• Cattlechaser
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    [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 67.614067616
    Längengrad 18.067016601
    Schräge Typen und Regenbögen – Kvikkjokk bis Abisko

    Im Rückblick waren es zwei Dinge, die uns immer wieder ins Staunen und Schmunzeln gebracht haben: Erstens eine Unzahl von Regenbögen, einer schöner als der andere, gepaart mit dem Spiel von Wolken, Wind, Sonne und Schatten.





    Und zweitens die unglaubliche Anzahl an sympathischen, entspannten, spannenden, verrückten, leichtsinnigen und witzigen Typen, die wir getroffen haben. Auch, wenn die meisten der Leute, die wir getroffenen haben, gut ausgerüstet und vorbereitet waren, so bleibt die Minderheit der unerfahrenen bis waghalsig-verrückten Trekker am Nachhaltigsten in Erinnerung. Hier meine Top 10:

    10. Der Regencape-Mann
    Die Ausrüstung eines uns entgegen kommenden Wanderers im Fjäll bei schlechtem Wetter mit Regen, Matsch und nassen Steinen ist: Turnschuhe und Jeans! Als Regencape trägt er einen transparenten Plastiksack mit hinein geschnittenen Armlöchern, so wie dies z.B. viele Leute auf Rockkonzerten oder zum Warmhalten vor dem Marathonstart anhaben.

    9. Die Schlotternde Schwedin
    Auf dem Abstieg vom Tjäkktjapass kommt uns eine Schwedin entgegen, die offensichtlich keine Handschuhe hat. Bei nasskaltem Wetter, Gegenwind und Temperaturen von etwa 5 Grad sind ihre Hände vermutlich eisig kalt. Es ist generell eine natürliche Reaktion, diese in die Taschen des Softshells zu stecken. Bloß: Wenn es im sehr, sehr steil abfallenden Gelände über nasse und daher sehr rutschige Steine geht, würde ich lieber an die Hände frieren (oder gleich Handschuhe mitnehmen), als einen schlimmen Sturz zu riskieren.

    8. Der geizige Holländer
    Die Geschichte hat mir ein Hüttenwirt erzählt. Wir haben die beiden allerdings auch gesehen: Mutter und Sohn, dieser ca. 16 Jahre, stampfen durch das Fjäll. Die beiden sind Niederländer. Der Sohn hat vermutlich erwartet, dass man im August mal locker durch die Berge spazieren kann. Er trägt Jeans, die vom Nieselregen feucht sind. Er hat auch keine Handschuhe. Es nieselt, der Wind bläst und es ist mit 3 Grad sehr kalt. Vor der Hütte sitzt er im Windschutz, zusammen gekauert, versucht irgendwie die Hände zu wärmen. Der Wirt meint, er könne ihm ein Paar leichte Handschuhe verkaufen. Die sind ihm aber zu teuer. Der Wirt bietet den beiden an, sich für die Tagesgebühr von je 40 Kronen in der Hütte aufzuwärmen und sich einen Tee zu machen. Auch das ist den beiden zu viel Geld. Nach einer kurzen Pause ziehen sie nass und zitternd weiter.

    7. Die Fjäll-Diva
    Bei starkem Wind und leichtem Regen kommt uns eine Wandergruppe entgegen. Wir müssen zweimal hinsehen. Was trägt denn die Frau in der Mitte? Einen Regenschirm?!!! Einen Regenschirm, der ständig vom Wind nach vorne und hinten geweht wird und den sie immer wieder neu ausrichten muss. Als wir die Gruppe passieren, sehen wir, dass die Frau –etwa um die 50- zudem noch ein komplettes Make-Up aufgetragen hat. Wie in der alten 3-Wetter-Taft-Werbung: Kiruna, 6 Grad und Wind – die Frisur hält!

    6. Die Feuermacherin
    In einer Wanderhütte ist es kühl; das Feuer im Ofen ist aus. Eine schwedische Frau mittleren Alters wirft zwei riesige vor dem Ofen liegende Holzscheite hinein. Dann nimmt sie den Gasanzünder neben dem Herd mit einem kleinen Piezozünder (!!!) und klickt mit dem Anzünder wieder und wieder im Ofen an die Holzscheite. Als es wundersamer weise nicht klappt, klickt sie an dem zweiten Holzscheit herum. Selbstverständig genauso sinn- und ergebnislos. Schließlich erbarmt sich ein Schwede, nimmt ihr den Zünder aus der Hand, wirft einige dünne trockene Holzspäne in den Ofen und zündet diese mit dem Feuerzeug an.

    5. die Unverbesserlichen Wetteroptimisten und
    4. die Quälige Quasselstrippe und
    3. der Härteste der Harten
    Alle drei getroffen an der Aktse-Hütte. Mehr unter dem Bericht vom 15. August.

    2. Die beiden unerschrockenen Im-Sturm-Zelter
    Getroffen am der Tjäktja-Hütte.

    1. Die Drei Hessischen Musketiere
    Rainer, Jürgen und Björn - diese drei aus einer zu Recht legendären Truppe sind mein absolutes Highlight. Aber davon mehr unter dem Bericht vom 20. bis 22. August!

    13. August 2013
    Um kurz vor 6 Uhr morgens steigen wir kurz vor Höhe des Polarkreises aus dem Nachtzug in Boden aus. Geschätzte 150 Trekker schieben sich mit dick aufgetürmten Rucksäcken über den Bahnhof des nordschwedischen Städtchens. Eigentlich sollte der Zug ja noch weiter nach Norden gehen, nach Abisko für viele oder für einige wie uns nach Murjek. Aber nachdem gestern auf der Strecke in Schwedisch-Lappland zwei Güterzüge kollidiert sind, ist die schwedische Bahn noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Alle Reisenden werden in Busse umgeladen und nach Zielort sortiert weiter transportiert. Es ist ein sonniger freundlicher Morgen mit für Lappland angenehmen Temperaturen. Die schwedischen Bahnmitarbeiter bemühen sich, den Ansturm der Trekker in die Busse zu dirigieren. Obwohl sie die Ansagen auf Englisch wiederholen, bekommen wir nicht alles genau mit. Von einem älteren Herren mit großen Trekkingrucksack und etwas aus der Mode gekommenen Outdoorsachen bekomme ich mit, wie er sich in zwei Sätzen mit dem Bahnmitarbeiter in Schwedisch austauscht und dabei das Wort „Kvikkjokk“ fällt. Also halte ich mich an ihn. Als Claudia fragt, warum, bemerke ich, er sei wohl Schwede und wolle auch nach Kvikkjokk. Der alte Herr bekommt dies mit und antwortet uns lächelnd, dass er aus Köln komme. Der Bus nach Jokkmokk mit Verlängerung nach Kvikkjokk komme in etwa 10 Minuten. Und schon sind wir mit dem ersten erfahrenen Trekker im Gespräch. Er geht den Padjadalleden. Den Kungsleden hat er schon vor über 10 Jahren gemacht. Seine Frau sei zu Hause, sie komme wie immer nicht mit. Aber er lasse sich das Wandern nicht nehmen. Respekt mit einem Alter von optisch über 60 Jahren.

    Wenig später geht es dann im Bus über Land. Die Häuser von Boden sind schnell hinter uns gelassen. Von da an geht es in schönstem Wetter durch die praktisch menschenleere Landschaft Nordschwedens. Zwischendurch nehmen wir noch etwas Schlaf. Der Bus in Jokkmokk wartet dann auf uns. Nach einer weitere Stunde stehe wir schließlich am Ende der Straße in Kvikkjokk, umgeben von einem Dutzend Häuser, unsere Rucksäcke auf dem Rücken. Wie immer das herrliche Gefühl: Es geht wieder los!

    Ursprünglich wollten wir den Kungsleden ganz klassisch von Nord nach Süd laufen. Wegen der gerade in Abisko statt findenden Fjällräven Classics haben wir uns aber dazu entschieden, das Ganze in der relativen Menschenleere von Kvikkjokk zu starten, statt sich mit Hunderten von lärmenden Wanderern durch die „Wildnis“ zu wälzen. Jetzt starten wir kurz vor 12 Uhr mit nur einer Handvoll anderen Wanderer. Das Wetter ist gut, sommerlich. Wir wandern mit T-Shirts durch den Wald, der immer dichter wird und uns langsam ins Fjäll hinein führt. Langsam steigt der Pfad leicht an, wird etwas steiniger. Claudia bekommt heute ihr Erfolgserlebnis: Mein Rucksack mitsamt Zelt und dem Proviant drückt auf meinem Rücken. Ihrer ist um Einiges leichter und so habe ich große Mühe, an den Steigungen mitzuhalten. Fairerweise muss man festhalten, dass sie gleich anbietet, noch einige Kilogramm von mir in ihren Rucksack zu nehmen. Aber ich lehne dankend ab: Wenn sie als eine der wenigen Trekkingfrauen mitkommt, dann soll sie auch einen Rucksack von nicht mehr als 15 Kilogramm tragen.
    Der Tag verläuft unspektakulär. Wir laufen uns ein, genießen das Fjäll. Gegen 18 Uhr kommen wir an die Hütte. Der Hüttenwirt begrüßt uns. Außer uns sind nicht übermäßig viele Leute da. In der Hütte treffen wir einen Mann etwa Mitte 40, der uns sodann auf Deutsch anspricht. Er ist nach seinem Medizinstudium in Freiburg mit seiner Frau nach Schweden ausgewandert. Der Grund: Als Medizinerin hätte sich seine Frau im deutschen Klinikalltag entscheiden müssen – entweder Kinder oder Karriere. Sein zutreffender Satz ist, dass „die deutschen Chefärzte mit ihrer Personalpolitik zwei gut ausgebildete Generationen von Medizinern nach Skandinavien getrieben haben“. Nach dem, was ich so von ein paar Freunden weiß, die auch Mediziner sind, hat er da ziemlich Recht. Jetzt wohnen die beiden seit vielen Jahren in Umea. Er ist Oberarzt für Hämatologie in der lokalen Klinik. Die beiden haben mittlerweile vier Kinder und sind voll berufstätig. Seine Frau ist mit den Kindern gerade auf Besuch bei den Großeltern in Deutschland. Er wollte die Zeit nutzen, um eine Runde um den Sarek über Kungsleden und Padjadalleden zu drehen. Er ist Trekkingprofi. Aber auch die sind nicht frei von Fehlern. Er hat seine neuen Trekkingschuhe beim Trekken einlaufen wollen, um dann festzustellen, dass er nach drei Tagen vor lauter Blasen kaum noch laufen kann. Er zeigt uns seine lädierten Füße. Einen Tag hat er schon Zwangspause machen müssen. Den nächsten Tag will er sich bis Kvikkjokk durchschlagen und wird dann wohl einen Hubschrauber nach Ritsem nehmen müssen, wo sein Auto geparkt ist.

    Wir gehen am ersten Abend früh ins Zelt. Gegen 22 Uhr schlafe ich im Hellen ein, wache kurze Zeit danach wieder im Hellen auf und vermute, dass ich nur kurz eingenickt bin. Die Uhr zeigt aber 4 Uhr morgens. An die Länge der Tage im nordskandinavischen Sommer muss ich mich erst wieder gewöhnen.





    Zuletzt geändert von Cattlechaser; 28.10.2013, 22:21.
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    #2
    AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

    14. August 2013
    Wir gehen es gemütlich an und kriechen gegen 9 Uhr aus dem Zelt. Als Letzte. Zumindest fast. In einem anderen Zelt hören wir, wie sich ein österreichisches Paar mit dem Bemühen um gedämpfte Lautstärke aber trotzdem hörbar streitet. Als Grund vermuten wir: Er geht gerne trekken, sie hat sich von ihm überreden lassen und heute Nacht hat es geregnet. – Vielleicht war das ihrer Laune nicht gerade zuträglich.

    Wir sitzen lang in der Hütte und trinken Tee, während wir noch mit dem deutsch-schwedischen Arzt tratschen. Er wickelt seine gigantische Blase mit Tape ab. Als ich einen Blick darauf erhasche denke ich nur, dass ich mich mit einer Blase mit solch einem Ausmaß vermutlich direkt mit dem Hubschrauber ausfliegen lassen müsste. Zwischendurch bauen wir das Zelt ab. Die Österreicher machen das Gleiche - allerdings im Gegensatz zu uns völlig wortlos. Es nieselt.

    Als wir gerade losgehen wollen, beginnt ein Platzregen. Also stellen wir uns noch unter das Vordach der Hütte und quatschen weiter mit dem Arzt. nebenbei schälen wir uns alle in unsere Regenmontur. Wir gehen los, als der Regen etwas nachlässt. Direkt vor uns gehen dann auch die Österreicher. Sie geht seeehr langsam. Er fügt sich ihrem Tempo. Wir überholen schnell und sind froh, die gedrückte Stimmung mit den beiden hinter uns zu lassen.

    Heute zeigt sich das Fjäll von seiner wechselhaften Seite. Es ist nicht wirklich schlechtes Wetter, es kommen aber immer wieder kleinere Schauern über die Berge. Regenjacken und –hosen an, Regenjacken und –hosen aus. Der Weg windet sich weiter durch den Wald. Die großen Steine, über die man immer wieder steigen muss, machen es beschwerlich. Dann geht es in einem ersten großen Anstieg über die Baumgrenze hinweg. Der Blick ist frei auf die Schönheit Lapplands. Die vorbei ziehenden Regenwolken tauchen die Szenerie in ein melancholisches Bild. Wir machen unsere Mittagspause und holen unseren Fleecepullis heraus. Der Wind kühlt viel stärker aus, als man es beim Gehen vermutet. Drei schwedische junge Burschen überholen uns zunächst. Dann begegnen wir ihnen etwas später wieder, als sie gerade ihre Mittagspause einlegen. Wir gehen weiter an den steinigen Hängen entlang und steigen dann langsam ab, bis wir an die Grenze des Sarek gelangen. Natürlich ist der Sarek hier nicht per se „wilder“ als die anderen Teile des Kungsleden. Der Pfad zieht sich genauso sichtbar und gut ausgetreten durch die Wälder und auch die für mein Empfinden zu häufig auf dem Kungsleden anzutreffenden Feuerstellen werden hier nicht weniger. Aber nach einigen Kilometern fällt schon auf, dass der Wald hier abseits des Pfades noch dichter und urwüchsiger scheint. Vielleicht ist es nur eine Illusion, eine Einbildung aus dem Bewusstsein heraus, im Sarek zu laufen; vielleicht ist es aber tatsächlich aufgrund der weiten Entfernung zu der mit Fahrzeugen zugänglichen Zivilisation durchaus so, dass hier alles etwas dichter und undurchdringlicher ist.

    Die Etappe ist heute mit ihren ca. 22 Kilometern länger als die gestrige. Es ist keine übermäßige Länge aber mit den schweren, noch mit Proviante für je eine Woche übervollen Rucksäcken und noch keiner Gewöhnung an die tägliche Strecke von ca. 20 km durch die Wildnis wird es heute sehr beschwerlich. Die letzten beiden Kilometer schleppen wir uns durch den Wald. Die drei Burschen überholen uns noch einmal in einem wirklich beeindruckenden Tempo. Aber wir beißen noch einmal auf die Zähne und schaffen auch die letzten Kilometer noch.

    Wir kommen an die Schutzhütte direkt am Südende des Laitaure. Die Schutzhütte ist von einem jungen Schweden belegt, der ganz höflich anbietet, die Hütte für uns zu räumen. Wir wollen ohnehin zelten, so dass wir dankend ablehnen. Die drei Burschen haben den besten Zeltplatz schon belegt, aber wir finden zehn Meter weiter noch einen anderen. Problem ist nur, dass die drei nun massenweise feuchtes Holz anschleppen und der Wind den beißenden Rauch von der nicht weit entfernten Feuerstelle zu unserem Zelt weht. Die drei liegen mehr oder weniger schweigend nebeneinander, drehen eine Zigarette nach der anderen und lassen eine Plastikflasche mit Wodka kreisen. So sieht gepflegtes Chillen für Outdoorer aus. Wir kochen in der Hütte und unterhalten uns eine Weile mit dem jungen Schweden. Er hat schon zwei Wochen Kungsleden mit einem kleinen Abstecher in den Sarek hinter sich.

