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Land: Pakistan
Reisezeit: September/Oktober 2016
Dauer: 5 Wochen
Die Idee dieser Reise entstand im Spätherbst 2015, als Sofia (die im Sommer 2016 leider arbeiten musste) und ich über zwei verschiedene Routen versuchten, in das Zentrum des Hindukuschs vorzudringen, aber aufgrund von starken Schneefällen scheiterten. Im Frühjahr 2016 bastelte ich mir dann meine Idealroute für die Durchquerung des pakistanischen Hindukuschs von West nach Ost zusammen, die wir im vergangenen Sommer tatsächlich umsetzen konnten:
Yarkhun Valley – Thui Pass (4.500 m) – Yasin Valley – Darkot Pass (4.700 m) – Boroghil – Kurumber Pass (4.320 m) - Chateboi Glacier – Chilinji Pass (5.335 m) – Chipursan

Im Boroghil-Tal an der Grenze zu Afghanistan stehen einige Ruinen herum, aber Menschen sieht man so gut wie keine. Nur ganz wenige Hirtenfamilien kommen mit ihrem Vieh im Sommer noch da hoch.

Morgenstimmung am Kurumber Lake (4.290 m).

Pause am stark verspalteten Chateboi-Gletscher.
Ein Wort zu meinen beiden Reisepartnern: Lisa kenne ich aus Wien, sie hat mit meiner Schwester gemeinsam Diplomarbeit geschrieben. Lisa reist allgemein gern und oft, hatte bisher aber wenig Erfahrung mit anspruchsvollen Trekking- oder Wildnisreisen. Florian kenne ich über Vaude, er ist dort Produktmanager für Rucksäcke und hatte bereits vor Pakistan viel Trekking-Erfahrung. Mit Vaude verbinden mich übrigens Projekte in den Bereichen Produktentwicklung, Fotografie und Marketing, seitdem die Firma mich mal angeschrieben und nach einer Zusammenarbeit gefragt hatte. Hier übrigens zwei Bilder von stolzen Besitzern neuer Vaude-Schlafsäcke, die ich als Spende mit nach Pakistan nehmen und verschenken durfte.


Die geplante Hindukusch-Durchquerung beinhaltete einige große Herausforderungen:
So viel zur Vorgeschichte, jetzt geht’s los.
Wie schon aus manch anderen Berichten bekannt, ist es mir wieder gelungen, die Arbeit des Schreibens abzugeben, diesmal an Lisa. Lisa hat sich großzügigerweise bereit erklärt, aus ihren Tagebuchnotizen einen spannenden Reisebericht zu machen, mit dem meine Schilderungen ansonsten ganz sicher nicht mithalten könnten. Ich übergebe jetzt an Lisa. Nur die Fotos, Bildunterschriften und entsprechend gekennzeichnete Kommentare sind von mir.
Auf geht’s in ein Abenteuer, dem ich seit Monaten entgegenfieberte und heute noch spüre: Morgens das Zelt aufzippend von der prächtigen Natur begrüßt werden, Gänsehaut beim Waschen im eiskalten Fluss, tagtägliche körperliche Anstrengung, die sich abends zu einem Gefühl der stolzen Zufriedenheit ausweitet, prächtige Sternenhimmel, spurenlose Hänge und Ebenen, einsame kleine Siedlungen und dazwischen nur die unsrige menschliche Präsenz im Norden Pakistans. Hindukush-Traverse in 25 Tagen: 3 Leute, 2 Zelte, 1 Siegers-Snickers.
In Wien
Die gesamte Planung der Tour wurde von Gabriel durchgeführt und keine Sekunde zögerte ich seinem Aufruf nach BegleiterInnen zu folgen. Gabriel stand mir beratend zur Seite, unterstütze mich in der Auswahl der richtigen Ausrüstung und in der Beschaffung dieser – basierend auf seiner Erfahrung und seinem rationalen Wesen fasste ich schnell Vertrauen in seine Expertise, sowohl vor der Reise, als auch in jeglichen Situationen in den Bergen und doch...
Kurz vor dem Abflug tauchen neben der hellen Vorfreude mulmige Gefühle auf. Die Frage, ob ich physisch fit genug bin, mit zwei erfahrenen Wanderbuben in den wilden Bergen Pakistans mitzuhalten, taucht auf. Aber verflüchtigt sich schnell angesichts der noch größeren Sorge, dass ich kaum den gesamten Proviant in meinen 65+10L Rucksack bekomme: ausgebreitet ergibt der Vorrat nämlich für zwei Personen 50 exquisite Dinner-Portionen à la Knorr und 5kg Kartoffelpüree für ein köstliches Frühstück, denn „Täglich grüßt das Murmeltier“ schmeckt doch am besten. Raritäten wie Müsliriegel und Schokolade, sowie essentielle Gewürze, um die Speisen auch etwas abwechslungsreicher zu verfeinern, müssen daneben auch ihren Platz finden. Hinzu werden in Pakistan noch extra Nudeln, Nüsse, Kekse, sowie Trockenfrüchte für die kulinarische Versorgung untertags hinzukommen – kurz gesagt eine Menge. Schlussendlich wiegt mein Rucksack am Flughafen 24kg, mein mit Essen vollgefülltes Handgepäck 11kg und die oben genannten zusätzlichen Einkäufe werden unsere Rucksäcke nicht leichter werden lassen. Aber meine vorbereitenden Trainingseinheiten im Gewichteschupfen sollen sich ja auch bezahlbar machen. Nur noch einmal schlafen. In einem richtigen Bett, frisch geduscht, umgeben von den Annehmlichkeiten der modernen Welt.
Anreise
Ankunft in Islamabad um 4 Uhr morgens. Florian und ich legen eine klassische Touristenankunft hin und bezahlen für die Fahrt vom Flughafen zu unserem Schlafquartier das Vierfache des normalen Taxipreises, aber erhalten basierend auf der Unkenntnis unseres Fahrers sogleich eine Stadtführung, allerdings im Dunkeln, was die Sicht etwas bis ganz einschränkt. Erste Eindrücke der Stadt bestehen aus vielen architektonisch recht monotonen einstöckigen Wohnhäusern, viele davon unbewohnt und mitten im Bau unvollendet zurückgelassen, leere Straßen, die nur von den Polizisten in den vielen Checkpoints mit Leben gefüllt werden. In fast regelmäßigen Abständen hält unser schepperndes Mobil und bewaffnete Polizisten, Militärbedienstete oder Angestellte eines allein für das jeweilige Viertel rekrutierten Bewachungsteams blicken hinein. Wir werden stets weitergewunken und begrüßen in der Morgendämmerung einen verschlafenen Gabriel – das Team ist vollständig!
Tag 1 Von Rawalpindi nach Chitral
Ein klappriges, ungedämpftes Mini-Taxi bringt uns nach Rawalpindi, die kleine Schwester Islamabads, die alles auffängt und beherbergt, was nicht der Kategorie „modern“ entspricht und somit aus Islamabad verbannt wurde: motorisierte Rikschas, freilaufende Kühe, unüberschaubares Straßenchaos, Männer mit Ziegen an der Leine, Straßenhändler, Mini-Garküchen und gleich wird eines bemerkbar: das Straßenbild ist durch und durch männlich geprägt. Während meine zwei Begleiter sofort neugierig begrüßt und ausgefragt werden, stehe ich zwar angestarrt aber nicht angesprochen werdend daneben. Etwas enttäuscht meine ich, höchstens ¼ von den Gesprächen mitzubekommen.
Die nächste Herausforderung besteht allerdings darin, Bustickets zu bekommen, nicht weil die Busse zur Fülle belegt wären, sondern weil wir ausländische Touristen sind. Auf dem Weg von Rawalpindi nach Chitral werden einige militärische Checkpoints passiert und die Befragung von Touristen heimst den Bussen zeitliche Verspätungen ein, was uns in diesem Fall eher zu unbeliebten Fahrgästen macht. Verkauft wird uns diese Tatsache allerdings eher als „security thread“ und mit der klaren Ansage, dass es unmöglich sei, uns mitzunehmen. Doch Gabriel mit seinem Charme singt beim Tee- und Kekskränzchen im Büro des Chefs Lobeslieder auf Pakistan und wir bewundern bald mit den Tickets in den Händen und dem ersten pakistanischen Street-food (mit dezenten Auswirkungen) im Bauch die unglaubliche Packkunst der Pakistani. Der Mini-Bus wächst zur doppelten Höhe heran: Kisten, Pakete, Essen, Taschen, Teppiche, sogar Motorräder werden auf dem Dach gestapelt und mit Seilen professionell verschnürt. Die Maximallast des Wagens dürfe bei Weitem überschritten sein, das verrät nicht nur später das äußerst erschöpfte Schneckentempo des Wagens bei jeglichem Anstieg. Die etwa 14-stündige kuschelige Nachtfahrt kann beginnen. Schlafen können wir tatsächlich wenig, wie vorhergesagt werden wir bei den Checkpoints aus dem Bus geholt, müssen uns ausweisen, Fragen zu uns und unserer Reise beantworten. Security ist das Wort des Tages.
Tag 2 Begleitschutz in Chitral
Zusammengefaltet und müde kommen wir in Chitral, der Hauptstadt des Distrikts Chitral im Norden Pakistans an, rasten lieblich auf den mit Wanzen behausten Betten, besorgen die letzten Nahrungsmittel und Benzin zum Kochen für unsere Knorr-Gourmet-Happen und erfahren zugleich die kontaktsuchende Art der Pakistani kennen, deren nationales Hobby das Beobachten zu sein scheint; befinden sich denn regelmäßig fremde Männer in unserem Hotelzimmer(chen), die neugierig Fragen stellen oder uns einfach beim Packen zusehen.
Erneut benötigen wir Gabriels Charme und Beharrlichkeit, denn die lokale Polizei verwehrt uns den Start unserer Trekkingtour ohne polizeiliche Begleitung – „security needed“, wie immer. Für die Hindukush-Traverse wird keinerlei behördliche Erlaubnis benötigt, auch das Chipursan Valley wurde letztes Jahr geöffnet, doch die Sorge, dass Touristen etwas in dieser Region zustoßen könnte und die damit einhergehende Verschlechterung der ohnehin angeknacksten Reputation Pakistans, führt die Polizei weiterhin zu besonderer Vorsicht. Wir sitzen in der lokalen Polizeistation – ein wunderbares Bild: unordentlich liegen riesige vergilbte Wälzer umher, in denen noch alles handschriftlich festgehalten wird, Computer gibt es keine, mindestens 8 Beamten in makellosen Uniformen „kümmern“ sich um unser Anliegen, bringen uns Nüsse und Äpfel – Gabriels Lächeln zieht, der Polizeichef gibt klein bei, wir dürfen aufbrechen, die morgige Jeepfahrt werden wir trotzdem mit einem bewaffneten Guard antreten.
Auf der Straße fühle ich erneut die für mich ungewohnten starrenden Blicke der Passanten. Weiterhin sind keine Frauen auf der Straße zu sehen und beim Bezahlen des Abendessens in einer der kleinen Küchen, nimmt der Kassier nur unter sichtlicher Verunsicherung, fast Überwindung, Geldscheine von mir in Empfang. Eine für mich neue und zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftige Erfahrung.
Tag 3 Mit dem Jeep von Chitral nach Gazin
10-stündige Jeepfahrt. Holprig. Sehr holprig. Derb werden wir durchgeschüttelt, wir können uns aber zwischendurch, dank einer großen Steinlawine, die die Straße versperrt, etwas in der Sonne erholen, bis alles freigeräumt und die Straße wieder passierbar ist. Das letzte Dorf der Straße empfängt uns liebevoll, die Kinder helfen unser Gepäck zu tragen und führen uns bei Einbruch der Dunkelheit wie selbstverständlich zu dem Haus ihrer Familie, bei der wir übernachten können. Wir bewundern ihre Gastfreundschaft, die Selbstverständlichkeit mit der uns Essen serviert wird und uns ein ganzer, mit unzähligen Teppichen ausgekleideter Raum für die Nacht überlassen wird. Davor sitzen wir mit allen männlichen Mitgliedern der Familie, dem Lehrer, unserem Polizisten und weiteren Männern zusammen und schaffen es trotz riesiger Sprachbarriere und unzähligen Versuchen des Erklärens – verbal, pantomimisch, zeichnerisch - zu vereinbaren, dass uns zwei Dorfbewohner in fünf Tagen unseren Proviant auf den Thui-Pass bringen werden, sodass wir die nächsten Tage der Akklimatisation etwas leichter bepackt antreten können.
Morgen geht es endlich los, mich kribbelt es in den Füßen, ich will endlich raus aus den von Menschen besiedelten Gebieten - wie lange wir für die Tour brauchen werden? Naja ein paar „palao“ eben. (palao scheint ein universal einsetzbares Wort für jegliche Angaben zu Ort, Zeit, Person zu sein...etwas verwirrend und dadurch eine Diskussion erschwerend, aber nur ein bisschen…)
Tag 4 Now it starts
Wir starten den Tag mit einem typischen pakistanischen Frühstück: eine Brotflade, aus der beim Zusammendrücken buchstäblich das Öl hinaustropft, begleitet von einem Milchtee mit einer exorbitanten Ladung Zucker darin. Good Morning healthy lifestyle!

