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18. Januar 2014
"V pokoji neni letiste", sagte die Wirtin im Motorest Albrechtice, "im Zimmer ist kein 'Flugplatz'". Ich blickte sie verständnislos an, Frau November auch. Sie erläuterte: "In dem Zimmer stehen nur zwei separate Betten, kein Doppelbett. Wenn das ok für Sie ist?" In diesem Moment glaubte ich, ein leichtes Zwinkern in ihren Augen erkennen zu können.
Es war ok. Wir waren gut 23km von Zittau in das verschlafene Nest an der Fernstraße I. Klasse Nr. 13 gelaufen und auch die schwächelnde Januarsonne war auf dem Weg, sich zur Ruhe zu legen.
Doch was hatte uns hierher getrieben? Als ich 2010 in das spätere Langzeitprojekt "Grenzlandtour" hineinstolperte, hatte ich das Nachdenken vernachlässigt und erst einige Kilometer hinter dem Dreiländereck PL-CZ-DE bei Zittau eingesetzt, obwohl das eigentlich der logische Startpunkt gewesen wäre. Hier beginnt die sächsisch-/schlesisch-böhmische Grenze, und hier bekommt zugleich die Wasserscheide zwischen Elbe und Oder markante Konturen. Erst Ende 2013 - da waren wir schon bis hinter die Hohe Tatra vorgedrungen - fiel das Fehlen der logischen Anfangs auf.
Schwer verwechselbar: Der Bahnhof in Zittau.
Mitte Januar 2014 brachte uns also der Regionalexpress nach Zittau. Wir ließen das ohnehin unerreichbar auf einer Insel in der Neiße liegende Dreiländereck links - eigentlich rechts - liegen und liefen durch den Stadtpark zum Grenzübergang ins polnische Sieniawka. Zielstrebig folgten wir einem Feldweg Richtung Kopaczow. Doch was war da zu sehen? "Wo Rauch ist, ist auch Feuer" - und hinter eine Wegbiegung stieg dichter schwarzer Qualm empor. Wie sich herausstellte, hatte jemand Kunststoffteile eines zerlegten (gestohlenen?) Autos angezündet. Bis heute (2020) tut man Polen nicht wirklich Unrecht, wenn man ihm nachsagt, dass dort "Umwelt" der Ort ist, wo man Müll hinkippt.
Feuerteufelei bei Sieniawka
Der Braunkohletagebau Turoszow/Türchau und das zugehörige Kraftwerk. Auf der deutschen Seite der Grenze ist der Braunkohleabbau schon Anfang der neunziger Jahre eingestellt worden.
Unverkennbar im Hintergrund: Der Jeschken/Jested.
Rote Glibberbeeren.
"Kopaczow" klingt für slawisch vorgebildete Ohren nicht nur wie ein Ort, wo der Hund begraben ist, sondern erfüllt auch dieses Klischee. Es ist nämlich seit 1849 ein geteiltes Dorf. Das früher böhmische Ullersdorf ist heute das tschechische Oldrichov na Hranicich, während das sächsische Oberullersdorf heute Kopaczow heißt. Die Grenzlinie stellt der Ullersbach dar. Bis heute sind die Dorfstraßen der beiden Ortshälften baulich getrennt - trotz Schengen-Abkommen.
In Uhelna - eine wortgetreue Übersetzung des alten deutschen Ortsnamens Kohlige - kamen wir an der Ruine einer Kapelle vorbei. Drei Jahre später, 2017, wurde sie picobello saniert, was angesichts der tendenziell atheistischen Grundhaltung der meisten Tschechen schon etwas überrascht.
Die Kapelle in Uhelna im ruinösen Zustand des Jahres 2014.
In Uhelna gibt es auch noch eine weitere Sehenswürdigkeit: Vollständig erhaltenes militaristisches Spielplatzinventar aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik. Der Fachmann würde allerdings einwenden, dass dem Flugzeug jegliche Nachahmung eines Antriebs fehlt. Kein Grund für das Kind im Herrn Pfad-Finder, sich nicht doch rittlings auf den Rumpf zu setzen...
Grenzwall zwischen tschechischem und polnischen Waldweg.
Vitkov
Bei Vitkov verließen wir den Grenzweg. Unser Ziel war allerdings nicht die Barockkirche, sondern die „Curia Vitkov“, eine rekonstruierte mittelalterliche Siedlung. Manche Karten weisen sie auch als Wothansburg aus. Mitte Januar waren die Siedler allerdings alle verreist. Dank eines maroden Palisadenzauns kamen wir mühelos auf das Gelände.
Zum Sonnenuntergang erreichten wir den Graniczny Wierch („Grenzhöhe“) oberhalb von Albrechtice. Hier standen schon 2010 Windenergieanlagen, wohl mit die ersten in der Tschechischen Republik. Dass dieser Berg aber schon früher als günstiger Ort für die Nutzung von Windkraft erkannt worden war, belegt die Ruine einer Holländerwindmühle.
