• Igelstroem
    Fuchs
    • 30.01.2013
    • 1944
    • Privat


    [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 53.700310932
    Längengrad 13.458509445
    Tourverlauf:

    Tag 1 (Mittwoch, 14.05.2014): Reuterstadt Stavenhagen – Kastorf (Hegeholz); 15,3 km

    Tag 2 (Donnerstag, 15.05.): Kastorf (Hegeholz) – Unterstriet; 26,2 km

    Tag 3 (Freitag, 16.05.): Unterstriet – Sandhagen; 29,0 km

    Tag 4 (Sonnabend, 17.05.): Sandhagen – Neuensund; 28,4 km

    Tag 5 (Sonntag, 18.05.): Neuensund – Jatznick; 10,9 km

    Gesamtstrecke: 109,8 km


    Die Route führt von Stavenhagen über Altentreptow und Friedland nach Jatznick und folgt im Wesentlichen dem Verlauf des sogenannten Naturparkwegs E9a, der Binnenlandvariante des Fernwanderwegs E9, und zwar in der Version, die bei outdooractive.com kartographisch dargestellt ist. Der aktuelle Verlauf des gekennzeichneten Wanderwegs weicht hin und wieder davon ab.

    Da ich es vermeiden wollte, einen Stapel topographischer oder pseudotopographischer Karten bei mir zu tragen, habe ich mich diesmal mit Screenshots aus dem Internet beholfen, die ich auf Kartenhüllengröße zugeschnitten hatte, so dass das gesamte Kartenwerk für die Strecke nur mit 40 g ins Gewicht fiel. Das war allerdings eine grenzwertige Lösung, denn ein blasser Schwarzweißprint reicht mitunter nicht einmal dazu aus, einen kleinen See von einem kleinen Waldstück zu unterscheiden – und bei der Schlafplatzsuche macht das jedenfalls einen Unterschied.

    Dass man auf diesem Weg feste Unterkünfte im Etappenabstand finden kann, halte ich für durchaus möglich. Man muss das aber sorgfältig vorher recherchieren. Mein einziger Versuch, mich spontan in einem Gebäude einzuquartieren (nämlich im Gutshof Neuensund), ist an pragmatischen Hindernissen gescheitert. Davon wird noch die Rede sein. Reguläre Campingplätze habe ich unterwegs nicht gesehen, will aber nicht völlig ausschließen, dass es welche gibt. Das Zelten oder Nächtigen abseits von dafür vorgesehenen Plätzen soll im Übrigen nicht propagiert werden. Die einfachste Möglichkeit, es zu vermeiden, ist die Wahl einer anderen Wanderregion.

    Die Kennzeichnung des E9a ist in der freien Landschaft insgesamt recht zuverlässig, auf den Waldstrecken hingegen des Öfteren unzureichend, so dass man bei längeren Touren jedenfalls auf Karte und Kompass bzw. GPS angewiesen ist. Wer sich an den gekennzeichneten Weg halten will, sollte bedenken, dass dieser verschiedentlich verlegt worden ist und die Version bei outdooractive.com jedenfalls nicht mehr aktuell ist. Und die Verfolgung einer veralteten Version führt eben unter Umständen dazu, dass man vor einem Weidezaun steht und wieder umkehren muss.

    Gelegentlichen Asphalt sollte man tolerieren, wenn man hier unterwegs ist. Allerdings gehört es zu den Eigenheiten der Region, dass Radweg- und Straßenränder geradezu obsessiv gemäht werden, so dass man häufig (aber nicht immer) neben dem Asphaltband laufen kann. Die Verkehrsdichte auf befahrbaren Straßen zwischen den Dörfern ist zumeist sehr gering, so dass der Autoverkehr beim Wandern oder Radfahren so gut wie nirgends als Problem in Erscheinung tritt. Trotzdem kann die von mir begangene Teilstrecke nur demjenigen Fußwanderer empfohlen werden, der eine besondere Zuneigung zu dieser Art von Landschaft in sich spürt. Das Charakteristische ist die Offenheit des Himmels und die Weite des Blicks, ohne dass das Land eigentlich karg oder konturlos wirken würde. Mitunter wandert man aber einige Kilometer ohne jeden Schutz vor Sonne und Wind, und es gibt längere Passagen, die bei drohendem Gewitter kaum begangen werden können.





    Einkaufsmöglichkeiten gibt es unterwegs nur in den Städten (Stavenhagen, Altentreptow und Friedland). Gaststätten sind ebenfalls selten; die früher vorhandenen sind inzwischen häufig aufgegeben oder nur zu sehr bestimmten Zeiten geöffnet. Östlich von Friedland, d.h. auf den letzten 45 km meiner Route, habe ich keine geöffnete Einkehrmöglichkeit mehr angetroffen. Man muss sich also gegebenenfalls in den Städten entsprechend versorgen.

    Es versteht sich im Übrigen von selbst, dass mir auf den 110 Kilometern nicht ein einziger anderer Wanderer begegnet ist. Im Umfeld der Ortschaften habe ich gelegentlich Spaziergänger sowie einen Jogger getroffen; ferner habe ich im Laufe von fünf Tagen ein gutes Dutzend Radfahrer gesehen (also mehrere täglich), vereinzelt auch mit kleinen Satteltaschen. Mecklenburg-Vorpommern ist ja ein Land des Rad- und Wasserwanderns.


    Ursprünglich wollte ich zehn Tage früher starten. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Wettervorhersage für die entsprechende Woche derart verschlechtert, dass ich davon Abstand genommen habe. Nach der Herbsttour im Schwarzwald hatte ich zunächst keine Lust mehr auf Regen. Und im Nachhinein wird man wohl auch annehmen müssen, dass meine Übernachtungsausrüstung für eine Regentour ohne Schutzhütten nicht ausreichend gewesen wäre. Der Trend geht zum Zelt; ich verspreche aber, dass ich dazu keinen Thread eröffnen werde.
    Am Montag vor Tourbeginn habe ich den Zeitungen die Hiobsbotschaft entnommen, dass die NATO just an diesem Tag mit einer größeren Übung (JAWTEX) beginnen würde; betroffen sei insbesondere der Luftraum über Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Kurzzeitig habe ich deshalb in Erwägung gezogen, spontan in eine andere Region zu fahren. Dann habe ich die in einer der Zeitungen angegebene Info-Nummer gewählt und den Oberleutnant XY gefragt, inwieweit in meiner Wanderregion konkret mit erhöhter Fluglärmbelastung zu rechnen sei. »Ziehen Sie von Berlin eine Linie nach Norden. Östlich dieser Linie wird sich nicht viel abspielen.« Ich habe also diese Linie gezogen und mich entschlossen, nicht von Teterow, sondern erst von Stavenhagen zu starten. Und in der Tat hatte ich an den ersten beiden Tagen noch etwas Kriegsverkehrslärm in größerer Höhe über meinem Kopf, jedoch nicht in dem Ausmaß, dass es mich wirklich belästigt hätte.


    Jetzt erst mal einen Kaffee:

    Zuletzt geändert von Igelstroem; 20.05.2014, 23:41.
    Lebe Deine Albträume und irre umher

  • AlfBerlin
    Lebt im Forum
    • 16.09.2013
    • 5073
    • Privat


    #2
    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

    Ohgottohgott, was hast Du denn da für eine Konstruktion zum Kaffee-Kochen?

    Danke für den schon spannenden Anfang vom Bericht.

    Kommentar


    • Igelstroem
      Fuchs
      • 30.01.2013
      • 1944
      • Privat


      #3
      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

      Zitat von AlfBerlin Beitrag anzeigen
      Ohgottohgott, was hast Du denn da für eine Konstruktion zum Kaffee-Kochen?
      Es handelt sich um diesen Mikrokocher:
      http://www.asmc.de/de/Camping/Outdoo...entials-p.html

      Allerdings habe ich das aufliegende ›Topfkreuz‹ durch den Blechring des Notkochers 71 ersetzt, damit die Tasse stabiler steht. Beides zusammen passt ohne Zerlegung in den Becher hinein, so dass man es leicht transportieren kann.

      Ursprünglich hatte ich vor, den Kocher mit Birkenrinde zu beheizen. Das habe ich am Morgen nach der ersten Übernachtung ausprobiert. In der Tat brennt die aus dem Wald aufgesammelte Birkenrinde anstandslos ab. Nur bildet sich dabei ziemlich viel Teer an der Unterseite des Bechers. Außerdem ist der Kocher zu klein, als dass man während des Betriebs von der Seite her etwas nachlegen könnte. Ich habe deshalb an den Folgetagen nur noch Esbit verwendet, das ich ebenfalls dabeihatte. Bei schwachem Wind oder gutem Windschutz genügen 7 g Brennstoff, um 150–200 ml Wasser auf eine passende Temperatur für ein Kaffeefertigprodukt zu erhitzen. Ich hatte Cappuccino-Portionspackungen mitgenommen, und dieses System hat sich insgesamt sehr bewährt.
      Lebe Deine Albträume und irre umher

      Kommentar


      • russel
        Anfänger im Forum
        • 20.05.2014
        • 12
        • Privat


        #4
        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

        Hallo,

        also den Bericht zu lesen macht mir persönlich wirklich viel Spaß! Ich habe bisher nur außerhalb von Deutschland weitere Wanderungen unternommen. Da aber jetzt der Sommer kommt, sollte ich mich ebenfalls mal In Deutschland auf die Socken machen. Ich hätte mir Deutschland nicht so einsam vorgestellt zum Wandern. Das gefällt mir sehr gut und regt mich nun zur Planung einer Wanderung in den kommenden Wochen an. Vielen Dank für diesen Bericht und freue mich auf weitere Infos von dir!

        Beste Grüße

        Kommentar


        • AlfBerlin
          Lebt im Forum
          • 16.09.2013
          • 5073
          • Privat


          #5
          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

          Danke, Igelstroem, für Deine ausführliche Kocher-Setup-Beschreibung.

          Als Esbit-Kocher würde wohl auch der Notkocher-Blechring alleine reichen, plus eventuell noch ein kleines Blech-Podest für die Esbit-Tablette. Der Notkocher-Blechring zieht allerdings durch die Topfauflagebleche ziemlich viel Wärme ab. Ein Drahtgitter-Topfständer plus Esbit-Podest wäre deshalb effizienter und beim Basteln könnest Du die Höhe optimieren.

          Nun bin ich aber gespannt auf den weiteren Reisebericht durch fast menschenleere Landschaften.

          Kommentar


          • cliffhanger
            Gesperrt
            Gerne im Forum
            • 01.04.2014
            • 75
            • Privat


            #6
            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

            Hallo Igelstroem, schöner Bericht weiter so. Mich würde mal interessieren mit welcher Ausrüstung und welchem Gewicht du unterwegs warst.

            hang on

            cliffhanger

            Kommentar


            • Jack68
              Erfahren
              • 30.03.2012
              • 401
              • Privat


              #7
              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

              Fängt schon mal gut an...

              Ich melde mich als Fortsetzungsleser an...hab die Nummer 4 glaub ich!
              VG
              ...

              Kommentar


              • Igelstroem
                Fuchs
                • 30.01.2013
                • 1944
                • Privat


                #8
                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                @AlfBerlin:
                In der Tat kann man auch mit 5 g Brennstoff 200 ml Wasser fast zum Kochen bringen, wenn man z.B. einen Brennstoffhalter aus Teelichtbechern bastelt und den in den Blechring des Notkochers nur hineinstellt. Ich habe das vorhin ausprobiert, allerdings unter Terrassenbedingungen. Wenn der Abstand der Brennstofftablette zum Wasserbecher sehr gering ist, brennt das Esbit ziemlich langsam ab. Mal sehen, wie ich das in Zukunft handhabe. Wenn man aber eine minimalistische Konstruktion in Bodennähe betreibt, muss man immer auch darauf achten, dass man die Vegetation nicht in Brand setzt. Idealerweise sollte man den Kocher z.B. auch auf einem Holztisch betreiben können, ohne Brandflecken zu hinterlassen. Ich werde das weiter testen, möchte das aber hier nicht weiter diskutieren.

                Dass die Landschaft ›fast menschenleer‹ ist, stimmt natürlich nur bedingt. Man trifft keine Wanderer, aber in den Ortschaften leben Menschen. Die Häuser und Gärten in den Dörfern sind oft sehr gepflegt, man sieht wenig Verfallenes (weniger als in Brandenburg) und auch nur selten geschmacklose Dekorationen. In den Gesprächen spürt man oft das Bewusstsein der Leute, in einer Abwanderungsregion zu leben, die von der offiziellen Politik stillschweigend ›aufgegeben‹ worden ist. Und doch scheint es optisch so, als hätte man Voltaire gelesen und sich gesagt: »Mais il faut cultiver notre jardin.«

                Mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, ist gewiss schwieriger als im Schwarzwald, aber doch auch leichter als in Brandenburg. Es gibt hier mitunter eine gewisse, landestypische Verständigkeit, die es z.B. einem Traktoristen auf dem Feld ermöglicht, in einem Gespräch von wenigen Minuten das Charakteristische meines Schreibtischberufs intuitiv vollständig zu erfassen und das Wanderprojekt deshalb von sich aus einleuchtend zu finden. Das ist eine angenehme Erfahrung: Es gibt – sofern man bereit ist, sich zu erklären – eine Art intuitiver Toleranz für Lebensweisen, die nicht die eigenen sind. (Dass es daneben oder unabhängig davon in einigen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns auch ein ausgeprägtes NPD-Milieu gibt, steht auf einem anderen Blatt.)


                @cliffhanger:
                Ausrüstungsfragen werde ich wohl am Schluss noch diskutieren. Vorläufig nur etwas zum Gewicht: Der Rucksack wog ohne Proviant und Wasser wohl zwischen 8 und 8,5 kg; tatsächliches Tragegewicht beim Start 10,7 kg, wenn ich mich richtig erinnere.
                Zuletzt geändert von Igelstroem; 20.05.2014, 23:10.
                Lebe Deine Albträume und irre umher

                Kommentar


                • Igelstroem
                  Fuchs
                  • 30.01.2013
                  • 1944
                  • Privat


                  #9
                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                  Tag 1 (Mittwoch, 14. Mai)

                  Reuterstadt Stavenhagen – Kastorf (Hegeholz)
                  15,3 km


                  Die Anreise nach Stavenhagen erfolgt von Berlin mit dem Zug (mit Umsteigen in Neubrandenburg). Nachdem ich nachts noch gearbeitet und dann vielleicht fünf Stunden geschlafen habe, treffe ich erst um halb zwei in Stavenhagen ein. Das Wetter ist ein bisschen grau, während der Zugfahrt hat es noch ein paar Schauer gegeben. Ich laufe zuerst Richtung Stadt, trinke bei einem Supermarkt einen Kaffee, dann geht es in nordöstlicher Richtung stadtauswärts.





                  Man unterquert noch einmal die Bahnlinie, auf der man gekommen ist; wenig später führt der Weg durch den Ivenacker Tiergarten mit seinen tausendjährigen Eichen:






                  Hier sind heute einige Spaziergänger unterwegs. Eine Gruppe von Rentnern; wenn sie ihr Alter aufsummieren, können sie es leicht mit den Bäumen aufnehmen. Die Durchquerung des Tiergartens kostet Eintritt, der eventuell am Ausgang zu entrichten ist. So mache ich das jetzt. Dem Forstmitarbeiter erzähle ich, was ich vorhabe. Als ich das Schlafen im Wald erwähne, veranlasst ihn das zu Betrachtungen über das Wetter.


                  Wenig später durchquere ich die zugehörige Ortschaft Ivenack. Genau genommen streife ich sie nur und zeige euch das Schloss und die Kirche:






                  Anschließend geht es auf einem Spazierweg am Ivenacker See entlang. Ein junges Paar mit einer Kraxe kommt mir entgegen, und ich denke schon: ›Oh, Fernwanderer! Das riecht nach einem Gespräch.‹ Aber in der Kraxe sitzt ein schlafendes Kind. ›Tach.‹


                  Man überquert die L 273, dann folgt eine Wildnisstrecke von etwas mehr als einem Kilometer, auf der der Weg fast völlig zugewachsen ist. Hier würde man mit dem Fahrrad nicht vorankommen.




                  Aber das geschieht nur der Form halber. Die Wildnis endet an einer kaum befahrenen Straße, an der sich nun die ersten weiten Landschaftsausblicke mit dem dominierenden Gelb der Rapsfelder auftun. Das wird sich wiederholen.


                  Das nächste Dorf ist Weitendorf, und da ich meine Wasserflaschen auffüllen will, gehe ich auf den Friedhof und mache mir die Mühe, das Leitungswasser einmal durch meinen neuen Sawyer-Wasserfilter laufen zu lassen. Nötig ist das wohl kaum, und ich wiederhole es auch später nicht. Vielleicht reden die Anwohner noch heute darüber. Gesehen habe ich sie aber nicht.
                  Ich habe auf dieser Tour für den Wassertransport nur noch zwei Halbliterflaschen mitgenommen, eben in der Annahme, dass ich eventuelle abendliche Engpässe mithilfe des Wasserfilters beheben könnte. Die Friedhöfe, Kirchen und Feuerwehrgerätehäuser haben sich aber unterwegs gleichsam als zuvorkommende Wasserquellen erwiesen, so dass es gar keine Engpässe gab.


                  Auf Weitendorf (Kilometer 10,0) folgt Grischow (das erste von zwei Grischows), dann folgt wieder Landschaft.




                  Schließlich durchquere ich das Hegeholz, das ich als mögliche Übernachtungsregion in Erwägung gezogen habe. Am Wegesrand stecken zwei Hufeisen in einem Baum.



                  Ohne Zweifel ist das ein Zeichen, das mir gilt. Aber was will es mir sagen? Ich gehe weiter, bis zum östlichen Waldrand (Kilometer 15,3).


                  Es ist inzwischen 19 Uhr. Wegen der kurzen Nacht vor dem Start bin ich ziemlich müde; auch geben die Füße zu bedenken, dass das Wandern in diesen Schuhen doch irgendwie ungewohnt sei. Das stimmt zwar nicht, aber ich gebe nach und schlage mich nach rechts in den Wald, wo Forstfahrzeuge vor geraumer Zeit ihr Spiel getrieben haben und noch nicht alles wieder mit Brombeerranken zugewachsen ist. Die Suche dauert eine Weile, und das wird mir an den folgenden Abenden ähnlich gehen. Von den Jagdhochsitzen abgesehen ist mein Problem vor allem ein atmosphärisches. Letztlich lasse ich mich ganz in der Nähe des Waldrandes nieder, so dass ich mich auch nachts gleichsam nach draußen orientieren kann.



                  Ausblick vom Waldrand


                  Der Tarp-Aufbau dauert eine Weile und kommt mir trotz Vorbereitung umständlich vor. Zusätzlich zum Tarp habe ich eine Bodenplane dabei, so dass sozusagen zum Tarptent nur noch das Moskitonetz fehlt. Tatsächlich sind einige Mücken unterwegs, die ich mit DEET und sodann mit einem Kopfnetz erfolgreich auf Abstand halte.

                  Kurz bevor ich mich schlafen lege, höre ich ganz in der Nähe ein schreckendes (d.h. bellendes) Reh. Das kann unter Umständen ziemlich spektakulär sein. Vor allem klingt es wie ein heiserer, hysterischer Hund. Wenn ich das Geräusch nicht schon gekannt hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich auf einen Baum geklettert. Ich rate also jedem, der an solchen Orten schlafen will, sich vorher (z.B. im Internet) die üblichen Geräuschmuster anzuhören. Neben dem Schrecken der Rehe gehört dazu auch das Schreien des Fuchses.

                  Ich schlafe in dieser Nacht mit vielen Unterbrechungen bis gegen acht Uhr. Das klingt nach viel Zeit zum Schlafen, aber das Wachliegen dominiert zunächst das Zeitgefühl. In den darauffolgenden Nächten entwickelt sich die Tendenz, dass ich etwa zwischen halb zwölf und vier Uhr morgens durchschlafe, bis ich von Tageslicht und ›anschwellendem Vogelgesang‹ geweckt werde. Danach schlafe ich gewöhnlich noch einmal (oder noch mehrmals) ein und stehe zwischen sechs und sieben Uhr auf. Gelegentlich kommt es auch vor, dass nachts in der Nähe eine Nachtigall singt. Gestört hat mich das nicht. Es hält eher davon ab, permanent auf andere Tiergeräusche zu lauschen.


                  Dezimalgrad-Koordinaten: 53.6769, 13.0538
                  Zuletzt geändert von Igelstroem; 23.05.2014, 12:11.
                  Lebe Deine Albträume und irre umher

                  Kommentar


                  • uli.g.
                    Freak
                    Liebt das Forum
                    • 16.02.2009
                    • 13261
                    • Privat


                    #10
                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                    Hier! Mitleser #5! Bin sehr gespannt auf Deine weiteren Erzählungen über eine Landschaft, die so GANZ WEIT weg ist von meinen Wanderungen!
                    "... „After twenty years he still grieves“ Jerry Jeff Walkers +23.10.2020"

                    Kommentar


                    • lina
                      Freak

                      Vorstand
                      Liebt das Forum
                      • 12.07.2008
                      • 43828
                      • Privat


                      #11
                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                      Next one, sich sehr auf die Fortsetzung freuend

                      Kommentar


                      • AlfBerlin
                        Lebt im Forum
                        • 16.09.2013
                        • 5073
                        • Privat


                        #12
                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                        Platzhalter zum Editieren -- hier werden die vorhergehenden Zwischenfragen beantwortet
                        OT: Platzhater ist nicht so günstig, weil viele, wie ich, nur nach neuen Beiträgen Ausschau halten. Also besser am Ende in einem neuen Beitrag beantworten.

                        Kommentar


                        • eisen
                          Erfahren
                          • 03.10.2005
                          • 334
                          • Privat


                          #13
                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                          Die einfachste Möglichkeit, es zu vermeiden, ist die Wahl einer anderen Wanderregion.


                          Welch weise Entscheidung, 10 Tage zu warten. So bist Du direkt in den Sommer geraten. Bin sehr gespannt, wie es weitergeht...

                          Grüsse,
                          Eisen

                          Kommentar


                          • Mika Hautamaeki
                            Alter Hase
                            • 30.05.2007
                            • 3996
                            • Privat


                            #14
                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                            cooler Schreibstil. Gefällt mir sehr gut. Die Gegend finde ich ohnehin interessant, da ich ein paar entfernte Verwandte dort habe. Vielleicht sollte ich die mal wieder besuchen.
                            So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                            A. v. Humboldt.

                            Kommentar


                            • Susanne
                              Fuchs
                              • 22.02.2002
                              • 1627
                              • Privat


                              #15
                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                              Sehr cool. Freue mich schon auf Deine Fortsetzung.
                              havet - Ölmalerei
                              Blomstene på fjellet er formet som klokker og stjerner. Sagnet sier at det er fordi vidda ligger så nær himmelen. Pedder W. Cappelen

                              Kommentar


                              • Igelstroem
                                Fuchs
                                • 30.01.2013
                                • 1944
                                • Privat


                                #16
                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                Tag 2 (Donnerstag, 15. Mai)

                                Kastorf (Hegeholz) – Unterstriet
                                26,2 km

                                Ungefähr um acht Uhr stehe ich auf, baue das Tarp ab und verlasse den Wald.


                                Das Lager am Morgen


                                Blick zurück zum Waldrand


                                Am Weg nach Kastorf gibt es eine Bank (nicht um Geld abzuheben, sondern um darauf zu sitzen), und dort mache ich nun mein Birkenrindenexperiment. Am Ende gibt es jedenfalls einen Kaffee. Das Wetter ist angenehm, aber noch nicht vollsonnig, und kurz vor neun scheinen auch die Kollegen von der Luftwaffe ihren Nachtschlaf beendet zu haben. Aber ein denkbares Tieffluginferno bleibt aus, eher ist es ein akustisches Kolorit zum mecklenburgischen Wolkenbild, und ich bekomme die Verursacher auch gar nicht zu sehen.




                                Ich mache mich auf den Weg nach Kastorf, der Allee folgend. Kein Mensch, kein Auto weit und breit. Da vorne steht ein Moped auf dem Weg, ein Helm hängt am Lenker.



                                Aber der Fahrer ist flüchtig. Vielleicht liegt er betrunken im Rapsfeld, oder er sitzt auf einem Baum und macht mir eine lange Nase. Ich sehe ihn nirgends.