    Durch unseren späten Start und den langen Trekkingtag ist es schon spät. Die drei Burschen sitzen immer noch schweigend, rauchend und Wodka trinkend an ihrem qualmenden Lagerfeuer, das immer noch bei entsprechender Windrichtung unser Zelt einräuchert. Aber als wir den Reißverschluss zumachen, sind wir überraschend rauchfrei im Zelt. Einen Schluck von unserem Wodka genehmige ich mir nun auch. Wir versuchen noch ein bisschen zu lesen, aber die Müdigkeit siegt schnell.





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    • codenascher

      Lebt im Forum
      • 30.06.2009
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      #3
      AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

      Allein die Einleitung nebst "Akteuren" verheißt schon tolle unterhaltung! Unbedingt schnell weitermachen, damit ich weiß wat die Hessen ab dem 20. aufm Kungsleden so treiben

      Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

      meine Weltkarte

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      • Mika Hautamaeki
        Alter Hase
        • 30.05.2007
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        #4
        AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

        Das ist soo gemein uns mit den Top 5 auf die Folter zu spannen
        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
        A. v. Humboldt.

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        • Cattlechaser
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          • 04.08.2010
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          #5
          AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

          15. August 2013

          Der nächste Tag beginnt früh und ausgeruht. Im Zelt der drei schwedischen Burschen regt sich noch nichts. Dafür ist der Kerl in der Schutzhütte schon wach. Wir stehen pünktlich um 9 Uhr an der Bootsanlegestelle. Die drei Burschen sind mittlerweile auch schon wach, lassen sich aber Zeit. Sie wollen mit dem Boot herüber rudern, weil sie das Geld sparen wollen. Andererseits sind sie faul genug, die weite Entfernung über den Laitaure mehr als einmal rudern. Also bekunden sie, sich vieeel Zeit zu lassen, bis der nächste mit einem dann überschüssigen Boot vom Nordufer angerudert bekommt. Um es vorweg zu nehmen: Die drei stoischen Brüder im Geiste sehen wir später wieder, nachdem sie bis ca. 13 Uhr auf einen Ruderer gewartet haben. So kann man den Tag natürlich auch verbringen.

          Bei der Überfahrt über den Laitaure genießen wir bereits eindrucksvolle Blicke in die Deltamündung des Rapa im Rapadalen. Wenn man die breit gefächerten Ausläufe, die Wälder, die steil aufsteigende Felswände nur sieht, ist klar, warum es das „Tal der Täler“ genannt wird. Das Wetter klart auf. Die Sonne taucht das Tal in magisches Licht. Am Nordende thront mächtig, fast 600 Meter praktisch senkrecht zum Tal abfallend, der berühmte Skierfe. Auch wenn ich bereits genügend Bilder von ihm gesehen hatte bin ich von seiner Mächtigkeit und Schroffheit stark beeindruckt. Mit dem Skierfe vor uns ist die Entscheidung, uns heute einen Tag für die Besteigung des Skierfe zu nehmen, stillschweigend gefallen. Bei diesem Anblick und dem passenden Wetter gibt es zwischen uns die Einigung per Gedankenübertragung. Wir machen Quartier an der Aktse-Hütte, stellen als erste unser Zelt auf und gehen mit leichten Rucksäcken bergan.

          So abweisend der Skierfe von Süden aussieht, so leicht führt der Pfad von Osten über die Kammlinie ansteigend zum Gipfel. Leicht ist in diesem Zusammenhang vielleicht übertrieben – es geht ohne technische Schwierigkeiten nach oben. Die ca. 800 Höhenmeter auf den 7 km zum Gipfel wollen allerdings auch erst einmal bewältigt werden. Also schleppen wir uns voran, auf den ersten Metern noch euphorisch wegen der ungewohnt leichten Rucksäcke, nach zwei Kilometern dann schon deutlich angestrengter. So mühsam alles ist, der Blick nach vorne und nach unten in das Rapadalen lässt schon erahnen, mit was für einer Aussicht wir belohnt werden. Die letzten Zweihundert Höhenmeter führen sodann steil über Blockfelder zum Gipfel. Die Aussicht oben erschlägt mich fast. Unendlich weit blicken wir über Lappland, Berge, weiß leuchtende Gletscher, dunkelblaue Gewässer, Wälder und direkt unter uns das Rapadalen. Vorher hätte ich nicht gedacht, das Wasser bei gleichen Lichtbedingungen so viele verschiedene Farben haben kann. Das hellblaue Gletscherwasser, was in der Mitte fließt. Das braune Brackwasser, welches in den Mäandern absteht und langsam verlandet. Das dunkelblau-braune Wasser, welches die erodierte Erde zu Tage fördert. Gelblich schimmerndes Wasser über sandigen Tümpeln. Ich kann mich nicht daran satt sehen.











          Oben sitzen zwei Frauen und ein Mann zusammen und machen Pause, während sie sich angeregt unterhalten. Genauer gesagt unterhalten sie sich nicht, sondern eine der beiden Frauen - Mitte Fünfzig, ausgestattet von Jacqueline Wolfskin – quasselt unablässig auf die beiden ein. Später an der Aktse-Hütte lernen wir die beiden anderen kennen, ein sehr nettes Paar aus der Nähe von Ulm um die 50. Wir machen ein paar Fotos.

          Die Quälige Quasselstrippe schwatzt gerade einmal nicht mit dem Paar aus Ulm, sondern sitzt ca. 3 Meter neben uns. Ich sage halblaut zu Mrs. Cattlechaser, ich werde noch ein paar Minuten warten, bis sich die Wolken über dem Rapadalen vielleicht wieder verzogen haben. Jacqueline Wolfskin bemerkt von der Seite so unaufgefordert wie plötzlich: „Pardon! Darauf würde ich mich nicht verlassen! Die Wettervorhersagen für heute Nachmittag sind eher schlecht.“ Die Intonation einer klischeehaften Oberschullehrerin macht sie nicht sympathischer. Ich sitze also hier in Lappland am Rande des Sarek auf einem majestätischen Berg, um mich von einer Deutschen über die Wetterprognosen von Lappland belehren zu lassen. Meine Antwort ist ein knappes Schulterzucken.

          Auf dem Abstieg holen wir die drei langsam ein, überholen sie dann und laufen einen erheblichen Abstand heraus. Die drei sind vor allem deshalb so langsam, weil die Quälige Quasselstrippe beständig auf einen der beiden aus Ulm einredet. Als wir sie überholen, wechselt sie gerade von einem belanglosen Thema zum nächsten. Der Mann läuft schließlich mehr als 100 Meter vor den beiden Frauen. Es scheint, als wolle er die Stille der Natur für den weiteren Abstieg ohne eine verbale seitliche Dauerbeschallung genießen.

          Als wir beim Abstieg wieder auf den Kungsleden treffen, reden wir kurz mit einem deutschen Paar, Typ Studenten, ca. Mitte 20. Die beiden sind uns sehr sympathisch, wir tauschen uns aus, woher – wohin. Die beiden sind auf ihrer ersten Trekking-Tour. Sie fragen, ob man bei diesem Wetter auf den Skierfe könne. Sie hätten die vielen Wolken gesehen und aus Vorsicht heute noch auf eine Besteigung verzichtet: „Wir warten auf besseres Wetter.“ Nur – heute ist ein Wetter, das man im Fjäll problemlos als Sommertag bezeichnen kann. Auf meinen entsprechende Bemerkung meinen die Unverbesserlichen Wetteroptimisten, dass sie lieber noch den nächsten Tag abwarten würden (an dem –so viel sei gesagt- der Skierfe in dichten Wolken getaucht sein würde). Den Skierfe haben sie also vermutlich nicht bestiegen, aber sie sahen nicht so aus, als würden sie sich die Laune dadurch vermiesen lassen.
          Als wir wieder zur Aktse-Hütte zurück kehren, haben sich mittlerweile die Lager gefüllt. Wir sind vom heutigen Aufstieg und den vorherigen Trekkingtagen mit einer wohligen Salzkruste auf unserer Haut ausgestattet und an der Aktse-Hütte gibt es eine Naturdusche, in dem Wasser aus dem Gebirgsbach über einen Schlauch gesaugt wird. Es fällt mir sehr schwer (bei kaltem Wasser bin ich ein echter Weichling, also der spruchwörtliche Warmduscher) aber eine Dusche muss heute sein. Das Wasser ist eisig, zumindest für mich, aber dafür kann ich heute meine persönliche Heldentat zelebrieren, mich bei gefühlt 7 Grad kaltem Wasser geduscht zu haben. (Die Haare habe ich aber ausgelassen, dazu hat es nicht mehr gereicht.)

          Inzwischen hat sich eine kleine Gruppe um die beiden Hüttenwirte gebildet. Sie sind sehr nett, wir haben sie schon heute Morgen kennengelernt. Wir stellen uns dazu und kommen mit einigen anderen Treckern ins Gespräch. Neben mir steht ein Kerl aus Deutschland – etwa Ende zwanzig, dunkle kurze Haare, ein wild gewucherter Zwei-Wochen-Bart, groß, eine kleiner Wohlstandsbauch, mit ziemlich verdreckten Trekkingsachen und einem Heinz-Sielmann-Gedächtnis-Expeditions-Schlapphut. Sarek, denke ich. Zutreffend, wie sich gleich heraus stellt. Ich lerne den Härtesten der Harten kennen.
          „Sachma, kommt ihr von Süden?“
          Ich bejahe. Er hat einen nasalen Norddeutschen Akzent.
          „Wisst ihr wie das hier mit der Überfahrt über den See und dem Boot funktioniert?“
          Ich erkläre es ihm.
          „Ja, war bei uns genauso als wir gekommen sind.“
          Ach so. Er weiß es also schon und will nur ins Gespräch kommen. Na gut. Woher, wohin, frage ich ihn.
          „Wir sind gerade aus dem Sarek gekommen. Zwei Wochen mitten in der Wildnis. Absolut super. Gigantisch.“
          Es folgt ein längerer Monolog über Situationen, durch die sich er uns sein Kumpel gekämpft haben.
          Es war teilweise so schlimm - „das kannste eigentlich keinem erzählen! Vor allem nicht unseren Frauen“, sagt er grinsend in Richtung Mrs. Cattlechaser. „Und dann sind wir an einem Felshang lang. Koine Sicherung, nichts! Ging sooo steil da runter!“ Er zeigt mit den Händen einen Neigungswinkel von ca. 60 Grad. „In Deutschland hätte sie das längst gesperrt. Aber hier ja nech.“
          Ich werde langsam richtig genervt von dem Typen. Ich mag es, mich über die Tour mit anderen auszutauschen. Was ich nicht mag, sind Leute mit ausgeprägtem Hang zur Selbstbeweihräucherung. Er fährt fort.
          „Boah, dann zum Schluss im Rapandelta, wir haben uns durch richtig tiefen Sumpf gekämpft. Teilweise sind wir stecken geblieben und kaum noch raus gekommen. Und die Sträucher sooo hoch!“ Er deutet mit den Händen eine Höhe von ca.2 Meter 50 an. „Das war wie im Dschungel von Kambodscha!“
          „Weiß nicht, ich war noch nie in Kambodscha“, bemerkte ich schmunzelnd.
          „Ach, ich mein ja nur. Das war halt so wie…“, entgegnet er.

          In der angenehm warmen Abendsonne dieses Tages setze ich mich vor eine der Übernachtungshütten auf die Bank und werfe meinen Gaskocher an.




          Mrs. Cattlechaser geht zwischendurch nach innen, um einen Suppenlöffel zu leihen. Als sie heraus kommt erteilt sie uns beiden Essverbot in der Hütte: Die Quälige Quasselstrippe sitzt am Tisch und beschallt jeden, der es hören will, und auch jeden, der es nicht hören will, mit ihren Geschichten. Nicht von ungefähr kommt nach kurzer Zeit auch der Mann aus der Nähe von Ulm ans Freie. Er sucht eher quasselfreie als frische Luft. Wir genießen unser Abendessen vor der Hütte, reden noch ein bisschen mit ihm und gehen wieder einmal ziemlich früh ins Zelt.
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          • Hunter9000
            Dauerbesucher
            • 02.06.2012
            • 678
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            #6
            AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

            Sehr schöner Bericht, indem es viel zu Lachen gibt
            Auch wenn ich wahrscheinlich bei der Quasselstrippe irgendwann mal ausfallend geworden wäre.

            Bitte schnell weiter schreiben!

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            • woelfchen
              Erfahren
              • 20.03.2010
              • 276
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              #7
              AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

              Ich find den Bericht auch genial! Wobei ich mir schon vorstellen kann, wie ich beim Härtesten der Harten und der Quasselstrippe reagiert hätte

              Das ihr Männer aber auch immer wegen dem kalten Wasser so zimperlich sein müsst!

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                #8
                AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                Zitat von woelfchen Beitrag anzeigen
                Ich find den Bericht auch genial! Wobei ich mir schon vorstellen kann, wie ich beim Härtesten der Harten und der Quasselstrippe reagiert hätte

                Das ihr Männer aber auch immer wegen dem kalten Wasser so zimperlich sein müsst!

                Naja Woelfchen wir Männer können eben auch sensible sein. Darauf stehen doch die Frauen, wenn ein Mann feinfühlig ist in gewissen Momenten.

                @Cattlechaser

                Toller Bericht, genial beschrieben wie schon im letzten Jahr vom südlichen Kungsleden. Mach bitte weiter so, denn dein Schreibstil gefällt mir sehr gut.
                Zuletzt geändert von ; 30.10.2013, 14:49.

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                • Mortias
                  Fuchs
                  • 10.06.2004
                  • 1232
                  • Privat


                  #9
                  AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                  Schließe mich den anderen an, ich finde den Bericht überaus amüsant geschrieben. Macht richtig Freude den zu lesen, vor allem auch, weil die Naturbeschreibungen echt gut ausformuliert sind und somit auch die Freude an dieser schönen Landschaft sehr authentisch rüberkommt. Nur über ein paar mehr Bilder pro Etappe würd ich mich sehr freuen.

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                  • tjelrik
                    Fuchs
                    • 16.08.2009
                    • 1244
                    • Privat


                    #10
                    AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko



                    Zitat von Cattlechaser Beitrag anzeigen

                    9. Die Schlotternde Schwedin
                    Auf dem Abstieg vom Tjäkktjapass kommt uns eine Schwedin entgegen, die offensichtlich keine Handschuhe hat. Bei nasskaltem Wetter, Gegenwind und Temperaturen von etwa 5 Grad sind ihre Hände vermutlich eisig kalt. Es ist generell eine natürliche Reaktion, diese in die Taschen des Softshells zu stecken. Bloß: Wenn es im sehr, sehr steil abfallenden Gelände über nasse und daher sehr rutschige Steine geht, würde ich lieber an die Hände frieren (oder gleich Handschuhe mitnehmen), als einen schlimmen Sturz zu riskieren.


                    6. Die Feuermacherin
                    [...] Eine schwedische Frau mittleren Alters wirft zwei riesige vor dem Ofen liegende Holzscheite hinein. Dann nimmt sie den Gasanzünder neben dem Herd mit einem kleinen Piezozünder (!!!) und klickt mit dem Anzünder wieder und wieder im Ofen an die Holzscheite. Als es wundersamer weise nicht klappt, klickt sie an dem zweiten Holzscheit herum. Selbstverständig genauso sinn- und ergebnislos. Schließlich erbarmt sich ein Schwede, nimmt ihr den Zünder aus der Hand, wirft einige dünne trockene Holzspäne in den Ofen und zündet diese mit dem Feuerzeug an.
                    Danke für das Ausräumen so mancher Vorurteile.
                    bear shit - sounds like bells & smells like pepper

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                    • Kuoika
                      Erfahren
                      • 23.08.2012
                      • 471
                      • Privat


                      #11
                      AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko



                      Hihi, kann mich auch nur anschliessen. Macht super Spass, hier zu lesen. Bei den schrägen Typen ist wohl der Härteste der Harten mein bisheriger Favorit. Augenroll.
                      Regenschirm scheint bei manchen zur Grundausstattung zu gehören. Uns kam letztes Jahr zwischen Sitojaure und Aktse auch ein Herr mit Schirm entgegen...

