Zitat von OE
Beitrag anzeigen
[RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.
Einklappen
Ankündigung
Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X
-
Zitat von Spartaner Beitrag anzeigenDas ist ja interessant. Hast du vielleicht auch einen Link zu den Merkmalen/Maßen, bis wohin die "kalte Waffe" zählt?
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von janphilip Beitrag anzeigen...die Wolfsbegegnung ist ja wohl ein absolutes Highlight!! Wie du schreibst sieht man die fast nie, da hast du wirklich großes Glück gehabt. =)
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von Robtrek Beitrag anzeigen
Es bietet noch einen Vorteil, der nicht unbedingt sofort ins Auge springt. Dieses Messer gilt in Russland nicht als "kalte Waffe", d.h. man braucht zum Mitführen keine Genehmigung. Immer wieder hilfreich, wenn das Ding am Eingang zu einem Flughafen im Scanner aufleuchtet. In der deutschen Jägersprache oder im Waffengesetz wird der Begriff "kalte Waffe" vielleicht etwas anders verstanden, bin selber kein Jäger und Waffenexperte.
Ich habe mich nämlich gewundert, wieso mein Mora 840 trotz dreimaliger Durchleuchtung des Handgepäcks vor bzw während des Rückflugs vom Baikal kein Aufsehen erregt hat.
Drei mal Übersehen, das kam mir schon viel vor. Aber vielleicht wird das ja in Russland anders gehandhabt?
Einen Kommentar schreiben:
-
Sehr gut gemacht, ein echtes Highlight. Da könnte man ein Buch draus machen.
Einen Kommentar schreiben:
-
Hi Rob,
wie immer genieße ich es sehr von dir auf diese geistige Tour zum Nachempfinden entführt zu werden.
Gerade die letzten beiden Etappen sehen wirklich wunderschön aus! Die herbstlichen Farben sind so mit das schönste was ich kenne und der Kontrast zum dunkelblauen Fluss ist wirklich fantastisch!
Und die Wolfsbegegnung ist ja wohl ein absolutes Highlight!! Wie du schreibst sieht man die fast nie, da hast du wirklich großes Glück gehabt. =)
Ich freue mich wie immer auf den nächsten Bericht.
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von donjohannes Beitrag anzeigenFreu mich, wenn es weitergeht und gleichzeitig schade, dass die Reise nun auch für uns bald zu Ende geht.
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von dominiksavj Beitrag anzeigenDarf ich dich fragen was für ein Messer du nutzst? (Wenn ich raten müsste würde ich auf ein günstiges Russisches tippen)
Es bietet noch einen Vorteil, der nicht unbedingt sofort ins Auge springt. Dieses Messer gilt in Russland nicht als "kalte Waffe", d.h. man braucht zum Mitführen keine Genehmigung. Immer wieder hilfreich, wenn das Ding am Eingang zu einem Flughafen im Scanner aufleuchtet. In der deutschen Jägersprache oder im Waffengesetz wird der Begriff "kalte Waffe" vielleicht etwas anders verstanden, bin selber kein Jäger und Waffenexperte.
Generell findet man in Russland als großer Jagd- und Angelnation ähnlich wie in den USA sogar in kleinen Städten ein umfassendes Angebot an Messern, Jagdwaffen, Angelzubehör usw., alle Preisklassen und Qualitäten.
Einen Kommentar schreiben:
-
Robtrek
Sehr schöne Tour und ein wirklich romanhafter Bericht.
Lädt zum "mitreisen" ein.
Darf ich dich fragen was für ein Messer du nutzst? (Wenn ich raten müsste würde ich auf ein günstiges Russisches tippen)
Danke und bitte schreib schnell weiter
Einen Kommentar schreiben:
-
Gleich zwei Beiträge heute am Palmsonntag mit wunderschönen Bildern im flachen Licht! Und dann die Anspielung ("Fehleinschätzung") und der Cliffhanger. Freu mich, wenn es weitergeht und gleichzeitig schade, dass die Reise nun auch für uns bald zu Ende geht.
