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Im Sommer unterwegs
Auf Rollski von Oberstdorf nach Sylt
Eine Solofahrt durch Wald und Flur von den Allgäuer Bergen bis zu den nordfriesischen Inseln

Zwischen Oberstdorf und Sonthofen
August 2014. Es ist soweit. Auf Feld- und Forstwegen will ich mit Rollski durch Deutschland fahren. Wenige Freunde wissen davon. Sie sind ähnlich skeptisch wie ich. Wochenlang würde ich unterwegs sein und mich nur auf das verlassen können, was die Geländekarte des kleinen Navi an Vorschlägen bietet. Allein auf vier kleinen Rädern folgte ich unbekannten Wegen über Schotter und Asphalt, Berg und Tal, auf Pflastersteinen, Betonplatten und endlosen Deichwegen.

700 Höhenmeter bis zum Start

Regenpause

Ein Blitz schlägt ein. Die Hütte ist verschlossen.

Es würde jeden Tag regnen. Zum Glück wusste ich das nicht.

Oberhalb von Oberstdorf auf der Haldenwanger Alpe

Die Ausrüstung. Zelt, Schlafsack, Isomatte und Kocher liegen im Depot in Oberstdorf
Ich versuche, die Zweifel zu zerstreuen, sage mir, du bist gut in Form, hast einen Monat Urlaub und nichts Besseres vor. Kleidung, Zelt, Schlafsack, Kocher, Ersatzteile und etwas Werkzeug packe ich in den Rucksack und los geht’s. Wie sagte der Erschließer des Karwendelgebirges Herrmann von Barth, der im Sommer 1870 als Alleingänger 88 Gipfel bestieg: „Selbst sehen, selbst planen, selbst handeln – das ist hier die Losung“.
Zweifel und Zuversicht wechseln sich ab
Das Langlaufen ist eine Leidenschaft von mir. Schmilzt der Schnee im Frühjahr, fahre ich Rad, gehe wandern oder bergsteigen.
Beim Hochschulsport Göttingen stand ich in den 90er Jahren zum ersten Mal auf Rollski. Unter fachlicher Anleitung trainierte ich die komplexen Bewegungsabläufe der klassischen und freien Technik, die Muskulatur und das Herz-Kreislauf-System.
Im Harz drei Monate später bei einer winterlichen Langlauftour von Torfhaus zum Brocken spürte ich beim Dahingleiten im Schnee, dass ich gut vorbereitet bin.

Wetterbesserung

Hier bei der Speicherhütte ist das südlichste Eck des Freistaats Bayern, wo man Rollski fahren kann.

1480 Meter höher als Sylt

Ab geht’s!

700 Höhenmeter steil bergab
Oberhalb von Oberstdorf auf der Haldenwanger Alpe starte ich auf Höhe 1480 Meter. Das Gewitter ist vorbei, der grobe Asphalt noch feucht. Hier bei der Speicherhütte ist das südlichste Eck des Freistaats Bayern, wo man Rollski fahren kann. Es geht 700 Höhenmeter steil bergab. Ohne zusätzliche Wadenbremsen wäre das nicht komplett fahrbar.
Schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es Rollski bei Sport Hummel in Innsbruck zu kaufen. Wer im Winter erfolgreich Wettkämpfe im Skilanglauf bestreiten wollte, benötigte für ein geeignetes Sommertraining dieses neuartige Übungsgerät. Dreißig Jahre später entwickelte man in Südwestdeutschland Modelle mit Ballonreifen und Kabelzugbremsen, die auch bei Rennen im Offroadgelände einsetzt wurden.

Achtung, die nächste Wasserrinne!

Ohne zusätzliche Wadenbremsen wäre das nicht komplett fahrbar.