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                      • Mika Hautamaeki
                        Alter Hase
                        • 30.05.2007
                        • 3996
                        • Privat


                        #12
                        AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                        Zitat von Kuoika Beitrag anzeigen


                        Hihi, kann mich auch nur anschliessen. Macht super Spass, hier zu lesen. Bei den schrägen Typen ist wohl der Härteste der Harten mein bisheriger Favorit. Augenroll.
                        Regenschirm scheint bei manchen zur Grundausstattung zu gehören. Uns kam letztes Jahr zwischen Sitojaure und Aktse auch ein Herr mit Schirm entgegen...
                        Ich finde einen Regenschirm gar nicht so doof. Wenn der Regen mit wenig Wind ums Eck kommt und der Schirm evtl. auch stabil genug ist, um als Wanderstockersatz zu dienen, ist es total praktisch. Letztlich hält ein Schirm doch mehr Regen ab, als die beste Jacke. Ich hab auch schon überlegt einen mitzuschleppen, aber das letzte Mal hatte ich schon genug auf´m Rücken, da wollte ich mir die 300 g sparen und dann hab ich bei dem Mistwetter innerlich geflucht, daß ich den Schirm nicht dabei hatte.
                        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                        A. v. Humboldt.

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                        • Scrat79
                          Freak
                          Liebt das Forum
                          • 11.07.2008
                          • 12533
                          • Privat


                          #13
                          AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                          Oh ja, diese skandalösen Zustände dort!
                          An den Steilpassagen fehlen doch tatsächlich noch die Rolltreppen!
                          Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                          Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

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                          • Kuoika
                            Erfahren
                            • 23.08.2012
                            • 471
                            • Privat


                            #14
                            AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                            Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigen
                            Ich finde einen Regenschirm gar nicht so doof. Wenn der Regen mit wenig Wind ums Eck kommt und der Schirm evtl. auch stabil genug ist, um als Wanderstockersatz zu dienen, ist es total praktisch. Letztlich hält ein Schirm doch mehr Regen ab, als die beste Jacke. Ich hab auch schon überlegt einen mitzuschleppen, aber das letzte Mal hatte ich schon genug auf´m Rücken, da wollte ich mir die 300 g sparen und dann hab ich bei dem Mistwetter innerlich geflucht, daß ich den Schirm nicht dabei hatte.
                            Hm, in manchem Terrain mag ich bei Regen aber keine meiner Hände zum Schirmhalten hergeben. Da halt ich mich lieber an den Wanderstöckchen fest oder fang mich direkt ab, falls ich von einem glitschigen Stein rutsche... Wäre mir mit Schirm in der Hand nichts.

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                            • Mika Hautamaeki
                              Alter Hase
                              • 30.05.2007
                              • 3996
                              • Privat


                              #15
                              AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                              Zitat von Scrat79 Beitrag anzeigen
                              Oh ja, diese skandalösen Zustände dort!
                              An den Steilpassagen fehlen doch tatsächlich noch die Rolltreppen!
                              OT: Tja, also, in Norwegen hab ich das wirklich schon erlebt, daß jemand meinte rund um die Fjordkante solle gefälligst ein Zaun gezogen werden, das sei ja so bös gefährlich.
                              So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                              A. v. Humboldt.

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                              • Scrat79
                                Freak
                                Liebt das Forum
                                • 11.07.2008
                                • 12533
                                • Privat


                                #16
                                AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigen
                                OT: Tja, also, in Norwegen hab ich das wirklich schon erlebt, daß jemand meinte rund um die Fjordkante solle gefälligst ein Zaun gezogen werden, das sei ja so bös gefährlich.
                                Und außerdem sollte man das Meer doch bitteschön mit Planen abdecken, damit es nicht mehr so spritzt, wenn man am Strand entlang läuft.
                                Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

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                                • Cattlechaser
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                                  • 04.08.2010
                                  • 848
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                  Vielen Dank für die tollen Kommentare. Der Dialog von Scrattie und Mika ist ja schon schon einen eigenen Faden wert.

                                  Die Fotos sind übrigens in der zweiten Laufwoche wesentlich besser, die zeige ich euch dann in größerer Zahl. Aber nun zurück zum Fjäll .

                                  16. August 2013


                                  Heute sind es nur 10km von der Aktse-Hütte bis zum See und weitere 3km Transfer mit dem Boot zur Sitojaure-Hütte. Eine kurze Etappe zum Entspannen. Hinter der Aktse-Hütte geht es einen Kilometer steil den Berg hoch. Die Unverbesserlichen Wetteroptimisten liegen noch in ihrem Zelt. Der Skierfe ist in dicke Wolken gehüllt, so dass sie ihn auch heute nicht besteigen werden. Aber obwohl es merklich kühler ist, ist es durchgängig trocken.
                                  Der Kungsleden wird flacher und führt gemächlich über das Kahlfjäll südlich am Nunjes vorbei, bis er wieder über ein Steilstück abfällt und wir in das dichte Waldgebiet um den Sitojaure eindringen. Noch zwei Kilometer und wir stehen schon am See. Ein wirklich entspannter Trekkingtag.








                                  Wir haben gerade die Rucksäcke am Steg abgesetzt, als ein Motorboot über den Sitojaure knattert. Ich stelle mich auf den Steg und winke mit den Wanderstöcken durch die Luft. Das Motorboot kommt näher, es ist einer der beiden privaten Fährleute. Wir fragen, ob er uns zur Sitojaure-Hütte bringen kann. Er nickt und winkt uns rein. Dann legt es ab, ohne noch etwas von sich zu geben. Der Schweigende Sami schafft es, während der gesamten Fahrt kein Wort zu sagen. Die Überfahrtgebühr steckt er wortlos ein und deutet uns mit den Worten „To Sitojaurestugorna? This way!“ den Weg durch die wuchernden Gräser zur Hütte. Ein durchschnittlicher Nordeuropäer spricht statistisch pro Tag (mal so geschätzt) 4.000 Worte. Dabei kommt aber vermutlich auf zwei Schweigende Sami mit jeweils 20 Worten pro Tag eine Quälige Quasselstrippe, die dann mit einem Tagespensum von 11.960 Worten das statistische Mittel auf die besagten 4.000 Worte nach oben schwatzt.

                                  Wir sind früh da. An der Hütte ist noch nichts los und wir suchen uns den besten Zeltplatz aus. Dann können wir entspannen, lesen und in der nahe gelegenen Sumpfwiese mehrere Hände voll Moltebeeren sammeln. Abends bin ich gerade dabei, mittel der mitgebrachten Hackfleisch- und Tomatendosen und der getrockneten Kräuter und Gewürze eine Art Outdoor-Gulasch zu kochen, als alle in der Hütte nach draußen strömen. Anna ist gekommen. Anna ist eine junge Sami, die sich im Sommer ihr Geld damit verdient, den Motorbootservice über den Sitojaure zu betreiben sowie lokale Speisen und Produkte an die Wanderer zu verkaufen. Heute hat sie ofenfrischen Brotfladen mitgebracht und außerdem absolut fangfrisch Bachsaiblinge, die vor 20 Minuten noch im Wasser geschwommen haben. Leider habe ich das Gulasch schon auf dem Herd. Die Saiblinge machen schon beim Anblick hungrig. Wir kaufen zwei Brotfladen. Drinnen möchte ein junger US-Amerikaner Auskunft darüber, wie er den Fisch zubereiten könnte, den er gerade frisch von Anna gekauft hat. You either may poach it or fry it, antworte ich. Da er augenscheinlich von pochieren noch nie was gehört hat, nimmt er sich die Pfanne zur Hand. Vorher will er aber dem rohen Fisch mit einem stumpfen Brotmesser den Kopf und vielleicht auch noch den Großteil des oberen Filets absäbeln. Als passionierter Hobbykoch kann ich das nicht mit ansehen. Der Fisch darf nicht umsonst gestorben sein! Ich frage ihn, ob ich denn nicht den Fisch für ihn braten könne und er nimmt dankbar an. Dafür bekommt er ihn mit dem mitgebrachten Rosmarin und Thymian gefüllt und in Olivenöl mit Knoblauch angebraten. Als ich ihm das Ganze serviere sehe ich, dass ich heute einen jungen Trekker glücklich gemacht habe.

                                  Wir lassen den Abend mit unserer Lektüre im Zelt ausklingen. Nachts trommelt der Regen laut gegen die Zeltwände. Die angesagte Schlechtwetterfront ist eingetroffen.



                                  17. August 2013

                                  Der Regen prasselt laut gegen die Zeltwand. Wir drehen uns noch einmal im Schlafsack. Der Regen prasselt weiter. Und weiter. Irgendwann stehen wir dann doch auf. Frühstück im Liegen im Zelt, dann Zeltabbau im strömenden Regen. Heute ist echtes Ekelwetter.

                                  Die 20 Kilometer bis zur Saltoluokta-Fjällstation führen durch ein recht unspektakuläres Hochtal. Unspektakulär ist auch die Sicht. Die dunklen Regenwolken hängen kaum mehr als 100 Meter über uns. Es regnet. Und regnet. Und regnet. Wir fressen stumm unsere Kilometer. Die Handschuhe sind schon nach wenigen Kilometern durchgeweicht. Claudia Cattlechaser hat vor unserem Urlaub mit der neuen Arbeitskollegin Petra über Trekking geredet. Auf die verwunderte Frage eine Nicht-Trekkerin, was wir denn dann so bei Regenwetter machen würden, hat Claudia dann wahrheitsgemäß die für Petra schockierende Antwort gegeben, dass wir uns einfach die Regensachen anziehen und laufen würden, bis wir das Tagesziel erreicht hätten. Ich bestehe daher darauf, dass wir für ihre Kollegin „Renate Rübe“ (ich kann mir den richtigen Namen Petra Gr. nie merken) ein Beweisfoto machen müssen. Claudia ist so durchgeweicht und herunter gekühlt, dass ihr das Lächeln etwas schwer fällt.




                                  Hier: Das Renate-Rübe-Beweisfoto



                                  Mittags machen wir Rast in der Schutzhütte Autsutjvagge. Dort kochen mehrere Gruppen von Trekkern eng gedrängt ihr Mittagsmahl. Wir rücken alle zusammen. Das Aufwärmen tut gut. Danach ziehen wir nur halb getrocknet wieder die Regensachen an. Der Regen flaut auf, mit dem Gegenwind ist es eisig kalt. Das Wetter zum Abgewöhnen zieht uns zwar viel Kraft aus dem Körper, tut unserer Laune aber keinen Abbruch. Die Wolken sinken tiefer und ziehen in Schleiern durch das Hochtal. Dicke Wolken hängen an den aufragenden, durch Gletscher geschliffenen Bergen, lösen sich erst langsam und dann immer schneller, bis sie den Blick auf die bizarr aufragenden Felsen freigeben. Dann treibt der Wind schon wieder die nächsten Regenschleiern heran, die den Blick verhüllen.




                                  Regenwolken umhüllen die steilen Berge




                                  Wolken, zum Greifen nah




                                  Beinahe am Ziel


                                  Nach etwa acht Stunden fast ununterbrochenem Regenwandern zuzüglich einer Stunde Pause sind wir endlich kurz vor der Saltoluokta. Erst jetzt hört der Regen auf und das Fjäll zeigt sich wieder von seiner schönen Seite. Wir checken in der Fjällstation ein und bekommen …das letzte freie Doppelzimmer! Nach so einem Tag ist das ein Lottogewinn. Erst einmal gibt es eine warme, warme, warme Dusche. (@woelfchen in #7, ja wir Männer sind manchmal doch sehr zimperlich, meine Frau ist diesbezüglich aber noch schlimmer ). Dann wird das nass verpackte Zelt draußen zum Trocknen aufgestellt und die durchgeweichten Sachen irgendwie im überfüllten Trockenraum verteilt. Heute ist der perfekte Tag für ein Stück Zivilisation.
                                  Wir haben uns zum Abendessen im Haupthaus angemeldet. Das ist wunderschön rustikal gestaltet und an diesem Abend bis auf den letzten Platz besetzt. Wir bekommen einen Tisch zugewiesen. Alle anderen sitzen schon da. Eine bunte Mischung aus Trekkern und urlaubenden Familien, die sich alle sehr leise und dezent unterhalten. An unserem Tisch sind nur vier weitere Gedecke. Es sitz aber nur eine weitere Person am Tisch, ein alter Schwede so um die 60, gedrungen mit nicht unerheblichen Wohlstandspolstern und einem rötlich geädertem Gesicht. Ich muss zweimal hinschauen – er ist die perfekte Kopie von Schildkröte aus Dittsche! Schildkröte nippt still an seinem Starköl. Wir bestellen uns auch ein Starköl und prosten ihm zu. Er sagt genauso viel wie Schildkröte in Dittsche. Nichts. Das ist aber nicht weiter schlimm, weil der gesamte Speisesaal sich sehr dezent unterhält.

                                  Zur Verständnis dessen, was nur passiert, muss erwähnt werden, dass meine Frau kaum etwas mehr peinlich berührt, als in einem mit Menschen gefüllten, aber sehr ruhigen Raum der mit Abstand lauteste Tisch zu sein. Und in genau diesem Moment wird unser Tisch zu lautesten. Die Kumpels von Schildkröte kommen rein und sie haben den Abend schon mit ordentlich Wodka und Starköl eingeleitet. Neben mich setzt sich ein großer bulliger Typ mit dunklen Haaren, der mit seinem alkoholischen Standgas eine sehr joviale Art an den Tag legt. Er ähnelt in etwa Tuco, dem „Hässlichen“ aus dem Sergio-Leone-Western „The Good, the Bad and the Ungly“. Ein stiller Kerl - wohl der einzig noch halbwegs nüchterne – setzt sich gegenüber zu Schildkröte. Als letzter kommt die Kopie von Marty Feldman , wirre Locken, ein Dauergrinsen von Ohr zu Ohr und leicht verdrehte Augen. Er macht den Eindruck, als habe er das Wetttrinken gewonnen. Er setzt sich einfach zwischen Claudia und mich auf die Ecke, ohne ihr die Chance zu lassen, zu mir zu rutschen und ihm den Platz frei zu machen. Als ich ihn nett frage, ob wir denn nicht rutschen sollen, antwortet er ganz beschwingt: „No thank you. It’s o.k. for me“ und grinst. Meine Frau meint auch, dass alles in Ordnung sei - was es aber nicht ist, das sehe ich ihr an. Sie will nur kein großes Aufsehen erregen, die anderen schauen ohnehin schon. (Sie kann aber manchmal auch so kompliziert sein.)

                                  Tuco ist ganz interessiert und fängt ein Gespräch mit mir an. Mal abgesehen davon, dass angesichts seiner Lautstärke der gesamte Saal zum Zuhören verdammt ist (was mir das peinlich berührte Gesicht von Mrs. Cattlechaser mitteilt), sind er und seine ganze Truppe unglaublich positive Typen. Sie sind echte Einheimische aus Gällivare; vier Kollegen, die im Sommer als Bauarbeiter und im Winter als Tischler arbeiten. Sie haben gestern dienstlich einen großen Baukran von Gällivare nach Ritsem überführt und genießen nun ein Wochenende ohne ihre Familien in der Fjällstation. Eine echte skandinavische Herrentour. Ich gebe ihm ein paar ironische Kommentare zurück und bringe die ganze Runde zum Lachen; die Kerle haben Humor. Sogar Schildkröte, der ansonsten gar nichts sagt, fängt an zu kichern. Marty Feldman stellt mir, nachdem mein erstes Starköl alle ist, sein angetrunkenes Bier hin und holt sich selbst ein neues. Das Gelächter wirkt auch auf den gesamten Saal ansteckend, so dass wir keine gestörten, sondern eher amüsierten Blicke ernten. Es wird ein wirklich schöner, lustiger Abend. Irgendwann will uns Tuco erzählen, wie er heißt und bekommt es in seinem betrunkenen Englisch nicht mehr richtig zurecht. „My name is… I am a guy called… a gay called… Andersson.” Seine Kumpel kichern schon. “Your name is Gay Andersson?” frage ich bewusst falsch. Der Scherz ist natürlich nüchtern betrachtet kein Brüller, aber in dieser Stimmung brechen Schildkröte und Marty Feldman in schallendes Gelächter aus. Schildkröte lacht Tränen. „Gay Anderson, hey! You are Gay, Anderson.“ An solchen Abenden entwickelt sich so etwas als Running Gag. Wir kommen schließlich alle aus dem Lachen nicht mehr raus, inklusive Mr. Tuco „Gay“ Andersson und Mrs. Cattlechaser.

                                  Bevor mir die Kerle genaue jenes letzte Starköl hinstellen können, das die Kopfschmerzen am nächsten Morgen verursacht, verabschieden wir uns. Die Schweden bestellen derweil noch ein Bier…


                                  18. August 2013

                                  Heute ist Ruhetag. Ausschlafen, Wäsche waschen, Vorräte nachkaufen. Der Regen hat sich endgültig verzogen und der Sonne Platz gemacht. Wir genießen das gute Wetter und lesen unsere Bücher vor der Fjällstation. Die sichtbar verknittert aussehenden Schweden aus Gällivare verabschieden sich mittags von uns, bevor sie den Heimweg antreten. „Gay Andersson“, ruft Marty Feldman, worauf alle vier wieder in schallendes Lachen ausbrechen.