                                In Kastorf gibt es ein Gutshaus mit Storchennest, sozusagen das Übliche, aber die Bilder werden zu unscharf, um sie hier hineinzustellen. Gleich am Anfang des Dorfes steht jemand vor seinem Haus, und ich frage ihn, ob er meine Wasserflaschen auffüllen mag. ›Normales Leitungswasser?‹ Ich erkläre, dass ich zum Wandern unterwegs bin, fünf Tage, aber gerade gestern erst losgelaufen. Das wird noch zum Ritual werden: ›Nein, nicht Bundeswehr. Ich bin zum Wandern hier.‹

                                In Kastorf an der Kirche biege ich ab, dann wird der Weg sehr schön und führt Richtung Kastorfer See. Am Waldrand finde ich den unten abgebildeten Rastplatz, eine offene Schutzhütte bzw. Rotunde. Diese Bauform ist standardisiert und wird am Weg immer mal wieder angetroffen. Genau genommen aber nur alle 15 km, und die Hälfte der Bauwerke ist entweder zerstört oder durchkrautet. Im Übrigen bin ich ja ein Freund der Wanderwegmöblierung. Natürlich sollte sie nicht so geschmäcklerisch designt sein wie am Rothaarsteig; aber eine Bank zum Anlehnen und ein Tisch zum Essen wären manchmal schon ganz nützlich. In den nächsten Tagen brauche ich des Öfteren meinen Rucksack als Sitzgelegenheit.




                                Hier am Waldrand hätte man auch schlafen können, wenn man gestern Abend noch weitergegangen wäre. Oder noch weiter an der Badestelle auf der Liegewiese, aber das ist dann schon kurz vor Wildberg. Dann droht Besuch vom zentralen Raubtier der Kulturlandschaft: der ›Dorfjugend‹; oder ist auch das nur eine abstrakte Gefahr aus dem Forum? Gibt es hier überhaupt noch Jugendliche auf den Dörfern?


                                Kastorfer See


                                Kurz vor Wildberg (Blick zurück)



                                Wildberg

                                In Wildberg gibt es eine Bäckerei mit Cafébetrieb. Wenn ich richtig sehe, ist das überhaupt die einzige Einkehrmöglichkeit gewesen, die ich außerhalb der Städte angetroffen habe. Kaffee muss natürlich sein, ist klar. Und ich kaufe dann auch noch ein Stück Mettwurst, die bald aufgegessen sein wird.

                                Hinter Wildberg beginnt dann eine Asphalt-Etappe. Erst geht es eine Weile auf dem Radweg parallel zur Straße, dann weicht der Radweg von der Straße ab, führt an Wolkow vorbei und sieht schließlich so aus, als verliefe er auf einem ehemaligen Bahndamm. Der Weg ist schnurgerade, aber die Landschaft ist nett anzusehen.





                                Man überquert auf diesem Damm ein tief eingeschnittenes Bachtal. Kurz danach mache ich eine Pause und klettere zu diesem Behufe auf einen niedrigen Hochsitz mit Blick aufs Rapsfeld.





                                Hinter den Stroh- oder Heuballen schaut ein Fuchs hervor und faucht mich an, dass ich fast ein schlechtes Gewissen bekomme. Nachdem er das eine Weile gemacht hat, verschwindet er. Eine Wespe untersucht ausführlich meinen Sitz, aber noch ist es Mai und ich kann derweil in aller Ruhe Knäckebrot mit Wurst essen. Es ist inzwischen zwei Uhr mittags, ich habe seit dem Aufstehen 13 km zurückgelegt.


                                Kurz vor dem Dorf Trostfelde knickt der Weg nach rechts ab, und dann kommt die erste richtige Sonnenstrecke, wie man hier sieht:




                                Sonnenmilch und grüne Zaubermütze kommen zum Einsatz. Beides sehr effektiv, wie sich in den nächsten Tagen herausstellt. Die Zaubermütze nehme ich manchmal ab, bevor ich Ortschaften betrete; manchmal aber auch nicht.

                                Am Radweg der L 27 kurz vor Thalberg ist dann wieder Schatten. Ich mache eine Pause und fotografiere ausnahmsweise ein wirbelloses Tier:



                                Man denkt ja immer, die bunten Gummitiere in den Spielzeugläden seien Produkte bescheuerter Marketingphantasien. Aber wie man hier sieht, stimmt das gar nicht. Es gibt dergleichen auch in der Natur. Der kleine Lindwurm ist übrigens schwer zu fotografieren, denn egal wie ich mich hinhocke, er schiebt sich mit Feuereifer in meine Richtung. Ich warte nicht ab, was das sozial zu bedeuten hat, sondern laufe ihm schließlich Richtung Thalberg davon.

                                In Thalberg gibt es ein neogotisches Gutshaus (nicht das letzte auf dieser Strecke), aber der Zugang zum Grundstück wirkt trotz der Informationstafel privat, so dass ich von näherer Betrachtung absehe und meinen Weg fortsetze.

                                Und auf Thalberg folgt dann eben Altentreptow. Man kann den Ortsnamen probehalber auf der ersten Silbe betonen. Betritt man nämlich die Stadt heute von Südwesten her, kann akzidentiell der Eindruck entstehen, dass es sich um eine Altenpflegemetropole handelt. Das mag aber Zufall sein. Drei alte Damen rufen mir von der anderen Straßenseite etwas zu. Aber ich verstehe es nicht; also nicke ich nur zurück.







                                Altentreptow ist unter architektonischen Gesichtspunkten eher schön als hässlich; auch hier wirkt die Bausubstanz keineswegs verfallen. Es ist genau 16 Uhr. Während ich am Rathaus vorbeilaufe, höre ich, wie die Tür abgeschlossen wird, denn die Tourismus-Information schließt exakt um diese Stunde. An einer Zoohandlung unterhalte ich mich kurz mit dem Betreiber. Er wird wohl einen Spruch gemacht haben, an den ich mich momentan nicht erinnere. Dann die Frage, wie denn der Marschbefehl laute. »Es gibt keinen Marschbefehl. Ich bin zum Wandern hier, von Stavenhagen nach Jatznick. Mit Schlafen im Wald. – Also doch ein Marschbefehl, aber es ist ja schon besser, wenn man sich den selber geben kann.« Seine Antwort »Na, das ist aber noch nicht das passende Wetter zum Campen« hat unmittelbar etwas Skurriles, denn wir stehen in der Sonne, und die Temperatur könnte kaum angenehmer sein.

                                Am Markt kann man sich zwischen Hotelrestaurant und Imbiss entscheiden, und ich wähle Letzteres. Esse dort irgendwie ein Hähnchenschnitzel mit Kartoffelsalat. Und frage nach einer Buchhandlung, weil ich mir eingebildet habe, dass man in der Stadt vielleicht jene topographische Karte kaufen könnte, die die Kartenbuchhandlung in Berlin schon nicht vorrätig hatte. Aber es gibt keine Buchhandlung mehr. »In Altentreptow wird nicht gelesen«, so die süffisant-ironische Auskunft der Fleischfachverkäuferin. Diese Szene wird sich in Friedland ähnlich wiederholen. Wie überhaupt am Rande dieser Tour vieles zweimal geschieht.

                                Nach dem Essen laufe ich noch ein wenig in der Stadt umher und lasse mir den Weg zu einem Netto-Markt weisen, wo ich ein bisschen einkaufe. Unter anderem Tomaten zum baldigen Verzehr. Ferner umkreise ich einmal die Stadtkirche. Nebenan ist ein Gemeindegebäude mit Toiletten, die jetzt gerade offen sind. Ein paar jüngere Frauen treffen sich zur Chorprobe. Ich frage, ob ich die Toilette benutzen darf, und dann putze ich mir dort auch die Zähne und fülle die Wasserflaschen auf.
                                Schon im Aufbruch, komme ich mit der Katechetin ins Gespräch. Natürlich sage ich ihr, was ich mache und was ich vorhabe. »Das finde ich gut«, sagt sie. Morgen werde ich diesen Satz unter ähnlichen Voraussetzungen noch einmal hören. Sie empfiehlt mir, nicht im Wald, sondern in den Dorfkirchen zu schlafen. Ich solle einfach im Dorf fragen und mir aufschließen lassen. Meine Zweifel, ob es nicht ein Sakrileg sei, in einer Kirche zu nächtigen, werden mich wohl als Westdeutschen ausgewiesen haben. In der DDR-Zeit muss das ganz üblich gewesen sein, zumindest wenn man in jungen Jahren nichtmotorisiert auf dem Lande unterwegs war.


                                Wenn man Altentreptow nach Osten verlässt, überquert man die Tollense in der Nähe eines Wehrs. Und hier, an dieser Umtragestelle, kreuzt sich wohl meine Route mit derjenigen der ODS-Ostertour. Ich finde aber keine Spuren: keine Steinmännchen, unter denen sich eine Blechkapsel mit einer Nachricht verbergen könnte; keine zurückgelassenen Ausrüstungsgegenstände oder aufgegebenen Boote. Ich treffe auch keine Inuit, die von zu Tode erschöpften Weißen berichten würden, die hier ihre Boote über Land getragen hätten.




                                Link zum Reisebericht der Ostertour:
                                https://www.outdoorseiten.net/forum/...ense-und-Peene

                                Link zur Auflösung der Anspielungen:
                                http://de.wikipedia.org/wiki/Franklin-Expedition


                                So sitze ich hier nur auf einer Bank in der Sonne und bemühe mich, meine Tomaten aufzuessen. Kaufe unterwegs nie mehr als zwei Tomaten – das als Regel für die Zukunft.


                                Und dann verlasse ich die Stadt und beginne auf der Karte nach möglichen Übernachtungsplätzen zu suchen. Die Gegend ist ein bisschen öde, außerdem sind hier große Windparks angelegt worden. Am Reutershof biegt mein Weg rechts ab und führt zwischen einem 1300 Meter langen Rapsfeld und einem ebenso langen Getreidefeld in das ›Tal‹ des Kleinen Landgrabens hinab, dem ich dann zunächst folge.






                                Aber als ich das Rapsfeld hinter mir habe, muss ich erst mal eine Pause machen. Es ist eine Erschöpfungspause. Ich habe bis dahin 24 km Strecke zurückgelegt, dazu kommt noch das Hin- und Herlaufen in der Stadt. Die Füße sind spürbar untrainiert. Ich lege mich jetzt hier ins Gras und bette den Kopf auf den Rucksack, für eine Weile. Es ist inzwischen 19 Uhr.




                                Irgendwann geht es weiter. Man könnte hier im Landgrabental auf einer Wiese nächtigen; aber es stehen auch überall Hochsitze herum. Im weiteren Verlauf, bei Unterstriet, taucht dann wieder Wald auf. Es ist sozusagen der Auwald des Kleinen Landgrabens. Sieht irgendwie feucht aus. Ich entschließe mich, doch noch bis jenseits der bereits sichtbaren Autobahn A 20 weiterzulaufen, weil es dann kurz vor Grischow (das ist das zweite Grischow auf meiner Route) wieder ein Waldstück abseits der Talniederung geben sollte. Aber noch lange vor der Autobahn endet der auf meiner Karte eingezeichnete Weg an einem Weidezaun. Drüben lungern die Kühe herum. Ich versuche die Weide erst links, dann rechts zu umgehen, dann kehre ich um und laufe einen halben Kilometer zurück. Anschließend versuche ich es noch in Richtung Landgraben, aber dort ist es tatsächlich zu nass. Die ganze Niederung ist hier zwar bewaldet, aber der Wald ist von Wassergräben durchzogen.

                                Zu guter Letzt laufe ich westlich von Unterstriet wieder aus dem Landgrabental hinaus und steuere ein kleines Waldstück an. Und hier handelt es sich in der Tat um einen trockenen Laubwald. Ich bleibe also, suche mir eine Stelle aus, wo ich meinen Rucksack abwerfe. Von der kleinen Asphaltstraße geht der Blick nach Süden über das Landgrabental:




                                Während ich hier noch herumstehe, kommt leider ein Auto angefahren. Das einzige, das ich an diesem Abend hier sehe. Auto mit Anhänger; der Fahrer sieht schon so aus, als wäre er der Waldbesitzer oder der Jagdpächter. Er fährt sehr langsam an mir vorbei und guckt unbestimmt. Dann fährt er fast im Schritttempo weiter und guckt vielleicht im Rückspiegel immer noch. Das dauert ewig. Weil ich das so auffällig finde und jeden Moment damit rechne, dass er gleich anhalten wird, gehe ich ein Stück in seine Richtung und denke, sage sogar: »Meine Güte, frag doch, wenn Du was wissen willst.« Dann hole ich meine Kamera hervor und fotografiere den Sonnenuntergang. Vielleicht beruhigt ihn das ja. Er fährt derweil immer im gleichen Schleichtempo weiter, bleibt an der Abzweigung nach Unterstriet noch eine Weile stehen und fährt schließlich nach Unterstriet hinunter.





                                Diese Szene ist der Grund dafür, dass ich mich an meinem Schlafplatz zunächst ziemlich unwohl fühle. Aber ich kann nicht mehr woanders hin. Und letztlich geschieht dann auch nichts mehr. Niemand kommt mit Hund und Taschenlampe, um mich zu vertreiben.

                                Da das Wetter einen sehr stabilen Eindruck macht, baue ich das Tarp gar nicht erst auf, sondern breite nur die Bodenplane aus. Ich bin vielleicht 30 oder 40 Meter von der Straße entfernt, nach Norden ist der andere Waldrand auch nicht viel weiter entfernt. Vom Waldrand hätte man einen Blick auf einen Windpark. Die roten Positionslichter sind des Nachts auch sporadisch zu sehen, stören aber wider Erwarten nicht, denn sie blinken wenigstens nicht. Man hört die Autobahn; sie ist wenig mehr als einen Kilometer entfernt. Aber auch das stört nicht beim Schlafen.


                                Dezimalgrad-Koordinaten: 53.6863, 13.3095
                                Zuletzt geändert von Igelstroem; 23.05.2014, 03:40.
                                Lebe Deine Albträume und irre umher

                                Kommentar


                                • Honkahonka
                                  Anfänger im Forum
                                  • 25.01.2014
                                  • 19
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                  Interessanter Bericht von einer Gegend die ich leider überhaupt nicht kenne.
                                  Fein zu lesen, danke.

                                  Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                  [B]Tag 2 (Donnerstag, 15. Mai)
                                  ... der Fahrer sieht schon so aus, als wäre er der Waldbesitzer oder der Jagdpächter. Er fährt sehr langsam an mir vorbei und guckt unbestimmt. ...

                                  Diese Szene ist der Grund dafür, dass ich mich an meinem Schlafplatz zunächst ziemlich unwohl fühle. Aber ich kann nicht mehr woanders hin. Und letztlich geschieht dann auch nichts mehr. Niemand kommt mit Hund und Taschenlampe, um mich zu vertreiben.
                                  ...
                                  Hähä ;)
                                  Liegt vielleicht an der Camouflage-Hose und der Tatsache, dass in der Gegend wohl eher wenig Fremde unterwegs sind. Da wird ein Jäger schon etwas misstrauisch. Würd mich in meinem Revier zumindest auch zuerst mal irritieren, aber wie du richtig schreibst, er hätte einfach "Hallo, wie gehts?" sagen können...

                                  In meinem Revier hätte ich dir sogar einen angenehmen Schlafplatz mit früh morgendlichem Ausblick auf Hirsch oder Reh vermittelt

                                  Bin auf die Fortsetzung gespannt

                                  gruß
                                  albert

                                  Kommentar


                                  • Igelstroem
                                    Fuchs
                                    • 30.01.2013
                                    • 1944
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                    Zitat von Honkahonka Beitrag anzeigen
                                    In meinem Revier hätte ich dir sogar einen angenehmen Schlafplatz mit früh morgendlichem Ausblick auf Hirsch oder Reh vermittelt
                                    Das ist natürlich der Idealfall. Da ich ja einen Hang zum Kommunizieren habe, habe ich in der Tat nachts mitunter so was gedacht wie: ›Nur weil ich abends nicht mit Dir gesprochen habe, muss ich mich nachts vor Dir verstecken.‹

                                    OT: Allerdings gibt es ja auch Jägerkollegen im Forum, die der Meinung sind, dass Nichtjäger nach dem Abendessen sowieso im Wald nichts zu suchen haben. Und von daher wird dann der gegenteilige, ›neulich in Berlin gehörte‹ Rat verständlich, den Schlafplatz von vornherein so zu wählen, dass man weder stört noch überhaupt gefunden werden kann.

                                    Ich markiere das als OT, weil die üblicherweise ausufernde Diskussion zu diesem Thema schon in anderen Threads geführt worden ist und hier nicht wiederholt werden soll.
                                    Lebe Deine Albträume und irre umher

                                    Kommentar


                                    • blende8
                                      Dauerbesucher
                                      • 18.06.2011
                                      • 885
                                      • Privat


                                      #19
                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                      Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                      Sie empfiehlt mir, nicht im Wald, sondern in den Dorfkirchen zu schlafen. Ich solle einfach im Dorf fragen und mir aufschließen lassen. Meine Zweifel, ob es nicht ein Sakrileg sei, in einer Kirche zu nächtigen, werden mich wohl als Westdeutschen ausgewiesen haben. In der DDR-Zeit muss das ganz üblich gewesen sein, zumindest wenn man in jungen Jahren nichtmotorisiert auf dem Lande unterwegs war.
                                      Das ist ja interessant!
                                      Wusste ich nicht.
                                      Danke für den Hinweis.
                                      Irgendwas ist immer ...

                                      Kommentar


                                      • Saniboy
                                        Gerne im Forum
                                        • 13.01.2014
                                        • 83
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                        Wer mit Hose in 5f-Flecktarn (in den Stiefeln), Kampfstiefeln und Centurio raumläuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er als Soldat wahrgenommen wird.

                                        Bringt mich auch gleich zum nächsten Punkt: Bist Du Kombattant? Nein? Warum trägst Du dann eine (unsere) Militäruniform (oder eine Abwandlung) auf Marsch?

                                        Den Bericht finde ich trotzdem gut geschrieben

                                        Kommentar


                                        • Igelstroem
                                          Fuchs
                                          • 30.01.2013
                                          • 1944
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                          Zitat von Saniboy Beitrag anzeigen
                                          Wer mit Hose in 5f-Flecktarn (in den Stiefeln), Kampfstiefeln und Centurio raumläuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er als Soldat wahrgenommen wird.

                                          Bringt mich auch gleich zum nächsten Punkt: Bist Du Kombattant? Nein? Warum trägst Du dann eine (unsere) Militäruniform (oder eine Abwandlung) auf Marsch?
                                          Das Thema ist interessant, man sollte aber dabei die Kirche im Dorf lassen. Ich trage ja, wie man sieht, zivile Wanderschuhe (Meindl Badile) und kombiniere die Hose mit irgendwelcher funktionalen Oberbekleidung. Zu den funktionalen und ökonomischen Aspekten dieser Ausrüstung habe ich mich in den beiden vorigen Reiseberichten schon geäußert, und am Ende des Westweg-Berichts habe ich auch etwas zur Außenwirkung gesagt; die scheint freilich davon abzuhängen, ob man sich in einer ausgesprochenen Wanderregion befindet oder nicht.

                                          Abstrakt kann man eine rechtliche Problematik im Sinne von § 132a Abs. 1 S. 4 StGB konstruieren. Die Rechtsprechung hat in letzter Zeit die Strafbarkeit gelegentlich vom Gesamteindruck einer hoheitlichen Amtstätigkeit abhängig gemacht (bzw. genau genommen die Strafbarkeit beim Fehlen eines solchen Gesamteindrucks ausgeschlossen); vgl. OLG Zweibrücken, 16.10.2002 - 1 Ss 161/02.

                                          Dass trotz Fehlens jeglicher Abzeichen manche Betrachter vom Gesamteindruck des Outfits auf eine Zugehörigkeit zu den Streitkräften schließen, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden. In Berlin bin ich auch schon mal trotz Antifa-T-Shirt von einer älteren Dame mit den Worten angesprochen worden: »So ein sauberer junger Mann. Sieht man ja selten heute. Sind Sie beim Bund?« Da eine Täuschungsabsicht allerdings nicht vorliegt, hat man dann Anlass, dem von Fall zu Fall entgegenzutreten. Die Berliner Polizei hat sich im Übrigen, soweit es mich betrifft, für diese Art des ›Missbrauchs‹ militärischer Uniformen in den letzten 25 Jahren buchstäblich nie interessiert.
                                          Lebe Deine Albträume und irre umher

                                          Kommentar


                                          • Nordmarka
                                            Erfahren
                                            • 26.08.2013
                                            • 229
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                            Ich lese auch interessiert mit, hab schon Deinen West-Wegbericht gerne gelesen und mag Deine Stil! Freue mich auf mehr Eindrücke von diesem super platten Land.

                                            Kommentar


                                            • tizzano1
                                              Erfahren
                                              • 13.06.2006
                                              • 383
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                              [QUOTE=Abstrakt kann man eine rechtliche Problematik im Sinne von § 132a Abs. 1 S. 4 StGB konstruieren. Die Rechtsprechung hat in letzter Zeit die Strafbarkeit gelegentlich vom Gesamteindruck einer hoheitlichen Amtstätigkeit abhängig gemacht (bzw. genau genommen die Strafbarkeit beim Fehlen eines solchen Gesamteindrucks ausgeschlossen); vgl. OLG Zweibrücken, 16.10.2002 - 1 Ss 161/02.

                                              Dass trotz Fehlens jeglicher Abzeichen manche Betrachter vom Gesamteindruck des Outfits auf eine Zugehörigkeit zu den Streitkräften schließen, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden. .[/QUOTE]

                                              Und sonst ist alles noch o.k. beim Wandern? Punkt zwei hatten wir ja gerade in der Ukraine...

                                              Kommentar


                                              • Bluebalu
                                                Dauerbesucher
                                                • 19.05.2013
                                                • 959
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                OT: Zwischen schwer bewaffneten (für normale Bürger nicht erhältliche Waffen dazu) in Militärklamotten ohne Hoheitzsabzeichen dafür mit undurchsichtigem Auftrag herumlaufende Gruppierungen und einem Wanderer, der mit billiger, frei verkäuflicher, staparierfähigen Militärklamotten ohne irgendwelche Waffen und ganz anderer Gesinnung, nun, eben wandert, ist so ein grosser Unterschied, dass es schon eine sehr zwangsbehaftete Vorstellung braucht um beides miteinander zu vergleichen!

                                                btt:
                                                Schon alleine der Titel ist genial

                                                Kommentar


                                                • Igelstroem
                                                  Fuchs
                                                  • 30.01.2013
                                                  • 1944
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                  @Bluebalu:
                                                  Ich danke Dir. – Der Fragesteller Saniboy könnte natürlich einwenden, dass die funktionalen und ökonomischen Gründe den konsequenten Stil nicht vollständig erklären können. Aber nach dem Wortlaut seiner Fragestellung ging es ja zunächst um eine mögliche rechtliche Problematik, deshalb gab es etwas richtigzustellen. Ansonsten muss Saniboy es einfach aushalten, dass ich seine Dienstkleidung teilweise cool finde. Man kann etwas cool finden und zugleich ein selbstironisches Verhältnis dazu haben. Deshalb habe ich z.B. im Westweg-Reisebericht (#38) von einer ›Fallschirmjäger-Profilneurose‹ gesprochen.
                                                  Zuletzt geändert von Igelstroem; 24.05.2014, 11:22. Grund: Schreibweise der Usernamen korrigiert
                                                  Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                  Kommentar


                                                  • blauloke

                                                    Lebt im Forum
                                                    • 22.08.2008
                                                    • 8843
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                    Danke für diesen Reisebericht. Ich mag solch unspektakuläre Berichte die zeigen, dass auch in Deutschland relativ einsam gewandert werden kann, solange man nicht den bekannten Wanderwegen folgt.
                                                    Freue mich auf die Fortzetzung deines Berichtes und den Eindrücken aus einer nicht so oft begangenen Gegend.
                                                    Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

                                                    Kommentar


                                                    • Ultraheavy
                                                      Alter Hase
                                                      • 06.02.2013
                                                      • 3186
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                      Schöner Bericht.
                                                      Einsam kann man auch in beliebten Touristengegenden sein, einfach abseits der üblichen Wege halten.
                                                      OT: Was man unterwegs gerne an Kleidung trägt, ist doch nun wirklich jedem selbst überlassen.
                                                      Ich glaub, ich schlaf am Stock

                                                      Kommentar


                                                      • Igelstroem
                                                        Fuchs
                                                        • 30.01.2013
                                                        • 1944
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                        Tag 3 (Freitag, 16. Mai)

                                                        Unterstriet – Sandhagen
                                                        29,0 km






                                                        Als ich mein Waldstück am Morgen verlasse, ist es sehr sonnig, fast mediterran. Schwacher Wind. Ich gehe ein kleines Stück die Straße entlang bis zum Ende des Waldes und lasse mich dort am Straßenrand nieder, um völlig ungestört meinen Kaffee zu kochen. Dazu Knäckebrot und Wurst und vielleicht auch noch etwas Schokolade. Passt schon.