Die Wasserrinnen sind aus Stahl und für meine kleinen Räder schwierig zu bewältigen

Der Rucksack ist schwer

Es rollt gut auf dem flachen Schotterweg

Locker bleiben - bis zur Nordsee ist's noch weit

Rothenburg ob der Tauber
Ich rolle bergab. Vorbei an der Skiarena am Schattenberg, wo die Nordisch Kombinierten am Monatsende den FIS Sommer Grand-Prix als Night Race austragen.
Meine Rollski sind im Unterschied zu denen der Profis wie Frenzel und Edelmann geländetauglich. Gut so. Denn jetzt kommen 21 km Schotterwege bis Immenstadt. Die Räder sind etwas größer und haben eine Luftbereifung. Im Zusammenspiel mit den flexiblen Holmen ermöglichen sie eine komfortable Fortbewegung, wie man sie auch beim Langlaufen auf Schnee schätzt.
Regen und Wind sind treue Begleiter
Im Allgäu geht es rauf und runter. Der schwere Rucksack mit den feuchten Sachen drückt. Das schwüle Wetter und das Zelten auf regennasser Wiese sind nicht wirklich erholsam. Am Forggensee ist es wunderschön. In einer engen Kurve bleibt ein Carbonstock hängen, bricht und ist jetzt unten 20 Zentimeter kürzer. Das ärgert mich, denn ich bin allein unterwegs, habe kein Serviceteam um mich, keine Sponsoren oder Ausrüster im Hintergrund. Weder sind Depots angelegt, noch habe ich viel Ersatzmaterial dabei. Ich befestige eine sogenannte Wendespitze und laufe weiter.
In Hohenschwangau ist einiges los. Die Besucher kommen nicht nur wegen Neuschwanstein. Es ist die grandiose Landschaft, die auch mich begeistert. Wieder beginnt es zu regnen, erste Blitze zucken. Die aufgeweichten Wege werden schwieriger, plötzlich ein Stolperer und ich liege auf der Seite. Nichts passiert. Der Umweg zur Wieskirche ist anstrengend, dafür am Ende lustig. Freundlich begrüßt mich eine japanische Reisegruppe, einige fotografieren das Ereignis.
Am Lech südlich von Augsburg pausiere ich zwei Tage. Ich will die Campingausrüstung loswerden und neue Stöcke besorgen. Dann geht es weiter über Donauwörth, Nördlingen nach Rothenburg ob der Tauber. Ein nächtlicher Spaziergang bei Mondschein durch diese wunderbare Stadt ergibt sich zufällig. Die Gassen sind ruhig, nur das leise Plätschern der Brunnen ist zu hören.
Schöne Orte und Landschaften entdecken
Von Tauberbischofsheim führen mich die Wege über bergiges Gelände nach Würzburg. Die Sonne strahlt, an der Festung Marienberg vorbei rolle ich zum Mainufer. Ich genieße die schöne Stadt, den Anblick der farbigen Kirchen und Häuser, die grünen Weinberge. Die nächsten 50 Kilometer bis Gemünden habe ich leichtes Spiel. Beständig versuche ich meinen Laufstil in der freien Technik, auch Skating genannt, zu optimieren und den Bedingungen anzupassen. Dann folgen schwierige Passagen. Regen setzt ein. Viel Kraft und Ausdauer fordern schmale Fahrrinnen, die sich auch bergauf nur mit Doppelstockschieben bewältigen lassen. Die vom Navi gezeigten Wege in der eigentlich wunderschönen hessischen Rhön sind teilweise sehr grob geschottert. Abschnallen will ich nicht. Ich muss mich durchbeißen. Die Feldwege werden zunehmend nass und schmierig. Weiter, immer weiter. Müde, feucht und schmutzig nehme ich abends nach etwa 100 Tageskilometern das nächstbeste Hotel an der oberen Fulda.

