Echt ne Freude dieser Bericht, textlich und optisch
[NO] Hohe Routen im hohen Norden - Sjunkhatten, Svartisen und...
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II. Sjunkhatten - eine alpine Runde im Herzen des NP
Bei der Tourplanung für 2019 hatte ich zwar die Karten für den NP mit ausgedruckt, aber dann kein Projekt weiter verfolgt. Es gab genug andere Ideen. Von Steigen hatten wir dann immer wieder sehr direkte Blicke in die fantastische Bergwelt Sjunkhattens und es stand fest: da wollen wir hin. Das stellte sich bald als nicht so ganz einfach heraus, ich bin nur an wenige Informationen herangekommen: Bernies Route von 2013 und einige wenige Tages- und Gipfeltouren auf peakbook.
Viele Tage habe ich dann an der 3D Darstellung von norge i bilder gesessen. Dabei ist ein schwere Route mit vielen ungewissen Übergängen, weitgehend eigener Streckenführung und guten Gipfelmöglichkeiten herausgekommen. Einige Passagen würden nur bei ausreichender Schneelage funktionieren, Steigeisen und Pickel waren daher gesetzt. Seilkram haben wir aus Gewichtsgründen weggelassen, lediglich 25m dünne Reepschnur zum Ablassen der Rucksäcke war dabei. Ich war in dieser Hinsicht ganz froh über eine klare Haltung ohne Experimente: entweder wir kommen ohne Basteleien durch oder eben nicht. Umkehren oder Abbrechen wäre irgendwie immer möglich gewesen. Für gute 10 Tage Essen gab es und eine flexible Tourplanung ohne Tagesziele, mehr eine Ideensammlung, wie eigentlich immer bei uns.
Bevor es jetzt endlich los geht – hier nochmal der Link zur handgemalten Route: googlemap
1.Tag (5. Aug)
Der PKW steht in einer kleinen Parkbucht kurz vor Heggmoen – mit einem kleinen Zettel, dass wir länger weg sind. Wir folgen einem markierten Steig hinauf auf den Heggmotind. Noch ist es einfaches Wandergelände, ein paar Felsplatten, ein paar feuchte Stellen. Zwei Norweger ohne Gepäck sind auch unterwegs, bis zum Ende der Runde die einzigen anderen Trekker. Bald ist der Blick frei auf den Vatvatnet, den Saltfjord und die Berge Helgelands.
Mittags sind wir auf dem Gipfel und schlagartig änderte sich der Charakter unserer Tour: steil und exponiert geht es hinunter auf den Rücken der zum Dalfjellet und weiter zum Breiviktinden führt. Ohne Zeichen einer Begehung, aber immerhin hatte ich einen dünnen Hinweis, dass hier schonmal jemand mit Trailrunnern durchgejoggt war. Zwischen steilen Felsen hangeln wir uns hinunter, müssen immer wieder mal zurück und neue Durchschlüpfe suchen. Insgesamt gelingt dies ohne allzu sehr in die Flanken abgedrängt zu werden. Auch die dicken Rucksäcke können meist gleich mitgenommen werden.
Abstieg, hier schon der Weiterweg zum Breiviktind
Unten angekommen, weiß ich dann gleich nicht mehr, welche Linie wir gegangen sind. Von gegenüber, am letzten Tourtag fotografiert, bekommt man in der Profilansicht aber wieder einen anderen Eindruck von diesem Abstieg.
Susanne ist ein bisschen geschockt von diesem Einstieg und kämpft mit dem schweren Rucksack, auch sie muss jetzt mehr tragen. Aber es geht jetzt lockerer weiter, immer mit grandiosem Panorama hoch über dem Heggmovatnet. Bis zum Gipfel des Dalfjellet zieht es sich dann doch, dafür bereitet der nächste Abstieg keine Probleme.
Abstieg vom Dalfjellet
Rückblick zum Heggmotind
und nochmal der Blick von gegenüber
Gegen 17 Uhr stehen wir am nächsten Grataufschwung, ein kleiner Tümpel gibt gutes Zeltgelände an der Abbruchkante über dem See. Wir beschließen hier zu bleiben, sonst müssten wir 500m höher wohl auf einem Schneefeld am Breiviktind übernachten.
