifen. Auf Hiiumaa startet der Weg am Hafen, die erste Etappe verläuft aber meist auf befestigten Wegen, was ich bewusst überspringe, denn auch im zweiten Teil auf der Insel muss ich vom Weg abweichen, weil ich nicht genug Zeit für die ganze Tour haben werde. So bleiben mir aber die nach Kartenlage schönsten Abschnitte. Ausnahme dürfte eine für mich entfallende Durchschreitung eines Moores sein, für die ich im Internet las, man laufe teils knietief. Das wäre spannend gewesen.
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ID: 3343587

    Die schönen Wege heute machen oft den Eindruck, dass hier nicht viel Leute wandern, so zugewachsen sind sie. Tatsächlich begegne ich am ganzen Tag auch nur einem Wanderpärchen. Hier weiß ich noch nicht, dass dies die einzige Begegnung mit Menschen auf den Wanderwegen während der gesamten Tour bleiben wird. Mal gehe ich zwar auch kurze Abschnitte auf zweispurigen Schotterwegen oder auch sehr kurz an einer asphaltierten größeren Straße entlang, das ist aber zu vernachlässigen. Irgendwann komme ich am Meer an und freue mich über die Aussicht. Auf einmal laufe ich einen Hügel hoch und stelle fest, dass das gar keiner ist: Hier sind Reste einer sowjetischen Verteidigungsanlage zu sehen, darunter offenbar ein Bunker. Ich sehe auf Komoot nach und dort wurde ein offener Eingang fotografiert. Der Ort stimmt aber nicht genau, schnell stehe ich dennoch davor.
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ID: 3343589

    Ein Gitter ist aufgeklappt, ein Schild alt und nicht mehr lesbar.
    Mit Stirnlampe gehe ich rein, nachdem ich nach Hause einen Standpunkt gesendet habe, damit im Zweifel klar ist, wo ich bin.
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    Ein langer Gang führt in den gar nicht so kleinen Bunker. Viele Räume, wenig bereits überwiegend zerfallene Einrichtung. Ich belassen es bei einer schnellen Tour, immer vorsichtig besonders auf Kopfhöhe und am Boden. Richtig so: Es geht offenbar noch eine Etage tiefer, da steht eine Leiter im Loch, geschätzt 3-4 Meter tief. Das lasse ich allein natürlich aus und gehe wieder über denselben Gang raus. Es gibt auch einen zweiten Gang nach draußen, aber der sieht länger aus und ich weiß nicht, ob dort das Gitter außen vielleicht verschlossen ist.

    Weiter geht es, immer mal wieder an der Küste entlang, im Wesentlichen gegen den Uhrzeigersinn, bis der am Nordende der Insel stehende Thakuna-Leuchtturm in Sichtweite kommt. Benannt nach der Halbinsel, auf der ich heute unterwegs bin.

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    Auf dem Weg laufe ich entfernt an einem weiteren Teil der früheren Befestigung vorbei. Am Leuchtturm frage ich im Café (es ist eher die Kasse mit ein paar Kleinigkeiten und Souvenirs) erfolglos nach einem Kuchen, nehme dann einen Kaffee und darf meine mitgebrachten Zimtschnecken dort essen. Hoch geht es auf den Turm, von hier gibt es eine schöne Aussicht auf die nördliche Halbinsel Hiiumaas. Am Dach des Leuchtfeuers brüten ganz viel Schwalben oder Mauersegler, die eifrig ihrem Nachwuchs Futter bringen.
    Die Infotafeln im Leuchtturm lasse ich aus Zeitgründen ungelesen. Unten gibt es ein paar Erläuterungen zur Halbinsel, die ich bei einer Limo überfliege. Die Verkäuferin erlaubt mir, aus einem Tank Wasser mitzunehmen, Leitungswasser gibt es hier offenbar nicht. Vom Leuchtturm gehe ich zum nahen Denkmal an die vom Untergang der Estonia 1994 betroffenen Kinder. Hier ist der nächste Punkt zur Unglücksstelle auf estnischem Boden. Einer Infotafel zufolge hat keines der Kinder an Bord das Unglück überlebt, Wikipedia gibt von 15 Kindern unter 15 Jahren einen überlebenden Jungen an. Insgesamt werden mir wieder die Dimensionen dieses Unglücks bewusst, das nur sehr wenige Passagiere überlebt haben.
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    Weiter geht es dann die Westküste entlang. Aus einem Reddit-Bericht der Tour wusste ich bereits, dass es viele Spinnen geben solle. Und das stimmt. Richtig große Netze mit passend großen Spinnen sehe ich die ganze Zeit. Ich kann nicht jedes Mal ausweichen und so nehme ich teilweise einfach meine Wanderstöcke vors Gesicht und laufe durch. Das tut mir wirklich jedes Mal leid, aber die schiere Masse kann ich nicht umgehen. Eine in den Karten des Walddienstes verzeichnete saisonale Wasserquelle führt kein Wasser. Das hatte ich anders erwartet, nachdem auf der Ostseite der Insel insgesamt die Bäche ganz gut Wasser führten. Zum Glück hatte ich darauf nicht gesetzt und am Leuchtturm Wasser bekommen. Die Wege sind teils kaum zu sehen und irgendwann erreiche ich einen Feuerplatz im Naturschutzgebiet.
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ID: 3343594

    Hier darf man auch zelten, ich entscheide mich aber dagegen, weil ich auf jeden Fall eine ruhige Nacht haben möchte und später ankommende andere Besucher – in Dänemark letztes Jahr besonders gerne mit dem Auto – ein 'Risiko' wären. Nett ist auf jeden Fall, dass hier zwei Großflaschen mit je 5 Litern Trinkwasser stehen. Auch scheint es in Estland üblich, dass diese öffentlichen Feuerstellen mit Holz ausgestattet sind. Ganz offensichtlich möchte man den Bürgern den Besuch des Waldes nahebringen. Bei uns läuft das meiner Wahrnehmung nach eher umgekehrt. Auf einer Infotafel wird auf die App des Walddienstes RMK hingewiesen, die ich installiere und sogar auf Englisch umstellen kann: hervorragend!

    In der App sehe ich auch, wo das Naturschutzgebiet endet und damit nach dem Free-to-roam Grundsatz legal im Wald gezeltet werden darf. Ich muss ein wenig suchen, denn auch hier sind die Böden überwiegend stark bewachsen. Irgendwann habe ich aber Glück und kann mein Zelt halbwegs eben aufbauen. Anders als sonst bereite ich aber innen noch nichts vor, denn das Zelt will ich wegen der Masse an Mücken so selten wie möglich aufmachen. Den ganzen Tag über waren die schon lästig (teils mehr die Bremsen), hier ist das aber auf einem anderen Level. Ich esse also erst, putze die Zähne, bevor ich ins Zelt gehe. Dort baue ich wie gewohnt auf, nur erwarte ich eine warme Nacht und lasse den Quilt deshalb an der Fußbox und den Seiten offen. Hier spielen sich die Vorteile gegenüber einem Schlafsack aus. Dann schreibe ich noch diese Zeilen, bevor ich mich um 23:40 Uhr schlafen lege. Es fängt an zu regnen, perfektes Timing.

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    Tagesbilanz: 38,04 Kilometer, 239 Meter An- und 217 Meter Abstieg, 10:17 Stunden Gesamtzeit mit Pausen

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    • Ljungdalen

      Alter Hase
      • 28.08.2017
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      #3
      Zitat von Biberato Beitrag anzeigen
      Der Flieger macht einen alten Eindruck, wahrscheinlich fliegt die Maschine immer die Route Tallinn - Kärdla.
      So gut wie, normalerweise zweimal täglich hin und zurück. Manchmal aber auch nach Kuressare auf Saaremaa (a.k.a. Ösel), zuletzt am 2. August, und z.B. im Herbst 2024 auch ein paar Mal nach Visby auf Gotland. Ja, relativ alt, eine Saab 340A, Baujahr 1988. Aber für diese Art Flugzeuge noch völlig normal & OK.