Ein Radweg irgendwo in Deutschland

80 bis 100 km täglich

Fünf Minuten sitzen dürfen und dennoch vorankommen, wie angenehm

Oft ist es kühl, manchmal nass, spannend immer.
In den Flusstälern von Fulda und Weser komme ich meist gut voran. Die gepflasterten Passagen nehmen zu, die historisierenden Altstädte sind da besonders heikel. Die Stockspitzen verklemmen sich in den Ritzen und drohen zu brechen. Die Räder rollen schlecht, die Gefahr zu stolpern und sich hinzulegen, ist groß. Viele Radfahrer sind mit Gepäcktaschen unterwegs. Einige treffe ich nach Tagen wieder. Wir kommen leicht ins Gespräch. Die Offenheit und das Interesse der Menschen für meine Art der Fortbewegung nehmen im Norden zu. Kinder und Erwachsene fragen ganz direkt, etwa wie die Dinger heißen und ob das Fahren mit Inline-Skates vergleichbar sei. Allein knurrig sind einige ältere Herren, die auf ihren neuen E-Bikes noch die Balance suchen.
Es sind die schönen Orte, die mich faszinieren: Hannoversch Münden, die Klöster Bursfelde und Corvey, die Stadt Nienburg. Ich entdecke Landschaftsgebiete, wo die Natur noch nicht von Ackerbau und Tierproduktion verdrängt wurde.
Dass mir alle Wege, die ich fahre, praktisch neu sind, empfinde ich als sehr reizvoll. Die Porta Westfalica ist markant auf vielen Deutschlandkarten zu sehen, sie zu durchfahren für mich ein unvergessliches Erlebnis. Die Landschaftsformen verändern sich, die Sprech- und Lebensweisen der Bewohner auch. Die Windstärken nehmen spürbar zu, meist nicht zu meinem Vorteil.
Unter schwerem Wolkenhimmel ungeschützt viele Kilometer bis zum nächsten Ort übers platte Land zu rollen, wird zur spannenden Herausforderung. Böiger Wind und Regen zwingen mich, Schutz unter einem dicken Baum zu suchen. Da, Blitz und Donner ganz in der Nähe. Weit werfe ich die Rollski von mir und mache mich klein. Der Baum mit seinem lichten Blätterkleid ist nicht mein Freund. Durchnässt und frierend fahre ich im strömenden Regen weiter. Ich muss mich irgendwie aufwärmen und eine Erkältung vermeiden. Dabei habe ich bis auf eine Magen-Darm-Verstimmung, die mir zwei Pausentage einbrachte, körperlich keine besonderen Probleme. Etwas ungünstig ist meine Ernährung. Ich nehme reichlich Fette und Eiweiße zu mir, dazu Säfte und Weißbrot. Eine Trinkblase mit Mineralwasser trage ich im Rucksack.

Ski across Germany

Über die Elbe

Gleich rolle ich weiter auf dem Nordseeküsten-Radweg. Dann bestimmen Dämme, Marschland und starke Winde die Szenerie. Endlose Deichwege, dicht bedeckt mit Schafskot, nehme ich unter die Räder.
Fisch, Algensalat und Bier
In Bremen skate ich am Weserstadion vorbei. Dann auf holprigen Pflasterwegen vom Zentrum bis zur Universität und weiter im Gegenwind durch das malerische Teufelsmoor. Am nächsten Tag erreiche ich die Elbe, setze mit der Fähre über nach Glückstadt und rolle weiter auf dem Nordseeküsten-Radweg. Jetzt bestimmen Dämme, Marschland und stärkere Winde die Szenerie. Schier endlose Deichwege, dicht bedeckt mit Schafskot, nehme ich unter die Räder. Den Oberkörper nach vorne gebeugt erkämpfe ich jeden Meter im heftig brausenden Gegenwind. Stehenbleiben. Atem holen. Essen. Trinken. Immer noch kein Mensch zu sehen. Der dunkle Himmel wirkt dramatisch. Weiter. Kurze Regenschauer. Es gibt keinen Unterstand. Mist, die Jacke ist zu dünn und wärmt nicht. Wenigstens trocknet sie geschwind.

In zwei, drei Tagen bin ich in Sylt

Sylt
In Husum bei den Nordfriesen geht es mir gut. In der Nähe vom Binnenhafen finde ich eine beheizte Ferienwohnung, die für wenig Geld Ruhe und den nötigen Komfort bietet, um mich und meine Ausrüstung wiederherzustellen. Im Fischhaus Loof um die Ecke nehme ich frischen Fisch, grüne Meeresalgen und Bier zu mir. Freundliche Menschen, anregende Unterhaltungen und der alte Zweimaster im Hafen machen mir den Abend zum Geschenk.

