Kurzspaziergang auf dem John Muir Trail (Devil's Postpile bis Bishop Pass)

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    Kurzspaziergang auf dem John Muir Trail (Devil's Postpile bis Bishop Pass)

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Anfang Juli 2025

    Vorwort

    Der Ruf der Kalifornien Wildnis wurde im Lauf der letzten drei Jahre immer lauter und lauter. Seit meinem VLASH (very long ass section hike = etwas über 2000 Meilen) auf dem PCT in 2022 bin ich verliebt in diese weite, intensive Landschaft. Dieses Jahr habe ich dann nicht mehr widerstehen können und bin im Juli wieder über den Teich gesprungen.

    Das SoBo-Permit ab Devil's Postpile (Red's Meadow) musste ich schon 90 Tage im Voraus beantragen. Zuvor hatte ich versucht, eines mit Startpunkt in Yosemite zu ergattern, aber die Konkurrenz ist hoch und die Plätze wenig, deshalb hatte ich zwei Wochen hintereinander keinen Erfolg in der Lotterie.

    Meinen Resupply-Eimer fürs Vermillion Valley Resort habe ich online bei Triple Crown Outfitters bestellt. Da ich mir nicht sicher war, wie schnell ich sein würde, und die Zeit evtl. auch reichen hätte können, um noch weiter nach Süden zu gehen, ließ ich mir auch noch einen Eimer voller guter Sachen ins Parcher's Resort am Bishop Pass schicken.

    Eine Etappenplanung habe ich nur insofern vorgenommen, als dass ich im Permit eine halbwegs sinnvolle Liste an geplanten Campspots bis zum spätesten Enddatum der Tour angegeben habe - notwendig, damit das Permit auch ausgestellt wird, obwohl jedem Ranger klar ist, dass die Wirklichkeit immer anders ist. Mein Ziel war nicht, irgendeine Kilometerzahl zu erreichen, sondern draußen sein, Leute treffen und Spaß haben.

    Anreise

    Da meine Wege zum und vom Trail auf der Ostseite der Sierra lagen, war es am einfachsten (direkt) nach LA zu fliegen, per Bus+Bahn nach Lancaster zu hüpfen und im ESTA-Bus auf dem Highway 395 nach Mammoth hoch zu fahren. Meine erste Übernachtung war in einem Motel in Burbank, da nahe am Bahnhof. Danach legte ich noch einen Stop in Bishop ein und deckte mich mit den essenziellen Dingen ein, die ich im Flugzeug nicht mitnehmen konnte - Gas, Essen, Grünzeug, das übliche halt.

    Am nächsten Tag ging es dann nach Mammoth Lakes. Nach einer Nacht im Motel 6 war ich dann rechtzeitig für den ersten Bus zu Devil's Postpile im Village. Das Red's Meadow Shuttle muss im Voraus reserviert werden, die Fahrkarte bekommt man allerdings erst am Bike Park. Das führte zu einer kurzen Diskussion mit dem noch neuen Busfahrer, aber eine Bedienstete des Tourismusverbands erklärte ihm, wie das ganze gehandhabt wird, und ich dufte mitfahren, am Village kurz rausspringen um meine Fahrkarte abzuholen und durfte dann auch wieder in den Bus (wo allerdings nur noch ein Stehplatz im Gang frei war, was auf der abgefrästen Straße teilweise sehr sportlich war).

    Ausrüstung

    Nach tausenden Kilometern auf verschiedenen Trails ist das Zusammenstellen der Ausrüstung mittlerweile entspannt. Der Schnee in der High Sierra war im Juni schon rapide am Schmelzen, so dass ich mir darüber keine Gedanken machen musste. Eisaxt und Grödel durften daheim bleiben.

    Zelt: Gossamer Gear The Two
    Schlafen: Cumulus Quilt 350 + NeoAir X-therm + Aeros Regular Pillow
    Rucksack: Gossamer Gear Gorilla
    Kocher: BRS3000T
    Schuhe: Hoka Speedgoat 6 Wide
    Bärenkanister: BV500

    Baseweight: 6,2kg

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    Wetter

    Bei meiner Ankunft war - wie sollte es auch sonst sein - eine Hitzewelle im Gang. In Lancaster durfte ich bei 40°C im Schatten auf den Bus warten. Die Zeit konnte ich aber mit einem leckeren Burger im nahe gelegenen Katz'n'Jammer verkürzen. Die Prognose zeigte etwas Abkühlung nach drei Tagen, die bliebt auch eine gute Woche unverändert - Abkühlung immer in drei Tagen.

    It Begins - Tag Eins

    Der Bus ist überwiegend mit Tagstouristen besetzt, nur im hinteren Teil sind noch ein paar andere Wanderer. Deren Rucksäcke sind riesig, vermutlich ist da aber auch einiges an Kletterzeug drin. An der Ranger Station bei Devil's Postpile fülle ich noch meine Flaschen voll, dann geht es los durch lichten Nadelwald. Obwohl ich auf 2300m bin, hat es mittags über 30°C. Entsprechend warm ist es, und die Luftfeuchtigen von den umgebenen Bächen hilft nicht beim Abkühlen.

