Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

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  • lina
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    #41
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Vielen Dank für diesen wundervollen Bericht und speziell für Deine Praxis-Tipps. Ich freue mich jedesmal wieder, wenn ich morgens einen weiteren Teil entdecke. Was für ein Zelt hattest Du denn auf dieser Reise dabei?

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      • 27.07.2013
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      #42
      AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

      Zitat von lina Beitrag anzeigen
      Was für ein Zelt hattest Du denn auf dieser Reise dabei?
      Sieht hier (in Metz) nach Tarptent Rainbow aus.

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      • lina
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        #43
        AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

        Ich dachte immer, das Rainbow sei (hell)grau, hier sieht es aber grün aus. Das wäre eine gute Nachricht, weil ich immer dachte, das Grau sei doch eher auffällig. Bin gespannt :-)

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          • 09.05.2006
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          #44
          AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

          Richtig erkannt! Ich hatte das Tarptent Rainbow dabei und halte es nach wie vor für das beste "Allround"-Zelt auf dem Markt. Es ist relativ preiswert (wenn man es in USA kauft), hält erstaunlich lange (bei mir über ein Jahr Dauernutzung, hat ein vernünftiges Gewicht, ist relativ windstabil und vor allem mit Trekkingstöcken auch freistehend. Letzteres ist gerade in Europa sehr von Vorteil, wenn man mal in einer Schutzhütte schlafen will, aber dennoch wegen Mücken, Kälte oder Dreck das Zelt benötigt. Und ja, es ist grün und daher absolut unauffällig.

          Ich hatte leider auf dieser Tour viele Sorgen mit dem Rainbow, denn ich hatte nicht alle Nähte abgedichtet und so tropfte mir bei heftigem Regen immer mal wieder Wasser durch die Seitennaht die Velcro-Streifen hinunter. Ich konnte das Problem unterwegs leider nicht beheben, da ich in Frankreich und Spanien kein Silnet kaufen konnte - und normales Haushalts-Silikon hat überhaupt nicht funktioniert. Bei meinem vorherigen Rainbow, das komplett abgedichtet war, ist das Problem nicht aufgetreten.
          http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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          • German Tourist
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            • 09.05.2006
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            #45
            AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

            Der Wetterbericht war eine einzige Katastrophe! Drei Tage Dauerregen mit besorgniserregend hoher Niederschlagsmenge. Glücklicherweise musste ich nur nach nach Igualada und der dortigen Pilgerherberge, aber das lag noch fast einen Tagesmarsch entfernt. Ich verließ die Pilgerherberge schon bei Tagesanbruch, der aber angesichts des bewölkten Himmels sehr düster war. Die erste Teilstrecke führt entlang eines Pilgerwegs mit zahlreichen Marienbildnissen. Danach führt der GR eigentlich recht alpin direkt am Berg entlang, aber angesichts des schlechten Wetters beschloss ich dem Pilgerweg auf der Straße zu folgen. Dennoch holte mich der Regen ein: ein Gewitter nach dem anderen ging nieder. Selbst Regenjacke und Schirm boten nur unzureichenden Schutz gegen die Wassermassen, die die Wege in kleine Flüsse verwandelten. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich nach La Pobla de Claramont, von wo aus ich mit dem Zug in wenigen Minuten nach Igualada kommen konnte. Völlig durchnässt erreichte ich den Bahnhof und zog mir erst mal trockene Klamotten an. Ich war gerade wieder angezogen, als eine Südamerikanerin auftauchte und mir den Fahrkartenautomaten erklärte. Wir kamen ins Gespräch und ich lernte sehr viel über die Probleme der südamerikanischen „Gastarbeiter“ in Spanien.

            In Igualada angekommen zeigte sie mir auch gleich noch den Weg zu Lidl, wo ich erst mal einen Großeinkauf tätigte, denn am nächsten Tag war Sonntag. Im strömenden Regen schleppte ich mich und mehrere Plastiktüten ins Zentrum von Igualada, wo ich im Intersport eine dringend benötigte Gaskartusche kaufen wollte. Ich hatte sogar extra in der Planungsphase der Wanderung in diesem Laden angerufen, um mich zu vergewissern, dass ich dort auch die richtige Sorte von Kartuschen kaufen konnte. Nur leider waren die gewünschten Ventilkartuschen jetzt nicht da. Mir sackte das Herz in die Hose. Wenn es mir nicht gelänge, eine Kartusche in Igualada zu finden, würde ich den Zug nach Barcelona nehmen müssen. Und so einen langen und kostspieligen Umweg wollte ich mir nicht leisten. Die Verkäuferin verwies mich an ein weiteres Geschäft, wo ich wieder nicht fündig wurde, aber wieder weiterverwiesen wurde. Ich irrte eine Stunde lang im Regen mit meinem schweren Gepäck durch Igualada bis ich endlich in einem weiteren Outdoorladen fündig wurde. Ich hätte die Verkäuferin küssen können.

            Nun konnte ich ruhigen Gewissens in die Pilgerherberge von Igualada. Ich holte den Schlüssel im benachbarten Altersheim ab, wo mir schon angekündigt wurde, dass noch zwei weitere Pilger in der Herberge wären. Dies bereitete mich allerdings nicht auf das Desaster vor, dass ich in der Herberge antreffen würde. Ich öffnete die Herbergstür und sofort kam mir eine dichte Qualmwolke entgegen. Die beiden „Pilger“, ein trendiges junges Pärchen, hatten wohl keine weiteren Gäste mehr erwartet und die ganze Herberge voll gequalmt – leider nicht nur mit Zigaretten, sondern mit auch in Spanien illegalen „Rauchwaren“. Dazu hatten sie wirklich jeden Heizkörper in der Herberge voll aufgedreht und das ganze Haus in eine Sauna verwandelt. Um dem Fass den Boden auszuschlagen hatten die beiden auch noch ihren riesigen Hund mit in den Schlafsaal genommen, obwohl ein großes Schild genau das verbot. Ich hatte ein derart dreistes und „unpilgermäßiges“ Verhalten noch nie in einer Herberge erlebt und war ziemlich angenervt. Glücklicherweise gab es zwei Schlafsäle, so dass ich mit den beiden nicht auch auch ein Zimmer teilen musste. Ich hoffte nur , dass die beiden am nächsten Tag abziehen würden, aber morgens verbreitete sich nur wieder ein süßlicher Rauch durch die Herberge. Erbost stellte ich die beiden zur Rede, aber sie behaupteten, nicht mehr zu rauchen. Immerhin verschwanden die beiden dann gegen Mittag zu meiner großen Erleichterung und nachdem die örtliche Putzfrau die Luxusherberge gereinigt und gelüftet hatte, fühlte ich mich dort auch sehr wohl.

            Das Wetter war einfach furchtbar, so dass ich mich vor allem auf das örtliche Museum konzentrierte. Wie ich später noch mehrfach feststellen konnte, hatte fast jeder Ort durch den ich kam, irgendeine lokale Spezialität – und ein entsprechendes Museum. Igualada war jahrhundertelang das Zentrum für Lederherstellung gewesen und noch heute finden sich zahlreiche Gerbereien hier. In einem alten Industriekomplex befindet sich jetzt das riesige Gerberei-Museum und da ich der einzige Besucher war, bekam ich eine Solo-Führung durch das weitläufige Gelände. Aber auch das hochmoderne Museum war nicht auf diesen Dauerregen eingestellt und die Führerin musste unseren Rundgang mehrfach unterbrechen, um Eimer zu holen und sie unter tropfende Stellen zu platzieren.