      (Quelle: Flightradar24)

      Ansonsten schöner Bericht, ich lese gern mit. Da will ich auch mal hin. (Obwohl vllt. eher nicht wandern. Ggf. Rad?)

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      • Biberato
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        • 09.07.2023
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        • Meine Reisen

        #4
        Ljungdalen:
        An eine Recherche dazu hatte ich gar nicht gedacht, danke. Das Flugzeug fühlte sich auch nicht unsicher an, sonst wäre ich nicht wieder damit zurückgeflogen und hätte einfach den Bus genommen.

        Rad auf dem Weg geht teilweise, ist aber an einigen Abschnitten von der Wanderwegführung getrennt. Am letzten Tag waren die Schilder dazu deutlich als Verbot für Radler auf einem Abschnitt formuliert, ansonsten habe ich das eher als Anregung wahrgenommen. Vielfach sicher eine Frage, was man als fahrbar empfindet.

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        • Biberato
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          #5
          Tag 3: zweiter Tag zu Fuß
          Meinen Wecker hatte ich auf 8 Uhr gestellt, bin aber um kurz nach 7 Uhr bereits wach. Mit beginnender Morgendämmerung hatte ich die Schlafmaske aufgesetzt. Als dann wieder leichter Regen einsetzt und die App den bis 8:05 Uhr vorhersagt, lege ich mich nochmal hin. Insgesamt habe ich ganz gut geschlafen, auch wenn ich immer wieder wach geworden bin. Als ich dann aufstehe, höre ich draußen ein Eichhörnchen die Bäume hochlaufen. Das Regencover des Zelts ist noch nass, der Regen hat aber wie angekündigt aufgehört. Ich wische alles mit einem Tuch etwas trocken, packe das Cover aber außen in die Mesh-Tasche des Rucksacks, damit der Inhalt nicht nass wird. Als alles verstaut ist, frühstücke ich. Los komme ich so erst gegen 10:30 Uhr. Das sollte kein Problem werden, weil ich nicht so weit wie gestern noch laufen will. An meinem kleinen Zeh des linken Fußes spüre ich eine Druckstelle, was ich mit den Trailrunnern meist hatte. Vielleicht hätte ich mich darum kümmern sollen, nur auf den Tagestouren war das nie problematisch, weil da eigentlich immer ein Ruhetag auf die Wanderung folgt. Heute habe ich deshalb vorsorglich ein Pflaster aufgeklebt. Nach der Morgentoilette geht es dann auf zum zweiten Tag.

          Den eigentlichen Wanderweg hatte ich nur kurz zur Suche nach dem Zeltplatz verlassen und bin so auch nach wenigen Minuten wieder auf Kurs. Heute sind die Wege öfter zweispurig, aber oft dennoch mit natürlichem Untergrund: mal Sand, mal mehr Erde, oft mit Nadeln der Bäume. Das Gehen macht so meist Spaß.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_110107707.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,06 MB ID: 3344385

          Abschnittsweise geht es durch sehr sandiges Gebiet, hier ist es anstrengender. Das das betrifft besonders das Pihla-Kaibaldi looduskaitseala, ein Schutzgebiet, das verschiedene Landschaften aus Sanddünen im Wald und auch unterschiedliche Moore und Sümpfe umfasst.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_113628852.jpg Ansichten: 0 Größe: 700,2 KB ID: 3344393 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_115602709.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,07 MB ID: 3344387 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_121915454.jpg Ansichten: 0 Größe: 788,2 KB ID: 3344383

          So komme ich auf dem Weg auch durch ein Moor, meine Füße sind klatsch nass. Durch die Trailrunner drückt sich das Wasser aber gut wieder raus, auch wenn die Füße feucht bleiben. Bei knapp unter 20 Grad macht das aber nichts. Ob das aber dem Zeh mit Druckstelle gefallen wird? Nach gut 11 Kilometern mache ich eine Pause, esse und trinke. Auch zum Schutz vor den weiterhin ständig begleitenden Mücken, Bremsen und Fliegen ziehe ich meine Windjacke über und setze die Kapuze auf. Vor dem Weitergehen sprühe ich auch meine Arme und meinen Hals mit Insektenschutz ein. Besonders mein linker Arm ist schon sehr zerstochen. Spinnen gibt es bisher heute keine, jedenfalls keine Netze quer über dem Weg. Dafür sind hier um das Moor einige Frösche, die bei meinem Ankommen zur Seite springen.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_133848109.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,07 MB ID: 3344386

          Jetzt kommen vermehrt nicht so schöne Wege mit zwei Spuren aus Schotter. Irgendwann setzt auch zunächst leichter Regen ein. Meine Hoffnung, vor dem Nasswerden die nahe Hütte des RMK zu erreichen, erfüllt sich nicht. Zu stark ist der Regen, so dass ich den Poncho für wenige Minuten überziehen muss. Die Hütte ist schön, ein Schlafplatz, ein Kamin, Kochutensilien, Bank und kleiner Tisch. Draußen ein Brunnen. Ich hänge draußen mein Außenzelt zum Trocknen auf die Veranda (trotz der hohen Luftfeuchtigkeit), ziehe meine nassen Schuhe und Socken aus und lasse diese ebenso wie den Poncho unter dem Abdach trocknen. Am Zeh hat sich eine dicke Blase gebildet. Das hatte ich seit Jahren und vielen tausend Wanderkilometern nicht mehr. Das Pflaster klebte auch an der falschen Stelle, den Druck oder die Reibung habe ich wohl falsch verortet. Die Füße lassen ich trocknen, trinke bereits jetzt meinen Kaffee und esse die verbliebene Zimtschnecke, bevor ich nach Blick auf die Wetterapp, die bis 16:30 Uhr leichten Regen erwarten lässt, entscheide, bis dahin abzuwarten. Ich habe bis zum Gebiet für die angedachte Übernachtung noch etwa 14 Kilometer vor mir, das dürfte ich in drei Stunden schaffen und damit vor 20 Uhr. Dann blieben vor Sonnenuntergang weitere gut 1,5 Stunden.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_164620824.jpg Ansichten: 0 Größe: 829,6 KB ID: 3344384

          Dass diese Planung nicht aufgehen wird, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Mit Windjacke geht es weiter, nachdem es ein wenig abgekühlt ist. Zuerst laufe ich auf einem schönen Weg an einer idyllisch gelegenen Hofstelle vorbei an der aktuell eine Windmühle gebaut wird.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_165618838.jpg Ansichten: 0 Größe: 532,2 KB ID: 3344388

          Der Weg bleibt zwar zweispurig, aber vorerst noch schön.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_172013217.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,18 MB ID: 3344391

          Das ändert sich erst, als ich in ein in der App des RMK nicht standardmäßig angezeigtes Schutzgebiet komme. Dessen Existenz habe ich nur aus dem Hinweis zu einer Feuerstelle schließen können, der auf ein deshalb bestehendes Verbot des Zeltens verwies. Die Wege hier sind grausig: Schnurgerade durchschneiden sie breit geschottert das Gebiet. Wenn der markierte Weg mal davon abweicht, stehen Gras und Farn so hoch, dass alles bis über die Knie nass wird. Denn auch wenn der Regen aufgehört hatte, ist die Luft so feucht, dass das Gras nicht abgetrocknet ist. Ich wünsche mir einen Mittelweg zwischen Waldautobahn und kaum erkennbaren Weg/Pfad.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_174607294.jpg Ansichten: 0 Größe: 948,2 KB ID: 3344392 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_180728245.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,02 MB ID: 3344390

          Wahrscheinlich habe ich hier irgendwo einen Hinweis verpasst: Als ich mich an einer Stelle umschaue, sehe ich den ausgewiesenen Weg für Wanderer (teilweise werden Wanderer und Radler getrennt voneinander geführt) in den Wald geführt und nicht über den breiten Weg, den ich gekommen bin. Auf den OSM ist der Pfad in den Wald (noch) nicht eingezeichnet.