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    Die Hitze und der schlechte Schlaf der Nacht sind es dann wohl zusammen, die mich nur flüchtig auf die Wegweiser achten lassen, so dass ich kurz nach dem Start erst einmal 1,5km in die falsche Richtung laufe. Irgendwann merke ich natürlich, das die Sonne schon zu lange seitlich auf mich scheint und frage FarOut nach Rat, das mir dann auch deutlich zeigt, wie falsch ich bin. Jetzt kann ich entweder wieder zurück gehen oder auf einer kleinen Schleife den JMT etwas südlich wieder treffen. Letzteres ist etwas kürzer und der Trail führt richtig schön an einem Gebirgsbach entlang. Die Basaltsäulen, den namensgebenden Postpile, kenne ich ja schon, so entscheide ich mich für die direktere Variante.

    Nach ein paar Kilometern geht es dann langsam bergauf, und es öffnen sich die ersten Aussichten. Auch mit steigender Höhe wird es nicht kühler, deshalb lasse ich mir Zeit. Um eventuelle Verspätungen des Shuttles (die Red's Meadow Road wurde gerade erneuert) kompensieren zu können, habe ich mir einen Bach in gut 11km Entfernung als ersten Campspot herausgesucht, und die erste Nacht sollte man nach Möglichkeit tatsächlich am angegebenen Ort verbringen. Bis dorthin ist der Weg unspäktakulär, aber die Freiheit, endlich wieder auf dem Trail zu sein, und der Geruch von trockenen Piniennadeln und dem Saft der Jeffrey Pines lassen mein Herz höher schlagen. Ich suhle mich in Erinnerungen an meine PCT-Wanderung und grinse vor mich hin.

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    Am frühen Nachmittag bin ich dann auch schon am Bach und balanziere auf einem gebrochenen Baumstamm drüber, spüle Schweiß und Sand ab, lege ein Snickers ins Wasser damit es sich wieder verfestigen kann und koche mir eine Portion Ramen.

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    Für die Nacht finde ich ein schönes Fleckchen ein Stück den Hügel hoch, weit genug vom Wasser entfernt um den LNT-Richtlinien zu entsprechen (200 Fuß). Dann öle ich mich erst mal mit Mückenspray ein, der definitiv notwendig ist, auch wenn die Moskitos hier deutlich kleiner und weniger schmerzhaft als ihre Brüder nördlich von Tuolumne sind. Zwischendurch kommen noch drei einzelne Wanderer durch, mit denen ich etwas plausche.

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    Zuletzt geändert von BitPoet; Heute, 16:10. Grund: Versuch, die Lokation auf der Karte einzugeben
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    #2
    Tag Zwei

    Der Schlaf auf dem Trail ist immer der beste, so auch diese Nacht. Ich schlummere bis lange nach Sonnenaufgang, so dass es schon fast halb neun ist, als ich endlich den Rucksack schultere, und auch schon wieder entsprechend warm. Bei meiner Pinkelpause um 2:00 Uhr morgens hatte es immer noch 19°C.

    Der Weg führt weiter fast kontinuierlich bergauf, die flachen Abschnitte sind an kleinen Meadows, grünen Oasen mit mäandernden, langsam fließenden Bächen und Schaaren von Stechinsekten. Zum ersten Mal packe ich das Kopfnetz aus, trage es aber nur wenn unbedingt nötig.

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ID: 3344127

    So langsam wird die Landschaft weniger Wald und mehr Sierra. Große, rund geschliffene Felsen liegen entlang des Weges, und der Trail wird sandiger.

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ID: 3344126

    Ich reiße mir nicht gerade die Beine aus um vorwärts zu kommen. Im Gegenteil finde ich ständig Gründe um stehen zu bleiben - skurile Bäume, seltsame Blumen, Pilze, Bäche mit kleinen Wasserfällen, Eidechsen, Squirrels, Chipmunks und Racer Snakes. So langsam spüre ich die Höhe, die mir in Verbindung mit der Hitze ein wenig zu schaffen macht. Mein Sun Hoodie ist schnell schweißgetränkt. An einem steilen Abschnitt erfinde ich das "50 Steps of Shade" Spiel - ich lege mich auf eine bestimmte Anzahl an Schritten fest, die ich mindestens gehe, bis ich nach dem nächsten Schatten Ausschau halte. An jeder Wasserstelle schütte ich mir eine Flasche über Arme, Kopf und Rücken bevor ich kühlen Nachschub tanke. An einem kleinen Bachlauf finde ich eine Sonnenbrille, und da ich nur einen Wanderer in Gegenrichtung getroffen habe, beschließe ich, sie mitzunehmen.

    4km weiter begegne ich dann einer Wanderin, die gerade Pause macht. Die Frage, ob sie eine Sonnenbrille vermisst, wird dann auch mit einem Freudenschrei belohnt. Wir labern ein wenig, und sie schüttet mir ihr Herz über ihre Lebenskrise aus. Gerade aus einer toxischen Beziehung raus, Scheißjob, auf dem JMT um die Antwort nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest zu finden. Ich kann den Wirbelwind ihrem Kopf fast spüren. Ich muss etwas essen, sie wandert weiter.