Einen Kommentar schreiben:
-
Am nächsten Morgen. Blick zurück zur Schlucht, aus der ich gekommen bin, mit der letzten Stromschnelle am Ausgang.
Blick flussabwärts. 200 m hinter dem Zelt rauscht schon die nächste Stromschnelle.
Ich fahre los und halte auf die Stromschnelle zu. Die Einzelheiten der Hindernisse erkennt man erst, wenn man ziemlich nahe dran ist. Dann bleibt nur noch wenig Zeit, um die Fahrlinie zu korrigieren und mit dem Boot die richtige Stromzunge zu erwischen.
Nach der Stromschnelle lege ich an, um mein Anglerglück zu testen. Aber auch hier bleibe ich erfolglos.
Hinter der nächsten Biegung kommt gleich wieder ein Hindernis.
Blick zurück auf die Stromschnelle.
Auch an dieser idealen Angelstelle beißt nichts an. Hat Sergei hier schon alles abgeräumt? Kaum möglich. Wahrscheinlich haben sich die Fische wegen des warmen Sommers in die kälteren Zuflüsse des Kochechumo zurückgezogen.
Mit den Stromschnellen geht es jetzt unablässig so weiter, sie warten an jeder Biegung. Kaum ist eine überwunden, hört man vor sich schon das Rauschen der nächsten.
An einer der Stromschnellen gelang es mir gestern doch noch, eine Äsche herauszuholen. Willkommene Ergänzung, denn der Proviant geht langsam zur Neige. Wenn ich ihn ein bisschen strecke, reicht er noch für fünf Tage. In dieser Zeit müsste ich den Zufluss Embenchime erreichen, in dessen Nähe sich evtl. eine bewohnte Jägerhütte befindet. Bis dahin sind es noch knapp 100 km.
Wenn sich meine Hoffnung auf die Hütte allerdings nicht erfüllt, müsste ich weitere 250 km bis Tura durchhalten. Dafür reichen die Lebensmittel nun ganz gewiss nicht, also steht mir dann eine Woche Paddeln durch die Kälte bevor, mit einem heißen Tee morgens und einem heißen Tee abends. Ich denke aber, dass ich auf dieser Strecke früher oder später doch auf Hütten und Jäger treffen werde, denn von Tura bis zum Embenchime ist der Kochechumo mit Motorbooten befahrbar. Wie sich später herausstellt, ist das eine grobe Fehleinschätzung.
Das letzte Bild, auf dem meine Angel zu sehen ist. Irgendwann am Abend dieses Tages habe ich sie verloren. Sie muss hinter meinem Rücken in den Fluss gefallen sein, als ich im Boot die Position gewechselt habe. Wenn man den ganzen Tag auf dem Wasser ist, muss man sich öfter mal umsetzen, damit die Beine nicht einschlafen. In Zukunft sollte ich einen kleinen Karabiner zur Sicherung der Angel mitnehmen.
No big deal, die Fische beißen schon seit Tagen nicht mehr gut. Ein paar Flüche kommen mir natürlich trotzdem über die Lippen, als ich den Verlust bemerke. Die körperliche Auszehrung auf so einer Tour führt dazu, dass man seinem Ärger gerne schnell und lautstark Luft macht, wenn mal was nicht klappt. Da könnte selbst Tim Mälzer bei Kitchen Impossible noch einiges lernen! Aber dann ist es auch schnell wieder gut, und hier hört ja sowieso weit und breit keiner zu.
Es beginnt die Zeit am Ende einer langen Tour, wo die Gedanken immer häufiger ums Essen kreisen. Man stellt sich vor, was man im Laden alles einkaufen wird, wenn man erst einmal zurück in der Zivilisation ist. Das kann man nicht kontrollieren und es ist auch gar nicht unangenehm, ans Essen zu denken, obwohl man nur noch wenig davon übrig hat. Im Gegenteil, die Vorfreude aufs Abendessen kann einen den ganzen Tag lang motivieren. Sobald man morgens mit dem Boot abgelegt hat beginnt man sich auszumalen, was man heute Abend kochen wird. Und nach dem Abendessen freut man sich sofort wieder aufs Frühstück.