          Irgendwann nehme ich zwei Liter Wasser aus einem Graben auf, als ich gut einen Kilometer von dem auf der Karte ausgesuchten Gebiet für die Übernachtung entfernt bin. Dort aber möchte ich nicht schlafen, denn ein Baufahrzeug ist super laut, obwohl es fast 20 Uhr ist. Ist es vielleicht auch eine andere Maschine, die auch nachts lärmt? Das Risiko möchte ich nicht eingehen und laufe weiter. Tatsächlich war es eine Planierwalze, die eine Straße bearbeitet. Ich kann mir schwer vorstellen, dass das bei uns an einem Freitagabend auf einer Art Kreisstraße passieren würde… Als ich das nächste Waldgebiet erreiche, biege ich bei erster Gelegenheit vom breiten Schotterweg ab und suche nach einem Platz. Den finde ich auch, allerdings höre ich von hier die auf der geschotterten Straße fahrenden Autos. So ziehe ich wieder weiter und komme schließlich an einem T-Stück an, von dem auf der einen Seite ein Waldweg abgeht, der hoch mit Gras bewachsen ist und damit Ruhe verspricht. Ich trete noch in ein paar Pfützen, so dass die Schuhe wieder nass sind, komme aber letztlich zu einem Bereich, in dem der Wald nach Fällungen gerade wieder ausschlägt.
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250801_215947124.jpg Ansichten: 0 Größe: 740,8 KB ID: 3344389

          Am Übergang von Alt- zu Neuwald baue ich das Zelt auf, gepiesackt von unzähligen Mücken. Den Aufbau innen werde ich wieder später erledigen. Ich esse, erledige die Abendroutine und gehe dann mit aufkommender Dunkelheit ins Zelt. Vorher höre ich noch einen Fuchs, der bellend am anderen Ende des Neuwaldes vorbeiläuft, ebenso ein paar Vögel. Die Blase am Zeh ist nicht geplatzt, sieht aber sehr groß aus. Das besorgt mich ein wenig, die Online-Recherche empfiehlt, sie nicht zu öffnen, sondern zu schützen und abends offen trocken werden zu lassen. Das habe ich dann mit dem Pflaster heute Nachmittag und dem sofortigen Wechsel aus dem nassen Trailrunner richtig gemacht. Jetzt bleibt mir nur abzuwarten. Ich lege mich gegen 23:30 Uhr schlafen.

          Tagesbilanz: 35,65 Kilometer, 80 Meter An- und 86 Meter Abstieg, 10:37 Stunden Gesamtzeit mit Pausen
          Zuletzt geändert von Biberato; 28.09.2025, 23:20.

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            #6
            Zitat von Biberato Beitrag anzeigen
            ...meine Füße sind klatsch nass. Durch die Trailrunner drückt sich das Wasser aber gut wieder raus, auch wenn die Füße feucht bleiben. Bei knapp unter 20 Grad macht das aber nichts. Ob das aber dem Zeh mit Druckstelle gefallen wird? <...> Die Blase am Zeh ist nicht geplatzt, sieht aber sehr groß aus. Das besorgt mich ein wenig, die Online-Recherche empfiehlt, sie nicht zu öffnen, sondern zu schützen und abends offen trocken werden zu lassen. Das habe ich dann mit dem Pflaster heute Nachmittag und dem sofortigen Wechsel aus dem nassen Trailrunner richtig gemacht.
            Auch meine "Strategie". Sonst halten besonders Sümpfe viel zu lange auf, beim sovieso meist vergeblichen Versuch, da trocken durchzukommen - zudem bin ich da viel zu ungeduldig, und wenn erstmal sowieso nass, dann geht das auch bei Furten viel schneller Bei mir keine Trailrunner, aber auch relativ leicht/kaum "wasserdicht" - das GoreTex da drin hilft maximal bei Pfützen in der Stadt. Vorher Salomon X-Trail Mid, jetzt Salomon Exvantage Mid. Geht gut, nicht nur bei 20 Grad, sondern generell bei Plusgraden. Muss man nur am Ziel so schnell wie möglich ausziehen, beim Start früh - wenn bei Zeltübernachtung üblicherweise noch nicht trocken - merkt man das die ersten 5 min, und längere Pausen sind vielleicht nicht die beste Idee - aber mache ich eh' nicht.

            Gummistiefel (jetzt echt im Sarek bei zwei Leuten wieder gesehen; "früher", bis vor 30-40 Jahren war das ja z.B. in Schweden total üblich) oder (hohe) Lederstiefel, die man endlos "pflegen" muss und die mir vor allem *viel zu schwer* sind - das ist für mich nix. Nachteil natürlich, dass so Schuhe Dauernässe nicht ewig mitmachen, nach ein paar längeren Touren sind die hinüber, v.a. den Nähten bekommt das schlecht. Zumindest habe ich noch keine gefunden, die das "mögen".

            Blasen: ja, das mit dem "nicht öffnen" kenne ich auch. Aber schaffe ich nie. Wenn ich die entdecke, sind die meist auch schon "von selbst" offen (ich gucke ja nicht sofort nach, wenn da etwas piekt... weiß ja schon, was das wird). Hat bisher noch nie geschadet. Bei der aktuellen Tour hatte ich erfreulicherweise an den Zehen oder hinten an der Ferse gar nichts, aber dafür ulkigerweise an den Innenseiten der Fersen, in so 4 cm Höhe Blasen - links mehr, rechts weniger. In den Schuhen konnte ich da gar nichts erfühlen, merkwürdig. Nach so 4-5 Wandertagen ist das dann auch nicht schlimmer geworden.


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            • Biberato
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              #7
              Mit Membran habe ich auch eher durchwachsene Erfahrungen gemacht. Selbst zeitnah nach Kauf habe ich immer schon erste Stellen, an denen die Socken doch nass sind. Das nimmt gefühlt dann schnell zu, wenn die Schuhe gut eingelaufen sind. Trocknen dauert aber dennoch lange. Deshalb schaue ich aktuell, wie sich das Konzept mit den Trailrunnern bewährt. Bis zum unteren Ende der Plusgrade wäre schön, mal abwarten.

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              • Biberato
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                #8
                Tag 4: dritter Tag zu Fuß, Umplanung der Strecke
                Die Nacht ist ruhig. Ganz dunkel wird es zumindest bis ich einschlafe nicht. Als ich aufwache, jucken mich die Mückenstiche und ich kratze mich daran. Im Halbschlaf überlege ich, ob ich eine Tablette Cetirizin nehmen soll. Schon am ersten Wandertag hatte ich bemerkt, nach Rückkehr aus Afrika das Antiallergikum wieder aus dem Tourenrucksack in den Medizinvorrat zurück gepackt zu haben, anders als die anderen Medikamente (Ibuprofen, Nasenspray, Perenterol, Kohle) – eine dumme Idee, das nicht einheitlich behandelt und dann auch nicht überprüft zu haben. Dabei habe ich also nur zwei Tabletten, die immer im Medkit liegen. Es ist aktuell erträglich, also spare ich mir diese wenigen Tabletten auf und schlafe wieder ein. In den Morgenstunden wird es unerwartet frisch im Zelt. Später schaue ich nach, das Thermometer in der Dachtasche hat 13,2 Grad Tiefsttemperatur gemessen. Das passt mit dem Quilt aber problemlos, selbst mit offener Fußbox und ohne Riemen. Auch hiernach schlafe ich wieder ein. Als es heller wird, setze ich die Schlafmaske auf. Ob es danach war, kann ich nicht sagen, aber ich höre ein Tier am Zelt, offenbar eine Spinne, die ihre Beute vernehmbar einwebt. Außerhalb des Innenzelts ist mir das recht.
                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_094819934.jpg Ansichten: 0 Größe: 829,7 KB ID: 3344567

                Nachdem die Sonne das Zelt erfasst, wird es sehr schnell sehr warm und ich stehe deshalb um 7:30 Uhr auf. In der Sonne trocknet das Außenzelt ganz gut, von den klammen Klamotten im Innenraum ist es auch von innen zunächst beschlagen.
                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_083356953.jpg Ansichten: 0 Größe: 988,8 KB ID: 3344568

                Die weitere Morgenhygiene läuft wie immer, nur dass ich dem Zelt Zeit fürs Trocknen gebe und es erst ganz zum Schluss abbaue. Die Blase am Zeh hat sich nicht verändert und ich packe sie gut ein.