    Zwei Kilometer weiter treffe ich sie wieder. Sie hatte ihren Bärenkanister abgestellt als sie wegen der Sonnenbrille zurück ist und kann ihn nicht mehr finden. Ich bin mir sicher, dass ich den am Wegesrand erspäht hätte und rede auf sie ein wie auf ein Pferd, bis sie sich überzeugen lässt, noch ein paar hundert Meter weiter zu gehen. Nach 10 Minuten begrüßt uns die Tonne dann auch direkt neben dem Trail.

    Wir quatschen noch ein wenig, und ich lege ihr nahe, die ganze Fragen in ihrem Kopf zu vergessen und sich auf den Trail zu konzentrieren. Ich verpacke das ganze noch ein wenig esoterisch, dass der Trail schon Antworten gibt, aber dass man eine Stille im Kopf braucht, um sie auch zu hören, auf das springt sie dann an und ich schöpfe Hoffnung, dass sie nicht irgendwann Kopf- und Ausrüstungslos durch die Gegend stolpert.

    Am Duck Lake nach für mich etwa 13km trennen sich unsere Wege. Ich mache einen Abstecher an den See und stelle mein Zelt dort in der Nähe auf, sie will unbedingt zum Purple Lake. Die NOBOers, denen wir kurz zuvor begegnet sind, haben uns aber Horrorgeschichten über frisch geschlüpfte Moskitoschwärme erzählt, so dass ich keinen Drang spüre, das zu erleben.

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ID: 3344128

    So habe ich genug Zeit, Körperhygiene zu betreiben, appetitlos eine Portion Ramen hinunterzustopfen und mich für die Anstrengung mit einem schönen Sonnenuntergang zu entschädigen.​
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      #3
      Tag Drei

      Mit jedem Tag komme ich etwas früher los. Heute bin ich schon ein paar Minuten vor Acht auf dem Trail.

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ID: 3344130

      Die Moskitos sind auch schon wach, und am Purple Lake vorbei stolpere ich tatsächlich durch ganze Armeen der geflügelten Pest. Das Permethrin, das ich meinem Sun Hoodie verpasst hatte, hilft nur begrenzt, und ich bekomme ein gutes Dutzend Stiche durch die Kleidung ab. Für die Regenjacke ist es aber schnell viel zu heiß.

      Die Landschaft entschädigt. Es geht auf einem wunderbar gepflegten Trail entlang steiler Hänge und über Felstreppen hoch zum Silver Pass.

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ID: 3344131

      Ich komme über die Baumgrenze und blicke auf kristallklare, leuchtend blaue Seen. Ich bin nicht der einzige Wanderer, der immer wieder Pause machen muss um die Schönheit zu genießen, und ich lerne eine Mutter mit 13jähriger Tochter kennen, die den ganzen JMT wandern, und mehrere junge Paare, mit denen ich gute Unterhaltungen über Gott, die Welt und die atemberaubende Sierra führe. Nicht zum ersten Mal stelle ich fest, dass mehr als einen Tagesmarsch vom nächsten Trailhead der Idiotenanteil rapide gegen Null sinkt.

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ID: 3344132

      Oben am Silver Pass auf etwas über 3300m machen ein Murmeltier und ich Pause. Ich verteidige meinen Müsliriegel aber mutig gegen das gefährliche Raubtier, das sich immer wieder drohend auf die Hinterfüße stellt.

      Der Weg hinunter zum Silver Pass Lake ist atemberaubend schön. Ich liebe diese hochalpine, karge, intensive Umgebung. Meine Wangenmuskeln schmerzen irgendwann, weil sie es nicht mehr gewohnt sind, so viel zu grinsen.

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ID: 3344133

      Am See springt mir fast ein siuzidaler Sierra Mountain Yellow Legged Frog unter den Fuß, eine extrem bedrohte Froschart, die nur in hohen Lagen vorkommt. Dank der jährlichen saisonalen Umleitung des PCT auf den Highway in der Nähe von Mount Baden Powell ist der Mountain Yellow Legged Frog nicht unbedingt der beste Freund von Thruhikern, aber der Bursche sieht schnucklig aus. Für ein Foto bleibt er aber leider nicht stehen.

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ID: 3344134

      Direkt am Silver Pass Lake gibt es kaum brauchbare LNT-Campspots. Das einzige Fleckchen am Ende des Sees ist bereits von einem der allgegenwärtigen roten Big Agnes Zelte belegt, so dass ich noch ein paar Kilometer weiter laufe bis ich ein schönes Plätzchen in Laufweite eines Baches finde. Appetit habe ich immer noch kaum, so dass ich mir widerwillig ein Snickers einverleibe und mich dann bis zum Sonnenuntergang auf einem Felsen neben einem Wasserfall ausstrecke.

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ID: 3344135


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        #4
        Tag Vier

        Heute geht es den ganzen Tag bergab. Diesmal schaffe ich es, zeitig zu starten, und bin kurz vor Sieben unterwegs.

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ID: 3344138

        Zum ersten Mal begegne ich Gruppen von Wanderern in Gegenrichtung. Alle schwitzen und keuchen die langen Serpentinen hoch. Selbst das Bergabgehen ist schweißtreibend auf dem sonnenexponierten Südhang, und im Aufstieg muss viel Wasser mitgeschleppt werden. Bis zur Hälfte feuere ich sie noch mit "It's not that far anymore" an. Für die Spätstarter fällt mir nichts motivierendes mehr ein.