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2. Tag (6.Aug)
Mit der Sonne laufen wir los, es ist frisch und strahlend schön. Aber bereits ab Mittag ist Nieselregen angesagt, was man in diesem Gelände gar nicht brauchen kann. Es geht steil aber nur mäßig exponiert nach oben, Susanne kämpft weiterhin mit ihrem Rucksack. Unter P1071 queren wir auf Schneebändern bis südlich des Breiviktind. Der Schnee ist gut gangbar, fast schon ein bisschen weich, vielleicht wäre es oben herum sogar lockerer gegangen.
Dalfjellet und Heggmoetind, schon weit hinten
Ein bisschen sitzt uns die Zeit im Nacken, der nächste Übergang braucht guten Trittschnee und gutes Wetter. So sprinte ich allein hinauf auf den Gipfel, wo ich noch vor 9 Uhr fantastische Ausblicke habe. Die schlechte Wetterprognose mag man nicht glauben.
Mistfjorden, dann Fjær, ganz hinten die Lofoten
Tullelvvatnet, dann Sjunkhatten, hinten Helldalisen
unsere Route eine Woche später...dahinter Blåmannsisen und die Gletscherberge von Sulitjelma
Für den Abstieg finde ich ein weiteres Schneefeld auf dem ich abfahren kann, in nur 10min komme ich so zurück zu Susanne.
Zusammen queren wir nun weiter gen NE, bevor es steil hinunter geht zur Scharte zwischen Breivik und Fagertinden. Meist können wir den Schnee nutzen, angenehm und ohne Hilfsmittel. Aber unter uns bricht es steil ab in einen noch vereisten Karsee. Mit einer nur kurzen Klettereinlage erreichen wir die Scharte, doch dies war nur der erste ungewisse Abschnitt des Tages.
Nun hätten wir die Wahl: Entweder nach W Richtung Breivikdal und dort auf Bernies Route zum Anderselvvatnet. Oder in direkter Linie nach N zum See, den steilen letzten Abstieg konnte ich auf den Satphotos kaum einsehen. Das Gelände um den projektierten Zeltplatz der westlichen Variante sieht moorig aus, die folgende Blöcke mochte auch Bernie nicht. Wir wollen daher die ungewisse Linie probieren, man könnte immer noch auf das schon begangene Gelände ausweichen.
Über den Plattengürtel unter dem Sattel mogeln wir uns irgendwie drüber, dann folgt eine fürchterliche Schutthalde, die wir mit nur wenig Höhenverlust queren müssen. Das ist zeitraubend, und wir sind sehr froh, als wir endlich auf gutem Boden zum Sattel über dem Anderselvvatnet laufen können.
Es ist nun 12 Uhr – und pünktlich wie die Maurer setzt der versprochene Nieselregen ein. Eine steile Schneerinne führt hinunter, von oben kann man sie nicht einsehen. Ohne Rucksack turne ich in den begrenzenden Felsen umher und versuche das Gelände einzuschätzen. Im Couloir erkenne ich einen kleinen Riss, darunter habe ich immer noch keine Einsicht. Aber viel Wahl haben wir nicht, die Felsen sind bereits nass und von oben kaum einzuschätzen. Ich kann nur hoffen, dass der Riss nicht durchgeht. Nun mit Steigeisen stapfen wir also die Rinne hinunter, bald mit dem Gesicht zum Berg. Der Riss ist nur ein kleines Loch, danach geht es glatt weiter. Es ist wirklich steil, Susanne macht das aber super gut. Der See kommt bald näher, eingebettet in wüste Blockfelder die den Gedanken an einen Platz fürs Zelt gar nicht erst aufkommen lassen. Doch wie durch ein Wunder gibt es genau im Auslauf unserer Rinne einen einzigen passgenauen ebenen Fleck.
Zuletzt geändert von TilmannG; 26.02.2021, 17:17.
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Moin,
wenn ich das richtig verstanden habe, seid ihr zu eurem letzten Übernachtungsplatz in der Rinne abgestiegen, die mit dem Pfeil markiert ist, richtig? Ich bin sehr beeindruckt! Ich war vor 4 Jahren im Sjunkhatten unterwegs und zumindest für mich sahen die Kesselwände nicht begehbar aus.