Diese Flussbiegungen muss ich heute noch hinter mich bringen. Laut Karte treten die Berge danach auf einer Strecke von 1 km etwas vom linken Ufer zurück. Dort kann man hoffentlich zelten.
Heute gibt’s die letzten Spaghetti.
Die Karte hat gehalten, was sie versprach: ein guter Zeltplatz. OK, etwas näher am Fluss wäre noch besser. Zu Beginn einer Tour ist das egal, aber jetzt am Ende lassen die Kräfte langsam nach, man will seine Packsäcke keinen Meter weiter schleppen als unbedingt nötig. Während des Kochens, beim Zeltabbau, beim Einpacken der Ausrüstung – immer wieder setzt man sich zwischendurch für eine Minute hin. Es ist eine große Erleichterung, wenn man endlich alles verstaut hat und losfahren kann. Das Sitzen im Boot strengt nicht an, das Paddeln auch nicht – Stehen und Gehen dagegen schon. Diesen Effekt habe ich auf langen Touren immer wieder beobachtet.
Ich hab noch etwas Ersatz-Angelleine und ein paar Fliegen dabei. Zusammen mit einer leeren Plastikflasche und etwas Paracord könnte man daraus einen Schleppköder bauen. Wird ausprobiert.
Was für ein idealer Zeltplatz! Nahe am Wasser, eben und trocken, Feuerholz liegt überall herum. Schade, das es erst 15 Uhr ist. Drei Stunden möchte ich heute mindestens noch fahren.
Nach einem etwas ruhigeren Flussabschnitt treten wieder öfter Hindernisse auf.
Wieder ist es 19 Uhr geworden und längst Zeit für die Zeltplatzsuche. Aber wie so oft kommt hier eine Stromschnelle nach der anderen, und die Ufer bieten keine Möglichkeit zum Campen.
Eine Dreiviertelstunde später, und immer noch kein Lagerplatz. Wo es auf den Uferwiesen einigermaßen eben ist, fließen Rinnsale und stehen Pfützen. Bei einer der Erkundungen finde ich dieses alte Fangeisen, die erste menschliche Spur seit langem.
Heute habe ich kein Glück. Ich laufe die Ufer ab, erst links, dann rechts. Es ist mittlerweile zu dunkel, um noch viel zu sehen, aber eins ist klar: Zelten kann man hier nirgendwo gut. Also hoch aufs Steilufer in den Wald – doch da ist alles verbrannt, eine schmierige schwarze Schicht bedeckt den sumpfigen, buckeligen Boden. Wahrscheinlich sehe ich schon aus wie ein Schornsteinfeger. Wieder runter zum Ufer. Jetzt suche ich hier schon mehr als eine Stunde. Weiter vorne rauscht eine Stromschnelle, bei Dunkelheit will ich die nicht befahren. Es bleibt nichts anderes übrig: ich muss zurück ans linke Ufer und da nochmal suchen.
Im Schein der Kopflampe konnte ich schließlich diesen guten Zeltplatz finden, das einzige trockene Fleckchen Uferwiese weit und breit. Es war stockdunkel und ich hatte weder Lust noch Kraft, in den schmierigen Wald auf Suche nach Feuerholz zu gehen. In solchen Fällen reicht dann als Abendessen auch mal ein Becher mit Mix aus Haferflocken, Nüssen und Trockenfrüchten. Hauptsache, man hat etwas im Magen und kann schnell einschlafen.
Wenn man den spärlichen Berichten zum Kochechumo glauben darf, liegt vor mir jetzt erneut ein recht lebhafter Flussabschnitt mit vielen Stromschnellen. Seit Vladimirs Hütte sind 58 Tage vergangen. Bis zum Embenchime bleiben noch ca. 40 km, morgen sollte ich ihn erreichen. Die große Frage ist: werde ich dort auf Menschen treffen?