                                  Nachmittags bin ich vor dem großen Andrang der erste und einzige Gast in der Herrensauna. Nach der ersten Saunarunde gehe ich in die Dusche und treffe ein bekanntes Gesicht. „Naaa, auch hier? Boah, ich muss erst mol den Körper ordentlich reinigen. Das tut so gut, wenn du mol zwei Wochen in der Wildnis warst“, sagt der Härteste der Harten. Auch er hat es also zur Saltoluokta geschafft.

                                  Abends genießen wir wieder das Dreigangmenü der Fjällstation. Sie kochen außerordentlich gut. Heute Abend sitzen wir wesentlich ruhiger neben einem schwedisch-dänischen Paar aus Malmö, die gerade ihre Tour beendet haben.


                                  Zuletzt geändert von Cattlechaser; 01.11.2013, 17:15.
                                  Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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                                    Fuchs
                                    • 07.06.2008
                                    • 1929
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                    Sehr schöner Bericht und schöne Bilder, danke fürs Einstellen!
                                    "Das Leben leicht tragen und tief genießen ist ja doch die Summe aller Weisheit."
                                    Wilhelm von Humboldt, 1767-1835

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                                      #19
                                      AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                      Ich kann mich da nur anschließen, musste mir wirklich das Lachen kaffeetrinkend verkneifen.

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                                      • dingsbums
                                        Fuchs
                                        • 17.08.2008
                                        • 1503
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                        Auch von mir ein Danke für diesen schönen Bericht - die Strecke war meine erste Tour in Lappland, das weckt Erinnerungen. Aber du hast uns einfach so einen Tag unterschlagen?

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                                        • 5-oclock-charlie

                                          Dauerbesucher
                                          • 23.11.2008
                                          • 780
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                          Sehr geiler Reisebericht ... Normalerweise freut man sich, wenn man die Tour abgeschieden macht, aber bei den Unikaten, kann man auch gerne viele Leute treffen
                                          Das Leben ist kein Ponyhof!

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                                          • Bearded
                                            Erfahren
                                            • 20.12.2012
                                            • 112
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                            Kann mich den begeisterten Kommentaren nur anschließen. Sehr schöner Bericht, sehr schöner, anschaulicher und humoriger Schreibstil. Die Mischung aus "Wildnis" und abendlicher Geselligkeit gefällt mir persönlich sehr gut. Danke! Du machst mir Skandinavien gerade schmackhaft, bislang zieht es mich meist in wärmere Gefilde.
                                            "Auf der Spaß-Galeere, wäre lieber alleine - von hinten schreit jemand: Jetzt rudert ihr Schweine!" (Kettcar)

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                                            • Mika Hautamaeki
                                              Alter Hase
                                              • 30.05.2007
                                              • 3996
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                              Deinetwegen mußte ich den Monitor putzen...Kaffeeflecken... Herrlicher Bericht, ich freu mich schon auf die Fortsetzung! (Dann aber ohne Kaffee)
                                              So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                              A. v. Humboldt.

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                                              • Cattlechaser
                                                Dauerbesucher
                                                • 04.08.2010
                                                • 848
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko


                                                Zitat von dingsbums Beitrag anzeigen
                                                Auch von mir ein Danke für diesen schönen Bericht - die Strecke war meine erste Tour in Lappland, das weckt Erinnerungen. Aber du hast uns einfach so einen Tag unterschlagen?
                                                Du hast Recht! Der 16. August fehlt. Und das, obwohl ich den Bericht schon geschrieben habe. Ich werde ihn gleich oben chronologisch in #17 einsortieren.

                                                OT: Mika, dann ist dein Monitor wenigstens mal wieder sauber.
                                                Zuletzt geändert von Cattlechaser; 01.11.2013, 17:16.
                                                Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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                                                • Mika Hautamaeki
                                                  Alter Hase
                                                  • 30.05.2007
                                                  • 3996
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                  Zitat von Cattlechaser Beitrag anzeigen

                                                  Du hast Recht! Der 16. August fehlt. Und das, obwohl ich den Bericht schon geschrieben habe. Ich werde ihn gleich oben chronologisch in #17 einsortieren.

                                                  OT: Mika, dann ist dein Monitor wenigstens mal wieder sauber.
                                                  OT: Ja, das war auch mal wieder nötig, aber nu is auch gut mit der Putzerei...

                                                  Und ich dachte, daß ich den 16. überlesen hatte.
                                                  Zuletzt geändert von Mika Hautamaeki; 01.11.2013, 17:42. Grund: Einfügung
                                                  So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                                  A. v. Humboldt.

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                                                  • tjelrik
                                                    Fuchs
                                                    • 16.08.2009
                                                    • 1244
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                    Wann gehts denn weiter?
                                                    bear shit - sounds like bells & smells like pepper

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                                                    • pippilotta703
                                                      Anfänger im Forum
                                                      • 18.05.2013
                                                      • 49
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                      Ein sooo wunderschöner und auch gefährlicher Bericht - Nordlandvirus für alle !

                                                      4 Wochen später hatten die Wanderunikate den Kungsleden leider alle verlassen, es ging da ziemlich ruhig und beschaulich zu

                                                      Bitte bald weiterschreiben..
                                                      Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
                                                      - Antoine de Saint-Exupéry

                                                      Kommentar


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                                                        Dauerbesucher
                                                        • 04.08.2010
                                                        • 848
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                        Zitat von pippilotta703 Beitrag anzeigen
                                                        Ein sooo wunderschöner und auch gefährlicher Bericht - Nordlandvirus für alle !

                                                        4 Wochen später hatten die Wanderunikate den Kungsleden leider alle verlassen, es ging da ziemlich ruhig und beschaulich zu

                                                        Bitte bald weiterschreiben..
                                                        Letztes Jahr sind wir ja Anfang September den südlichen Kungsleden gelaufen und das war insbesondere am Rogen viel, viel einsamer. Es war zu erwarten, dass es im August gerade bei diesem Abschnitt so belebt war. Aber wir sind halt mittlerweile an die Kindergartenferien gebunden . Immerhin: Diese "belebte" Trekkingtour war auch wieder ein ganz eigenes Erlebnis.

                                                        Ich arbeite gerade weiter am Bericht. Morgen ist der ODS-Stammtisch in Karlsruhe. Dienstag kann ich dann vermutlich die nächsten 3 Tage online stellen.
                                                        Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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                                                          Anfänger im Forum
                                                          • 18.05.2013
                                                          • 49
                                                          • Privat


                                                          #29
                                                          AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                          Zitat von Cattlechaser Beitrag anzeigen
                                                          Letztes Jahr sind wir ja Anfang September den südlichen Kungsleden gelaufen und das war insbesondere am Rogen viel, viel einsamer. Es war zu erwarten, dass es im August gerade bei diesem Abschnitt so belebt war. Aber wir sind halt mittlerweile an die Kindergartenferien gebunden . Immerhin: Diese "belebte" Trekkingtour war auch wieder ein ganz eigenes Erlebnis.
                                                          Auf jeden Fall ! Und die Kids werden doch auch älter...
                                                          In der Abiskojaure hatte ich dann auch noch echtes Kungsledenfeeling.
                                                          Die Hütte voll belegt- 1 Holländer, 1 Däne, 1 Paar aus Japan, 2 Schwedinnen, 6 Männer aus Stockholm und ich. Dennoch Gemütlichkeit beim Essen mit Kerzenlichtern und Kaminfeuer. Das hatte was .

                                                          Für so klasse Berichte warten wir hier sehr gern noch ein wenig. Bis dahin....
                                                          Zuletzt geändert von pippilotta703; 06.11.2013, 08:06.
                                                          Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
                                                          - Antoine de Saint-Exupéry

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                                                          • Cattlechaser
                                                            Dauerbesucher
                                                            • 04.08.2010
                                                            • 848
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                            19. August 2013

                                                            Heute beginnt die zweite Trekkingwoche. In den nächsten beiden Tagen werden wir weniger schräge Typen sehen, dafür aber das schwedische Fjäll in all seiner rauen Schönheit. Die Sonne strahlt an diesem Morgen; bei geschätzten 15 Grad haben wir bestes Trekkingwetter. Wir setzen mit der Fähre über. Der Bus bringt uns die 30km bis nach Vakkotavare, das nichts mehr ist als eine Wanderhütte an der einsamen Straße nach Ritsem.
                                                            Direkt hinter der Hütte geht es gleich steil bergan. Der Pfad windet sich in Serpentinen durch die Sträucher und Bäume; rechts von uns hören wir das Rosen eines Baches, bis schließlich ein großer Wasserfall auftaucht. Die Blicke entschädigen für die Strapazen. Zudem macht sich bemerkbar, dass mein Rucksack durch den Verzehr der letzten Tage um Einiges leichter geworden ist. Der Blick zurück zeigt den Suorvajaure von majestätischen Bergen umgeben.








                                                            Auf etwa 850 Meter Höhe passieren wir die Baumgrenze und haben die Steigung geschafft. Vor uns liegt eine Hochebene. Außer uns sind heute nur zwei Wanderer von der Vakkotavare Richtung Norden gestartet. Die von Norden kommenden Trekker sind hingegen noch nicht so weit gekommen, so dass wir das Kahlfjäll fast für uns alleine haben. Hier stellt sich die Ruhe und Einsamkeit ein, die an den betriebsamen Hütten der letzten Tage etwas gefehlt hat. Der Weg führt sanft bergab und bergan. Die wenigen Wolken schweben heute über den Bergen. Nach Südwesten haben wir einen brillanten Blick über den Nordteil des Sareks und die riesigen Gletscher, die sich durch die tief ausgegrabenen Täler ziehen.





                                                            Gegen Mittag rücken die Berge rechts und links näher an das Hochtal heran. Der Wind frischt auf, es wird merklich kühler und von Norden treiben dunkle Wolken heran. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie schnell das Wetter im Fjäll wechseln kann. Innerhalb einer halben Stunde ist das Sommerwetter Vergangenheit, wir sind in unsere Regensachen geschält und laufen gegen den kalten Wind, der immer wieder kleine Schauern in unsere Gesichter bläst. Der Weg verläuft jetzt leicht bergab. Der kleine Bach, der bei der Schneeschmelze vermutlich ein reißender Strom ist, hat tiefe Mäander in die Erde gegraben. In einer windstillen Ecke setzen wir uns in den Graben und machen unsere Mittagspause. Zwischendurch bricht die Sonne einmal durch und wir sehen unseren ersten Regenbogen. In der klaren Luft und den Bergen wirkt der Regenbogen viel kräftiger, als man dies von Mitteleuropa kennt. Es soll für diesen Urlaub längst nicht der einzige Regenbogen bleiben. In den nächsten Tagen wird der Wechsel aus Schauern und Sonne zusammen mit dem beständig wehenden Wind einen Dauerzauber aus Regenbögen produzieren.

                                                            Nach der Pause kommen wir schnell voran und laufen bergan bis zum Teusojaure. Nachdem wir den weißen Kanister gehisst haben, holt uns der Hüttenwirt schnell mit seinem Motorboot auf die andere Seite. Die Hütte in wunderschön gelegen. Die umliegenden Berge fallen steil und von Gletschern zerklüftet zum See ab. Direkt am See und um die kleine Bucht, an der die Hütte gelegen ist, stehen die Bäume dicht zusammen und zaubern ein Grün in die Landschaft. Nur wenige Höhenmeter über der Hütte beginnt wieder die Baumgrenze, so dass zwischen dem Blau des Sees und dem Grau der Berger ein saftig-grüner gefärbter Saum liegt. Der Wind weht immer noch stark und treibt die Wolken direkt über den Bergen her durch das Teusojaure-Tal. Zwischendurch bricht immer wieder die Sonne durch. Wir beobachten das Naturschauspiel.

                                                            Unser erster Regenbogen in Lappland…




                                                            Am Teusojaure kommt gleich der nächste Regenbogen:




                                                            Faszinierendes Spiel aus Licht und Schatten:







                                                            Wir haben die 13 km dieser kurzen Etappe geschafft, aber wir sind eingelaufen von der ersten Etappen und fühlen uns fit. Wir schauen uns nur an, nicken uns zu und gehen weiter. Heute schaffen wir noch ein gutes Stück. Kurz nach der Teusojaure-Hütte geht es steil bergan, noch steiler als an allen anderen Stellen. Aber es sind zum Glück nur ca. 150 Höhenmeter, dann ist die Plackerei geschafft.

                                                            Wir gelangen wieder ins eben verlaufende Kahlfjäll. Es ist schon später Nachmittag. Alle anderen Trekker sind schon in der Teusojaure und gehen nicht mehr weiter, oder sind von Norden kommenden in der Kaitujaure geblieben. Wir haben das Fjäll für uns alleine. Zudem verziehen sich plötzlich die Wolken und die tief stehende Sonne taucht die Berge in einen goldenen Farbton. Wir gehen schweigend nebeneinander her und genießen es, hier zu zweit unterwegs zu sein. In der Ferne sehen wir ein großes Rentier, das von allem unbeeindruckt am Kungsleden steht und grast. Wir kommen immer näher und finden das Rentier beachtlich groß. Schließlich sehen wir, dass es keine verästelten Hörner sondern Schaufeln am Kopf trägt. Kein Rentier. Ein Elch. Ein echter Elch! Der Elch schaut zweimal in unsere Richtung bleibt aber weiter gelassen. Wir kommen bis auf ca. 30 Meter auf ihn heran, bis er schließlich gemächlich vom Kungsleden weg in Richtung Berge läuft.

                                                            Der Pfad steigt nun gemächlich zum Kaitujakka ab. Dort unten am Kaitumjakka sieht man schon wieder einige Bäume. Wir passieren zunächst Sträucher und finden nach ca. 100 Meter vom Fluss entfernt und etwas 3 km vor der Kaitumhütte einen wunderschönen Zeltplatz. Er liegt etwas geschützt zwischen Sträuchern aber exponiert genug, dass man einen Panoramablick hat. Wir schlagen das Zelt auf und ich koche Nudeln mit frisch zubereiteter Tomatensauce. Dazu gibt es die beiden Biere, die wir von der Saltoluokta hierher getragen haben. Heute haben wir ca. 23 km geschafft. Das Wetter hat sich beruhigt, wir gießen einen Abend in völliger Einsamkeit umgeben von den Schönheiten des Lapplandfjälls. So muss Trekken sein.

                                                            Abends präsentiert sich das Fjäll wieder sommerlich:




                                                            Panoramablick vom Zeltplatz:




                                                            20. August

                                                            Der Tag beginnt windig, bewölkt und kalt. Nach unserem Frühstück gehen wir, die Softshells bis zum Hals zugezogen, entlang dem Ufer des Kaitumjakke in Richtung der Kaitum-Hütte. Nach wenigen hundert Meter kommen wir an einer beeindruckenden Schnelle des Kaitumjakka vorbei, bei welcher der sonst so ruhig fließende Fluss die Kraft eines großen Stromes entwickelt:





                                                            Noch ist es trocken. Der Weg führt mehr oder weniger in unmittelbarer Nähe des Flusses entlang, am dem Bäume und Büsche dicht gewachsen sind. Aber der Kungsleden ist auch hier breit ausgetreten, so dass wir auch mit den Rucksäcken gut hindurch passen. Wir kommen schnell voran. Nach noch nicht einmal einer Stunde ist die Kaitum-Hütte erreicht, an der wir uns ein paar Riegel und einen Tee als zweites Frühstück gönnen. Claudia fragt in der Hütte nach, ob sie uns ein Leichtbier für den heutigen Abend verkaufen. Das Bier ist leider seit den Fjällräven Classics leergekauft. Nun gut, man kann auch ohne Alkohol Spaß haben.

                                                            Der Kaitumjakka fließt geradeaus in den Kaitumsee, wir knicken nach Norden ab in das Tjäktjatal. Der Weg geht von der Kaitum-Hütte aus ein Stück bergan. Die Berge rücken eng zusammen. Der Tjäktjajakka ist nicht sichtbar, aber tost hörbar durch eine tief ausgegrabene Schlucht. Nach einiger Zeit wird es flacher und die Berge weiten sich wieder. Dafür verdichten sich die dunklen, tief hängenden Wolken immer mehr. Wir ziehen die Regensachen an. Gerade rechtzeitig. Ein klassisch skandinavischer Schauer übergießt uns, dazu weht uns der auffrischende Wind ins Gesicht. Es ist heute wirklich kühl. Wir beschleunigen eher unsere Schritte, um die Temperatur zu halten.