            Ich litt mittlerweile fast schon unter Stadt-Koller. So interessant Igualada auch war, ich hatte nun alles gesehen. Ich hätte zwar direkt mit dem Vorort-Zug nach Barcelona fahren können, aber mir stand der Sinn so überhaupt nicht nach Großstadt. Zudem war die Pilgerherberge zwar wirklich sehr luxuriös, aber mit 20 EUR pro Nacht auch nicht gerade billig. Und so brach ich nach zwei Nächten in der Pilgerherberge auf – trotz weiterhin angekündigten Dauerregens. Nach einem halben Tag wandern im strömenden Regen bereute ich meine Entscheidung, aber nun war es zu spät. Völlig durchnässt fand ich immerhin einen passablen Zeltplatz, aber dann schlug das Unglück wieder zu. Beim abendlichen Kochen fiel mein Kocher um – und damit auch mein Abendessen. Aber was ein echter thruhiker ist, der kratzt das Essen dann eben vom Waldboden auf und so gab es diese Nacht Teriaky-Nudeln mit Tannennadel-Einlage.

            Am nächsten Tag hörte dann endlich der Regen auf, aber die Wassermassen hatten erhebliche Schäden hinterlassen. Mehrfach kam ich an gesperrten Straßen vorbei, die durch Erdrutsche unpassierbar geworden waren. Mich behinderten die Regen-Nachwirkungen auf zweierlei Weise. Erst mal hatte sich der Boden in eine große Schlammparty verwandelt. Unglücklicherweise führte der GR gerade jetzt häufig an Feldrändern entlang und gefühlte 5 kg Lehm klebten an meinen Schuhen. Oft sank ich so tief in den Schlamm, dass mir der Dreck schon in die Schuhe lief. Auf Forstwegen war der Wegbelag zwar resistenter, aber es hatten sich riesige Regenpfützen gebildet. Um nicht völlig nasse Schuhe zu bekommen, quetsche ich mich dann zwischen Pfütze und Wegrandvegetation durch. Da die Büsche am Wegesrand in der Regel sehr stachelig waren (Brombeeren und dergleichen), war dies oft ein akrobatischen Unterfangen. Und leider kam es dabei auch zu einem kleinen Unglück. Ich bewahre die Landkarten für den Tag in einer Plastiktüten in der Cargo-Tasche meiner Hose auf. Beim bushwhacking war diese Tüte an einem Strauch hängengeblieben, was ich allerdings erst sehr viel später bemerkte. Und leider sind meine Karten doppelseitig bedruckt, so dass ich nicht nur die Unterlagen für den heutigen, sondern auch für weitere Tage verloren hatte. So blieb mir leider nicht viel anderes übrig, als zurück zu laufen und die Karten zu suchen. Nach 3 km Rückweg wollte ich schon fast unverrichteter Dinge wieder umkehren, als ich dann endlich die Tüte in einem Brombeerbusch hängen sah. Leider hatte mich dieser kleine Exkurs insgesamt 1,5 h gekostet. Bei nur 10 Stunden Tageslicht ein kleines Problem...


            Das Wetter war nun zwar sonnig, aber kalt und vor allem sehr windig. Als ich die Sierra de l Argentera hochgeklettert war, haute es mich oben am Kamm im wahrsten Sinne des Wortes fast um. Der Wind war so stark, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Nicht umsonst befand sich hier ein riesiger Windpark. Ich kämpfte mich voran und fragte mich ernsthaft, wie ich diese Nacht zelten sollte. Natürlich verschwanden auch jetzt gerade die Wegmarkierungen und es war aufgrund des Windes fast unmöglich, auch nur die Karte aus der Tasche zu ziehen. Ich stieg auf dem schnellstmöglichen Wege ab und kam zurück in den Wald. Hier war zwar kein Wind mehr, aber dafür hatte ich mich bald verlaufen. Nun konnte ich mich mit meinem GPS zwar nicht komplett verlaufen, aber es dauerte schon eine Weile, bis ich wieder auf einem GR gelandet war. Der Wind nahm beunruhigende Ausmaße an. Nach einer sehr unruhigen Nacht im Wald, bei der ich befürchtete, jede Minute unter einem umstürzenden Baum begraben zu werden, beschloss ich, den Wind im nächsten Ort aus zusitzen. Tivissa verfügte über einen Öko-Zeltplatz mit Herberge, wo ich mal wieder der einzige Gast war. Für 15 EUR hatte ich die ganze Herberge für mich allein – inklusive gut funktionierender Zentralheizung, was angesichts der winterlichen Temperaturen ein echtes Plus war. Die Tageshöchsttemperatur war gerade mal 4 Grad, allerdings bei strahlendem Sonnenschein. In Deutschland war es jetzt wärmer....

            http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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            • PWD
              Fuchs
              • 27.07.2013
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              #46
              AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

              Zitat von lina Beitrag anzeigen
              ...weil ich immer dachte, das Grau sei doch eher auffällig...
              OT: Findest Du? Gerade grau gilt doch als Sinnbild für Unauffälligkeit: “Als graue Maus wird ein unauffälliger Mensch... bezeichnet.... Eine unauffällige – eben als grau empfundene – Kleidung verstärkt dieses Bild der betreffenden Person oft zusätzlich....” (Wikipedia)

              @ Christine: Danke für Deine wunderbaren Reiseberichte.

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              • blitz-schlag-mann
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                • 14.07.2008
                • 4851
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                #47
                AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                Starker Bericht, da kommt Fernweh auf. Muss mal wieder den Hexenstieg “thruhiken“

                Christine, wieso hast du eigentlich einen Gaskocher verwendet? Die Jagd auf Gaskartuschen hat dich ja Zeit und Nerven gekostet...

                Viele Grüße
                Ingmar
                Viele Grüße
                Ingmar

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                • German Tourist
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                  • 09.05.2006
                  • 849
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                  • Meine Reisen

                  #48
                  AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                  @Ingmar,

                  ich verwende seit Jahren einen Snowpeak Gigapower Titanium. Während vorher bei den MSR PocketRocket nach einigen Monaten das Gewinde abgenutzt war, hält der Snowpeak schon seit Jahren durch. Ich kann es selbst kaum glauben.

                  Du hast allerdings völlig recht - gerade auf dieser Tour war die Gaskartuschensuche ein echtes Problem, mit dem ich in dieser heftigen Form nicht gerechnet hatte. Ich hatte dabei einfach unterschätzt, dass ich im Winter unterwegs war. Läden wie z.B. Decathlon (bisher immer eine sichere Quelle) stellen im Winter ihr Sortiment um - und dann gibt es eben keine Gaskartuschen mehr. Ich hatte meine Recherche leider schon im Frühjahr betrieben. Weil der Gaskartuschennachschub so wichtig ist, hatte ich die entsprechenden Läden meist sogar aus Deutschland angerufen bzw. angemailt, um sicherzugehen, dass die Kartuschen auch im Sortiment sind.
                  http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                  • AlfBerlin
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                    • 16.09.2013
                    • 5073
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                    • Meine Reisen

                    #49
                    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                    Christine schreibt hier in ihrem Blog darüber, weshalb sie Gas und nicht Spiriuts verwendet: Spiritus machte ihr Probleme bei Kälte und Wind und Gas ist schneller und effizienter. Die Probleme bei Kälte und Wind kann ich nicht nachvollziehen und in touristisch wenig erschlossenen Gebieten würde ich eher zu Spiritus raten. Aber wir wissen ja zu welch endlosen Diskussionen das führen kann. Und ich vermute mal, dass Christine ihren schönen Reisebericht davon freihalten möchte.

