3 - Schobergruppe ohne Schober
Erst verdattert und dann ergrimmt schaue ich dem Postbus nach, der soeben an mir vorbei gerauscht ist, ohne anzuhalten, obwohl dies doch eine offizielle Bushaltestelle ist und ich doch deutlich gewinkt hatte. Wie konnte das passieren? Selber schuld. Bei der Bedienung von "Scotty", der App für österreichische Öffis, war ich nachlässig gewesen und hatte übersehen, daß dies ein "Regiobus" ist, der die Strecke Kitzbühel-Lienz bedient und deshalb nur an den wichtigen Haltestellen stoppt. Nun muß ich also mehr als eine Stunde auf den nächsten Bus warten und denke mir: "Der Tag fängt ja schlecht an". Dabei hatte ich alles so schön geplant: mit dem Bus von Matrei nach St. Johann im Walde, dann mit der Seilbahn hinauf nach Oberleibnig, und schließlich zu Fuß zur Hochschoberhütte. Tatsächlich aber bin ich schon bei der Abfahrt erheblich verspätet.
Verspätet also erreiche ich St. Johann. Der Busfahrer ist sehr freundlich und zeigt mir noch die Talstation der Seilbahn nach Oberleibnig. Wie diese Seilbahn funktioniert, hatte mir Harry, der freundliche Wirt von der Hochschoberhütte, geschrieben: "Geh hinein, heb das Telefon ab und bitte darum, die Seilbahn in Betrieb zu nehmen". Ich tue also, was er mir empfohlen hat. Leider hebt auf der anderen Seite niemand ab. Wieder und wieder versuche ich es, probiere auch eine andere Nummer, die dort angeschrieben steht, aber nichts führt zum Erfolg. Ein Malheur kommt eben selten allein. So habe ich eine weitere halbe Stunde ergebnislos verplempert - Mist!!
Es bleibt mir nun nichts anderes übrig, als zu Fuß von St. Johann nach Oberleibnig zu gehen. Der Weg ist nicht allzu schwer zu finden, wird aber offensichtlich nur selten benutzt. Die meisten Wanderer, die zur Hochschoberhütte wollen, fahren mit dem Auto zu einem Parkplatz weit oberhalb von Oberleibnig und noch viel weiter von St. Johann entfernt. Dementsprechend treffe ich auch nicht eine Menschenseele, bis ich nach mehr als einer Stunde in Oberleibnig ankomme. Dort bin ich erst einmal verwirrt von den unglücklich aufgestellten Wegweisern, aber ein netter Einheimischer erklärt mir, wie ich am schnellsten weiter komme. Schnell zu sein, ist mir jetzt in der Tat ein Anliegen, denn bis hierhin hinke ich ja schon rund drei Stunden hinter meinem ursprünglichen Zeitplan her (75 Minuten wegen des verpassten Busses, 30 Minuten wegen der ergebnislosen Telefonier-Versuche, und weitere 75 Minuten für eine nicht eingeplante Fußwanderung). Leider ist der schnellste Weg nicht gerade der schönste: auf der Asphaltstraße nach Oberferchen, dem höchstgelegenen Anwesen in diesem Bereich. Von dort führt dann eine gewalzte Fahrstraße zum Autoparkplatz an der Leibnitzbachbrücke, und auf jener marschiere nun entlang; denn es gibt keine Alternative. Bis hier her kann man mit dem Auto fahren, und das tun auch nicht wenige, wie ich an der Zahl der hier parkenden Fahrzeuge erkenne. Bis hier her war meine Wanderroute auch unspektakulär, so daß ich darauf verzichte, euch Fotos davon zu zeigen.
Oberhalb des Autoparkplatzes aber wird es doch ein wenig landschaftlich schön - schaut her:
Ich bin, wie erwähnt, in Eile und nehme mir nicht viel Zeit fürs Fotografieren; daher hier nur noch ein weiteres Foto von meinem Aufstieg:
Um 13.15h hatte ich St. Johann verlassen, und um 18.45h poltere ich schließlich in die Hochschoberhütte hinein. "Servus, Harry!" rufe ich rasch in die Küche, damit der Wirt auch Bescheid weiß, daß ich nun endlich da bin (ich hatte mich ja angemeldet). "Servus, Gottfried!" ruft er zurück, ist sich also völlig im Klaren darüber, wer hier gerade herein geschneit ist. Schnell mache ich mich fertig zum Abendessen - Harry ist ein vorzüglicher Koch, das kann ich euch sagen. Ein Bier zur Erholung von 1600m Aufstieg in durchaus flottem Tempo gönne ich mir selbstredend auch - das habe ich mir wahrhaftig verdient, denke ich. Puuhh...