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Ja, das ist die Rinne. Danke für das Foto, das hat mir gefehlt. Wir hatten deutlich mehr Schnee (blaue Linien), das macht es schon einfacher.
Mir waren für die ganze Runde noch intakte Schneefelder an den Schlüsselstellen sehr wichtig, das wird noch paarmal kommen. Deshalb haben wir diese Tour, trotz der nicht ganz optimalen Wetterprognosen, auch nicht nach hinten geschoben. Bei dieser Rinne möchte ich nicht ausschließen, dass man sich auch daneben durchschummeln kann, Trockenheit und gute Sicht vorausgesetzt.
Grüße von Tilmann
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Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht. Hast du zufälligerweise ein Foto vom Breiviktind ins Breivikdal aufgenommen?
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3.Tag (7.Aug)
Es hat den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht durchgenieselt. Wir wachen für unsere Gewohnheiten spät auf, alles ist pitschnass und nebelverhangen. Warten macht keinen Sinn, dieses Loch hier trocknet so schnell nicht ab. Wir studieren unsere Möglichkeiten: Entweder auf den glibbschigen Blöcken um fast den ganzen See herum eiern und dann, auf Bernies Route, eine ebensolche steile Blockhalde hinauf. Oder auf unserer Seite erst über Schnee- und Blockfeld, dann extrem exponiert über noch steileres und natürlich auch nasses Grasgelände den Kessel verlassen. Oben dann ungewisse Felsplatten.
Die zweite Möglichkeit hatte ich ziemlich gleich verworfen, aber je länger wir auf die Blöcke um den See starren, desto geringer wird die Lust, darauf herumzurutschen. Und je öfter ich durch das Teleobjektiv nach oben schaue, desto manifester wird die Einbildung, dort vielleicht doch eine Chance zu haben. Am Ende nicht unbedingt eine rationale Entscheidung...
Das Schneefeld geht dann schick, die Blöcke na ja, aber im tropfnassen Tundrabewuchs läuft es sich überraschend locker. Konzentriert und mit gutem Rhythmus steigen wir nach oben, nach nur zwei Stunden erreichen wir den Sattel direkt unter den senkrechten Felswänden des Fagertind. Eine magische Stimmung ist hier oben, die Sonne kämpft sich ganz langsam durch und wärmt uns und die Felsen.
Rückblick zum Anderselvvatnet
Skjerdingstinden und Tindvatnet, das Bogvassdal noch verborgen
Bogvatnet
Steil bricht das Gelände ab zum Bogvatnet, einen direkten Abstieg gibt es nicht, wir müssen zuerst zum östlichen Zipfel des Tullelvvatnet. Über Schnee und Felsplatten geht es erst noch bequem, laut Karte ist es hier auch nicht besonders steil. Doch es hat immer wieder Abbrüche von vielleicht 5-8 Metern. Ein breites Band führt uns weit in die Steilflanke über dem Tullelvvatnet, bis wir dort endlich einen Durchschlupf nach unten finden.
Noch 2-3 mal geht es so hin und her, dann wird es flacher und wir stoßen auf Bernies Route, der wir zum Nordfjord folgen wollen. Nun haben wir also immerhin die Info, dass hier schon mal jemand durchgekommen ist. Es ist auch für ein kurzes Stück einfacher und zügig gelangen wir zum Tullelvvatnet.
Tullelvvatnet, hinten Trolltinden und Novaskaret
Der weitere Abstieg geht dann wiederum nicht direkt und verlangt uns einiges Gesuche ab. Es ist nun alles wunderbar grün, aber aus den Schneefeldern rinnt überall Wasser über Platten und deren Bewuchs. Wieder führen uns Bänder weit nach NE in die steile Flanke und geben nur unwillig Durchstieg nach unten frei. Trotz der optischen Idylle müssen wir konzentriert bleiben, es ist anhaltend exponiert. Doch schließlich rutschen wir auf dem Hintern über die letzte nasse Platte ins Grün des Bogvassdalen.