(Fortsetzung folgt demnächst)
Zuletzt geändert von Robtrek; 28.03.2021, 23:23.
Einen Kommentar schreiben:
-
Einsame Flussfahrt - Abteilung für Kontrolle und Beobachtung - Erste Stromschnellen
Meine Gefährten sind nun wohl endgültig verschwunden, doch für mich ändert sich dadurch zunächst einmal nicht viel. Der ruhige Fluss und ein Bombenwetter an diesem letzten Augusttag machen die Fahrt zur reinen Freude.
Die Temperaturen erreichen gefühlt um die 18°C, doch sobald man auf dem Fluss ist, muss die warme Sonne gegen den leichten Wind und das kalte Wasser um mich herum ankämpfen. Ab und zu gewinnt die Sonne, doch selten länger als für eine halbe Stunde.
In den Ruderpausen wird geangelt, bisher ohne Erfolg.
Vormittags im Lager trage ich nur das Funktionshemd und die Trekkinghose, denn schon mit einer Jacke drüber wird es unangenehm heiß. Vor dem Einsteigen ins Boot wird dann in mehreren Schichten aufgerüstet: lange Unterwäsche, Funktionshemd, Fleecejacke, Styropor-Schwimmweste, Bergjacke, Regenjacke, Regenhose. Wenn der Wind mal abflaut, ziehe ich die beiden obersten Jacken aus. Die meiste Zeit brauche ich aber alle Schichten, um warm zu bleiben.
Auf diesem Bild kann man gut die dicken Eisschichten des Permafrosts erkennen.
Ich bin schon seit neun Stunden auf dem Wasser. Ab 19 Uhr halte ich nach einem Lagerplatz Ausschau, aber jetzt, eine Stunde später, wird es höchste Zeit. Die Ufer sind nicht gerade einladend - steil, hoch, oben versumpftes Gestrüpp.
Diese riesige Kiesbank war meine Rettung. Das verdankt sich dem Umstand, dass hier ein großer angeschwemmter Baum liegengeblieben war. Es ist seit Stunden die erste Kiesbank mit Feuerholz.
Hier sieht man die Schleifspur des Baums, bevor er auf Grund lief.
Nach Abendessen und Frühstück sind nicht mehr viele Äste übrig.
Heute gibt es Grießbrei mit Rosinen, Zimt und etwas Zucker. Wie immer ist Zucker gegen Ende der Tour knapp. Man kann mitnehmen, soviel man will, es ist immer zu wenig. Ich rechne mit 60 g/Tag. Das ist nur fürs Essen, den Tee trinke ich ungesüßt. Im Supermarkt von Krasnojarsk gibt's zum Glück eine gute Auswahl an Tee mit Früchten und Beeren, die schmecken auch so.
Unterwegs treffe ich immer mal wieder auf Wolfsspuren. Die Wölfe selber sieht man nie. Bärenbegegnungen sind in Sibirien quasi garantiert, aber wenn ich mich richtig erinnere, habe ich in all den Jahren nur zwei Mal vom Boot aus einen Wolf am Ufer erspähen können. Dabei bin ich sicher, dass mich die schlauen Tiere ihrerseits vielfach beobachten. Dass sie nicht weit sind, beweist ab und zu ihr nächtliches Heulen.
Man kann jeden Tag dabei zusehen, wie die Taiga ihre Herbstfärbung annimmt. Die Lärchen verlieren vor dem Winter ihre Nadeln, um ein Erfrieren und Austrocknen zu verhindern. An flachen, sandigen Flussufern sieht man dann regelrechte gelbe Teppiche von angeschwemmten Nadeln.
Die Fische beißen weiterhin nicht. Meine notdürftig reparierte und gekürzte China-Angel hält mich immer mal wieder mit solchen Perücken auf Trab. Wer sowas noch nie entwirrt hat: das ist sehr zu empfehlen, im Erfolgsfall ein Gefühl besser als bei Sudoku.