                                                            Die Berge rücken etwas zurück und wir durchlaufen ein kleines Hochtal. Der Wind weht Regenschauer über die in Grau und Grün getauchte Landschaft. Durch Gletscher abgeschliffen und imposant steil aus der Ebene aufragend kommen uns rechts der Stuor Avrrik mit 1354 Metern und links der Stuor-Jierta mit 1543 Metern entgegen. Die beiden Berge bilden eine Wand, durch die sich der Tjäktjajakka seinen Weg bahnt. Auf einmal hört der Regen über uns auf. Der Wind treibt die Wolken auseinander, die Sonne bricht durch und vor uns steht plötzlich einer der schönsten Regenbögen, die ich je gesehen habe:



                                                            Wind und die Wolken spielen ein beeindruckendes Spiel. Nur wenige Wegmeter und ca. 15 Minuten später, sieht dieselbe Landschaft aus, wie an einem milden Hochsommertag:




                                                            In der Talenge zwischen Stuor Avrrik und Stuor-Jierta ist es angenehm windstill. Zudem hat der Regen geraden einmal aufgehört. Wir machen unsere Mittagspause. So sehr ich zu Hause gerne koche, so sehr schätze ich im Fjäll eine schöne Instant-Tütensuppe. Die Wärme weckt Kräfte. Wir gehen weiter und das Tjäktjatal weitet sich. Auch wenn das Tal wolkenverhangen ist, können wir gut nachvollziehen, warum es als eines der schönsten Abschnitte des nördlichen Kungsleden gilt.




                                                            Die nächsten Stunden arbeiten wir uns nach Norden. Der Pfad ist breit ausgetreten. Immer wieder kommen Regenschauern vom Himmel, so dass wir die Regenkleidung beständig anbehalten. Es ist an diesem kühlen Tag ohnehin keine große Belastung. Irgendwann kommen uns von rechts Wanderer entgegen, die von der Kebnekaise kommen. Hier mündet der viel begangene Weg von Nikkaluokta auf dem Kungsleden und die relative Einsamkeit der letzten beiden Tage ist vorüber. Es sind deutlich mehr Wanderer zu sehen. Wir passieren die Singihütte am späten Nachmittag und bereiten uns mit der freundlichen Genehmigung des gerade neu eingeflogenen Hüttenwirtes einen Tee in der Küche ohne Zahlen der Tagesgebühr zu. Es ist schon später Nachmittag. Die Hütte ist heute voll besetzt, eine Menge Leute bereiten bereits ihr Abendessen zu, die meisten sichtlich geschafft vom Weg und den kühlen Wetterverhältnissen.

                                                            Wie gehen noch weiter. Kilometer um Kilometer laufen wir am frühen Abend stumm über den Kungsleden in einer beschaulichen Einsamkeit, die wir sonst von Nordeuropa abseits der Saison kennen. Nach etwa sechs weiteren Kilometern bietet die Kuoperjakka-Schutzhütte jede Menge schöne Zeltplätze inmitten der Einsamkeit und schöner Landschaft. Wir schlagen unser Zelt auf. Heute haben wir stolze 24 km geschafft. Für das Abendessen gehen wir ins die Hütte, die schon mit einem jungen deutschen Paar besetzt ist. Die beiden sind auf ihrer ersten Tour und die Regenkleidung ist wohl nicht so dicht, wie sie sich dies versprochen hatten. Zudem hat die Frau keine Handschuhe mit und nach den starken Schauern am späten Vormittag so sehr an Oberkörper und Händen gefroren, dass sie noch nicht einmal bis zur Singi weiter laufen wollte. Die beiden haben also heute lediglich die sieben Kilometer von der Sälkahütte bis zur Schutzhütte geschafft und sitzen seitdem in der Hütte, spielen Karten und trinken Tee. Ihre Laune ist allerdings davon überhaupt nicht berührt. Sie hätten ohnehin noch ganz viel Zeit für die weiteren Lauftage. Also warum nicht einen Wettertag einlegen? So sehr mir die Einstellung sympathisch ist: Der Wirt in der Singi hat berichtet, es sei in den nächsten beiden Tagen richtig schlechtes Wetter vorhergesagt. Sturm und Schnee in den Gipfelregionen, das heißt auch hier nachts nicht mehr als 3-4 Grad. Ob die beiden die nächsten Tage weiter gezogen sind, wissen wir nicht.

                                                            Hinter uns ist aus Richtung der Kebnekaise mit ca. einem halben Kilometer Abstand eine große Gruppe von Wanderern gegangen, mehr als 10 Personen. Die Gruppe kommt auch an der Schutzhütte an und beginnt, ihre Zelte aufzuschlagen. Netterweise lassen sie einen ordentlichen Abstand zu unserem Zelt. Während ein Vaude-Zelt sehr fjälltauglich aussieht, sind zwei Kuppelzelte eher älteren Datums und ein Giebelzelt ist eher der „vintage“-Fraktion zuzuordnen. Einen größeren Sturm wird das Giebelzelt wohl nicht überstehen. Doch davon in den nächsten Tagen mehr. Die Gruppe besteht aus deutschen Pfadfindern aus München, in etwa im Alter von 16-19 Jahren. Ich zähle sechs Jungen und fünf Mädchen. Die Wilde Dreizehn. Die Wilde Dreizehn lernen wir später kurz kennen, allesamt unglaublich nette Teens, die Lust auf ein kleines Abenteuer in Lappland hatten. Etwas wild, gut, aber völlig altersgerecht. Es wäre eher suspekt, wenn sie nicht so wären.

                                                            Das deutsche Paar in der Hütte gibt den Raum für die Pfadfinder frei und baut das Zelt nicht weit von unserem auf. Es ist ein kleines Kuppelzelt, das zwar stabil zu sein scheint, bei dessen Platzangebot aber selbst kleine Leute schon sehr verliebt sein müssen, um eine Nacht gemeinsam miteinander auszuhalten. Wir gehen ins Zelt und lesen noch einige Zeit. Die Wilde Dreizehn ist draußen noch länger zu hören.

                                                            Unser Camp nahe der Schutzhütte in der Wildnis:

                                                            Zuletzt geändert von Cattlechaser; 07.11.2013, 12:21.
                                                            Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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                                                              Fuchs
                                                              • 18.10.2008
                                                              • 1076
                                                              • Privat


                                                              #31
                                                              AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                              Nice story CC, I particularly enjoy your humor in the text. And btw very good pictures too. Walking the Kungsleden in summer has been on my "list" for some time. Maybee now that we both are pensioneers we may find time for it.
                                                              Ich lese und spreche Deutsch ganz OK, aber schreiben wird immer Misverständnisse.
                                                              Man skal ikke i alle gjestebud fare, og ikke til alle skjettord svare.

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                                                                Anfänger im Forum
                                                                • 18.05.2013
                                                                • 49
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                Die Fotos - märchenhafte Regenbögen und der Teusajaure – ganz großes Kino !
                                                                Dieser Abschnitt steht nun auch noch auf meiner Liste.
                                                                Mal abwarten, was in 2014 so möglich ist.
                                                                Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
                                                                - Antoine de Saint-Exupéry

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                                                                  Fuchs
                                                                  • 10.06.2004
                                                                  • 1232
                                                                  • Privat


                                                                  #33
                                                                  AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                  Echt unheimlich unterhaltsam geschrieben mit diesen ganzen geschilderten Charakteren. Ein wirklich sehr heiterer Schreibstil, der sich ziemlich gut in einem Rutsch durchlesen lässt. Die Bilder sind auch klasse. Aber ist ja auch einfach eine schöne Landschaft da oben.

                                                                  Kommentar


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                                                                    • 848
                                                                    • Privat


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                                                                    AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                    Vielen, vielen Dank für die wirklich tollen Kommentare. Das ist eine echte Aufmunterung, die mich antreibt. Dieser Reisebericht dauert viel länger und ist viel ausführlicher als die anderen (mit Ausnahme der Molwanien-Reise, aber da waren wir auch länger unterwegs), weil die Charakterbeschreibungen so viel Raum einnehmen. Aber ich denke an euch und hocke mich gerne vor die Tastatur. Finally greetings to everybody reading abroad, such as you Otto.

                                                                    And now for something completely different...


                                                                    21. August
                                                                    Claudia träumt viel in dieser Nacht. Es dämmert schon, als sie aus ihren Träumen erwacht. Oder ist sie gar nicht wach und dies ist die Fortsetzung ihres Traumes? Ich sitze aufrecht vor ihr im Schlafsack und starre an ihr vorbei auf die Zeltwand.
                                                                    „Hau ab!“ rufe ich. Und noch einmal „Hau ab!“.
                                                                    Sie spricht mich an. Wacht sie oder träumt sie? „Was ist denn los?“.
                                                                    „Das ist was draußen“, rufe ich, unentwegt weiter auf die Zeltwand starrend.
                                                                    „Was? Was soll da sein“, meint Claudia.
                                                                    Plötzlich dehnt sich direkt in Höhe ihres Kopfes das Außenzelt nach innen. Eine große Beule drückt sich ins Innenzelt, etwa so groß wie ein Kinderkopf. Das Etwas draußen macht ein erst schabendes und dann ein schmatzendes Geräusch – Krrrrrr Schlllrrp. Ich schnelle aus dem Schlafsack nach vorne und haue mit der flachen Hand fest auf die Ausbeulung. Erschreckt löst sich das Etwas vom Zelt und die Beule verschwindet. Jetzt ist Claudia wirklich wach.
                                                                    „Was war das?“
                                                                    Ich mache das Zelt auf und schaue heraus. Um das Zelt herum steht in der Morgendämmerung eine Herde Rentiere, die mich käuend ansieht. Eines der Rentiere muss Lust auf das kondensierende Wasser gehabt haben Vielleicht ging es auch um die Mineralien des salzigen Kondenswassers – vor einigen Tagen habe ich bei einer Hütte gesehen, wie ein Rentier die salzige Feuchtigkeit am „Urinalbaum“ aufgeschlabbert hat. Nach diesem aufregenden nächtlichen Intermezzo mache ich noch ein Foto vom schönen Sonnenaufgang. Dann schlafen wir noch zwei Stunden.





                                                                    Wir sind als erste auf den Beinen. Die Nacht war kalt und der Tag ist es ebenso. Maximal sind es 8 Grad. Graue, dicke Wolken ziehen über den Himmel. Noch ist es trocken, aber an der tiefblauen Färbung einiger Wolken kann man erkennen, dass die Schauern nicht lang auf sich warten lassen. Zudem hat der Wind in der Nacht aufgefrischt und fegt mit beeindruckender Schärfe über die Berge. Wir gehen in die Schutzhütte und frühstücken. Als wir heraus kommen, ist das junge Paar neben uns gerade aus dem Zelt geklettert. Ihr ist schon wieder kalt, kein Wunder bei den dünnen Klamotten. Wir packen unsere Rucksäcke und schaffen es sogar, das Zelt trocken einzupacken. Die Wilde Dreizehn liegt immer noch in ihren Zelten.

                                                                    Wir brechen auf und werden nach wenigen Kilometern vom ersten Schauer begrüßt, den uns der Wind vertikal ins Gesicht weht. Die Regensachen werden wir an diesem Tag nur noch selten ausbekommen. Uns kommt eine ganze Reihe von Trekkern entgegen, die vor einer Stunde an der Sälka-Hütte aufgebrochen sein müssen. Alle sind dick gegen Wind und Regenschauern verpackt und ziehen stumm und wortlos durch die düstere Landschaft. Wir laufen weiter und haben vor dem Mittag die Sälka-Hütten erreicht.


                                                                    Brückenüberquerung mit einem Hauch von Sonne:



                                                                    Meist dominieren Wind und dunkle Regenwolken die Szenerie:



                                                                    In einer der Hütten machen wir Pause, trinken Tee und kochen uns eine Tütensuppe. In der Hütte sitzen drei ältere Trekker aus Schweden und spielen Kniffel. Die Drei sind gestern von dem kalten Regen komplett durchnässt worden. Das deutsche Paar, welches wir in der Schutzhütte getroffen haben, hatte uns schon erzählt, dass die Schauern weiter nördlich sehr heftig waren. Die drei Schweden haben die Sälka-Hütte erreicht und dann beschlossen, einen Tag abzuwettern und die Kleidung zu trocknen. Wir sind nach einer Stunde Aufenthalt gut aufgewärmt, schälen uns wieder in die Schutzmontur und brechen auf Richtung Tjäktjapass. 10 Minuten nach der Aufbruch setzt ein feiner Nieselregen ein, der durch den Wind immer wieder beschleunigt wird und uns eisig ins Gesicht klatscht. Auf den ersten Kilometern kommen uns noch einige Leute entgegen. Ab dem frühen Nachmittag sehen wir so gut wie keinen mehr. Wer heute nicht früh in der Tjäktja-Hütte hinter der Passhöhe aufgebrochen ist, wird vermutlich dort abwettern.
                                                                    Die Wolken sinken immer tiefer. Der Wind wird noch stärker, dreht aber dankbarerweise auf südliche Richtung, so dass wir ihn nun im Rücken haben. Wir durchlaufen das Tal, in dem der Tjäktjajakka immer wieder Mäander gegraben hat und wir im Zick-Zack-Kurs über Tretsteine queren müssen. Als wir einen Hügel umrunden sehen wir im Hintergrund den Tjäktjapass auf gut 1.100 Metern. Die Passhöhe liegt kurz unter der Wolkenhöhe. Windgeschützt hinter einem großen Findling machen wir unsere Nachmittagspause und halten uns mit Tee warm. Dann gehen wir die letzten Kilometer zur Passhöhe an.

                                                                    Der Pass steigt auf den letzten Metern extrem steil an. Es ist nach meiner Erinnerung das steilste Stück des Kungsledens überhaupt. Die Temperatur ist nur noch ca. 5 Grad über Null, unsere Handschuhe sind durchnässt. Es ist verdammt kalt. Wir stecken die Stöcke an die Rucksäcke und machen uns auf den Weg nach oben. Während der Pfand an einigen Stellen in steilen Serpentinen sich nach oben windet und uns nur Einiges an Kondition abverlangt, sind andere Stellen so steil und felsig sowie durch den Nieselregen auch extrem rutschig, dass wir unsere Hände zur Hilfe nehmen müssen. Von der Passhöhe kommt uns ein Paar entgegen, das Schwedisch miteinander redet. Der Mann läuft vor, sie hinterher. Dem Tonfall nach zu urteilen hat sie sehr schlechte Laune. Dies mag vor allem daran liegen, dass sie keine Handschuhe dabei hat und ihr eisig kalt sein dürfte. Nur - die Schlotterne Schwedin steckt auf diesem steilen, felsigen und sehr rutschigen Gelände ihre Hände in die Taschen ihres Softshells. Was passiert, wenn sie auf den Steinen ausrutscht? Ich blicke der Schlotternden Schwedin kurz hinterher und drücke ihr die Daumen, dass sie den Pass heil herunter kommt. Als nächstes drücke ich ihrem Partner die Daumen, dass er ihre vorhersehbaren Motz-Attacken heute Abend gut übersteht. Wir kraxeln noch die wenigen Höhenmeter nach oben und haben es geschafft. Für wenige Minuten ist uns wunderschön warm. Auf dem Pass ist niemand zu sehen, weder nach Norden noch nach Süden, mit Ausnahme der Schlotternden Schwedin, die den Pass scheinbar heil überwunden hat.


                                                                    Im Hintergrund der Tjäktjapass:



                                                                    Blick von der Passhöhe nach Süden; die Wolken sind nur knapp über uns:



                                                                    Nach einer kurzen Pause in der Schutzhütte machen wir uns an die letzten drei Kilometer zur Tjäktja-Hütte auf 1.000 Metern. Der Regen hat aufgehört. Hingegen hat sich der starke Wind zu einem echten Sturm entwickelt. Das Wetter schlägt um. Wir gehen durch eine felsige Mondlandschaft die letzten Kilometer, getrieben von den Windböen in unserem Rücken. Ich mache mir einige Gedanken um die Wilde Dreizehn. Die Jungs und Mädels hatten uns gestern Abend erzählt, dass sie bis zum Tjäktjapass laufen und dann auf der Passhöhe zelten wollten. Dort oben gibt es aber keinen windgeschützten Platz und zumindest die Hälfte ihrer Zelte würde einen Sturm wie diesen nicht überstehen. Um aber noch die Stunde weiter zur Tjäktja-Hütte zu laufen, sind sie sehr spät aufgebrochen.