Hier halten wir uns am Hang und steigen dann wieder hinauf, auf das Felsplateau westl des Litlvatnet. Einige Steinmänner führen uns nach N, sie scheinen eine Route zum Nordfjord zu markieren. Doch es sind Irrläufer, als wir schließlich zum Bach absteigen, sind wir schon zu weit auf der falschen Seite. Auf der anderen Seite der Schlucht entdecken wir das Seil, das den weiteren Abstieg vermittelt. Wir müssen am Bach ein Stück zurück, um ihn zu queren zu können. Das alte Klettertau wäre nicht unbedingt nötig, aber im Herbst, wenn sich um den Bach Eis bildet, kann es sinnvoll sein. Vielleicht haben es mal Schäfer hier verknotet, als sie spät im Jahr ihre Tiere suchten.
Durch tiefen Farn und weiterhin weglos geht es hinunter in den Fjordbotn. Dort ein steiger Wechsel von flachem Sumpfgelände und Urwald mit unübersichtlichen Bacheinschnitten.
Nordfjorden-Sørbukta und weiter zum Novaskaret
Plötzlich hören wir Motorengeräusche, wir nähern uns der einzigen Hütte in der Nordfjorden-Sørbukta. Von hinten trampeln wir durch deren Garten, wo gerade der Rasen gemäht wird - mitten im NP, eine groteske Situation. Für norwegische Sitten fällt die Kommunikation von beiden Seiten her eher kurz aus. Am Strand hat der unheimliche Spuk schnell ein Ende, es ist wieder unendlich friedlich. Nur ein dichter Fischschwarm sorgt für Bewegung, zwei Schweinswale drängen ihn ans Fjordende.
Es ist nun schon Abend, doch Zeltgelände gibt es hier nicht. Wir müssen noch einmal Richtung Novaskaret aufsteigen, an den Tümpeln bei der Baumgrenze erhoffe ich mir Zeltmöglichkeiten. Der Weg dahin ist nun etwas unerwartet mühsam. Das Gelände überrascht immer wieder mit kleinen Steilstufen, Bacheinschnitten und ständig wechselndem Bewuchs. Es ist warm und schwül, wir sind müde, Mücken und Bremsen hingegen sind angeregt aktiv. Aber es hat fantastisches Licht und wir genießen das unglaubliche Panorama. Erst gegen 21 Uhr können wir uns von oben dem ersten Seelein nähern und finden dort auch einen wunderbaren weichen Platz. Wir waren 12 Stunden unterwegs, bis wir gebadet sind und gegessen haben ist es fast dunkel.
Panorama mit Keipen und Kjerringtinden, > klick für große Ansicht
unter den Birken der ZeltplatzZuletzt geändert von TilmannG; 28.02.2021, 13:33.
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Herrliche Routen seid Ihr da gegangen, mit wie immer super Fotos von Dir
Habe gestern und heute den ganzen Bericht gelesen und vieles von meiner eigenen Tour wiedererkannt. Mich wundert allerdings warum die Hütte oberhalb des Nordfjorden abgerissen wurde, wo ich einige Tage ausgewettert hatte
Auf jeden Fall finde ich die Gegend absolut spektakulär und hoffe daß Norwegen bis spätestens Anfang Juni wieder bereisbar ist.
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Hei Bernie,
es freut mich sehr, dass du als wichtiger Ideengeber dabei bist!
Die Fundamente der Hütte (im Granit eingebohrte Stahlfüße) standen noch, das WC sah nagelneu aus. Ich gehe davon aus, dass es einen Neubau geben wird, vielleicht vom örtlichen Tourismus- oder Wanderverein.
Grüße von Tilmann
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Zitat von vobo Beitrag anzeigenEcht eine tolle Landschaft - da wird es mich auch noch hinziehen. Vielen Dank.
Sena Insofern könntest Du doch auch noch einen Bericht von 2016 schreiben?
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4.Tag (8.Aug)
Früh weckt uns die Sonne und macht die ganze Schönheit unseres Lagerplatzes sichtbar.