Endlich bewegen wir uns, gehen begleitet von einer wilden Horde kichernder Kinder aus dem Dorf hinaus, gemütlich an Steinhüttchen vorbei, queren über filigrane Holzbrücken den Fluss und bewegen uns kontinuierlich die geplanten 500Hm bergauf. Die Vegetation um uns herum bleibt weiterhin recht grün, vereinzelt treffen wir auf weidende Kühe und leerstehende Hirtenhäuser, deren „Vorgärten“ uns auch einen idealen Zeltplatz mit hauseigener Wasserquelle beschert. Ich klatsche mir freudig das eiskalte Wasser auf meinen Körper und fühle jetzt schon das belebende Gefühl, welches ich von Tagen in der Natur gepaart mit einem reduzierten Lebensstil kenne und liebe. Auf den ersten schönen Tag in der Natur, folgt allerdings eine unruhige Nacht: bakterielle Eindringlinge feiern mit Übelkeit, Bauchschmerzen, Diarrhoe und Emesis in unseren Därmen. Gefühlte 2 Stunden geschlafen.


Tag 5 - 8 Übelkeit bestimmt den Tag
Wir schreiten erneut 500 Hm hinauf, langsam, mit ausgedehnten Pausen. Nicht nur die notwendige Akklimatisierung sondern auch unsere Gesundheitszustände (die Bakterien feiern nicht nur eine Party, sondern ein mehrtägiges Festival) verlangen viel Ruhe, die wir im kaum vorhandenen Schatten auch finden. Ich fühle mich elendig, orthostatisch instabil, gebrechlich und bewundere fassungslos meine Begleiter, die anscheinend noch Kraft besitzen, um in den Pausen miteinander zu reden, wofür ich mich definitiv zu schwach fühle. Die Landschaft wird karger, das lichte Grün des Tales verblasst, die wenigen Dornenbüsche verschwinden gänzlich, nur mehr vereinzelt erinnern die Kühe an die zurückgelassene Zivilisation - und eine erste Runde Snickers (eine Schatz-ähnliche Süßigkeit hier in den Bergen), die wir zu Ehren Florians Geburtstags genießen.
Wir können weiterhin dank eines Hirtenpfades neben der wüst aussehenden Moräne über relativ stabiles Geröll voranschreiten. Und dann holt uns das liebe Wort „security“ erneut ein: zwei Männer aus dem Dorf kommen in Begleitung von drei Polizisten uns nachgehechtet und möchten uns gerne aus ihrem Gebiet wissen, natürlich charmant formuliert: „You are our very special guests. Due to security thread you have to leave immediately! We will guard you to the top of the pass – you have to leave today!“ Nach den harten Worten trinken wir aber mal eine Runde Tee. Eile gibt es hier nicht, einen wirklich durchdachten Plan aber auch nicht. Die schützende Begleitung, die uns gesandt worden ist, besteht aus zwei mageren, unbewaffneten, bergunerfahrenen Buben – hätten sie uns wohl boxend vor der allseits lauernden Gefahr verteidigt?! Nach ewigem Diskutieren und sogar einem Telefonat (die Signalherstellung mit seinem alten Handy ist noch immer wunderlich) mit dem uns bekannten Offizier aus Chitral folgt das übliche Procedere, welches Florian mit meisterlicher Expertise nun schon verinnerlicht hat: Wir schreiben eine Notiz, dass wir keinen Schutz benötigen. Unsere Besucher sind zufrieden und steigen ab, wahrschlich wussten sie selbst auch nicht so recht, wofür sie hier hochgestiefelt sind.