Diesen geschützten Lagerplatz habe ich wieder mal erst kurz vor Dunkelheit gefunden. Vom Boot aus kann man solche Stellen nie richtig einschätzen. Man muss bei jeder vielversprechenden Kiesbank anlegen und das Ufer ablaufen. Einerseits will man das Tageslicht ausnutzen und fängt deshalb nicht zu früh mit dieser Suche an. Andererseits stellen sich viele Plätze dann als ungeeignet heraus und man gerät immer mehr in die Dunkelheit. Der Zeltaufbau findet eigentlich immer im Schein der Kopflampe statt.
Nach vier Stunden Fahrt kurze Pause, um Beeren zu sammeln. Wie man an den Schlieren auf dem Wasser sieht, weht heute ein kräftiger Wind.
Seltenes Glück: ein Wolf! Der Wind weht von ihm zu mir. Das Tier läuft eine ganze Weile parallel zu meinem Boot am Ufer entlang, ohne mich zu bemerken, und ich kann in Ruhe ein paar Fotos machen. Hundert Meter voraus verengt sich der Fluss, wir steuern beide auf diese Stelle zu. Damit es keinen Konflikt gibt, rufe ich den Wolf nach einer Weile laut an.
Seine Reaktion überrascht mich: ohne innezuhalten oder seinen Lauf zu beschleunigen, biegt er ruhig in Richtung Steilufer ab und verschwindet gemessenen Schrittes im Wald. Irgendeine Neugier oder Furcht ist nicht zu erkennen.
Gegen Abend kündigt sich Regen an. Von einem Lagerplatz weit und breit keine Spur. Wiederholt lege ich an, kraxele das Steilufer hoch, und schlage mich oben ein paar hundert Meter entlang des Flusses durchs dichte Unterholz. Keine einzige Stelle, wo man ein Zelt aufbauen könnte. Also wieder runter und auf den Schotterbänken zurück zum Boot. Die Ufer sind abfallend, die notwendigen 2 m² ebenes Gelände nirgendwo in Sicht. Es bleibt mir nur, im strömenden Regen weiterzufahren bis zum nächsten Versuch. Dazu donnert es auch noch, und wir Flussfahrer lieben keine Blitze.
Hier habe ich dann schließlich gezeltet.
Abends schaue ich mir die Aufnahmen vom Wolf an. Als ich hineinzoome, wird klar: das Tier hat mich die ganze Zeit beobachtet. Auf jedem zweiten Bild ist zu sehen, wie der Wolf den Kopf zu mir dreht.
Mit anderen Worten, er hat mich gezielt verfolgt. Viel Freude hätte er an mir aber nicht mehr gehabt. Nach anderthalb Monaten bin ich doch deutlich abgemagert, mehr Haut und Knochen statt saftiges Fleisch.
Unwillkürlich kommt mir ein Aufenthalt in der südrussischen Stadt Krasnodar in den Sinn. Im größten Hotel am Platze fiel der Blick, sobald man die Lobby betrat, nicht zuerst auf die Rezeption. Sondern auf einen großen, mit Glas abgetrennten Bereich gegenüber dem Eingang, in dem sich immer mehrere Männer im Anzug aufhielten. Auf der Glaswand stand auf russisch: “Abteilung für Kontrolle und Beobachtung“.
Am folgenden Tag setzen sich die Gewitter fort. Ich schaue immer wieder über die Schulter und versuche abzuschätzen, wie viel Zeit ich noch habe. Natürlich möchte man so lange wie möglich weiterfahren, andererseits ist das riskant. Bei jedem Blitz hinter meinem Rücken, der die düstere Taiga ringsum schlagartig erhellt, zucke ich zusammen.