Doch wir sind unter Druck, wie die ganze erste Woche dieser Runde: der nächste Übergang ist sehr ungewiss, wir wissen schlicht nicht, ob wir da runter kommen. Und ab dem frühen Abend soll es 24h durchregnen. Hinauf zum Novaskaret ist erstmal lockeres Einlaufen, wirklich leichtes Gelände. Bald tauchen die Berge nördlich des Nevelsfjord über dem Pass auf.
Unglaublich dann der Moment, als der Blick auf den Fjord und die kleinen Siedlungen frei wird. Bei Nesodden gibt es einen typischen Gezeitenstrom, aktuell ist Ebbe.
Panorama >klick für größer
den Weiterweg sieht man auch schon
Jetzt müssen wir da nur hinunter kommen. Auf den satphotos lag der untere Teil der Steilflanke im Schatten, es war nicht erkennbar, inwieweit Felsplatten den Hang unterbrechen.
Von unserem Frühstücksbalkon holen wir ein bisschen nach E aus und erreichen ein steiles Schneefeld. Ich bin ja ein großer Freund vom schnellen Vorwärtskommen auf Schnee, auf dieses trau ich mich nicht. Es ist völlig durchfeuchtet und endet unterspült auf steilen Felsabbrüchen. Wir müssen versuchen, uns auf dem nassen Fels darunter vorbei zu mogeln. Nach einigem hin und her gelingt dies ganz gut, über eine Blockhalde steigen wir wieder ein bisschen auf. Den bewachsenen Steilhang darunter konnte ich nun einsehen und bin zuversichtlich: die kleinen Felsabbrüche lassen sich umgehen, wenn man stramm auf der westlichen Seite bleibt. Erst geht der weitere Abstieg noch über ganz gute Blöcke, doch bald stehen wir bis zur Brust im Farn. Das hört sich romantisch an, hat jedoch den Nachteil, dass man von den Steinen absolut gar nichts mehr sieht. Ganz langsam tasten wir uns nach unten. Bald sind wir im Buschwerk, aus dem schnell Bäumchen werden. Es ist wirklich steil, aber um die Felsabbrüche kommen wir gut herum.
Unten ist dann überraschend offener Wald, es gibt ein paar uralte Mauerreste, aber keinerlei Pfadspuren. Wir kommen flott nach E auf den Loftbakken, wo wir Mittag machen. Wir sitzen auf dem größten Moränenwall im NP, das Tal der Mølnelva würde uns wieder hinauf in die Berge führen. Doch wir wollen weiter außen herum und steigen hinunter nach Straumsnes. Die Landwirtschaft ist aufgegeben, die mühevoll urbar gemachten Heuwiesen sind völlig zugewachsen. Nur ein paar Wege sind frei gemäht und ein einige Häuser noch als Freizeithütten gepflegt, aber es ist kein einziger Mensch hier. Über den Rasen einer Luxushütte machen wir uns wieder ins Buschwerk und erreichen eine kleine Anhöhe.
Rückblick, links oben das Novaskaret mit dem Trolltind. Darunter in der Sonne Loftbakken
Wir sollten bald einen guten Platz finden, an dem wir den morgigen Sauwetter-Tag bequem aussitzen können. Es ist nun tropisch schwül, die Wetterfront ist noch nicht sicht-, aber bereits bestens spürbar. Nachdem wir den Bach, der vom Sjunkskardet herunterzieht, gequert haben, halten wir uns auf dem Rücken nördl der kleinen Schlucht. Trotz dem Bewuchs ist es hier einigermaßen gut gangbar, aber der Schweiß rinnt in Strömen.
Als sich unter dem Rismålsfjellet das kleine Tal auftut, finden wir gleich einen schönen Zeltplatz. Wir haben noch Zeit uns zu sortieren, und genießen den Blick auf den Nevelsfjord und die verlandeten Seen, die wohl einst zum Fjord gehörten. Im Stromen scheitert ein kleines Boot an der Flut, sonst ist nach wie vor nichts los. Und pünktlich um 19.30 Uhr kommt der Regen.
Zuletzt geändert von TilmannG; 01.03.2021, 11:21.
