Biwak versus Camping
Lange Jahre betrachtete ich das Betreten eines Campingplatzes
für einen Außentürer als unwürdig, ja, verachtenswert.
In der Tat halte ich noch heute das Campingplatzpublikum für ein spezielles
und zuweilen, oder: in der Regel, schwer erträgliches.
Nun stellt sich die Alternative Biwak/Camping oftmals gar nicht,
weil, je nach Tourenwahl, gar kein Campingplatz vorhanden ist,
man um das Biwakieren also gar nicht herumkommt.
Allerdings sei gesagt,
dass die guten Biwakplätze ähnlich rar gesät sind,
wie Campingplätze auf Gipfeln,
und nicht nur im alpinen Bereich,
regelmäßig schon belegt von denen,
die früher aufgestanden sind als man selbst.
Gehen wir mal ein paar Aspekte durch:
1. Wasserversorgung
Dies ist einer der zentralen Pluspunkte eines Campingplatzes.
Zu jeder Zeit steht mir Wasser zur Verfügung.
Wer schon einmal Durst hatte,
ich meine: wirklichen Durst,
also nicht das Verlangen nach einem kühlen Bier,
versteht sofort was ich meine.
In der Regel ist man nach vielstündiger Geh-, Pedalier-, Paddelarbeit dehydriert.
Die Schweissproduktion ist eingestellt,
die Lippen platzen auf,
der Resturin ist dunkelgelb, fast bräunlich.
Wem dann,
weil er Sonnenunter- und aufgang einsam auf Bergeshöhe erleben wollte,
das Wasser ausgegangen ist,
weil schon beim Anstieg ausgesoffen,
wird die kühle Nachtfeuchte herbeisehnen,
sich schlaflos herumwälzen
und den morgigen, trockenen Abstieg fürchten.
Dasselbe kann Ihnen im Weserbergland passieren.
Sie kommen nicht an Wasser,
außer dem der Weser,
an der die Atomkraftwerke aufgereiht sind,
und das Sie nicht trinken wollen.
Deutsche Dörfer haben keine Dorfbrunnen mehr.
Wenn doch, dann mit Umspülpumpe,
die immer wieder das selbe Wasser aus dem Hahn presst,
schließlich wollen die Bürgermeister keine Verschwender sein.
Dann müssen Sie im nächsten Dorf,
das partout nicht kommen will,
klingeln und um Wasser bitten;
und es gibt verhexte Tage,
da macht Ihnen keiner auf.
Sieht Ihre Tourenplanung aber die abendliche Ansteuerung eines Campingplatzes vor,
dann trinken Sie das nach,
was Sie sich tagsüber vorenthalten haben.
2. Stille
Der größte Vorzug des Biwakierens.
Zumeist sind Sie mit sich allein.
Zwar mag es keinen wirklich zivilisatorisch lärmbereinigten Ort mehr geben,
von irgendwo her brandet immer Autobahn- oder Fluggetöse her,
aber Sie müssen sich nach harter Tour,
nach zehn Stunden Radlfahrt
nicht mit den Kampftrinkern auf einem Campingplatz auseinandersetzen,
für die Camping nicht Erholung, sondern Party bedeutet.
Dort muss man schon beim Zeltaufbau sich fernhalten
von allen SixPack- und Bierkastenträgern und Einweggrillbesitzern,
generell von Gruppen und Jugendlichen und Prolos mit Achsel-T-Shirt
und sich in die hinterste Ecke verziehen
oder unter die Dauercamper,
besonders unter die über 70-Jährigen.
Auch holländische Wohnwageneigner sind als Nachbarn zu empfehlen,
die gehen früh zu Bett.
Allgemein gilt: Je älter der Campinggast, desto besser.
3. Sicherheit
Schwierig zu beurteilen.
Ich bin im ehemaligen Jugoslawien,
beim Biwakieren,
kaum dass ich den Schlafsack ausgerollt hatte,
von einer Meute zähnefletschender Hunde eingekreist worden
und habe fluchtartig das Terrain verlassen.
Ich hatte auch schon unangenehme Begegnungen mit irgendwelchen Burschen,
die, ich hatte das Zelt irgendwo wild an einem Ortsrand aufgebaut,
mitternächtlich glaubten, eifrig am Gestänge rütteln zu müssen und dies für einen Mordsspaß hielten.