Immer weiter

Am Ellenbogen auf Sylt
An der Küste entlang rolle ich über Dagebüll nach Klanxbüll, fahre eine Station mit der Bahn auf dem Hindenburgdamm bis Morsum. Hier auf Sylt sind die Wege bestens, das Licht, die Dünen und Farben sehr eindrucksvoll. An der Nordspitze, am sogenannten Ellenbogen, bin ich am Ziel meiner Reise, nach 18 Tagesetappen, 1700 Kilometern und 6 Pausentagen. In einem traditionsbewussten Hotel genieße ich etwas Bequemlichkeit, frühstücke Fisch, Sekt und Gemüse, gehe über die Dünen zum Strand und nehme bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel ein kaltes Bad in der Nordsee.
Auf Rollski von Oberstdorf nach Sylt
Eine Solofahrt durch Wald und Flur von den Allgäuer Bergen bis zu den nordfriesischen Inseln
Zwischen Oberstdorf und Sonthofen
August 2014. Es ist soweit. Auf Feld- und Forstwegen will ich mit Rollski durch Deutschland fahren. Wenige Freunde wissen davon. Sie sind ähnlich skeptisch wie ich. Wochenlang würde ich unterwegs sein und mich nur auf das verlassen können, was die Geländekarte des kleinen Navi an Vorschlägen bietet. Allein auf vier kleinen Rädern folgte ich unbekannten Wegen über Schotter und Asphalt, Berg und Tal, auf Pflastersteinen, Betonplatten und endlosen Deichwegen.

700 Höhenmeter bis zum Start

Regenpause

Ein Blitz schlägt ein. Die Hütte ist verschlossen.

Es würde jeden Tag regnen. Zum Glück wusste ich das nicht.

Oberhalb von Oberstdorf auf der Haldenwanger Alpe

Die Ausrüstung. Zelt, Schlafsack, Isomatte und Kocher liegen im Depot in Oberstdorf
Ich versuche, die Zweifel zu zerstreuen, sage mir, du bist gut in Form, hast einen Monat Urlaub und nichts Besseres vor. Kleidung, Zelt, Schlafsack, Kocher, Ersatzteile und etwas Werkzeug packe ich in den Rucksack und los geht’s. Wie sagte der Erschließer des Karwendelgebirges Herrmann von Barth, der im Sommer 1870 als Alleingänger 88 Gipfel bestieg: „Selbst sehen, selbst planen, selbst handeln – das ist hier die Losung“.
Zweifel und Zuversicht wechseln sich ab
Das Langlaufen ist eine Leidenschaft von mir. Schmilzt der Schnee im Frühjahr, fahre ich Rad, gehe wandern oder bergsteigen.
Beim Hochschulsport Göttingen stand ich in den 90er Jahren zum ersten Mal auf Rollski. Unter fachlicher Anleitung trainierte ich die komplexen Bewegungsabläufe der klassischen und freien Technik, die Muskulatur und das Herz-Kreislauf-System.
Im Harz drei Monate später bei einer winterlichen Langlauftour von Torfhaus zum Brocken spürte ich beim Dahingleiten im Schnee, dass ich gut vorbereitet bin.

Wetterbesserung

Hier bei der Speicherhütte ist das südlichste Eck des Freistaats Bayern, wo man Rollski fahren kann.

1480 Meter höher als Sylt

Ab geht’s!

700 Höhenmeter steil bergab
Oberhalb von Oberstdorf auf der Haldenwanger Alpe starte ich auf Höhe 1480 Meter. Das Gewitter ist vorbei, der grobe Asphalt noch feucht. Hier bei der Speicherhütte ist das südlichste Eck des Freistaats Bayern, wo man Rollski fahren kann. Es geht 700 Höhenmeter steil bergab. Ohne zusätzliche Wadenbremsen wäre das nicht komplett fahrbar.
Schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es Rollski bei Sport Hummel in Innsbruck zu kaufen. Wer im Winter erfolgreich Wettkämpfe im Skilanglauf bestreiten wollte, benötigte für ein geeignetes Sommertraining dieses neuartige Übungsgerät. Dreißig Jahre später entwickelte man in Südwestdeutschland Modelle mit Ballonreifen und Kabelzugbremsen, die auch bei Rennen im Offroadgelände einsetzt wurden.

Achtung, die nächste Wasserrinne!

Ohne zusätzliche Wadenbremsen wäre das nicht komplett fahrbar.