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                    • German Tourist
                      Dauerbesucher
                      • 09.05.2006
                      • 849
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                      • Meine Reisen

                      #50
                      AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                      Ich hätte noch Tage in Tivissa bleiben müssen, um wärmere Temperaturen und weniger Wind abzuwarten, aber der Ort war so klein, dass ich bald den „Hüttenkoller“ bekam und schon am nächsten Tag wieder aufbrach – trotz arktischer Temperaturen und heftigem Wind. Der Aufstieg aus Tivissa war wieder mal wunderschön. Die Strecke ging durch einen kleinen Naturpark und war hervorragend ausgebaut inklusive Picknickplätze und alter Einsiedelei.


                      Dann ging es hinunter ins Tal des Ebro, wo mich eine ausgesprochen positive Überraschung erwartete: Mandarinen- und Orangenplantagen! Als ich meinen ersten Mandarinenbaum sah, war ich so aus dem Häuschen, dass ich mir alle Taschen mit den süßen Früchten vollstopfte – bis ich feststellte, dass ich an Hunderten von Orangen- und Mandarinenbäumen vorbei kam. Da Früchte waren gerade teilweise erntereif und so waren viele Bauern unterwegs, genau wie ich eingehüllt und dicke Parkas, Schals und Mützen. Hier stieß ich auch auf den GR 99, den Camino del Ebro, ein Langstreckenwanderweg, der 1.200 km lang dem Lauf des Ebro folgt. Definitiv ein Projekt für die nächsten Jahre, denn Wandern im Winter mit Obstbegleitung ist so recht nach meinem Geschmack.


                      Leider währte mein Glück nicht lange, denn ich musste von fast Meeresspiegel hinauf auf 1.300 m und den Nationalpark Els Ports. Da der Wind nicht nachlassen wollte, hatte ich schon einen tiefergelegenen Umweg über den GR 171 statt den GR 7 gewählt. Laut Wetterbericht erreichten die Böen Windstärken von über 75 km/h und mir graute vor dem Zelten. Da ich jetzt durch Olivenhaine wanderte, hoffte ich, in einem alten Geräteschuppen Unterschlupf zu finden. Aber natürlich war alles abgeschlossen.... Ich zeltete im Wald und verbrachte mal wieder ein Nacht in permanenter Furcht, von einem Baum erschlagen zu werden. Ich muss gestehen, dass mir in diesen Tagen zum ersten Mal Zweifel an der Durchführbarkeit dieses Winterprojektes kamen. Es war gerade mal Mitte November und es herrschte schon winterliche Kälte. Die Temperaturen kletterten auch tagsüber nur wenig über den Gefrierpunkt und der heftige Wind war einfach arktisch. Zudem musste ich auf dem Hochplateau schon mit Schnee rechnen. Später auf der Tour würde ich noch höher aufsteigen müssen – und das dann schon im Dezember und Januar....

                      Relativ mutlos begann ich den restlichen Aufstieg auf das Hochplateau, wobei der GR wieder mal komplett umgeleitet worden war. Als ich dann endlich oben ankam, erwartete mich eine gute und zwei schlechte Nachrichten. Die gute Nachricht war, dass sich der Wind komplett gelegt hatte. Es schien sich um Fallwinde gehandelt zu haben. So weit, so gut – nur leider lag hier oben auch einiges an Schnee. Die 3-Tage-Regenperiode, die ich in Igualada erlebt hatte, war hier als Schnee runtergekommen. Und dann stieß ich auch auf ein völlig unerwartetes Problem. Durch die tiefen Temperaturen waren fast alle meine Wasserquellen eingefroren! Die Viehtränken waren mit einer mehrere Zentimeter dicken Eisschicht bedeckt, die ich erst mal aufhacken musste, um überhaupt an Wasser zu kommen.


                      Gegen 15 Uhr kam ich am Refugio Caro an. Die Hütte selbst war zwar geschlossen, aber ein Notraum war geöffnet. Nun stand ich vor der Wahl, entweder weiter zu laufen und im Schnee zu zelten oder in der Hütte zu bleiben, und bei Temperaturen um die Null Grad den Sonnenuntergang abzuwarten. Ich konnte soviel Stillstand nicht ertragen und lief weiter, wobei mir der Zufall zu Hilfe kam. Aus der Beschilderung sah ich, dass ein Track für 4 WD-Fahrzeuge in den nächsten Ort führte – parallel zum GR 7, der aufgrund des Schnees nur schwer zu begehen war. Ich war so beschwingt von dieser einfacheren Alternative, dass ich bei Vollmond eine längere Nachtwanderung einlegte, bevor ich mich zwischen Schneeresten zu einer kalten Nacht ins Zelt bettete.
                      http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                      • miufoto
                        Erfahren
                        • 02.12.2008
                        • 243
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #51
                        AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                        Als "Mitleser" Deiner Berichte und Pilger (Tarifa-Santiago Via de la Plata Feb-April 2013) will ich hier Dir einfachmal Danke für die sehr guten Berichte sagen - und Dir ein Buen Camino wünschen! Grüße von Miufoto!

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                        • German Tourist
                          Dauerbesucher
                          • 09.05.2006
                          • 849
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #52
                          AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                          Als ich aus dem Nationalpark raus wanderte, wechselte ich von dichtem Wald in offenes Weideland – und damit war ich auch das Schneeproblem los. Hier hatte die direkte Sonneneinstrahlung den Schnee schon komplett geschmolzen. Leider änderte das nichts an der doch recht schattigen Temperatur. Immer wieder kam ich an komplett zugefrorene Viehtränken. Es half auch nicht, dass der Weg jetzt ganz dramatisch durch ein trockenes Flussbett führte. Im engen felsigen Canyon war das Laufen oft auch ein Klettern und da die Sonne im Winter hier tagsüber nur wenige Minuten hereinschien, war es im Canyon unwahrscheinlich kalt. Mein Ziel war nun Morella, wo mich man zweites und letztes Nachschubpaket hoffentlich erwartete.


                          Der Weg nach Morella hätte nicht spektakulärer sein können. Ich lief am Bergrücken entlang, als plötzlich das weisse auf einem Berg gelegene Morella wie eine majestätische Fata Morgana vor mir auftauchte.


                          Und drei Stunden später war ich dann auch angekommen – genau wie mein Paket, dass ich am nächsten Tag erleichtert in Empfang nahm. Morella ist völlig zurecht eine große Touristenattraktion. Hoch auf einem Berg gelegen und mit einer Festung gekrönt ist die Altstadt noch komplett von der mittelalterlichen Stadtmauer umgeben. Nur war keine der Touristenattraktionen geheizt... Leider Gottes galt dies auch für mein Hotel, dessen Heizung gerade mal lauwarm wurde. Ich schob sogar mein Bett direkt an den Heizkörper, um nicht total zu frieren. Im übrigen war die Hotelleitung der Ansicht, dass alle Touristen tagsüber unterwegs sein sollten – und drehte von 10 – 16 Uhr die Heizung komplett ab. Ich musste mich wintermäßig aufrüsten, aber das kleine Morella verfügte natürlich nicht über ein Outdoor-Geschäft. Die freundliche Rezeptionisten schickte mich dann aber zum örtlichen Chinesen, wo ich eine weitere spanische Institution kennenlernte. Selbst kleinere spanische Städte haben neben einem Supermarkt oder Tante-Emma-Laden einen „Chinesen“ oder sogenannten Bazar, wo Billigimporte aus Asien verramscht werden. Diese Läden, die immer von Chinesen geführt werden, verkaufen so ziemlich alles von Schreibwaren über Billigtextilien bis hin zu Heimwerkerbedarf. Nur hohe Qualität darf man nicht erwarten, dafür ist es billig. Hier wurde ich auch für meine Zwecke fündig. Für je 2 EUR erstand ich einen warmen Buff und Leggings, die als lange Unterhosen herhalten mussten. Der Buff hat übrigens die ganze Tour überlebt und wird auch weiterhin im Einsatz bleiben.