Ich bin auch schon mitten in der Nacht geweckt worden vom Gebimmel und brünstigen Schnauben
eines Pferdeschlittens,
weil ich mein Lager dummerweise mitten auf der Schneise der größten Touristikattraktion aufgeschlagen hatte
- Nächtliche winterliche Schlittenfahrt mit Fackelbeleuchtung a la Ludwig II -
für 69 Euro pro Person. Decken inklusive.
Ich war auch schon fast am Einschlafen,
das war in einem Weinberg oberhalb von Bardolino,
da merke ich,
dass sich, ich war gut getarnt,
keine drei Meter neben mir,
ein Liebespaar niederläßt und im Begriff ist,
unverzüglich zu Werke zu gehen.
Einmal,
mitten im Wald,
hat mir ein Polizist ins Auge geleuchtet,
keine Ahnung,
wie der mich aufgespürt hat.
Allgemein aber kann ich sagen,
dass ich mich beim Biwakieren immer sicherer gefühlt habe als beim Campieren auf einem Campingplatz,
wo die Besoffenen über deine Zeltleinen stolpern
und dich glauben machen wollen, ihre Bierduschen als Segnungen betrachten zu müssen;
von dem Dauergequatsche bis vier Uhr morgens ganz zu schweigen,
oder den Streitereien,
weil man sich beim Boule-Spiel in die Haare bekommen hat,
oder weil die halbwüchsige Tochter erst gegen zwei Uhr morgens ins Familienzelt zurückgefunden hat und Mutter gerne wüßte, wo gewesen, die Tochter aber lallt nur und kichert ...
Allgemein gesagt:
Biwakieren führt eher ins Groteske,
Camping in den Konflikt.
4. Hygiene
Ich selber habe beim Biwakieren,
sofern nicht von vorneherein auszuschließen,
immer darauf geachtet,
neben einer Wasserquelle,
und wenn es nur ein Rinnsal war,
meinen Lagerplatz einzurichten,
also an Fluss oder Weiher.
Weniges mag ich weniger,
als mit salzverkrusteter Haut in den Schlafsack kriechen zu müssen.
Im Grunde ist die Möglichkeit zu einer abendlichen und morgendlichen warmen Dusche,
die mir ein Campingplatz bietet,
zumeist erst nach Einwurf passenden Kleingeldes,
ein Versprechen,
das meine Lebensgeister beflügelt.
Nun soll nicht verschwiegen werden,
dass es unglaublich versiffte Campingplätze gibt,
oder Toiletten darauf ohne Klopapier
und das merken Sie erst,
wenn schon im Vollzug.
Es wäre also vermessen zu sagen,
aus hygienischen Gründen einem Campingplatz den Vorzug geben zu sollen.
Es kann Ihnen aber daran gelegen sein,
jederzeit Zugang zu Frischwasser zu haben,
nicht nur um Ihr Kochgeschirr zu reinigen,
'Äh, könnte ich mal bitte zwei Tropfen Spüli von Ihnen haben?'
'Gerne, junger Mann!'
sondern auch Körperteile,
die im unpassendsten Moment aktiv werden,
sei es,
dass wir zu viel Wein gesüffelt haben,
sei es,
dass wir uns untertags an den reichlich am Wegesrand vorhandenen Pflaumenbäumen bedient haben
und nun - es ist immer mitten in der Nacht - glauben,
einen trockenen Furz loszulassen
und dann war es ein feuchter.
Wohl dem, der mit Unterwäsche schläft.
Was einem Campingplätze ziemlich verleiden kann,
ist, die nächtliche Bieselei mit anhören zu müssen.
Kaum einer der Nachbarzelter,
der, nach langem Kampftrinken, fünf mal raus muss in Nacht,
geht 300 Meter rüber in die sanitären Anlagen,
die sind immer bei den teuren Stellplätzen,
weil der Zeltcamper auf der Zeltwiese rein finanziell für den Campingplatzbetreiber nicht lukrativ genug ist,
sondern er pisst unmittelbar in die Zeltumgebung
und Sie können froh sein, wenn er,
noch im alkoholabbauenden Zustand,
dies nicht über Ihren Häringen tut.
