Samstag, 7. August – Weitere Anreise und halber Wandertag
Ankunft in Murjek ist kurz vor sieben, ich stelle meinen Wecker also für meine Verhältnisse sehr früh. Der Zug ist dieses Jahr pünktlich und so finde ich mich um sieben frisch geduscht und gut gelaunt am Bahnhof Murjek wieder. Mit vielen weiteren hoffnungsfrohen Wandersleuten. Ich nehme gleich einen Tisch in der Sonne in Beschlag. Ein nettes belgisches Pärchen gesellt sich dazu und ich nutze die Gelegenheit, meinen Rucksack noch um zwei Tafeln Schokolade zu erleichtern. Ich hatte noch welche nachgekauft und nun eher zu viel. Und die beiden freuen sich drüber, ihre Rucksäcke sind nicht sonderlich schwer.
Im Bus nach Jokkmokk sitzen sie hinter mir und ich überschütte sie mit Tipps für ihren geplanten Weg durch den Sarek. Im Nachhinein bin ich mir gar nicht so sicher, ob sie das alles hören wollten. Aber ich komme vor lauter Vorfreude gar nicht aus dem Reden und Schwärmen über den Sarek raus.


In Jokkmokk beim Umsteigen hole ich mir im Supermarkt noch eine Birne, dann geht es weiter nach Kvikkjokk. Dieses Jahr hat wirklich alles superpünktlich funktioniert und so purzele ich mittags in Kvikkjokk aus dem Bus. An der Fjällstation steht eine lange Schlange an, anscheinend dürfen wegen Corona nicht zu viele Menschen auf einmal rein? Da bin ich froh, dass ich eh nicht hinein will und hänge stattdessen meinen Rucksack an die Waage:
Etwas weniger Zelt aber etwas mehr Essen – scheint mein Standardgewicht zu werden.

Nun marschiere ich aber frohen Mutes los und bin gespannt, ob ich dieses Mal meine Tour wie geplant umsetzen kann, oder ob ich schon wieder gleich am Anfang kneife. 🙈
Ach, ich habe ja noch gar nicht gesagt, was ich eigentlich vorhabe. Also: Letztes Jahr wollte ich über Boarek und den Sähkok ins Njoatsosvágge. Von dort auf Luohttoláhko, möglichst mit Ausflug auf den Nåite. Dann das Sarvesvágge queren, über das Niejdariehpvágge ins Álggavágge. Von dort durch das Násasvágge ins Guohpervágge. Da war ich ja vor zwei Jahren und seitdem hatte ich das Násasvágge auf der To-do-Liste. Von dort will ich unterhalb des Låvdatjåhkkå ins Ruohtesvágge queren. Ab da hätte ich dann drei Möglichkeiten auszusteigen: wenn nicht mehr viel Zeit ist, nach Ritsem, bei mittelviel Zeit nach Suorva und bei viel Zeit südlich des Bietsávrre nach Sáltoluokta. Dafür hätte ich letztes Jahr 16 Tage gehabt.
Nun habe ich ja sogar 21 Tage und damit ein „Problem“: Soviel Essen kann ich nicht mitschleppen, ich muss die Route deshalb so legen, dass ich irgendwo nachkaufen kann. Beim Blick auf die Karte komme ich recht schnell auf Darreluoppal, das liegt am nächsten an meiner Route, da kann ich aus dem Njoatsosvágge gut hinkommen. Im Internet finde ich zum Glück auch Infos darüber, was ich dort kaufen kann – das passt. Allerdings bin ich nach meinem Plan ja schon in den ersten Tagen im Njoatsosvágge, also viel zu früh, um Essen nachzukaufen. Demnach muss ich meine Planung am Anfang der Tour ändern. Nach ein bisschen Recherche ergibt sich recht bald eine entsprechende Variante: Statt über den Sähkok zu gehen, könnte ich hinter Boarek erst mal die im Grundsten beschriebene Kammwanderung zum Pårte machen und einen Blick auf den Gletscher werfen. Zusätzlich hätte das den Vorteil, dass ich gleich zu Beginn, wenn der Rucksack noch so schwer ist, einen Tagesausflug mit leichtem Gepäck hätte. Dann soll es weiter zur Brücke über den Gådokjåhkå gehen. Von dort durch eines der drei parallel verlaufenden Täler ins Sarvesvágge. Welches der drei – das entscheide ich dann nach Lust und Wetter. Vom Sarvesvágge kann ich durch das Noajdevágge auf Luohttoláhko aufsteigen – wenn das Wetter mitspielt – denn da oben traue ich mich nicht hin, wenn auch nur ein leichter Wind weht. Von dort soll es dann südlich des Svenoniuosgletschers vorbei ins Njoatsosvágge gehen. Das quere ich nur kurz und laufe zwischen Vássjátjåhkkå und Tshatsa nach Darreluopal. Da, wie gesagt, Essen kaufen, dann nordwärts zum Álggájaure. Ab da nach der ursprünglichen Planung weiter.
Das also der Plan – mal gespannt, wie weit ich diesmal komme!

