Tag 7 - Glenfeshie - Corrour Bothy
Kalt! Ich wache bibbernd auf und richte mir nach kurzer Orientierung meinen Schlafsack wieder so, dass die meiste Daune über mir liegt. Dann dämmere ich wieder weg... und wache wieder bibbernd auf. Dieses Spiel spiele ich mehrere Male bis ich mich starr auf den Rücken lege um den Schlafsack perfekt zu positionieren. Frierend liege ich eine Weile so da, aber es hilft nichts. Ich ziehe mir meine dicke Jacke, die mir nachts als Kopfkissen dient, an und setze meine Haube auf. Jetz geht’s und ich schlafe wieder ein.
Morgens grüßen mich die Sonne und ein blauer Himmel – nicht eine Wolke ist zu sehen. Gleichzeigt wird mir klar, warum mir so kalt war. Nicht nur ist es morgens immer noch frisch, auch das Zelt und die Wiese sind gefroren. So kommt zur üblichen Morgenroutine auch noch die Aufgabe hinzu die Feuchtigkeit vom Zelt zu bekommen.
Dann geht es los. Ein deutlich sichtbarer Pfad führt durch den Wald in Richtung Allt Fhearnagan. Bald aber bin ich durch den Tau an den Farnen klitschnass! An einem wunderschönen Wasserfall geht es vorbei und über den Fluss. Der Waldpfad wird nun zu einem Premiumwanderweg, dem selbst ein Blinder folgen könnte.
Außerhalb des Waldes geht es am Hang nach oben. Die Sonne scheint, kein Windhauch regt sich, aber es bleibt trotz des steilen Aufstiegs kühl. Dieses Wetter ist natürlich prädestiniert, dass ich mir im Laufe des Tages einen Sonnenbrand im Gesicht und Nacken hole.
Nach zwei Stunden habe ich das Plateau erreicht. Mittlerweile bin ich mit Glenfeshi wieder versöhnt. Der Ausblick von hier oben und auch der wunderbare Aufstieg bei bestem Wetter lassen die Straßenschlacht von gestern rasch vergessen. Ich gönne mir noch den kurzen Abstecher von fünf Minuten auf den Carn Ban Mor (1052m). Wieder ein Munro auf meiner Liste, wieder ein Berg der nicht nach einem solchen aussieht.
Dann geht es weiter über das Plateau. Der Weg bleibt weiterhin gut sichtbar und mündet schließlich in eine Forststraße, die mich weiter ostwärts bringt. Mittlerweile sind ein paar Wolken aufgezogen und die Highlands zeigen das Lichtspiel, wofür ich sie so sehr liebe. Am Allt Sgarnich hört die Straße dann aber auf und ich muss mich querfeldein weiter durchschlagen. Der schöne Tag beflügelt weiterhin meine Stimmung und ich genieße die Aussichten hier oben.
In der Ferne erblicke ich den Loch nan Cnapan. An seinem Ufer steht eine Stadt mit nicht weniger als neun Zelten – dicht an dicht gedrängt. Von den Besitzern ist jedoch keine Spur zu sehen – wahrscheinlich sind sie unterwegs ein paar Munros einsammeln.
Da fällt mein Blick auf den Carn na Criche im Hintergrund. Man könnte doch bereits hier auf den Grat hoch und dann nach und nach die weiteren Munros entlang mitnehmen, überlege ich mir. Gesagt, getan. Querfeldein – und ohne einen Pfad auf den Berg hoch von hier aus zu sehen quäle ich mich durch das schwierige Terrain östlich des Sees. Zahlreiche Felsen, kleine Tümpel und Altschneefelder mit zweifelhafter Tragfähigkeit zwingen mich zu zahlreichen Umwegen und ich habe Mühe meine Spur auf den Berg zu halten. Endlich kann ich mich nach gefühlten endlosen Stunden (es war maximal eine) am Hang hocharbeiten. Mittlerweile fallen immer wieder Nebelschwaden ein und verhüllen den Gipfel.