                          Der Wetterbericht war weiterhin gruselig: Der strahlende Sonnenschein sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass es schweinekalt und vor allem wahnsinnig windig war. Der Wetterbericht sagte Böen bis 85 km/h voraus. Allerdings wollte ich nicht noch eine dritte Nacht in meinem unzureichend geheizten Hotel zubringen. Ich rang mich dann aber doch zu einer dritten Übernachtung in Reihe durch, allerdings im 25 km entfernt gelegenen Ares del Mestre. Die mit 25 km relativ kurze Tagesetappe würde ich schon trotz Wind irgendwie hinkriegen.

                          Zunächst musste ich allerdings noch ein handwerkliches Problem lösen. Eine meiner Trekkingstock-Spitzen hatte sich schon vor Wochen verabschiedet. Da ich in Spanien keinen Ersatz finden konnte, bin ich mit dem Plastikstumpf weitergelaufen. In meinem Nachschubpaket befanden sich nun Ersatz-Spitzen, aber zuerst musste ich die alten Spitzen runterkriegen. Ich war schon mehrfach vor diesem Problem gestanden. Mit einem Schraubstock oder zumindest einer ordentlichen Zange lassen sich die alten Spitzen ganz gut abziehen, aber als UL-Wanderin trug ich ja nun keines von beiden mit mir rum. Die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass die „Natur“-Lösung darin bestand, einen passenden Felsspalt zu finden, den Stock dort einzuklemmen und so lange zu ziehen, bis sich die alte Spitze löst. Nur: der Spalt muss exakt die richtige Grösse haben, sonst rutscht der Stock durch oder geht erst gar nicht rein. So beäugte ich auf meinem Weg jeden Felsen und verausgabte mich mit zahlreichen erfolglosen Versuchen. Endlich fand ich den perfekten Spalt! Nach zwei Minuten Ziehen und Zerren war die Spitze nun endlich ab, und da der zweite Stock auch schon am Ende war, zog ich die Spitze dann auch noch gleich ab. Die nächste Collage zeigt den perfekten Felsspalt und die Trekking-Stockspitzen und drei Stadien der Abnutzung: Ganz oben eine neue Spitze, in der Mitte eine Spitze, bei der sich die Metall-Spitze schon bald ablösen wird und ganz unten, eine Spitze im Endstadium. Ich war wochenlang auf dem Plastikstumpf gelaufen, obwohl der leider Gottes kaum mehr am Boden greift.


                          Beschwingt machte ich mich dann auf zum Endspurt nach Ares del Mestre und stiess auf eine atemberaubende Landschaft. Ares ist eine „hill top“ Stadt und die Ausblicke auf die umliegenden Canyons und die alten Terrassen war einfach großartig.


                          Kurz vor Ares stiess ich auf ein altes Waschhaus und hätte mich fast in den Hintern getreten. Hier drin hätte ich wunderbar windgeschützt gut übernachten können, aber nun hatte ich schon im Hotel in Ares ein Zimmer reserviert. Ich wollte nicht so kurzfristig absagen und wanderte weiter nach Ares, was ich nicht bereuen sollte. Das Hotel war das schönste auf meiner ganzen Wanderung und die beiden Besitzerinnen gaben sich alle Mühe um mich als einzigen Gast. Ich erhielt ein großartiges dreigängiges Abendessen mit dem besten Eintopf (Potaje), den ich je in Spanien gegessen habe. Und im schick designten Badezimmer konnte ich mich mit einem heissen Bad gründlich aufwärmen. Der ganze Spass, also Übernachtung im Designer-Zimmer inkl. 3-Gang-Abendessen kostete mich gerade mal 30 EUR.... Als es dann abends anfing, zu schneien und ich in meinem gut geheizten Luxuszimmer sass, freute ich mich dann doch über meine Hotelentscheidung.

                          Fazit: Die Gegend um Morella und Ares del Mestre ist landschaftlich einfach atemberaubend schön. Auch die „Hill top“ Städte sind echte Highlights. Dieser Abschnitt war einer der schönsten der ganzen Wanderung.

                          http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                          • blitz-schlag-mann
                            Alter Hase
                            • 14.07.2008
                            • 4851
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                            #53
                            AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                            Viele Grüße
                            Ingmar

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                            • German Tourist
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                              • 09.05.2006
                              • 849
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                              #54
                              AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                              Ich verließ Ares frühmorgens bei 0 Grad und leichtem Schneetreiben. (Keine Sorge – das Gejammere über kalte Temperaturen hört bald auf, den das Wetter bessert sich bald...). Schon bald stellte ich voller Verwunderung fest, dass am Wegesrand mehrere verfaulende Orangen herumlagen. Dies war in sofern verwunderlich, als es hier viel zu hoch (und zu kalt) war für Orangenbäume. Die Orangen konnten also hier nicht vom Baum gefallen sein. Und das Wanderer sie verloren hatten, erschien mir auch unwahrscheinlich. Woher kamen also die Orangen? Ich kam bald auf des Rätsels Lösung: Die Orangen wurden hier an Schafe verfüttert! Ein Anblick, den noch mehrere Male auf meiner Wanderung haben sollte. Es ist mir zwar schleierhaft, wie die Schafe die Schale verdauen (schälen können sie die Orangen ja wohl eher nicht....), aber die Zitrusfrüchte scheinen ihnen zu schmecken.


                              Wenig später stiess ich wieder mal auf einen verfallenen Bauernhof direkt oben auf dem Bergkamm. Menschliche Ansiedelungen gibt es in der Regel nur dort, wo es auch Wasser gibt. Aber wo sollte hier oben Wasser sein? Ich fragte mich dies schon aus Eigeninteresse, denn mir ging gerade mein Wasservorrat aus. Ich erforschte das verfallene Bauernhaus etwas näher und stieß prompt auch auf eine alte, aber wohl noch genutzte Zisterne. Mit einem Seil konnte man einen aufgeschnittenen Plastikcontainer mit Wasser raufholen. Das Wasser sah erstaunlich klar aus – ich behandelte es trotzdem, denn wer weiss, was dort seit Monaten in der Zisterne herumschwimmt. Leider war diese Wassersuchaktion völlig unnötig gewesen, denn 20 Minuten später stieß ich im Tal auf eine wunderbare Quelle....