                                                        Dann geht es Richtung Autobahn, die ich laut Bilddaten um halb zehn überquere.





                                                        Das erste Dorf ist Grischow (II), wo ich auf dem Friedhof mein Wasser abhole und mich kurz in den Schatten setze. Im Dorfteich quaken die Frösche, aber Menschen treffe ich eigentlich keine.





                                                        Von Grischow führt der Weg nun wieder hinab zum Landgraben, in dasselbe Tal, in dem ich gestern Abend umhergeirrt bin, nur eben jetzt auf der anderen Seite der Autobahn. Die Autobahn überquert das Tal auf einem langen Brückenbauwerk, damit unten die Tiere ungestört hindurchlaufen können.

                                                        Beim Abstieg ins Tal – ich formuliere das so für die norwegischen Leser, die Höhendifferenz beträgt vielleicht 15 Meter – findet man zur Linken noch eine nette Zeltwiese, aber das spielt jetzt gerade keine Rolle. Ein Radfahrer kommt von hinten. Er sieht so aus, als hätte er schon gestern keine Sonnenmilch dabeigehabt, und will von mir wissen, ob es hier nach Brunn geht; die Himmelsrichtung kommt ihm irgendwie falsch vor. Aber es geht hier tatsächlich nach Brunn. »Die Sonne steht im Südosten, das passt schon.«





                                                        Brunn klingt irgendwie österreichisch, deshalb behält man es im Kopf; dass es zwei Grischows gibt, ist mir hingegen bei der Planung nicht einmal aufgefallen.

                                                        Adorno redet irgendwo in der ›Negativen Dialektik‹ von dem »Glück, das Namen von Dörfern verheißen wie Otterbach, Watterbach, Reuenthal, Monbrunn. Man glaubt, wenn man hingeht, so wäre man in dem Erfüllten, als ob es wäre.« Wer in Kaakstedt in der Uckermark lebt, wird das vielleicht mit Befremden lesen. Heute stehen jedenfalls Beseritz und Salow und Friedland auf dem Programm.

                                                        An Brunn laufe ich vorbei, weil mein Weg im Landgrabental bleibt und ihm bis kurz vor Beseritz folgt. Dort, wo man nach Brunn weitergehen würde, stand eine der üblichen Rotunden. Sie ist aber umgefallen und bildet jetzt eine Art Shelter:




                                                        Ich mache mal wieder eine Pause auf meinem Rucksack und hänge bei dieser Gelegenheit meinen Schlafsack zum Lüften in den Wind. Außerdem untersuche ich meine Füße und beklebe die Fersen vorsichtshalber mit Tape, denn sie brennen etwas. Der viele Asphalt gestern war nicht gut für sie. Heute ist der Weg besser. Genauso wie zuvor schon im Schwarzwald lockere ich im Laufe der Tage die Schnürung der Wanderschuhe immer mehr, ohne dass das schlimme Auswirkungen auf die Fersen hätte.



                                                        Schlafsack im Wind (Innenseite ist außen)




                                                        Gegen halb zwölf laufe ich weiter. Und man läuft dann fünf, sechs Kilometer auf dem Feldweg durch die Sonne, ohne irgendwelchen Schatten und ohne irgendwelche Sitzgelegenheiten. Irgendwann kommt man an den Wald, oder der Wald tritt sozusagen von der Seite an den Weg heran, aber der Weg bleibt sonnig. Plötzlich springt ein Tier aus dem hohen Gras auf und flüchtet umständlich Richtung Wald. Es ist ein Dachs; den habe ich zuvor noch nie in freier Wildbahn gesehen und er sollte eigentlich auch tagsüber gar nicht unterwegs sein.




                                                        Etwas später erreicht man einen See mit ziemlich neu aussehendem Badesteg. Hier gibt es auch eine Feuerstelle und ein paar Findlinge zum Sitzen. Aber ich habe gerade erst Pause gemacht, in der Sonne auf dem Rucksack sitzend. Baden will ich auch nicht unbedingt. Gehe also noch die drei Kilometer bis Beseritz, wo vielleicht eine kleine Chance auf eine Einkehrmöglichkeit besteht. Andernfalls wäre danach jedenfalls ein Landschaftskaffee aus der Tüte fällig.


                                                        In Beseritz gehe ich zuerst auf den Friedhof, wahrscheinlich um Wasser zu holen, und von dort hat man einen Blick auf das gegenüberliegende neugotische Gutshaus.





                                                        Ich sehe, dass da irgendwelche Sonnenschirme vorm Haus stehen. Also vielleicht tatsächlich ein Café. Gleich mal gucken. Aber dann ist es doch nur eine Privatsitzgruppe. Kein Mensch zu sehen. Schließlich lege ich mich auf dem Vorplatz auf eine Bank, Kopf auf dem Rucksack. Sieht bestimmt etwas arg informell aus, aber es ist ja niemand in der Nähe. Eigentlich wäre es doch jetzt nett, denke ich, wenn der Gutsherr aus dem Hause käme und mir einen Kaffee anböte.





                                                        Man könnte mir vorwerfen, dass ich obigen Gedanken im Nachhinein erfunden habe, aber es war wirklich so. Ungefähr als ich wieder aufbrechen will, kommt ein Pickup angefahren, jemand steigt aus, kommt zu mir herüber und fragt mehr oder weniger schelmisch, jedenfalls freundlich:
                                                        »Hamse Dich hier ausgesetzt?«
                                                        Nee, nee, antworte ich, ich bin zum Wandern hier. Von Stavenhagen nach Jatznick. In fünf Tagen.
                                                        »Mit ’ner ganzen Truppe?«
                                                        Nee, bin allein unterwegs.

                                                        Er gibt mir die Hand und stellt sich mit Namen vor. Zu meinem Wanderplan sagt er nach ein paar Sekunden Bedenkzeit: »Das finde ich gut.« Und dann: »Möchts’n Kaffee?« Oh ja, sehr gern.

                                                        Leider, leider hat der Gutsherr selbst keine Zeit, er lässt mir aber den Kaffee nach draußen bringen, und ich halte noch ein kleines Schwätzchen mit der Dame, die ihn mir bringt. Mein Wanderplan und das Schlafen im Wald. Sie erwähnt die Nützlichkeit eines Nachtsichtgeräts bei der Tierbeobachtung.


                                                        Dann bleibe ich allein und trinke meinen ziemlich gehaltvollen Kaffee aus, der mich über die nächsten Kilometer tragen wird. Es ist ja ein bisschen so, denke ich auf dem Weg nach Salow, als hinge die Widerstandskraft der Füße vom Blutdruck ab; deshalb bekommt man Blasen, wenn man übermüdet ist, kann dem aber mit Koffein entgegenwirken. Das muss mal weiter beobachtet werden.



                                                        Weg nach Salow


                                                        Kirche in Salow

                                                        (Der Gerechtigkeit halber sollte man sagen, dass es in Salow, wenn ich mich recht erinnere, eine Gaststätte im Gutshaus gibt, aber ich habe das nicht konkret überprüft.)


                                                        Grüße aus Schweden (und ich habe nur die Hälfte fotografiert)


                                                        In Salow bin ich um halb vier, halte mich aber nicht lange auf, weil ich ja unbedingt heute in Friedland einkaufen und mir anschließend außerhalb noch einen Platz zum Schlafen suchen muss. Ich gehe deshalb auch nicht den auf meiner Karte verzeichneten Wanderweg, sondern nehme den Radweg der L 28 als Abkürzung. Drei Kilometer auf gemähtem Gras. Und nebenbei ist zu registrieren, dass ich bisher an nahezu allen stärker befahrenen Straßen, die ich zu sehen bekommen habe, auch einen Radweg mit etwas Distanz zur Fahrbahn vorgefunden habe. Selten hat sich beim Wandern in der Kulturlandschaft das Auto so wenig aufgedrängt wie hier.




                                                        Friedland erreiche ich kurz vor fünf Uhr. Am Ufer des Mühlenteichs, dem Stadtsee sozusagen, wo sich jetzt komischerweise trotz Wochenendes und schönsten Wetters niemand aufhält, wechsle ich das T-Shirt und verbrauche nebenbei ein Feuchttuch, um irgendwie restaurantfähig zu werden. Dann latsche ich in die Stadt hinein, die am Rand vielleicht noch eine gewisse Ähnlichkeit mit Altentreptow hat, deren Zentrum aber in den letzten Kriegstagen weitgehend zerstört worden ist. Entsprechend unpittoresk ist der zentrale Platz (der hier nicht abgebildet ist, weil ich das Fotografieren immer dann vergesse, wenn ich etwas anderes zu tun habe).

                                                        Ich gehe in den Supermarkt (um einen Wurstvorrat zu kaufen – Schokolade vergesse ich leider), dann noch nebenan in einen anderen Laden und frage dort nach einer Restaurant-Empfehlung.

                                                        Das gelingt auch so weit, das heißt ich esse anschließend ganz passabel im Restaurant Lorenz; nur dass eben dieses Restaurant schon ›draußen‹ vor dem Anklamer Tor neben dem Aldi liegt, wo man keinen Eindruck mehr von dem innerstädtischen Leben bekommt.

                                                        Angeblich gibt es auch gar keins. Denn als ich vorhin nach einer Buchhandlung gefragt habe, lautete die Auskunft: »Gibt’s nicht mehr. Hier gibt’s überhaupt nichts mehr. Alles total tote Hose.« Und weil das ein bisschen so klingt, als wollte sie sagen: »Ich sag Ihnen jetzt mal was, was Sie direkt in Ihren Reisebericht schreiben können, Sie interessieren sich doch immer so fürs Soziale«, muss ich etwas verlegen lachen und erwidere: »So genau wollt’ ich’s gar nicht wissen.« Jedenfalls, so das Ergebnis, wird es auch für den Rest der Strecke keine farbige Wanderkarte geben.



                                                        Das Anklamer Tor liegt passenderweise im Nordosten der Stadt, also kann ich nach dem Essen gleich weiter hinauslaufen, über den Bauersheimer Weg wieder einmal Richtung Landgrabental. Es ist inzwischen halb acht, und mein Weg sieht so aus:




                                                        Ich bewege mich auf Asphalt, aber nach dem Essen ist zunächst, was die Füße und die sonstige Kondition angeht, alles gut. Außerhalb der Siedlung treffe ich wieder einmal keine Menschenseele mehr. Dort, wo das Sträßchen nach rechts in das Landgrabental einbiegt, steht allerdings eine Kuhherde auf der Weide, und weil Dutzende dieser Tiere mich so unverwandt anstarren, als hätten sie den ganzen Tag auf einen Kombattanten gewartet, wird mir unwohl und ich traue mich nicht mehr, ein Foto zu machen.


                                                        Ich laufe noch zwei Kilometer weiter, dann nehme ich rechts einen Weg in den Wald und schaue mich nach einem Schlafplatz um. Wenn man etwas weitergeht, kommt man auf eine verkrautete Wiese, die auf drei Seiten von Wald umgeben ist; aber hier müsste ich mich dann schon fast direkt neben den Hochsitz legen. Während ich den Platz untersuche, steht nicht allzu weit von mir entfernt ein Rehbock herum und schreckt. Sehr eilig hat er es nicht.

                                                        Eine andere Möglichkeit ist auch diesmal wieder die, sich nah am Waldrand in den Laubwald zu legen. Draußen auf der anderen Seite des Feldes, 150 Meter entfernt, ist ein Hochsitz. Auf meiner Seite ist auch einer – allerdings ein umgestürzter, so dass ich gewissermaßen in Deckung liege. Die endgültige Entscheidung, hier zu bleiben, fällt in Form eines ersten Schusses auf der anderen Seite des Waldes. Also gleich mal in Deckung gehen. Es wird ohnehin bereits dunkel. Diesmal dient das Tarp der Einfachheit halber als Bodenplane.

                                                        In der nächsten Stunde höre ich noch zwei weitere Schüsse, aber sie sind nicht wirklich in der Nähe. Dann wird es still. Oder doch nicht, denn der Tierverkehr in dieser Nacht ist ziemlich rege. Man hört Rehe rascheln und wegspringen, und später grunzt es auch in der Nähe, nämlich aus der Richtung des Weges, wo sich jetzt Nebel im Wald ausgebreitet hat. Ohne das Schwarzwild zu sehen, beginne ich ein Gespräch mit ihm und klatsche mal in die Hände. Wenig später höre ich das Grunzen nur noch aus größerer Entfernung, und noch etwas später stehe ich kurz auf und uriniere sicherheitshalber in der Nähe meines Liegeplatzes.


                                                        Der Himmel ist klar, und zwischen den Blättern sieht man hier und da Sterne blinken. Solange es noch etwas dämmert, erscheint der Laubwald wie das Innere einer Kapelle mit unregelmäßiger Bauform; später, wenn die Konturen der belaubten Äste nicht mehr auszumachen sind, wird das Bild flächig und verwandelt sich in eine Art Scherenschnitt, weil der Himmel hinter dem schwarzen Laub relativ hell bleibt. Ein schwarzweißes Bild, in dem man versuchen kann, ornamentale Muster zu erkennen. Und genauso, wie man manchmal bei Google Earth die Landschaft fälschlich im Negativ sieht – also etwa die eingeschnittenen Täler als Grate –, kann man sich jetzt einbilden, die Lichtflecken der Himmelshelligkeit zwischen dem Laub seien Girlanden von schwachen LED-Leuchten auf einem schwarzen Hintergrund. Und wenn es so weit ist, dass man sich darüber nicht mehr verwundert, schläft man vielleicht ein.


                                                        Dezimalgrad-Koordinaten: 53.6913, 13.6136
                                                        Zuletzt geändert von Igelstroem; 25.05.2014, 00:12.
                                                        Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                        Kommentar


                                                        • Nordmarka
                                                          Erfahren
                                                          • 26.08.2013
                                                          • 229
                                                          • Privat


                                                          #29
                                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen



                                                          Beim Abstieg ins Tal – ich formuliere das so für die norwegischen Leser, die Höhendifferenz beträgt vielleicht 15 Meter – findet man zur Linken noch eine nette Zeltwiese, aber das spielt jetzt gerade keine Rolle.
                                                          Das passt schon, ich bin in der Oberrheinebene aufgewachsen, für uns war der Kanaldamm ein Berg ...

                                                          Ansonsten: wieder ein schöner Bericht, schade, dass Du nur fünf Tage unterwegs warst!

                                                          Kommentar


                                                          • AlfBerlin
                                                            Lebt im Forum
                                                            • 16.09.2013
                                                            • 5073
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                            Zitat von Nordmarka Beitrag anzeigen
                                                            ... schade, dass Du nur fünf Tage unterwegs warst!
                                                            Jetzt verderb uns mal nicht die Stimmung! Es kommen doch noch zwei Tage!

                                                            Siehste, Igelstroem, Dein Inhaltsverzeichnis am Anfang Deines Reiseberichts war ein Fehler! Du hättest doch erst mal offen lassen können, ob und wann Du wieder zurückkehrst. Dann wäre die Geschichte noch spannender und wir müssten uns die ganze Zeit fragen, ob Du vielleicht bei den Eingeborenen bleibst oder Gefallen am Wandern findest und einfach weiter wanderst oder oder oder ...

                                                            Kommentar


                                                            • Mika Hautamaeki
                                                              Alter Hase
                                                              • 30.05.2007
                                                              • 3996
                                                              • Privat


                                                              #31
                                                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                              Die bilder sind einfach cool! Der Schreibstil sowieso!
                                                              So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                                              A. v. Humboldt.

                                                              Kommentar


                                                              • Abt
                                                                Lebt im Forum
                                                                • 26.04.2010
                                                                • 5726
                                                                • Unternehmen


                                                                #32
                                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                Danke für deinen Bericht. Bin auch ein Fan vom gefleckter Kleidung wegen der praktischen Seite.
                                                                Die Landschaft wäre aber nicht so mein Ding...
                                                                Die erinnert mich an das Buch Von Berlin nach Moskau zu Fuß

                                                                Hattest du Bergstiefel der BW im Test? Wie sind die über die Strecke bei Hitze?

                                                                Kommentar


                                                                • Saniboy
                                                                  Gerne im Forum
                                                                  • 13.01.2014
                                                                  • 83
                                                                  • Privat


                                                                  #33
                                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                  Hattest du Bergstiefel der BW im Test? Wie sind die über die Strecke bei Hitze?
                                                                  Um Welten besser als die Standard-Kampfstiefel, aber wesentlich unangenehmer als zivile Wanderschuhe.

                                                                  Wenn ich Dir den Tipp geben darf: Wenn Du keine Bergstiefel brauchst, hol Dir keine Bergstiefel.

                                                                  Kommentar


                                                                  • robart
                                                                    Neu im Forum
                                                                    • 26.05.2014
                                                                    • 6
                                                                    • Privat


                                                                    #34
                                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                    Schöner Bericht bisher, die Schreibe gefällt mir sehr gut. Hab mich extra hier (endlich) angemeldet um das mitzuteilen...

                                                                    Viele Grüße,
                                                                    Rolf
                                                                    www.mtw-faltboot.de - Geschichte & Praxis der Faltboote aus Wismar

                                                                    Kommentar


                                                                    • Igelstroem
                                                                      Fuchs
                                                                      • 30.01.2013
                                                                      • 1944
                                                                      • Privat


                                                                      #35
                                                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                      Zitat von robart Beitrag anzeigen
                                                                      Schöner Bericht bisher, die Schreibe gefällt mir sehr gut. Hab mich extra hier (endlich) angemeldet um das mitzuteilen...
                                                                      Nun, dann sollst Du auch eine eigene Antwort bekommen, bevor ich mit dem Bericht fortfahre.

                                                                      Bei der Auswahl der Bilder habe ich die Weite der Landschaft ein bisschen überbetont. Häufig bewegt man sich zwischen den Dörfern auf nichtasphaltierten Alleen (Eiche, Kastanie etc.) und hat dann auch Schatten. Aber meine Fotos sind nicht immer scharf ...

                                                                      Wenn man im Münsterland aufgewachsen ist, hat die bei dieser Tour durchwanderte Landschaft einen besonderen Reiz, weil sie ›vergleichbar‹ ist, der Vergleich aber in vielen Punkten zugunsten Mecklenburgs ausfällt. Um das Münsterland zu mecklenburgisieren, müsste man Folgendes tun:

                                                                      – drei Viertel der Besiedlung und der Verkehrswege beseitigen; insbesondere fast alle Eigenheimsiedlungen abräumen und nur die Dorfkerne übriglassen;
                                                                      – die Kirchen abreißen und durch Feldsteinkirchen ersetzen;
                                                                      – Schweinemastbetriebe durch Herrenhäuser ersetzen;
                                                                      – alle Maisfelder durch Rapsfelder ersetzen;
                                                                      – die Niederschlagsmenge um ein Viertel herabsetzen und die Windgeschwindigkeiten leicht erhöhen;
                                                                      – einige zusätzliche Windräder aufstellen;
                                                                      – das Relief behutsam aufkräuseln;
                                                                      – die Gesichter und Schädelformen, ähm, nee weiß nicht.

                                                                      Und das Meiste davon ist eben fürs Wandern eine Verbesserung.
                                                                      Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                      Kommentar


                                                                      • robart
                                                                        Neu im Forum
                                                                        • 26.05.2014
                                                                        • 6
                                                                        • Privat


                                                                        #36
                                                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                        Als geborener Münsterländer (mit 62 cm Bumskopp) muss ich natürlich einmal kurz "Skandal" rufen. Aber ansonsten gebe ich Dir schon recht, ich habe auch seit mittlerweile 20 Jahren eine Schwäche für Mecklenburg-Vorpommern. Komme in Sachen Mentalität auch eher mit den Leuten dort klar als mit der eigenen Verwandschaft südlich des Mains. Selbst meine Schwester in Freiburg mutiert inzwischen... Ich hoffe allerdings, es liest von denen keiner mit, zumindest meinen Beitrag nicht.

                                                                        Grüße, Rolf


                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                        Wenn man im Münsterland aufgewachsen ist, hat die bei dieser Tour durchwanderte Landschaft einen besonderen Reiz, weil sie ›vergleichbar‹ ist, der Vergleich aber in vielen Punkten zugunsten Mecklenburgs ausfällt. Um das Münsterland zu mecklenburgisieren, müsste man Folgendes tun:
                                                                        [...]
                                                                        – die Gesichter und Schädelformen, ähm, nee weiß nicht.
                                                                        www.mtw-faltboot.de - Geschichte & Praxis der Faltboote aus Wismar

                                                                        Kommentar


                                                                        • Wanderreiterin
                                                                          Erfahren
                                                                          • 10.01.2010
                                                                          • 343
                                                                          • Privat


                                                                          #37
                                                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                          Sehr schön geschrieben... Wann gehts weiter?

                                                                          Zum Thema Kleidung: Ich dachte immer, man muss die Sachen mit der Tatze tragen um als Wanderer erkannt zu werden
                                                                          Die meisten Menschen sind so glücklich, wie sie es sich selbst vorgenommen haben. Abraham Lincoln

                                                                          Kommentar


                                                                          • AlfBerlin
                                                                            Lebt im Forum
                                                                            • 16.09.2013
                                                                            • 5073
                                                                            • Privat


                                                                            #38
                                                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                            Igelstroem, für Deine Vorschläge zur Verbesserung des Münsterlandes

                                                                            Kommentar


                                                                            • AlfBerlin
                                                                              Lebt im Forum
                                                                              • 16.09.2013
                                                                              • 5073
                                                                              • Privat


                                                                              #39
                                                                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                              Zitat von Wanderreiterin Beitrag anzeigen
                                                                              Zum Thema Kleidung: Ich dachte immer, man muss die Sachen mit der Tatze tragen um als Wanderer erkannt zu werden
                                                                              Mit einer Tatzen-Hose wäre Igelstroem viel unauffälliger als mit der Flecktarn-Hose, also sozusagen sozial getarnt. Mit der Flecktarnhose muss man erst einmal nach einer Schublade suchen und dann kriegt man sie nicht zu

                                                                              Kommentar


                                                                              • cane

                                                                                Alter Hase
                                                                                • 21.10.2011
                                                                                • 4401
                                                                                • Privat


                                                                                #40
                                                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                OT:
                                                                                Zitat von Saniboy Beitrag anzeigen
                                                                                Wer mit Hose in 5f-Flecktarn (in den Stiefeln), Kampfstiefeln und Centurio raumläuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er als Soldat wahrgenommen wird.)
                                                                                Man steckt die Hose in die Stiefel wenn man keine Hosengummis verwenden möchte, sonst wird sie nass.

                                                                                Bringt mich auch gleich zum nächsten Punkt: Bist Du Kombattant? Nein? Warum trägst Du dann eine (unsere) Militäruniform (oder eine Abwandlung) auf Marsch?
                                                                                jemand der einen Zylynder trägt zaubert nicht automatisch und einen Trecker zu fahren heisst nicht das man Landwirt ist ;) Hier auf dem Land trägt meine Generation oft BW Klamotten, sind günstig und gut zum Arbeiten geeignet.

                                                                                mfg
                                                                                cane
                                                                                Zuletzt geändert von cane; 27.05.2014, 15:13.

                                                                                Kommentar


                                                                                • Mika Hautamaeki
                                                                                  Alter Hase
                                                                                  • 30.05.2007
                                                                                  • 3996
                                                                                  • Privat


                                                                                  #41
                                                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                  OT: Kinners, diese ganze Hosen Diskussion ist doch sowas von wurscht! Laßt uns doch einfach den tollen Bericht genießen.
                                                                                  So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                                                                  A. v. Humboldt.

                                                                                  Kommentar


                                                                                  • Igelstroem
                                                                                    Fuchs
                                                                                    • 30.01.2013
                                                                                    • 1944
                                                                                    • Privat


                                                                                    #42
                                                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                    OT:
                                                                                    Zitat von cane Beitrag anzeigen
                                                                                    Hier auf dem Land trägt meine Generation oft BW Klamotten, sind günstig und gut zum Arbeiten geeignet.
                                                                                    Boshafterweise (und um die Kritik an Saniboys Beitrag behutsam zu relativieren) könnte man darauf hinweisen, dass ja cane dieses Thema früher auch schon mal anders akzentuiert hat, als es um militärische Rucksäcke ging:
                                                                                    https://www.outdoorseiten.net/forum/...=1#post1275603

                                                                                    Aber nix für ungut. Ich stecke übrigens die Hose nicht wirklich in die Stiefel, sondern habe wie bei den früheren BW-Moleskinhosen ein Zugband in den Saum hineingezogen, das man dann entweder zubinden kann oder auch nicht, je nach Zecken, Bodenfeuchte und Silhouettenmodifizierungsbedarf. Im Gespräch weise ich die Betrachter gelegentlich darauf hin, dass ja mein Outfit in vielerlei Weise gegen die Zentrale Dienstvorschrift 37/10 (Anzugsordnung) verstößt, so dass man sich schon denken könne, dass ich kein Soldat sei. Aber dann stellt sich immer heraus, dass die meisten Fachverkäuferinnen sich mit diesen Bestimmungen gar nicht auskennen.