Die Wasserrinnen sind aus Stahl und für meine kleinen Räder schwierig zu bewältigen
Der Rucksack ist schwer
Es rollt gut auf dem flachen Schotterweg
Locker bleiben - bis zur Nordsee ist's noch weit

Rothenburg ob der Tauber
Ich rolle bergab. Vorbei an der Skiarena am Schattenberg, wo die Nordisch Kombinierten am Monatsende den FIS Sommer Grand-Prix als Night Race austragen.
Meine Rollski sind im Unterschied zu denen der Profis wie Frenzel und Edelmann geländetauglich. Gut so. Denn jetzt kommen 21 km Schotterwege bis Immenstadt. Die Räder sind etwas größer und haben eine Luftbereifung. Im Zusammenspiel mit den flexiblen Holmen ermöglichen sie eine komfortable Fortbewegung, wie man sie auch beim Langlaufen auf Schnee schätzt.
Regen und Wind sind treue Begleiter
Im Allgäu geht es rauf und runter. Der schwere Rucksack mit den feuchten Sachen drückt. Das schwüle Wetter und das Zelten auf regennasser Wiese sind nicht wirklich erholsam. Am Forggensee ist es wunderschön. In einer engen Kurve bleibt ein Carbonstock hängen, bricht und ist jetzt unten 20 Zentimeter kürzer. Das ärgert mich, denn ich bin allein unterwegs, habe kein Serviceteam um mich, keine Sponsoren oder Ausrüster im Hintergrund. Weder sind Depots angelegt, noch habe ich viel Ersatzmaterial dabei. Ich befestige eine sogenannte Wendespitze und laufe weiter.
In Hohenschwangau ist einiges los. Die Besucher kommen nicht nur wegen Neuschwanstein. Es ist die grandiose Landschaft, die auch mich begeistert. Wieder beginnt es zu regnen, erste Blitze zucken. Die aufgeweichten Wege werden schwieriger, plötzlich ein Stolperer und ich liege auf der Seite. Nichts passiert. Der Umweg zur Wieskirche ist anstrengend, dafür am Ende lustig. Freundlich begrüßt mich eine japanische Reisegruppe, einige fotografieren das Ereignis.
Am Lech südlich von Augsburg pausiere ich zwei Tage. Ich will die Campingausrüstung loswerden und neue Stöcke besorgen. Dann geht es weiter über Donauwörth, Nördlingen nach Rothenburg ob der Tauber. Ein nächtlicher Spaziergang bei Mondschein durch diese wunderbare Stadt ergibt sich zufällig. Die Gassen sind ruhig, nur das leise Plätschern der Brunnen ist zu hören.
Schöne Orte und Landschaften entdecken
Von Tauberbischofsheim führen mich die Wege über bergiges Gelände nach Würzburg. Die Sonne strahlt, an der Festung Marienberg vorbei rolle ich zum Mainufer. Ich genieße die schöne Stadt, den Anblick der farbigen Kirchen und Häuser, die grünen Weinberge. Die nächsten 50 Kilometer bis Gemünden habe ich leichtes Spiel. Beständig versuche ich meinen Laufstil in der freien Technik, auch Skating genannt, zu optimieren und den Bedingungen anzupassen. Dann folgen schwierige Passagen. Regen setzt ein. Viel Kraft und Ausdauer fordern schmale Fahrrinnen, die sich auch bergauf nur mit Doppelstockschieben bewältigen lassen. Die vom Navi gezeigten Wege in der eigentlich wunderschönen hessischen Rhön sind teilweise sehr grob geschottert. Abschnallen will ich nicht. Ich muss mich durchbeißen. Die Feldwege werden zunehmend nass und schmierig. Weiter, immer weiter. Müde, feucht und schmutzig nehme ich abends nach etwa 100 Tageskilometern das nächstbeste Hotel an der oberen Fulda.

