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Vom Winkel Alpha über die Ankathete zum rechten Winkel Gamma, von dort über die Gegenkathete zum Winkel Beta und schließlich mit dem Hypotenusen-Express zurück zum Winkel Alpha. Das war der Wanderplan von Frau November und mir für die Tage „zwischen den Jahren“ 2021: Vom Bahnknoten Bützow über das Ufer des Dobbertiner Sees und Krakow am See nach Malchin, von wo aus uns die „Stadttore-Linie“ RE4 nach Bützow zurückbefördern würde.
Die Pläne schmolzen jedoch zusammen wie der Schnee, der beim Start in Bützow noch unter den Schuhen knirschte und sich in Krakow über Nacht verflüssigte. An dieser Stelle ziemt es sich, ein berühmtes Diktum des Freiherrn von Igelstroem der Vergessenheit zu entreißen: „Das Wetter ist keine Dienstleistung.“
27. Dezember 2021
Bei knackig-frischen minus 8 Grad verließen wir am Morgen Bützow. Entlang des Rühner Sees erreichten wir das Kloster Rühn.
Dort nahm der geschäftstüchtige Wirt im Klostercafé und Hofladen unsere neugierigen Blicke sofort wahr und bot uns einen Kaffee to go an. „To go“ deshalb, weil uns für Innenbewirtung gemäß 2G+ das „Plus“ fehlte. Wir durften aber ohne weiteres Hofladen und Antiquariat begucken, stellten jedoch fest, dass wir weder etwas brauchten noch es schleppen wollten.
In Rühn hält der Bus an jeder Milchkanne. Zum Glück gibt es nur noch eine.
Einer der Gründe, warum M-V als Wanderland nicht recht Fuß fassen kann, ist nicht ein humpelndes Wortspiel mit „Fuß fassen“, sondern es sind die fehlenden Wanderwege. Es gibt kaum kaum naturbelassene Wege. Viele Feldwege sind bei den Flächenzusammenlegungen in den LPG-Zeiten untergepflügt worden, und die historischen Ortsverbindungswege, die in Brandenburg oft noch unbefestigt sind, haben dank EU-Förderung inzwischen Asphalt- oder Betondecken. Zum Radfahren prima, zum Wandern ... na ja.
Uns standen jetzt jedenfalls gut fünf Kilometer Straße bevor. Keine Chance zum Ausweichen auf Wald- oder Feldwege. Einziger Vorteil: Es geht schnell voran, in der Jahreszeit mit dem kurzen Tageslicht kein schlechtes Argument.
Auf der Höhe von Dreetz bogen wir nach Süden ab.
Ein immerhin „nur“ geschotterter Feldweg brachte uns bis kurz vor Boitin. Der Ortsname hätte die Chance, für eine Hugenottensiedlung zu stehen, hat jedoch slawische Wurzeln.
Weiter ging es nun auf einem asphaltierten Weg nach Süden. Riesige Felder im Winterschlaf säumten links und rechts den Weg. Südlich der Bundesstraße 104 wurden die Geländekonturen dann bewegter. Die Eiszeit hatte hier ihren Schutt abgeladen. Mecklenburgische Schweiz? Von mir aus.
Aha, Claas bringt Futter.
Zeit, ein Sämannslied zu summen:
Alle, die mit uns zum Acker raus fahren, müssen Männer mit Treckern sein:
Claas und Fendt und Belarus - die haben Trecker und keinen Bus.
Alle, die mit uns zum Acker raus fahren, müssen Männer mit Treckern sein:
Fendt und Claas und Fort- und -Schritt - die haben Trecker, die fahren mit.
Alle, die mit uns zum Acker raus fahren, müssen Männer mit Treckern sein:
Belarus und Fendt und Claas - die haben Trecker, die haben Spaß.
Alle, die mit uns zum Acker raus fahren, müssen Männer mit Treckern sein:
Case New Holland und John Deere - so schöne Trecker, die bleiben hier.