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ID: 3344139

        Die Hitzewelle hält noch immer an, und der Duft der Piniennadeln wird intensiv als ich mich dem Tal nähere. Der Mono Creak rauscht entlang des Trail, und ich bin schon am Abzweig zum Lake Edison. Es sind nur noch drei Kilometer bis zum Fähranleger. Der Weg führt teils etwas überwachsen und mit ein paar umgestürzten Bäumen durch Sumpf, und mein Kopfnetz erweist sich auf der ersten Hälfte davon wieder einmal als gute Investition. Näher am See wird es dann windiger und die Plagegeister verschwinden.

        Um kurz nach 10:00 Uhr kommt dann auch die Fähre. Bis alle ausgestiegen sind und wir unsere Plätze eingenommen haben, dauert es noch eine Weile. Es kommt auch noch ein kleineres Boot, was gut ist, denn ein paar Hiker hätten sonst bis zum Nachmittag warten müssen. Bis wir dann am Vermillion Valley Ressort ankommen, ist es schon 11:30 vorbei.

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ID: 3344140

        Ich checke ein, trinke eine kalte Pepsi, baue mein Zelt in Mushroom City auf und hole meinen Resupply-Eimer ab. Damit habe ich viel zu viel Essen, denn ich habe bisher kaum eine Delle in meine Vorräte gemacht, und meine Mountain House Meals sind noch gänzlich unangetastet.

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ID: 3344141

        Schnell habe ich ein Dutzend andere Hiker kennengelernt, und mit Quatschen und Duschen vergeht der Nachmittag viel zu schnell. Ich liebe den Vibe hier. Obwohl manche Gäste per Auto oder Shuttle herkommen, ist das Ressort überwiegend von JTM- und PCT-Wanderern bevölkert. Es werden wilde Geschichten vom Trail ausgetauscht und es wird viel gelacht.

        Das Abendessen - Hähnchenbrust mit Kartoffelpürree und Pilzrahmsoße - ist lecker, und jetzt wo ich auf knapp 2400m herunter bin, kommt auch mein Appetit zurück. Ein kurzer Besuch auf der Waage zeigt, dass ich in weniger als drei Tagen gute fünf Kilo abgenommen habe. Es ist kein Wunder, dass ich mich abends immer ganz schön abgekämpft gefühlt habe.​
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          #5
          Tag Fünf - Pausentag

          Eigentlich wollte ich ja nur eine Nacht bleiben. Aber beim Frühstück überlege ich schon, ob das wirklich so sein muss. Die Lumberjack-Variante der Frühstückscombo besteht aus Eiern, Speck, Würstchen, Kochschinken, Hash Browns und zwei Pfannkuchen, von denen mich einer im normalen Leben schon mehr als satt machen würde. Bis alles bis auf die Pfannkuchen in meinem Magen verstaut, die Bewegungsunfähigkeit überwunden und die Wäsche gewaschen und getrocknet ist, ist es schon Mittag. Da ich nicht auf der Flucht bin, bleibe ich halt noch eine Nacht.

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ID: 3344143

          Kurz nach Mittag höre ich einen Wanderer erzählen, dass er so glücklich ist, dass ihm jemand seine verlorene Sandale vom Bear Ridge bis ins VVR nachgetragen hat. Etwas später rede ich mit dem betreffenden Wanderer, der gerade ziemlich niedergeschlagen ist, weil er sich beim Aufheben der Sandale auf seine Lesebrille gekniet hat und beide Gläser hinüber sind, weshalb er seine Wanderung abbrechen muss.

          "The trail provides" ist schon seit langem mein Motto. Ich erkläre ihm, dass seine Sandalenaktion sein Trail-Karma ausreichend aufgefüllt hat und gebe ihm meine Reserve-Lesebrille. Ultra-Billig, nur zwei schmale Kunststoff-Linsen, aber sein Grinsen ist unbezahltbar als er durch sie hindurch auf sein Smartphone schaut.

          Der Trail sorgt auch für mich. Irgenwann am ersten Tag habe ich festgestellt, dass meine Kappe nicht mehr bei mir ist. Die muss irgendwo zwischen dem Mono Creek Abzweig und dem Fähranleger verloren gegangen sein. Ich frage mich durch, aber niemand hat sie auf dem gesehen. Deshalb schaue ich in die Hikerbox und finde tatsächlich einen perfekt passenden Hut. Der Kinnriemen ist zwar ausgerissen, aber das kann ich bei Bedarf mit einem Stück Zeltleine reparieren.

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ID: 3344144

          Der Rest des Tages vergeht wie im Flug. Ich verschenke meine überflüssigen Lebensmittel an andere Wanderer, helfe wieder mal unerfahrenen JMTern dabei, ihre Vorräte effizient umzufüllen so dass sie in den Bärenkanister passen und genieße hemmungslos meinen wiedererstarkten Appetit.​
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            #6
            Tag Sechs

            Für das Frühstück heute habe ich nur Eier, Hash Browns und Speck bestellt, und ich bin mehr als satt. Beim Begleichen meiner Rechnung bin ich positiv überrascht, dass ich inklusive Resupply-Aufbewahrungsgebühr und Fähre unter 300$ geblieben bin. Zum Glück ist der Euro-Kurs gerade hoch, aber Pausieren im VVR ist wirklich keine billige Sache.