Für den nächsten Tag ist "durchwachsenes" Wetter vorhergesagt, und leider tritt das dann auch genau so ein. Ein Versuch, zum Hohen Prijakt zu wandern, endet etwas kläglich nach einer knappen Stunde nahe der Wolkenuntergrenze:
Ich setze mich erst einmal hin und warte eine Stunde, ob der Nebel sich vielleicht hebt. Leider aber passiert das Gegenteil: die Wolken drücken immer weiter herunter. Bei so einem Wetter lohnt der Aufstieg nicht, entscheide ich; was soll ich da oben im Nebel? Obendrein würde der Aufstieg über die lange Schutthalde führen, die ihr hier seht. - "Die Schobergruppe sollte eigentlich richtiger Schottergruppe heißen", hatte Harry noch am Vorabend leicht sarkastisch zu mir gesagt, und das genau mit Bezug auf die lange Schutthalde in obigem Foto. So blase ich denn gezwungenermaßen diese Unternehmung ab und bin also schon mittags wieder zurück an der Hütte. Am Nachmittag genieße ich ein paar kleine Auflockerungen in der Wolkendecke - wenigstens etwas.
Am Tag darauf ist es morgens sonnig, und ich marschiere noch vor dem Hüttenfrühstück gleich los, um den Hochschober zu besteigen. Es beginnt als eine wirklich schöne Wanderung:
Dann aber, kurz vor der Staniskascharte, erreiche ich eine kritische Stelle und zögere.
Das sieht mir doch sehr ungemütlich aus. Selbst wenn ich mir zutraue, jetzt hier hinüber und weiter auf den Hochschober zu gehen, so muß ich mir doch im Klaren sein darüber, daß ich hier gewissermaßen in eine Falle laufe. Es ziehen schon wieder Wolken auf, ich muß damit rechnen, daß es bald anfangen wird zu regnen, und ich hätte beim Abstieg keine andere Wahl, als wieder genau diese selbe Route zu gehen. Wenn aber diese Felsen erst einmal naß und rutschig sind, dann sollte ein 72-jähriger Herr wohl besser nicht im Alleingang hier herunter turnen. Ohnehin sehe ich es kommen, daß der Gipfel des Hochschober schon bald im Nebel liegen wird. -- Liebe Freunde, ich bin wahrhaftig ein passionierter Bergwanderer, aber man muß ja auch vernünftig sein: ich habe noch viel Schönes vor, ab morgen soll das Wetter sich auch wieder bessern, und wenn ich jetzt stur weiter gehen würde, hätte ich wohl nur sehr wenig zu gewinnen, aber potenziell sehr viel zu verlieren. Ich bin aber nicht stur und nicht blöd; da lasse ich es lieber hiermit bewenden; es war wunderschön bis hier hin.
Auf dem Abstieg zurück zur Hütte begegnet mir eine Schafherde, deren Anblick meine Enttäuschung etwas verringert.
Also, ein Satz mit X: auch das war nix, aber da kann man eben nichts machen.
Um die Mittagszeit regnet es prompt, wie ich befürchtet hatte, und der Gipfel des Hochschober ist von Wolken verhüllt, aber auch an diesem Nachmittag reißen die Wolken wie zum Hohn wieder etwas auf, und so ergibt sich wenigstens die Gelegenheit für einen kleinen Spaziergang in der Nähe der Hütte und einen Blick auf den Hochschober, dessen Besteigung mir eben leider versagt geblieben ist. - Daher also: Schobergruppe ohne (Hoch)schober.
Ich sagte es schon einmal: Harry ist ein fantastischer Koch, und sein Abendgericht (Oberösterreichische Knödel mit Sauerkraut) tröstet mich über den etwas enttäuschenden Tag hinweg. Harrys Leistungen sind umso mehr bewundernswert, als diese Hütte ja nur mit dem Hubschrauber beliefert werden kann und er demzufolge alle seine Küchenaktivitäten sehr sorgfältig planen muß.
Abends sehe ich voller Vorfreude aus dem Hüttenfenster hinter den Vilgratner Bergen das Abendrot, welches zu bekräftigen scheint, was der Wetterbericht angekündigt hatte: ab morgen wird es wieder schön:
Wie berechtigt meine Hoffnung war, das werdet ihr demnächst erfahren (Spannung, Spannung ...

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