Der Jeschken ist und bleibt ein Blickfang.
Schließlich standen wir vor dem recht unpassend benannten Motorest. Motorisierte Gäste waren nämlich nicht zu erkennen – eigentlich waren außer uns überhaupt keine Gäste zu erkennen. Zum Glück hatte ich vorher unser Kommen angekündigt. Immerhin: Das „Restaurant“ war geöffnet. Frühstück gab es allerdings nicht, so dass wir ungeplant unsere Reserven anbrechen mussten. In ganz Albrechtice gibt es keinen Laden. Auf der polnischen Seite der Grenze hätte ein Ort dieser Größe wahrscheinlich sogar zwei Läden.
Mond beim Abendspaziergang.
Technische Daten: 23,3 km in 7:00 brutto
19. Januar
Dass wir in einem Steinhaus untergeschlüpft waren, stellte sich in der Nacht als richtige Entscheidung heraus. Es regnete ergiebig, und am Morgen hing die Feuchtigkeit noch in der Luft.
Dafür belohnte uns die laubfreie Vegetation mit ungehindertem Blick auf die Felsformationen in diesen westlichsten Ausläufern des Isergebirges. Die waren mir 2010 entgangen. Noch dazu sorgte Nebel in den höheren Lagen für eine Zauberwald-Atmosphäre.
Damit sich niemand verschätzt, ist die Höhe des Durchgangs (1,20m) aufgepinselt.
Mit diversen Zickzacks steuerten wir schließlich in Liberec auf die Endhaltestelle „Lidové Sady“ der Straßenbahnlinie 3 zu und konnten praktisch ohne Warten in die Bahn springen, weswegen es auch kein Zielfoto gibt. Ob die Liniennummer übrigens Zufall oder Absicht ist? Jedenfalls übernimmt sie auch die Durchquerung von Liberec für den Fernwanderweg E3 Richtung Horni Hanychov am Fuß des Jeschken.
Technische Daten: 21,9km in 6:15h brutto
Was (logisch) folgte:
Vom Isergebirge ins Adlergebirge (Oktober 2010)
Bis an die Grenze – aber nicht weiter (Mai 2011)
Zwischen Mähren und Schlesien (November 2011)
Einmal quer durch den Glatzer Kessel
Mit dem Rad von Olmütz zum Beskidenfuß (Oktober 2012)
Über Beskiden und Hohe Tatra (Juli/August 2013)
Die Welt vor Dukla (April 2015)
Der Wald hinter Dukla (Oktober 2016)
"V pokoji neni letiste", sagte die Wirtin im Motorest Albrechtice, "im Zimmer ist kein 'Flugplatz'". Ich blickte sie verständnislos an, Frau November auch. Sie erläuterte: "In dem Zimmer stehen nur zwei separate Betten, kein Doppelbett. Wenn das ok für Sie ist?" In diesem Moment glaubte ich, ein leichtes Zwinkern in ihren Augen erkennen zu können.
Es war ok. Wir waren gut 23km von Zittau in das verschlafene Nest an der Fernstraße I. Klasse Nr. 13 gelaufen und auch die schwächelnde Januarsonne war auf dem Weg, sich zur Ruhe zu legen.
Doch was hatte uns hierher getrieben? Als ich 2010 in das spätere Langzeitprojekt "Grenzlandtour" hineinstolperte, hatte ich das Nachdenken vernachlässigt und erst einige Kilometer hinter dem Dreiländereck PL-CZ-DE bei Zittau eingesetzt, obwohl das eigentlich der logische Startpunkt gewesen wäre. Hier beginnt die sächsisch-/schlesisch-böhmische Grenze, und hier bekommt zugleich die Wasserscheide zwischen Elbe und Oder markante Konturen. Erst Ende 2013 - da waren wir schon bis hinter die Hohe Tatra vorgedrungen - fiel das Fehlen der logischen Anfangs auf.
Schwer verwechselbar: Der Bahnhof in Zittau.
Mitte Januar 2014 brachte uns also der Regionalexpress nach Zittau. Wir ließen das ohnehin unerreichbar auf einer Insel in der Neiße liegende Dreiländereck links - eigentlich rechts - liegen und liefen durch den Stadtpark zum Grenzübergang ins polnische Sieniawka. Zielstrebig folgten wir einem Feldweg Richtung Kopaczow. Doch was war da zu sehen? "Wo Rauch ist, ist auch Feuer" - und hinter eine Wegbiegung stieg dichter schwarzer Qualm empor. Wie sich herausstellte, hatte jemand Kunststoffteile eines zerlegten (gestohlenen?) Autos angezündet. Bis heute (2020) tut man Polen nicht wirklich Unrecht, wenn man ihm nachsagt, dass dort "Umwelt" der Ort ist, wo man Müll hinkippt.
Feuerteufelei bei Sieniawka
Der Braunkohletagebau Turoszow/Türchau und das zugehörige Kraftwerk. Auf der deutschen Seite der Grenze ist der Braunkohleabbau schon Anfang der neunziger Jahre eingestellt worden.