Florian nimmt sein Geburtstagsgeschenk entgegen: Ein Müsliriegel mit Salami. Bei der Kerze haben wir ein bisschen improvisiert...



Wir ziehen die nächsten Tage (und für mich schlaflosen Nächte) weiter - zuletzt auf einem Schneefeld hinauf zu unserem ersten Pass: Thui Pass ~ 4500m. Dort werden wir auch von unseren Trägern aus dem Dorf eingeholt, die uns den zurückgelassenen Proviant überreichen. Zur Belohnung erhalten sie Geld und den 40-Liter großen Vaude-Rucksack, an den sie sich beim Aufstieg bereits gewöhnt hatten.
Wir übernachten für eine optimale Akklimatisierung direkt hinter dem Pass inmitten von Geröll und die atemberaubende Aussicht auf unser nächstes Tal wird auch mit einer ersten durchgeschlafenen Nacht ohne Bauchkrämpfe gefeiert.














Tag 9 Hinab mit euch!
1200 Höhenmeter über Schiefer, Schutt, Geröll, Eis, Moräne. Ich habe heute Untergründe passiert, deren Überwindung ich nicht für möglich gehalten habe. Etwa eine Gletscherspalte hinabsteigen, um elegant über den darin tosenden Gletscherstrom zu springen, ohne dabei auf der anderen Seite auf dem Eis auszurutschen, wohl wissend, dass ein Hineinfallen in den wilden Strom, ein nicht aufzuhaltendes Weggespültwerden in dieser eisigen Bobbahn bedeutet, welches schließlich im Verschwinden in einer der metertiefen Löcher enden würde. Aber jegliche Sorge wird durch die absolut fokussierte Aufmerksamkeit während der Durchführung hinfort getrieben. Das übrige Geröll spricht unaufhörlich gefährliche Worte – knarrt und rutscht unter den Schuhen. Wird es unser Gewicht tragen oder seinem Namen alle Ehre machen, zu rollen beginnen und uns ungefragt mitziehen? Es geht vorbei an tiefen Gletscherspalten, die einen so anziehenden Sog nach Unten verströmen, umringt von weißen Gipfeln und Gletscherzungen, die jederzeit zu rutschen drohen – trotz meines immensen Aufregungsschweißes wunderschön!




Ja, hier mussten wir kurz mal runter.
Zum krönenden Abschluss dieses abwechslungsreichen Abstieges erwartet uns eine Flussdurchquerung. Bis zu den Oberschenkeln umspült uns eiskaltes Gletscherwasser, spürbar wie tausend Messerstiche, die fast eine leichte Übelkeit auslösen. Am anderen Ufer angelangt, stellt sich die Frage, wie mit den Schmerzen in den Füßen umgegangen werden soll – schreien, springen, amputieren? – aber nach kurzem Verharren und Starren auf die krebsroten Beine, verklingt das Unangenehme und der Spaß am wilden Wasser und der Herausforderung überwiegt und so wird dieser gelungene Tag mit einem Lagerfeuer im erneut grünen, saftigen und warmen Tal mit (illegal eingeführten) österreichischem Rotwein beendet. C’est parfait! Nur Florians Rückenschmerzen werden immer bedenklicher…



Tag 10 – 13 Die trostlose „Stadt“ Daus
Nach weiteren 1 ½ Tagen Abstieg auf gut begehbaren Hirtenpfaden, durch wunderschöne grüne Wäldchen, vorbei an unbewohnten Steinhäusern, sowie Laubbäumen im leicht gelblichen Herbstkleid und entlang an kleinen geschwungenen Bächen, kommen wir wieder in der Zivilisation an.











Bald finden wir in einem der Dörfer des Yasin Valleys eine Mitfahrgelegenheit nach Hundur. Es gibt „Burger“, nur ohne Fleisch und all den Bestandteilen, die einen Burger ausmachen, ein Internetcafe ohne Internet, dafür ein Schuhgeschäft, und abends Gespräche über die (freie) Liebe mit den ortsansässigen Männern – eine Frau habe ich hier wiedermal nicht gesehen, was wohl auch die Problematik der Beziehungsführung in Pakistan widerspiegelt. Wie sollen Schmetterlinge im Bauch zum Leben erweckt werden, wenn die Objekte der Begierde nie sichtbar sind, man sich nicht alleine in einem Raum unterhaltend über die jeweilige Passung klar werden kann? Beziehungen vor der Eheschließung, wenn überhaupt vorhanden, werden meist ausschließlich über Social Media geführt, die Wahrnehmung des Geruchs oder die prickelnde Berührung der Haut des Anderen hat nie stattgefunden. Die Männer dieser Runde zeigen sich mit dieser Tradition einverstanden.
Weiter geht es nach Daus, die Stimmung unserer Truppe zeigt sich leicht gedrückt...nicht nur schwappt die trostlose, verstaubte, windige Atmosphäre des Dorfes über uns, sondern Florian quälen Rückenschmerzen – Tigerbalsam, selbstgebastelte Faszienrollen und „Aushängestangen“ kommen zum Einsatz, trotzdem ist sein Weiterziehen fraglich.
Wir brechen dennoch zu dritt nach Darkot auf. Im Auto setze ich mich neben den Fahrer - das merkbare Unbehagen des Fahrers und die unfassbaren Blicke der Passanten lassen schließen, wie ungewöhnlich dies hier sein muss. Wieder werden wir von den Offizieren aufgehalten – same „security procedures“ und polizeiliche Begleitung bis zum Dorf.
Dort erwarten uns Kinder und Frauen – viele Frauen (endlich!!) - die fleißig in ihren bunten Kleidern ein extravagantes Mahl für das stattfindende Eid-Fest zubereiten und uns erneut in ihrer großzügigen Gastfreundschaft ein ganzes Zimmer im Hause des Englisch-Lehrers namens Namdad anbieten, das wir noch liebevoll „Zelle“ nennen werden. Wir werden zur Teilnahme an der Festaktivität eingeladen und erhalten ein Stück der geschlachteten Ziege, welche an die Opferbereitschaft Ibrahims erinnert und zu einem jährlichen Zusammentreffen der ganzen Familie führt. Es herrscht reges Treiben im Haus und in zeitlichen Abständen werden die anderen Dorfbewohner empfangen, wobei die älteren männlichen Nachbarn auch in unsere Zelle geführt werden, Kinder und Frauen müssen draußen bleiben. Wir lernen Hamid kennen, einen Lehrer, der sich besonders für pädagogische Konzepte sowie fortschrittliche Förderung der Kinder interessiert und für seine Weiterbildung regelmäßig mehrere Stunden in die Stadt Gilgit fährt, um dort das Internet zu benutzen. Er zeigt uns außerdem einen Brief eines britischen Jungens (mittlerweile wohl Erwachsenen), welcher vor Jahren Darkot besucht hat und ihm danach diesen Brief inklusive eines Fotos geschickt hat. Hamid konnte ihn bis heute nicht ausfindig machen aber seine freudige und detailreiche Erinnerung verdeutlicht die Abgeschiedenheit des Dorfes und die Besonderheit des Austausches mit Touristen, weil dieser in dieser Gegend kaum stattfindet.
Tag 14 Warten auf Godot
Wir verbringen den Tag über in Darkot, dem letzten Dorf im Yarkhun-Tal, rasten uns in unserer „Zelle“ aus – ein kleiner, unmöblierter Raum mit einem winzigen Fenster, welches so weit oben ist, dass ein Hinausschauen unmöglich ist. Ab und an geht die Tür auf und eines der Familienmitglieder bringt uns Essen, Brot und Tee.
Ein Spaziergang vermittelt ein enorm friedliches Gefühl: umgeben von schneebedeckten Gipfeln und Gletschern beherbergt das Dorf drei Schulen, weshalb auch ein wunderschöner quirliger Elan von den spielenden und lachenden Kindern ausgeht, die an diesem Feiertag der Familie bei der Ernte helfen und uns mit einem breiten Lächeln begrüßen. Außerdem ist klitzeklein ein moderner Charme zu spüren, den das dorfeigene „Shoping Centre“ versprüht: ein winziger Raum, voll mit Zuckerl, einem Computer ohne Anschluss, Plastikschuhen, hautfarbenen Büstenhalter, ... alles da.
Abends werden wir in die Wohnküche eingeladen, um gemeinsam mit der Familie zu essen und mir die Fähigkeit des Brotbackens beizubringen. Dieser Versuch führt zu lautem Gelächter und zu dem Resultat, dass meine durchlöcherte Flade nicht den Ansprüchen der präzise arbeitenden Frauen genügt und im Mist landet. Da müssen alle gleich noch mehr lachen. Schön warm ist es beim Ofen, die ganze Familie sitzt in einem Kreis auf dem mit Teppich ausgelegten Boden, Männer bzw. wir als Besucher auf der einen Seite, Frauen und Kinder auf der anderen Seite. In dieser Reihenfolge wird auch das Essen verteilt, bevor sich die gesamte Familie von etwa zwölf Personen gemeinsam in diesem einen Raum schlafen legt. Wir packen auch wieder und trotz einem starken Müdigkeitsgefühl resultierend aus der Anstrengung der ersten Etappe, sehne ich mich schon wieder nach der stillen und menschenleeren Natur.