Der Wetterbericht droht mir allerdings pünktlich zur geplanten Kammwanderung Regen an, das ist ja schon mal Mist.

Jetzt geht es aber in strahlendem Sonnenschein los auf altbekanntem Kunglseden. Bei der ersten Bachquerung zeigt sich, dass es diesen Sommer wohl sehr trocken war. Hier habe ich letztes Jahr noch Wasser geschöpft:
Da war schon mal mehr Wasser drin
Das finde ich ein bisschen gruselig, aber wenigstens lässt das hoffen, dass die Flussquerungen dieses Jahr kein großes Problem werden.
Am Abzweig muss ein unvorteilhaftes Selfie herhalten, diesmal bin ich hier allein.
Wegen der Bachquerung im Sumpf, die letztes Jahr so wackelig war und auch andrea2 so suspekt war, bin ich schon sehr gespannt, ob der Balanceakt über den einzelnen schmalen Balken wieder nötig sein wird. Oder ist schlimmstenfalls vielleicht gar kein Übergang mehr vorhanden? - aber:
Tada:
Der Balken hat Verstärkung bekommen

Ich plane, wie letztes Jahr mein schönes Plätzchen am Stuor Dáhtá zu beziehen. Das war zwar ein bisschen feucht, aber das sollte in diesem trockenen Jahr dann ja erst recht kein Problem sein. Hoffentlich ist es noch frei. Es begegnen mir nämlich auf diesem Stück schon deutlich mehr Menschen als letztes Jahr. Es dauert dann auch nicht mehr lange, bis ich an den See komme...
Stuor Dáhtá in Sicht
... und ich habe Glück. Direkt am Weg, am Zulauf in den Stuor Dáhtá stehen zwar schon Zelte, aber meine kleine Landzunge ist noch frei.
Jetzt nicht mehr!

Nachdem das neue Zelt aufgebaut und eingeräumt ist, nehme ich ein Bad – das schöne Wetter muss man nutzen – und wasche auch gleich die frisch verschwitzte Unterwäsche. Bei dem Wetter ist die ja flugs wieder trocken. Dann lümmele ich vorm Zelt rum und freue mich, hier zu sein. Es findet sich sogar die eine oder andere Moltebeere. Trotzdem bin ich irgendwie noch nicht richtig angekommen. Ich hadere noch ein bisschen damit, was wohl kommen mag und ob ich mich wirklich für drei Wochen allein in den Sarek traue. So genussvoll und leicht wie im Moment wird es ja nicht bleiben. Ich studiere die Karte und lese im Grundsten nach, was ich in den nächsten Tagen vor mir habe. Die Kammwanderung würde mir schon sehr zusagen. Aber dafür muss ich hoffen, dass der Wetterbericht irrt.
Später bekomme ich noch Nachbarn, die am Waldrand zelten, von dem meine Landzunge abzweigt. Das ist so ca. 50 bis 100 Meter weg. Es sind drei junge Männer, ich glaube, Italiener, kann aber die Sprache nicht richtig erkennen.
Kommentar