                              Während des Abstiegs traf ich dann tatsächlich mal auf andere Wanderer. Dies war echt bemerkenswert, denn ich konnte mich schon gar nicht mehr erinnern, vor wie vielen Wochen ich die letzten Wanderer getroffen hatte... Wandern in Spanien im Winter ist eine einsame Angelegenheit. Wir kamen sogleich ins Gespräch und ich stellte fest, dass die beiden aus Montanejos kamen, meinem nächsten Verpflegungsstop. Leider bestätigten sie auch, was ich schon befürchtet hatte: Der dortige Supermarkt schloss natürlich über Mittag und öffnete erst abends um 17.30 Uhr wieder. Anfang Dezember wird es um diese Zeit schon dunkel. Dann stellte sich aber noch heraus, dass die beiden eine Art Herberge betrieben, wo man für 15 EUR übernachten konnte. Sie gaben mir ihre Telefonnummer und so war ich nun für alle Eventualitäten gerüstet. Ich musste nun dringend weiter, denn auch jetzt würde es bald dunkel werden und ich musste ja mal wieder eine Mesa runter und dann wieder rauf....

                              Ich musste tatsächlich noch ein bisschen Nachtwandern, denn als ich endlich die nächste Mesa raufgekommen war, war mal wieder alles eingezäunt. Merke: Zelte nie auf Viehweiden, wenn Du nicht weisst, was sich darauf befindet. Aber natürlich fand ich aucch bald ein Plätzchen ohne Zaun – sogar mit traumhaft weichem Nadelbaumboden. Überhaupt blieb die Landschaft wunderschön. Vor allem die vielen Terrassen hatten es mir angetan, denn die waren geradezu ideal für Wildzelter. Ich wanderte mittlerweile bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein – was leider immer noch zu sehr schattigen Nachttemperaturen führte. So gut wie jede Wasserquelle war ein- oder zumindest überfroren.


                              Aber nicht nur die Landschaft war großartig – auch die kleinen Städte waren wunderschön, wie z.B. der nächste Ort mit dem passenden Namen Vistabella. Ich wanderte gerade durch den Ort auf der Suche nach dem typischen öffentlichen Brunnen, als ein Auto neben mir hielt und zwei jungen Burschen mich auf Englisch fragten, ob sie mich mitnehmen sollten. Ich war baff! Es handelte sich um spanische Wanderer, die eine Tagestour planten und mich natürlich sofort am Rucksack als ihresgleichen erkannt hatten. Da Spanierinnen ganz offensichtlich nicht im Winter in so abgeranztem Outfit rumliefen, hatten sie mich als Ausländerin identifiziert und auf Englisch angesprochen. So verlockend das Angebot auch war, meine persönliche Ethik verbot es mir, Strecken per Auto zu fahren. Nachdem ich im letzten Jahr eine schon mal früher gewanderte Teilstrecke aus Zeitgründen überspringen musste, wollte ich zumindest auf dieser Tour wirklich die ganze Strecke am Stück laufen – connecting foot steps. Ich bin da halt ein Purist. Ich lehnte das Angebot also freundlich ab, setzte mich zum Mittagessen in die Sonne und genoss den Anblick von Vistabella, im wahrsten Sinne des Wortes ein schöner Blick.

                              http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                              • Werner Hohn
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                                • 05.08.2005
                                • 10870
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                                #55
                                AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
                                ... Schon bald stellte ich voller Verwunderung fest, dass am Wegesrand mehrere verfaulende Orangen herumlagen. Dies war in sofern verwunderlich, als es hier viel zu hoch (und zu kalt) war für Orangenbäume. Die Orangen konnten also hier nicht vom Baum gefallen sein. Und das Wanderer sie verloren hatten, erschien mir auch unwahrscheinlich. Woher kamen also die Orangen? Ich kam bald auf des Rätsels Lösung: Die Orangen wurden hier an Schafe verfüttert! Ein Anblick, den noch mehrere Male auf meiner Wanderung haben sollte. Es ist mir zwar schleierhaft, wie die Schafe die Schale verdauen (schälen können sie die Orangen ja wohl eher nicht....), aber die Zitrusfrüchte scheinen ihnen zu schmecken.
                                Die Vorstufe zu Lamm in Orangensoße?
                                .

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                                • German Tourist
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                                  • 09.05.2006
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                                  #56
                                  AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                  Werner, Du hast den Nagel mal wieder auf den Kopf getroffen....
                                  http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                  • German Tourist
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                                    • 09.05.2006
                                    • 849
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                                    #57
                                    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                    Auf dem nächsten Abschnitt um San Juan de Penyagolosa erwarteten mich einige skurille Begegnungen. Zunächst einmal verschwanden wieder mal die Markierungen und ich schlug mich auf einer self made Route mit meinem GPS in Richtung der alten Einsiedelei durch. Ich kämpfte mich gerade auf aufgegebenen Terrassen eine Berghang hinunter, als ich plötzlich einem mittelalterlichen Mann in Trainingsanzug und Hund gegenüber stand – was uns wohl beide sehr verdutzte. Immerhin konnte mir der freundliche Herr mit ausgezeichneten Weginformationen weiterhilfen. Ich wollte mich gerade verabschieden, als er mich fragte: „Wundert es Dich denn gar nicht, was ich hier mache?“. Das wunderte mich in der Tat schon – und seine Frage noch viel mehr. ich hoffte nur, dass er sich jetzt nicht als Exhibitionist oder dergleichen zu erkennen geben würde.... Meine Sorge war allerdings völlig unbegründet. Der freundliche Herr sammelte Trüffel! Meine Neugier war natürlich sofort geweckt, zumal mir überhaupt nicht klar war, dass in Spanien Trüffel wachsen. Und so erfuhr ich nun, dass jetzt gerade Saisonbeginn war, denn die Trüffel brauchen zum Reifen Bodenfrost. Ich hatte bisher auch geglaubt, dass mein zur Trüffelsuche Schweine verwendete, wurde aber auch hier eines besseren belehrt. Schweine wären zu langsam unterwegs, daher wurden Hunde zur Trüffelsuche abgerichtet. Am meisten erstaunt war ich allerdings über die Preise, die der arbeitslose Mann mit den Trüffeln erzielte. Am Saisonbeginn zahlte man im 300 EUR/kg, in der winterlichen Hochsaison bis zu 900 EUR/kg! Es wunderte mich dann also überhaupt nicht mehr, als ich später noch andere ältere Herren mit Hunden durch die Gegend streifen sah.



                                    San Juan ist mittlerweile ein beliebter Ausflugsort mit Grillplatz und sogar einer (im Winter geschlossenen) Herberge. Dafür hatte sich im Picknickraum ein Obdachloser häuslich niedergelassen. Aber für mich war es eh noch zu früh zum Zelten und so zog ich weiter. Der Abstieg nach Villahermosa del Rio entlang einer engen Schlucht war mal wieder ein echtes Highlight und ich bestaunte die vielen verlassenen Höfe entlang des Weges. Wie sich herausstellen sollte, waren die allerdings gar nicht so verlassen. Es wurde gerade dunkel und ich war mal wieder auf Campingplatzsuche, als mir urplötzlich wieder Mann im letzten Sonnenlicht den Berg herauf entgegenkam. Es war schon so spät, dass ein Wanderer um diese Uhrzeit wohl auch auf Zeltplatzsuche sein musste – nur hatte ich auf der ganzen Tour noch keinen einzigen Langstreckenwanderer getroffen. Des Rätsel löste sich bald, Der Mann (wieder mal arbeitslos) wohnte in einem der verfallenen Höfe und kam gerade von einem Einkaufstrip aus Villahermosa zurück. Einkaufen bedeutete für ihn 2 Stunden zu Fuß hin und knapp 3 Stunden den Berg hinauf mit den Vorräten im Rucksack zurück....