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ID: 3344146

            Mit Paint am Steuer geht es wieder zurück auf die andere Seite des Sees. Der Mann ist ein Feuerwerk an schwarzem Humor, und man sieht im jede Sekunde an, wie sehr er es liebt, die Zeit mit den Wanderern zu verbringen und Geschichten auszutauschen. Leider werde ich ein paar Wochen später erfahren, dass er ganz plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben ist. RIP Paint.

            Die Fähre kippt uns am Anleger aus, wo schon wieder ein neuer Schwung Wanderer wartet, die Vorzüge von VVR zu genießen. Ich trotte wieder zurück zum Abzweig und biege auf den Weg hoch zum Bear Ridge ein. Immerhin ist das ein Nordhang, so dass ich nicht ganz so exponiert bin, und erst, als ich oben ankomme, wird es richtig heiß. Dort mache ich erst einmal eine Stunde Pause.

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ID: 3344147

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ID: 3344149

            Ein paar Kilometer nach dem Ridge findet sich einer guter Campspot. Ein junges Paar aus Indiana, das ich schon im VVR kennengelernt hatte - ihre Anreise mit dem Auto hat dreieinhalb Tage gedauert - hat dort schon das Zelt aufgestellt, und ein paar Meter weiter campiert "Monster", die den Trailnamen bekommen hat, weil sie schon das siebte Jahr in Folge den kompletten JMT wandert. Sie zeigt uns Fotos von Anfang Juli 2023, dem Jahr mit Rekordschnee. Bis auf zwei Mal hat sie auf der ganzen Tour in dem Jahr nur auf Schnee gezeltet.

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ID: 3344148

            Oats und ihr Partner, mit denen ich im VVR ein paar Stunden abgehangen hatte, trudeln auch noch ein, und als Oats feststellt, dass sie ihre Spork verloren hat, schnitze ich ihr einen Ersatzlöffel. Mit Essen und Trail Talk vergeht die Zeit bis zum Sonnenuntergang wie im Flug.​
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              #7
              Tag Sieben

              Heute geht es über den Selden Pass auf 3318. Also erst mal ein paar Stunden bergauf. So langsam sinken die Tageshöchsttemperaturen, und die Nächte werden kühler. Mein Appetit pendelt sich dadurch ebenfalls ein, und ich fühle mich deutlich besser. Viel schneller bin ich trotzdem nicht unterwegs, denn es ist einfach zu verlockend, an Bilderbuch-Wasserfällen zu verweilen und an den Bergseen die Aussichten zu genießen.

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ID: 3344151

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ID: 3344152

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ID: 3344153

              In meinem Kopf herrscht eine unglaubliche Ruhe. Mein Tinnitus ist wie weggeblasen, und die Taubheit in den Fingern, die die Kombination aus Bürojob und Verengung des Wirbelkanals immer wieder aufkeimen lassen, ist ebenfalls weg. Und so froh ich nach den fünf Monaten auf dem PCT war, wieder nach Hause zu kommen und die Vorzüge der Zivilisation zu genießen, so sehr zieht es mich wieder auf den Trail, auf das Leben im Hier und Jetzt, nach Anstrengung und Belohnung und dem Gefühl, dass Körper und Seele in Harmonie sind.

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ID: 3344154

              So gehe ich nach dem Selden Pass nicht mehr weit und stelle mein Zelt im Wald neben den Sally Keys Lakes auf.

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ID: 3344155

              Die meisten Campspots hier sind nah am Wasser, was gegen die LNT-Vorschriften der Forstbehörden und Parkverwaltungen verstößt. Ich kann den Reiz verstehen, aber ich halte mich an die Regeln. So errichte ich meine Bleibe in Rufweite des Mutter-Tochter-Paars und führe beim Abendessen ein gutes Gespräch mit den beiden. Die Tochter ist immer noch erstaunlich motiviert, und ich werde den beiden später auch per Facebook zum erfolgreichen Thruhike gratulieren dürfen.

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                #8
                Tag Acht

                Heute ist ein kurzer Tag. Obwohl ich dort kein Resupply deponiert habe und keine Ausrüstung ersetzen muss, mache ich den Abstecher zur Muir Trail Ranch, in der Hoffnung, vielleicht etwas Salami-ähnliches in der Hikerbox zu finden, denn Wurst war das eine Lebensmittel, das ich nicht online bestellen konnte und das auch im Laden von VVR nicht zu kaufen war.

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                Kurz vor Zehn bin ich auch schon dort - ten by ten, Zehn Meilen bis Zehn Uhr ist die goldene Thruhiker-Regel, ich schaffe es heute gerade so in Kilometern - und lasse erst mal allen den Vortritt, die Eimer mit Vorräten hierher geschickt haben. Dann spähe ich vorsichtig in den "Meals"-Eimer - MTR sortiert die Hikerbox-Inhalte in neun beschriftete Eimer - und mein Herz geht auf. Ganz unten ist ein Ziploc-Beutel voll mit Landjägern. Die Geruchsprobe ist auch erfolgreich. The trail provides!

                Ich beschließe, hier einen Nero zu verbringen und hänge ein wenig an der Ranch ab, dann mache ich mich auf zum Campingplatz. Das ist ein verstreuter, natürlicher Bereich nicht weit vom South Fork San Joaquin River mit netten, geschützen Plätzen für Zelte. Einige sind schon da, und ich plausche eine gute Stunde mit Popup, einer chinesischstämmigen, jungen Amerikanerin die mich über den PCT ausgquetscht.