                                                                                    Ich markiere das alles als OT, weil Mikas impliziter Hinweis, ich solle doch lieber den Bericht weiterschreiben, natürlich berechtigt ist.
                                                                                    Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                    Kommentar


                                                                                    • ronaldo
                                                                                      Freak
                                                                                      Moderator
                                                                                      Liebt das Forum
                                                                                      • 24.01.2011
                                                                                      • 12506
                                                                                      • Privat


                                                                                      #43
                                                                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                      Allein schon dafür (---> "Silhouettenmodifizierungsbedarf") lohnt sich das Lesen deines Berichts, was kratzt mich da, ob die Landschaft toll ist oder nicht...

                                                                                      Kommentar


                                                                                      • stoeps
                                                                                        Dauerbesucher
                                                                                        • 03.07.2007
                                                                                        • 537


                                                                                        #44
                                                                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                        Der Himmel ist klar, und zwischen den Blättern sieht man hier und da Sterne blinken. Solange es noch etwas dämmert, erscheint der Laubwald wie das Innere einer Kapelle mit unregelmäßiger Bauform; später, wenn die Konturen der belaubten Äste nicht mehr auszumachen sind, wird das Bild flächig und verwandelt sich in eine Art Scherenschnitt, weil der Himmel hinter dem schwarzen Laub relativ hell bleibt. Ein schwarzweißes Bild, in dem man versuchen kann, ornamentale Muster zu erkennen. Und genauso, wie man manchmal bei Google Earth die Landschaft fälschlich im Negativ sieht – also etwa die eingeschnittenen Täler als Grate –, kann man sich jetzt einbilden, die Lichtflecken der Himmelshelligkeit zwischen dem Laub seien Girlanden von schwachen LED-Leuchten auf einem schwarzen Hintergrund. Und wenn es so weit ist, dass man sich darüber nicht mehr verwundert, schläft man vielleicht ein.
                                                                                        Wunderschön.
                                                                                        Überhaupt, ein Gedankenbericht.
                                                                                        Danke.

                                                                                        stoeps
                                                                                        „The world's big and I want to have a good look at it before it gets dark.”
                                                                                        ― John Muir

                                                                                        Kommentar


                                                                                        • cane

                                                                                          Alter Hase
                                                                                          • 21.10.2011
                                                                                          • 4401
                                                                                          • Privat


                                                                                          #45
                                                                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                          OT: Boshafterweise (und um die Kritik an Saniboys Beitrag behutsam zu relativieren) könnte man darauf hinweisen, dass ja cane dieses Thema früher auch schon mal anders akzentuiert hat, als es um militärische Rucksäcke ging:
                                                                                          https://www.outdoorseiten.net/forum/...=1#post1275603
                                                                                          OT:
                                                                                          Nein, da bezog ich mich auf die unsinnige Aussage "ich trage nur grün / nie Deuter / ...", das es ein militärischer Rucksack war war für meinen Kommentar nicht relevant. Ich hab zwischen 7 und 13 größtenteils Armeeklamotten getragen, allerdings einfach weil es praktisch und Robust ist und ich fast jeden Tag in der Landwirtschaft gearbeitet hab in dem Alter.

                                                                                          Anyway - jedem das Seine, der Bericht ist Klasse.

                                                                                          mfg
                                                                                          cane

                                                                                          Kommentar


                                                                                          • changes

                                                                                            Dauerbesucher
                                                                                            • 01.08.2009
                                                                                            • 981
                                                                                            • Privat


                                                                                            #46
                                                                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                            <-- gespannt auf die Fortsetzung wartend ...
                                                                                            Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich bin in Euch und geh’ durch Eure Träume. (Michelangelo)
                                                                                            Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen. (Albert Schweitzer)

                                                                                            Kommentar


                                                                                            • Pathfounder
                                                                                              Neu im Forum
                                                                                              • 04.10.2006
                                                                                              • 3


                                                                                              #47
                                                                                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                              genialer Bericht

                                                                                              Kommentar


                                                                                              • Igelstroem
                                                                                                Fuchs
                                                                                                • 30.01.2013
                                                                                                • 1944
                                                                                                • Privat


                                                                                                #48
                                                                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                Tag 4 (Sonnabend, 17. Mai)

                                                                                                Sandhagen – Neuensund
                                                                                                28,4 km



                                                                                                In der Morgendämmerung fallen noch zwei Schüsse, beide nicht in meiner Nähe. Es ist Wochenende.


                                                                                                Schlafplatz mit Centurio


                                                                                                Ausblick über das Feld


                                                                                                Nach den Bilddaten zu urteilen stehe ich um halb acht auf, packe zusammen und verlasse den Wald. Die Sonne scheint. Dort wo ich gestern in den Wald abgebogen bin, befindet sich ein leerer Flachsilo. Ganz leer ist er freilich nicht. Es sieht so aus, als hätten die Autoreifen, die sonst zum Abdecken verwendet werden, als Slalom-Markierungen gedient, und außerdem liegen einige vergammelte Matratzen und verstreuter Müll herum. Es muss schon eine Weile her sein, aber man imaginiert die Anwesenheit von Menschen, die hier irgendwelchen Spaß hatten.



                                                                                                Flachsilo


                                                                                                Ich setze mich auf eine Betonkante, koche Kaffee und esse etwas. Morgens in der Sonne macht das immer Spaß. Noch ist das Aufstehen seliger als das Schlafengehen. Ob das irgendwann anders wird, wenn man mehr Routine bei der Schlafplatzsuche hat?


                                                                                                Erst um zwanzig nach neun mache ich mich auf den Weg. Wieder eine Sonnenetappe im Landgrabental, mit einem kleinen Schlenker Richtung Sandhagen, wo man einen vermutlich besseren Schlafplatz im trockenen Kiefernwald gefunden hätte. Aber das weiß man vorher nicht.

                                                                                                Feldweg, Sonne; in der Luft das zaghafte Gepiepse der Lerchen. Irgendwo links liegt der Putzarer See, aber man sieht ihn nicht, weil etwas Wald dazwischenliegt.


                                                                                                Irgendwann auf diesen Strecken habe ich angefangen, den Flow mit einer Melodie zu unterlegen. Nicht, dass ich gesungen hätte. Ich summe nur vor mich hin. Wäre jemand bei mir, würde das vielleicht auf Missbilligung stoßen. Aber im Kopf, wo sie kreist, ist die Musik völlig klar, als würde sie von einem Holzbläser-Ensemble gespielt, und hat auch die nötige Spannung, die beim Singen in der Kirche nie erreicht wird. Das Lied hat den Vorzug, dass man die Phrasierung und Akzentuierung ein bisschen variieren kann, dann fügt es sich immer wieder anders in den Rhythmus des Gehens, nimmt ihn auf und löst sich wieder davon. Was uns die Erde Gutes spendet.



                                                                                                Rastplatz im Landgrabental


                                                                                                Bei dem Dorf Schwichtenberg verlasse ich schließlich das Landgrabental. Der in West-Ost-Richtung verlaufende Fernwanderweg biegt hier für einen halben Tag nach Süden ab; wohl deshalb, damit man den Galenbecker See und die Brohmer Berge nicht verpasst. Ich habe es aber trotzdem geschafft, den Galenbecker See nicht zu sehen.


                                                                                                ›Vorpommern‹, denke ich im Thomas-Bernhard-Stil, während ich mich Schwichtenberg nähere. ›Wenn ich jetzt mit polnischem Akzent spreche, bin ich tot.‹ Im Hinterkopf geistern Geschichten von osteuropäischen Banden herum, die Bau- und Landmaschinen stehlen und also zum Beispiel mit einem Radlader gemütlich über die offene Grenze tuckern. Dabei war das gar nicht hier, sondern in der Lausitz.


                                                                                                Wo die Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern verläuft, weiß ich übrigens gar nicht so genau. Das ist etwas kompliziert, weil die historische Grenze mit den heutigen Kreisgrenzen jedenfalls nicht übereinstimmt. Wenn ich im Gespräch mit den Einheimischen einen Satz mit »Hier in Mecklenburg« oder »Hier in Vorpommern« beginne, werde ich mitunter korrigiert.







                                                                                                In Schwichtenberg begrüßt mich ein Wahlplakat der Linken: »Mehr Kultur wagen«. Auf der Festwiese veranstaltet die Jugendfeuerwehr eine Übung. Ich könnte meine Wasserflaschen auch auf dem Friedhof auffüllen, aber wenn es schon einmal so ist, frage ich doch lieber hier: Wo eine Feuerwehr ist, ist auch Wasser. In der Tat darf ich den Wasserhahn im Gerätehaus benutzen. Kurzes Gespräch über meinen Wanderplan und Klärung der Frage, ob es noch eine geöffnete Gaststätte in Schwichtenberg gibt. Das ist nicht der Fall, denn ›Dingens‹ hat neulich zugemacht. Ich soll entweder einen Umweg über den Lübkowsee gehen oder mich bis Galenbeck gedulden, das sind noch einige Kilometer. Ich gedulde mich also bis Galenbeck.

                                                                                                Zum Schluss mache ich noch eine Art Situationsfoto mit Jugendfeuerwehr, aber es wird leider nicht scharf. Man kann sich im Internet behelfen, denn Schwichtenberg hat eine eigene Website (www.schwichtenberg-online.de).



                                                                                                Halb zwölf ist es jetzt. Südlich von Schwichtenberg biegt mein Wanderweg (kurz hinter dem Findlingsgarten) von der kaum befahrenen Straße auf einen Feldweg ab – aber nach einer Weile stehe ich vor einer Bullenweide, wo angeblich Lebensgefahr droht.




                                                                                                Man sieht den Bullen nicht, aber vielleicht hat er sich irgendwo versteckt und wartet auf Streckenwanderer. Ich laufe nach links am Zaun entlang, dann folge ich einem Feldrand, der freilich sehr bequem zu laufen ist, nämlich ein gemähter Grasstreifen zwischen Feld und Wald in der Breite eines Eigenheimgrundstücks. Und wenn man um das kleine Waldstück halb herumgelaufen ist, kommt man tatsächlich wieder auf die Straße (L 311), an der ich nun bis Fleethof entlanglaufe. Böser Asphalt. Da hinten rechts am fernen Waldrand, wo mein Weg eigentlich langläuft, ist es sicher schön. Scheißbullen.


                                                                                                Auf der Straße liegt ein toter Rabe. Dabei kommt hier nur alle paar Minuten mal ein einzelnes Auto angefahren.


                                                                                                In Fleethof finde ich den Weg und auch die Markierung wieder. Ganz netter Feldweg, der in weitem Bogen um den Galenbecker See herumführt, ohne dass man den wirklich sieht. Etwas Schatten und heute, weil Sonnabend ist, auch hin und wieder Radfahrer. Irgendwo setze ich mich auf meinen Rucksack und entferne das gestrige Tape von meinen Fersen, weil es begonnen hat, Falten zu werfen und sich abzulösen. Ich komme im weiteren Verlauf ohne Tape aus. Aber jetzt muss ich erst mal meine Füße kratzen und massieren; sie jucken so schön, dass man gar nicht wieder aufhören möchte.





                                                                                                Zick und zack macht der Weg, dann kommen am Horizont die Brohmer Berge in Sicht. Links auf dem Feld machen zwei Traktoristen Pause an ihrem Gefährt. Das heißt, sie stehen da, und als ich mich nähere, werde ich gefragt: »Hamse dich hier abgesetzt?« Ich muss erst mal nach Luft schnappen, denn es kann ja eigentlich nicht sein, dass man zweimal dasselbe gefragt wird. Einmal »ausgesetzt« und einmal »abgesetzt«, das fällt mir allerdings sofort auf. Und die Folge ist, dass ich schon wenig später nicht mehr so genau weiß, wer jetzt eigentlich »ausgesetzt« gesagt hat und wer »abgesetzt«. Kann also auch umgekehrt gewesen sein.

                                                                                                Jedenfalls fange ich mich und sage: »Dasselbe bin ich gestern auch schon gefragt worden. Ich bin aber zum Wandern hier.« Und so weiter. Vorhin, erzählen die beiden, sei nämlich ein Auto vom Zoll vorbeigefahren. Da hätten sie gedacht, dass die mich vielleicht hier abgesetzt haben. Oder ausgesetzt.

                                                                                                Das Gespräch geht über meinen Wanderplan. »Nach Jacknitz ist es aber noch weit.« Ach so, nicht Jacknitz, sondern Jatznick. (Ich habe jedes Mal Mühe mit dem Ortsnamen. Jitznack könnte es ja auch heißen. Jacknitz gibt es gar nicht, Jitznack wahrscheinlich auch nicht. Man muss sich Jazz merken, darf es dann aber nicht so aussprechen.)

                                                                                                Nach einer Weile ist es so weit, dass ich meinen Beruf erklären muss. Dass ich dann wandern gehe zum Ausgleich, das leuchtet ihnen völlig ein. Und als ich schließlich gut gelaunt weitergehe – ziemlich gut gelaunt, denn ich mag solche Gespräche, die in kürzester Zeit gleichsam die Grenze dessen erreichen, was am Wegesrand möglich ist –, sagt noch der eine ganz unbefangen zum anderen: »Nu, da ham wa ja noch ne ganze Menge rausgekriegt.« Da hat er recht. Der Zoll ist womöglich wortkarger.



                                                                                                Kurz vor Galenbeck: Diesmal ist die Rotunde zugewuchert.


                                                                                                Gegen halb vier bin ich in Galenbeck. Gutshaus, Kirche, eine kleine geschlossene Gaststätte am Ortsrand. Ich bin übrigens heute nicht der Einzige, der hier eine Gaststätte sucht. Jemand bietet mir an, mich im Auto nach Neuensund mitzunehmen, da gebe es dann jedenfalls etwas. Aber ich bleibe dann doch, hole mir Wasser auf dem Friedhof und koche mir an dem kleinen Rastplatz in Sichtweite der Kirche einen Kaffee.



                                                                                                Kirche in Galenbeck


                                                                                                Was das Touristische angeht, bin ich lausig vorbereitet. Fünfhundert Meter wären es zum Seeufer, aber ich bin beim Blick auf meine Karte zu sehr auf den weiteren Weg fixiert, außerdem ist meine Karte zu schlecht. Bei Galenbeck gibt es in der Seeniederung eine kleine Burgruine; der Turm steht schief, weil der Untergrund nicht tragfähig ist. Diese Ruine – und ich bin ein Freund von Wüstungen und Ruinen – liegt wohl keine hundert Meter von meinem Rastplatz entfernt, aber ich weiß nichts davon und es stehen ein paar Bäume dazwischen; deshalb erfahre ich das erst einige Tage später aus dem Internet.


                                                                                                Von Galenbeck führt der Weg auf einer schönen unbefestigten Allee nach Rohrkrug. Weiter Ausblick nach beiden Seiten. Rechts steigt das Gelände leicht an zu den Brohmer Bergen, die den Horizont bilden, links fällt es leicht ab zum Galenbecker See.












                                                                                                Man durchquert Rohrkrug, dann das sehr schön gelegene, wie ein ungenutzter Urlaubsort wirkende Gehren. Es ist das Land der kurzgemähten Rasenflächen.


                                                                                                In irgendeinem der Dörfer werde ich am Gartenzaun angesprochen und halte mich vielleicht zwanzig Minuten auf. Ich bekomme ein Leben erzählt.

                                                                                                Fünf Jahre bei den Fallschirmjägern, dann den Dienst quittiert, als er Testspringer werden sollte. Später Spezialbetonbau: Bunker für die NVA. Jetzt seit ein paar Jahren arbeitslos. Die Welt ist überwiegend schlecht, und die da oben haben eine Meise oder mehrere. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Kommunalwahl zugleich mit der Europawahl. Er wird nicht hingehen. Oder doch; aber nur, um denen einen zerrissenen Wahlzettel hinzuwerfen. Die Dörfer sehen akkurat aus, na klar. Soll ich Dir sagen, warum? Das sind alles Rentner hier. Wer Arbeit hat, macht Alten- oder Krankenpflege und muss fahren. Der Streifen zwischen Grundstück und Straße muss jetzt immer begrünt sein, deshalb sehen die Dörfer so gepflegt aus. Und wer muss das alles mähen? Die Grundstückseigentümer. Schuld daran sind die Grünen. Und an jedem Baum eine Plakette mit einer Nummer. Das ist die Baumzählung.
                                                                                                Die Sozialleistungen sind ungerecht verteilt. Die Polen kriegen Kindergeld, wenn sie sechs Monate hier gearbeitet haben. Er kriegt vom Amt 1,60 EUR im Monat zusätzlich als Energiekostenzuschuss, weil seine einjährige Enkeltochter in seinem Haushalt lebt. ›Das Amt denkt wohl, dass ich das Kind mit kaltem Wasser waschen soll.‹

                                                                                                Und so weiter. Seine Frau ist heute Abend zu einer Geburtstagsfeier in der Verwandtschaft. Aber er geht da nicht hin. Die haben alle Arbeit, und die reden dann über ihre Arbeit. Da will er nicht dabei sein. Er hat noch eine Weile zu tun, aber nachher wird er sich mit einer Kiste Bier in seine Garage setzen, ganz am Ende des Grundstücks. Guten Weg noch. Oder willste auch nen Bier?

                                                                                                Ich lehne dankend ab. Bier könnte die Beine schwer machen, und womöglich bricht man dann mitten im Naturschutzgebiet schlafend zusammen.


                                                                                                Während ich weitergehe, denke ich: ›Aber Du wohnst in Deinem eigenen Haus mit Ausblick in die Landschaft. Die gutverdienenden Angestellten in Berlin träumen nur davon. Ganz zu schweigen von Hartz-IV-Empfängern in der Stadt.‹







                                                                                                Hinter Gehren führt der Weg als Kopfsteinpflasterstraße weiter bergauf, dann durch ein Naturschutzgebiet. Inzwischen ist es Zeit, sich nach einem Schlafplatz umzusehen. Am Ende des Naturschutzgebietes, am Waldrand, gibt es einen Rastplatz mit überdachtem Tisch. Hier könnte man sich niederlegen, aber genau genommen gehört der Rastplatz noch zum Naturschutzgebiet.

                                                                                                Ich entschließe mich, noch Richtung Neuensund weiterzulaufen, und eventuell über den Ort hinaus in den Wald.

                                                                                                Es geht auf einer Asphaltstraße bergab, denn Neuensund liegt am Fuß der Brohmer Berge. Der Himmel hat sich inzwischen eingetrübt. Man hat unterwegs einen weiten Ausblick: In nordöstlicher Richtung scheint es sogar zu regnen, aber es zieht vorbei. Hier und da könnte man zur Not am Rande eines Waldstücks schlafen, aber letzten Endes laufe ich nach Neuensund hinein.



                                                                                                Dort gibt es einen großen Gutshof, der jetzt, wie ich später im Internet nachlese, von drei Berlinern restauriert und betrieben wird. Architekten und Kulturschaffende sozusagen. Es gibt sogar Zimmer zum Übernachten und neuerdings die Möglichkeit, auf dem Gelände zu zelten. Das steht auf einem Schild. Ich würde jetzt gerne. Vielleicht würde ich sogar ein Zimmer bevorzugen, denn der Wetterbericht ist ungünstig, wie ich heute unterwegs erfahren habe.


                                                                                                Aber die Gaststätte ist geschlossen und es ist niemand zu sehen. Auf der Informationstafel steht eine Mobilfunknummer, die man wählen soll, wenn man vor verschlossener Tür steht. Nur habe ich leider keinen Empfang. Ich merke mir die Nummer und gehe im Ort ein Stück zurück, weil es dort bergauf geht. Und in der Tat habe ich dann Empfang. Ein Auto mit zwei kräftigen, irgendwie tätowierten Gestalten fährt derweil auf der Dorfstraße vorbei. So stelle ich mir eine vorpommersche Nazi-Streife vor. Aber ich habe ja jetzt zu tun, muss telefonieren.

                                                                                                Rückrufbitte per SMS. Sagen Sie jetzt bitte ›Ja‹. Ich sage ›Ja‹, aber es wird keine Folgen haben. Da ich so schnell nicht aufgeben will, versuche ich auf anderem Wege herauszufinden, wer für die Zimmervermietung zuständig ist. Ich frage also an einem Grundstück, wo gerade vier Leute draußen am Gartentisch sitzen. Genau genommen stehe ich am Zaun und der Hund bellt, während die vier mich fragend ansehen – ein bisschen so wie auf dem Bild ›Einladung‹ von Michael Sowa. Ich würde da vielleicht noch heute so stehen und mich verbellen lassen, wenn ich nicht theatralisch gerufen hätte: »Hallooo – ich habe eine Frage!«
                                                                                                In der Tat steht dann jemand auf und ich bekomme auch die gewünschte Auskunft. Ist auch nicht so, dass die Leute unfreundlich wären. Ich werde an Frau XY verwiesen, die da oben in dem und dem Haus wohnt. Auf dem Weg dahin frage ich noch einmal jemand anderen, weil ich gerade Leute auf der Straße treffe.

                                                                                                Das Haus finde ich nach einer Weile, aber die Klingel ist defekt und auf mein mehrmaliges Klopfen geschieht nichts.


                                                                                                So gehe ich schließlich äußerst schlecht gelaunt davon, um mir einen Platz im Wald zu suchen. ›Die Leute leben hier nicht vom Tourismus; man lässt mich auflaufen.‹ Ungefähr das ist das Gefühl. Ein bisschen zu empfindlich vielleicht. Mehrmals heute hat man mir eine Einkehrmöglichkeit für das übernächste Dorf angekündigt, aber alles war geschlossen. Dann habe ich ›unter Aufbietung aller Kommunikationskompetenz‹ versucht, mir eine reguläre Unterkunft zu verschaffen, die es ja immerhin gab, und bin dabei gescheitert. Wenn jetzt jemand käme und mir sagte, es sei aber nicht erlaubt, im Wald zu schlafen …

                                                                                                Es kommt aber niemand.


                                                                                                Ich laufe nicht mehr allzu weit, sondern schlage mich einige hundert Meter hinter Neuensund in den Wald, erst rechts, dann doch lieber links. Die Suche dauert wieder eine Weile. Dann finde ich eine schöne Stelle unter einem kleinen Laubbaum, fast wie unter einem Schirm, wo ich einen vagen Ausblick aus dem Wald habe, zugleich aber nicht gesehen werden kann. Wenn ich mich aufrichte, kann ich durch den Wald bis zur Straße gucken – bin vielleicht fünfzig Meter entfernt und zugleich ein paar Meter höher –, aber auf dieser Straße fährt während der ganzen Zeit bis zu meinem morgendlichen Aufbruch niemand vorbei.



                                                                                                Mein Schlafplatz liegt links im Wald.



                                                                                                Die Nacht ist ruhig. In der Ferne fallen wieder vereinzelt Schüsse, in Neuensund bellt ein Hund. Ein nachtaktiver Käfer brummt in meiner Nähe. Aber von Rehen und Wildschweinen ist diesmal nichts zu hören. Ich rechne damit, dass es zu regnen beginnen könnte, habe aber trotzdem das Tarp nicht aufgespannt, sondern untergelegt. Falls es regnet, werde ich ein bisschen zur Seite rücken und das Tarp über den Schlafsack schlagen. Für eine Weile wird das wohl ausreichen, denke ich mir.


                                                                                                Dezimalgrad-Koordinaten: 53.5862, 13.7878
                                                                                                Zuletzt geändert von Igelstroem; 01.06.2014, 01:04.
                                                                                                Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                Kommentar


                                                                                                • Jack68
                                                                                                  Erfahren
                                                                                                  • 30.03.2012
                                                                                                  • 401
                                                                                                  • Privat


                                                                                                  #49
                                                                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                  " ›Aber Du wohnst in Deinem eigenen Haus mit Ausblick in die Landschaft. Die gutverdienenden Angestellten in Berlin träumen nur davon. Ganz zu schweigen von Hartz-IV-Empfängern in der Stadt.‹"

                                                                                                  Ja, das hilft nur keinem, der keinen Job hat.

                                                                                                  Der geht nicht zum Geburtstag, weil er Angst vor den Angestellten hat...

                                                                                                  Deine Naturbeschreibungen sind einfühlsamer....

                                                                                                  Toller Bericht!
                                                                                                  ...