                                    Ich fand dann auch noch ein passables Plätzchen unter einem Olivenbaum für mein Zelt. Leider etwas nah am Weg, aber hier würde ja nachts sowieso keiner vorbeikommen. Weit gefehlt! Ich war gerade um 6 Uhr morgens am Aufwachen, als ich plötzlich den Schein einer Taschenlampe wahrnahm und wenig später marschierte jemand auf dem Weg an mir vorbei – zwei Stunden vor Sonnenaufgang. Naja, scheint wohl eine beliebte Gegend zu sein....

                                    Villahermosa war mal wieder eine von diesen wunderschönen „hilltop“-Städten, was sich auch schon im Namen verbirgt. Für mich hieß es natürlich wieder mal eine Mesa runter und dann wieder eine Mesa rauf. Und dann fing es tatsächlich mal an zu regnen – naja, regnen ist zu viel gesagt. Es tröpfelte ein wenig und da kam mal wieder eine alte Einsiedelei mit Picknickplatz genau recht für eine frühe Mittagspause. Ich wollte gerade wieder einpacken, als ein Auto vorfuhr und eine Art Bauarbeiter ausstieg. Er war von der Gemeindeverwaltung geschickt worden, um nach dem rechten zu sehen. Er war so erstaunt und erfreut, eine alleinwandernde Frau noch dazu aus Deutschland anzutreffen, dass er mich gleich küssen wollte. Als ich mich davon aber nicht ganz so begeistert zeigte, zog er sogleich ab. Ich musste jetzt auch ordentlich Gas geben, denn ich wollte noch nach Montanejos zum Einkaufen.



                                    Montanejos war wieder mal für eine Überraschung gut. Ich wusste zwar, dass es sich um eine Art Kurort handelte, war aber doch sehr erstaunt, als ich feststellen musste, dass die heissen Quellen einen ganzen Fluss in ein warmes Badevergnügen verwandelten. Ich stand mindestens 10 Minuten am „lauwarmen“ Fluss und überlegte, ob ich mich jetzt hinbegeben sollte oder lieber nicht, Ich hätte ein warmes Bad schon gut gebrauchen können und das Wasser war wirklich angenehm temperiert, aber draußen hatte es nur knapp über 0 Grad und ich hatte kein Handtuch. Ich liess das Baden im surreal türkisem Wasser bleiben und suchte stattdessen den Supermarkt, der wie angekündigt im 17.30 Uhr öffnen würde. Ich hatte noch eine halbe Stunde und suchte schon mal den Wanderweg aus Montanejos heraus, denn den würde ich nach dem Einkaufen im Dunkeln laufen müssen. Alles klappte nach Plan: Ich kaufte ein, fand den Einstieg in den GR 7 und stieg im Dunkeln noch hinauf auf das nächste Plateau, wo ich auf einer alten Terrasse mal wieder einen schönen Zeltplatz fand. Und am nächsten Morgen wurde ich dann auch noch mit einem traumhaften Sonnenaufgang über der Schlucht belohnt.


                                    Fazit: Montanejos ist ein toller Ort für Wanderausflüge. Wegen der heissen Quellen, in denen man kostenlos auch baden kann, gibt es jede Menge auch sehr preiswerter Unterkünfte. Die Gegend ist sehr beliebt bei Outdoor-Sportlern aller Art und daher auch sehr gut mit Wegen erschlossen. Und die Landschaft ist traumhaft schön.
                                    http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                    • Julia
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                                      • 08.01.2004
                                      • 1384

                                      • Meine Reisen

                                      #58
                                      AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

                                      Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
                                      Und die Landschaft ist traumhaft schön.
                                      Das ist Dein Bericht auch!

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                                      • German Tourist
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                                        • 09.05.2006
                                        • 849
                                        • Privat

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                                        #59
                                        Abenteuerwandern Teil 1

                                        Ich hatte ja schon über Abenteuer- Camping geschrieben, aber der nächste Wegabschnitt kann gut unter Abenteuer-Wandern stehen. Nur zur Erinnerung: Ich befinde mich gerade auf dem GR 7, der durch Spanien hindurch dem Europäischen Fernwanderweg E 4 entspricht. Also nicht irgendein popeliger Lokalwanderweg, nein, ein mit EU-Mitteln geförderter Langstreckenweg. Das hindert die spanische Regierung allerdings nicht daran, den Weg streckenweise total herunterkommen zu lassen....

                                        Nach der wunderschönen Strecke aus Montanejos heraus war ich eigentlich sehr beschwingt und wollte gut Strecke machen – bis ich mich plötzlich auf einem Kamm wiederfand, und so überhaupt nicht weiterwusste. Laut Karte und GPS sollte der Weg nun den relativ steilen Berghang hinuntergehen, aber ich konnte weit und breit keinen Weg erkennen. Der Hang war wohl vor einigen Jahren komplett abgebrannt und sollte nun wieder aufgeforstet werden – momentan sah man allerdings nur stacheliges Gestrüpp. Und genau dadurch führte nun „der Weg“, wie mir ein Steinmännchen und ein Marker je 500 m anzeigte. (siehe Collage Bild unten rechts). Ich konnte es kaum glauben als ich mich durch das Gestrüpp kämpfte. Ohne lange Hosen wäre ich hier aufgeschmissen gewesen. Der steile Pfad war fast komplett mit Brombeersträuchern zugewuchert und dazu kämpfte ich auch noch mit dem Gleichgewicht. Ich fluchte ohne Ende bis ich nach einer Stunde Nahkampf mit den Brombeersträuchern endlich wieder auf einer Forststrasse ankam.

                                        Aber wie das Graffitti auf einem aufgegebenen Bahnhof an der Wanderstrecke schon sagt: „La Lucha continua“ - der Kampf geht weiter. In Bejis führte der Weg gut ausgeschildert von der Strasse weg den Hang hinauf Richtung Stadt. 10 Minuten später stand ich dann wieder mal auf einem Steilhang inmitten von Brombeersträuchern. (siehe Collage Bild oben links). Was auf dem Photo wie undurchdringliches Gestrüpp aussschaut, ist der offizielle GR 7 und E 4. Ich hatte mich so heftig in den Büschen verfangen, dass ich am Ende weder vorwärts noch rückwärts kam und mich unter Opferung meiner Hosen, die das ganze nicht unbeschadet überstanden, dann steil den Hang hochkämpfte. Für 500 m hatte ich fast eine Stunde gebraucht. Ich war nun gründlich bedient vom verwahrlosten GR 7 und lief vorläufig auf der Strasse, um mich etwas zu erholen. Die malerischen Bergdörfer konnte ich auch so geniessen.