Deswegen ist zu vermuten,
dass der schöne Platz,
den Sie sich gerade für Ihren Zeltaufbau ausgesucht haben,
die vorige Nacht gut getränkt worden ist mit den Ausscheidungen derer von Gegenüber.
Daher zelte ich grundsätzlich mit Malerfolie unter meinem Zeltboden.
Ganz allgemein ist die Anusreinigung nicht nur für den Radfahrer von besonderer Bedeutung
und selbst der niedrigkastigste Inder, wohnhaft im Wellblechverschlag an der Ausfallstraße,
tut dies mit Wasser und Sorgfalt;
Daher sollten Sie beim Biwakieren immer einen Anteil Ihres Wasservorrates hierfür bevorraten,
bzw. eine separate Hygieneflasche mitführen.
Auf Campingplätzen hat man zwar kein Bidet,
aber fließendes Wasser, das lernt man schätzen.
Tipp: Sanitärgebäude immer mit Badeschlappen betreten, nie barfuß! und Klobrillen mit Klopapier abdecken.
5. Komfort
Campingplätze liegen gar nicht selten abseits der Zivilisation,
zumeist aber mit Zugang zu lebensmitteltechnischer Versorgung,
sprich: Irgendein Supermarkt ist immer in der Nähe.
Sie packen also nicht Ihr Tütensuppenpulver aus,
sondern haben sich vor Ankunft eingedeckt mit allen Delikatessen,
nach denen sich Magen und Augen nach ausdauernder Anstrengung sehnen.
Ich will nicht verhehlen,
dass dies mit ein Grund für mich ist,
Campingplätze aufzusuchen.
Es gibt nämlich,
auch das ist nicht selten,
Campingplätze, darauf sind Sie nicht nur der einzige durchreisende Gast
- und weil sämtliche Dauercamper erst am Wochenende eintreffen -
überhaupt der Einzigste.
Sie haben den ganzen Platz praktisch für sich alleine.
Und Sie haben Tisch und Stühle.
Sie sitzen nicht rückengekrümmt im Schneidersitz auf Fels und Stein und nassem Gras.
Sie haben einen Tisch.
Darauf verbreiten Sie ein opulentes Mahl,
wie es demjenigen angemessen ist,
der nach zehn Stunden Gewaltmarsch nunmehr frisch geduscht bereit ist,
die Segnungen der Speisung zu empfangen.
Knuspriges Brot, eine Flasche lokalen Rotwein,
womöglich Kopfsalat mit Sylter Salatfrische,
Artischocken und Oliven aus dem Glas,
etwas Ziegenkäse und natürlich Tomaten ...
... vielleicht noch eine Aubergine frisch aus der Pfanne ...
Knoblauch auf gesalztem Butterbrot!
und das alles im milden Licht sich herabsenkender Dämmerung,
in abklingender sommerlicher Hitze
und gänzlich ungestört von sämtlichen Rabauken,
in der Ruhe wie eines unbedeutenden Voralpengipfels,
da preist man einen Gott
oder lobt die Errungenschaften westlicher Zivilisaton,
gleich für wie dekadent man sie ansonsten hält.
Es ist diese Sättigung,
die kein Biwak bietet,
die Campingplätze auch für Außentürer erschließt.
Man ist ja kein Asket.
6. Geld
Campingplätze kosten, Biwak ist umsonst.
Der billigste Platz für Soloreisende, also Person plus Zelt,
war neben einem Kernkraftwerk und kostete 5.50 zuzüglich Duschen für 80 Cent.
Der teuerste Platz war am Rhein und kostete 11.50. Duschen frei.
Durchschnittlich zahlt man rund 8 Euro in Deutschland.
7. Gesellschaft
Beim Biwakieren lernt man selten jemanden kennen.
Ist mir noch nie passiert,
dass mitten im Wald jemand zu mir kommt und fragt:
Darf ich mich zu Ihnen legen?