                Der San Joaquin River ist in der Schneeschmelze, oft bis spät in den Juli hinein, ein reissender Fluss. Dieses Jahr geht mir das Wasser nur an einer Stelle bis knapp unter das Knie, und das Seil zum Hinüberhangeln brauche ich nicht. Ich versenke mich eine halbe Stunde in den Hot Springs und platsche tiefenentspannt durch den Fluss zurück.

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                Popu und ich essen zusammen zu Abend und verabschiedenen uns kurz vor Sonnenuntergang ins Zelt.

                Diesmal muss ich nachts raus, und ich stelle fest, dass es ein wirklich weiter weg den steilen Hang hoch ist, bis ich ein einigermaßen blickgeschütztes Fleckchen finde, um mein Cathole zu graben. Dabei knickt mir der Stiel der Schaufel (wieder mal) ab, aber er hält noch, so dass ich wohl bis zum Ende der Tour kein Problem damit haben werde.​

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                  #9
                  Tag Neun

                  Irgendwie komme ich nicht so schnell los, wie ich geplant hatte. Es ist nach Neun, als ich endlich wieder unterwegs bin. Sobald das steile Stück von der MTR zum JMT überwunden ist, geht es dauerhaft aber sehr moderat entlang dem San Joaquin River bergauf, der an der neu gebauten Brücke überquert wird.

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                  Dann gegt es am malerischen Evolution Creek entlang einer Perlenschnur von Wasserfällen hoch in Richtung Selden Pass.

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                  Hier muss der Evolution Creek überquert werden. In normalen Jahren ist das eine der beiden gefährlichsten Flussquerungen am JMT, und Wanderer müssen oft meilenweite Umwege machen, um nicht mitgerissen und über die Wasserfälle gespült zu werden. Das Wasser geht mir kaum halb die Schienbeine hoch, und ich steige ganz entspannt hindurch.

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                  Ich habe das Gefühl, kaum vorwärts zu kommen, denn ich muss immer wieder stehen bleiben, mich auf Felsvorsprünge setzen und die Eindrücke genießen. Trotzdem ist es erst kurz nach Mittag, als ich nach guten 20 Kilometern den Evolution Lake ereiche. Ich könnte noch weiter, aber es ist so unglaublich schön hier. Deshalb baue ich mein Zelt auf, gehe nachdem ich mich abseits des Sees gewaschen habe eine Runde Schwimmen - unglaublich, dass auf 3000 Metern Höhe das Wasser über zehn Grad hat - und erkunde dann die Umgebung. Jemand mit malerischer Begabung könnte hier vermutlich Wochen mit Pinsel und Pallette verbringen ohne sich eine Sekunde zu langweilen.​

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                  • BitPoet
                    Erfahren
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                    #10
                    Tag Zehn

                    Mit etwas schwerem Herzen mache ich mich viel zu spät wieder auf den Weg. Durch hochalpin karge Landschaft mit großen und kleinen Schmelzseen geht es hoch zum Muir Pass mit seiner ikonischen Steinhütte. Die dünne Luft hier oben schlaucht ganz schön. Ich spüre, dass die Nacht auf deutlich über 3000m nicht viel Regeneration für mich bot, und lasse mir Zeit.

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ID: 3344171

                    Am Wanda Lake werde ich von Mücken fast aufgefressen. Wie es scheint fand in der Nacht zuvor das große Schlüpfen statt, und ich bin nach wenigen Schritten am Ufer von Kopf bis Fuß von den kleinen Monstern übersäht. Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig, das Kopfnetz aufzusetzen, dann beiße ich die Zähne zusammen und gebe Gas. Kurz nach dem Ende des Sees, sobald es auf den ersten kleinen Hügel geht, ist dann auch wieder Ruhe. Einen halben Kilometer weiter stelle ich den Rucksack ab und atme kurz durch, und entdecke, dass ein paar hundert der Mistviecher per Anhalter mitgereist sind.

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ID: 3344172

                    Es ist schon fast 11:00 Uhr als ich am Muir Pass auf 3644m ankomme. Mittlerweile sind tatsächlich öfter einmal Wolken am Himmel zu sehen, und von hier oben sieht es so aus, als könnten sich weiter südlich ein paar Gewitter zusammenschieben. Bisher hatte ich mir keine Gedanken darüber machen müssen, wann ich aber einen Pass laufe, aber so langsam scheint die Jahreszeit mit Nachmittagsgewittern doch noch zu kommen.

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ID: 3344173

                    Im Innern der Hütte sind ein Gästebuch und ein "Sündenbuch", in dem Wanderer ihre geheimen Vergehen gestehen können. Einige der Geschichten sind wirklich zum Schmunzeln, einige ein wenig infantil, aber größtenteil harmlos. Ich mache eine ausgedehnte Mittagspause an einem windgeschützten Platz in der Sonne neben der Hütte, und ein Pika kriecht aus dem Fundament der Hütte und flirtet ein wenig mit mir.