Kurz vor Lenzen fiel uns am Wegesrand eine unnatürliche Erhebung mitten in einem Feld auf. Eine der landesüblichen Ablagen für Findlinge vom Acker? Oder eine eher neuzeitliche Müllkippe? Dagegen sprachen jedoch die alten Bäume, die die Erhebung besiedelten. Sämtliche Openstreetmap-Karten schwiegen sich aus. Eine Erklärtafel verriet uns schließlich das Geheimnis: Wir standen vor dem „Königsgrab bei Lenzen“. Näher untersucht worden ist es wohl noch nicht, zugeordnet wird es der Bronzezeit.
Nach dieser Zufallsentdeckung ging es weiter zur Attraktion des Tages, dem „Steintanz Lenzen“: Ein Steinkreis zur Markierung von Urnengräbern aus der Zeit 600 vor bis 375 nach Christus, heute mitten im Wald gelegen. Das war sein Glück, denn entdeckt wurde die Anlage erst Anfang des 20. Jahrhunderts, als Steine für einen Damm in der Nähe benötigt wurden. Die Forstinspektion erkannte den Wert der Anlage und ließ sie unter Schutz stellen. „Sonst wären heute von derselben nur noch einige Haufen Steinsplitter übrig“, heißt es in einem Bericht der Behörde.
23,3 km
28. Dezember
Welch ein Enttäuschung muss es wohl für Kinder sein, wenn Papa auf der vermeintlichen Reise zum „Gardasee“ immer weiter nach Norden steuert? Diesen Scherz ermöglicht der Garder See, den wir knapp verfehlten. Den Namen verdankt er der kleinen Siedlung Garden, in der sich wahrscheinlich das allgemeinslawische Wort „Grad“ für „Burgberg“ verbirgt. Gute Gründe dafür gäbe es, denn die Landschaft ist für norddeutsche Verhältnisse erstaunlich konturiert.
Ein Stück weiter südlich passierten wir das Mildenitz-Durchbruchstal. Der Name verspricht mehr als die Realität halten kann. Ein träges Flüsschen in einem V-förmigen Tal, keine einzige Stromschnelle, von Wasserfällen ganz zu schweigen ... bemerkenswert ist nur, dass das Tal bei der Gletscherschmelze nach der letzten Eiszeit zeitweise auch in Gegenrichtung beflossen wurde.
Eine rätselhafte Zeichnung der Ureinwohner auf einem Baum.
Vorbei an Dobbin, das auf einer kleinen Anhöhe inmitten eines früheren Sees und heutigen Feuchtgebiets liegt, erreicht wir endlich den Dobbertiner See und bogen am Winkel Gamma auf die andere Kathete nach Osten ab.
Nach einigen Buchten kam das Kloster Dobbertin in Sicht.
Die Badestellen am Ufer waren natürlich alle vakant. Dafür konnten wir Seeadler auf dem Eis beobachten. Erst einen Solisten, dann ein Duo, das neugierig einen Schwan beäugte. Der hatte sich offensichtlich nicht zum Schlafen aufs Eis gelegt.
Kurz vor Dobbertin begann ein Skulpturenpfad, der seine besten Jahre aber offensichtlich schon hinter sich hatte.
Schließlich erreichten wir das Kloster Dobbertin. Was von Ferne noch ordentlich zisterziös ausgesehen hatte, erwies sich aus der Nähe als Sammelsurium mit den besten Hits aus den 17hunderter, 18hunderter und 19hunderter Jahren. Immerhin hatte man nicht an rotem Backstein gespart.
In Dobbertin versorgten wir uns in einem Edeka-Verschnitt namens „CAP“ mit dem Nötigsten für die folgenden zwei Tage. Wofür „CAP“ steht, konnte uns dort niemand erläutern - vielleicht „HandiCAP“, weil dort auch Insassen des Heims im Klostergelände arbeiteten? Die Geld wurde laut Kontoauszug jedenfalls vom Diakoniewerk Kloster Dobbertin abgebucht..
Heißt es woll-lustig oder woll-lüstig?
Kurz hinter Lüschow verkrochen wir uns im Wald.
21,4 km
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