                Gegen 10:15 Uhr komme ich los. Die Wege setzen sich vielleicht fünf Kilometer in bekannter Breite und Langeweile fort. Ich sehne die Nähe zum Strand herbei, hier wird es wahrscheinlich wieder schöner. Auch wenn die Wege langweilig sind, ist die Gegend reizvoll.
                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_103645961.jpg Ansichten: 0 Größe: 1.019,8 KB ID: 3344570 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_111547258.jpg Ansichten: 0 Größe: 840,4 KB ID: 3344566

                Hier wird zum Naturschutz Landschaftspflege betrieben, was mich damit an die Hochrhön erinnert.

                Meine Hoffnung bestätigt sich zudem: Nach Überquerung einer Straße führt der Weg wieder über schmale Pfade, der über Holzbrücken und reichlich Wasser parallel zum Strand verläuft. Hier ist lange Zeit Naturschutzgebiet, weshalb ich zumindest in der kommenden Nacht voraussichtlich auf einem ausgewiesenen Platz schlafen werde.

                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_114533129.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,11 MB ID: 3344569 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_114538190.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,17 MB ID: 3344571

                Nach kurzer Zeit kann ich einkehren: Im Meite Möte esse ich Pommes und trinke eine Cola. Dann gönne ich mir noch einen Schokokuchen und einen Kaffee. Zwei Stücke Kuchen nehme ich für den Nachmittag mit. Meine Powerbank kann ich zudem laden. Als ich gehe und frage, ob ich mir Wasser vom WC mitnehmen kann, verweist der Mitarbeiter darauf, dass das hier nicht schmecke und gibt mir welches aus dem Kanister. Sehr nett!

                Zurück zum Wanderweg führt mich dieser direkt an den Strand. Die vielen Autos am Parkplatz lassen viel mehr Menschen erwarten. Nach wenigen Metern bin ich aber wieder fast allein, nur zwei Mal treffen ich noch auf Menschen, zwei Beachvolleyball spielende Frauen und ein älteres Pärchen.
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                Ab da sehe ich Kilometer lang niemanden mehr. Der Strand wird irgendwann schmaler und ich denke, ich muss durchs Wasser gehen.
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                Die Hose schon hochgekrempelt, sehe ich einen Pfad, der mich vielleicht fünf Meter weg vom Wasser bringt. Hier liegt hinter einer Art Damm ein langgezogener flacher Teich. Von einem Schild weiß ich noch, dass hier ein Schutzgebiet liegt, das aus dem Ziel, die Ortschaft von dem dauernd dorthin wehenden Sand zu befreien, entstanden ist. Deshalb gehe ich auch nicht einfach durch das Schilf weiter, als der Pfad endet.
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                Hier ist es tatsächlich so schön wie auf den Fotos. Und über den ganzen Abschnitt sind hier keine Menschen. Fürs Fortkommen bleibt mir aber keine Wahl, als die Wanderschuhe und -hose aus und die Bade- und Camplatschen anzuziehen. Ab ins Wasser! Die Hose klemme ich im Rucksack ein, die Schuhe binde ich außen fest. So laufe ich mal durch knietiefes, mal 10 Zentimeter höheres Wasser oder auch Abschnitte am Strand. Irgendwann muss sich einer der Schuhe gelöst haben, er schwimmt 50 Meter zurück auf der zum Glück ruhigen Ostsee. Ich hatte beim Anbinden noch gedacht, dass die Schlaufe vielleicht nicht reichen würde, den Gedanken dann aber unterbewusst beiseitegeschoben. Obwohl er schwimmt, ist der Schuh natürlich trotzdem nass. Egal, besser als hier insgesamt abbrechen müssen, weil ein Schuh fehlt… Bevor ich den auf der Karte eingezeichnet nächsten Weg erreiche, nutze ich die Gelegenheit abseits jeglicher Menschen zu sein und trete, natürlich unter Einsatz des Schäufelchens, hinter einem Baum aus und mache mich danach im Wasser frisch.
                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_142516551.jpg Ansichten: 0 Größe: 582,0 KB ID: 3344573

                Hier eigentlich nur zum Trocknen sitzend, verliere ich zwei Stunden, auch weil ich irgendwann anfange, meine Wegplanung zu überdenken: Die Abschnitte im Landesinneren waren teils sehr monoton. Sobald ich von dem Wanderweg abweichen und zum Flugplatz zurücklaufen werde, wahrscheinlich ab Tag fünf, laufe ich fast parallel. Die Wege sehen auf dem Sattelitenbild ähnlich aus. Vielleicht ist es doch besser, dem Wanderweg zu folgen und irgendwann den Bus zum Flugplatz zu nehmen? Zeit frisst die Suche nach einer Busverbindung, die ich aber schließlich finde. Die Entscheidung, alte Planung oder auf den Wanderweg bleiben, werde ich aber erst später treffen, wenn ich absehen kann, welches Tempo ich halte. Die Blase am linken Zeh ist ja auch noch da.

                Weiter geht’s um 17 Uhr, die Wege hier in Strandnähe sind so schön wie erhofft. Leicht hügelig schwingt sich der Wanderweg gen Westen der Insel.

                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_174923525.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,17 MB ID: 3344576

                Ich komme am Mittelpunkt des ausgewiesenen Wanderweges vorbei. Die aufgestellte Bank zeigt mir, dass der Weg wirklich ansprechend gestaltet werden soll. Das ist dem RMK gelungen!
                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_175155688.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,07 MB ID: 3344577

                Menschen treffe ich nur an den durch Wege erreichbaren Schlafplätzen, die überwiegend von Autos oder Campern angesteuert werden. Der erste war schon früh sehr voll. Der zweite Platz war großzügig und weniger belegt. Trinkbares Wasser hatte ich schon lange keines mehr gesehen, so schaue ich mich hier um, ob vielleicht wieder Kanister mit Wasser stehen. Tatsächlich, drei Stück in einer Rasthütte. Diese auch wieder gelungen eingerichtet, ähnlich wie gestern. Nur das Wasser ist fast leer, ich nehme mir die verbleibenden vielleicht ¾ Liter mit. Ein polnischer Urlauber schaut rein und wir kommen kurz ins Gespräch. Als ich die prekäre Lage des Trinkwassers ansprechen, bietet er mir an, von seinem etwas zu nehmen. Er habe im Bulli einen zweiten vollen Kanister. So nett! Ich nehme gerne an und laufe ab hier mit etwa 2,5 Litern Wasser. Ziel ist der letzte auf der Nordseite der Halbinsel gelegene Rastplatz RMK Hirmuste telkimisala. Wäre es mir hier nicht passend, könnte ich auch noch einige Kilometer weiter gehen, bis ich den Leuchtturm erreiche, dort gibt es Abschnitte außerhalb von Schutzgebieten. Mit 29 Kilometern in den Knochen bin ich aber nicht wählerisch und stelle mein Zelt auf. Lärm gab es hier keinen (dann wäre ich weiter) und die Aussicht ist super. Der Platz liegt direkt am Strand. Ich baue das Zelt auf, spanne erstmals meine Wäscheleine und wasche im Meer meine nun drei Tage getragenen Klamotten (nur die Hose nicht, die würde kaum trocknen). Anschließend gehe auch ich noch ins Wasser, wobei es hier sehr seicht und lange nur knietief ist. Zum Waschen und auch Haarewaschen reicht es aber. Ich koche passend zum Sonnenuntergang mein Essen. Während ich nur flott etwas Wasser filtern will – die Filterkartusche ist wohl wirklich am Ende, es dauert lange – kocht das Essen über und erlischt den Brenner. Er ist zum Glück nicht kaputt, sondern startet wieder, wenn auch mit zunächst eingeschränktem Flammenbild. Hängt ja auch noch Käsesoße drin. Ich feuere voll ein und brenne den Mist so gut es geht raus. Nach dem Essen reinige ich Topf und Brenner, sitze ein wenig und gehe dann nach der Abendhygiene ins Zelt. Der Sonnenuntergang ist ein super schöner Tagesabschluss:
                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_214633540.jpg Ansichten: 0 Größe: 537,5 KB ID: 3344578 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_214644527.jpg Ansichten: 0 Größe: 918,0 KB ID: 3344580 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_220756882.jpg Ansichten: 0 Größe: 470,8 KB ID: 3344581 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250802_231521099.jpg Ansichten: 0 Größe: 280,2 KB ID: 3344582

                Im Zelt ist noch nichts aufgebaut. Bevor ich mich um 0:30 Uhr hinlege, schreibe noch meine Gedanken auf.