                                        Die nächste Katastrophe liess auch nicht lange auf sich warten. Schon aus der Ferne ich einen großen Windpark. Das heisst in der Regel, dass beim Bau des Windparks alle GR-Markierungen verschwunden sind und/oder der Weg umgeleitet wird. Natürlich näherte sich der Sonnenuntergang und ich brauchte auch noch einen Platz zum Zelten. Wie schon befürchtet wich der GR 7 bald von meinem gpx track ab und schlug sich querfeldein den Berg hoch – immerhin noch leidlich markiert. Oben auf dem Kamm führte er an Dutzenden von Windturbinen vorbei. Mal abgesehen davon, dass es sich neben den lauten Windturbinen nicht gut zeltet lagen hier auch noch jede Menge Plastikteile herum, die wohl von den Rotorblättern abgefallen waren. Nicht gerade vertrauenserweckend... Ich lief also immer weiter in die Dunkelheit hinein. Natürlich gab es jetzt überhaupt keine Wegmarkierungen mehr und leider auch keine Zeltmöglichkeit. Das Gelände war zu steil und zu überwachsen. Ich war kurz davor, zu verzweifeln. Meine Karte zeigte eine alte Siedlung in der Nähe. Siedlung heisst immer Landwirtschaft und das wiederum heisst Terrassen. Ich sollte recht behalten. In der Nähe der verfallenen Häuser befanden sich ein paar überwucherte Terrassen, auf denen ich mir einen Zeltplatz freimachen konnte. Ich bemerkte erst zu spät, dass ich in Sichtweite der Zentrale des Windparks zeltete. Die ganze Nacht fuhren Wachschutz-Autos auf ihrem Patrolliengang vorbei. Jedesmal gingen in der Zentrale alle Lichter an und das große Tor wurde geöffnet. Bald aber gewöhnte ich mich an das Spektakel. Ich war so gut versteckt, dass mich hier sowieso niemand entdecken würde. Als dann in der Nacht noch Wind aufkam, war ich froh nicht neben einer Turbine zu zelten. Obwohl sich die Rotoren mehrere Hundert Meter entfernt oben am Kamm befanden, hielt mich ihr Quietschen eine ganze Weile wach – bis ich mir Ohrenstöpsel reinschob und endlich erschöpft einschlief.

                                        Nächster Stopp war Chelva, wo ich im Hotel schon ein Zimmer reserviert hatte. Nur leider schien dabei irgendwas schief gegangen zu sein, denn der Hotelbesitzer hatte mich erst am nächsten Tag erwartet. Das alles machte aber nichts, denn ich war wieder mal der einzige Gast im Hotel und hatte freie Zimmerauswahl. Bei gut funktionierender Heizung und Wlan liess es sich gut aushalten. Chelva hatte nicht gerade viel touristische Sehenswürdigkeiten, war aber eine ganz nette spanische Kleinstadt. Immerhin konnte ich mich so gut erholen... für Abenteuerwandern Teil 2.

                                        Zuletzt geändert von German Tourist; 20.03.2014, 12:50.
                                        http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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                                          Abenteuerwandern Teil 2

                                          Obwohl in Chelva nicht viel los war, konnte ich dank des exzellenten Wifi sehr viel Organisatorisches erledigen. Ich habe ja seit Jahren keine Wohnung mehr in Deutschland und muss bei meinen Kurzaufenthalten in der Heimat ein WG-Zimmer mieten. Diesmal hatte ich aber mehr Glück gehabt: Ich hatte zufällig herausgefunden, dass Bekannte einen längeren Auslandsaufenthalt planten und ihre Wohnung leer stehen würde. Nach einigen Skype-Telefonaten waren wir uns dann einig geworden, dass sie mir die Wohnung ab Anfang Februar untervermieten würden. Damit war mir ein Riesen-Stein vom Herzen gefallen. Bis Anfang Februar hatte ich noch mehr als genug Zeit und konnte daher meine Wanderung etwas verlangsamen, um nicht zu früh fertig zu werden. Ausserdem konnte ich bereits jetzt einen günstigen Rückflug buchen und weitere Details meiner Rückkehr planen.

                                          Sehr beschwingt machte ich mich also wieder auf den Weg – und sogar das Wetter zeigte sich mal von der besten Seite. Wie üblich ging es eine Mesa runter und dann gleich wieder eine andere Mesa rauf – nur dass in diesem Abschnitt zwischen den Mesas wunderschöne Flusstäler gelegen waren, allen voran das Tal des Turia. In diesem engen Tal schien kaum die Sonne herein, was zu einem interessanten Mikroklima führte. Hier waren mehrere seltene Planzenarten angesiedelt und es gab sogar einen für spanische Verhältnisse ungewöhnlichen Wasserfall. Wieder oben auf der Mesa stiess ich dann sogar auf eines der seltenen Refugios – aber natürlich zur völlig falschen Zeit, denn es war viel zu früh, um dort zu übernachten.



                                          Nun näherte ich mich leider auch einem seit langem befürchteten Hindernis. Sowohl John Hayes als auch azaun hier aus dem Forum, die beide den GR 7 schon mal gewandert waren, hatten mich vor einem umzäunten privaten Jagdgebiet gewarnt. Beide waren nur auf abenteuerliche Weise durch bzw. außen herum gekommen. Nach den Beschreibungen der beiden hatte ich das Hindernis noch nicht so früh erwartet, aber eines schönen Abends stand ich plötzlich vor einem 2 Meter hohen Metallgitterzaun. Die Wegmarkierungen waren eindeutig: Der GR 7 sollte hier lang gehen – nur leider versperrte der Zaun den Weg und war auch noch mit unmissverständlichen Warnschildern versehen. Da es schon bald dunkel wurde, beschloss ich erst mal noch auf legalem Grund und Boden zu zelten. Ich schlief sehr schlecht in dieser Nacht, denn ich ahnte schon, dass dieser Abschnitt nicht einfach werden würde.

                                          Am nächsten Morgen beging ich gleich einen großen Fehler. Anstatt einfach das Zauntor zu erklimmen und auf dem markierten Weg weiterzulaufen, hoffte ich, den Zaun legal umgehen zu können. Ich lief also ein Stück zurück, nahm einen Seitenpfad und stieg ins Tal ab. Ständig stieß ich dabei auf alte GR 7 Markierungen. Allerdings zerplatzten meine Hoffnung sehr bald – denn ich stand bald schon wieder vor dem Zaun mit Warnschildern, der zu allem Unglück hier auch noch schwieriger zu überklettern war. Verzweifelt versuchte ich mein Glück direkt am Fluss. Ich hoffte, dass der Fluss die Grundstücksgrenze wäre und ich so daran vorbei kommen würde. Diese These brachte mir allerdings nur komplett nasse Füße und eine zerrissene Hose ein. Der Zaun sperrte auch den Fluss komplett ab. Ich war mittlerweile den Tränen nahe. Verzweifelt versuchte ich den Zaun zu überklettern, doch der war 2 Meter hoch und bestand aus Metalldraht. Ich hatte zu viel Angst, dass der Zaun mein Gewicht nicht halten würde und ich mich bei einem Sturz ernsthaft verletzen könnte. Mittlerweile hätte ich mich in den Hintern treten können, dass ich nicht das erste Tor überstiegen hatte, aber 3 km den Berg hoch zurücklaufen wollte ich jetzt auch nicht mehr. Vor allem: Selbst wenn ich einmal in dem Jagdgelände drin wäre, wie würde ich wieder raus kommen?

                                          Ich wanderte den Zaun entlang und hoffte eine bessere Stelle zu finden, aber der Zaun war immer 2 Meter hoch aus demselben Metalldraht. Und damit die Wildtiere nicht unter dem Zaun durchkriechen konnte, war der Maschendraht auch noch professionell umgebogen und schloss den Zaun nach unten kompett ab. Endlich erblickte ich eine vage Chance: Der Zaun hatte an einer Stelle ein Loch, das durch Äste und Steine repariert worden war. Ich beseitigte die Äste, bog die Maschendrahtränder auseinander und schob die großen Steine zur Seite: Jetzt ergab sich eine kleine Kuhle unter dem Zaun. Ich hatte erhebliche Zweifel, ob ich mit meiner nicht gerade zierlichen Statur darunter durchpassen würde, aber es klappte! Mit nur einer blutenden Schramme am Handrücken stand ich endich auf der anderen Zaunseite und schob meinen Rucksack hinterher.