                                                                                                  Kommentar


                                                                                                  • Igelstroem
                                                                                                    Fuchs
                                                                                                    • 30.01.2013
                                                                                                    • 1944
                                                                                                    • Privat


                                                                                                    #50
                                                                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                    Zitat von Jack68 Beitrag anzeigen
                                                                                                    " ›Aber Du wohnst in Deinem eigenen Haus mit Ausblick in die Landschaft. Die gutverdienenden Angestellten in Berlin träumen nur davon. Ganz zu schweigen von Hartz-IV-Empfängern in der Stadt.‹"

                                                                                                    Ja, das hilft nur keinem, der keinen Job hat.

                                                                                                    Der geht nicht zum Geburtstag, weil er Angst vor den Angestellten hat...

                                                                                                    Deine Naturbeschreibungen sind einfühlsamer....:
                                                                                                    Ich dachte mir schon, dass zu dieser Episode irgendwas kommt.

                                                                                                    Mir stand ein anderer Reisebericht warnend vor Augen, in dem die beobachteten Personen regelrecht bloßgestellt werden. Deshalb habe ich verschwiegen, in welchem Ort das Gespräch konkret stattgefunden hat, und habe versucht, die Aussagen meines Gesprächspartners nur in ihrer Eigenlogik zu protokollieren. Dasselbe gilt aber für meinen eigenen Gedanken. Er enthält gar kein abschließendes Urteil, sondern ich zeichne auf, was mir durch den Kopf geht, da ich ja als Wanderer als Erstes nur das Idyllische der Wohnlage sehe. Das mit der Geburtstagsfeier habe ich wiedergegeben, weil es mich genauso berührt hat wie Dich. (Edit: Und ich habe heute Nacht eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob man deshalb das vorhergehende »Und so weiter« wieder rausstreichen muss.)
                                                                                                    Zuletzt geändert von Igelstroem; 01.06.2014, 11:38.
                                                                                                    Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                    Kommentar


                                                                                                    • Jack68
                                                                                                      Erfahren
                                                                                                      • 30.03.2012
                                                                                                      • 401
                                                                                                      • Privat


                                                                                                      #51
                                                                                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                      Deshalb habe ich es ja auch freundlich formuliert...

                                                                                                      Wenn man selbst nicht in der Situation ist, richtet man (auch ich selbst) immer so schnell...ich hab einen Freund, den frage ich schon nicht mehr, wie die Bewerbungen laufen...er empfindet alles als Angriff...

                                                                                                      Und wenn man sich mal vorstellt, das viele Gegenden in den neuen BL fast komplett "entindustriallisiert" sind...viele der "Jammerer" sind in einem Alter, wo der geistige Wandel fast unmöglich ist...

                                                                                                      Ein schwieriges Thema...
                                                                                                      ...

                                                                                                      Kommentar


                                                                                                      • robart
                                                                                                        Neu im Forum
                                                                                                        • 26.05.2014
                                                                                                        • 6
                                                                                                        • Privat


                                                                                                        #52
                                                                                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                        Mir kam das überhaupt nicht bloßstellend vor. Sicher hat der Mann lamentiert, und sachlich mag die eine oder andere Aussage auch komplett falsch gewesen sein, aber schließlich wurde ihm offenbar mit der Wiedervereinigung die bisherige Lebensplanung unter den Füßen weggezogen und keine wirklich tragfähige neue angeboten. Außer natürlich in wirtschaftlich entwickeltere Regionen abzuwandern. Was würde ich mit einer solchen Biographie im Rücken so alles erzählen?

                                                                                                        Aber zurück zu meinem eigentlichen Anliegen: Deine Naturbeschreibungen lese ich mit großem Interesse. Aber oft wird es bei Dir so richtig spannend - so ist zumindest mein Eindruck - wenn Du auf andere Menschen triffst. Den Eindruck hatte ich auch bei der verregneten Schwarzwald-Wanderung. Einen Mangel an Einfühlungsvermögen konnte ich da bislang nicht feststellen, vielmehr hatte ich manchmal den Wunsch, dass Du diese Sequenzen noch weiter ausbaust. Denn letztlich gehört der Mensch bei Wanderungen in Mitteleuropa ja fast zwangsläufig zum Terrain dazu.

                                                                                                        Grüße, Rolf

                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                        Mir stand ein anderer Reisebericht warnend vor Augen, in dem die beobachteten Personen regelrecht bloßgestellt werden. Deshalb habe ich verschwiegen, in welchem Ort das Gespräch konkret stattgefunden hat, und habe versucht, die Aussagen meines Gesprächspartners nur in ihrer Eigenlogik zu protokollieren. Dasselbe gilt aber für meinen eigenen Gedanken. Er enthält gar kein abschließendes Urteil, sondern ich zeichne auf, was mir durch den Kopf geht, da ich ja als Wanderer als Erstes nur das Idyllische der Wohnlage sehe. Das mit der Geburtstagsfeier habe ich wiedergegeben, weil es mich genauso berührt hat wie Dich. (Edit: Und ich habe heute Nacht eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob man deshalb das vorhergehende »Und so weiter« wieder rausstreichen muss.)
                                                                                                        www.mtw-faltboot.de - Geschichte & Praxis der Faltboote aus Wismar

                                                                                                        Kommentar


                                                                                                        • Igelstroem
                                                                                                          Fuchs
                                                                                                          • 30.01.2013
                                                                                                          • 1944
                                                                                                          • Privat


                                                                                                          #53
                                                                                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                          Tag 5 (Sonntag, 18. Mai)

                                                                                                          Neuensund – Jatznick
                                                                                                          10,9 km



                                                                                                          Um halb sechs wache ich davon auf, dass es anfängt zu regnen. Oben im Blätterdach rauscht es behutsam, ohne dass es diesmal der Wind wäre. Unten bei mir kommt zunächst nichts an. Ich beobachte das noch zwei, drei Minuten. Dann entschließe ich mich aufzustehen und schaffe es auch noch, meinen Kram trocken zusammenzupacken.

                                                                                                          Nur der Schrittzähler, den ich gestern Abend ausnahmsweise vom Gürtel gelöst und mit in jenen Ziplocbeutel geworfen habe, in dem ich tagsüber das Tarp und nachts die Utensilien aus den Hosentaschen aufbewahre, geht dabei verloren. Er liegt jetzt wohl unter der angegebenen geographischen Position im Wald und zeigt die 41 600 Schritte des Vortages an. Aber sein Fehlen bemerke ich erst nach einigen Kilometern.


                                                                                                          Kurz nach sechs ist es, als ich draußen zwischen Wald und Feld bei zunächst noch leichtem Regen (der mir nach drei Sonnentagen fast erfrischend vorkommt) meinen Kaffee koche.



                                                                                                          Landschaftskaffee



                                                                                                          Zum Verzehr desselben setze ich mich am Waldrand auf einen Baumstumpf, wo es noch immer nicht regnet. Und danach wird eben der Vollschutz angelegt und losgewandert. Durch den Wald, wo ich gestern schon einmal zur Schlafplatzsuche war; dann am Schmiedegrundsee vorbei, der links ›tief im Tal‹ liegt.


                                                                                                          Als ich die L 32 erreiche, überlege ich mir, dass ich vielleicht nach Rothemühl hineinlaufen sollte, um noch einmal Trinkwasser zu besorgen, denn ich habe nur noch wenig. Inzwischen hat aber der Regen immer weiter zugenommen, und nachdem ich zweihundert Meter auf der Straße gelaufen bin, komme ich auf die Idee, dass man ja mal ausprobieren könnte, Wasser mit dem Tarp aufzufangen.

                                                                                                          Das mache ich dann auf einem etwas abschüssigen Seitenweg. Es funktioniert auch. Nur lasse ich eben das Wasser anschließend auch noch durch den Filter laufen, und während des Hantierens mit diversen Ausrüstungsteilen im strömenden Regen wird einerseits der Rucksack nass; andererseits scheint sich auch Wasser durch die Regenjacke zu drücken, während ich in der Hocke bin und die Jacke über den Schultern spannt. Was immer da genau passiert – ich bin jedenfalls nach einer Viertelstunde nasser unter den Regenklamotten, als ich es während der Schwarzwald-Tour je war. Das Gleiche gilt für die Seitentaschen des Rucksacks.


                                                                                                          Immerhin schaffe ich es aber hinterher noch, an der Straße das passende Foto zu machen:





                                                                                                          Die Nässe am Körper ist nicht besonders bedrohlich, denn es ist nicht sehr kalt und ich bleibe beim Weitergehen gut temperiert. Der weitere Weg führt an Rothemühl und an seinem schön gelegenen Forstamt vorbei; in dieser Gegend hole ich zum letzten Mal die Kamera hervor.






                                                                                                          Allerdings ist die Kennzeichnung des Weges teilweise unzureichend, sein Verlauf weicht von meiner Kartendarstellung ab, und im Übrigen wird das Druckerpapier meiner Kartenausschnitte schon unter dem Eindruck weniger Wassertropfen windelweich, so dass ich irgendwann eines der Blätter genervt zu einer nassen Papierkugel zusammenknülle, weil es sich nicht mehr in die Kartenhülle zurückschieben lässt.


                                                                                                          Der Weg windet sich nun rechts oder links der Straße durch den Wald, bis man jene Stelle erreicht, wo die L 32 eine letzte Rechtskurve macht und dann ziemlich geradlinig auf den Bahnhof Jatznick zuläuft. Das sind dann die letzten vier oder fünf Kilometer.

                                                                                                          In Höhe dieser Kurve findet man einen größeren Rastplatz, sozusagen eine vergrößerte Version der gewohnten Rotunde. Hier treffe ich zu meinem Erstaunen einen Radfahrer. Ich halte ihn zuerst für einen pausierenden Radwanderer, aber schon das etwas klapprige Damenfahrrad spricht dagegen. Tatsächlich handelt es sich um einen älteren Mann, der offenbar unter dem Dach ein ernsthaftes Feuer gemacht hat; etwas Glut ist noch übrig. Wir unterhalten uns eine Weile. Auch jetzt geschieht etwas zum zweiten Mal: Er erzählt aus seinem Leben (ist zu DDR-Zeiten Maurer gewesen) und ›lamentiert‹ über die derzeitige Situation. Freilich wird mir nicht ganz klar, ob er hier etwa die Nacht verbracht hat oder sehr früh morgens zu einem Ausflug im Regen aufgebrochen ist; jedenfalls scheint er, nach seiner Ortskenntnis zu urteilen, in der Region zu wohnen.


                                                                                                          Das Wanderwegzeichen weist entgegen meiner Karte nach links in den Wald. Der Mann rät mir, lieber der Straße zu folgen. Das tue ich dann – vor allem deshalb, weil eben die Kennzeichnung im Wald unzuverlässig ist, mein Kartenausschnitt dort irgendwo endet und ich keine Lust habe, bei diesem Wetter nur nach Kompass durch den Wald zu laufen, wenn ich den Wanderweg verliere. Ich mache mich also auf den Weg, die Straße entlang; zügig, aber ohne vorher die Abfahrtszeiten der Züge zu ermitteln, denn ich will mich jetzt nicht von einem Bahnfahrplan hetzen lassen.



                                                                                                          Wenn ich mich recht entsinne, erreiche ich den Bahnhof Jatznick um viertel vor elf. Jedenfalls stelle ich dort fest, dass ich noch eine Dreiviertelstunde Zeit habe, bis der Zug kommt. Der Bahnhof liegt etwas abseits der Ortschaft: Es gibt ein paar Häuser, man kommt an der ›Forstsamendarre Jatznick‹ vorbei, die auf den ersten Blick wie ein Hotel oder ein Altenheim aussieht; Menschen sind aber nirgends zu sehen. So kann man sich hier jetzt praktisch nackt ausziehen, ohne dass es jemand bemerkt. Ich ziehe das letzte trockene T-Shirt an; dann packe ich den Kocher aus und koche auf dem Bahnsteig Kaffee. Der Regen hat sich inzwischen zu einem leichten Nieseln abgeschwächt.

                                                                                                          Zeitlich kommt alles hin: Als der Zug einfährt, ist alles wieder eingepackt und ein leicht feuchter Wanderer mit sauberem T-Shirt steigt ein. Die Tour ist beendet. Das Ziel wurde erreicht, Grenzen wurden kaum überschritten, außer der zwischen Mecklenburg und Vorpommern; vier Schlafplätze wurden gesucht und gefunden.


                                                                                                          Auf dem Bahnhof Pasewalk, wo der Zug einige Minuten Aufenthalt hat und man kurz auf den Bahnsteig gehen kann, steuert jemand die allerletzte Anekdote zum Bericht bei, indem er mich fragt: »Sind Sie in Prenzlau?« Ich kapiere das zuerst nicht. Aber da ich ja nicht gut zu ihm sagen kann: »Nein, ich bin in Pasewalk, genauso wie Sie«, sage ich erst mal gar nichts, bis er dann ergänzt: »Ich meine, sind Sie in Prenzlau stationiert?« Dann finde auch ich wieder in meine Routine zurück und gebe ihm die übliche Auskunft. Sehr beeindruckt wirkt er nicht.

                                                                                                          ***
                                                                                                          Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                          Kommentar


                                                                                                          • utor
                                                                                                            Erfahren
                                                                                                            • 30.06.2006
                                                                                                            • 288
                                                                                                            • Privat


                                                                                                            #54
                                                                                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                            Hey, schöner Bericht mit ner sehr unterhaltsamen Schreibe!

                                                                                                            Die Ecke ist zwar nicht besonders spektakulär aber manchma muss
                                                                                                            das ja auch gar nicht unbedingt sein und anscheinend hattest du ja
                                                                                                            trotzdem deinen Spass.

                                                                                                            Merci.
                                                                                                            "Dinge, die wie Dinge aussehen wollen, sehen manchmal mehr wie Dinge aus, als Dinge." TP
                                                                                                            ----
                                                                                                            fotos vom draussen.

                                                                                                            Kommentar


                                                                                                            • Pfad-Finder
                                                                                                              Freak

                                                                                                              Liebt das Forum
                                                                                                              • 18.04.2008
                                                                                                              • 12049
                                                                                                              • Privat


                                                                                                              #55
                                                                                                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                              Großes Kino in Breitwandformat.
                                                                                                              Alles unter Nutriscore "D" ist rausgeschmissenes Geld.

                                                                                                              Kommentar


                                                                                                              • Honkahonka
                                                                                                                Anfänger im Forum
                                                                                                                • 25.01.2014
                                                                                                                • 19
                                                                                                                • Privat


                                                                                                                #56
                                                                                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                Wie auf der ersten Seite schon gepostet: Danke für den toll verfassten Bericht. macht Lust auf eine Gegend, die ich eher zu übersehen neige ;)

                                                                                                                Alpenländler halt...



                                                                                                                Stelle ich mir bei Schlechtwetter trotzdem auch gemütlich vor. Wenn mans mag.

                                                                                                                Kommentar


                                                                                                                • Igelstroem
                                                                                                                  Fuchs
                                                                                                                  • 30.01.2013
                                                                                                                  • 1944
                                                                                                                  • Privat


                                                                                                                  #57
                                                                                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                  Danke fürs Lesen und Kommentieren. Meistens wird ja zu Reiseberichten entweder nur das Positive oder sonst lieber gar nichts geschrieben, schon aus Höflichkeit. Wenn ich meine eigenen wiederlese, gibt es immer auch Dinge, die mich stören. Deshalb hat man manchmal ganz hinten im Gehirn den Wunsch, dass mal jemand eine schonungslose Kritik vorträgt: zum Beispiel an dieser Art, die unspektakuläre Wirklichkeit so lange durchzukitzeln, bis eine erzählbare Anekdote herauskommt; oder an der Überbetonung zufälliger unheroischer Befindlichkeiten. Die Neuensund-Episode ist ja eigentlich ziemlich unrühmlich für mich: Jemand kommt abends in einen Ort, hat plötzlich Lust auf eine zivilisationsnahe Übernachtung und ärgert sich dann über Unschuldige, wenn er trotzdem im Wald schlafen muss, wie er es ursprünglich sowieso vorhatte.


                                                                                                                  Apropos: Möchte noch irgendjemand etwas über Ausrüstungsfragen wissen? Bin ja gelegentlich in Versuchung, ein paar ungestellte Fragen zu beantworten ...
                                                                                                                  Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                  Kommentar


                                                                                                                  • lina
                                                                                                                    Freak

                                                                                                                    Vorstand
                                                                                                                    Liebt das Forum
                                                                                                                    • 12.07.2008
                                                                                                                    • 43828
                                                                                                                    • Privat


                                                                                                                    #58
                                                                                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                    Mir scheint, Du beschreibst den Fluch des eigenen Stils, welchen der Autor hinterfragt – aber nur deshalb, weil er sich schon seeehr lange kennt Die weitere Leserschaft aber freut sich einfach, genießt und wünscht sich: Bitte mehr ’von! Also: Schreib, schreib!

                                                                                                                    Und Ausrüstungsfragen? Gerne! :-) Gerade nach längeren Reisen finde ich es immer interessant, was jemand warum anders gemacht hat als letztes Mal, und was er das nächste Mal ändern oder/und ausprobieren möchte.
                                                                                                                    Zuletzt geändert von lina; 07.06.2014, 21:18.

                                                                                                                    Kommentar


                                                                                                                    • Igelstroem
                                                                                                                      Fuchs
                                                                                                                      • 30.01.2013
                                                                                                                      • 1944
                                                                                                                      • Privat


                                                                                                                      #59
                                                                                                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                      Also zur Ausrüstung:

                                                                                                                      (1) Die Frage nach dem eierlegenden Wollmilch-Baselayer (d.h. nach dem für meine Ansprüche idealen T-Shirt) ist inzwischen geklärt. Leider mussten dafür kostspielige Umwege gegangen werden. Ich habe inzwischen festgestellt, dass ich Merino nicht auf der Haut tragen kann. Reine Baumwolle steht natürlich auch nicht zur Debatte. Das verschiedentlich getragene Polyamid-Meryl/Mikro-Modal-T-Shirt (›Mey Software‹) ist zwar brauchbar, hat aber nur mittelmäßige Trocknungseigenschaften und ist relativ teuer.
                                                                                                                      Letztlich habe ich jetzt einen materialmäßig modifizierten Nachbau des Bundeswehr-Tropenunterhemdes angeschafft. Das Original besteht aus einer Baumwoll-Polyamid-Mischung, der Nachbau (nicht MilTec, sondern AR-Tactical) besteht aus 60 % Baumwolle und 40 % Polyester. Die Trocknungseigenschaften sind hervorragend, die Verarbeitungsqualität ist okay, ferner ist der Stoff sehr formbeständig, so dass beim ersten Waschen sogar die Lagerfalten erhalten bleiben. Der Schnitt ist vergleichsweise vorteilhaft, nämlich relativ lang und eher schmal. Nur der Rundhalsausschnitt könnte geringfügig enger sein. Dieses T-Shirt kann man für 10-12 EUR kaufen; anders als beim Original stehen drei verschiedene Farben zur Auswahl. ›Natürlich‹ muss man dann noch die Hoheitszeichen und die beiden Klettbandstreifen auf der Vorderseite abtrennen; Letzteres vor allem dann, wenn man vorhat, Wolle darüber zu tragen.

                                                                                                                      (2) Die Weiterentwicklung des Schlafsystems ist trotz neuer Erkenntnisse immer noch ungeklärt. Die Idee beim Tarp war eigentlich schneller Auf- und Abbau, geringes Gewicht und knapp ausreichender Regenschutz. Aber mit Leinen, Heringen und Bodenplane wiegt die ganze Konstruktion eben doch fast 700 g, und den Aufbau fand ich immer noch zu kompliziert. Zumindest müsste man sich auf eine bestimmte Aufbauform festlegen, damit klar ist, welche Befestigungsmittel man braucht und wie sie angebracht werden, so dass man nicht abends im Regen noch eine Reihe Knoten machen muss. Nach Lage der Dinge kommt eigentlich am ehesten eine Halbpyramide in Frage, die längsseitig mittels einer 115-cm-Tarpstange aufgerichtet wird.
                                                                                                                      Man könnte aber auch ein Zelt kaufen. Wenn mir jemand eine Pistole an den Kopf hält und sagt: »Welches Zelt willst Du haben, ich bezahle es«, werde ich keinen Thread im Forum eröffnen, sondern wie aus der Pistole geschossen antworten: »Six Moon Designs Skyscape Trekker«. Aber erstens wird halt niemand sagen »ich bezahle es«, und zweitens wird die Schlafplatzsuche in der deutschen Kulturlandschaft durch diese Aufrüstungsmaßnahme nicht unbedingt einfacher.
                                                                                                                      Das Gegenmodell zum Zelt wäre ein geschickter Gebrauch eines der beiden vorhandenen Biwaksäcke. Der Macpac Bush Cocoon (mit Gestängebogen) bietet zwar relativ guten Regen- und Mückenschutz und ist theoretisch universell einsetzbar. Nur scheint mir die Wasserdampfdurchlässigkeit (vulgo Atmungsaktivität) eher mittelmäßig zu sein, und schon bei geschlossenem Moskitonetz wird es im Inneren schnell stickig. Außerdem ist eben der Gestängebogen nur etwa 55 cm hoch. Es bedarf einer gewissen Akrobatik, um hineinzukommen, und wie in jedem Biwakzelt ist zum Beispiel jeglicher Klamottenwechsel ein ›perfektes Bauchmuskeltraining‹, wie mal jemand in einem anderen Thread geschrieben hat. Man könnte irgendwie ein Tarp über den Eingang spannen – aber der Cocoon mit Gestängebogen wiegt selbst schon fast 1100 g.
                                                                                                                      Alternativ könnte man den britischen Tarn-Biwaksack mitnehmen und eine bestimmte pragmatische Modifikation vornehmen. Der Sack hat nämlich ein Zugband am Kopfende und ist im oberen Bereich so weit geschnitten, dass man durch eine erhöhte Aufhängung des Zugbandes eine Art Zelteinstieg von bis zu 70 cm Höhe herstellen könnte. Das sieht mit Tarpstange ungefähr so aus:



                                                                                                                      Wenn man jetzt vielleicht noch die Regenjacke geschickt über die Abspannung breitet, hat man vielleicht einen hinreichenden Regenschutz. Allerdings muss die Tarpstange dabei nah am Kopf stehen, und ich bezweifle, dass diese Konstruktion hinreichend stabil ist, selbst wenn man das Fußende am Boden fixiert.
                                                                                                                      Besser wäre also eine Aufhängung des Zugbandes an einem Ast über dem Kopf. Das würde bedeuten: Bei stabilem Wetter kann man sich mit dem Biwaksack irgendwo hinlegen; bei drohendem Regen muss man sich einen Platz suchen, wo man nachts kurzfristig das Zugband mittels einer Verlängerungsleine so einhängen kann, dass der Kopfbereich (notfalls unter Beiziehung der Regenjacke) gegen Regen geschützt ist. Das müsste man mal ausprobieren.
                                                                                                                      Der Vorzug des britischen Biwaksacks gegenüber dem Macpac Bush Cocoon besteht nicht so sehr im Gewicht (800 statt 1100 g), sondern in den mutmaßlich besseren Dampfdurchlässigkeits- und Belüftungseigenschaften, natürlich dann auf Kosten des Mückenschutzes. Es ist aber tatsächlich so, dass ich, solange es nicht regnet, am liebsten im Freien liegen würde, und erst bei Regen müsste dann irgendeine einfache Modifikation im Kopfbereich vorgenommen werden, die es erlaubt, den Nachtschlaf in Ruhe zu beenden; einen Tag abwettern (wie im Zelt) kann man so natürlich nicht.
                                                                                                                      Generell ist eben der Gebrauch eines Zeltes ein Zelten im Wald oder in der freien Landschaft; und das Ideal, das dagegensteht, ist, dass man nichts aufbaut, sondern nur etwas aus dem Rucksack nimmt, es hinwirft und hineinsteigt, sich also gleichsam aus dem Laufen heraus getarnt schlafenlegen kann. Der britische Biwaksack kommt dem am nächsten. Im Prinzip kann man, wenn es schnell gehen muss, sogar nach Öffnung des Isomattenventils das Schlafsystem als Ganzes (d.h. Biwaksack mit innenliegender Isomatte und Schlafsack) komprimiert zusammenrollen und in einen Packsack bzw. in den Rucksack verstauen. Das wäre zum Beispiel dann von Interesse, wenn man nachts der Bitte des Jagdpächters nachkommt, schleunigst den Schlafplatz zu wechseln.