Unverkennbar im Hintergrund: Der Jeschken/Jested.
Rote Glibberbeeren.
"Kopaczow" klingt für slawisch vorgebildete Ohren nicht nur wie ein Ort, wo der Hund begraben ist, sondern erfüllt auch dieses Klischee. Es ist nämlich seit 1849 ein geteiltes Dorf. Das früher böhmische Ullersdorf ist heute das tschechische Oldrichov na Hranicich, während das sächsische Oberullersdorf heute Kopaczow heißt. Die Grenzlinie stellt der Ullersbach dar. Bis heute sind die Dorfstraßen der beiden Ortshälften baulich getrennt - trotz Schengen-Abkommen.
In Uhelna - eine wortgetreue Übersetzung des alten deutschen Ortsnamens Kohlige - kamen wir an der Ruine einer Kapelle vorbei. Drei Jahre später, 2017, wurde sie picobello saniert, was angesichts der tendenziell atheistischen Grundhaltung der meisten Tschechen schon etwas überrascht.
Die Kapelle in Uhelna im ruinösen Zustand des Jahres 2014.
In Uhelna gibt es auch noch eine weitere Sehenswürdigkeit: Vollständig erhaltenes militaristisches Spielplatzinventar aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik. Der Fachmann würde allerdings einwenden, dass dem Flugzeug jegliche Nachahmung eines Antriebs fehlt. Kein Grund für das Kind im Herrn Pfad-Finder, sich nicht doch rittlings auf den Rumpf zu setzen...
Grenzwall zwischen tschechischem und polnischen Waldweg.
Vitkov
Bei Vitkov verließen wir den Grenzweg. Unser Ziel war allerdings nicht die Barockkirche, sondern die „Curia Vitkov“, eine rekonstruierte mittelalterliche Siedlung. Manche Karten weisen sie auch als Wothansburg aus. Mitte Januar waren die Siedler allerdings alle verreist. Dank eines maroden Palisadenzauns kamen wir mühelos auf das Gelände.
Zum Sonnenuntergang erreichten wir den Graniczny Wierch („Grenzhöhe“) oberhalb von Albrechtice. Hier standen schon 2010 Windenergieanlagen, wohl mit die ersten in der Tschechischen Republik. Dass dieser Berg aber schon früher als günstiger Ort für die Nutzung von Windkraft erkannt worden war, belegt die Ruine einer Holländerwindmühle.
Der Jeschken ist und bleibt ein Blickfang.
Schließlich standen wir vor dem recht unpassend benannten Motorest. Motorisierte Gäste waren nämlich nicht zu erkennen – eigentlich waren außer uns überhaupt keine Gäste zu erkennen. Zum Glück hatte ich vorher unser Kommen angekündigt. Immerhin: Das „Restaurant“ war geöffnet. Frühstück gab es allerdings nicht, so dass wir ungeplant unsere Reserven anbrechen mussten. In ganz Albrechtice gibt es keinen Laden. Auf der polnischen Seite der Grenze hätte ein Ort dieser Größe wahrscheinlich sogar zwei Läden.
Mond beim Abendspaziergang.
Technische Daten: 23,3 km in 7:00 brutto
19. Januar
Dass wir in einem Steinhaus untergeschlüpft waren, stellte sich in der Nacht als richtige Entscheidung heraus. Es regnete ergiebig, und am Morgen hing die Feuchtigkeit noch in der Luft.
Dafür belohnte uns die laubfreie Vegetation mit ungehindertem Blick auf die Felsformationen in diesen westlichsten Ausläufern des Isergebirges. Die waren mir 2010 entgangen. Noch dazu sorgte Nebel in den höheren Lagen für eine Zauberwald-Atmosphäre.
Damit sich niemand verschätzt, ist die Höhe des Durchgangs (1,20m) aufgepinselt.
Mit diversen Zickzacks steuerten wir schließlich in Liberec auf die Endhaltestelle „Lidové Sady“ der Straßenbahnlinie 3 zu und konnten praktisch ohne Warten in die Bahn springen, weswegen es auch kein Zielfoto gibt. Ob die Liniennummer übrigens Zufall oder Absicht ist? Jedenfalls übernimmt sie auch die Durchquerung von Liberec für den Fernwanderweg E3 Richtung Horni Hanychov am Fuß des Jeschken.
Technische Daten: 21,9km in 6:15h brutto
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Was (logisch) folgte:
Vom Isergebirge ins Adlergebirge (Oktober 2010)
Bis an die Grenze – aber nicht weiter (Mai 2011)
Zwischen Mähren und Schlesien (November 2011)
Einmal quer durch den Glatzer Kessel
Mit dem Rad von Olmütz zum Beskidenfuß (Oktober 2012)
Über Beskiden und Hohe Tatra (Juli/August 2013)
Die Welt vor Dukla (April 2015)
Der Wald hinter Dukla (Oktober 2016)
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