                Tagesbilanz: 29,14 Kilometer, 208 Meter An- und 218 Meter Abstieg, 9:49 Stunden Gesamtzeit mit Pausen
                Zuletzt geändert von Biberato; 29.09.2025, 22:25.

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                • Biberato
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                  #9
                  Tag 5: vierter Tag zu Fuß, Entschluss zum vorzeitigen Ende
                  Die Nacht ist nicht so gut, ich wache öfter auf. Das Meeresrauschen ist allerdings die ganze Zeit zu hören, so dass ich entspannt liegen bleibe. Das ist schon deshalb keine schlechte Idee, weil es noch dunkel und damit mitten in der Nacht ist. Aber auch als es heller wird und ich die Schlafmaske aufziehe, werde ich immer wieder wach. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, es wäre kälter als in der vorigen Nacht, sogar die Fußbox habe ich geschlossen, den Quilt an der Matte befestigt und am Hals geschlossen (ohne aber zu zuziehen). Das Thermometer wird aber als Tiefsttemperatur 14,4 Grad anzeigen. Vielleicht lag es an dem fehlenden Unterhemd, das vom Waschen im Meer abends noch nicht trocken war? Den gestellten Wecker warte ich jedenfalls nicht ab und stehe gegen 7:30 Uhr auf. Die weiteren Gäste waren angenehm ruhig.

                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_091411123.jpg Ansichten: 0 Größe: 627,9 KB ID: 3345303
                  Um das Zelt in der Sonne trocknen zu lassen, packe ich es zuletzt zusammen. Vorher frühstücke ich in Ruhe in der Sonne und überlege, wie weit ich kommen möchte. Es liegt in ca. 6 Kilometern ein Leuchtturm vor mir und dann bald ein Lokal. Wenn die Blase am Zeh Schwierigkeiten machen sollte, werde ich nach nur 16 Kilometern auf dem nächsten Zeltplatz schlafen.

                  Als das Zelt ziemlich trocken ist, packe ich alles zusammen. Es ist schon 10:40 Uhr, aber wenn alles gut läuft, bin ich dennoch rechtzeitig am Ziel und laufe die Tour, wie ich sie abgewandelt geplant habe: Verbleib auf dem ausgewiesenen Weg, mit Rückfahrt im Bus am Abreisetag zum Flughafen. Aber schon nach 4 Kilometern drückt es merklich im Schuh, allerdings jetzt auf der rechten Seite. Ich hatte das erst nicht überbewerten wollen, was offensichtlich ein Fehler war: Hier hat sich an einem Zeh eine Scheuerstelle gebildet, wahrscheinlich von etwas Sand. Dabei hatte ich mir extra Mühe gegeben, den zwischen den Zehen zu entfernen. Gereicht hat das nicht, die Haut ist hier abgeschabt. Also nächstes Pflaster drauf. Dabei wird es nicht bleiben, später am Tag kommt auch am linken großen Zeh eine Druckstelle dazu und dann eine (spiegelbildlich zu links seit Wandertag zwei) geschlossene Blase am rechten kleinen Zeh. Ich mache mich mit dem Gedanken vertraut, die Tour nicht wie geplant zu Ende laufen zu werden. Hier auf Verschleiß fortsetzen und einen dann womöglich längeren Ausfall in Kauf nehmen, sehe ich nicht. Nach meiner Rückkehr habe ich noch Urlaub und die Hündin wartet sicher darauf, mit mir wieder wandern zu gehen. Die Tage hier waren schön und ich gehe nach den Beschreibungen und meinen Eindrücken von der Karte davon aus, die schönsten Abschnitte gelaufen zu sein.

                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_105736349.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,23 MB ID: 3345308
                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_115301217.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,15 MB ID: 3345300
                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_120708269.jpg Ansichten: 0 Größe: 671,2 KB ID: 3345301
                  Die Pfade sind wieder erstklassig und menschenfrei, auch gibt es immer wieder Blicke aufs Meer.

                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_104335268.jpg Ansichten: 0 Größe: 503,1 KB ID: 3345309
                  Die vielen Spinnennetze mit ‚Besitzern‘ darin kenne ich schon. Mit der Zeit macht mir das nichts mehr, selbst wenn mal eine Spinne durchaus auch auf Kopfhöhe kurz an mir hängen bleibt, sie lassen sich schnell fallen.

                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_123108380.jpg Ansichten: 0 Größe: 519,3 KB ID: 3345302
                  Weiter zum Leuchtturm Ristna tuletorn. Hier läuft es wie im Norden: Ein paar Kleinigkeiten werden zum Kauf angeboten, darunter Eis und Getränke. Ich nehme ein Eis und sprudeliges Wasser und zahle dazu den Eintritt. Die Kartenzahlung streikt, die Mitarbeiterin weiß nicht weiter. Ihr zweiter Tag. Ich sage Barzahlung zu, wenn es auch nach meiner Rückkehr vom Turm haken sollte. Meinen Rucksack darf ich wieder unten stehen lassen. An diesem Turm ist das Drehkreuz defekt, es lässt sich auch ohne Ticket drehen. Vielleicht geht deshalb keiner zum Bezahlen rein? Das scheint die Mitarbeiterin aber auch nicht zu bemerken, die schöne Blumensträuße bindet. Im Turm ist es sehr viel enger als in dem vom ersten Tag. Dazu ist ganz oben eine Kante, an der ich mir den Kopf stoße. Als ich gerade runtergehen will, passiert das auch einem anderen Besucher. Warnen konnte ich ihn vorher nicht.

                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_123602941.jpg Ansichten: 0 Größe: 388,1 KB ID: 3345307
                  Die Aussicht ist wieder klasse, man sieht, wie waldreich Hiiumaa auch hier ist. Unten hole ich den Rucksack ab und bezahle in bar, nachdem zwei weitere Versuche per Karte scheiterten.

                  Weiter geht es, bald an die Küste. Hier muss ich wieder pausieren. Die Zehen, es ist schon ziemlich unangenehm. Dabei trockne ich die heute am Morgen noch klamme Kleidung weiter und es ist unabwendbar: Ich werde heute nicht weiter als bis zum nächsten Zeltplatz kommen. Und auch morgen dürfte ich nicht weit laufen können. Auf eine Besserung übermorgen, dem Tag meiner Abreise, zu hoffen, erscheint mir zu riskant. Ich laufe schließlich zum Lokal Kalana ÄÄR im Freizeithafen und esse dort eine Pizza Mozzarella. Sehr lecker, das ist wirklich gute Handarbeit! 17,50 EUR mit 0,25 Liter Cola sind aber auch eine Ansage. Das Lokal ist gut besucht, der Hafen eher leer. Ich darf meine Powerbank laden, so habe ich genügend Spielraum.

                  Weiter laufe ich zunächst durch eine Ferienhaussiedlung, die hier geschmackvoll im Wald liegt. Die Grundstücke sind sehr groß, kein Vergleich zum letztjährigen Dänemarkurlaub. Danach geht es durch bekannt schöne Waldabschnitte, bis ich das Infozentrum des RMK erreiche.