Mir ist eine Tour mit ukrainischen Freunden auf dem Katamaran in Erinnerung geblieben. Die hatten eine ganz entspannte Einstellung zu Gewittern. Als Mitfahrer auf dem Katamaran hat man eine von vier Stimmen, die Mehrheit entscheidet. Es wurde also gefahren und gefahren, auch wenn es rundherum blitzte und krachte. Irgendwann regnete es so stark, dass wir dann doch anlegten. Als wir uns grade eine Zeltplane über die Köpfe gezogen hatten und bereits die Wodkaflasche kreiste, gab es plötzlich einen Donnerschlag wie zum Ende der Welt. Keine 50 Meter von uns war am gegenüberliegenden Ufer der Blitz eingeschlagen. Knapp vorbei ist auch vorbei, darauf noch einen Wodka!
Camp auf einer Kiesbank. Die umgestürzten Bäume am unterspülten Steilufer erinnern daran, das auch von dieser Seite Gefahr droht. Ein Freund erzählte mir mal, wie nachts so ein Baum am Ufer über ihrem Zelt umfiel. Wie durch ein Wunder blieben sie unverletzt, weil der Stamm auf seinen Zweigen zu liegen kam und das Zelt deshalb nicht plattdrücken konnte.
Wurzelholz, ausgezeichnet für ein lang anhaltendes und gleichmäßiges Küchenfeuer.
Ich nähere mich dem Abschnitt vor dem Zufluss Obere Maigungda, wo der Kochechumo erstmals zwischen bergigen Ufern eingezwängt wird und die Stromschnellen beginnen. Auf der Google-Karte unserer Tour ist das beim hellblauen Marker vom 04.09.
Jede der Stromschnellen ist für sich genommen nicht schwierig. Die Herausforderung besteht darin, zwischen den Steinen zu manövrieren, ohne allzu viel Spritzwasser aufzunehmen. Natürlich darf man auch nicht an einem Unterwasserstein hängenbleiben, denn dann dreht die starke Strömung das Boot im Nu quer und man riskiert zu kentern.
Die letzte Stunde Tageslicht ist angebrochen, und vor mir liegt eine Schlucht mit einem halben Dutzend solcher Stromschnellen. In der Dämmerung ist die beste Fahrlinie schwer auszumachen, die Ufer erlauben aber auch kein Campen. Also heißt es weiterfahren bis zum Ausgang der Schlucht.
Die Gefahr des Kenterns ist auf einem Fluss von diesem Schwierigkeitsgrad nicht sehr groß, aber wenn es doch passiert, wäre das schon eine ernste Situation. Deshalb ist es besser, bei solchen Solotouren ein paar Vorsichtsmaßnahmen zu beachten: das Paddel ist mit Paracord am Boot festgebunden, ebenso bin ich selber über Paracord mit dem Boot verbunden. Satellite communicator, Birkenrinde und Streichhölzer befinden sich am Mann im wasserdichten Brustbeutel, das Messer ist am Gürtel gesichert. Einen Helm braucht man auf einem Fluss wie dem Kochechumo nicht unbedingt, aber das Tragen einer Schwimmweste ist angebracht.
Kurz vor Dunkelheit sind die Hindernisse überwunden. Gleich nach dem Ausgang der Schlucht kommt ein guter Lagerplatz mit genug Feuerholz, um die Kälte für zwei Stunden von mir fernzuhalten.Zuletzt geändert von Robtrek; 28.03.2021, 09:00.
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von Robtrek Beitrag anzeigenOffroader können auch versuchen, sich entlang der BAM mit einem Jeep durchzuschlagen. Eine abenteuerliche Fahrt, wir sind nach mehreren Tagen an einer riesigen Pfütze mit unbekannter Tiefe umgedreht.
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von eisen Beitrag anzeigenEs gibt über diese Lager eine 3-teilie Arte-Doku, die ich sehr heftig fand. Ich wusste bis dahin nicht, welche Dimension das hatte:
In diesem Thread wurde schon mal das GULAG-Lager in der Marmor-Schlucht erwähnt, wo Uran gefördert wurde. Das ist auch ganz in der Nähe, hoch oben in den Kodar-Bergen gelegen, die man auf den Fotos sieht.