Umgekehrt habe ich auf Campingplätzen Leute getroffen,
vom Weltumradler bis zum Jakobspilger,
Japaner, depressive Alte, alleinreisende Frauen, schweigsame Jünglinge,
schräge, traurige, begeisternde, erschreckende Gestalten,
für zwei Sätze und für abendfüllende Unterhaltungen,
Menschen,
mit denen man alltagsüblich niemals verkehren würde,
allein schon,
weil sie einem auf dem täglichen Weg ins Büro nicht begegnen.
In dieser Hinsicht sind Campingplätze eine echte Bereicherung.
8. Seife
Es ist nicht nur so,
dass man auf Campingplätzen all seinen Müll los wird,
fein getrennt natürlich,
man bekommt auch was: Seife.
Jedenfalls meistens.
Dies wird jeden Radfahrer interessieren,
dem schon mal die Kette zwischen Speichen und Zahnkranz gehüpft ist
und der unleidlicherweise vergessen hat,
Einmal-Handschuhe einzupacken.
Zuerst versucht man ja mit einer Zwischenlage aus Schneuztuch oder größerem Blattwerk oder sonstigem Lappen die Hände sauber zu halten.
Dummerweise hat man natürlich die Kette vor Tour ordentlich geölt
und frevelhafterweise nützt ein bisserl Ruckeln an der Kette gar nichts,
nein, man muss in die Vollen greifen, doppelhändig und wie die Hände danach aussehen,
weiß jeder, dem das schon mal passiert ist.
Ich hatte mal einen Platten,
da habe ich versucht das Loch im Schlauch im Berghaferl zu finden,
in das ich meinen letzten Rest Wasser gegossen hatte.
Später schob ich das Rad auf einen Campingplatz und
tauchte den Schlauch in das volle Spülbecken.
Flugs, da war's.
Zumeist ist auch das Klopapier umsonst.
Damit lassen sich Sachen wegwischen.
Wer schon mal ins eigene Zelt sich übergeben hat,
weil er, verflixter Reißverschluss!, nicht fix genug den Weg nach Draußen fand,
oder noch ärgere Dinge beseitigen mußte,
der weiß um die Praktikabilität saugfähigen Papiers,
das einigermaßen zügig zur Hand ist.
Für den Kurztourer irrelevant,
den Weitreisenden hingegen schon,
sind Waschmaschine und Trockner,
die auf besseren Plätzen für zusammen rund fünf Euro zu nutzen sind.
Außerdem kann man sich bei Regen, Sturm und Gewitter ins Sanitärgebäude flüchten.
Beim Biwakieren hatte ich mal Wassereinbruch,
da lag ich dann die ganze Nacht darin,
wohin hätte ich auch können?
9. Kinder
Kinder werden immer nachts krank und immer am Wochenende,
und verunfallen immer Mittwoch-Nachmittag,
wenn alle Ärzte zu haben.
Mit Kindern, also Vorschulalter und Grundschule,
biwakiere ich nicht, weder mit den eigenen,
und erst recht nicht mit deren Freunden dazu.
Hierfür ist der Campingplatz der richtige Ort.
Oder ein eigener Garten, sofern man hat.
10. Alleinsein
Das All-Ein-Sein ist eine von den Esoterikern überstrapazierte Floskel,
und wenn etwas daran sein sollte,
dann wird man es auf dem Campingplatz ebenso empfinden können wie im Biwak.
Und doch meine ich sagen zu können:
Biwakieren ist die innigere Erfahrung,
die ungeschminkte, die direkte, die leibhaftigere;
psychisch herausfordernder, unsentimental und ernüchternd.
Biwakieren ist seltener in der Lüge, der Selbstschummelei, der Eigentäuschung.
Dafür sorgen schon die Mücken.
11. Alter
Grob gesagt:
Biwakieren ist Sache der Jugend,
Camping die Milde des frühen Alters.
Danach für den Senior dann Wohnwagen und Wohnmobil.
Wenn man jung ist, legt man sich überall hin.
Später will man ein, sein Bett.
Camping gewinnt Dauer.
Camping ist das Drinnen des Draußen.
Kommen wir zum Schluss:
Es gibt Biwak, es gibt Camping und es gibt Alpenvereinshütten.
Bevor ich aber da nächtige,
bleib ich lieber zu Haus.
Biwak oder Camping,
man liegt immer im eigenen Bett.
Das hat was.