                                                                    Als wir zur Tjäktjä-Hütte kommen, setzt mit dem Sturm wieder der Regen ein. Wir hören von den Hüttenwarten, dass die Hütte übervoll ist. Jeder, der ansonsten zelten würde, möchte aus Angst vor dem Sturm in der Hütte übernachten. Hinzu kommen die Leute, die sonst an diesem Tag weiter zur Sälka-Hütte gelaufen wären, sich wegen des aufziehenden Unwetters aber zum Abwettern entschieden haben. Auf die 20 Plätze in der Sälka kommen an diesem Abend 32 Übernachtungsgäste. In den nächsten zwei Stunden erhöht sich die Zahl noch auf 36. Ich halte gleich nach einem Zeltplatz Ausschau. Etwa hundert Meter von der Hütte entfernt findet sich eine ebene Stelle mit genügend Steinen um die Abspannung zu befestigen. Bei der Hütte steht Claudia mit der Wirtin, die über den gefunden Platz nickt: Yes, this is a good place. Die Wirtin weist darauf hin, dass für heute Nacht ein Unwetter angesagt ist. Als sie unser Zelt sieht, meint sie aber, dass es das aushalten solle. Ganz wohl ist uns trotzdem nicht. Außer uns steht noch ein einziges anderes Zelt dort. Das Kuppelzelt beugt sich bedenklich in den Sturmböen. Am nächsten Morgen erfahre ich, dass es den Sturm ausgehalten hat, aber dies nur mit mehrmaligem Nachspannen und regelmäßigem Ausschöpfen des Regenwassers aus dem Fußteil des Außenzeltes.

                                                                    Wir kochen in der Hütte, in deren großer Küche die Leute dicht gedrängt sitzen. Es ist eine schöne gelöste Stimmung. Draußen tobt der Sturm, der Regen klatscht vertikal an die Fenster. Innen sitzen die Leute bei ihrem Essen und kommen miteinander in Kontakt. Um kurz nach 21 Uhr entsteht plötzlich ein Gewusel. Leute waschen sich, pumpen Luftmatratzen auf? Natürlich! Die 16 zusätzlichen Übernachtungsgäste werden vorrangig auf den Küchenbänken schlafen. Als wir die Enge sehen sind wir froh, heute im Zelt zu übernachten. Draußen ist es düster, der Sturm peitscht uns ins Gesicht. Wir benötigen nicht mehr als die 100 Meter Weg zum Zelt um richtig nass zu werden. Wir liegen in den Schlafsäcken und lesen noch etwas. Der Wind lässt das Außenzelt mit großem Lärm flattern, rüttelt an den Stangen. Auf die ganzen Heringe haben wir noch jeweils einen dicken Stein gelegt. Das Innenzelt bleibt aber beruhigend still. Wutsch, wutsch, wutsch, macht das Zelt. Dann eine kurze Pause. Flaut der Sturm ab? Wutsch, wutsch, wutsch. Offensichtlich nicht. Irgendwann schlafen wir ein.


                                                                    22. August
                                                                    Morgens ist der Sturm abgeflaut, aber die Nacht war wirklich kalt. Als wir das Zelt aufmachen ist es keine Überraschung, dass wir nur 50 Höhenmeter unter der Schneegrenze gezeltet haben. Am Tjäktjapass, so bekommen wir später erzählt, lag morgens eine kleine Schneedecke, auch wenn diese schnell wieder abgetaut ist. Ein paar Meter weiter bauen die anderen Camper ihr stark gebeuteltes Kuppelzelt ab. Wir frühstücken in der Hütte. Die meisten Leute sind schon aufgebrochen. Das ist nur allzu gut verständlich. Wenn sich der erste im „Schlafsaal“ rührt müssen natürlich die anderen mit aufstehen. Wir lassen uns Zeit und sind heute mit Abstand die letzen. Nach den langen Etappen der letzten Tage geht es heute nur die 13 km bis zur Alesjaure-Hütte. Es ist schon 11 Uhr, als wir aufbrechen.


                                                                    Das Zelt und die Schneegrenze:




                                                                    Ein Schneefeld im August:




                                                                    Vom Tjäktjapass aus kommt eine große Gruppe herunter gelaufen. Wir packen noch einmal die Rucksäcke etwas um und werden eingeholt. Es ist die Wilde Dreizehn. Später erfahren wir, dass sie wohl eine Stunde nach uns auf der Passhöhe angekommen sind. Angesichts des starken Sturms haben sie klugerweise darauf verzichtet, die Zelte aufzustellen. Sie haben dann in der Schutzhütte auf der Passhöhe übernachtet. Alle! Dreizehn! Leute!

                                                                    Wir laufen schneller als die dort recht träge dahin trottende Wilde Dreizehn. Der Weg heute ist sehr entspannend. Natürlich ist es kalt, aber es ist nicht mehr so windig und es gibt nur ein paar kleinere Schauern. Der Kungsleden fällt breit ausgetreten über steinige Pfade und über breite Holzbohlenwege in das Tal ab. Die 13 km Wegstrecke verlaufen wir beständig eben oder abfallend. Überhaupt haben wir nach den harten Wandertagen nun das Gefühl, schon langsam ins Auslaufen zu kommen. Nach einem kleinen Schauer bläst der Wind die Wolken weg und vor uns baut sich wieder einer der wunderschönen Regenbögen auf.





                                                                    Das ruhigere Wetter hat all jene wieder nach draußen gehockt, die die letzten beiden Tage in den Hütten abgewettert haben. Eine Menge skurrile Tourengänger kommen uns entgegen. Da ist zum Beispiel der Regencape-Mann, der in Turnschuhen und Jeans über nasse, glatte Steine und matschige Wegstücke läuft. Als Regencape trägt er einen transparenten Plastiksack mit hinein geschnittenen Armlöchern, so wie dies z.B. viele Leute auf Rockkonzerten oder zum Warmhalten vor dem Marathonstart anhaben. Kurze Zeit später begegnen wir eine Gruppe älterer Wanderer, von Mitte 50 an aufwärts, alle mit nicht sonderlich gut zusammen gestellter Ausrüstung. Inmitten der Truppe läuft die Fjäll-Diva. Die akkurat geschminkte (!) und perfekt frisierte Dame trägt einen geöffneten (!) Regenschirm (!!) durch das Fjäll, welcher ständig vom Wind nach vorne und hinten geweht wird und deshalb von der Fjäll-Diva immer wieder neu ausgerichtet werden muss.

                                                                    Wir sind an diesem Tag schnell unterwegs. Einige der von uns an der Tjäktja-Hütte gestarteten Wanderer holen wir wieder ein. Insbesondere bemerken wir eine Gruppe von drei Wanderern, bei denen zwei auf den dritten Wanderer einreden. Der dritte Wanderer hat einen riesigen Rucksack zu tragen, humpelt aber merklich. Die beiden gehen schließlich in normalem Tempo weiter. Wir haben den dritten bald eingeholt. Zu sagen, dass der Wanderer humpelt, ist noch stark untertrieben. Genau genommen schleppt er sich nur noch voran, mit der halben Geschwindigkeit. Er schafft keine zwei Kilometer pro Stunde. Er trägt ein quietsch-buntes Fleece mit wild gezackten Musten, welches vermutlich 1991 modern war, als die Hersteller von Outdoorbekleidung versuchten, den Stil der Love-Parade zu imitieren. Auch der Rucksack ist ein uraltes Modell von Deuter. Ich versuche es auf Deutsch und hilfsweise auf Englisch: „Alles in Ordnung bei dir? Everything o.k.?“
                                                                    „Ei, sischä is‘ alles in Oddnung“, antwortet er in völlig akzentfreiem Südhessisch. Er ist ein eher kleiner, sehr drahtiger Kerl, ungefähr fünfzig, mit dunklen Haaren. Er hat eine breite Boxernase, die vermuten lässt, dass sie durch einen schlecht verheilten Nasenbeinbruch entstanden ist. Wir machen unsere zweite Frühstückspause und er gesellt sich dazu. In der nächsten halben Stunde lerne ich die gesamte Geschichte der Drei Hessischen Musketiere kennen. Zumindest seine Version.

                                                                    Die drei Hessischen Musketiere – Episode I: Rainer
                                                                    Drei Arbeitskollegen aus dem Hessischen haben beschlossen, einmal zusammen Urlaub in Lappland zu machen. Sie waren alle noch nie in Lappland. Der eine, Rainer, hat früher öfters Wandertouren gemacht. Das ist aber schon 20 Jahre her. Die anderen beiden, der 60-jährige Jürgen und der Jüngste, der 130-Kilo-Mann Björn, haben noch nie eine längere Wandertour unternommen, lassen sich aber von Rainer anstecken. Also suchen sie sich ihre alte Wanderausrüstung wieder zusammen oder leisten sich neue in diversen südhessischen Outdoorgeschäften. Dann geht es zusammen im Flieger über Stockholm und Kiruna nach Abisko. Nach einer Nacht in der Fjällstation Abisko geht es am nächsten Morgen – dem gestrigen Tag – zusammen auf den Kungsleden. Soweit der Konsens. Was dann passierte, setzt sich nur Stück für Stück zusammen.

                                                                    Rainer: Die sin‘ mir dann so langsam gegange‘. Da bin isch halt vorgelaufe‘. Ich kann mir des schon vorstelle, dass die net so schnell voran komme. Der eine ist fast Sechzisch, der annere hat hunnertdreißig Kilo. Abbä isch hab dann bei de‘ Hütte uff die beide‘ gewartet. Da is‘ so en‘ Brügge bei de‘ Hütte. Da hab‘ isch mich hingesetzt und gewartet un‘ gewartet. Drei Stunde‘. Isch hab‘ gedacht des kann so net seie‘! Hab‘ isch die dann verpasst?

                                                                    Auf meine Frage hin, ob sie denn das Ganze so abgesprochen und einen Wartepunkt ausgemacht hätten antwortet er: Ja klar habbe mir so was ausgemacht. Abbä die sin‘ und sin‘ net gekomme‘! Was sollt‘ isch da dann mache‘? Da bin isch halt weidä gelaufe‘. Es hätt‘ ja sei‘ könne, dass wir uns verpasst habbe‘ und die weiter obbe des Zelt uffgeschlage‘ habbe‘. Aber war net so. Da bin isch halt immer weidä gelaufe‘. Bis isch zu de‘ Hütte da hinne (er zeigt Richtung Abiskaujaure, die noch ca. 7 km entfernt ist) gekomme‘ bin. Des ware‘ gestern 36 Kilometer. Mein Gott, habbe mir die Beine nachher weh getan. Abbä da ware‘ die auch net!
                                                                    Auf meine Frage, ob es denn überhaupt realistisch sei, dass die beiden an einem Tag zur Alesjaure hätten laufen können, antwortet er: Nein, die hätte‘ des normalerweise nie packe‘ könne‘ Abbä wo solle‘ se denn sonst sei‘? Isch hab drei Stunde‘ gewartet. Von halb Zwei bis fast Fünf Uhr. So lang könne‘ die gar net gebraucht habbe‘!

                                                                    Nachdem er –ohne lauftechnische Vorbereitung in Deutschland- mit seinem 26 kg (!) schweren Rucksack die Ochsentour über 36 km von der Abiskostation bis zur Alesjaure geschafft hatte, sei er noch beim Warten auf den Hüttenwirt eingeschlafen. Später habe er sich in seinen Schlafplatz verzogen und durchgeschlafen. Aber am heutigen Morgen hätten seine Knie –vermutlich der Meniskus- so weh getan, dass er kaum noch laufen konnte. Trotzdem habe er sich auf den Weg zur Tjäktja-Hütte gemacht: Irgendwo müsse‘ sie ja sei‘. Die Schmerzen seien aber so schlimm geworden, dass er nun umdrehen müsse. Wie er zurück nach Abisko komme, wisse er noch nicht. Vermutlich ein Hubschrauber. Das habe ihm der Wirt der Alesjaure-Hütte heute Morgen schon empfohlen. Ich frage ihn, ob ich Teile seines Gepäcks mit zur Hütte nehmen solle. Er verneint trotz meines fast schon als Bitte vorgetragenen Angebots. Isch komm schon zurecht, isch brauch‘ halt nur e‘ bissi länger.


                                                                    Wir machen uns mit seiner Zustimmung weiter und lassen ihn schnell hinter uns. Sein Gang ist wirklich Mitleid erregend, aber er lehnt jede Hilfe ab. Auf unserem weiteren Weg zur Alesjaure-Hütte treibt der Wind noch einmal Schauern über die Berge, lässt sogleich wieder die Sonne durchbrechen und malt herrliche Regenbögen ins Fjäll.


                                                                    Regenbögen und Lichtspiele nahe der Alesjaure-Hütte:










                                                                    Wir gehen zur Alesjau-Hütte und werden gleich von dem Hüttenwirt begrüßt, einem hünenhaften Schweden mit knapp 2 Metern Größe und dunklen Haaren der auf einem Hügel im Zentrum der Hütten steht. Er zeigt uns einen Platz, wo wir unser Zelt aufstellen können. Dies machen wir dann auch gleich. Als wir fertig sind, gesellen wir uns wieder zu ihm. Er ist sehr redselig. Gutes Zelt, meint er auf Englisch. Ob wir es geschafft hätten, letzte Nacht bei der Tjäktja-Hütte zu zelten. Wir bejahen, auch wenn wir neben einem anderen Zelt die einzigen waren. Er nickt und grinst. Die Alesjaure-Hütte, so erzählt er, war gestern Abend ähnlich überfüllt Er gibt ein paar Geschichten zum Besten von Wanderern mit wenig Erfahrung aber dafür viel Selbstüberschätzung.

                                                                    Da war zum Beispiel der Geizige Holländer, ein 16-jähriger Niederländer, der gestern mit seine Mutter an der Hütte vorbei gekommen ist. Die beiden hatten vermutlich erwartet, dass man im August mal locker durch die Berge spazieren kann. Der Junge trug Jeans, die vom Nieselregen feucht waren. Er hatte auch keine Handschuhe. Es nieselte, der Wind blies und es war mit 3 Grad sehr kalt. Der Wirt sah sie im Windschutz vor der Hütte sitzend, zusammen gekauert im Versuch, sich irgendwie die Hände zu wärmen. Der Wirt meinte, er könne ihm ein Paar leichte Handschuhe verkaufen. Die waren ihm aber zu teuer. Der Wirt bat den beiden an, sich für die Tagesgebühr von je 40 Kronen in der Hütte aufzuwärmen und sich einen Tee zu machen. Auch das ist den beiden zu viel Geld. Nach einer kurzen Pause zogen sie nass und zitternd weiter.

                                                                    Ich erzähle die Geschichte von der Fjäll-Diva und der Wilden Dreizehn, die er heute Abend mit vier Zelten erwarten kann.
                                                                    Dann frage ich, ob er sich an Rainer „from Hesse in Germany“ erinnern könne. „The bloke who walked within one day 36 km from Abisko to Alesjaure. Rainer is about to return, but he will have to take his time. He’s got a very sore knee.”
                                                                    Der Wirt bricht mit seiner tiefen Stimme in lautes Lachen aus. “Of cause I remember him. And I’m not surprised at all to see him again.”

                                                                    Der Wirt berichtet, wie er gestern nach einem langen Tag aus der Sauna zurück kam. Es war bereits 22:30 Uhr und dämmerte. Er ging zunächst nicht zu seinem Hütte sondern noch einmal in der Verkaufsraum und Teestubenhütte, die er noch offen gelassen hatte. Dort stolperte er fast über einen riesigen Rucksack, neben dem ein Kerl in voller Montur auf dem Holzfußboden lag und vor sich hin schnarchte. Er kostete ihn einige Mühe, den Schnarcher zu wecken. Noch mehr Mühe kostete es, sich mit dem Deutschen zu verständigen, der praktisch kein Englisch sprach. Der Wirt sprach ein bisschen Deutsch, verstand aber Rainer nicht (was mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht am Hochdeutsch des Hüttenwirtes sondern an Rainers Dialekt lag). Rainer verzog sich sodann sofort ins Bett, humpelte heute Morgen aber schon so stark, dass ihm der Wirt geraten hatte umzukehren. Rainer selbst soll betont haben, es sei schon alles in Ordnung. Er wolle seine Freunde in der Tjäktja-Hütte suchen gehen.

                                                                    Claudia und ich trinken noch einen Tee in der Teestube und füllen unsere karg gewordenen Vorräte auf. Die Kälte der letzten Tage hat uns alle Energie gezogen. Claudia meint, es sei ein tolles Abnehmprogramm. Die Wilde Dreizehn ist mittlerweile angekommen und schlägt die Zelte jenseits der Brücke auf; dort kostet es keine Gebühren. Dann verhandelt eine Abordnung mit dem Wirt über die Service-Fee mit ihm. Er lässt sich überzeigen, nur den beiden Leuten die Gebühr abzunehmen, die in der Hütte kochen und all jenen die Saunagebühr, die später saunieren wollen Fairerweise muss man sagen, dass sich alle von der Wilden Dreizehn auch an die Absprache gehalten haben.

                                                                    In einer der Haupthütte kochen wir unser Abendessen. Herein wankt Rainer, der Hessische Musketier. Man kann es kaum als Laufen bezeichnen. Der Mann ist platt. „Oh Mann hab isch Schmeddse in de Knie.“ Claudia gibt ihm eine hochdosierte Ibuprofen; ihrer Aussage nach „sind das die Dinger, die man nimmt, wenn man gerad `ne Zahnoperation bekommen hat.“ Rainer kocht Wasser für seine Tütennahrung und bleibt wortlos, so erledigt ist er. Zwischendurch sagt er noch: „Ei, des sin‘ ja subbä Dinger die ihr mir gegebbe habt. Da merkt isch ja nix mehr von meine‘ Knie.“ Er kann sogar wieder grinsen. Unmittelbar nachdem er gegessen hat – es ist noch keine 19 Uhr – geht er in seinen Schlafraum und fortan wurde an diesem Abend nicht mehr von ihm gesehen und gehört. Aber Claudia meint, es seien auf alle Fälle sehr starke „subbä Dinger“ gewesen, die sie ihm gegeben habe.
                                                                    Unser Essen köchelt und ich gehe noch einmal nach Draußen um Frischwasser zu holen. Dort kommt mir ein kleiner Herr um die 60 entgegen. Er hat einen mäßigen Bierbauch und trägt eine Brille. Zudem ist er mit einem überdimensionalen Rucksack bestückt, an welchem rechts und links noch verschiedene Utensilien baumeln. So sieht er aus wie die ältere Variante von Samweis Gamdschie, der eine gusseiserne Pfanne durch die Sümpfe in Richtung Mordor schleppt. Irgendwie habe ich da so eine Ahnung. „Du bist doch bestimmt aus Hessen, oder?“, frage ich ihn auf Deutsch.
                                                                    „Ja sischä, woher weißt du des denn?“, fragt er mehr erfreut als verwundert. Ich habe den Hessischen Musketier Jürgen kennen gelernt. Aber das ist eine längere Geschichte.
                                                                    [Wird fortgesetzt.]
                                                                    Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

                                                                    Kommentar


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                                                                      Erfahren
                                                                      • 18.12.2012
                                                                      • 121
                                                                      • Privat


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                                                                      AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                      Danke dir für diesen genial und amüsant geschriebenen Bericht und die tollen Fotos .. aber ehrlich, dem Musketier sei hessische Sprach sind das allerbeste, ich musst so lachen und hab das Musketier gar bildlich vor mir gesehen wie's babbelt

                                                                      Kommentar


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                                                                        Dauerbesucher
                                                                        • 04.08.2010
                                                                        • 848
                                                                        • Privat


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                                                                        AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                        Zitat von Mucci Beitrag anzeigen
                                                                        Danke dir für diesen genial und amüsant geschriebenen Bericht und die tollen Fotos .. aber ehrlich, dem Musketier sei hessische Sprach sind das allerbeste, ich musst so lachen und hab das Musketier gar bildlich vor mir gesehen wie's babbelt
                                                                        Isch kann dir sage: Isch konnt jahrelang kei' Hessisch mehr babble, abbä als isch des da obbe geschribbe hab', ging des plötzlisch widdä ohne Probleme.

                                                                        OT: Ich stamme urspünglich aus Nordhessen. Die Südhessen mögen mir einige Ungenauigkeiten verzeichen.
                                                                        Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

                                                                        Kommentar


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                                                                          Alter Hase
                                                                          • 30.05.2007
                                                                          • 3996
                                                                          • Privat


                                                                          #37
                                                                          AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                          und schon wieder Kaffee auf dem Bildschirm...

                                                                          Das Hessengebabbel, krieg ich heute nicht mehr aus dem Kopf
                                                                          So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                                                          A. v. Humboldt.

                                                                          Kommentar


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                                                                            Gelöscht
                                                                            Fuchs
                                                                            • 03.07.2012
                                                                            • 1920
                                                                            • Privat


                                                                            #38
                                                                            AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                            Die meisten Reiseberichte überfliege ich nur und verharre bei den Bildern.
                                                                            Bei diesem ist es genau anders herum. Vielen Dank! Und bitte mehr.

                                                                            Kommentar


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                                                                              Gerne im Forum
                                                                              • 17.07.2012
                                                                              • 59
                                                                              • Privat


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                                                                              AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                              Wie oft ich schon diese Seite neu geladen habe
                                                                              und dann enttäusch war "nur" einen neuen Kommentar zu sehen
                                                                              upps -> jetzt war ischs auch

                                                                              Ich freue mich schon wie es weiter geht!
                                                                              Danke für den tollen Bericht!

                                                                              Kommentar


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                                                                                Freak
                                                                                Liebt das Forum
                                                                                • 11.07.2008
                                                                                • 12533
                                                                                • Privat


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                                                                                AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                Meine Tastatur schwimmt, vor lauter Tränen, dich ich gelacht hab.
                                                                                Die drei Musketiere rauben mir meine Luft.

                                                                                Einfach nur Genial! Genial! Genial!
                                                                                Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                                                                Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

                                                                                Kommentar


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                                                                                  Alter Hase
                                                                                  • 30.05.2007
                                                                                  • 3996
                                                                                  • Privat


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                                                                                  AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                  Zitat von Cattlechaser
                                                                                  [...] „Hau ab!“ rufe ich. Und noch einmal „Hau ab!“.
                                                                                  Sie spricht mich an. Wacht sie oder träumt sie? „Was ist denn los?“.
                                                                                  „Das ist was draußen“, rufe ich, unentwegt weiter auf die Zeltwand starrend.
                                                                                  „Was? Was soll da sein“, meint Claudia.
                                                                                  Plötzlich dehnt sich direkt in Höhe ihres Kopfes das Außenzelt nach innen. Eine große Beule drückt sich ins Innenzelt, etwa so groß wie ein Kinderkopf. Das Etwas draußen macht ein erst schabendes und dann ein schmatzendes Geräusch – Krrrrrr Schlllrrp. Ich schnelle aus dem Schlafsack nach vorne und haue mit der flachen Hand fest auf die Ausbeulung. Erschreckt löst sich das Etwas vom Zelt und die Beule verschwindet. Jetzt ist Claudia wirklich wach.
                                                                                  „Was war das?“
                                                                                  Ja, die Situation hatte ich mit meiner Ricke auch.
                                                                                  Nachts im Sarek: "Mika, was gibt es hier für Tiere?" Mika, noch total verpennt, da unsanft wach gerüttelt: ...Sag jetzt nicht Bären und auch nicht Fielfraß... "Ricke, hier gibt es nur Rentiere und Elche, warum?" "MIKA!!!!! Da hat gerade etwas an meinem Kopf geknabbert!!!!!!"

                                                                                  Am nächsten morgen fanden wir dann Rentiefährten rund um das Zelt und ein netter Lemming hat unter meinem Hut auch noch sein Wintervorrat an Samen angelegt. Das war eine wirklich tierische Nacht.
                                                                                  So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                                                                  A. v. Humboldt.

                                                                                  Kommentar


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                                                                                    • 26
                                                                                    • Privat


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                                                                                    AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                    Wow, das sind echt atemberaubende Bilder! Da packt mich sofort das Fernweh und ich bekomm so Lust hier endlich mal rauszukommen.... Toller Bericht!

                                                                                    Kommentar


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                                                                                      Dauerbesucher
                                                                                      • 04.08.2010
                                                                                      • 848
                                                                                      • Privat


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                                                                                      AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                      Fortsetzung: 22. August, früher Abend

                                                                                      Ich teile Jürgen mit, dass sich Rainer hier aufhält. „Ach hier ist der“, teilt der mit. „Mer habbe uns schon große Sorgen um de‘ Rainer gemacht.“ Ich begleite Jürgen in die nah gelegene Teestube, wo der hünenhafte Hüttenwirt die Anmeldung ausfüllt. Er gibt Jürgen zunächst einen kurzen Brief von Rainer, in dem steht, dass dieser sich zur Tjäktjahütte aufgemacht habe. Dann teilt der Hüttenwirt Jürgen mit, dass er in Absprache mit Rainer heute um 19 Uhr die Bergwacht hätte rufen sollen, wenn Jürgen nicht aufgetaucht wäre. Der Hüttenwirt probiert es zunächst auf Deutsch; sein Deutsch ist gar nicht so schlecht. Aber Jürgen, der weder ins Hochdeutsch wechselt noch seine Sprechgeschwindigkeit absenkt, ist für ihn nicht zu verstehen. Also übersetze ich mehr oder weniger synchron vom Englischen ins Hessische und umgekehrt. Jürgen findet die ganze Aufregung übertrieben. Schließlich habe er nur eine gemächliche Geschwindigkeit eingelegt. Ich begleite Jürgen zum Haupthaus und erzähle ihm, in welchem Zustand wir Rainer heute aufgelesen haben.

                                                                                      Die drei Hessischen Musketiere – Episode II: Jürgen

                                                                                      Und isch sach noch: Mach langsam, Rainer. Mach langsam! Abbä er wollt ja net auf uns höre‘. Der is‘ in einer Geschwindischkeit vorgerannt, des kannst du dir net vorstelle‘! Mach langsam Rainer, sage ich. Mir habbe den dann schließlisch ziehe‘ lasse‘. Dann kamen mer gestern zur Abiskohütte, wo wir uns verabredet habbe‘ und nirschendwo is‘ de‘ Rainer zu finden. Nirschendwo.
                                                                                      De‘ Björn, das is‘ unser Kollege, der is‘ unne in de‘ Hütte geblieben und geht morschen zurück nach Abisko. De‘ hat des net ausgehalte: des schwere Gepäck und die ganze Steine uff de‘ Weg. Na gut, der hat auch ordentlich Kilo uff de‘ Rippe. (Er sinniert kurz.) Kann de Rainer morgen übbehaupt laufe‘?
                                                                                      Ich verneine dies. Jürgen ist nicht erstaunt.
                                                                                      Na gut, des hätt‘ isch jetzt auch vermutet. So wie der gerannt ist gestern. Und‘ dann hier hoch in eine‘ Rutsch. Des kann net gesund sei‘! Dann muss de‘ halt morgen mit de‘ Hubschrauber runnä gebracht werde‘.


                                                                                      Ich gehe in die Hütte und als mich Claudia fragend anschaut, wo ich denn so lange geblieben bin sage ich: „Du glaubt nicht wen ich eben getroffen habe: Den Kumpel von unserem Hesse Rainer. Der ist gerade angekommen.“ Neben uns grinst plötzlich ein junger deutscher Solowanderer. „Meint ihr etwa die Typen, die sich bei der Abiskojaure verloren haben?“ Auf unserer anderen Seite sitzt ein sehr sympathisches schwedisches Paar in etwa in unserem Alter und meint: „I am not that good German speaking, but we you talking of the crazy German people with the huge Rucksack, which we have met yesterday at Abiskojaure?“ So bekommen wir innerhalb von einer Minute eine lustige, angenehme Runde für den Abend zu Stande, die zudem noch ein gemeinsames Thema einigt.

                                                                                      Währenddessen will die schwedische Feuermacherin das erloschene Feuer im Ofen anzünden. Sie wirft zwei riesige vor dem Ofen liegende Holzscheite hinein. Dann nimmt sie den Gasanzünder neben dem Herd mit einem kleinen Piezozünder und klickt mit dem Anzünder wieder und wieder im Ofen an die Holzscheite. Da aus ihr unverständlichen Gründen keinerlei Feuer entsteht, klickt sie an dem zweiten Holzscheit herum, was selbstverständig genauso sinn- und ergebnislos ist. Schließlich erbarmt sich ein Schwede, nimmt ihr den Zünder aus der Hand, wirft einige dünne trockene Holzspäne in den Ofen und zündet diese mit dem Feuerzeug an.

                                                                                      Wir lassen es uns nicht nehmen, an diesem Tag in die Saune zu gehen. Wir sind als erste in der gemischten Sauna, ganz kurz vor dem netten schwedischen Paar, mit dem wir uns schon beim Abendessen unterhalten haben. Eigentlich ist es sehr angenehm, zu viert in der Sauna zu sitzen. Allerdings müssen wir erst einmal den Ofen wieder anwerfen. Die letzten Gäste haben es wohl ausgehen lassen. So sitzen wir zunächst nur warm aber nicht schwitzend nebeneinander. Aus dem Vorraum der Saune hören wir zahlreiche Stimmen. Die Tür geht auf und ein junger Kerl schaut herein. „Passen wir hier noch rein“, fragt er. Es ist die Wilde Dreizehn. Zum Glück sind nur sieben der 13 gekommen. Wild sind sie trotzdem, aber mit einer unglaublich guten Laune. So, wie man halt drauf ist wenn man als 18-jähriger zusammen mit einer Menge Freunden einen Trekkingurlaub macht. Wir einigen uns darauf, dass wir im Takt von ca. 10 Minuten rotieren. Zum Schluss schaffen wir es sogar, mit 11 Leuten im kleinen Saunaraum zu sitzen bzw. zu stehen. Die Wilde Dreizehn facht erst einmal das Feuer richtig an. Während wir im Vorraum mit dem lauwarmen Wasser duschen, höre ich, wie sie sich drin gegenseitig anstacheln, ins kalte Wasser des Alesjaure zu springen. Es hat geschätzt etwa vier Grad Luft- und Wassertemperatur. „Los geht’s. Feige sein gilt nicht“, laufen die ersten an mir vorbei. Tatsächlich gehen sie alle, wirklich alle bis zum Hals in Wasser! Sag keiner mehr, die Jugend von heute sei verweichlicht. Wir sitzen derweil wieder zu viert in der Saune, die sich nun auf eine ordentliche Betriebstemperatur aufgeheizt hat. Das Gefühl, sauber und vor allem warm zu sein, ist in so einem Moment unbeschreiblich. Die Wilde Dreizehn drängt zurück in den Innenraum. Ich muss zugeben, dass sie mich angestachelt haben. Soll ich es wagen? Also ein Versuch. Ich gehe nach draußen. Die Saunahütte liegt etwas fünf Meter über dem Alesjaure. Es dämmert schon, die Wolken hängen tief über dem See. Aber mir ist wärmer, als ich gedacht habe. Die Holzstufen führen herunter zum See. Ein Fuß rein, dann den anderen. Aaaargh, kalt-kalt-kalt-kalt. Aber ich zähle durch: Eins, zwei, drei. Drei. Drei!!! Ein kurzer Sprung nach vorne und ich stehe bis zum Bauchnabel im eiskalten Wasser. Es ist so kalt, dass ich es nur 10 Sekunden aushalte. Ich war im eiskalten Wasser. Für mich ist das schon ein riesiger Erfolg. Aber nun schnell wieder zurück in die wärmende Sauna.


                                                                                      23. August

                                                                                      Es ist wieder etwas wärmer. Zwar hängen noch die Wolken grau über den Bergen, aber der Wind bläst nur noch sehr schwach und es gibt keinen Regen mehr. Der hünenhafte Hüttenwirt teilt mir heute Morgen mit, für heute Nachmittag und die kommenden Tage sei eine Schönwetterperiode vorher gesagt. Der Kungsleden wird uns auf den letzten beiden Etappen also sommerlich verabschieden.