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5. Tag (8.Aug)
Es regnet. Die wenigen Pausen nutze ich, um am kleinen Teich hinter unserem Zelt Drainagen zu graben. Wozu man einen Eispickel nicht alles nutzen kann... Der Pegel war schnell gestiegen und in Susannes Apsis ist schon Land unter. Der natürliche Abfluss war massiv vermoost, ich grabe noch einen zweiten und kann so den Wasserstand tatsächlich senken.
6.Tag (9.Aug)
Schon um 5 Uhr kommt die Sonne durch und zum Frühstück gibt es einen fantastischen Wechsel der Lichtstimmungen. Zwei Rentiere trotten vorbei, ohne von uns Notiz zu nehmen.
perfekte Form: Storlitinden
auch mal Sonne an Novaskaret und Trolltinden
Dann brechen auch wir auf. Vor uns liegen weitere fragwürdige Übergänge. Sicher ist nur eins: es wird der schwierigste Tag dieser Runde werden. Der erste Anstieg zum Sjunkskardet ist noch einfach. Durch die Steilstufe dahinter helfen zwei Steinmänner, denn auf den Sjunkhatten Gipfel gibt es eine beschriebene Route (UIAA V nach norwegischer Lesart, botanisch interessant und mobil abzusichern). Gelegentlich kommen hier wohl Kletterer durch, die sich per Boot in Straumsnes haben absetzten lassen. Steigspuren haben sie nicht hinterlassen. Eigentlich hätten wir gern von hier aus einen Abstecher an den Fuss vom Skeistind gemacht, das wäre der Tag gestern gewesen.
projektierte Route, >klick für größer, unsere Position unter dem Sjunktind ist verdeckt. Foto 8/19 von
Kråktindan/Steigen
Wir umlaufen den Sørkråvatnet und finden gute Schneefelder, hart und kompakt. So habe ich mir das vorgestellt, die Steigeisen werden gleich angelegt.
Oben am Pass Sørkråga meinte ich aus dem Weltraum Felsbänder erkannt zu haben, die einen Übergang ermöglichen könnten. Das Schneefeld dort hinauf sieht aber schon wieder übel aus, völlig unterspült endet es in einer felsigen Rinne. Wir können 100m unterhalb noch einmal absetzten und ich steige ohne Gepäck hinauf. Mir fehlen nur wenige Meter um zu der Rinne zu gelangen, und ich beginne, den unterhöhlten Schnee weg zu pickeln. Ich richte mich auf eine gröbere Hackerei ein, doch schon nach wenigen Hieben bricht alles weg. Die Schneetrümmer donnern unten wieder aus dem Schneefeld heraus, was meine wartende Frau erschreckt. Ich selbst bin erschrocken, wie wenig der unterspülte Schnee ausgehalten hat. Aber der Weg ist jetzt frei, im tiefen Randspalt gibt es eine schmale Trittleiste, auf der ich mich zu den Felsen quetschen kann. Ein paar leichte Kletterzüge, dann ermöglichen Fels- und Schotterbänder tatsächlich den Ausstieg in den Sattel. Wieder unten bei Susanne möchte ich erst ihren Rucksack hinauf bringen, aber sie möchte selbst tragen. Erst in den Felsen lässt sie sich dann helfen.
Vom Pass steigen wir über Blöcke kurz ab ins Mølnelvadal, ein möglicher Rückzugsweg. Weitere Blöcke, z.T. unangenehm mit Eis überzogen, bringen uns an die Flanke, die hinauf in den Sattel zwischen Sjunktind und P983 zieht. Diese Flanke ist kompakt verfirnt, unten steil und hart, nach oben allmählich flacher und weicher werdend. Eine perfekte Autobahn, über die wir schnell und mit Freude aufsteigen.
der Trolltind ist schon wieder sichtbar
Im Sattel dann prompte Ernüchterung: das Firnfeld für den Abstieg ist schütter und weich, die Felspassage darunter sieht von oben zu schwierig aus. Eigentlich hätte ich auch noch gern den Gipfel vom Sjunktind mitgenommen, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Wenn wir da unten nicht durch die Felsen kommen, darf der Schnee für den Rückweg nicht viel weicher werden. Ich biete Susanne an, das ganze hier abzubrechen, vielleicht noch den Gipfel mitnehmen und dann zurück Richtung Kjerringøy. Aber sie möchte es probieren.