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ID: 3344174

                    Irgendwann muss ich mich dann losreißen, denn ich will noch etwa 1000 Höhenmeter absteigen. Zwischen dem Pass und Little Peate Meadow gibt es kaum brauchbare legale Plätze fürs Zelt. Der Abstieg ist wieder wunderschön, aber mit viel Geröll und hohen Stufen, so dass ich mich ein wenig bremsen muss.

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ID: 3344175

                    Es ist früher Abend, als ich mein Zelt an einem der wenigen Plätze mit einem legalen Feuerring aufstelle. Mittlerweile bin ich im Kings Canyon Nationalpark, und hier muss der Abstand zum Wasser nur 100 Fuß (30,5m) sein, sonst wäre es echt schwierig, einen Platz fürs Zelt zu finden. Es ist nur wenig weiter bis man den Bach im Meadow gleich nebenan erreicht.

                    Eine Stunde später kommt eine Dreiergruppe aus Vater, Tochter und Freundin der Tochter an. Die Mädels sind beide gerade 18 geworden und zum ersten Mal auf so einer Tour. Nach dem Aufstellen der Zelte geht Vati eine Runde angeln, und ich zeige den beiden derweilen, wie man ein Lagerfeuer in Gang bringt und dabei nicht den Wald abfackelt. Zwei Tage später wird die Warnstufe angehoben werden und Lagerfeuer auch dort untersagt sein. Der leichte Rauch vertreibt die Moskitos, und das genießen auch die Hirschkühe, die sich mit ihren Jungtieren um uns herum versammeln.

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ID: 3344176

                    Ich krieche irgendwann ins Zelt. Vati verspricht, das Feuer ordnungsgemäß auszumachen - drown, stir, feel ist dabei das Motto.​ Ich werde das natürlich nächsten Morgen überprüfen, nicht aus Mistrauen, sondern zur Sicherheit. Es ist schon genug Wald in Flammen aufgegangen.
                    There is only one single long trail, and you never stop walking it.

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                    • BitPoet
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                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      Tag Elf

                      Die drei kriechen erst aus den Zelten, als ich schon fast mit dem Frühstück fertig bin. Wir quatschen noch kurz, dann mache ich mich auf den Weg. Heute geht es wieder gut 1000m hoch über das Dusy Basin zum Bishop Pass.

                      Ich komme noch am Abzweig zur Ranger Station vorbei. Am Wegweiser ist auch "Trail Post" befestigt - per Telefon oder SMS geschickte Nachrichten an Wanderer in Umschlägen mit dem Namen.

                      Dann zweigt mein Weg nach links ab, und es geht in Serpentinen den steilen Hang hoch. Neben mir schießt Wasser über glatt geschliffenen Granit hinunter. Uralte Bristlecone Pines mit ihrer rötlichen Rinde glühen im Morgenlicht und drehen sich wie Korkenzieher in den Himmel.

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ID: 3344185

                      Gegen 11:00 Uhr erreiche ich die Ebene im Dusy Basin und finde einen perfekten Platz für die Mittagspause. Im Schatten eines großen Felsens auf glattem Granit sitze ich direkt am Wasser. Junge Forellen tanzen in der Strömung, und die Sonne glitzert auf dem Wasser.

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ID: 3344186

                      Ich mache die Rechnung und stelle fest, dass die Zeit zu knapp wird, um bis zum Kearsarge Pass weiter zu wandern. Die Berichte vom nicht mehr gepflegten Taboose Pass hörten sich nicht so an, als würde ich dort wandern wollen. Als wird die kommende Nacht die letzte auf dem Trail sein.

                      Ich lasse mir deshalb Zeit und sauge die spektakuläre Landschaft in mich auf. Das Dusy Basin enttäuscht nicht.

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ID: 3344187

                      Über steinige Pfade und sauber gelegte hohe Stufen geht es die letzten paar hundert Höhenmeter hoch zur gerölligen Haube des Bishop Pass.

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ID: 3344188

                      Mit 3649 Metern ist der noch einmal 5m höher als Muir Pass, also der höchste Punkt meiner Tour. Von hier habe ich eine fantastische Aussicht über Bishop Lake, Saddlerock Lake und Long Lake. Und auf die sich dunkel auftürmenden Wolken hinter dem nächsten Gebirgszug im Norden. Deshalb bleibe ich nicht lange da oben.

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ID: 3344190

                      Der Abstieg ist auf den ersten 200 Höhenmetern noch mehr "Knieschnackler" als der vom Muir. Hohe Tritte, viel Geröll, viele kurze Serpentinen. Ausrutschen oder Stolpern ist hier verboten. Aber man kann wunderbar die geologischen Schichtungen erkennen, den Übergang von Basalt und Granit über Schiefer zu Ton, man sieht die mineralreichen Lagen in Grün und Rot, Lila und Gelb.

                      Langsam nähere ich mich wieder der Baumgrenze, und mit den Bäumen kommen die Mücken. Ich fange langsam, nach einem Campspot Ausschau zu halten, aber die wenigen, die ich erspähen kann, sind schon belegt. Weniger als einen halben Tagesmarsch vom Parkplatz ist das natürlich keine Überraschung. Irgendwo zwischen Long Lake und South Lake finde ich dann eine passende Stelle einen Steinwurf vom Trail und 5 Minuten von einem Bach. Mit etwas Wehmut schlage ich mein Lager auf und gönne mir zur Feier des Tages eine Portion Mountain House Spaghetti Bolognese.