Lange Jahre betrachtete ich das Betreten eines Campingplatzes
für einen Außentürer als unwürdig, ja, verachtenswert.
In der Tat halte ich noch heute das Campingplatzpublikum für ein spezielles
und zuweilen, oder: in der Regel, schwer erträgliches.
Nun stellt sich die Alternative Biwak/Camping oftmals gar nicht,
weil, je nach Tourenwahl, gar kein Campingplatz vorhanden ist,
man um das Biwakieren also gar nicht herumkommt.
Allerdings sei gesagt,
dass die guten Biwakplätze ähnlich rar gesät sind,
wie Campingplätze auf Gipfeln,
und nicht nur im alpinen Bereich,
regelmäßig schon belegt von denen,
die früher aufgestanden sind als man selbst.
Gehen wir mal ein paar Aspekte durch:
1. Wasserversorgung
Dies ist einer der zentralen Pluspunkte eines Campingplatzes.
Zu jeder Zeit steht mir Wasser zur Verfügung.
Wer schon einmal Durst hatte,
ich meine: wirklichen Durst,
also nicht das Verlangen nach einem kühlen Bier,
versteht sofort was ich meine.
In der Regel ist man nach vielstündiger Geh-, Pedalier-, Paddelarbeit dehydriert.
Die Schweissproduktion ist eingestellt,
die Lippen platzen auf,
der Resturin ist dunkelgelb, fast bräunlich.
Wem dann,
weil er Sonnenunter- und aufgang einsam auf Bergeshöhe erleben wollte,
das Wasser ausgegangen ist,
weil schon beim Anstieg ausgesoffen,
wird die kühle Nachtfeuchte herbeisehnen,
sich schlaflos herumwälzen
und den morgigen, trockenen Abstieg fürchten.
Dasselbe kann Ihnen im Weserbergland passieren.
Sie kommen nicht an Wasser,
außer dem der Weser,
an der die Atomkraftwerke aufgereiht sind,
und das Sie nicht trinken wollen.
Deutsche Dörfer haben keine Dorfbrunnen mehr.
Wenn doch, dann mit Umspülpumpe,
die immer wieder das selbe Wasser aus dem Hahn presst,
schließlich wollen die Bürgermeister keine Verschwender sein.
Dann müssen Sie im nächsten Dorf,
das partout nicht kommen will,
klingeln und um Wasser bitten;
und es gibt verhexte Tage,
da macht Ihnen keiner auf.
Sieht Ihre Tourenplanung aber die abendliche Ansteuerung eines Campingplatzes vor,
dann trinken Sie das nach,
was Sie sich tagsüber vorenthalten haben.
2. Stille
Der größte Vorzug des Biwakierens.
Zumeist sind Sie mit sich allein.
Zwar mag es keinen wirklich zivilisatorisch lärmbereinigten Ort mehr geben,
von irgendwo her brandet immer Autobahn- oder Fluggetöse her,
aber Sie müssen sich nach harter Tour,
nach zehn Stunden Radlfahrt
nicht mit den Kampftrinkern auf einem Campingplatz auseinandersetzen,
für die Camping nicht Erholung, sondern Party bedeutet.
Dort muss man schon beim Zeltaufbau sich fernhalten
von allen SixPack- und Bierkastenträgern und Einweggrillbesitzern,
generell von Gruppen und Jugendlichen und Prolos mit Achsel-T-Shirt
und sich in die hinterste Ecke verziehen
oder unter die Dauercamper,
besonders unter die über 70-Jährigen.
Auch holländische Wohnwageneigner sind als Nachbarn zu empfehlen,
die gehen früh zu Bett.
Allgemein gilt: Je älter der Campinggast, desto besser.
3. Sicherheit
Schwierig zu beurteilen.
Ich bin im ehemaligen Jugoslawien,
beim Biwakieren,
kaum dass ich den Schlafsack ausgerollt hatte,
von einer Meute zähnefletschender Hunde eingekreist worden
und habe fluchtartig das Terrain verlassen.
Ich hatte auch schon unangenehme Begegnungen mit irgendwelchen Burschen,
die, ich hatte das Zelt irgendwo wild an einem Ortsrand aufgebaut,
mitternächtlich glaubten, eifrig am Gestänge rütteln zu müssen und dies für einen Mordsspaß hielten.