                                          Ich befand mich nun in einer Art Hochsicherheitstrakt für Wildtiere. Überall gepflegte Wege und Jagdunterstände. Das ganze Geläne widerte mich ziemlich an, denn alles war so ausgerichtet, dass zahlende Gäste möglichst bequem und komfortabel die Tiere abschießen konnten. Hoffentlich nur die Tiere und nicht auch mich! Glücklicherweise traf ich an einem Werktagvormittag auf niemanden und langte nach ca. einer Stunde am anderen Ende des Zaunes an, der an eine öffentliche Strasse grenzte. Ich hatte die Freiheit schon im Blick, aber leider war immer noch dieser Zaun im Weg – und leider gab es hier auch kein Tor. Ich wanderte am Zaun entlang zu einer Art Haupteingang des Geländes, wo ich wie erhofft auch schon ein großes Tor erblickte. Ich schlich noch durch das Gebüsch, als sich ein Auto näherte, der Fahrer ausstieg und das Tor öffnete. Überrascht überlegte ich, was ich jetzt tun sollte. Wenn ich aus den Büschen sprang, würde ich einfach durch das geöffnete Tor gehen können, aber ich lief auch Gefahr, dass der Fahrer mir Ärger wegen unbefugten Betretens machen könnte. Mir war völlig unklar, in welcher gesetzlichen Lage ich mich befand. Verschreckt versteckte ich mich weiter in den Büschen, bis der Fahrer auf dem Gelände verschwunden war.

                                          Als ich dann das Tor inspizierte, bereute ich meine Entscheidung sogleich. Das Tor war 2,50 hoch und mit Metallspitzen bekrönt – es war mir ein Rätsel, wie ich da drüber kommen sollte. Ich stellte mich schon auf eine längere Wartezeit bis zu einem weiteren Besucher ein, als ich bei näherem Hinsehen doch noch eine Möglichkeit entdeckte, das Tor halbwegs sicher zu überklettern. Die Spitzen waren zwar bedrohlich, aber so weit auseinander, dass ich wohl dazwischen durch passte. Und es gab auch eine Querstrebe, auf die ich mich stellen konnte – wenn die Strebe denn stabil genug war. Gesagt, getan! Wenige Minuten später stand ich zitternd vor Angst auf der Seite der Freiheit. Ich wollte gerade aufatmen und mich um meine Mittagessen kümmern, als ich auf der anderen Strassenseite genau denselben hohen Jagdzaun noch einmal sah. Ich sank fast in die Knie vor Verzweiflung. Dasselbe Theater also noch einmal? Immerhin wurde mir jetzt klar, warum ich das Jagdgebiet an anderer Stelle vermutet hatte. John Hayes und azaun waren in die andere Richtung gelaufen und daher zuerst an das jetzt noch vor mir liegende Jagdgebiet gestoßen. Da John Hayes etwas von Drehtüren geschrieben hatte, schöpfte ich wieder Mut. Und in der Tat: Auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte ich schmale Drehtüren erkennen, die in das Gelände führten. Dicke Schilder warnten vor den Gefahren des Betretens durch große Wildtiere. Dies konnte mich nicht abschrecken – vielmehr fragte ich mich, wie ich dort wieder rauskommen sollte. Ich beschloss, nicht auf den GR 7 zurückzugehen, sondern auf dem direktsten Wege in die nächste Stadt zu laufen. Und diesmal hatte ich mit meiner Entscheidung Glück: Schon nach weniger als einer Stunde stand ich vor einem weiteren Drehtor, dass mich wieder in die Freiheit entließ und bald danach stieß ich dann auch wieder auf die Markierungen des GR 7.



                                          Die ganze Sache hat mich maßlos geärgert. Als ich einige Tage später einen Ranger traf, sprach ich ihn auf dieses „Sperrgebiet“ an. Er berichtete mir, dass dieses Jagdgelände seit mehreren Jahren ein Thema in der Presse ist. Dieses Jagdgelände schneidet nicht nur den GR 7 komplett ab, sondern verwehrt auch der örtlichen Bevölkerung die Durchfahrt zu ihren Grundstücken. Rein rechtlich gesehen müsste der Besitzer der Öffentlichkeit ein Wegerecht einräumen – aber seit drei Jahren geschieht nichts. Weder die Provinzregierung noch die örtlichen Behörden haben es geschafft oder haben auch nur den Willen, eine Lösung zu finden. Ich war nun noch mehr erbost: Der GR 7 wurde mit EU-Mitteln gefördert und nun blockiert ein Privatunternehmer so einfach den Weg, ohne dass irgendjemand etwas dagegen unternimmt. Es war ja nicht mal eine Umleitung ausgeschildert, geschweige denn eine Durchgangsmöglichkeit geschaffen.

                                          Leider war das auch noch nicht das Ende meiner Wanderabenteuer auf diesem Abschnitt: Nachdem es mal wieder zwei „rauf auf eine Mesa – runter von der Mesa“ gegeben hatte, stand ich nach einem nebligen Morgen schon wieder vor dem nächsten Problem:



                                          Der Weg musste nun runter vom Plateau zum Stausee von Cortes de Pallas, aber leider war der Weg mal wieder nicht da, wo er sein sollte. Der Weg laut gpx track existierte nicht bzw. nicht mehr. Nach einigem Herumsuchen fand ich in der Nähe zwar Markierungen, die aber vor einem Felsvorsprung endeten. Logischerweise müsste der Weg jetzt in der darunter liegenden Schlucht talwärts führen, aber mir war rätselhaft, wie ich dort runterkommen sollte. Ich suchte hin und her, konnte aber beim besten Willen keinen Weg erkennen. Mir wurde es nun zu blöd und ich ließ vorsichtig meinen Rucksack herunter und kletterte und sprang hinterher. Wenig später wurde ich dann auch wieder mit Wegmarkierungen belohnt. Der Weg war nun zwar wunderbar markiert, aber leider seit Jahren nicht mehr gepflegt worden. Ich kämpfte mich mal wieder durch Gestrüpp, was durch das steile Gelände nicht besser wurde. Als ich dann endlich nach Stunden auf der Straße ankam, war ich total erleichtert, obwohl mir nun mehrere Stunden Asphalt bevorstanden. Ich musste jetzt ordentlich Gas geben, denn ich musste noch vor der Mittagspause im kleinen Laden von Cortes de Pallas ankommen.

                                          Ich war daher höchst erfreut, als endlich der beeindruckende Stausee von Cortes de Pallas in Sicht kam. Zum Stausee gehört ein Wasserkraftwerk, was zu einem erheblichen Bevölkerungszuwachs führte. Überall in Cortes werden Monteurszimmer angeboten und ich sah Dutzende von Bauarbeitern und Handwerkern herumlaufen. Ich schaffte es auch noch gerade rechtzeitig vor Ladenschluss anzukommen und nahm mein Mittagessen in der Sonne auf dem Hauptplatz von Cortes de Pallas ein.

                                          Zuletzt geändert von German Tourist; 22.03.2014, 12:41. Grund: Bilder eingefügt
                                          http://christinethuermer.de/ 53.000 zu Fuß, 30.000 km per Fahrrad, 6.500 km im Boot

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