Fast alles zu haben, im „Shoping Centre.


Lisa bäckt Brot und alle schauen zu.

Erntezeit in Darkot.

Tag 15 – 16 Abschied
Aus dem zivilen Umfeld hinauswandern, steigen wir in die Mini-Siedlung Rawat auf, welche aus vier kleinen Steinhäusern besteht, um wiederum einen Tag später in einer heißen Quelle mit 1a Panoramablick ein erstes ausgiebiges Bad nach 2 Wochen Katzenwäsche zu nehmen – herrlich, herrlich!! Danach geht es steil bergauf und wiedermal finden die Buben, zu meiner ständigen Überraschung, zwischen all den Felsen, zerklüfteten Gesteinsformationen und Unebenheiten in all ihrer Pracht einen passenden Zeltplatz. Florian sieht sich zu 90% am nächsten Tag wieder absteigen – sein Rücken schmerzt, seine Beweglichkeit ist dadurch eingeschränkt und ein Abstieg nach dem bevorstehenden Pass in ein anderes Tal wäre prinzipiell möglich, würde jedoch einige Tage in Anspruch nehmen und das Absteigen von uns allen bedeuten. Wir beobachten an diesem Abend etwas sentimental (ich zumindest), wie der runde Vollmond hinter einer Bergkuppe emporsteigt und das gegenüberliegende schneebedeckte Bergmassiv in einem wunderschönen Weiß erstrahlen lässt und mit den unzähligen Sternen am tiefschwarzen Himmel in der Kategorie Glitzer- & Leuchtleistung wetteifert – ein Bild, eine Erinnerung, die nur weitab jeglicher zivilisatorischer Lichteinflüsse entstehen kann.
In den dicken Schlafsack eingepackt, hoffen Gabriel und ich bis zum nächsten eiskalten Morgen, dass Florian doch mit uns hinaufzieht, aber Ende Gelände. Zum Glück ist es so kalt in der Früh, dass wir uns schnell verabschieden, um der Kälte mit unserer wärmeproduzierenden Bewegung zu begegnen. Wir bekommen noch Florians geile Proteinbars, Snickers und eine Portion seiner köstlichen Pasta; dann umarmen wir uns.
Anmerkung Libertist: Florian hat also entschieden, die Tour aufgrund seiner Rückenschmerzen abzubrechen und eher heimzufliegen, was für alle ein tragischer Moment war, weil wir uns als Gruppe wirklich sehr gut verstanden haben. Wie Lisa bereits anmerkte, war dieser Morgen die letzte sinnvolle Möglichkeit zur Umkehr: Am Mittag würden wir bereits am stark vergletscherten Darkot Pass stehen, von dort aus wäre es zu gefährlich, allein zurückzugehen, wir hätten im Falle eines Abbruchs also gemeinsam umkehren müssen. Da, wo wir jetzt waren, gab es jedoch keine weiteren Schwierigkeiten: Einfach dem Pfad wieder nach unten folgen, vorbei an der heißen Quelle, am Dorf Rawat und bis nach Darkot. Dort am nächsten Morgen in das Sammeltaxi nach Gilgit steigen (fährt einmal täglich) und von Gilgit mit dem Bus nach Islamabad. Ich war trotzdem nervös und habe mich erst wieder entspannen können, als Sofia mir übers Satellitentelefon mitteile, dass Florian sicher in Islamabad angekommen sei und schon am nächsten Morgen heimfliegt.















Tag 17 Der weiße Darkot Pass
Der (nicht vorhandene) Weg wird noch steiler, noch anstrengender als die Tage zuvor, es bläst ein eiskalter, starker Wind und mein keuchender Atem taktiert wie ein Metronom meine langsamen und kleinen Schritte. Bereits in der ersten Pause verlangt mein Körper nach einem ordentlichen Kaloriennachschub, den ich mit meinen kalten Fingern nur mühsam aus der Verpackung bekomme, bevor wir allmählich den Gletscher mit zugeschneiten Spalten erreichen. Auf der Hut vor Spalten gibt Gabriel seine skills im „Stochern“ zum Besten und wir bewegen uns langsam aber sicher aufwärts zu unserem zweiten Pass: Darkot-Pass (4.700 m).
Und wieder einmal, wie nun schon seit zwei Wochen, wird uns eine wunderschöne Aussicht garniert mit feinstem Kaiserwetter serviert! Keine einzige Wolke trübt die strahlende und glitzernde Kraft der reflektierenden Sonnenstrahlen auf dem Gletscher. Wir drehen uns auf dem höchsten Punkt im Kreis – nur spurenloses Weiß und kräftiges Blitzblau!
Der Abstieg erweist sich leichter als angenommen, denn die Gletscherlandschaft hat sich in den letzten 30 Jahren (da entstand nämlich das von uns mitgeführte Kartenmaterial) deutlich verändert – zu unseren situationsbedingten Freuden, aber zum traurigen Leid der rasant kleiner werdenden Eisbestände.





Wir steigen bis zur Dämmerung ab und finden einen passenden Zeltplatz direkt neben dem Fluss. Diesmal muss der Platz auch nur für ein Zelt reichen - Florian fehlt uns sehr. Es fehlt seine offene, lustige und ehrliche Art, die auch die Dynamik der Gruppe verändert. Hatte ich bisher innerhalb der Dreier-Konstellation das angenehme Gefühl bei Unterhaltungen bloßer Zuhörer werden zu können (und die beiden Buben stundenlang über Frauen und Bergsport reden oder über den weiteren Weg fachsimpeln zu lassen), sind Gabriel und ich nun die einzigen Komponenten eines Gespräches. Gleichzeitig sind wir mittlerweile sehr eingespielt, die gemeinsamen Handgriffe beim täglichen Zeltab- und –aufbau sitzen, die Aufteilung der „Hausarbeit“, welche Kochen (Gabriel) und Abwaschen (ich) umfasst, ist längst besprochen. Die größte räumliche Distanz zwischen uns besteht tagsüber aus ein paar Meter Abstand, die Gabriel mit seinem schnelleren und gämsen-haften Schritt schafft. Der einzige Kontakt nach Außen besteht aus kurzen Nachrichten via Sattelitentelefon an Sofia, um unser Wohlergehen mitzuteilen oder Organisatorisches zu erfragen – hier einen herzlichen Dank für deine Unterstützung, liebe Sofia!




Reisezeit: September/Oktober 2016
Dauer: 5 Wochen
Die Idee dieser Reise entstand im Spätherbst 2015, als Sofia (die im Sommer 2016 leider arbeiten musste) und ich über zwei verschiedene Routen versuchten, in das Zentrum des Hindukuschs vorzudringen, aber aufgrund von starken Schneefällen scheiterten. Im Frühjahr 2016 bastelte ich mir dann meine Idealroute für die Durchquerung des pakistanischen Hindukuschs von West nach Ost zusammen, die wir im vergangenen Sommer tatsächlich umsetzen konnten:
Yarkhun Valley – Thui Pass (4.500 m) – Yasin Valley – Darkot Pass (4.700 m) – Boroghil – Kurumber Pass (4.320 m) - Chateboi Glacier – Chilinji Pass (5.335 m) – Chipursan

Im Boroghil-Tal an der Grenze zu Afghanistan stehen einige Ruinen herum, aber Menschen sieht man so gut wie keine. Nur ganz wenige Hirtenfamilien kommen mit ihrem Vieh im Sommer noch da hoch.

Morgenstimmung am Kurumber Lake (4.290 m).