Ein Radweg irgendwo in Deutschland

80 bis 100 km täglich

Fünf Minuten sitzen dürfen und dennoch vorankommen, wie angenehm

Oft ist es kühl, manchmal nass, spannend immer.
In den Flusstälern von Fulda und Weser komme ich meist gut voran. Die gepflasterten Passagen nehmen zu, die historisierenden Altstädte sind da besonders heikel. Die Stockspitzen verklemmen sich in den Ritzen und drohen zu brechen. Die Räder rollen schlecht, die Gefahr zu stolpern und sich hinzulegen, ist groß. Viele Radfahrer sind mit Gepäcktaschen unterwegs. Einige treffe ich nach Tagen wieder. Wir kommen leicht ins Gespräch. Die Offenheit und das Interesse der Menschen für meine Art der Fortbewegung nehmen im Norden zu. Kinder und Erwachsene fragen ganz direkt, etwa wie die Dinger heißen und ob das Fahren mit Inline-Skates vergleichbar sei. Allein knurrig sind einige ältere Herren, die auf ihren neuen E-Bikes noch die Balance suchen.
Es sind die schönen Orte, die mich faszinieren: Hannoversch Münden, die Klöster Bursfelde und Corvey, die Stadt Nienburg. Ich entdecke Landschaftsgebiete, wo die Natur noch nicht von Ackerbau und Tierproduktion verdrängt wurde.
Dass mir alle Wege, die ich fahre, praktisch neu sind, empfinde ich als sehr reizvoll. Die Porta Westfalica ist markant auf vielen Deutschlandkarten zu sehen, sie zu durchfahren für mich ein unvergessliches Erlebnis. Die Landschaftsformen verändern sich, die Sprech- und Lebensweisen der Bewohner auch. Die Windstärken nehmen spürbar zu, meist nicht zu meinem Vorteil.
Unter schwerem Wolkenhimmel ungeschützt viele Kilometer bis zum nächsten Ort übers platte Land zu rollen, wird zur spannenden Herausforderung. Böiger Wind und Regen zwingen mich, Schutz unter einem dicken Baum zu suchen. Da, Blitz und Donner ganz in der Nähe. Weit werfe ich die Rollski von mir und mache mich klein. Der Baum mit seinem lichten Blätterkleid ist nicht mein Freund. Durchnässt und frierend fahre ich im strömenden Regen weiter. Ich muss mich irgendwie aufwärmen und eine Erkältung vermeiden. Dabei habe ich bis auf eine Magen-Darm-Verstimmung, die mir zwei Pausentage einbrachte, körperlich keine besonderen Probleme. Etwas ungünstig ist meine Ernährung. Ich nehme reichlich Fette und Eiweiße zu mir, dazu Säfte und Weißbrot. Eine Trinkblase mit Mineralwasser trage ich im Rucksack.

Ski across Germany

Über die Elbe

Gleich rolle ich weiter auf dem Nordseeküsten-Radweg. Dann bestimmen Dämme, Marschland und starke Winde die Szenerie. Endlose Deichwege, dicht bedeckt mit Schafskot, nehme ich unter die Räder.
Fisch, Algensalat und Bier
In Bremen skate ich am Weserstadion vorbei. Dann auf holprigen Pflasterwegen vom Zentrum bis zur Universität und weiter im Gegenwind durch das malerische Teufelsmoor. Am nächsten Tag erreiche ich die Elbe, setze mit der Fähre über nach Glückstadt und rolle weiter auf dem Nordseeküsten-Radweg. Jetzt bestimmen Dämme, Marschland und stärkere Winde die Szenerie. Schier endlose Deichwege, dicht bedeckt mit Schafskot, nehme ich unter die Räder. Den Oberkörper nach vorne gebeugt erkämpfe ich jeden Meter im heftig brausenden Gegenwind. Stehenbleiben. Atem holen. Essen. Trinken. Immer noch kein Mensch zu sehen. Der dunkle Himmel wirkt dramatisch. Weiter. Kurze Regenschauer. Es gibt keinen Unterstand. Mist, die Jacke ist zu dünn und wärmt nicht. Wenigstens trocknet sie geschwind.

In zwei, drei Tagen bin ich in Sylt

Sylt
In Husum bei den Nordfriesen geht es mir gut. In der Nähe vom Binnenhafen finde ich eine beheizte Ferienwohnung, die für wenig Geld Ruhe und den nötigen Komfort bietet, um mich und meine Ausrüstung wiederherzustellen. Im Fischhaus Loof um die Ecke nehme ich frischen Fisch, grüne Meeresalgen und Bier zu mir. Freundliche Menschen, anregende Unterhaltungen und der alte Zweimaster im Hafen machen mir den Abend zum Geschenk.

Immer weiter

Am Ellenbogen auf Sylt
An der Küste entlang rolle ich über Dagebüll nach Klanxbüll, fahre eine Station mit der Bahn auf dem Hindenburgdamm bis Morsum. Hier auf Sylt sind die Wege bestens, das Licht, die Dünen und Farben sehr eindrucksvoll. An der Nordspitze, am sogenannten Ellenbogen, bin ich am Ziel meiner Reise, nach 18 Tagesetappen, 1700 Kilometern und 6 Pausentagen. In einem traditionsbewussten Hotel genieße ich etwas Bequemlichkeit, frühstücke Fisch, Sekt und Gemüse, gehe über die Dünen zum Strand und nehme bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel ein kaltes Bad in der Nordsee.
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