Ich bin auch schon mitten in der Nacht geweckt worden vom Gebimmel und brünstigen Schnauben
eines Pferdeschlittens,
weil ich mein Lager dummerweise mitten auf der Schneise der größten Touristikattraktion aufgeschlagen hatte
- Nächtliche winterliche Schlittenfahrt mit Fackelbeleuchtung a la Ludwig II -
für 69 Euro pro Person. Decken inklusive.
Ich war auch schon fast am Einschlafen,
das war in einem Weinberg oberhalb von Bardolino,
da merke ich,
dass sich, ich war gut getarnt,
keine drei Meter neben mir,
ein Liebespaar niederläßt und im Begriff ist,
unverzüglich zu Werke zu gehen.
Einmal,
mitten im Wald,
hat mir ein Polizist ins Auge geleuchtet,
keine Ahnung,
wie der mich aufgespürt hat.
Allgemein aber kann ich sagen,
dass ich mich beim Biwakieren immer sicherer gefühlt habe als beim Campieren auf einem Campingplatz,
wo die Besoffenen über deine Zeltleinen stolpern
und dich glauben machen wollen, ihre Bierduschen als Segnungen betrachten zu müssen;
von dem Dauergequatsche bis vier Uhr morgens ganz zu schweigen,
oder den Streitereien,
weil man sich beim Boule-Spiel in die Haare bekommen hat,
oder weil die halbwüchsige Tochter erst gegen zwei Uhr morgens ins Familienzelt zurückgefunden hat und Mutter gerne wüßte, wo gewesen, die Tochter aber lallt nur und kichert ...
Allgemein gesagt:
Biwakieren führt eher ins Groteske,
Camping in den Konflikt.
4. Hygiene
Ich selber habe beim Biwakieren,
sofern nicht von vorneherein auszuschließen,
immer darauf geachtet,
neben einer Wasserquelle,
und wenn es nur ein Rinnsal war,
meinen Lagerplatz einzurichten,
also an Fluss oder Weiher.
Weniges mag ich weniger,
als mit salzverkrusteter Haut in den Schlafsack kriechen zu müssen.
Im Grunde ist die Möglichkeit zu einer abendlichen und morgendlichen warmen Dusche,
die mir ein Campingplatz bietet,
zumeist erst nach Einwurf passenden Kleingeldes,
ein Versprechen,
das meine Lebensgeister beflügelt.
Nun soll nicht verschwiegen werden,
dass es unglaublich versiffte Campingplätze gibt,
oder Toiletten darauf ohne Klopapier
und das merken Sie erst,
wenn schon im Vollzug.
Es wäre also vermessen zu sagen,
aus hygienischen Gründen einem Campingplatz den Vorzug geben zu sollen.
Es kann Ihnen aber daran gelegen sein,
jederzeit Zugang zu Frischwasser zu haben,
nicht nur um Ihr Kochgeschirr zu reinigen,
'Äh, könnte ich mal bitte zwei Tropfen Spüli von Ihnen haben?'
'Gerne, junger Mann!'
sondern auch Körperteile,
die im unpassendsten Moment aktiv werden,
sei es,
dass wir zu viel Wein gesüffelt haben,
sei es,
dass wir uns untertags an den reichlich am Wegesrand vorhandenen Pflaumenbäumen bedient haben
und nun - es ist immer mitten in der Nacht - glauben,
einen trockenen Furz loszulassen
und dann war es ein feuchter.
Wohl dem, der mit Unterwäsche schläft.
Was einem Campingplätze ziemlich verleiden kann,
ist, die nächtliche Bieselei mit anhören zu müssen.
Kaum einer der Nachbarzelter,
der, nach langem Kampftrinken, fünf mal raus muss in Nacht,
geht 300 Meter rüber in die sanitären Anlagen,
die sind immer bei den teuren Stellplätzen,
weil der Zeltcamper auf der Zeltwiese rein finanziell für den Campingplatzbetreiber nicht lukrativ genug ist,
sondern er pisst unmittelbar in die Zeltumgebung
und Sie können froh sein, wenn er,
noch im alkoholabbauenden Zustand,
dies nicht über Ihren Häringen tut.