                                                                                                                      (3) Zum ersten Mal habe ich meinen neuen Daunenschlafsack (Roberts Ultralight 400 mit Pertex Quantum Endurance als Außenhülle) verwendet. Die niedrigste Temperatur, die ich gemessen habe, war 6 °C (in der ersten Nacht). Dann ist der Schlafsack angenehm; in den folgenden Nächten war er bei 10-12 °C fast schon reichlich warm. Er ist also wärmer als mein doppelt so schwerer Kunstfaserschlafsack. Die Feuchtigkeitsaufnahme war minimal. Nach der letzten Etappe hatte der Packsack sogar einen feuchten Fleck, aber das Gewicht des Schlafsacks bei der Ankunft zuhause lag nur 20 g über dem Gewicht nach Trocknung. Das heißt: Der Feuchtigkeitseffekt von vier Nächten im Freien war nicht größer als der Effekt, der durch die Schwankungen der Ausgleichsfeuchte ohnehin entstehen würde. Das wundert mich etwas. Tagsüber gelüftet habe ich den Schlafsack unterwegs nur einmal (siehe Bild oben im Bericht).

                                                                                                                      (4) Die Regenklamotten (Jacke und Hose) sind mit insgesamt 800 g zu schwer. Da bei meinem Aktivitätsgrad nach den bisherigen Erfahrungen die Wasserdampfdurchlässigkeit nicht entscheidend ist, werde ich mich nach einer leichten, billigen, primitiven Alternative umsehen, z.B. Quechua RainCut oder dergleichen, und diese zunächst in der Stadt (auf dem Fahrrad) testen.

                                                                                                                      (5) Der Mücken- und Zeckenschutz war im Prinzip ausreichend. Ich habe die beim Schlafen freiliegenden Bereiche (Kopf, Nacken, Arme) mit Antibrumm behandelt und bin dort nicht gestochen worden. Gestochen wird man aber während der abendlichen Schlafplatzsuche auch durch das T-Shirt, so dass man gut daran tut, sich rechtzeitig den Rücken und Teile der Hose einzusprühen. Nachts habe ich außerdem ein Kopfnetz getragen. Der thermische Effekt ist größer als erwartet. Das heißt: Man kommt bei Temperaturen zwischen 5 und 10 Grad noch gut ohne Sturmhaube aus, wenn man nur ein Moskitonetz über den Kopf zieht. Allerdings finde ich bei Temperaturen über 10 Grad die Luft unter dem Netz dann schon wieder stickig, obwohl es wirklich sehr leicht ist.
                                                                                                                      Nach der Tour habe ich eine Zeckennymphe an der Wade gefunden und entfernt. Ich habe ja den Verdacht, dass sie mitgereist ist und mich erst zuhause gebissen hat.

                                                                                                                      (6) Das Ernährungskonzept hat sich im Großen und Ganzen bewährt:
                                                                                                                      Knäckebrot (nur ca. 50 g/Tag);
                                                                                                                      Salami (kein Hartkäse: wegen manifester Haltbarkeitsprobleme);
                                                                                                                      Schokolade (wichtig);
                                                                                                                      Cashewkerne (sollten tendenziell gesalzen sein); Verbrauch war aber diesmal nur 100 g pro Tag. Wenn man wesentlich mehr davon isst, hat das bestimmte Auswirkungen auf die Verdauung;
                                                                                                                      Brausetabletten (Magnesium + Vitamin C); Magnesium ist auch in den Cashewkernen enthalten; es geht eher darum, sich eine Abwechslung vom Leitungswasser zu verschaffen und eventuellen Chlorgeschmack zu neutralisieren, wenn man das Wasser chemisch behandelt hat.
                                                                                                                      Bei diesem Konzept wird damit gerechnet, dass man hin und wieder einkehrt oder Obst/Gemüse zum sofortigen Verzehr kauft.

                                                                                                                      (7) Der elektronische Schrittzähler dient zu zwei Zwecken: erstens zur Messung von kürzeren Abständen unterwegs (also z.B. bis zur gesuchten Abzweigung, die laut Karte nach ca. 2 km Entfernung kommen sollte), zweitens zur Feststellung der täglichen Laufleistung unter Berücksichtigung der Abweichungen von der Route. Das Gerät arbeitet im Prinzip zuverlässig, d.h. es zählt die Schritte und sonst nichts. Eine automatische Umrechnung in die Entfernung ist überflüssig und nicht unbedingt sinnvoll. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die Schrittlänge auf Parkett und Asphalt zwar 85 cm beträgt, auf Naturwegen aber nur etwa 75 cm. Die Umrechnung in eine Entfernung ist also geländeabhängig und erfolgt deshalb besser im Kopf.

                                                                                                                      (8) Zum Kartenmaterial: In Zukunft werde ich wieder in die sauren Äpfel des Landesvermessungsamtes beißen. Die Screenshot-Ausdrucke waren zwar schön gewichtslos, aber es fehlte eben außer der Farbe hin und wieder auch der Überblick über die weitere Umgebung der Route.



                                                                                                                      Edit (zum Schlafsystem):
                                                                                                                      Die folgende Variante wäre aber auch eine ernsthafte Option.



                                                                                                                      Automatik-Trekkingschirm, evtl. am halbleeren Rucksack fixieren bzw. in diesen hineinstecken. Die Wanderschuhe passen auch noch mit unter den Schirm. Jedenfalls soll die Schirmkante hinten auf dem Boden aufliegen, damit der größte Teil des auf den Schirm fallenden Regens nach hinten abläuft.
                                                                                                                      Zuletzt geändert von Igelstroem; 07.06.2014, 19:15.
                                                                                                                      Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                      Kommentar


                                                                                                                      • Werner Hohn
                                                                                                                        Freak
                                                                                                                        Liebt das Forum
                                                                                                                        • 05.08.2005
                                                                                                                        • 10870
                                                                                                                        • Privat


                                                                                                                        #60
                                                                                                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                        Danke fürs Lesen und Kommentieren. Meistens wird ja zu Reiseberichten entweder nur das Positive oder sonst lieber gar nichts geschrieben, schon aus Höflichkeit.
                                                                                                                        Nicht nur aus Höflichkeit. Die ganz große Mehrheit hier würde sich noch nicht einmal als Gelegenheitsschreiber bezeichnen. Die Anonymität des Nicks macht es möglich, dass man sich an den Rechner setzt und anfängt. Man hat etwas erlebt, einige vorzeigbare Fotos im Gepäck und möchte über die Reise erzählen. Wenn es nix wird, ist es halt kein Beinbruch. Das wissen oder ahnen viele; und so bleiben Reaktionen aus wie "Junge, Mädel, du solltest mit Bedienungsanleitungen anfangen, bevor du dich an einen Reisebericht wagst".

                                                                                                                        Ich freue mich, dass es so ist, beides. Dass wirklich negative Kommentare ausbleiben - jedenfalls was den Text betrifft, bei Fotos hatten wir das ja schon (Asche auch auf mein Haupt), und dass es immer wieder Leute gibt, die sich Arbeit mit einem Tourbericht machen, obwohl sie nicht wissen, ob es gut geht, ob es überhaupt wird.

                                                                                                                        Dann sind da noch die Berufsschreiber, ob Profi oder Amateur mit Drang zum Viertel-Profi sei dahingestellt, die hier über die Jahre immer wieder eine Duftmarke hinterlassen. Diese Gruppe würde sich ab und zu anbieten, denn die sollten genug dicke Haut haben. Leider kommt von denen nicht wirklicher Scheiß. Und ganz wichtig: So richtig weiß man ja nicht, dass da ein Professioneller (eine Professionelle verkneife mich mir) an der Tastatur gesessen hat und so lässt man es halt, das mit dem negativen Kommentar.

                                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                        Wenn ich meine eigenen wiederlese, gibt es immer auch Dinge, die mich stören. Deshalb hat man manchmal ganz hinten im Gehirn den Wunsch, dass mal jemand eine schonungslose Kritik vorträgt: ...
                                                                                                                        Das geht dann aber schon stark in Richtung Foren für Literatur, Schreiben, Journalismus.

                                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                        ... zum Beispiel an dieser Art, die unspektakuläre Wirklichkeit so lange durchzukitzeln, bis eine erzählbare Anekdote herauskommt; oder an der Überbetonung zufälliger unheroischer Befindlichkeiten.
                                                                                                                        Ist diese zwar unspektakuläre Wirklichkeit überhaupt Wirklichkeit? Sicher doch, aber eine Mehrtageswanderung, überhaupt jede Tour, hebt sich für ziemliche alle aus der 340-Tage-Wirklichkeit des Restjahres ab, dass "erzählt" werden darf. Scheibt man nicht auch aus diesem Grund? Alltägliches so erzählen, dass es gefällt? Jedoch sollte die Wirklichkeit nicht verbogen werden. Die Frage ist, wie lange soll oder darf gekitzelt werden:

                                                                                                                        - der große Strand ...
                                                                                                                        - der unendliche Strand ...
                                                                                                                        - der unendliche, grenzenlose Freiheit versprechende Strand ...
                                                                                                                        - der unendliche, grenzlenose Freiheit versprechende Strand, dessen Sand sich am Horizont ...
                                                                                                                        - der unendliche, grenzlenose Freiheit versprechende Strand, dessen goldgelber Sand sich am Horizont mit dem blauen Himmel ...

                                                                                                                        Vom Buchhalter zur Schnulze, doch alles wahr, alles Wirklichkeit.

                                                                                                                        Schwierig wird es, sobald Gefühle, Gemütszustände rübergebracht werden sollen. Wann wird es schnulzig? Wie weit lagerst du dein Innenleben ins WWW aus? Wie nackig machst du dich? Wie sehr führst du andere vor? Wie lange hackst du auf anderen rum? Wie sehr baust du eine winzige Begebenheit in den Bericht ein, nur weil sie sich vom Trott des Tourentags abhebt. Wäre diese Begebenheit an einem anderen Tag eine Erwähnung wert?

                                                                                                                        Zum Schluss die vielleicht wichtigste Gruppe, die, die dem Forum etwas zurückgeben wollen. Das sind die Nutzer, die sich an den Rechner setzen, einen schnellen Bericht tippen, ein Dutzend Fotos reinschieben und fertig sind. Das sind viel mehr als oft angenommen wird. Mit welchem Maßstab sollen die gemessen werden?
                                                                                                                        Zuletzt geändert von Werner Hohn; 11.06.2014, 16:28. Grund: Wie immer: Fehlerbeseitigung
                                                                                                                        .

                                                                                                                        Kommentar


                                                                                                                        • lina
                                                                                                                          Freak

                                                                                                                          Vorstand
                                                                                                                          Liebt das Forum
                                                                                                                          • 12.07.2008
                                                                                                                          • 43828
                                                                                                                          • Privat


                                                                                                                          #61
                                                                                                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                          Ich finde den Blick auf die scheinbar unscheinbaren Dinge und Skurrilitäten am Wegesrand wunderbar. Machen sie nicht aus einer Reise, die ja zunächst nur aus einer einfachen Wegstrecke besteht, eine ganz besondere, einzigartige? Von denen zu erzählen immer wieder neue Geschichten eröffnet?

                                                                                                                          Kommentar


                                                                                                                          • Werner Hohn
                                                                                                                            Freak
                                                                                                                            Liebt das Forum
                                                                                                                            • 05.08.2005
                                                                                                                            • 10870
                                                                                                                            • Privat


                                                                                                                            #62
                                                                                                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                            Stimmt, jedoch führt das nicht zum bewussten Suchen nach "Abweichungen von der Norm". Bei mir beobachte ich schon lange dieses Suchen. Das geht bis zu Fotos als Erinnerungsstütze. Was lässt sich im Bericht daraus machen?

                                                                                                                            Früher bin ich unterwegs gewesen. um unterwegs zu sein. Tour machen, eine paar Fotos machen. Jahre später würde ich die vielleicht wieder ansehen. Nach und nach würde die Wanderung in schwammiger Verklärung, wahrscheinlich im Vergessen enden. Wandern um des Wanderns willen muss sich heute behaupten gegen Wandern/Radfahren um darüber zu erzählen.

                                                                                                                            Gleichzeitig ergibt sich ein buchalterischer Nebengewinn: noch nach Jahren kann ich meine Touren nachlesen. Einseits ist das schön, andererseits wird mir die Möglichkeit des Verklärens, des Vergessens genommen. Wenn ich heute eine Begebenheit aus einer an sich längst vergessenen Tour wissen will, schaue ich in einen meiner Reiseberichte.
                                                                                                                            .

                                                                                                                            Kommentar


                                                                                                                            • lina
                                                                                                                              Freak

                                                                                                                              Vorstand
                                                                                                                              Liebt das Forum
                                                                                                                              • 12.07.2008
                                                                                                                              • 43828
                                                                                                                              • Privat


                                                                                                                              #63
                                                                                                                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                              Nicht notwendigerweise – finde ich jedenfalls. Jede Reise hat ihre stories. Davon erzähle ich einige im Forum, einige weitere am Lagerfeuer und einige andere gar nicht. Im Tour-Tagebuch stehen mehr davon, als Notizen, und ich finde es hübsch, später davon nochmal lesen zu können, weil man die Sachen sonst vergessen hätte, die einem in diesen Momenten, warum auch immer, notierenswert waren.

                                                                                                                              Kommentar


                                                                                                                              • Igelstroem
                                                                                                                                Fuchs
                                                                                                                                • 30.01.2013
                                                                                                                                • 1944
                                                                                                                                • Privat


                                                                                                                                #64
                                                                                                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                                                                                                                                Früher bin ich unterwegs gewesen. um unterwegs zu sein. Tour machen, eine paar Fotos machen. Jahre später würde ich die vielleicht wieder ansehen. Nach und nach würde die Wanderung in schwammiger Verklärung, wahrscheinlich im Vergessen enden. Wandern um des Wanderns willen muss sich heute behaupten gegen Wandern/Radfahren um darüber zu erzählen.

                                                                                                                                Gleichzeitig ergibt sich ein buchalterischer Nebengewinn: noch nach Jahren kann ich meine Touren nachlesen. Einseits ist das schön, andererseits wird mir die Möglichkeit des Verklärens, des Vergessens genommen. Wenn ich heute eine Begebenheit aus einer an sich längst vergessenen Tour wissen will, schaue ich in einen meiner Reiseberichte.

                                                                                                                                Großes und unabgeschlossenes Thema auch für mich.

                                                                                                                                Mein Gedächtnis ist nicht mehr besonders gut. Nach der Tour brauche ich die Fotos und die Karte, um den Verlauf nachvollziehen zu können, zumal ich unterwegs prinzipiell nichts aufschreibe. Verklärung und Vergessen würden also sofort einsetzen, wenn ich nicht nach wenigen Tagen den Bericht schreiben würde. Der wird dann für mich selbst zur gültigen Erinnerungsversion, und zurzeit bin ich eher froh, dass das Forum diese Möglichkeit, diesen Anstoß gibt. Für mich allein würde ich keinen Bericht schreiben, auch nicht als Tagebuch. Und wenn ich keinen Bericht schreiben würde, würde ich womöglich auch gar keine Fotos machen. (Die haben bei mir nur eine dokumentarische Funktion; das ist z.B. schon bei lina ganz anders.)
                                                                                                                                Von einer meiner ersten Mehrtageswanderungen, 1986 in Graubünden, habe ich ein Tagebuch, aber es reicht nur eben aus, die Route und die schlimmsten Ereignisse zu rekonstruieren. Ansonsten habe ich nur vage visuelle Erinnerungen, und heute wäre ich froh, wenn es ein paar Dutzend Bilder davon gäbe, die meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen könnten.

                                                                                                                                In einer schon bekannten Gegend würde ich mir gerne auch mal wieder eine Tour ohne Bericht und ohne Fotos gönnen. Aber ansonsten überwiegen für mich einstweilen die Vorteile des Berichtswesens. Es ist zwar merkwürdig, dass man manchmal unterwegs schon über Formulierungen nachdenkt. Ich finde es als Solo-Wanderer aber auch schön zu wissen, dass an diesem oder jenem einsamen Erlebnis später irgendjemand Anteil nehmen wird.
                                                                                                                                Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                                Kommentar


                                                                                                                                • Randonneur
                                                                                                                                  Alter Hase
                                                                                                                                  • 27.02.2007
                                                                                                                                  • 3373


                                                                                                                                  #65
                                                                                                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                  Eine gute Frage, ob es sich lohnt einen Reisebericht zu schreiben. Ich schreibe keine weil ich immer fand, dass mich das von der Reise selbst ablenkt. Ausserdem sind die Ereignisse eigentlich nur teilweise interessant. Auf der anderen Seite lese ich gerne Reiseberichte, vor allem wenn sie mal etwas anders sind.
                                                                                                                                  Je suis Charlie

                                                                                                                                  Kommentar


                                                                                                                                  • eisen
                                                                                                                                    Erfahren
                                                                                                                                    • 03.10.2005
                                                                                                                                    • 334
                                                                                                                                    • Privat


                                                                                                                                    #66
                                                                                                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                    Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                    (2) Die Weiterentwicklung des Schlafsystems ist trotz neuer Erkenntnisse immer noch ungeklärt. Die Idee beim Tarp war eigentlich schneller Auf- und Abbau, geringes Gewicht und knapp ausreichender Regenschutz. Aber mit Leinen, Heringen und Bodenplane wiegt die ganze Konstruktion eben doch fast 700 g, und den Aufbau fand ich immer noch zu kompliziert. Zumindest müsste man sich auf eine bestimmte Aufbauform festlegen, damit klar ist, welche Befestigungsmittel man braucht und wie sie angebracht werden, so dass man nicht abends im Regen noch eine Reihe Knoten machen muss. Nach Lage der Dinge kommt eigentlich am ehesten eine Halbpyramide in Frage, die längsseitig mittels einer 115-cm-Tarpstange aufgerichtet wird.
                                                                                                                                    Du könntest mal probieren, Dein Tarp als klassischen A-Frame aufzustellen. Wenn du das mit Firstleine machst und 2 Prussik-Knoten verwendest, lässt es sich sehr stamm aufstellen, ohne dass übermässig Zug auf dem Gewebe ist. Aufstelltechnisch wäre da ja durchaus noch was rauszuholen, oder war das schon halb abgebaut?

                                                                                                                                    Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                    Zumindest in Deinen üblichen Wandergegenden könntest Du eigentlich recht gut auf Tarpstange(n) verzichten, meist gibt es Bäume und wenn die fehlen, tun 2 trockene Stecken den Job ebensogut. Heringe brauchts eigentlich auch nicht, enfach ein paar gekürzte Totholz-Äste nehmen. Gut, in Island klappt das nun nicht. So könnte das dann z.B. aussehen:



                                                                                                                                    An dem Ding bleiben alle Schnüre und Knoten dran, friemeln muss man dann beim Aufbau eigentlich nicht mehr. Mit sowas dürfte Deine Tarpversion gewichtsmässig wieder weit vor dem schweren Biwaksack liegen. Noch ein Vorteil vom A-Frame ist, dass man recht unkompliziert ein Kasten-Mozzynetz für US-Army Feldbetten einknüpfen kann. Die gibts sehr billig bei Räer und Konsorten. Die Maschenweite ist für Deutschland ausreichend, für Midges/Knots allerdings zu weit. Mit so einem Ding hättest du auch die Kopfnetzproblematik nicht mehr, darunter lässt sich sehr angenehm schlafen.

                                                                                                                                    Grüße,
                                                                                                                                    Eisen

                                                                                                                                    Kommentar


                                                                                                                                    • Igelstroem
                                                                                                                                      Fuchs
                                                                                                                                      • 30.01.2013
                                                                                                                                      • 1944
                                                                                                                                      • Privat


                                                                                                                                      #67
                                                                                                                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                      Zitat von eisen Beitrag anzeigen
                                                                                                                                      Du könntest mal probieren, Dein Tarp als klassischen A-Frame aufzustellen. Wenn du das mit Firstleine machst und 2 Prussik-Knoten verwendest, lässt es sich sehr stamm aufstellen, ohne dass übermässig Zug auf dem Gewebe ist. Aufstelltechnisch wäre da ja durchaus noch was rauszuholen, oder war das schon halb abgebaut?

                                                                                                                                      Zumindest in Deinen üblichen Wandergegenden könntest Du eigentlich recht gut auf Tarpstange(n) verzichten, meist gibt es Bäume und wenn die fehlen, tun 2 trockene Stecken den Job ebensogut. Heringe brauchts eigentlich auch nicht, enfach ein paar gekürzte Totholz-Äste nehmen.

                                                                                                                                      An dem Ding bleiben alle Schnüre und Knoten dran, friemeln muss man dann beim Aufbau eigentlich nicht mehr. Mit sowas dürfte Deine Tarpversion gewichtsmässig wieder weit vor dem schweren Biwaksack liegen. Noch ein Vorteil vom A-Frame ist, dass man recht unkompliziert ein Kasten-Mozzynetz für US-Army Feldbetten einknüpfen kann. Die gibts sehr billig bei Räer und Konsorten. Die Maschenweite ist für Deutschland ausreichend, für Midges/Knots allerdings zu weit. Mit so einem Ding hättest du auch die Kopfnetzproblematik nicht mehr, darunter lässt sich sehr angenehm schlafen.

                                                                                                                                      Danke, eisen. Das sind die 27 praktischen Probleme des Tarp-Aufbaus, die ich im Vorfeld auch schon mal ventiliert und teilweise auch praktisch erprobt habe. Auch Dein Bild habe ich schon in einem anderen Thread gesehen und unter diesem Aspekt mit Bewunderung betrachtet.

                                                                                                                                      Man kann Tarpstangen und Heringe zuhause lassen, wenn man in Waldgebieten unterwegs ist. Das stimmt prinzipiell. Aber dann muss ich eben abends zwei gerade Totholz-Äste und sechs kurze Stücke als Heringe zusammensuchen und evtl. noch mit dem Messer bearbeiten. Das geht durchaus, habe ich schon ausprobiert, dauert aber eine Weile.

                                                                                                                                      A-Frame zwischen zwei Bäumen finde ich insofern nicht praktikabel, als man eben nicht immer zwei Bäume im richtigen Abstand findet, zwischen denen sich dann ein Liegeplatz ohne Brombeeren befindet. In manchem Wald ist das einfach, in manchem anderen nicht.

                                                                                                                                      Wenn das Tarp keine Abspannschlaufen auf der Oberseite hat, muss man die Firstleine unter dem Tarp verlaufen lassen, sonst hängt es zu sehr durch. Das lässt sich auch vorbereiten, aber auch dann hat man sich eben auf eine bestimmte Aufbauvariante festgelegt.

                                                                                                                                      Das Bild aus meinem Bericht hat folgenden Hintergrund: Das Tarp ist ziemlich klein und soll auch klein sein; etwa 260 x 145 cm. Der A-Frame wird also schmal und schützt nur hinreichend, wenn er relativ tief abgespannt wird. Gewünscht war eine insgesamt niedrige Konstruktion, die aber im Kopfbereich noch hoch genug ist, um sich aufzusetzen.
                                                                                                                                      Deshalb habe ich am Kopfende eine 115-cm-Stange verwendet (50 g). Und damit das Fußende nicht zu niedrig wird bzw. nicht auf dem Boden aufliegt, gibt es hier noch eine 45-cm-Stange, die ich aus einem Riffelstab hergestellt und mit Kerben versehen habe (30 g).
                                                                                                                                      Das Ziel war also offenbar eine Konstruktion, die einem kleinen Einmannzelt ähnelt. Dass sie auf dem Bild unordentlich aussieht, hat zwei Gründe: Erstens habe ich beim Aufbau jeweils drei Heringe an den Längsseiten verwendet (also alle Schlaufen genutzt) und die Heringe beim Aufbau von hinten nach vorn eingesteckt; man muss aber zuerst die Ecken abspannen und kann dann allenfalls die beiden mittleren (überflüssigen) Heringe zuletzt stecken; andernfalls gibt es eben irgendwelche Falten. Zweitens fand ich abends beim Schlafengehen, dass ich zu wenig Ausblick habe; deshalb habe ich einfach an der einen Ecke am Kopfende den Hering rausgezogen und über den First geworfen, um das Kopfende halb aufzuklappen. Und so weiter.

                                                                                                                                      Die Bodenplane stammt aus dem Baumarkt und ist etwa 250 x 130 cm groß. Sie könnte etwas kleiner sein, aber ganz darauf verzichten kann man eben nicht, wenn es z.B. den ganzen Tag geregnet hat und der Boden nass ist. Die Plane wiegt dann aber auch ihre 100 g.

                                                                                                                                      Moskitonetz zum Einhängen in die Firstleine habe ich auch ziemlich ausführlich recherchiert. Aber wenn man das nun alles realisiert, hat man eben im Grunde sämtliche einzelne Komponenten eines Tarptents beisammen und muss sie jeden Abend neu installieren und womöglich sogar erst herstellen (wenn man Stangen und Heringe schnitzt). Das finde ich insgesamt ziemlich umständlich. Verglichen damit ist das Zelt ja eine Vereinfachung.


                                                                                                                                      Und dann noch eine allgemeine Irritation: Ich habe in meinem Leben noch nie ein Zelt aufgebaut. Das Thema Abspannung wirft für mich elementare Rätsel auf. So ist z.B. die Befestigung der Leinen an einer einfachen Stange, die kein Trekkingstock ist (also z.B. keinen Teller und auch sonst keine Verdickung hat), ein elementares Problem, dessen Lösung weltweit nirgends diskutiert wird. In den Videos zum Tarp-Aufbau sieht man immer die Geometrie und ihre Varianten. Aber für die Geometrie braucht man kein Video, das kann man auch am Schreibtisch mit einem Papiermodell ausprobieren. Fraglich sind hingegen die Details der Befestigung, und hier zeigen die Videos prinzipiell nichts. Beim Lesen von 30 Seiten Tarp-Thread in diesem Forum bekommt man nur zufällig mal instruktive elementare Informationen. Genauso ist es mit den Knoten. Die standardmäßige Auskunft ist die, dass man dieses und jenes Problem ja ganz einfach mit dem Knoten X, Y oder Z lösen könne. Jeder, der ein Tarp aufbaut, ist nämlich vorher zur See gefahren. Ich bin schon froh, dass ich irgendwann im Forum eine optisch nachvollziehbare Anleitung für einen Spannknoten gefunden habe, dessen Ausführung ich mir auch merken kann.
                                                                                                                                      Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                                      Kommentar


                                                                                                                                      • Gast180628
                                                                                                                                        GELÖSCHT
                                                                                                                                        Dauerbesucher
                                                                                                                                        • 08.10.2012
                                                                                                                                        • 510
                                                                                                                                        • Privat


                                                                                                                                        #68
                                                                                                                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                        ...Bericht... Der wird dann für mich selbst zur gültigen Erinnerungsversion...
                                                                                                                                        Es ist zwar merkwürdig, dass man manchmal unterwegs schon über Formulierungen nachdenkt. Ich finde es als Solo-Wanderer aber auch schön zu wissen, dass an diesem oder jenem einsamen Erlebnis später irgendjemand Anteil nehmen wird.
                                                                                                                                        das sind so sachen, die mich auch interessieren.
                                                                                                                                        nicht nur die groben worte und die direkten tips, auch die offenen feststellungen haben eine filterfunktion. mehr noch die ausgesuchten fotos. je häufiger man den eigenen bericht liest, desto mehr geraten die 500 nicht ausgesuchten fotos in vergessenheit. nach ner pause oder vielen anderen texten staunt man, vielleicht.
                                                                                                                                        erinnerte bilder und texte, auch von anderen, mehr oder weniger undeutlich, orientieren unsere wahrnehmung und bestimmen unser verhalten, auch bei unseren wanderungsbewegungen. sie halten fest und betonen. lesen und schreiben transformieren lineare zeiteinteilung (urlaub vom fortschreiten im leben) in zyklische zeiteinteilung (alltag), jedenfalls in gedanken:-). berichte sind eine form der interaktion, an der ich mich nur noch rudimentär beteiligen kann, wenn ich über eine tour vor 10, 20 oder 30 jahren nichts aufgeschrieben und keine fotos gemacht habe. macht das rudimentäre einen unterschied in der beteiligungsmöglichkeit? oder ist der zugang zum technischen medium (online-forum, digitale fotografie) entscheidend und es hat sich nur die technik der selbstvergewisserung und verfügbarkeit verändert?
                                                                                                                                        Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                                                                                                                                        Wandern um des Wanderns willen muss sich heute behaupten gegen Wandern/Radfahren um darüber zu erzählen.
                                                                                                                                        bis vor ein paar jahren brauchte ich keine "beweisfotos", feste einstellung. paar tage vor dem feststehenden termin der ersten augen-op (erst das eine, später das andere), habe ich mir "plötzlich" meinen ersten fotoapparat gekauft und bin wild knipsend durch die nachbarschaft gerannt. seitdem mach ich fotos und stelle fest, welche neuen wahrnehmungen mir die möglichkeit des wiederholten und langen anguckens von ...ausschnitten eröffnet. dazu aussuchen tu ich zwar nur wenige und dies schnell, aber es hat tatsächlich was mit inhalten und positionierungen zu tun. meine mitwanderer nervt das viele stehenbleiben, die extra-neugier unterbricht die geteilte unmittelbarkeit.
                                                                                                                                        nicht ohne fussnote (politische konnotationen mal wegdenken) und hinweis auf maurice halbwachs: http://www.grundrisse.net/grundrisse16/16nemo_klee.htm
                                                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                        Beim Lesen von 30 Seiten Tarp-Thread in diesem Forum bekommt man nur zufällig mal instruktive elementare Informationen.
                                                                                                                                        :-)
                                                                                                                                        aber auch der ganze rest kann ganz anregend sein.

                                                                                                                                        Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                                                                                                                        Von denen zu erzählen immer wieder neue Geschichten eröffnet?
                                                                                                                                        Zuletzt geändert von Gast180628; 10.06.2014, 08:27.

                                                                                                                                        Kommentar


                                                                                                                                        • Werner Hohn
                                                                                                                                          Freak
                                                                                                                                          Liebt das Forum
                                                                                                                                          • 05.08.2005
                                                                                                                                          • 10870
                                                                                                                                          • Privat


                                                                                                                                          #69
                                                                                                                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                          ... Nach der Tour brauche ich die Fotos und die Karte, um den Verlauf nachvollziehen zu können, zumal ich unterwegs prinzipiell nichts aufschreibe. Verklärung und Vergessen würden also sofort einsetzen, wenn ich nicht nach wenigen Tagen den Bericht schreiben würde. Der wird dann für mich selbst zur gültigen Erinnerungsversion, und zurzeit bin ich eher froh, dass das Forum diese Möglichkeit, diesen Anstoß gibt. Für mich allein würde ich keinen Bericht schreiben, auch nicht als Tagebuch.
                                                                                                                                          So in etwa ist das auch bei mir, und wie ich aus Gesprächen weiß, auch bei einigen anderen. Früher habe ich für mich ein paar Zeilen geschrieben. Die Fakten halt und das Wetter. Viele Wanderer machen das. Ich kenne einen ganz alten, der hat vergilbte Kladden, da würde jeder Vielwanderer staunen.

                                                                                                                                          Nach ein paar Touren bin ich es leid gewesen und habe das eingestellt. Angefangen habe ich erst wieder hier im Forum. Ich fange ja immer mit einem Bruchteil an. Den nötigen Druck erzeugt dann das Forum. Gut, der Gedanke eine Unvollendete hier stehen zu haben, ist das eigentliche Druckmittel. Nach Hunderten Seiten Tourbericht hier ist doch schon eine gewisse Müdigkeit vorhanden. Antrieb sind zurzeit neue Reiseformen: das Fahrrad und dass ich in Ecken unterwegs bin, die hier oft keinen Widerhall finden - und manchmal, wie bei dem Menorca-Bericht, möchte ich einfach nur Möglichkeiten der Forensoftware ausprobieren.

                                                                                                                                          Dieses beschreiben, festhalten einer bestimmten Situation findet ja schon bei dem subjektiven Auswahl statt. Bei mir kann ich beobachten, dass meine Erinnerungen an vergangene Wanderungen sich sehr stark unterscheiden. Wenn ich Berichte habe, ist es eine Erinnerung die auf genau diesen Berichten und Fotos gründet. Erlebnisse, Landschaften halten sich, weil sie beschrieben oder abgebildet wurden. Von uralten Wanderungen sind die Landschaftsbilder im Kopf sehr, sehr verschwommen. Hingegen sind Begegungen am Wegrand noch immer sehr scharf, was vermutlich daran liegt, dass Alleinwanderer sowieso zu Menschenfängern werden.

                                                                                                                                          Es gibt nicht wenige Tage an denen ich mir die Frage stelle, was denn nun besser ist: im Altersheim der jungen Pflegerin aus Erinnerungen den tollen Hecht vorzuspielen oder auf dokumentierte Reisen zu verweisen, bei denen der Heldenspielraum im Nachhinein nicht groß ich.

                                                                                                                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                          ...Und wenn ich keinen Bericht schreiben würde, würde ich womöglich auch gar keine Fotos machen.
                                                                                                                                          Fotos würde ich schon machen, aber viel weniger. Die Fotos von alten Touren sind so spannend wie die Zeitung der vergangen Woche. Die Kombination Reisebericht und Foto hat mir einen immensen Vorrat an Bildern eingebracht. Weil ich weiß, dass ich die Fotos benötige, werden jede Menge gemacht. Meine erste lange Wanderung mit einer Digitalkamera habe ich 2004 gemacht. 1.100 km in 6 Wochen. Die Fotoausbeute: 130 Bilder. Die mache ich heute hin und wieder an einem Tag (wovon abends 50 % gelöscht sind).

                                                                                                                                          Da stellt sich mir dann wieder die Frage, ob ich mittels der Fotos die Wirklichkeit festhalte (was eine unter Fotografen seit ewigen Zeiten umstrittene Frage ist), oder mir eine bastele und zwar eine, die ich für einen Tourbericht besser verwerten kann.

                                                                                                                                          Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                          ... Und dann noch eine allgemeine Irritation: Ich habe in meinem Leben noch nie ein Zelt aufgebaut.
                                                                                                                                          OT: Das ist Futter für das geheim tagende Gleichschaltungstribunal! Der nächste TOP steht schon fest, Igelstroem, nur die Frage wie die Strafe ausfallen wird, ist noch offen: Dauerhafte Sperrung, Sperrung auf Zeit oder muss er tausendmal die Vereinsjurte auf- und abbauen.
                                                                                                                                          Zuletzt geändert von Werner Hohn; 11.06.2014, 17:15.
                                                                                                                                          .

                                                                                                                                          Kommentar


                                                                                                                                          • lina
                                                                                                                                            Freak

                                                                                                                                            Vorstand
                                                                                                                                            Liebt das Forum
                                                                                                                                            • 12.07.2008
                                                                                                                                            • 43828
                                                                                                                                            • Privat


                                                                                                                                            #70
                                                                                                                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                            Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                                                                                                                                            Da stellt sich mir dann wieder die Frage, ob ich mittels der Fotos die Wirklichkeit festhalte (was eine unter Fotografen seit ewigen Zeiten umstrittene Frage ist), oder mir eine bastele und zwar eine, die ich für einen Tourbericht besser verwerten kann.
                                                                                                                                            Nee, die Frage in dieser Konstellation ist neu

                                                                                                                                            Ansonsten sind Fotos immer subjektiv, das geht gar nicht anders, weil der Knipser auswählt, was er fotografiert.

                                                                                                                                            Zum anderen erfassen sie ja nur einen winzigen Ausschnitt der Wirklichkeit. Wenn man z.B. für ein Personenfoto lange braucht, und der Fotografierte eine Sekunde einen knurrigen Gesichtsausdruck hat, weil er gerade denkt "Wie lange dauert das denn noch", und in genau diesem Augenblick die Kamera auslöst, dann denkt der Betrachter, der Fotografierte sei gerade grätig drauf, obwohl er das die hunderten Sekunden darumherum gar nicht war. Wenn der Fotograf dann mehrere Fotos macht, kann er die knurrigen aussortieren und seine (wieder subjektiv) am passendsten befundene Aufnahme auswählen.

                                                                                                                                            Kommentar


                                                                                                                                            • Werner Hohn
                                                                                                                                              Freak
                                                                                                                                              Liebt das Forum
                                                                                                                                              • 05.08.2005
                                                                                                                                              • 10870
                                                                                                                                              • Privat


                                                                                                                                              #71
                                                                                                                                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                              Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                                                                                                                              Nee, die Frage in dieser Konstellation ist neu
                                                                                                                                              In der Konstellation, dass ein Foto oder eine -reihe Grundlage für einen Bericht sein soll, vielleicht.

                                                                                                                                              Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                                                                                                                              Ansonsten sind Fotos immer subjektiv, das geht gar nicht anders, weil der Knipser auswählt, was er fotografiert.
                                                                                                                                              Dass will ich hoffen, doch wählt er aus, weil das Foto das eigentliche Medium ist, oder wählt er aus, weil er das Foto als Gedächnisstütze braucht?

                                                                                                                                              Genau wie Igelstroem formuliere ich unterwegs im Kopf teils schon einen Reisebericht, schreibe das aber nicht auf. Doch ich gehe hin und mache geziehlt Fotos, die das kompensieren sollen. So gesehen, sind diese Fotos oft eine wirklich nüchterne Abbildung der Wirklichkeit (z.Bsp. Bücher in einem Büchertauschwagen, weil ich die Titel vielleicht verwenden kann). Wenn eben dieser Büchertauschwagen einen großen Teil der Tagesbeschreibung einnehmen soll, reduziert sich dann mein Tag auf diesen Wagen, obwohl ich einen Reisebericht schreiben möchte, und nicht einen über Bücher aus den Siebzigern? Andererseits wäre ich ohne diese Reise nie zu dem Bücherwagen gekommen. Muss nun die Fahrt dorthin auch in den Bericht? Der buchhalterische Aspekt eines Tourberichts, kommt der nicht zu kurz? Immerhin soll eine kleine Dokumentation entstehen, der ich in ferner Zukunft entnehmen kann, was ich einst getan habe. Was weiß ich dann noch von dem Tag, der zum großen Teil einen Büchertauschwagen beschreibt? Dass ich mit dem Fahrrad gefahren bin noch, den Rhein hoch auch, aber alles andere ..?

                                                                                                                                              So gefragt, baue ich mir jetzt eine Wirklichkeit, die in 30 Jahren auch noch wahr ist?
                                                                                                                                              Zuletzt geändert von Werner Hohn; 11.06.2014, 18:32.
                                                                                                                                              .

                                                                                                                                              Kommentar


                                                                                                                                              • lina
                                                                                                                                                Freak

                                                                                                                                                Vorstand
                                                                                                                                                Liebt das Forum
                                                                                                                                                • 12.07.2008
                                                                                                                                                • 43828
                                                                                                                                                • Privat


                                                                                                                                                #72
                                                                                                                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                So, wie Du das beschreibst, bist Du literarisch tätig. Du erlebst, wählst aus, erzählst. Der Bücherwagen ist nur eine Inspirationsquelle. Als das mit dem Fotografieren noch nicht so unkompliziert war wie heute, hat man sich eher Notizen gemacht. Heute dienen eher Fotos als Erinnerungs-Anker.

                                                                                                                                                Der Bericht, der am Ende steht, ist so wahr oder nicht wahr wie Literatur sein kann. Er wird sich in 30 Jahren für Deine Leser sowieso mit deren Erfahrungen verbinden und einen neuen Sinn ergeben.


                                                                                                                                                Bei manchen Autoren hier frage ich mich manchmal, ob sie Sätze auf mitgenommene Diktiergeräte sprechen, so ausführlich werden Gedanken und Einzelsituationen beschrieben. Ich formuliere unterwegs auch, stelle dann aber abends fest, dass ich im Moment gar nicht mehr genau weiß, wie der Tag war, das kommt aber wieder. Im Reisebericht bilden sich dann andere Worte und Sätze, und immer, wenn ich denke, ich poste jetzt nur Bilder, gesellen sich Sätze dazu – aber das sind andere als die erinnerten, gedachten. Ob sich während des Laufens generell andere Sätze bilden, passend zum Rhythmus der Schritte? Vielleicht wäre ein Diktiergerät doch mal nicht schlecht, um das nachzuprüfen

                                                                                                                                                Kommentar


                                                                                                                                                • Werner Hohn
                                                                                                                                                  Freak
                                                                                                                                                  Liebt das Forum
                                                                                                                                                  • 05.08.2005
                                                                                                                                                  • 10870
                                                                                                                                                  • Privat


                                                                                                                                                  #73
                                                                                                                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                  Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                  ... Ob sich während des Laufens generell andere Sätze bilden, passend zum Rhythmus der Schritte?
                                                                                                                                                  Ja.
                                                                                                                                                  Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                  ...Vielleicht wäre ein Diktiergerät doch mal nicht schlecht, um das nachzuprüfen
                                                                                                                                                  Niemals, denn ...

                                                                                                                                                  ... um auf Igelstroems Frage nach dem kitzeln des Belanglosen bis Erzählbares entsteht zurüzukommen: Reduziert man den Tag dann nicht auf die Suche nach Kitzelmaterial? Einfach losziehen, in den Tag hinein wandern, fahren und am Abend ist es egal, ob gute Bilder entstanden sind oder eine verwertbare Geschichte am Wegrand aufs Mitnehmen gelauert hat. Ganz früher habe ich das so gehalten, und je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir das.
                                                                                                                                                  .

                                                                                                                                                  Kommentar


                                                                                                                                                  • lina
                                                                                                                                                    Freak

                                                                                                                                                    Vorstand
                                                                                                                                                    Liebt das Forum
                                                                                                                                                    • 12.07.2008
                                                                                                                                                    • 43828
                                                                                                                                                    • Privat


                                                                                                                                                    #74
                                                                                                                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                    Und wenn die Sätze, die sich im Rhythmus der Schritte bilden, die wirklich Abbildenden wären? Und alle anderen nur konstruierte Realität unter dem Einfluss der Suche nach Kitzelmaterial?

                                                                                                                                                    Kommentar


                                                                                                                                                    • eike123
                                                                                                                                                      Erfahren
                                                                                                                                                      • 07.05.2014
                                                                                                                                                      • 156
                                                                                                                                                      • Privat


                                                                                                                                                      #75
                                                                                                                                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                      @Igelstroem

                                                                                                                                                      Das Thema Abspannung wirft für mich elementare Rätsel auf. So ist z.B. die Befestigung der Leinen an einer einfachen Stange, die kein Trekkingstock ist (also z.B. keinen Teller und auch sonst keine Verdickung hat), ein elementares Problem, dessen Lösung weltweit nirgends diskutiert wird.
                                                                                                                                                      Um eine Abspannleine an einem Stock zu befestigen, ist für dich vermutlich der Webeleinenstek sinnvoll. Unter Zug kann der Knoten nicht entlang des (rauhen) Stocks verschoben werden. Da der Knoten symmetrisch ist, ist es egal an welchem Ende des Seils gezogen wird, er hält in beide Richtungen.

                                                                                                                                                      Man muss diesen Knoten mehrfach üben. Obschon er so simpel aussieht, habe ich beobachtet, dass er auf viele Segelschüler verwirrend wirkt.

                                                                                                                                                      http://de.wikipedia.org/wiki/Webeleinenstek

                                                                                                                                                      Kurzlehrgänge zu nützlichen Knoten beim Zelten wären vielleicht eine sinnvolle Ergänzung bei ODS-Stammtischen.

                                                                                                                                                      Edit: Rechtschreibfehler
                                                                                                                                                      Zuletzt geändert von eike123; 11.06.2014, 20:22.

                                                                                                                                                      Kommentar


                                                                                                                                                      • Igelstroem
                                                                                                                                                        Fuchs
                                                                                                                                                        • 30.01.2013
                                                                                                                                                        • 1944
                                                                                                                                                        • Privat


                                                                                                                                                        #76
                                                                                                                                                        AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                        Mal gucken, ob ich hier noch dazwischenkomme.


                                                                                                                                                        Draußen hat es eine nichtkonstruierte Wirklichkeit gegeben, aus der meine Wahrnehmung eine erlebte Wirklichkeit konstruiert, aus der ich dann beim Schreiben eine Berichtswirklichkeit konstruiere, aus der die einzelne Leserin dann eine Imaginationswirklichkeit konstruiert. Die Folge ist unter anderem die, dass ich es beim Lesen anderer Reiseberichte erst mal nur mit Literatur zu tun habe und mich eventuell wundere (aber eigentlich nicht wundern sollte), wenn ich selbst später an dieselben Orte fahre und es sich atmosphärisch anders anfühlt, als ich es aus dem Bericht in Erinnerung habe.

                                                                                                                                                        Für mich sind meine eigenen Bilder vor allem eine Erinnerungsstütze. Mal kurz einen Blick auf den Anfang des zweiten Tages in diesem Bericht:
                                                                                                                                                        https://www.outdoorseiten.net/forum/...=1#post1301657

                                                                                                                                                        Die ersten drei Bilder dokumentieren zwar etwas, geben aber die Licht- und Wetterstimmung falsch wieder. Man könnte fast denken, es nieselte. Deshalb brauche ich unbedingt das Moped-Foto, das meiner atmosphärischen Erinnerung besser entspricht. Für mich selbst reicht das Gerüst meines Textes und der ausgewählten Bilder aus, um die übrigen Erinnerungen (auch das nicht Geschriebene und nicht Abgebildete) wieder aufzurufen. Wenn ich den Bericht in zwanzig Jahren wieder lese, wird ein Teil dieser zusätzlichen Erinnerungen verschwunden sein, ein anderer Teil wird aber noch aufrufbar sein. Das ist genauso wie mit meinen Tagebüchern von 1984 bis 1988, die für mich bei aller Distanz wichtig und aufschlussreich sind.

                                                                                                                                                        Also: Bericht ja, falls der einzelnen Tour eine Bedeutung zugeschrieben wird. Wenn es nur darum ginge, irgendwie an der frischen Luft zu sein (was ja ein ehrenwertes Motiv ist), könnte der Bericht überflüssig sein. Ich möchte aber in zwanzig Jahren bestimmte Dinge nachvollziehen können: wie ich vor zwanzig Jahren meine Touren gemacht habe, welche logistischen Probleme ich hatte; und auch, wie es sich ›damals‹ angefühlt hat, im mittleren Mecklenburg, in genau dieser Gegend zu wandern und auf Einheimische zu treffen.

                                                                                                                                                        @lina: Einen Teil der Formulierungen, die später als unterhaltsam gelten, überlege ich mir unterwegs, weil ich gerade sonst außer Gehen nichts zu tun habe. Den größeren Teil formuliere ich aber erst zuhause.
                                                                                                                                                        Ansonsten ist es so, dass ich ein ziemlich selektives Gedächtnis habe. Namen finde ich schwierig, Anekdoten und mitunter auch der Wortlaut eines kurzen Gesprächs sind eher einfach. Wenn ich den Wortlaut wiedergebe, dann ist das also nahezu wörtlich zu nehmen, wenn auch oft gekürzt.

                                                                                                                                                        Die Mutmaßungen des Users robart zu diesem Thema sind zutreffend: Ich bin zwar zum Wandern unterwegs, aber am aufmerksamsten bin ich, wenn ich nach längerem Gehen mit Menschen zusammentreffe. Das finde ich dann spannend, und deshalb behalte ich relativ viel davon im Gedächtnis. Hingegen rückt manchmal das Bild einer Ortschaft oder auch einer Wegstrecke, die ich gelaufen bin, ohne jemanden zu treffen, so sehr in den Hintergrund, dass ich mich beim Berichtschreiben verzweifelt frage, wie es da ausgesehen hat und ob da irgendetwas geschehen ist. Dann könnte auch ein buchhalterisches Foto helfen, aber es fehlt oft, weil ich eben auch keine Lust habe, in regelmäßigen Abständen stehenzubleiben und die Auslöseverzögerung der Kamera abzuwarten.


                                                                                                                                                        @eike123: Danke. Werde mir das ansehen. In der Tat ist meine Aufstellstange glatt, sie ist eigentlich wohl für ein Tarptent gedacht und verschwindet dort vielleicht in irgendeiner Führung.
                                                                                                                                                        An einem rauen bzw. irgendwie ›knotigen‹ Naturstock hält die Leine bzw. die am Tarp angebrachte Schlaufe normalerweise auch ohne spezielle Hilfsmittel.
                                                                                                                                                        Zuletzt geändert von Igelstroem; 12.06.2014, 13:16.
                                                                                                                                                        Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                                                        Kommentar


                                                                                                                                                        • lina
                                                                                                                                                          Freak

                                                                                                                                                          Vorstand
                                                                                                                                                          Liebt das Forum
                                                                                                                                                          • 12.07.2008
                                                                                                                                                          • 43828
                                                                                                                                                          • Privat


                                                                                                                                                          #77
                                                                                                                                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                          Ein anderer Ansatz wäre, mit Bildern eine Berichtswirklichkeit zu konstruieren?