Das Bild oben ist in einem kleinen Museum zur Eisenbahnlinie "BAM" in der Stadt Tynda aufgenommen. Es soll dieses Lager in der Marmor-Schlucht darstellen. Tynda ist die Hauptstadt der BAM (Baikal-Amur-Magistrale). Für Eisenbahn-Fans: die mehrtägige Fahrt auf der BAM von Taishet nach Komsomolsk-na-Amure ist zu empfehlen. Sie führt praktisch durch totale Wildnis, weniger komfortabel als die bekannte Transsibirische Eisenbahn, aber viel interessanter. Intensiver Kontakt mit der "arbeitenden Bevölkerung" ist garantiert, wenn man die Reise in einzelne Etappen aufbricht und statt der großen Überlandzüge die kleineren Arbeiterzüge zwischen den einzelnen Siedlungen benutzt. Diese Züge dienen hauptsächlich dem Transport der Eisenbahnarbeiter, die die schwierige Strecke permanent warten müssen. Offroader können auch versuchen, sich entlang der BAM mit einem Jeep durchzuschlagen. Eine abenteuerliche Fahrt, wir sind nach mehreren Tagen an einer riesigen Pfütze mit unbekannter Tiefe umgedreht.
Einen Kommentar schreiben:
-
Danke, Robtrek, für einen grandiosen und (mal wieder) megaspannenden Bericht! Und noch kurz zu den Gulags. Es gibt über diese Lager eine 3-teilie Arte-Doku, die ich sehr heftig fand. Ich wusste bis dahin nicht, welche Dimension das hatte:Der Gulag gilt als eine der markantesten historischen Besonderheiten des 20. Jahrhunderts. Das 1918 ins Leben gerufene Netz sowjetischer Straf- und Arbeitslager, eine Art Staat im Staate, wurde viele Jahrzehnte lang geheim gehalten und geleugnet. Die Zwangsarbeiter sollten ihren Beitrag zum Aufbau des Sozialismus leisten. Folge 1/3: Die Anfänge 1917 - 1933.
Einen Kommentar schreiben:
-
Ljungdalen & @Robtrek
danke für die Richtigstellung und Präzisierung. Ich war zwar noch nicht östlich des Ural, aber auch in Moskau selbst überrascht, dass der russische Tourist sich dort gern mit "Stalin" (Männer mit Kostüm und Aufmachung) wie in Wien oder Salzburg mit Mozart für das Familienalbum ablichten lassen. Den omnipräsenten statuierten Lenin war ich war von der Ukraine bis Zentralasien gewohnt, aber Stalin als lächelndes Fotobeiwerk fand ich dann doch etwas ... geschmacklos.
So aber nun will ich schweigen und harre auf die weiteren Teile dieses tollen Berichts.
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von Robtrek Beitrag anzeigen
Wird nicht vergessen! Ich denke, es sind Fotos für 2 weitere Postings vorhanden, bis Tura endlich erreicht ist. Aber die Diskussionen zwischen den Episoden sind auch nicht umsonst, denn da wird schon einiges angesprochen, was Russland-Reisenden insgesamt nützlich sein könnte. Die wenigsten werden ja in die totale Wildnis gehen, viel mehr werden z.B. eine Transsib-Tour mit gelegentlichem Trekking zwischendurch machen, vermute ich jedenfalls.
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von ApoC Beitrag anzeigenVon welchen Temperaturen sprichst Du wenn Du meinst, dass der Fisch sich eine Woche hält?
Einen Kommentar schreiben:
-
Ah spannend. Von welchen Temperaturen sprichst Du wenn Du meinst, dass der Fisch sich eine Woche hält? Wie kalt war es allgemein in etwa? Über Kachelmannwetter kann man es nur sehr grob abschätzen.
Einen Kommentar schreiben:
-
Zitat von ApoC Beitrag anzeigenWie kommt denn eigendlich unser mitteleuropäischer, verweichlichter Magen mit eben nicht ganz so sauberen Essen, rohem Fisch usw. klar?
Einen Kommentar schreiben:
Einen Kommentar schreiben: