AW: [AE,BH,OM] Die Wüste und die Illusion
Mangrovenwald
Die Sonne lacht, und ich muss wieder irgendwie raus. Am Abend habe ich auf dem Wasser einen Paddler gesehen, ein Anfänger, lustig, wie er mit dem Paddel herumgestakst hat. Wo kommt das Kajak her?
Ich finde die Antwort. Das Hotel hat einen Bootsverleih. Drei Boote, davon zwei Kajaks, es sind so Mitteldinger zwischen SOT und Kajak. 65 Dirham für eine halbe Stunde. Das sind umgerechnet 16 Euro. Erst mal schauen, wie es meiner Hand geht. 110 Dirham wären es eine Stunde, das sind ungefähr 27 Euro, das ist mir jetzt zu teuer. Es ist heiß draußen, aber ich ziehe dennoch Paddelhose und -schuhe an. Die Jungs im Verleih gucken etwas komisch, als ich das Paddel drehe, es klemmt, sie nehmen es mir weg, aber dann verstehen sie und drehen es richtig. Sehr schön.
Ich haue ins Paddel und bin begeistert. Outdoor. Gut, das Paddelrevier ist von Baustellen umsäumt, zu weit darf man sich nicht entfernen, Motorboote, offene See und so, aber immerhin, ich bin am Paddeln. Das Wasser ist sehr kalt, wie gut, dass ich die Paddelhose anhabe. Und ich bin bootsangemessen schnell, die Technik habe ich nicht verlernt. Es fährt sich besser, als ich dachte. Meine Hand ist in Ordnung, das macht die Wärme. Na, doch noch auf meine Kosten gekommen, bis zuletzt hatte ich um eine Mangroventour gekämpft, aber Hauptsache, ich bin gepaddelt.
Vorsichtig mache ich Fotos mit dem Handy. Ich habe zwar die wasserdichte Kamera dabei, aber man will ja gleich versenden....
Als ich aus dem Boot steige, fühle ich mich sehr gut. Anscheinend hat die sportliche Betätigung meine Denkfähigkeiten gestärkt, denn ich fange an zu kombinieren. Wenn dieses Hotel Kajaks verleiht, könnten andere Hotels das doch auch tun. Ich gehe ins Netz. Und finde den Namen eines Kanuverleihs. Man ruft für mich an, ja, ich soll vorbeikommen, sie sind bis 17.30 Uhr da. TAXI!
Eine lange Fahrt, Eastern Mangrove Hotel. 12 Euro ärmer, lasse ich mich vom Pförtner des Hotels den Verleih zeigen, eigentlich ist das nicht seine Aufgabe, aber er ist nett, und ich finde gleich drei Verleihfirmen. Eine davon hat ein Seekajak, das könnte aber zu eng sein, so entscheide ich mich für das Sit on Top Kajak einer preiswerteren Firma. 110 Dirham für drei Stunden, das ist okay. Ich habe noch nie ein SOT gepaddelt und fluche, dass es keine Gepäckluke gibt. Meine Wasserflaschen und ein Portemonnaie landen jetzt wasserumspült in einer Plastiktüte unter meinem linken Bein, und ich bete, dass ich nicht ins Wasser falle, denn dann sind nicht nur der Tüteninhalt, sondern auch Handy und Papiere so gut wie weg, es ist Salzwasser, das überlebt kein Telefon (das Boot heute morgen hatte eine kleine Luke für die Wertsachen). Man sitzt in so einem Boot immer etwas im Wasser, und ich beglückwünsche mich zu meiner Hose. Eine Engländerin und ihre einheimische Freundin mieten gerade ebenfalls ein Boot, die Engländerin erklärt mir grob, wo es lang geht. Rechts und dann links und dann in die Kanäle. Los geht es.
Und so sieht das hier also aus.
Jet Skies und nichtautorisierte Boote sind verboten. Die Landschaft besteht aus felsartig wirkendem Gestein (oder ist es Sand?) und Bäumen.
Ganz das Umfeld ausklammern kann man natürlich nicht.
Eine Anlegestelle, garniert mit einer Kenterung. Der Mann versinkt lautlos, die Frau kreitscht, dass man es meilenweit hört. Tja, das Wasser ist halt kalt. Allerdings kann man an der Stelle stehen. Ich bin mittlerweile froh, dass ich die Mangroventour selbst organisiert habe, anscheinend besteht die geführte Tour aus ein wenig Paddeln, dann Pause am Anleger, dann wieder ein bisschen paddeln. Anfänger unter sich. Guides, denen ich begegne, grüßen nett.
Ein schneeweißer Reiher. Er sieht aus, wie ein kleiner Schwan.
Insgesamt ist die Landschaft wenig abwechslungsreich, aber die Stille ist wunderbar.
Allerdings nicht von Dauer. Denn am Ende dieses Flussarmes lärmt ein Saugbagger. Ich vermute zumindest, dass es einer ist, er gibt ein lautes Pumpen von sich. Vermutlich wird dort wieder eine künstliche Insel ausgestattet.
Ich habe die Möglichkeit, weiterzufahren und zu schauen, ob ich hinten links abbiegen kann, aber es weht plötzlich ein frischer Wind von vorne, und da ich nicht kentern will, entscheide ich mich, die Kanäle abzufahren. Ein Solarboot rauscht an mir vorbei, es sind Einheimische. Ich werde noch weitere Einheimische sehen, kein Einziger paddelt selbst. Ein Vorurteil? Die tonnenartigen Gefährte sehen aber auch bequem aus.
In dem Seitenkanal riecht es nach Seetang. Die Ufer sind seicht, ich muss aufpassen, dass ich nicht aufsetze. Leider sehe ich keine Schildkröten oder Krabben, die hier heimisch sind.
Ein weiterer Steg, als ich näher komme, räumt der Graureiher missmutig seinen Platz.
Schwärme von Fischen schwimmen mir entgegen, weichen elegant dem Boot aus, sie glitzern in leuchtenden grünblauen Farben, eine Lichtinstallation.
Ich biege rechts ab und nähere mich wieder dem Saugbagger, man erkennt es am Wind.
Also wende ich wieder und nehme den Kanal links.
Wieder der Saugbagger und die Hochhäuser. Ich werde unsicher. Etwas mehr als die Hälfte der Zeit ist schon rum, ich sollte umkehren. Zwei SUP Paddler aus Irland sind hinter mir, sie werden es versuchen. Tatsächlich werden wir ungefähr zur gleichen Zeit zurückkommen, die schönere Strecke hatte aber ich. Mein Tele fehlt mir.
Er lässt mich dagegen ganz nah herankommen.
Nach dem zehnten Foto reicht es ihm dann aber auch.
In der Nähe des ersten Anlegers stoße ich auf eine Reiherkolonie. Es sieht ein bisschen nach grau gegen weiß aus, es wird gemobbt und gezetert.
Weiß verlässt den Platz.
Ich habe nun doch noch etwas Zeit, und so wende ich mich noch einmal nach links.
Es ist kaum in Worte zu fassen, wie mir dabei das Herz aufgeht. Das Wasser leuchtet, es ist eine Farbe, die ich noch nie gesehen habe. Pures Glück. Vor mir die unendliche Weite. Freiheit. Das Meer.
Ist das schön hier.
Glücksgefühle. Das Boot schwebt voran.
Zuerst ist es nur ein kleiner Streifen, kaum zu sehen. Dann kommt er näher, und meine Kamera sieht ihn schon. Ein kleiner Sandhügel. Eine Sperre. Die Truman Show. Ich bin in der Truman Show.
Und all die Freude fällt in sich zusammen. Ich bin enttäuscht. Hier geht es nicht weiter. Und da ist auch schon wieder der Bagger oder was das auch immer für ein Teil ist.
Es ist sowieso Zeit. Ich paddele zurück.
Vor mir sind eine Engländerin und ein Italiener, sie arbeiten in Dubai, sie in einer Bank, er als Pilot. Sie sind heute zum Paddeln hierher gekommen. Ihn ziehe ich ab, aber sie kann ich nicht einholen, wir sind gleich schnell. Als sie aussteigt, trägt sie eine Neohose, sie war wohl schon öfter hier.
Als ich wieder zurückfahre, bin ich glücklich. Die Fahrt zurück verläuft schweigsam, und es stört mich nicht. Angekommen.
Einen Tag später heißt es für mich Abschied nehmen. Auf Wiedersehen, Sonne. Du wirst mir fehlen. Auf Wiedersehen schiefer Mond. Es war schön, Dir zu begegnen. Und Adieu Wüste. Es war mir eine Ehre, Dich kennengelernt zu haben, und ich hoffe, dass wir uns wiedersehen.
Könnte ich jetzt noch einmal auf Start drücken, dann würde ich diese Reise vielleicht anders angehen. Ich hätte möglicherweise ein anderes Land gewählt, oder ich hätte mir ein Auto gemietet, um mir die Landschaft anzusehen. Andererseits möchte ich die Erlebnisse und Erkenntnisse, die Menschen, die ich getroffen habe und vieles andere mehr, nicht missen. Ich war im Orient. Und es war gut, für einen kurzen Moment die europazentristische Sicht verlassen zu können und selbstverständliche Dinge mit neuen Augen zu sehen.
Mangrovenwald
Die Sonne lacht, und ich muss wieder irgendwie raus. Am Abend habe ich auf dem Wasser einen Paddler gesehen, ein Anfänger, lustig, wie er mit dem Paddel herumgestakst hat. Wo kommt das Kajak her?
Ich finde die Antwort. Das Hotel hat einen Bootsverleih. Drei Boote, davon zwei Kajaks, es sind so Mitteldinger zwischen SOT und Kajak. 65 Dirham für eine halbe Stunde. Das sind umgerechnet 16 Euro. Erst mal schauen, wie es meiner Hand geht. 110 Dirham wären es eine Stunde, das sind ungefähr 27 Euro, das ist mir jetzt zu teuer. Es ist heiß draußen, aber ich ziehe dennoch Paddelhose und -schuhe an. Die Jungs im Verleih gucken etwas komisch, als ich das Paddel drehe, es klemmt, sie nehmen es mir weg, aber dann verstehen sie und drehen es richtig. Sehr schön.
Ich haue ins Paddel und bin begeistert. Outdoor. Gut, das Paddelrevier ist von Baustellen umsäumt, zu weit darf man sich nicht entfernen, Motorboote, offene See und so, aber immerhin, ich bin am Paddeln. Das Wasser ist sehr kalt, wie gut, dass ich die Paddelhose anhabe. Und ich bin bootsangemessen schnell, die Technik habe ich nicht verlernt. Es fährt sich besser, als ich dachte. Meine Hand ist in Ordnung, das macht die Wärme. Na, doch noch auf meine Kosten gekommen, bis zuletzt hatte ich um eine Mangroventour gekämpft, aber Hauptsache, ich bin gepaddelt.
Vorsichtig mache ich Fotos mit dem Handy. Ich habe zwar die wasserdichte Kamera dabei, aber man will ja gleich versenden....
Als ich aus dem Boot steige, fühle ich mich sehr gut. Anscheinend hat die sportliche Betätigung meine Denkfähigkeiten gestärkt, denn ich fange an zu kombinieren. Wenn dieses Hotel Kajaks verleiht, könnten andere Hotels das doch auch tun. Ich gehe ins Netz. Und finde den Namen eines Kanuverleihs. Man ruft für mich an, ja, ich soll vorbeikommen, sie sind bis 17.30 Uhr da. TAXI!
Eine lange Fahrt, Eastern Mangrove Hotel. 12 Euro ärmer, lasse ich mich vom Pförtner des Hotels den Verleih zeigen, eigentlich ist das nicht seine Aufgabe, aber er ist nett, und ich finde gleich drei Verleihfirmen. Eine davon hat ein Seekajak, das könnte aber zu eng sein, so entscheide ich mich für das Sit on Top Kajak einer preiswerteren Firma. 110 Dirham für drei Stunden, das ist okay. Ich habe noch nie ein SOT gepaddelt und fluche, dass es keine Gepäckluke gibt. Meine Wasserflaschen und ein Portemonnaie landen jetzt wasserumspült in einer Plastiktüte unter meinem linken Bein, und ich bete, dass ich nicht ins Wasser falle, denn dann sind nicht nur der Tüteninhalt, sondern auch Handy und Papiere so gut wie weg, es ist Salzwasser, das überlebt kein Telefon (das Boot heute morgen hatte eine kleine Luke für die Wertsachen). Man sitzt in so einem Boot immer etwas im Wasser, und ich beglückwünsche mich zu meiner Hose. Eine Engländerin und ihre einheimische Freundin mieten gerade ebenfalls ein Boot, die Engländerin erklärt mir grob, wo es lang geht. Rechts und dann links und dann in die Kanäle. Los geht es.
Und so sieht das hier also aus.
Jet Skies und nichtautorisierte Boote sind verboten. Die Landschaft besteht aus felsartig wirkendem Gestein (oder ist es Sand?) und Bäumen.
Ganz das Umfeld ausklammern kann man natürlich nicht.
Eine Anlegestelle, garniert mit einer Kenterung. Der Mann versinkt lautlos, die Frau kreitscht, dass man es meilenweit hört. Tja, das Wasser ist halt kalt. Allerdings kann man an der Stelle stehen. Ich bin mittlerweile froh, dass ich die Mangroventour selbst organisiert habe, anscheinend besteht die geführte Tour aus ein wenig Paddeln, dann Pause am Anleger, dann wieder ein bisschen paddeln. Anfänger unter sich. Guides, denen ich begegne, grüßen nett.
Ein schneeweißer Reiher. Er sieht aus, wie ein kleiner Schwan.
Insgesamt ist die Landschaft wenig abwechslungsreich, aber die Stille ist wunderbar.
Allerdings nicht von Dauer. Denn am Ende dieses Flussarmes lärmt ein Saugbagger. Ich vermute zumindest, dass es einer ist, er gibt ein lautes Pumpen von sich. Vermutlich wird dort wieder eine künstliche Insel ausgestattet.
Ich habe die Möglichkeit, weiterzufahren und zu schauen, ob ich hinten links abbiegen kann, aber es weht plötzlich ein frischer Wind von vorne, und da ich nicht kentern will, entscheide ich mich, die Kanäle abzufahren. Ein Solarboot rauscht an mir vorbei, es sind Einheimische. Ich werde noch weitere Einheimische sehen, kein Einziger paddelt selbst. Ein Vorurteil? Die tonnenartigen Gefährte sehen aber auch bequem aus.
In dem Seitenkanal riecht es nach Seetang. Die Ufer sind seicht, ich muss aufpassen, dass ich nicht aufsetze. Leider sehe ich keine Schildkröten oder Krabben, die hier heimisch sind.
Ein weiterer Steg, als ich näher komme, räumt der Graureiher missmutig seinen Platz.
Schwärme von Fischen schwimmen mir entgegen, weichen elegant dem Boot aus, sie glitzern in leuchtenden grünblauen Farben, eine Lichtinstallation.
Ich biege rechts ab und nähere mich wieder dem Saugbagger, man erkennt es am Wind.
Also wende ich wieder und nehme den Kanal links.
Wieder der Saugbagger und die Hochhäuser. Ich werde unsicher. Etwas mehr als die Hälfte der Zeit ist schon rum, ich sollte umkehren. Zwei SUP Paddler aus Irland sind hinter mir, sie werden es versuchen. Tatsächlich werden wir ungefähr zur gleichen Zeit zurückkommen, die schönere Strecke hatte aber ich. Mein Tele fehlt mir.
Er lässt mich dagegen ganz nah herankommen.
Nach dem zehnten Foto reicht es ihm dann aber auch.
In der Nähe des ersten Anlegers stoße ich auf eine Reiherkolonie. Es sieht ein bisschen nach grau gegen weiß aus, es wird gemobbt und gezetert.
Weiß verlässt den Platz.
Ich habe nun doch noch etwas Zeit, und so wende ich mich noch einmal nach links.
Es ist kaum in Worte zu fassen, wie mir dabei das Herz aufgeht. Das Wasser leuchtet, es ist eine Farbe, die ich noch nie gesehen habe. Pures Glück. Vor mir die unendliche Weite. Freiheit. Das Meer.
Ist das schön hier.
Glücksgefühle. Das Boot schwebt voran.
Zuerst ist es nur ein kleiner Streifen, kaum zu sehen. Dann kommt er näher, und meine Kamera sieht ihn schon. Ein kleiner Sandhügel. Eine Sperre. Die Truman Show. Ich bin in der Truman Show.
Und all die Freude fällt in sich zusammen. Ich bin enttäuscht. Hier geht es nicht weiter. Und da ist auch schon wieder der Bagger oder was das auch immer für ein Teil ist.
Es ist sowieso Zeit. Ich paddele zurück.
Vor mir sind eine Engländerin und ein Italiener, sie arbeiten in Dubai, sie in einer Bank, er als Pilot. Sie sind heute zum Paddeln hierher gekommen. Ihn ziehe ich ab, aber sie kann ich nicht einholen, wir sind gleich schnell. Als sie aussteigt, trägt sie eine Neohose, sie war wohl schon öfter hier.
Als ich wieder zurückfahre, bin ich glücklich. Die Fahrt zurück verläuft schweigsam, und es stört mich nicht. Angekommen.
Einen Tag später heißt es für mich Abschied nehmen. Auf Wiedersehen, Sonne. Du wirst mir fehlen. Auf Wiedersehen schiefer Mond. Es war schön, Dir zu begegnen. Und Adieu Wüste. Es war mir eine Ehre, Dich kennengelernt zu haben, und ich hoffe, dass wir uns wiedersehen.
Könnte ich jetzt noch einmal auf Start drücken, dann würde ich diese Reise vielleicht anders angehen. Ich hätte möglicherweise ein anderes Land gewählt, oder ich hätte mir ein Auto gemietet, um mir die Landschaft anzusehen. Andererseits möchte ich die Erlebnisse und Erkenntnisse, die Menschen, die ich getroffen habe und vieles andere mehr, nicht missen. Ich war im Orient. Und es war gut, für einen kurzen Moment die europazentristische Sicht verlassen zu können und selbstverständliche Dinge mit neuen Augen zu sehen.
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