Ich gehe im Zickzack den Hang hoch, umgehe immer wieder Felsen und Restschneefelder bis ich endlich am Grat ankomme.
Der Gipfel liegt irgendwo unweit meiner linken im Nebel versteckt und ich in völlig außer Atem. Warum noch mal tue ich mir das im Urlaub an? Wenigstens gibt es hier oben am Grat wieder einen Weg, dem ich nach Osten folge. Zuerst geht es runter, und dann auf der anderen Seite über große Blocksteine wieder nach oben zum Angels Peak (1258m). Ich gönne mir eine minimale Pause mit einem Müsliriegel und dann wieder runter – und wieder hoch. Diesmal auf den Cairn Toul (1291m). Immer wieder nieselt es bei dieser Unternehmung, es windet auch leicht. Letzteres hat den Vorteil, dass die Nebelschwaden in Bewegung bleiben und immer wieder gewaltige Ausblicke auf das umliegende Land erlauben.
Ich selbst laufe immer noch rein auf Endorphin – bis jetzt hatte ich nur eine kurze halbherzige Mittagspause und war ansonsten seit dem Morgen durchgehend unterwegs.
Nach dem Cairn Toul geht es wieder runter und dann wieder hoch auf den Stob Coire an t-Saighdeir. Mittlerweile kenne ich das Prozedere – auch wenn Blocksteine zum Bergabgehen viel weniger Spaß machen als beim Hochklettern. Auch mehrere rutschige Schneefelder liegen auf der Strecke. Zum Glück hätten sie alle für den Notfall einen flachen Auslauf, den ich aber nicht brauche. Dafür lasse ich meinen Fuß einmal stehen, als ich durch die Altschneedecke in einen Bach steige.
Vom Stob Coire geht es nun hinab bis zum Ursprung des Allt a‘ Choire Odhair. Mittlerweile zittern meine Oberschenkel beim Abstieg ganz ordentlich und die Knie schmerzen. Als ich am Abstieg zur Corrour Bothy ankomme überlege ich etwa eine Minute ob ich nicht doch noch Devil’s Point mitnehmen sollte. Aber auf den extra Kilometer (einfach) und die 100 Höhenmeter habe ich einfach keine Lust mehr. Also geht es den steilen Weg entlang des Allt a‘ Choire Odhair nach unten zur Bothy. Bei meiner Müdigkeit ist Konzentration gefragt, damit ich mir nicht noch auf den letzten Metern den Hals breche.
Damit der Abstieg noch mehr Spaß macht setzt auch noch Regen ein. An der Bothy angekommen werfe ich einen kurzen Blick hinein. Darin erwarten mich drei Wanderer und ein aufgeregter Hund, der mit seinem Schwanz vor Freude gleich mal die Asche aus dem Kamin kehrt. Sie laden mich ein bei ihnen zu schlafen, aber ich lehne dankend ab und suche mir in der Umgebung einen halbwegs flachen Platz für mein Zelt, welches ich im Regen aufbaue. Dann hole ich Wasser aus dem Fluss und koche mir eine große Portion Suppe um dann ein Nickerchen zu machen – eine Stunde schlafe ich wie ein Stein.
Als ich aufwache hat der Regen aufgehört. Mehrere weitere Wanderer kommen an der Bothy vorbei, aber sie alle gehen noch weiter, die meisten hoch aufs Plateau. Ich vertrete mir noch etwas die Beine und hoffe auf eine halbwegs warme Nacht. Mittlerweile habe ich auch den brutalen Sonnenbrand auf meiner Nase bemerkt – das restliche Gesicht kann ich nicht sehen. Mein Zelt riecht auffällig nach nassem Hund und ich freue mich auf den Abschluss der Tour morgen. Auf eine Dusche, frische Kleidung, gutes Essen, Telefonieren mit der Familie. Meine Lust auf Abenteuer ist vorerst mal wieder gestillt.
Distanz: ca. 20 km (wahrscheinlich deutlich mehr)
Höhenmeter: ca. 1430
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