                                                                                      Wir trinken gerade unseren Tee aus, als Rainer und Jürgen in den Raum wanken. Jürgen läuft noch einigermaßen; Rainer aber humpelt und eiert. Die beiden bereiten sich das Frühstück zu. Rainer jammert aber nicht, sondern konstatiert ganz nüchtern: „Übrigens“, sagt Rainer. „Die Tablette‘ die ihr mir gegebbe‘ habt, des waren subbä Dinger. Die haben geholfen. Ich hab‘ gestern Abend wirklisch gedacht, isch könnt‘ den nächste‘ Tag wieder laufen. Abbä heute morge‘ bin ich uffgestande‘ und hab gemerkt des geht net.“ Ich frage ihn, ob er mit dem Hubschrauber ausgeflogen werde. „Des habbe‘ mer schon vor, aber isch muss gleich mal mit de‘ lange Schwede dann hinne rede‘.“ Er deutet auf den Hüttenwirt, der gerade draußen steht. „Isch muss ma gugge, ob der was mache‘ kann.“

                                                                                      Wir gehen am See entlang. An der Alesjaure-Hütte wurden wir von aus Norden kommenden Wanderern vor dem extremen Matschweg gewarnt. Nun, gemessen an den Warnungen sind wir definitiv enttäuscht. Vermutlich haben alle diejenigen, die die Strecke als matschig empfanden noch nie schottische Bogholes gesehen und noch nie zwischen dem guten dunklen Gras und dem hellgrünen Scheißgras in den Highlands unterscheiden müssen. Die Strecke ist jedenfalls bis auf zwei Stellen von jeweils ca. 20 Metern Längen sehr gut begehbar. Die meisten der wenigen, welche von Süden nach Norden laufen, haben das Boot bis zur Anlegestelle gewählt, um die ersten 7 km abzukürzen. Bei insgesamt nur 20 km Weg, ist das nicht notwendig, aber für uns ist es schön, dadurch den Weg einmal weitgehend für uns allein zu wandern. Nach etwa einer Stunde Gehzeit fliegt aus Richtung Abisko ein Hubschrauber über uns hinweg. Er landet bei der Alesjaure-Hütte. Zwar sehen wir nicht genau, wer ein- oder aussteigt, aber wir vermuten, dass hier gerade Rainer und Jürgen zurück nach Abisko geflogen werden.


                                                                                      Zunächst ist noch alles grau…




                                                                                      …was der Schönheit der Natur aber nicht abträglich ist…




                                                                                      …aber endlich kommt die Sonne durch.




                                                                                      Der Tag verläuft ohne große Ereignisse. Wir laufen fast schon routiniert durch das Fjäll. Zunächst immer am See entlang mit schönen Ausblicken durch das Kahlfjäll. Als der größte Teil des Sees hinter uns liegt, machen wir unserer Mittagspause hinter einem großen Findling. Wir können mittlerweile enorme Mengen in jeder Pause essen. Das liegt vermutlich daran, dass uns die Anstrengung und die Kälte der letzten Tage die Fettreserven aus dem Körper gezogen haben.

                                                                                      Wir kommen zu einem klammartigen Einschnitt, in dem wir auf dem Kungsleden schnell hinunter ins das Tal steigen. Unter ist es grün, verglichen mit dem felsigen Grau hier oben im Kahlfjäll. Als wir fast abgestiegen sind, bricht sogar noch die Sonne durch. Das Fjäll zeigt sich plötzlich wieder von seiner ganz anderen, freundlichen Seite. Am späten Nachmittag sind wir an der Abiskojaure-Hütte. Wir können uns einen schönen Zeltplatz aussuchen und fangen rechtzeitig mit dem Kochen an. Die Abiskojaure-Hütte ist voll besetzt.

                                                                                      Wir gehen wieder in die Sauna. Heute ist zwar nicht das Feuer ausgegangen, aber ein dicker Tscheche vor uns hat sämtlich Kalt- und Warmwasservorräte verbraucht, so dass ich zusammen mit einem älteren Trekker aus Österreich erst einmal Wasser vom See hole. Die Saune ist wieder eine Wonne. Der Österreicher geht zur Abkühlung in den See. Ich habe mir gestern Mut geholt. Ich laufe über die Planken zum Wasser und – springe in den See. Ich bin bis zum Hals im Wasser. Natürlich ist das Wasser entsprechend kalt, aber ich fühle mich wohl. Ich habe es geschafft!


                                                                                      24. August: Finale

                                                                                      Für den letzten Wandertag haben wir einen wolkenlosen Himmel und Sonnenschein. Wir können später sogar die Softshells ausziehen und in den Merinos laufen. Bis zur Abisko-Fjällstation sind es nur noch 16 km. Der Weg führt ebenerdig am Fluss entlang. Wir genießen unseren letzten Tag, laufen langsam und machen viele Pausen. An einer Raststelle im Wald kochen wir noch einmal eine Suppe zum Mittag. Mein Rucksack fühlt sich praktisch völlig leer an; kein Vergleich zum Startgewicht vor zwei Wochen. Die Strecke, das Wetter, unsere Stimmung, die Sanftheit der Landschaft verglichen mit der schroffen Umgebung der letzten Tage… der gesamte Tag ist so angenehm, dass die fünf Stunden Wegstrecke fast an uns vorbei fliegen.











                                                                                      Wir kommen am Nachmittag in Abisko an. Heute ist das Gelände mit Würstchenbuden und Getränkeständen gesäumt. Es findet der Kiruna-Fjällmarathon statt. Es ist kein Wunder, dass wir weder ein Zimmer in der Fjällstation noch einen Platz im Restaurant bekommen. Also stellen wir unser Zelt auf den Zeltplatz zwischen zwei Bäumen auf und kaufen uns bei einem Spaziergang in den Supermarkt etwas zum Kochen ein.
                                                                                      Claudia geht schon vor in eine der beiden nebeneinander liegenden Selbstversorger-Küchen des Wanderheimes, während ich das erste Lattöl seit fünf Tagen auf die Toilette bringe. Als ich zu ihr in die rechte der beiden Küchen komme, grinst Claudia von Ohr zu Ohr. „Du ahnst nicht, wer drüben in der anderen Küche sitzt.“ Das werden doch nicht etwa – die Hessischen Musketiere sein?!

                                                                                      Es sind nicht alle drei, sondern nur Jürgen und der kräftige Björn, der Dritte im Bunde. Ich gehe schnell herüber und begrüße Jürgen erfreut. Er erkennt mich sofort wieder und stellt mich direkt Björn vor. Björn ist in der Tat übergewichtig, aber längst nicht so schlimm, wie man nach den Erzählungen von Rainer vermuten könnte. Seine 130kg verteilt Björn auf über 190cm Körpergröße.

                                                                                      Die Drei Hessischen Musketiere – Episode 3: Jürgen und Björn


                                                                                      Rainer und Jürgen saßen gestern tatsächlich im Hubschrauber, den wir vom See aus gesehen haben.
                                                                                      Natürlisch war isch mit dem da drinn, meint Jürgen. Der hatt ja übbähaupt net genug Geld dabei gehabbt un’ natürlisch au‘ kei‘ Kreditkart‘! Da musst‘ isch ihm doch das ganze Geld gäbbe, de‘ wär‘ ja sonst net heimgekomme‘.
                                                                                      Ob er sich nicht überlegt habe, den Kungsleden alleine weiter zu laufen, frage ich Jürgen. Nein, ich musste doch auf de Rainer uffpasse‘. Un‘ außerdem habbe‘ mei‘ Knie ja auch ordentlisch weg getan. Da hab‘ isch des gleich genutzt mit dem Hubschrauber.
                                                                                      Björn meint noch, dass das Gewicht so unglaublich schwer und der Weg so ungewohnt gewesen sei, dass er schließlich direkt nach dem ersten Tag umgedreht sei.
                                                                                      Schön war des schon, sagt er. Abbä beim nächste‘ Mal müsse‘ mer halt dringend vorher trainiere. Sonst geht des net hier in Schwede‘. Na ja, meint er im Zustand eines glücklichen Gemüts, mache‘ mer halt hier e‘ paar Tage Urlaub. Des is‘ hier auch ganz schön in Abissgo. Mer habbe‘ den Flug jetzt uff de nächste‘ Dienstag verlege‘ könne. So lang halte‘ mer des jetzt hier auch noch aus.
                                                                                      Wo Rainer denn jetzt sei, frage ich die beiden. Ach, der hat kei‘ Bock heut‘ Abend gehabbt mit uns zu koche‘. De‘ kommt bestimmt später irschendwann.


                                                                                      Tatsächlich kommt Rainer irgendwann in die Wirtschaftsküche. Aber er kommt in unsere rechts, nicht zu der links, wo seine Kollegen sitzen. Offensichtlich funktioniert die Ortsabsprache selbst noch nicht einmal in einem so begrenzten Raum wie der Abisko-Fjällstation. Ich stehe am Herd und gehe zu ihm rüber. Er grüßt mich ganz erfreut und erzählt die Geschichte vom Rücktransport, die ich schon von Jürgen kenne. Ich weise ihn darauf hin, dass seine Kollegen drüben in der anderen Küche säßen. Ach ja, meint er nur, dann könne er auch später noch hin. Er kocht sich seine Nudeln auf und isst in aller Ruhe. Claudia und ich trinken unser drittes Leichtbier. Einen Wein konnten wir in Abisko leider nicht bekommen. Aber nach fünf Tagen ohne Alkohol und diesen Strapazen im Fjäll, macht auch ein Leichtbier den Kopf angenehm… leicht.

                                                                                      Der Abend klingt aus, wir gehen ins Zelt.

                                                                                      Ein herrlicher Trekkingurlaub geht zu Ende. Selten war ich so entspannt.

                                                                                      Das Fjäll sieht uns sicher wieder.

                                                                                      EPILOG
                                                                                      Rainer über einen Trekker mit langen, unter die Mütze geschobenen Dreadlocks: Hast denn den da hinne gesehe‘? De‘ hatt‘ ja Haare gehabt, da hätt‘ en ganzer Vogelscharm drin übernachte‘ könne!
                                                                                      Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

                                                                                      Kommentar


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                                                                                        • 848
                                                                                        • Privat


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                                                                                        AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                        Und abschließend noch einmal vielen Dank an euch alle. Der Reisebericht war so aufwändig zu schreiben, dass ich es ohne die ganzen Kommentare und Aufmunterungen nicht durchgehalten hätte.

                                                                                        OT: Jetzt hat Mika wenigsten einen sauberen Monitor und Scrat eine saubere Tastatur.

                                                                                        EDIT: Rechtschreibfehler weg!
                                                                                        Zuletzt geändert von Cattlechaser; 12.11.2013, 22:11.
                                                                                        Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

                                                                                        Kommentar


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                                                                                          Alter Hase
                                                                                          • 30.05.2007
                                                                                          • 3996
                                                                                          • Privat


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                                                                                          AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                          DANKE!!!!!!!!!
                                                                                          So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                                                                          A. v. Humboldt.

                                                                                          Kommentar


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                                                                                            Freak
                                                                                            Liebt das Forum
                                                                                            • 11.07.2008
                                                                                            • 12533
                                                                                            • Privat


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                                                                                            AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                            Zitat von Cattlechaser Beitrag anzeigen
                                                                                            Und abschließend noch einmal vielen Dank an euch alle. Der Reisebericht war so aufwändig zu schreiben, dass ich es ohne die ganzen Kommentare und Aufmunterungen nicht durchgehalten hätte.

                                                                                            OT: Jetzt hat Mika wenigsten einen sauberen Monitor und Scrat eine saubere Tastatur.

                                                                                            EDIT: Rechtschreibfehler weg!

                                                                                            Och, die Kommentare gibst umsonst.
                                                                                            Bei dem Reisebericht. Und nochmal hat meine Tastatur ordentlich was abbekommen.


                                                                                            Wie sagen die Schweizer so schön: Merci tausendmal!
                                                                                            Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                                                                            Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

                                                                                            Kommentar


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                                                                                              Fuchs
                                                                                              • 17.08.2008
                                                                                              • 1503
                                                                                              • Privat


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                                                                                              AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                              Jetzt ist der Bericht fertig, schade. Das nächste Mal müsst ihr länger bleiben. Nochmal ein großes Dankeschön für diese Erzählung.
                                                                                              Was die drei Hessischen Musketiere sich da geleistet haben - deren Denke will einfach nicht in meinen Kopf. Warum sind die nicht einfach zusammengeblieben und gemütlich gewandert ...

                                                                                              Auch uns sind schon lustige Typen begegnet, aber eine, die es garantiert in deine Sammlung geschafft hätte: Die Tütenfrau.
                                                                                              Ich zitiere aus einem früheren Reisebericht:
                                                                                              Morgens in Abisko sahen wir aber erst noch eine alte Bekannte. Die Tütenfrau. Das ist unser Spitzname für die Dame, denn leider kennen wir ihren Namen nicht, ich habe mich damals nur ganz kurz mit ihr unterhalten. Aber falls sie euch je begegnet ist, werdet ihr jetzt schon wissen, wen wir meinen. Die Frau ist 2003 auf dem Padjelantaleden ein paar Tage mit uns parallel gewandert, hat aber immer an anderen Stellen gezeltet. Sie ist aus Dänemark, alleine im Fjäll unterwegs und zwar mit einem Rucksack und - in jeder Hand eine Plastiktüte. So wandert die den ganzen Trek, für mich unvorstellbar. Und als sie in Abisko an uns vorbeiging (leider haben wir sie erst zu spät gesehen, um sie anzusprechen), hatte sie - welch Überraschung - in jeder Hand eine Plastiktüte. :-) Ich denke, sie transportiert darin Lebensmittel, sie hat auf dem Padjelantaleden z.B. eine Packung frischer Eier aus der Tüte gezaubert.

                                                                                              Kommentar


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                                                                                                • 24.01.2008
                                                                                                • 204
                                                                                                • Privat


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                                                                                                AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                                Bravo!!!
                                                                                                ALL YOUR BASE ARE BELONG TO US

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                                                                                                  • 20.03.2010
                                                                                                  • 276
                                                                                                  • Privat


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                                                                                                  AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                                  Schade nu isses vorbei!

                                                                                                  Danke für diesen fantastischen Bericht. Habe mich köstlich amüsiert.

                                                                                                  Kommentar


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                                                                                                    Neu im Forum
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                                                                                                    • 9
                                                                                                    • Privat


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                                                                                                    AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                                    Sehr schöner Bericht und vor allem tolle Bilder. Wir sind genau entgegengesetzt gelaufen und waren am gleichen Tag wie ihr bei der Tjäktja-Hütte. Allerdings hatten wir glücklicherweise noch einen Platz in der Hütte ergattern können. Ansonsten haben wir ähnliche Erlebnisse gehabt - von schrägen Typen bis hin zu zahlreichen Regenbögen. Nicht zu vergessen die nörgelnde Wienerin in Tjäktja. Vielen Dank übrigens für den Tipp mit dem Skierffe. Wir haben einen der wenigen Sonnentage für die Tagestour erwischt und es hat sich absolut gelohnt!

                                                                                                    Kommentar


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                                                                                                      Erfahren
                                                                                                      • 23.08.2010
                                                                                                      • 228
                                                                                                      • Privat


                                                                                                      #51
                                                                                                      AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                                      Nach mehrmaligem Anlesen in den Arbeitspausen habe ich mir heute endlich mal Zeit für deinen Bericht genommen. Ich ärgere mich sehr, dass ich das nicht schon viel viel eher getan habe!

                                                                                                      Um es kurz und knapp zu sagen -> GENIALER Reisebericht!

                                                                                                      Das sind mindestens 110 von 100 Punkten! Wirklich toller Schreibstil und alles was sonst noch dazu gehört.

                                                                                                      Tausend Dank für deine Zeit, die du hier investiert hast um eure Erlebnisse mit uns zu teilen

                                                                                                      Lieben Gruß
                                                                                                      David

                                                                                                      Kommentar


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                                                                                                        Erfahren
                                                                                                        • 03.02.2013
                                                                                                        • 146
                                                                                                        • Privat


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                                                                                                        AW: [SE] Schräge Typen und Regenbögen – Kungsleden von Kvikkjokk bis Abisko

                                                                                                        Großartiger Bericht, ich musste oft lauthauls lachen

                                                                                                        Auch das Hessisch, super. Ich werd da jedenfalls nicht mäkeln, als Südhesse mit Migrationshintergrund ;)
                                                                                                        Das Fjäll scheint schräge Vögel ja schon irgendwie anzuziehen, wir hatten da auf dem Südlichen Kungsleden im August auch einige amüsante Begegnungen.
                                                                                                        Jos ei viina, terva tai sauna auttaa, tauti on kuolemaksi (Finnisches Sprichwort)

                                                                                                        Kommentar