Pause am stark verspalteten Chateboi-Gletscher.
Ein Wort zu meinen beiden Reisepartnern: Lisa kenne ich aus Wien, sie hat mit meiner Schwester gemeinsam Diplomarbeit geschrieben. Lisa reist allgemein gern und oft, hatte bisher aber wenig Erfahrung mit anspruchsvollen Trekking- oder Wildnisreisen. Florian kenne ich über Vaude, er ist dort Produktmanager für Rucksäcke und hatte bereits vor Pakistan viel Trekking-Erfahrung. Mit Vaude verbinden mich übrigens Projekte in den Bereichen Produktentwicklung, Fotografie und Marketing, seitdem die Firma mich mal angeschrieben und nach einer Zusammenarbeit gefragt hatte. Hier übrigens zwei Bilder von stolzen Besitzern neuer Vaude-Schlafsäcke, die ich als Spende mit nach Pakistan nehmen und verschenken durfte.


Die geplante Hindukusch-Durchquerung beinhaltete einige große Herausforderungen:
- Überwinden von Militärkontrollen: Ich war mir sicher, dass die Polizei und das Militär in Chitral, im Yarkhun Valley, im Yasin Valley und in Boroghil alles tun werden, um uns von der Reise abzuhalten. In dieser Gegend gibt es praktisch keinen Tourismus, erst recht keinen Individualtourismus, und die Grenze zu Afghanistan ist sehr nah. Offizielle Genehmigungen zum Bereisen dieser Region gibt es nicht, allerdings gibt es auch kein offizielles Verbot (bis 2015 war das ober Yarkhun Valley und Chipursan nur mit Sondergenehmigung bereisbar, inzwischen ist das aber nicht mehr der Fall). Ich war darauf vorbereitet, lange Diskussionen mit den Verantwortlichen zu führen. Ich wusste, dass das Recht auf unserer Seite ist, was aber nicht heißt, dass uns das Militär die Tour nicht willkürlich aufgrund von „security reasons“ verweigern kann.
- Dauer der Tour und Verpflegung: Es waren etwa 250 km zu gehen, allerdings mit enormen Höhendifferenzen. Ich plante sehr großzügig mit 25 Tagen. Wir wussten, dass wir nach dem ersten Drittel der Tour (nämlich im Yasin Valley) neu einkaufen konnten, allerdings waren in diesem Tal nur Basisnahrungsmittel wie Reis, Kekse, Süßigkeiten usw. zu erwarten. Deshalb entschieden wir uns, einen großen Teil der Verpflegung von Europa mitzunehmen, der für die gesamte Dauer der Tour reichen würde. Dazu zählten Fertiggerichte, Kartoffelpüree-Pulver, Salami, Milchpulver, Energie-Riegel und noch weitere Kleinigkeiten. Wenn man all das für 25 Tage dabei hat, sind die Rucksäcke insbesondere am Anfang natürlich entsprechend schwer. Mein Plan war, zu Beginn der Tour einen Teil der Verpflegung im Dorf zurückzulassen und nach fünf Tagen von zwei Trägern auf den ersten Pass (4.500 m) bringen zu lassen. Somit wurden die Rucksäcke zumindest für die erste schwierige Etappe erleichtert.
- Akklimatisation: Bevor Lisa und Florian in Pakistan eintrafen, war ich ja bereits für einige Wochen mit Heinz im Himalaya und Karakorum unterwegs und damit bereits perfekt akklimatisiert. Meine beiden Mitreisenden natürlich nicht. Aus diesem Grund wollten wir uns für die erste Etappe (Yarkhun Valley bis Thui Pass) besonders viel Zeit lassen, nämlich eben genannte fünf Tage. Für die Hirten dieser Gegend ist die Strecke in etwa 8-10 Stunden zu bewältigen, aber die werden unterwegs ja auch nicht krank.
Anstatt also während dieser 5 Tage einen gelangweilten Träger dabei zu haben, hatten wir vor, von zwei Trägern mit unserer Verpflegung erst am Thui Pass eingeholt zu werden.
So viel zur Vorgeschichte, jetzt geht’s los.
Wie schon aus manch anderen Berichten bekannt, ist es mir wieder gelungen, die Arbeit des Schreibens abzugeben, diesmal an Lisa. Lisa hat sich großzügigerweise bereit erklärt, aus ihren Tagebuchnotizen einen spannenden Reisebericht zu machen, mit dem meine Schilderungen ansonsten ganz sicher nicht mithalten könnten. Ich übergebe jetzt an Lisa. Nur die Fotos, Bildunterschriften und entsprechend gekennzeichnete Kommentare sind von mir.
Auf geht’s in ein Abenteuer, dem ich seit Monaten entgegenfieberte und heute noch spüre: Morgens das Zelt aufzippend von der prächtigen Natur begrüßt werden, Gänsehaut beim Waschen im eiskalten Fluss, tagtägliche körperliche Anstrengung, die sich abends zu einem Gefühl der stolzen Zufriedenheit ausweitet, prächtige Sternenhimmel, spurenlose Hänge und Ebenen, einsame kleine Siedlungen und dazwischen nur die unsrige menschliche Präsenz im Norden Pakistans. Hindukush-Traverse in 25 Tagen: 3 Leute, 2 Zelte, 1 Siegers-Snickers.
In Wien
Die gesamte Planung der Tour wurde von Gabriel durchgeführt und keine Sekunde zögerte ich seinem Aufruf nach BegleiterInnen zu folgen. Gabriel stand mir beratend zur Seite, unterstütze mich in der Auswahl der richtigen Ausrüstung und in der Beschaffung dieser – basierend auf seiner Erfahrung und seinem rationalen Wesen fasste ich schnell Vertrauen in seine Expertise, sowohl vor der Reise, als auch in jeglichen Situationen in den Bergen und doch...
Kurz vor dem Abflug tauchen neben der hellen Vorfreude mulmige Gefühle auf. Die Frage, ob ich physisch fit genug bin, mit zwei erfahrenen Wanderbuben in den wilden Bergen Pakistans mitzuhalten, taucht auf. Aber verflüchtigt sich schnell angesichts der noch größeren Sorge, dass ich kaum den gesamten Proviant in meinen 65+10L Rucksack bekomme: ausgebreitet ergibt der Vorrat nämlich für zwei Personen 50 exquisite Dinner-Portionen à la Knorr und 5kg Kartoffelpüree für ein köstliches Frühstück, denn „Täglich grüßt das Murmeltier“ schmeckt doch am besten. Raritäten wie Müsliriegel und Schokolade, sowie essentielle Gewürze, um die Speisen auch etwas abwechslungsreicher zu verfeinern, müssen daneben auch ihren Platz finden. Hinzu werden in Pakistan noch extra Nudeln, Nüsse, Kekse, sowie Trockenfrüchte für die kulinarische Versorgung untertags hinzukommen – kurz gesagt eine Menge. Schlussendlich wiegt mein Rucksack am Flughafen 24kg, mein mit Essen vollgefülltes Handgepäck 11kg und die oben genannten zusätzlichen Einkäufe werden unsere Rucksäcke nicht leichter werden lassen. Aber meine vorbereitenden Trainingseinheiten im Gewichteschupfen sollen sich ja auch bezahlbar machen. Nur noch einmal schlafen. In einem richtigen Bett, frisch geduscht, umgeben von den Annehmlichkeiten der modernen Welt.
Anreise
Ankunft in Islamabad um 4 Uhr morgens. Florian und ich legen eine klassische Touristenankunft hin und bezahlen für die Fahrt vom Flughafen zu unserem Schlafquartier das Vierfache des normalen Taxipreises, aber erhalten basierend auf der Unkenntnis unseres Fahrers sogleich eine Stadtführung, allerdings im Dunkeln, was die Sicht etwas bis ganz einschränkt. Erste Eindrücke der Stadt bestehen aus vielen architektonisch recht monotonen einstöckigen Wohnhäusern, viele davon unbewohnt und mitten im Bau unvollendet zurückgelassen, leere Straßen, die nur von den Polizisten in den vielen Checkpoints mit Leben gefüllt werden. In fast regelmäßigen Abständen hält unser schepperndes Mobil und bewaffnete Polizisten, Militärbedienstete oder Angestellte eines allein für das jeweilige Viertel rekrutierten Bewachungsteams blicken hinein. Wir werden stets weitergewunken und begrüßen in der Morgendämmerung einen verschlafenen Gabriel – das Team ist vollständig!
Tag 1 Von Rawalpindi nach Chitral
Ein klappriges, ungedämpftes Mini-Taxi bringt uns nach Rawalpindi, die kleine Schwester Islamabads, die alles auffängt und beherbergt, was nicht der Kategorie „modern“ entspricht und somit aus Islamabad verbannt wurde: motorisierte Rikschas, freilaufende Kühe, unüberschaubares Straßenchaos, Männer mit Ziegen an der Leine, Straßenhändler, Mini-Garküchen und gleich wird eines bemerkbar: das Straßenbild ist durch und durch männlich geprägt. Während meine zwei Begleiter sofort neugierig begrüßt und ausgefragt werden, stehe ich zwar angestarrt aber nicht angesprochen werdend daneben. Etwas enttäuscht meine ich, höchstens ¼ von den Gesprächen mitzubekommen.
Die nächste Herausforderung besteht allerdings darin, Bustickets zu bekommen, nicht weil die Busse zur Fülle belegt wären, sondern weil wir ausländische Touristen sind. Auf dem Weg von Rawalpindi nach Chitral werden einige militärische Checkpoints passiert und die Befragung von Touristen heimst den Bussen zeitliche Verspätungen ein, was uns in diesem Fall eher zu unbeliebten Fahrgästen macht. Verkauft wird uns diese Tatsache allerdings eher als „security thread“ und mit der klaren Ansage, dass es unmöglich sei, uns mitzunehmen. Doch Gabriel mit seinem Charme singt beim Tee- und Kekskränzchen im Büro des Chefs Lobeslieder auf Pakistan und wir bewundern bald mit den Tickets in den Händen und dem ersten pakistanischen Street-food (mit dezenten Auswirkungen) im Bauch die unglaubliche Packkunst der Pakistani. Der Mini-Bus wächst zur doppelten Höhe heran: Kisten, Pakete, Essen, Taschen, Teppiche, sogar Motorräder werden auf dem Dach gestapelt und mit Seilen professionell verschnürt. Die Maximallast des Wagens dürfe bei Weitem überschritten sein, das verrät nicht nur später das äußerst erschöpfte Schneckentempo des Wagens bei jeglichem Anstieg. Die etwa 14-stündige kuschelige Nachtfahrt kann beginnen. Schlafen können wir tatsächlich wenig, wie vorhergesagt werden wir bei den Checkpoints aus dem Bus geholt, müssen uns ausweisen, Fragen zu uns und unserer Reise beantworten. Security ist das Wort des Tages.
Tag 2 Begleitschutz in Chitral
Zusammengefaltet und müde kommen wir in Chitral, der Hauptstadt des Distrikts Chitral im Norden Pakistans an, rasten lieblich auf den mit Wanzen behausten Betten, besorgen die letzten Nahrungsmittel und Benzin zum Kochen für unsere Knorr-Gourmet-Happen und erfahren zugleich die kontaktsuchende Art der Pakistani kennen, deren nationales Hobby das Beobachten zu sein scheint; befinden sich denn regelmäßig fremde Männer in unserem Hotelzimmer(chen), die neugierig Fragen stellen oder uns einfach beim Packen zusehen.
Erneut benötigen wir Gabriels Charme und Beharrlichkeit, denn die lokale Polizei verwehrt uns den Start unserer Trekkingtour ohne polizeiliche Begleitung – „security needed“, wie immer. Für die Hindukush-Traverse wird keinerlei behördliche Erlaubnis benötigt, auch das Chipursan Valley wurde letztes Jahr geöffnet, doch die Sorge, dass Touristen etwas in dieser Region zustoßen könnte und die damit einhergehende Verschlechterung der ohnehin angeknacksten Reputation Pakistans, führt die Polizei weiterhin zu besonderer Vorsicht. Wir sitzen in der lokalen Polizeistation – ein wunderbares Bild: unordentlich liegen riesige vergilbte Wälzer umher, in denen noch alles handschriftlich festgehalten wird, Computer gibt es keine, mindestens 8 Beamten in makellosen Uniformen „kümmern“ sich um unser Anliegen, bringen uns Nüsse und Äpfel – Gabriels Lächeln zieht, der Polizeichef gibt klein bei, wir dürfen aufbrechen, die morgige Jeepfahrt werden wir trotzdem mit einem bewaffneten Guard antreten.
Auf der Straße fühle ich erneut die für mich ungewohnten starrenden Blicke der Passanten. Weiterhin sind keine Frauen auf der Straße zu sehen und beim Bezahlen des Abendessens in einer der kleinen Küchen, nimmt der Kassier nur unter sichtlicher Verunsicherung, fast Überwindung, Geldscheine von mir in Empfang. Eine für mich neue und zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftige Erfahrung.
Tag 3 Mit dem Jeep von Chitral nach Gazin
10-stündige Jeepfahrt. Holprig. Sehr holprig. Derb werden wir durchgeschüttelt, wir können uns aber zwischendurch, dank einer großen Steinlawine, die die Straße versperrt, etwas in der Sonne erholen, bis alles freigeräumt und die Straße wieder passierbar ist. Das letzte Dorf der Straße empfängt uns liebevoll, die Kinder helfen unser Gepäck zu tragen und führen uns bei Einbruch der Dunkelheit wie selbstverständlich zu dem Haus ihrer Familie, bei der wir übernachten können. Wir bewundern ihre Gastfreundschaft, die Selbstverständlichkeit mit der uns Essen serviert wird und uns ein ganzer, mit unzähligen Teppichen ausgekleideter Raum für die Nacht überlassen wird. Davor sitzen wir mit allen männlichen Mitgliedern der Familie, dem Lehrer, unserem Polizisten und weiteren Männern zusammen und schaffen es trotz riesiger Sprachbarriere und unzähligen Versuchen des Erklärens – verbal, pantomimisch, zeichnerisch - zu vereinbaren, dass uns zwei Dorfbewohner in fünf Tagen unseren Proviant auf den Thui-Pass bringen werden, sodass wir die nächsten Tage der Akklimatisation etwas leichter bepackt antreten können.
Morgen geht es endlich los, mich kribbelt es in den Füßen, ich will endlich raus aus den von Menschen besiedelten Gebieten - wie lange wir für die Tour brauchen werden? Naja ein paar „palao“ eben. (palao scheint ein universal einsetzbares Wort für jegliche Angaben zu Ort, Zeit, Person zu sein...etwas verwirrend und dadurch eine Diskussion erschwerend, aber nur ein bisschen…)
Tag 4 Now it starts
Wir starten den Tag mit einem typischen pakistanischen Frühstück: eine Brotflade, aus der beim Zusammendrücken buchstäblich das Öl hinaustropft, begleitet von einem Milchtee mit einer exorbitanten Ladung Zucker darin. Good Morning healthy lifestyle!

Endlich bewegen wir uns, gehen begleitet von einer wilden Horde kichernder Kinder aus dem Dorf hinaus, gemütlich an Steinhüttchen vorbei, queren über filigrane Holzbrücken den Fluss und bewegen uns kontinuierlich die geplanten 500Hm bergauf. Die Vegetation um uns herum bleibt weiterhin recht grün, vereinzelt treffen wir auf weidende Kühe und leerstehende Hirtenhäuser, deren „Vorgärten“ uns auch einen idealen Zeltplatz mit hauseigener Wasserquelle beschert. Ich klatsche mir freudig das eiskalte Wasser auf meinen Körper und fühle jetzt schon das belebende Gefühl, welches ich von Tagen in der Natur gepaart mit einem reduzierten Lebensstil kenne und liebe. Auf den ersten schönen Tag in der Natur, folgt allerdings eine unruhige Nacht: bakterielle Eindringlinge feiern mit Übelkeit, Bauchschmerzen, Diarrhoe und Emesis in unseren Därmen. Gefühlte 2 Stunden geschlafen.


Tag 5 - 8 Übelkeit bestimmt den Tag
Wir schreiten erneut 500 Hm hinauf, langsam, mit ausgedehnten Pausen. Nicht nur die notwendige Akklimatisierung sondern auch unsere Gesundheitszustände (die Bakterien feiern nicht nur eine Party, sondern ein mehrtägiges Festival) verlangen viel Ruhe, die wir im kaum vorhandenen Schatten auch finden. Ich fühle mich elendig, orthostatisch instabil, gebrechlich und bewundere fassungslos meine Begleiter, die anscheinend noch Kraft besitzen, um in den Pausen miteinander zu reden, wofür ich mich definitiv zu schwach fühle. Die Landschaft wird karger, das lichte Grün des Tales verblasst, die wenigen Dornenbüsche verschwinden gänzlich, nur mehr vereinzelt erinnern die Kühe an die zurückgelassene Zivilisation - und eine erste Runde Snickers (eine Schatz-ähnliche Süßigkeit hier in den Bergen), die wir zu Ehren Florians Geburtstags genießen.
Wir können weiterhin dank eines Hirtenpfades neben der wüst aussehenden Moräne über relativ stabiles Geröll voranschreiten. Und dann holt uns das liebe Wort „security“ erneut ein: zwei Männer aus dem Dorf kommen in Begleitung von drei Polizisten uns nachgehechtet und möchten uns gerne aus ihrem Gebiet wissen, natürlich charmant formuliert: „You are our very special guests. Due to security thread you have to leave immediately! We will guard you to the top of the pass – you have to leave today!“ Nach den harten Worten trinken wir aber mal eine Runde Tee. Eile gibt es hier nicht, einen wirklich durchdachten Plan aber auch nicht. Die schützende Begleitung, die uns gesandt worden ist, besteht aus zwei mageren, unbewaffneten, bergunerfahrenen Buben – hätten sie uns wohl boxend vor der allseits lauernden Gefahr verteidigt?! Nach ewigem Diskutieren und sogar einem Telefonat (die Signalherstellung mit seinem alten Handy ist noch immer wunderlich) mit dem uns bekannten Offizier aus Chitral folgt das übliche Procedere, welches Florian mit meisterlicher Expertise nun schon verinnerlicht hat: Wir schreiben eine Notiz, dass wir keinen Schutz benötigen. Unsere Besucher sind zufrieden und steigen ab, wahrschlich wussten sie selbst auch nicht so recht, wofür sie hier hochgestiefelt sind.

Florian nimmt sein Geburtstagsgeschenk entgegen: Ein Müsliriegel mit Salami. Bei der Kerze haben wir ein bisschen improvisiert...



Wir ziehen die nächsten Tage (und für mich schlaflosen Nächte) weiter - zuletzt auf einem Schneefeld hinauf zu unserem ersten Pass: Thui Pass ~ 4500m. Dort werden wir auch von unseren Trägern aus dem Dorf eingeholt, die uns den zurückgelassenen Proviant überreichen. Zur Belohnung erhalten sie Geld und den 40-Liter großen Vaude-Rucksack, an den sie sich beim Aufstieg bereits gewöhnt hatten.
Wir übernachten für eine optimale Akklimatisierung direkt hinter dem Pass inmitten von Geröll und die atemberaubende Aussicht auf unser nächstes Tal wird auch mit einer ersten durchgeschlafenen Nacht ohne Bauchkrämpfe gefeiert.














Tag 9 Hinab mit euch!
1200 Höhenmeter über Schiefer, Schutt, Geröll, Eis, Moräne. Ich habe heute Untergründe passiert, deren Überwindung ich nicht für möglich gehalten habe. Etwa eine Gletscherspalte hinabsteigen, um elegant über den darin tosenden Gletscherstrom zu springen, ohne dabei auf der anderen Seite auf dem Eis auszurutschen, wohl wissend, dass ein Hineinfallen in den wilden Strom, ein nicht aufzuhaltendes Weggespültwerden in dieser eisigen Bobbahn bedeutet, welches schließlich im Verschwinden in einer der metertiefen Löcher enden würde. Aber jegliche Sorge wird durch die absolut fokussierte Aufmerksamkeit während der Durchführung hinfort getrieben. Das übrige Geröll spricht unaufhörlich gefährliche Worte – knarrt und rutscht unter den Schuhen. Wird es unser Gewicht tragen oder seinem Namen alle Ehre machen, zu rollen beginnen und uns ungefragt mitziehen? Es geht vorbei an tiefen Gletscherspalten, die einen so anziehenden Sog nach Unten verströmen, umringt von weißen Gipfeln und Gletscherzungen, die jederzeit zu rutschen drohen – trotz meines immensen Aufregungsschweißes wunderschön!




Ja, hier mussten wir kurz mal runter.
Zum krönenden Abschluss dieses abwechslungsreichen Abstieges erwartet uns eine Flussdurchquerung. Bis zu den Oberschenkeln umspült uns eiskaltes Gletscherwasser, spürbar wie tausend Messerstiche, die fast eine leichte Übelkeit auslösen. Am anderen Ufer angelangt, stellt sich die Frage, wie mit den Schmerzen in den Füßen umgegangen werden soll – schreien, springen, amputieren? – aber nach kurzem Verharren und Starren auf die krebsroten Beine, verklingt das Unangenehme und der Spaß am wilden Wasser und der Herausforderung überwiegt und so wird dieser gelungene Tag mit einem Lagerfeuer im erneut grünen, saftigen und warmen Tal mit (illegal eingeführten) österreichischem Rotwein beendet. C’est parfait! Nur Florians Rückenschmerzen werden immer bedenklicher…



Tag 10 – 13 Die trostlose „Stadt“ Daus
Nach weiteren 1 ½ Tagen Abstieg auf gut begehbaren Hirtenpfaden, durch wunderschöne grüne Wäldchen, vorbei an unbewohnten Steinhäusern, sowie Laubbäumen im leicht gelblichen Herbstkleid und entlang an kleinen geschwungenen Bächen, kommen wir wieder in der Zivilisation an.











Bald finden wir in einem der Dörfer des Yasin Valleys eine Mitfahrgelegenheit nach Hundur. Es gibt „Burger“, nur ohne Fleisch und all den Bestandteilen, die einen Burger ausmachen, ein Internetcafe ohne Internet, dafür ein Schuhgeschäft, und abends Gespräche über die (freie) Liebe mit den ortsansässigen Männern – eine Frau habe ich hier wiedermal nicht gesehen, was wohl auch die Problematik der Beziehungsführung in Pakistan widerspiegelt. Wie sollen Schmetterlinge im Bauch zum Leben erweckt werden, wenn die Objekte der Begierde nie sichtbar sind, man sich nicht alleine in einem Raum unterhaltend über die jeweilige Passung klar werden kann? Beziehungen vor der Eheschließung, wenn überhaupt vorhanden, werden meist ausschließlich über Social Media geführt, die Wahrnehmung des Geruchs oder die prickelnde Berührung der Haut des Anderen hat nie stattgefunden. Die Männer dieser Runde zeigen sich mit dieser Tradition einverstanden.
Weiter geht es nach Daus, die Stimmung unserer Truppe zeigt sich leicht gedrückt...nicht nur schwappt die trostlose, verstaubte, windige Atmosphäre des Dorfes über uns, sondern Florian quälen Rückenschmerzen – Tigerbalsam, selbstgebastelte Faszienrollen und „Aushängestangen“ kommen zum Einsatz, trotzdem ist sein Weiterziehen fraglich.
Wir brechen dennoch zu dritt nach Darkot auf. Im Auto setze ich mich neben den Fahrer - das merkbare Unbehagen des Fahrers und die unfassbaren Blicke der Passanten lassen schließen, wie ungewöhnlich dies hier sein muss. Wieder werden wir von den Offizieren aufgehalten – same „security procedures“ und polizeiliche Begleitung bis zum Dorf.
Dort erwarten uns Kinder und Frauen – viele Frauen (endlich!!) - die fleißig in ihren bunten Kleidern ein extravagantes Mahl für das stattfindende Eid-Fest zubereiten und uns erneut in ihrer großzügigen Gastfreundschaft ein ganzes Zimmer im Hause des Englisch-Lehrers namens Namdad anbieten, das wir noch liebevoll „Zelle“ nennen werden. Wir werden zur Teilnahme an der Festaktivität eingeladen und erhalten ein Stück der geschlachteten Ziege, welche an die Opferbereitschaft Ibrahims erinnert und zu einem jährlichen Zusammentreffen der ganzen Familie führt. Es herrscht reges Treiben im Haus und in zeitlichen Abständen werden die anderen Dorfbewohner empfangen, wobei die älteren männlichen Nachbarn auch in unsere Zelle geführt werden, Kinder und Frauen müssen draußen bleiben. Wir lernen Hamid kennen, einen Lehrer, der sich besonders für pädagogische Konzepte sowie fortschrittliche Förderung der Kinder interessiert und für seine Weiterbildung regelmäßig mehrere Stunden in die Stadt Gilgit fährt, um dort das Internet zu benutzen. Er zeigt uns außerdem einen Brief eines britischen Jungens (mittlerweile wohl Erwachsenen), welcher vor Jahren Darkot besucht hat und ihm danach diesen Brief inklusive eines Fotos geschickt hat. Hamid konnte ihn bis heute nicht ausfindig machen aber seine freudige und detailreiche Erinnerung verdeutlicht die Abgeschiedenheit des Dorfes und die Besonderheit des Austausches mit Touristen, weil dieser in dieser Gegend kaum stattfindet.
Tag 14 Warten auf Godot
Wir verbringen den Tag über in Darkot, dem letzten Dorf im Yarkhun-Tal, rasten uns in unserer „Zelle“ aus – ein kleiner, unmöblierter Raum mit einem winzigen Fenster, welches so weit oben ist, dass ein Hinausschauen unmöglich ist. Ab und an geht die Tür auf und eines der Familienmitglieder bringt uns Essen, Brot und Tee.
Ein Spaziergang vermittelt ein enorm friedliches Gefühl: umgeben von schneebedeckten Gipfeln und Gletschern beherbergt das Dorf drei Schulen, weshalb auch ein wunderschöner quirliger Elan von den spielenden und lachenden Kindern ausgeht, die an diesem Feiertag der Familie bei der Ernte helfen und uns mit einem breiten Lächeln begrüßen. Außerdem ist klitzeklein ein moderner Charme zu spüren, den das dorfeigene „Shoping Centre“ versprüht: ein winziger Raum, voll mit Zuckerl, einem Computer ohne Anschluss, Plastikschuhen, hautfarbenen Büstenhalter, ... alles da.
Abends werden wir in die Wohnküche eingeladen, um gemeinsam mit der Familie zu essen und mir die Fähigkeit des Brotbackens beizubringen. Dieser Versuch führt zu lautem Gelächter und zu dem Resultat, dass meine durchlöcherte Flade nicht den Ansprüchen der präzise arbeitenden Frauen genügt und im Mist landet. Da müssen alle gleich noch mehr lachen. Schön warm ist es beim Ofen, die ganze Familie sitzt in einem Kreis auf dem mit Teppich ausgelegten Boden, Männer bzw. wir als Besucher auf der einen Seite, Frauen und Kinder auf der anderen Seite. In dieser Reihenfolge wird auch das Essen verteilt, bevor sich die gesamte Familie von etwa zwölf Personen gemeinsam in diesem einen Raum schlafen legt. Wir packen auch wieder und trotz einem starken Müdigkeitsgefühl resultierend aus der Anstrengung der ersten Etappe, sehne ich mich schon wieder nach der stillen und menschenleeren Natur.