Abstieg zum Sjunkfjord
Über den Felsgürtel am Sattel kratzen wir mit den Steigeisen, im Schnee finden wir dann doch eine zusammenhängende Linie bis weit hinunter.
Es gab eine durchgehende Linie…links Sjunktind, rechts davon der Pass
Rückblick am nächsten Tag
In den Felsen lassen wir uns viel Zeit, in Ruhe suchen wir nach den besten Möglichkeiten. Ein paarmal werden die Rucksäcke abgesetzt und hinuntergereicht. Aber wir finden ohne allzu große technische Schwierigkeiten hindurch. Nach dem dunklen Karsee öffnet sich dann liebliches Almgelände, und prompt werden wir von drei blökenden Schafen empfangen. Die sind sichtlich irritiert und verziehen sich auch gleich wieder.
Wir genießen den Ausblick auf den Sjunkfjord, das Gefühl, das Gröbste geschafft zu haben stellt sich jedoch nur ganz allmählich ein. Aber jetzt ist es ganz einfach: Über die Steilstufe am Wasserfall führt ein zwar steiler und rutschiger Schafsteig – aber es ist ein richtiger Pfad.
Auch in der Buschzone darunter haben die Schafe geholfen, nur in wenigen sumpfigen Abschnitten müssen wir ein bisschen suchen. Am frühen Abend stolpern wir müde auf den Strand der Einarvika. Die Sonne gestattet nur noch ein paar Zeltfotos, dann verschwindet sie hinter den Bergen.
Ich bin ziemlich erleichtert, das unbekannte Gelände liegt nun hinter uns und alle meine verrückten Übergänge haben doch funktioniert.
Zuletzt geändert von TilmannG; 03.03.2021, 09:42.
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Wow, was für eine gigantisch schöne Landschaft! Und vielen Dank, dass Ihr mich virtuell in diese felsige Gegend mitnehmt, in der ich real niemals wandern könnte.
Aber habe ich nicht dunkel in Erinnerung, das Du die Passage oberhalb des Vájsájávrre (der neue Einstieg in den Gränsleden, von Storå aus) als nicht ganz banal beschrieben hast? Oder habe ich da was verwechselt? So wie Ihr da an den Felsen rumturnt, ist das Gelände am Vájsájávrre doch ein Spaziergang für Euch!
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Die Berge bei Storå sind sicher nicht banal, es ist unübersichtliches Gelände und der Alt-Schnee war bei uns sehr hart. Wir waren zu faul, die bis dahin auf der Tour ungenutzen Pickel vom Rucksack zu nehmen, es ging schon auch so. Etwas mehr nächtliche Abstrahlung hätte deren Einsatz jedoch erforderlich gemacht.
Sjunkhatten war deutlich heikler, unsere mit Abstand schwierigste Tour in Nordland. Immer braucht es das nicht so, aber es wird ein positives Fazit geben.
Viele Grüße von TilmannZuletzt geändert von TilmannG; 02.03.2021, 23:54.
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7. Tag (10. Aug)
Wieder weckt die Sonne um 5 Uhr, doch wir bleiben noch ein bisschen liegen, genießen (und fotografieren) die unglaubliche Stimmung aus dem offenen Zelt.
Gegen 8 tippeln wir dann los, immer längs des Sjunkfjord nach S. Meist haben die Schafe einen netten Pfad getreten, mal zwischen den Bäumen, mal in den Salzwiesen oder durch den Strandhafer. Es ist unendlich friedlich, kein Windhauch, keine Boote. Gestern konnten wir von oben mal ein einziges Schiffchen beobachten, heute werden wir den ganzen Tag keinen Menschen sehen.
Rückblick in die Einarvika
Wir genießen sehr das unbeschwerte Laufen, die Gedanken können frei umher schweifen, das Auge muss sich nicht jedem Schritt extra widmen. Durch Blasentag und Wattwürmer abkürzend erreichen wir in kurzer Zeit das verlasse Gehöft am Fjordende.
zum letzten Mal: der Sjunkhatten-Gipfel
Nun windet sich ein kleiner Pfad am östlichen Hang durch das Sjunkfjordal, weit entfernt von der Storelva. In den Moorpassagen verlieren wir ihn immer mal, die uralten Markierungen helfen kaum bei der Suche. Wir stören Spinnen, erfreuen uns an einem Knabenkraut und fühlen uns in einer obskuren Fichtenschonung für 5 Minuten wie im Harz, als der noch lebende Bäume hatte.