                      Was ich nicht mehr habe ist Kaffee, aber das wird mich morgen nur um so mehr motivieren, früh aufzustehen und die letzten drei Meilen bis zum Parcher's Ressort zurückzulegen.​

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ID: 3344191
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                      • BitPoet
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                        • 05.09.2017
                        • 447
                        • Privat

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                        #12
                        Tag Zwölf

                        Die Gewitter sind ausgeblieben (und werden es auch noch eine Woche lang, allen Wolken zum Trotz.) Ich bin um 5:30 Uhr wach und eine gute Stunde später marschbereit. Ohne Kaffee dauert auch das Frühstück nicht lange, es gibt einen krossen Nature Valley Riegel und ein Twix. Da es nur bergab geht, kann ich entspannt der Zivilisation entgegen trotten.

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ID: 3344193

                        Am Trailhead genieße ich erst einmal den Luxus einer Toilette mit Wasserspülung und eines Waschbeckens mit Seife. Ich tausche auch das durchgeschwitzte Sun Hoodie gegen ein dünnes, noch nicht aromatisiertes T-Shirt, dann gehe ich die letze Meile bis zum Ressort.

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ID: 3344194

                        Der Laden dort ist noch nicht offiziell geöffnet, aber man lässt mich (und Ressort-Gäste) trotzdem schon rein. Ich bekomme Kaffee und selbstgemachten Apfelkuchen mit Streuseln, hole gegen 30$ Gebühr meinen Resupply-Eimer ab und spüle mit einer kühlen Cola nach, während ich die überflüssigen Vorräte im Rucksack verstaue.

                        Dann stelle ich mich vor das Tor und recke den Daumen hoch - naja, nicht wirklich oft, denn es ist noch kaum Verkehr in Richtung Tal. Dann biegt ein Auto aus dem Ressort raus, und ich sehe den Fahrer überlegen. Ich schicke all mein Trail-Karme in die Richtung, und das Fenster geht runter. Die beiden wollen nicht nach Bishop, aber sie können mich bis zur Abzweigung mitnehmen. Yay!

                        Bis zur Abzweigung habe ich ihnen schon die Eckdaten über meine Tour erzählt und Werbung für Bishop und Schatt's Bakery gemacht, so dass die beiden sich entscheiden, dass ein Abstecher dorthin nicht schadet. Ich lerne, dass sie die Schiegereltern der neuen Besitzerin von Parchers sind und das Ressort in Zukunft stärker auf Wanderer ausgelegt werden soll. Ich gebe schon mal Empfehlungen ab, was sich im Laden gut verkaufen würde, und dann sind wir auch schon da und ich kletter 50m vom Hostel California an der Hauptstraße raus.

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ID: 3344195

                        Der Rest

                        Die restlichen Tage hänge ich viel im Hostel mit anderen Wanderern ab, koche mir echtes Essen, wasche meine Wäsche, miete ein Auto und shuttle Wanderer zum und vom Trail. Ich versenke mich in den örtlichen Hot Springs, besichtige das Filmmuseum in Lone Pine und die in alten Western und trashigen SciFi-Filmen oft als Kulisse genutzten Alabama Hills. Ich krame meine eingrosteten Gitarrenkenntnisse hervor und begleite eine Geigenspielerin, motiviere PCT-Nachzügler und beginne im Kopf ganz heimlich einen zweiten PCT-Thru zu planen.

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ID: 3344196

                        Fazit

                        Meine Tour war, mit den kleinen Umwegen zu VVR, MTR und den Campstellen, ziemlich genau 100 Meilen lang. Als Prädikat würde ich für den Abschnitt, mit Ausnahme der ersten 15 Meilen, endeutig "Episch" vergeben. Die Pässe sind traumhaft, die Seen magisch. Zwischen den ganzen Wundern hat man manchmal kaum Zeit, Atem zu holen.​

                        Die Ausrüstung war nah an perfekt. Im 350er Quilt musste ich nie die Puffy anziehen und war immer lauschig warm, auch auf über 3000m. Das Gossamer Gear The Two ist ein absoluter Tanzpalast und der Fußabdruck riesig. Für einen Schönwetter-Trail wie diesen wäre auch ein kleineres Zelt okay und würde weniger Geschickt beim Aufbau auf beengten Flächen verlangen. Ich hab den vielen Platz aber genossen.

                        Der Weg nach Hause war dann genau umgekehrt wie die Anreise - Bishop -> Lancaster -> Burbank, Übernachtung im selben Motel -> LA -> Flug zurück. Inklusive leckerer Fish&Chips bei Katz'n'Jammers.

                        Bei der Ein- und Ausreise war alles so entspannt wie immer, an der Immigration zwei Fragen, zwei Antworten, und mir wurde viel Spaß beim Wandern gewünscht. Im Pass gab es nicht mal einen Stempel, das läuft jetzt alles digital. Ich hatte zwei Pässe dabei, den abgelaufenen mit dem Visum und den neuen, gültigen.

                        Aussicht auf die Sierra Nevada vom Highway 395:

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ID: 3344197
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                          #13
                          Danke - klasse Text, schöne Fotos!
                          Und das mit der Esoterikberatung unterwegs ist ja mal ganz was Neues ...

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