                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_165506617.jpg Ansichten: 0 Größe: 662,9 KB ID: 3345304
                  Hier finde ich die auf den Karten angekündigte Wasserstelle an der Rückseite des Hauses. Für Camper sollen 2 EUR bezahlt werden. Ich gehe in das offene Haus, es sind alles Räume mit Ausstellungen und Infos. Hinten scheint eine Küchenzeile. Außen gibt es weitere Nebengebäude mit Ausstellungen, auch über Müll aus dem Meer. Alles macht einen Eindruck, der sich mit meinen Grundeinstellungen deckt. Im Haus ist eine alte Frau, die kein Englisch spricht. Sie bedeutet mir, für die wenigen Liter nichts bezahlen zu müssen. Über den Übersetzer kommuniziere ich einseitig, sie macht mir nicht den Eindruck, mit dem Smartphone souverän umzugehen. Das macht aber nichts, sie freut sich offensichtlich, als ich meine Reise kurz aufschreibe. Auf meine Anmerkung zum vorzeitigen Ende meiner Wanderung zeigt sie mit ihren Fingern 2 – 0 – 2 – 6. Ich brauche ein wenig und lache dann, als ich erkenne, was sie meint. Den Gedanken hatte ich auch schon. Wenn auch wohl nicht 2026. Aber die Runde ohne Zeitdruck und dann im Uhrzeigersinn zu laufen, habe ich schon angedacht, obwohl ich davon überzeugt bin, diesmal die schönsten Abschnitte gesehen und vor allem längere unschöne Abschnitte weggelassen zu haben. Ich bekomme noch eine Landkarte, ein Magazin und eine Broschüre über die Naturschutzgebiete, das Lesematerial auf Englisch, bevor ich mich zu den verbleibenden vier Kilometern zum Platz aufmache. Mit drei Litern Wasser auf dem Rücken.

                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_171442698.jpg Ansichten: 0 Größe: 685,8 KB ID: 3345305
                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250803_171634219.jpg Ansichten: 0 Größe: 798,7 KB ID: 3345306
                  Der Weg ist überwiegend sehr schön, meist in Sichtweite zum Meer, ohne aber zu sandig zu sein. Am Platz angekommen, freue ich mich über dessen Größe: Trotz einiger anderer Besucher, fast alle mit dem Auto angereist, macht er nicht den Eindruck, voll zu sein. Ich suche mir fürs Zelt eine Stelle am hinteren Rand aus. Hier kann ich auch einfach austreten, ohne auf eine Toilette angewiesen zu sein. Vor dem Aufbau stelle ich für mich fest: In die Inselhauptstadt zu fahren, dort zu übernachten und den gebuchten Flug zu nehmen, macht keinen Sinn. Ein neues Paar Schuhe bekomme ich hier wahrscheinlich nicht, was ich aber gerne hätte, um die Zehen zu entlasten. Entweder ich schlafe morgen wieder im Zelt und fliege wie geplant übermorgen Abend. Oder ich ziehe den Flug auf morgen vor, schlafe dann zwei Nächte in Tallinn und bekomme wahrscheinlich so morgen Abend noch neue Schuhe. So soll es wohl kommen. Der Bus nach Kärdla fährt in ca. 8 Kilometern gegen halb vier Uhr nachmittags und ist so passend in der Inselhauptstadt, dass ich von dort den Bus zum Flughafen bekommen sollte. Die Umbuchung des Tickets geht der Airline-Webseite zufolge telefonisch, das werde ich zu den Servicezeiten morgen erledigen. Ein Hotel will ich erst buchen, sobald das Flugticket gesichert ist. Das Hostel müsste ich dann stornieren, weil hier keine weitere Nacht verfügbar ist und ich nicht nach einer Nacht umziehen möchte. Das wird kostenfrei möglich sein, die Airline nimmt 20 EUR, weil ich kein Flex-Ticket gebucht hatte. Letztlich kosten die Flüge auf die Insel und zurück damit aber genau so viel, als hätte ich gleich zwei Flex-Tickets gebucht. Mit diesem Plan baue ich das Zelt auf, esse, lese in den mitgebrachten Materialien und schreibe den Tag auf. Fertig bin ich damit nach 22 Uhr. Ich beobachte, wie Leute Holz für die Feuer sammeln. Wobei sammeln flexibel gehandhabt wird, sie brechen es von Bäumen ab, die im Naturschutzgebiet stehen. Ob das in Estland so in Ordnung ist? Insgesamt sehe ich wieder, welche Massen aus den Autos getragen werden und präzisere meinen Gedanken: Auto-Camper sind einfach eine andere Zielgruppe als Trekking-Camper. Das meine ich wertfrei. Ich kann mir etwa mit dem Hund und passendem Wagen auch vorstellen, zu einem Punkt zu fahren, dort zu laufen, dann im Auto zu schlafen, um am nächsten Tag nochmal aufzubrechen. Die beste Chance, das ganz einfach auszuprobieren, habe ich aber vertan, indem ich meine alte Matratze, die ich für meinen Kombi hätte zuschneiden können, vor gerade zwei Wochen zum Recyclinghof gebracht habe. Dürfte aber mit der aufblasbaren Isomatte genauso auszuprobieren sein. Gegen 22:30 Uhr gehe ich mit der Vorstellung ins Zelt, morgen nach kurzem Weg und dann insgesamt 126 Kilometern die Tour zu beenden und nach Tallinn zurückreisen zu werden. Da der Bus aber erst nachmittags fährt, werde ich mir morgen Vormittag viel Zeit lassen können.

                  Tagesbilanz: 18,63 Kilometer, 177 Meter An- und 178 Meter Abstieg, 7:11 Stunden Gesamtzeit mit Pausen
                  Zuletzt geändert von Biberato; 06.10.2025, 00:20.

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                  • blauloke

                    Lebt im Forum
                    • 22.08.2008
                    • 9447
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                    #10
                    Danke für den Bericht über eine mir unbekannte Insel.

                    Das mit den Blasen ist natürlich blöd, aber mir ist das auch schon mal passiert. Auch in Schuhen, bei denen es zuvor keine Probleme gab, wurden die Blasen so schlimm, dass ich abgebrochen habe.
                    Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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                    • Biberato
                      Gerne im Forum
                      • 09.07.2023
                      • 64
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      Im Nachhinein fühlt sich das schon doof an. Zumal ich Blasen immer als Lappalien angesehen habe. In gewissem Maße sind sie es ja auch, kann natürlich immer schlimmer kommen.

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                      • Biberato
                        Gerne im Forum
                        • 09.07.2023
                        • 64
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        Tag 6: fünfter Tag zu Fuß, Abreise von der Insel
                        Die Nacht war erstklassig. Beim Einschlafen fing es an zu gewittern, der Regen machte ein angenehmes Geräusch. War er weniger und damit leiser, konnte ich das Meer hören. Von anderen Gästen auf dem Platz habe ich nichts gehört. Mit 16 Grad war es warm, die Fußbox habe ich irgendwann leicht geöffnet, den Quilt schon gar nicht an die Matte gebunden. In den Morgenstunden muss der Regen vorbei gewesen sein. Ich bleibe liegen, bis der auf 8:45 Uhr gestellte Wecker klingelt. Die Sonne ist rausgekommen und scheint wunderbar durch die Nadelbäume. Auch der Wind weht etwas, so dass das nasse Zelt etwas trocknen kann. Dafür nutze ich die neue Wäscheleine und hänge dort das Außenzelt auf. Wie geplant lasse ich mir viel Zeit, packe gemächlich und frühstücke am Meer.

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ID: 3345442
                        Hörnchen sind zwar aus (in der Planung wäre ich schon gestern am Supermarkt vorbeigekommen), aber dafür gibt es zwei Proteinriegel mit Kaffee und eine phänomenale Aussicht. Los komme ich tatsächlich erst nach 11 Uhr. 8 Kilometer werde ich etwa bis zur Bushaltestelle laufen.

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ID: 3345445
                        Die Wege sind wieder fast durchgängig erstklassig: Schmal, mal an den Rändern bewachsen, eigentlich immer mit natürlichem Untergrund.