Deswegen ist zu vermuten,
dass der schöne Platz,
den Sie sich gerade für Ihren Zeltaufbau ausgesucht haben,
die vorige Nacht gut getränkt worden ist mit den Ausscheidungen derer von Gegenüber.
Daher zelte ich grundsätzlich mit Malerfolie unter meinem Zeltboden.
Ganz allgemein ist die Anusreinigung nicht nur für den Radfahrer von besonderer Bedeutung
und selbst der niedrigkastigste Inder, wohnhaft im Wellblechverschlag an der Ausfallstraße,
tut dies mit Wasser und Sorgfalt;
Daher sollten Sie beim Biwakieren immer einen Anteil Ihres Wasservorrates hierfür bevorraten,
bzw. eine separate Hygieneflasche mitführen.
Auf Campingplätzen hat man zwar kein Bidet,
aber fließendes Wasser, das lernt man schätzen.
Tipp: Sanitärgebäude immer mit Badeschlappen betreten, nie barfuß! und Klobrillen mit Klopapier abdecken.
5. Komfort
Campingplätze liegen gar nicht selten abseits der Zivilisation,
zumeist aber mit Zugang zu lebensmitteltechnischer Versorgung,
sprich: Irgendein Supermarkt ist immer in der Nähe.
Sie packen also nicht Ihr Tütensuppenpulver aus,
sondern haben sich vor Ankunft eingedeckt mit allen Delikatessen,
nach denen sich Magen und Augen nach ausdauernder Anstrengung sehnen.
Ich will nicht verhehlen,
dass dies mit ein Grund für mich ist,
Campingplätze aufzusuchen.
Es gibt nämlich,
auch das ist nicht selten,
Campingplätze, darauf sind Sie nicht nur der einzige durchreisende Gast
- und weil sämtliche Dauercamper erst am Wochenende eintreffen -
überhaupt der Einzigste.
Sie haben den ganzen Platz praktisch für sich alleine.
Und Sie haben Tisch und Stühle.
Sie sitzen nicht rückengekrümmt im Schneidersitz auf Fels und Stein und nassem Gras.
Sie haben einen Tisch.
Darauf verbreiten Sie ein opulentes Mahl,
wie es demjenigen angemessen ist,
der nach zehn Stunden Gewaltmarsch nunmehr frisch geduscht bereit ist,
die Segnungen der Speisung zu empfangen.
Knuspriges Brot, eine Flasche lokalen Rotwein,
womöglich Kopfsalat mit Sylter Salatfrische,
Artischocken und Oliven aus dem Glas,
etwas Ziegenkäse und natürlich Tomaten ...
... vielleicht noch eine Aubergine frisch aus der Pfanne ...
Knoblauch auf gesalztem Butterbrot!
und das alles im milden Licht sich herabsenkender Dämmerung,
in abklingender sommerlicher Hitze
und gänzlich ungestört von sämtlichen Rabauken,
in der Ruhe wie eines unbedeutenden Voralpengipfels,
da preist man einen Gott
oder lobt die Errungenschaften westlicher Zivilisaton,
gleich für wie dekadent man sie ansonsten hält.
Es ist diese Sättigung,
die kein Biwak bietet,
die Campingplätze auch für Außentürer erschließt.
Man ist ja kein Asket.
6. Geld
Campingplätze kosten, Biwak ist umsonst.
Der billigste Platz für Soloreisende, also Person plus Zelt,
war neben einem Kernkraftwerk und kostete 5.50 zuzüglich Duschen für 80 Cent.
Der teuerste Platz war am Rhein und kostete 11.50. Duschen frei.
Durchschnittlich zahlt man rund 8 Euro in Deutschland.
7. Gesellschaft
Beim Biwakieren lernt man selten jemanden kennen.
Ist mir noch nie passiert,
dass mitten im Wald jemand zu mir kommt und fragt:
Darf ich mich zu Ihnen legen?