Suchbild: wer findet die Markierung?
Am späten Vormittag erreichen wir den Fluss, machen Pause und baden. Nach dessen Querung wird es wieder spannend: ein dicker Steinmann verweist auf eine markante Richtungsänderung: mit einem weiten Bogen erst nach SW führt eine Steinmannroute durch die Felsabbrüche hinauf zum Drogvasskaret. Doch im Gegenlicht können wir die kleinen Steinmänner nicht erkennen, einen Pfad gibt es nun nicht mehr. Viel zu früh steigen wir hoch um dann vor Felswänden zu stehen. Es geht kurz wieder zurück, wieder hoch und wieder falsch. Ich deponiere den Rucksack und komme nach einer kurzen Klettereinlage auf eine Platte, über die wir schließlich hinauf schleichen können. Jetzt haben wir auch die Steinmännchen wieder gefunden, am frühen Nachmittag sind wir auf dem Pass.
Tele-Foto vom Vortag, gelb die ungefähre Steinmannroute
Drogvasskaret
Nun hat uns das Kahlfjell wieder, und auch das schöne Licht ist einem diffusen Grau gewichen. Es gab die Idee, von hier aus über das Sorskaret zu den Vassviktinden zu queren. Doch das Wetter ist uns hierfür nicht stabil genug, die Gipfel könnte man auch als Tagestour von Hola gut erreichen.
Wir steigen also ab Richtung S, können uns aber am Hang halten und mit nur geringem Höhenverlust ins Drogvassdal queren. Die erste Steilstufe können wir so früh nehmen, müssen also nicht ganz zum See 420. Für den Steilabsturz am Storbakken holen wir nach N aus und überwinden diesen deutlich entfernt von den Felsen am Bach. Die folgenden Seen sind schneebedeckt, bequem erreichen wir den Pass am Rundvatnet. Nach einer kurzen Suche findet sich auch ein Zeltpodest ein Stück oberhalb des Sees. Gegen Abend wird die Stimmung etwas freundlicher, und wir sind zuversichtlich, den Tag morgen mit einen Abstecher auf den Middagstind beginnen zu können.
Rundvatnet mit Breiviktinden...
...und Heggmotinden. Schon eine Woche vorbei...
Zuletzt geändert von TilmannG; 05.03.2021, 17:14.
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Zitat von Blahake Beitrag anzeigenWow, was für eine gigantisch schöne Landschaft! Und vielen Dank, dass Ihr mich virtuell in diese felsige Gegend mitnehmt, in der ich real niemals wandern könnte.) und wir nehmen Daniel mit, der dann mit seiner Drohne die Pässe auskundschaftet. Und vorher machen wir ein Treffen bei Susanne und Tilmann, die uns einen tollen Track empfehlen. Das klappt! Und hinterher laden wir unsere Liebsten in die Kulturhauptstadt Bodø ein - sind das Aussichten ... 😳
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Also einer der großen Nachteile, wenn man selbst grad an einem Bericht schreibt, ist ja, dass dann weniger Zeit vorhanden ist um andere Berichte zu lesen. Geht mir zumindest so.Von daher habe ich auch Deinen Bericht bisher komplett übersehen gehabt und mir jetzt endlich mal die Zeit genommen ihn mal in Ruhe zu lesen. Und ich muss sagen alle Achtung.
Also photographisch ist wirklich wieder erste Sahne was Du präsentierst und landschaftlich echt top die Gegend wo ihr durchgelaufen seid. Und vom Terrain sieht mir das ja häufig ziemlich anspruchsvoll und sehr alpin aus. Da scheint ihr Bernd wahrhaftig alle Ehre zu machen mit Eurer Tour.Sogar seinen Trick, auf den Fotos die gelaufene Route mittels Pfeilen zu markieren, hast Du übernommen.
Find ich gut.
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