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ID: 3345452
                        Deutlicher als zuvor werden hier auf den Abschnitten, auf denen Wanderer und Radfahrer die Strecke getrennt begehen sollen, Verbote für Radfahrer ausgesprochen. Damit aber entgeht Radlern eine weitere individuell gebaute Baumschaukel.

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ID: 3345443
                        Hier halte ich einen Moment inne und komme zu einem Fazit: Die Reise war eine gute Entscheidung. Heute einen Tag früher abbrechen zu müssen ist nur ein kleiner Makel. Passiert. Fast wie zum Abschied gehen die Zehen heute aber (im doppelten Sinne). Doch ich werde mein Glück nicht auf die Probe stellen und heute die Tour beenden. Bei mehr Zeit hätte ich wohl einfach einen Ruhetag eingelegt.

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ID: 3345444
                        Auch heute gibt es wieder reichlich Spinnen, die in ihren großen Netzen über dem Weg hängen. Nicht nur meine Stöcke sind voll mit Spinnennetzen, auch meine Kappe und Brille kleben davon ordentlich, lösen lässt sich das nur bedingt vor Ort.

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ID: 3345448
                        Nach dem wohl knackigsten Anstieg der ganzen Tage erreiche ich den dritten Leuchtturm (Kõpu tuletorn) der Runde. Der Leuchtturm ist der drittälteste noch in Betrieb befindliche weltweit. Beim Anstieg zum Turm (nicht auf diesen) freue ich mich besonders über meine Trekkingstöcke. Sie waren aber auch all die Tage oft nützlich, nicht nur wegen der Entlastung für die Zehen, sondern auch der zusätzlichen Balance mit dem schweren Rucksack. Sie nicht mitzunehmen, um etwas Gewicht bei dem relativ flachen Terrain zu sparen, wäre ein Fehler gewesen.

                        Bevor ich auf den Leuchtturm steige, gönne ich mir wieder ein Eis, das fertig verpackt in der Truhe liegt. Wie auch zwei Tage zuvor ist hier Bananengeschmack dabei. Ist das vielleicht ein estnisches Ding? Lecker ist es jedenfalls, dabei sind auch Beeren (?) und Schokostücke, alles in einer (weichen) Waffel und damit optisch wie aus der Eisdiele. Gute Wahl! Auch hier darf ich den Rucksack unten lassen.

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ID: 3345446
                        Der Aufbau des Leuchtturms ist wieder anders als bei den anderen, erst geht es eine steile gerade Treppe hoch, dann eine Wendeltreppe aus Stein, bevor eine alte Holztreppe auf die Besucherebene führt.

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ID: 3345451
                        Die Aussicht ist wieder gut, die Wälder scheinen kein Ende zu nehmen. Das entspricht meinem Eindruck am Boden.

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ID: 3345450
                        Wieder unten angekommen, hole ich meinen Rucksack und laufe die letzten paar hundert Meter auf einer wenig befahrenen Landstraße, finde die Bushaltestelle und gehe dann in den kleinen Supermarkt. Das Gebäude ist viel größer, der Markt nimmt nur einen kleinen Teil ein. Das Wichtigste ist aber vorhanden, ich hätte wohl für die (geplant gestern hier ankommend) verbleibenden zwei Tage alles bekommen. So kaufe ich nur zwei Bananen, eine Cola, etwas Gebäck und eine auf Hiiumaa gestaltete Tüte, mit der ich für den Rest der Heimreise mein Kabinengepäck unterstützen werde, weil der faltbare Rucksack an zwei Stellen gerissen ist. Bis zur Abfahrt des Busses um 15:34 Uhr habe ich noch etwa eine Stunde Zeit. Das Gebäck draußen in der Sonne zu essen, gelingt mir leider nicht: Erst packe ich ein wenig für den Abflug vor, auch auf dem kurzen Inlandsflug muss zwischen Hand- und Aufgabegepäck unterschieden werden. Die Hotline der Airline für die Umbuchung ist auch erst ab 15 Uhr erreichbar. Das jedenfalls gibt die Webseite an. Tatsächlich ertönt eine Ansage, man sei zwei Stunden vor Abflug erreichbar und Anrufer könnten eine Nachricht hinterlassen oder eine E-Mail schreiben. Letzteres tue ich auch, denn die Airline schreibt online auch, dass eine Umbuchung nur bis zwei Stunden vor Abflug möglich sei. Zu dieser E-Mail erhalten ich eine automatische Antwort, die darauf hinweist, in dringenden Fällen die Nummer anzurufen, unter der ich die Bandansage erhalten hatte. Mein Stresspegel steigt: Werde ich überhaupt heute den Rückflug antreten können? Ich hinterlasse auf dem Band auf Englisch eine Nachricht und laufe dann zur Bushaltestelle. Der Bus ist pünktlich, auch diese Fahrt, die rund eine Stunde dauert, kostet 2 EUR. Das scheint ein Einheitspreis zu sein. Immer mal steigen offenbar Inselbewohner ein und später wieder aus. Kärdla Busbahnhof erreichen wir pünktlich. Hier esse ich den Kuchen und sehe den Fernbus ankommen, der über die Fähre nach Tallinn fahren wird. Ich überlege, ob ich nicht einfach in diesen einsteigen soll und das Flugticket verfallen lasse, so aber garantiert heute in Tallinn ankäme. Zeit für den Kauf neuer Schuhe bliebe bei geplanter Ankunft 20:30 Uhr und Ladenschluss meist 21 Uhr aber praktisch nicht mehr. Deshalb entscheide ich mich dagegen. Sollte ich heute nicht fliegen können, zelte ich und komme morgen in Tallinn an. Die Airline meldet sich in diesem Moment auch per Mail und teilt die Möglichkeit der Umbuchung mit. Dafür müsse ich die Gebühr von 20 EUR über die Website zahlen. Das funktioniert aber nicht, mein Stresspegel bleibt hoch. Die Airline meldet sich zu meiner Antwort schnell zurück und lässt mich die Zahlung am Flughafen nachholen. Ich solle eine Stunde vor Abflug dort sein. Das passt über den Linienbus aber nicht, der Hinweis dürfte auf dem kleinen Inselflughafen – zwei Linienstarts und -landungen am Tag – aber auch nicht wirklich entscheidend sei. Ändern kann ich es jetzt freilich auch nicht mehr. In dieser Zeit kommt auch die Mail rein, der Abflug verspäte sich um 30 Minuten. Das passt mir ganz gut, so bin ich tatsächlich eine Stunde vor Abflug dort. Die Zahlung kann ich problemlos leisten. Beim Check-in lasse ich den Gürtel an, auf irgendeinem der Flughäfen in den letzten Wochen wurde das Lösen nicht gefordert, der hier prompt die Sicherheitsschleuse auslöst. Die Beamten schauen sich an und überlegen, offenbar löst das ein Procedere aus und so werde ich an Körper und Gepäck auf Sprengstoff untersucht. Erwartungsgemäß negativ. Dann heißt es, auf die verspätete Ankunft aus Tallinn zu warten. In dieser Zeit buche ich ein Hotel für zwei Nächte und storniere das für die übernächste Nacht bereits reservierte Hostel, schon weil es weiterhin nur für die übernächste Nacht noch verfügbar ist. Ich vergleiche und buche mich schließlich für zwei Nächte in einem schönen Hotel ein, in dem ich auch den kommenden Tag vor dem Fernseher verbringen könnte. Das werde ich aber nicht nutzen (müssen), sondern die Stadt besuchen. Als der Flieger dann angekommen ist, geht alles wieder flott. Ebenso zügig verläuft der Rückflug, ich sitze sehr zufrieden in meinem Sitz: Tour insgesamt geglückt, vorzeitiger Rückflug ebenso. Mein Rucksack dreht bei meiner Ankunft am Band bereits seine Runden auf dem Gepäckband. Auch in Tallinn ist es halt übersichtlich.