Umgekehrt habe ich auf Campingplätzen Leute getroffen,
vom Weltumradler bis zum Jakobspilger,
Japaner, depressive Alte, alleinreisende Frauen, schweigsame Jünglinge,
schräge, traurige, begeisternde, erschreckende Gestalten,
für zwei Sätze und für abendfüllende Unterhaltungen,
Menschen,
mit denen man alltagsüblich niemals verkehren würde,
allein schon,
weil sie einem auf dem täglichen Weg ins Büro nicht begegnen.
In dieser Hinsicht sind Campingplätze eine echte Bereicherung.
8. Seife
Es ist nicht nur so,
dass man auf Campingplätzen all seinen Müll los wird,
fein getrennt natürlich,
man bekommt auch was: Seife.
Jedenfalls meistens.
Dies wird jeden Radfahrer interessieren,
dem schon mal die Kette zwischen Speichen und Zahnkranz gehüpft ist
und der unleidlicherweise vergessen hat,
Einmal-Handschuhe einzupacken.
Zuerst versucht man ja mit einer Zwischenlage aus Schneuztuch oder größerem Blattwerk oder sonstigem Lappen die Hände sauber zu halten.
Dummerweise hat man natürlich die Kette vor Tour ordentlich geölt
und frevelhafterweise nützt ein bisserl Ruckeln an der Kette gar nichts,
nein, man muss in die Vollen greifen, doppelhändig und wie die Hände danach aussehen,
weiß jeder, dem das schon mal passiert ist.
Ich hatte mal einen Platten,
da habe ich versucht das Loch im Schlauch im Berghaferl zu finden,
in das ich meinen letzten Rest Wasser gegossen hatte.
Später schob ich das Rad auf einen Campingplatz und
tauchte den Schlauch in das volle Spülbecken.
Flugs, da war's.
Zumeist ist auch das Klopapier umsonst.
Damit lassen sich Sachen wegwischen.
Wer schon mal ins eigene Zelt sich übergeben hat,
weil er, verflixter Reißverschluss!, nicht fix genug den Weg nach Draußen fand,
oder noch ärgere Dinge beseitigen mußte,
der weiß um die Praktikabilität saugfähigen Papiers,
das einigermaßen zügig zur Hand ist.
Für den Kurztourer irrelevant,
den Weitreisenden hingegen schon,
sind Waschmaschine und Trockner,
die auf besseren Plätzen für zusammen rund fünf Euro zu nutzen sind.
Außerdem kann man sich bei Regen, Sturm und Gewitter ins Sanitärgebäude flüchten.
Beim Biwakieren hatte ich mal Wassereinbruch,
da lag ich dann die ganze Nacht darin,
wohin hätte ich auch können?
9. Kinder
Kinder werden immer nachts krank und immer am Wochenende,
und verunfallen immer Mittwoch-Nachmittag,
wenn alle Ärzte zu haben.
Mit Kindern, also Vorschulalter und Grundschule,
biwakiere ich nicht, weder mit den eigenen,
und erst recht nicht mit deren Freunden dazu.
Hierfür ist der Campingplatz der richtige Ort.
Oder ein eigener Garten, sofern man hat.
10. Alleinsein
Das All-Ein-Sein ist eine von den Esoterikern überstrapazierte Floskel,
und wenn etwas daran sein sollte,
dann wird man es auf dem Campingplatz ebenso empfinden können wie im Biwak.
Und doch meine ich sagen zu können:
Biwakieren ist die innigere Erfahrung,
die ungeschminkte, die direkte, die leibhaftigere;
psychisch herausfordernder, unsentimental und ernüchternd.
Biwakieren ist seltener in der Lüge, der Selbstschummelei, der Eigentäuschung.
Dafür sorgen schon die Mücken.
11. Alter
Grob gesagt:
Biwakieren ist Sache der Jugend,
Camping die Milde des frühen Alters.
Danach für den Senior dann Wohnwagen und Wohnmobil.
Wenn man jung ist, legt man sich überall hin.
Später will man ein, sein Bett.
Camping gewinnt Dauer.
Camping ist das Drinnen des Draußen.
Kommen wir zum Schluss:
Es gibt Biwak, es gibt Camping und es gibt Alpenvereinshütten.
Bevor ich aber da nächtige,
bleib ich lieber zu Haus.
Biwak oder Camping,
man liegt immer im eigenen Bett.
Das hat was.
Kommentar