Fast alles zu haben, im „Shoping Centre.



Lisa bäckt Brot und alle schauen zu.

Erntezeit in Darkot.

Tag 15 – 16 Abschied
Aus dem zivilen Umfeld hinauswandern, steigen wir in die Mini-Siedlung Rawat auf, welche aus vier kleinen Steinhäusern besteht, um wiederum einen Tag später in einer heißen Quelle mit 1a Panoramablick ein erstes ausgiebiges Bad nach 2 Wochen Katzenwäsche zu nehmen – herrlich, herrlich!! Danach geht es steil bergauf und wiedermal finden die Buben, zu meiner ständigen Überraschung, zwischen all den Felsen, zerklüfteten Gesteinsformationen und Unebenheiten in all ihrer Pracht einen passenden Zeltplatz. Florian sieht sich zu 90% am nächsten Tag wieder absteigen – sein Rücken schmerzt, seine Beweglichkeit ist dadurch eingeschränkt und ein Abstieg nach dem bevorstehenden Pass in ein anderes Tal wäre prinzipiell möglich, würde jedoch einige Tage in Anspruch nehmen und das Absteigen von uns allen bedeuten. Wir beobachten an diesem Abend etwas sentimental (ich zumindest), wie der runde Vollmond hinter einer Bergkuppe emporsteigt und das gegenüberliegende schneebedeckte Bergmassiv in einem wunderschönen Weiß erstrahlen lässt und mit den unzähligen Sternen am tiefschwarzen Himmel in der Kategorie Glitzer- & Leuchtleistung wetteifert – ein Bild, eine Erinnerung, die nur weitab jeglicher zivilisatorischer Lichteinflüsse entstehen kann.
In den dicken Schlafsack eingepackt, hoffen Gabriel und ich bis zum nächsten eiskalten Morgen, dass Florian doch mit uns hinaufzieht, aber Ende Gelände. Zum Glück ist es so kalt in der Früh, dass wir uns schnell verabschieden, um der Kälte mit unserer wärmeproduzierenden Bewegung zu begegnen. Wir bekommen noch Florians geile Proteinbars, Snickers und eine Portion seiner köstlichen Pasta; dann umarmen wir uns.
Anmerkung Libertist: Florian hat also entschieden, die Tour aufgrund seiner Rückenschmerzen abzubrechen und eher heimzufliegen, was für alle ein tragischer Moment war, weil wir uns als Gruppe wirklich sehr gut verstanden haben. Wie Lisa bereits anmerkte, war dieser Morgen die letzte sinnvolle Möglichkeit zur Umkehr: Am Mittag würden wir bereits am stark vergletscherten Darkot Pass stehen, von dort aus wäre es zu gefährlich, allein zurückzugehen, wir hätten im Falle eines Abbruchs also gemeinsam umkehren müssen. Da, wo wir jetzt waren, gab es jedoch keine weiteren Schwierigkeiten: Einfach dem Pfad wieder nach unten folgen, vorbei an der heißen Quelle, am Dorf Rawat und bis nach Darkot. Dort am nächsten Morgen in das Sammeltaxi nach Gilgit steigen (fährt einmal täglich) und von Gilgit mit dem Bus nach Islamabad. Ich war trotzdem nervös und habe mich erst wieder entspannen können, als Sofia mir übers Satellitentelefon mitteile, dass Florian sicher in Islamabad angekommen sei und schon am nächsten Morgen heimfliegt.















Tag 17 Der weiße Darkot Pass
Der (nicht vorhandene) Weg wird noch steiler, noch anstrengender als die Tage zuvor, es bläst ein eiskalter, starker Wind und mein keuchender Atem taktiert wie ein Metronom meine langsamen und kleinen Schritte. Bereits in der ersten Pause verlangt mein Körper nach einem ordentlichen Kaloriennachschub, den ich mit meinen kalten Fingern nur mühsam aus der Verpackung bekomme, bevor wir allmählich den Gletscher mit zugeschneiten Spalten erreichen. Auf der Hut vor Spalten gibt Gabriel seine skills im „Stochern“ zum Besten und wir bewegen uns langsam aber sicher aufwärts zu unserem zweiten Pass: Darkot-Pass (4.700 m).
Und wieder einmal, wie nun schon seit zwei Wochen, wird uns eine wunderschöne Aussicht garniert mit feinstem Kaiserwetter serviert! Keine einzige Wolke trübt die strahlende und glitzernde Kraft der reflektierenden Sonnenstrahlen auf dem Gletscher. Wir drehen uns auf dem höchsten Punkt im Kreis – nur spurenloses Weiß und kräftiges Blitzblau!
Der Abstieg erweist sich leichter als angenommen, denn die Gletscherlandschaft hat sich in den letzten 30 Jahren (da entstand nämlich das von uns mitgeführte Kartenmaterial) deutlich verändert – zu unseren situationsbedingten Freuden, aber zum traurigen Leid der rasant kleiner werdenden Eisbestände.





Wir steigen bis zur Dämmerung ab und finden einen passenden Zeltplatz direkt neben dem Fluss. Diesmal muss der Platz auch nur für ein Zelt reichen - Florian fehlt uns sehr. Es fehlt seine offene, lustige und ehrliche Art, die auch die Dynamik der Gruppe verändert. Hatte ich bisher innerhalb der Dreier-Konstellation das angenehme Gefühl bei Unterhaltungen bloßer Zuhörer werden zu können (und die beiden Buben stundenlang über Frauen und Bergsport reden oder über den weiteren Weg fachsimpeln zu lassen), sind Gabriel und ich nun die einzigen Komponenten eines Gespräches. Gleichzeitig sind wir mittlerweile sehr eingespielt, die gemeinsamen Handgriffe beim täglichen Zeltab- und –aufbau sitzen, die Aufteilung der „Hausarbeit“, welche Kochen (Gabriel) und Abwaschen (ich) umfasst, ist längst besprochen. Die größte räumliche Distanz zwischen uns besteht tagsüber aus ein paar Meter Abstand, die Gabriel mit seinem schnelleren und gämsen-haften Schritt schafft. Der einzige Kontakt nach Außen besteht aus kurzen Nachrichten via Sattelitentelefon an Sofia, um unser Wohlergehen mitzuteilen oder Organisatorisches zu erfragen – hier einen herzlichen Dank für deine Unterstützung, liebe Sofia!





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