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ID: 3345449
                        Erst das Hotel erreichen, einchecken und ohne Rucksack nach einem Schuhladen zu suchen ist mir um schon nach 19 Uhr mit den Ladenöffnungszeiten zu knapp. So laufe ich also mit dem Tourenrucksack in das Einkaufscenter, in dem ich schon am ersten Abend gegessen hatten. Im Sportladen werde ich fündig, der Mitarbeiter tut sich aber schwer, die Sneaker in passender Größe zu finden und kommt beim zweiten Mal auch geschätzt zehn Minuten lang nicht zurück. Das wird mir zu blöd und so suche ich einen anderen Laden. Wenig weiter finde ich schnell ein bequem erscheinendes Paar, das mit knapp 45 EUR zudem günstig ist. Insgesamt liegen die Preise in Estland vielfach bei oder leicht über dem deutschen Niveau. Mit den Schuhen in der Tasche und dem Rucksack auf dem Rücken buche ich mir ein Bolt: Das Prinzip entspricht Uber und auch Move aus Ruanda. Hier wird das aber zuverlässig klappen und nicht lästig wie in Afrika. So erreiche ich das Hotel schnell, checke ein und sehe auf der Karte, dass ich hier nicht zu Abend essen werde. Ich hatte aber auch schon in der unmittelbaren Nachbarschaft das OTTOs gefunden, in dem ich auf der online verfügbaren Karte den vegetarischen Burger mit Süßkartoffelpommes ausgesucht hatte. Schmeckt hervorragend!

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ID: 3345447
                        Auf dem Rückweg zum Hotel mache ich einen kleinen Umweg und hole im Späti eine Flasche Wasser (2 EUR für 0,2 Liter im Hotel bezahle ich nicht), einen Joghurt und Kekse. Den Joghurt esse ich vor dem Fernseher. Mit der Zeitverschiebung bin ich passend zum Heute Journal wieder zurück. Danach versuche ich mich zu rasieren, lasse das aber ohne Rasierschaum dann doch, dusche und schaue mir vor dem Schlafengehen ein Café fürs Frühstück aus.

                        Tagesbilanz: 8 Kilometer, 197 Meter An- und 150 Meter Abstieg, 2:26 Stunden Gesamtzeit mit Pausen

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                        • Biberato
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                          • 09.07.2023
                          • 64
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          Tag 7: Tallinn
                          Die Nacht im Hotel war gut. Ich verabrede mich spontan zum Frühstück. Den ganzen Tag gibt es Schauer. Hier vermisse ich meine aus Gewichtsgründen nicht mitgenommene Regenjacke. Mit dem großen Rucksack auf Tour ist der Poncho die bessere Wahl, in der Stadt auf dem Roller aber zu luftig.

                          Die Altstadt sehe ich nicht, anders als gestern angedacht. Dafür bekomme ich spannende Orte gezeigt, etwas die Linnahall, über die wir auch drüber laufen.
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250805_122814029.jpg Ansichten: 0 Größe: 561,6 KB ID: 3345992 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250805_124644531.jpg Ansichten: 0 Größe: 777,0 KB ID: 3345993

                          Sie ist groß und einerseits wuchtig, andererseits auch gedrungen. Wie so viele Lost Places sind die Spuren vom Vandalismus unübersehbar. Eine Infotafel erklärt die Entstehung, Aufteilung und Nutzung bis ins Jahr 2010. Etwas überraschend kommt für mich, dass überhaupt große Raumflächen (insbesondere ein Konzertsaal mit 5.000 Plätzen und eine Eishalle) unterhalb vorhanden sind, ich hätte das Gebäude eher als eine Art Podest eingeschätzt. Nach Rückkehr stelle ich fest, dass regelmäßig Führungen angeboten werden und das Innere auch nicht lost ist.

                          Wir kommen durch verschiedene Stadtviertel, insgesamt macht Tallinn hier einen jungen, offenen und sympathischen Eindruck. Es gibt teils eine kreative Nutzung des öffentlichen Raums, mit Kunst und Installationen. Wir laufen auf einer Slagline und spielen im Anschluss ein Spiel: Man zielt mit Waschhandschuh großen Sandsäcken auf eine auf dem Boden liegende zum Spieler hin leicht angewinkelte Platte mit glatter Oberfläche der Größe von vielleicht 40x80 Zentimeter, in der zentriert im oberen Drittel ein so großes Loch ist, dass die Sandsäcke durchpassen. Vielleicht 15 Zentimeter Durchmesser. Zwei dieser Platten sind gegeneinander schauend im Abstand von 6-7 Metern aufgestellt. Die zwei Spieler stehen dahinter und werfen abwechselnd auf die entfernte Platte. Bleibt der Sandsack auf der Platte liegen, erhält der Spieler einen Punkt, trifft man das Loch, gibt es drei Punkte. Mit 21 Punkten gewinnt man. Der Barmann erklärt aber, es gebe auch andere Regeln. Wir spielen eine Runde, dann setzt leider wieder Nieselregen ein.
                          Später esse ich mit ein paar Bekannten lecker zu Abend. Erst nach Mitternacht komme ich zurück ins Hotel. Dort dusche ich noch, packe meine Sachen für die morgige Abreise und komme so müde und spät ins Bett.

                          Tag 8: Rückreise
                          Den gestellten Wecker brauche ich nicht und stehe gegen 6:30 Uhr auf. Ein Proteinriegel und eine Banane müssen als Frühstück vorerst reichen. Beim Check-out im Hotel weist mich der Portier darauf hin, dass ich noch 18 Cent zahlen müsse, weil er sich beim Check-in vertippt habe. Ich habe leider keine 20 Cent klein, insgesamt kein Münzgeld mehr, da ich die letzten Euromünzen als Trinkgeld auf dem Zimmer gelassen habe, und keine Lust, in dem minimalistischen Reiseportemonnaies viel Kleingeld aus einem Schein zu haben, zahle das also mit Kreditkarte. Ob davon überhaupt nach Gebühren etwas übrigbleibt? Das Bolt bringt mich zuverlässig zum Flughafen. Ich gebe meinen wieder in Frischhaltefolie verpackten Rucksack auf.
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 20250806_080743402.jpg Ansichten: 0 Größe: 593,9 KB ID: 3345991

                          Die vierzig Meter Folie habe ich für die vier Flüge Aufgabegepäck annähernd verbraucht. Eigentlich will ich hier frühstücken, aber gerade am Gate angekommen, wird der Flug bereits über dreißig Minuten vor Abflug aufgerufen. Ein flott gekauftes Gebäck und Wasser müssen reichen.

                          Der Rückflug geht nach Berlin in einer Boeing 737-8200, eine Variante der 737 MAX, die aufgrund des schlechten Images wohl eine unverdächtige Bezeichnung bekommen hat. Sie bietet Platz für mehr Menschen. Es ist wirklich eng, wobei der Eindruck zum Lufthansa-Flug verzerrt ist, der mit Platz am Notausgang viel Beinfreiheit bot. Der Flug ist deutlich kürzer (Berlin statt Frankfurt), wir sind keine 1:50 Stunde unterwegs. Die Zeit nutzt Ryanair zum Verkauf von Essen und Snacks, Parfums und Glücksspiellosen: Das wirkt auf mich ziemlich unseriös…

                          Fazit:
                          Die Reise hat sich gelohnt! Estland bietet jedenfalls an den Küsten ein wunderbares Flair. Ich habe so oft an Dänemark gedacht. Nur sind hier viele weniger Menschen unterwegs gewesen. Das ist etwas, was für eine Trekkingtour aus meiner Sicht klar für das Reiseziel spricht. Jetzt mag es sein, dass die Insel besonders leer ist, weil die Hürde mit Fähre/Flug dorthin etwas größer ist. Aber ob es das wirklich ist? Die offensichtlich eine Halbnummer zu kleinen Schuhe waren eine Dummheit. Bestenfalls ein weiterer Fehler, den ich nicht wiederhole.
                          Zuletzt geändert von Biberato; 09.10.2025, 23:19.

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