                                                                                                                                                          Kommentar


                                                                                                                                                          • Ditschi
                                                                                                                                                            Freak

                                                                                                                                                            Liebt das Forum
                                                                                                                                                            • 20.07.2009
                                                                                                                                                            • 12705
                                                                                                                                                            • Privat


                                                                                                                                                            #78
                                                                                                                                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                            Kurzlehrgänge zu nützlichen Koten beim Zelten wären vielleicht eine sinnvolle Ergänzung bei ODS-Stammtischen.
                                                                                                                                                            OT: Müßte es nicht "zum" heißen?
                                                                                                                                                            Ditschi

                                                                                                                                                            Kommentar


                                                                                                                                                            • eike123
                                                                                                                                                              Erfahren
                                                                                                                                                              • 07.05.2014
                                                                                                                                                              • 156
                                                                                                                                                              • Privat


                                                                                                                                                              #79
                                                                                                                                                              AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                              @Ditschi

                                                                                                                                                              OT: Müßte es nicht "zum" heißen?
                                                                                                                                                              Nein, es müsste "Knoten" heißen.

                                                                                                                                                              Kommentar


                                                                                                                                                              • Ditschi
                                                                                                                                                                Freak

                                                                                                                                                                Liebt das Forum
                                                                                                                                                                • 20.07.2009
                                                                                                                                                                • 12705
                                                                                                                                                                • Privat


                                                                                                                                                                #80
                                                                                                                                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                Nein, es müsste "Knoten" heißen.
                                                                                                                                                                OT: Ach? Wollte mich schon anmelden.
                                                                                                                                                                Ditschi

                                                                                                                                                                Kommentar


                                                                                                                                                                • Igelstroem
                                                                                                                                                                  Fuchs
                                                                                                                                                                  • 30.01.2013
                                                                                                                                                                  • 1944
                                                                                                                                                                  • Privat


                                                                                                                                                                  #81
                                                                                                                                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                  Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                  Ein anderer Ansatz wäre, mit Bildern eine Berichtswirklichkeit zu konstruieren?
                                                                                                                                                                  Naja, so eng (dass die Bilder bei mir nur als Gedächtnisstütze dienen) habe ich es nicht gemeint. Natürlich sind die Bilder zugleich (sowieso immer) Elemente der Berichtswirklichkeit, genauso wie der Text. In meinen Berichten ist es ja auch schon so, dass sich der Bericht teilweise an den Illustrationen entlanghangelt, d.h. die funktionieren dann ähnlich wie eine Ketten- oder Seilversicherung auf einem Hochgebirgswanderweg: Man könnte zur Not auch ohne, aber dann wird das Lesen schwieriger. Ich habe also versucht, mit der Auswahl der Bilder sowohl das zu zeigen, was ich ›euch‹ zeigen wollte, als auch meiner eigenen Erinnerung die nötige visuelle Stütze zu geben.

                                                                                                                                                                  Die Leistung der Wirklichkeitskonstruktion ganz den Bildern zu überlassen, wäre experimentell vielleicht auch möglich – vor allem dann, wenn es auf den genauen Verlauf einer Tour und auf Gespräche mit Personen nicht ankommt.
                                                                                                                                                                  Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                                                                  Kommentar


                                                                                                                                                                  • lina
                                                                                                                                                                    Freak

                                                                                                                                                                    Vorstand
                                                                                                                                                                    Liebt das Forum
                                                                                                                                                                    • 12.07.2008
                                                                                                                                                                    • 43828
                                                                                                                                                                    • Privat


                                                                                                                                                                    #82
                                                                                                                                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                    Ja, genau, letzteres meinte ich.

                                                                                                                                                                    Hierfür müsste man sich überlegen, auf welche Weise man dann Tourverlauf, Begegnungen und Gespräche darstellt.

                                                                                                                                                                    Kommentar


                                                                                                                                                                    • Igelstroem
                                                                                                                                                                      Fuchs
                                                                                                                                                                      • 30.01.2013
                                                                                                                                                                      • 1944
                                                                                                                                                                      • Privat


                                                                                                                                                                      #83
                                                                                                                                                                      AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                      Zitat von eike123 Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                      Um eine Abspannleine an einem Stock zu befestigen, ist für dich vermutlich der Webeleinenstek sinnvoll. Unter Zug kann der Knoten nicht entlang des (rauhen) Stocks verschoben werden. Da der Knoten symmetrisch ist, ist es egal an welchem Ende des Seils gezogen wird, er hält in beide Richtungen.
                                                                                                                                                                      Das ist schon verständlich, aber trotzdem kann ich an diesem Beispiel erklären, was ich mit elementaren Problemen meine. Ich habe mich nämlich z.B. anfangs gefragt, ob man wohl sinnvollerweise (1) eine Firstleine installiert und dann vielleicht dieselbe Leine an beiden Enden zum Abspannen verwendet, oder ob man vielmehr (2) nur die Randschlaufen des Tarps an der Stange bzw. am Stock befestigt und dann Spannleinen zusätzlich anbringt. Dass beides möglich ist, die zweite Variante aber den Stoff des Tarps ziemlich stark belastet, kann man indirekt aus dem Beitrag von eisen ableiten, es steht da aber nicht direkt. Aus dem Knotenvorschlag von eike123 kann man ebenfalls indirekt ableiten, dass er von der ersten Variante ausgeht. Das ist schon mal eine Erkenntnis, wenn auch nicht unbedingt eine endgültige. Und so sammle ich nach und nach Erkenntnisse.

                                                                                                                                                                      Man könnte natürlich auch vielerlei Dinge selbst ausprobieren, und in der Tat habe ich das auch schon abseits der Tour gemacht. Es war ja zum Beispiel für mich nicht ganz klar, in welchem Ausmaß die verwendeten Leinen eventuell bei Nässe ihre Spannung verlieren oder bei welchen Aufbauvarianten sich wegen zu geringer Dachneigung Wassersäcke bilden können (oder wie man das nennt). Das sieht man erst nach längerem Regen. Und anfangs habe ich mich z.B. auch gefragt, wie man überhaupt, wenn man allein ist, eine Abspannung mit zwei Stangen aufrichten kann; denn eigentlich stehen die Stangen ja erst, wenn eine Abspannung schon vorhanden ist.

                                                                                                                                                                      Für den Fall, dass man ein Tarp mit Schlaufen hat und dazu eine dünne, glatte Aufstellstange, wie es bei mir der Fall ist, bin ich jetzt einfach erst mal zu dem Schluss gekommen, dass man wohl hilfsweise eine Verdickung der Stange z.B. aus Tape herstellen muss, damit Tarpschlaufe und Leinenknoten nicht einfach an der Stange runterrutschen. Das tun sie nämlich sonst an dieser Stange, auch noch unter Zug.

                                                                                                                                                                      Viele dieser Probleme ließen sich natürlich leicht lösen, wenn man es einmal in natura von jemandem gezeigt bekäme. Oder wenn es im Netz ein Video mit dem Titel ›Tarpaufbau für Blöde in allen Details‹ gäbe.


                                                                                                                                                                      @Werner: Ich wäre sogar bereit, das Vereinstarp, wenn es eins gibt, in tausend Varianten auf- und abzubauen. Aber irgendjemand muss zugucken.
                                                                                                                                                                      Zuletzt geändert von Igelstroem; 11.06.2014, 22:48.
                                                                                                                                                                      Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                                                                      Kommentar


                                                                                                                                                                      • eisen
                                                                                                                                                                        Erfahren
                                                                                                                                                                        • 03.10.2005
                                                                                                                                                                        • 334
                                                                                                                                                                        • Privat


                                                                                                                                                                        #84
                                                                                                                                                                        Hu, das ist ja philosophisch hier, da passt Geartalk ja gar nicht so recht. Trotzdem noch kurz dazu:

                                                                                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                        Man kann Tarpstangen und Heringe zuhause lassen, wenn man in Waldgebieten unterwegs ist. Das stimmt prinzipiell. Aber dann muss ich eben abends zwei gerade Totholz-Äste und sechs kurze Stücke als Heringe zusammensuchen und evtl. noch mit dem Messer bearbeiten. Das geht durchaus, habe ich schon ausprobiert, dauert aber eine Weile.
                                                                                                                                                                        Zelt ist am schnellsten aufgebaut, absolut keine Frage. Aber ich wage mal die Prognose aufzustellen, dass Du damit wahrscheinlich am wenigsten glücklich werden würdest. So nette Sternenbeschreibungen wie weiter oben sind da ja schon eher schwierig. Das Draussen-Gefühl ist schon ziemlich weg. Sowas wie ein Carinthia-Bivy mit Kopfsbogen wäre wohl das schnellste, aber bequem geht wirklich anders und wenns nicht regnet, macht es kaum Sinn. Bleibt noch das Tarptent. Ist schnell aufgestellt, aber ziemlich unflexibel, weil die Form sehr speziell ist. Ich würde beim Tarp bleiben. ;) Was ich persönlich an den Dingern mag, ist dass man sie je nach Witterung ganz verschieden aufstellen kann, bei guten Wetter sozusagen Sternenhimmelgarantie.

                                                                                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                        Wenn das Tarp keine Abspannschlaufen auf der Oberseite hat, muss man die Firstleine unter dem Tarp verlaufen lassen, sonst hängt es zu sehr durch. Das lässt sich auch vorbereiten, aber auch dann hat man sich eben auf eine bestimmte Aufbauvariante festgelegt.
                                                                                                                                                                        Firstschlaufen, vor allem eine in der Mitte, sind beim A-Frame Bedingung, stimmt. Schnur unten lang führen würde heissen, dass Regen an der Leine entlang unters Tarp laufen kann. Mittelschlaufe ist saupraktisch, kann man auch nachrüsten.

                                                                                                                                                                        Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                        Und dann noch eine allgemeine Irritation: Ich habe in meinem Leben noch nie ein Zelt aufgebaut. Das Thema Abspannung wirft für mich elementare Rätsel auf. So ist z.B. die Befestigung der Leinen an einer einfachen Stange, die kein Trekkingstock ist (also z.B. keinen Teller und auch sonst keine Verdickung hat), ein elementares Problem, dessen Lösung weltweit nirgends diskutiert wird. In den Videos zum Tarp-Aufbau sieht man immer die Geometrie und ihre Varianten. Aber für die Geometrie braucht man kein Video, das kann man auch am Schreibtisch mit einem Papiermodell ausprobieren. Fraglich sind hingegen die Details der Befestigung, und hier zeigen die Videos prinzipiell nichts. Beim Lesen von 30 Seiten Tarp-Thread in diesem Forum bekommt man nur zufällig mal instruktive elementare Informationen. Genauso ist es mit den Knoten. Die standardmäßige Auskunft ist die, dass man dieses und jenes Problem ja ganz einfach mit dem Knoten X, Y oder Z lösen könne. Jeder, der ein Tarp aufbaut, ist nämlich vorher zur See gefahren.
                                                                                                                                                                        Bei dem Knotenproblem oben würde ich als alter Seefahrer auch Webeleinenstek sagen. Als doppelter müsste das auch an einer glatten Stange halten. Unpraktischerweise kann ich den auch nicht und mache da immer einen Müsste-schon-irgendwie-halten-zumindest-meistens-Schlupp. Hm, das wäre doch die perfekte Gelegenheit für eine allgemeine Tarp-Session beim nächsten Stammtisch. Das macht ja jeder irgendwie anders, wäre durchaus mal interessant, verschiedene Versionen zu vergleichen.

                                                                                                                                                                        Grüsse, Eisen

                                                                                                                                                                        EDIT: die Problematik aus dem letzten Post bekommst Du mit 2 Prussik-Schiebeknoten gelöst. Die spannnen unter Last, lassen sich aber verschieben. Die äusseren Tarpschlaufen sind mit denen an der der Firtstleine befestigt. So kannst Du zuerst die Firstleine spannen und danach das Tarp wie auf einer Wäscheleine an gewünschte Stelle rücken und dort einfach fest"schieben". Die Firstleine wird am besten auch mit einem Schiebeknoten am Baum angebunden, der lässt sich dann jederzeit ohne Lösen nachspannen und ist mit einem Zug wieder offen. Ich weiss bloss nicht, wie der heisst.

                                                                                                                                                                        und nochmal EDIT: Grandmaster Ray zeigt, wie es geht, bloss bisschen schnell: https://www.youtube.com/watch?v=Mw3lL-ofBcE
                                                                                                                                                                        Zuletzt geändert von eisen; 11.06.2014, 23:48.

                                                                                                                                                                        Kommentar


                                                                                                                                                                        • Igelstroem
                                                                                                                                                                          Fuchs
                                                                                                                                                                          • 30.01.2013
                                                                                                                                                                          • 1944
                                                                                                                                                                          • Privat


                                                                                                                                                                          #85
                                                                                                                                                                          AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                          Zitat von eisen Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                          EDIT: die Problematik aus dem letzten Post bekommst Du mit 2 Prussik-Schiebeknoten gelöst. Die spannnen unter Last, lassen sich aber verschieben. Die äusseren Tarpschlaufen sind mit denen an der der Firtstleine befestigt. So kannst Du zuerst die Firstleine spannen und danach das Tarp wie auf einer Wäscheleine an gewünschte Stelle rücken und dort einfach fest"schieben". Die Firstleine wird am besten auch mit einem Schiebeknoten am Baum angebunden, der lässt sich dann jederzeit ohne Lösen nachspannen und ist mit einem Zug wieder offen. Ich weiss bloss nicht, wie der heisst.

                                                                                                                                                                          und nochmal EDIT: Grandmaster Ray zeigt, wie es geht, bloss bisschen schnell: https://www.youtube.com/watch?v=Mw3lL-ofBcE

                                                                                                                                                                          Thanks again.

                                                                                                                                                                          »Bloß bisschen schnell« stimmt für das Video jedenfalls. Ich finde ja, man müsste bei einem solchen Video mit einer beweglichen, problembewussten, neugierigen Kamera, also mit einem Kameramann arbeiten. Bei feststehender Kamera gibt es fast immer irgendeinen Schritt, der z.B. durch die Hand verdeckt ist.

                                                                                                                                                                          Das mit der ›Wäscheleine‹ habe ich in der Tat auch schon ausprobiert. Das funktioniert schon. Ich will auch gar keine Einwände dagegen erheben, vielleicht mache ich das wirklich so. Es ist nur so, dass man eben entweder alles für eine bestimmte Aufbauvariante vorbereitet (und damit den Vorteil der Flexibilität aufgibt) oder nichts vorbereitet (und dann eine Sammlung von Schnüren und Leinen in verschiedenen Längen mitführt und abends im Wald Knoten übt, während man sich eigentlich gerne hinlegen möchte). Du siehst also: Es geht auch ein bisschen um meine Faulheit, ich möchte gern wahnsinnig schnell auf- und abbauen.

                                                                                                                                                                          Zum Schluss noch die Überlegung meiner hier eher selten zitierten Mutter (keine Outdoor-Spezialistin): Man könne doch das erwähnte Tarptent einfach mitnehmen und bei gutem Wetter im Freien auf der Isomatte (ohne Tarp) schlafen, bei schlechtem Wetter hingegen das Zelt aufbauen. Damit, so der implizite Gedanke, sei das juristische Problem des Wildzeltens gewissermaßen quantitativ auf einzelne Nächte begrenzt, und trotzdem sei man dann bei schlechtem Wetter im Trockenen.
                                                                                                                                                                          Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                                                                          Kommentar


                                                                                                                                                                          • lina
                                                                                                                                                                            Freak

                                                                                                                                                                            Vorstand
                                                                                                                                                                            Liebt das Forum
                                                                                                                                                                            • 12.07.2008
                                                                                                                                                                            • 43828
                                                                                                                                                                            • Privat


                                                                                                                                                                            #86
                                                                                                                                                                            AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                            OT: Komm doch mal zu einem größeren ODS-Treffen, da kannst Du an ganzen Tarp-Burgen-Bauereien teilnehmen

                                                                                                                                                                            So eine Tarpaufstellstange (oder besser noch: ein Trekkingstock) hat ja zwei Enden, von welchen eine eine Spitze hat, so ca. wie ein Kugelschreiber. Die muss man nicht in den Boden rammen (würde auch nix nützen, bei Wind hebt die Stange sowieso ab), sondern sie zeigt nach oben. Damit hast Du eine Stufe, an der Du die Spannschnur fixieren kannst. Die Tarpschlaufe kommt dann (ggf. nochmal als 8 gedreht) drüber.

                                                                                                                                                                            Geht natürlich auch andersrum: klick

                                                                                                                                                                            Noch weitere Links zum Gucken: Aufbauvarianten, Karabiner-Einsatz, Knoten.

                                                                                                                                                                            Das Problem mit den Wassersäcken lässt sich lösen, indem man das Tarp nicht zu flach aufbaut (oder man kann das Ganze instrumentalisieren zum Wassersammeln für den Morgenkaffee )
                                                                                                                                                                            Zuletzt geändert von lina; 12.06.2014, 07:00.

                                                                                                                                                                            Kommentar


                                                                                                                                                                            • eisen
                                                                                                                                                                              Erfahren
                                                                                                                                                                              • 03.10.2005
                                                                                                                                                                              • 334
                                                                                                                                                                              • Privat


                                                                                                                                                                              #87
                                                                                                                                                                              Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                              Ich will auch gar keine Einwände dagegen erheben, vielleicht mache ich das wirklich so. Es ist nur so, dass man eben entweder alles für eine bestimmte Aufbauvariante vorbereitet (und damit den Vorteil der Flexibilität aufgibt) oder nichts vorbereitet (und dann eine Sammlung von Schnüren und Leinen in verschiedenen Längen mitführt und abends im Wald Knoten übt, während man sich eigentlich gerne hinlegen möchte). Du siehst also: Es geht auch ein bisschen um meine Faulheit, ich möchte gern wahnsinnig schnell auf- und abbauen.
                                                                                                                                                                              ok, der Trend geht zum Tarptent. Aber ein letztes Mal Werbung fürs Tarp. Bei mir sind alle Leinen für A-Frame einzeln zusammengerollt am Tarp montiert. Das ist Standardaufbau, wenn es nach schlechtem Wetter aussieht. Weil die Firstleine stolze 10 Meter lang ist, gibts eigentlich nie Probleme, irgendwelche Bäume zu finden. Wenn doch, baue ich eben Baum zu Stecken auf, wenn nix geht eben mit 2 Stecken. Aufbau dauert als First zwischen 2 Bäumen max 5-6 Minuten, mit Stecken eine Ecke länger. Wenn es stark windet, baue ich es als Lean-to auf. Dazu muss ich eine der seitlichen Abspannleinen lösen (Quick release) und an der Mittelschlaufe anknüpfen. Alle anderen Leinen bleiben wo sie sind und kommen entweder so zum Einsatz oder bleiben einfach eingerollt. Die Firstleine bleibt wo sie ist und wird einfach unters Tarpende geworfen.

                                                                                                                                                                              Bei Wind und Regen baue ich es als A-Frame mit einer Seite zum Boden auf. Wenn wettertechnisch gar nichts geht beide Seiten bis zum Boden (kam noch nie vor). Bei gutem Wetter bleibt das Tarp eingepackt. Oder ich höre auf Deine Mutter, baue das Tarp als Backup auf und krabbel drunter, falls es wirklich zu regnen anfängt. Ich hatte das Ding auch schon mit 2 weiteren Tarps zu einer Riesenplane zusammengeklippst, da kamen wir in strömenden Regen und gingen bei strömenden Regen. Also komplettes Lager unter den Planen. Ging auch super. Ich bleibe dabe, Tarp ist definitiv nicht das schnellste, aber mit Abstand am vielseitigsten bei maximalem Draussen-Gefühl.

                                                                                                                                                                              Grüsse,
                                                                                                                                                                              Eisen
                                                                                                                                                                              Zuletzt geändert von eisen; 12.06.2014, 07:48.

                                                                                                                                                                              Kommentar


                                                                                                                                                                              • stoeps
                                                                                                                                                                                Dauerbesucher
                                                                                                                                                                                • 03.07.2007
                                                                                                                                                                                • 537


                                                                                                                                                                                #88
                                                                                                                                                                                AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                                Selbst die nun in mindestens zwei Richtungen – Tarp(-Knoten) und (Bericht)-Schreiben – mäandernde Diskussion ist herrlich
                                                                                                                                                                                „The world's big and I want to have a good look at it before it gets dark.”
                                                                                                                                                                                ― John Muir

                                                                                                                                                                                Kommentar


                                                                                                                                                                                • Gast180628
                                                                                                                                                                                  GELÖSCHT
                                                                                                                                                                                  Dauerbesucher
                                                                                                                                                                                  • 08.10.2012
                                                                                                                                                                                  • 510
                                                                                                                                                                                  • Privat


                                                                                                                                                                                  #89
                                                                                                                                                                                  AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                                  ja, das bewusste verhandeln von dem, was schön und nützlich sein kann im bewegten leben hat seinen reiz.

                                                                                                                                                                                  Zitat von Werner Hohn Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                                  Von uralten Wanderungen sind die Landschaftsbilder im Kopf sehr, sehr verschwommen. Hingegen sind Begegnungen am Wegrand noch immer sehr scharf,
                                                                                                                                                                                  auch hier würde ich gern den "danke"-knopf drücken, wenns den hier gäbe.

                                                                                                                                                                                  man tut ja unterwegs "auswildern", also das, was man so im kopf mitbringt an wohlsortiertem bilder- und gedankenvorrat, tritt gegenüber den unmittelbaren eindrücken in den hintergrund. unterwegs tagebuch zu schreiben, würde mir den freien platz schon wieder zu sehr füllen, die freie zeit verkürzen.

                                                                                                                                                                                  ähm, gehts noch weiter?
                                                                                                                                                                                  wie biste denn zuhause angekommen?

                                                                                                                                                                                  Kommentar


                                                                                                                                                                                  • Igelstroem
                                                                                                                                                                                    Fuchs
                                                                                                                                                                                    • 30.01.2013
                                                                                                                                                                                    • 1944
                                                                                                                                                                                    • Privat


                                                                                                                                                                                    #90
                                                                                                                                                                                    AW: [DE] »Hamse Dich hier ausgesetzt?« – Wandern von Mecklenburg nach Vorpommern

                                                                                                                                                                                    Zitat von wonderrenter Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                                    ähm, gehts noch weiter?
                                                                                                                                                                                    wie biste denn zuhause angekommen?
                                                                                                                                                                                    Nee, geht nicht weiter. Der Bericht endet oben mit #53. Danach kommt nur noch Regionalexpress, S-Bahn und 1300 Meter zu Fuß nach Hause.


                                                                                                                                                                                    @stoeps: Ich rechne ja auch jeden Moment damit, dass der Moderationsritter daherkommt und mit seinem scharfen Schwert dem Drachen zwei Köpfe abschlägt, die dann anderswo unter dem Titel »Konstruktive Grübeleien zum Tarpaufbau« und »Konstruktivistische Grübeleien zum Schreiben von Reiseberichten« wieder anwachsen müssen.

                                                                                                                                                                                    @eisen: Trend zum Tarptent – weiß nicht. Man darf meine Entscheidungsschwäche nicht unterschätzen. ›Einmal denke ich: Ich brauche unbedingt ein Zelt, es ist Wahnsinn, kein Zelt zu haben. Und im nächsten Moment denke ich: Ein Zelt ist total überflüssig, es ist Wahnsinn, jetzt ausgerechnet ein Zelt zu kaufen.‹
                                                                                                                                                                                    Man muss sich nur mal vorstellen, ich sei nicht in Mecklenburg, sondern im Pfälzer Wald unterwegs, wegen Wald und Burgen und so. OT: Offizielle Trekkinglagerplätze ›geht gar nicht‹ wegen Etappenplanungsverweigerung, einfach so zelten geht aber hier auch nicht; durch das Vorhandensein der offiziellen Plätze wird man sozusagen erst recht ins Unrecht gesetzt. Das Foto mit dem Trekkingschirm oben war schon ernst gemeint, der Regenschutz im Kopfbereich reicht dann ungefähr bis zum Bauch, auch wenn man das auf dem Foto nicht erkennt. Oder halt Biwaksack weglassen und das Tarp mitnehmen. Falls es hier irgendwann mal wieder regnet, werde ich im Gemeinschaftsgarten ausprobieren, ob nicht ein Aufbau als Halbpyramide ›trotzdem‹ (d.h. trotz Deiner willkommenen erfahrungsgesättigten Ratschläge) das Sinnvollste ist. Die Vorschläge, die Du gemacht hast, eisen, rechnen ja mehr oder weniger mit Deinem Tarpformat (z.B. 285 x 285), meins ist aber kleiner.


                                                                                                                                                                                    @all: Hier noch was Soziologisches zu den Lebensbedingungen in der durchwanderten Region (betrifft die Gemeinde Galenbeck, also meine vorletzte Etappe):
                                                                                                                                                                                    http://www.wiwi.uni-rostock.de/en/so...nde-galenbeck/

                                                                                                                                                                                    EDIT: FAZ-Artikel zu Friedland/Mecklenburg:
                                                                                                                                                                                    http://www.faz.net/aktuell/politik/f...-14167913.html
                                                                                                                                                                                    Zuletzt geändert von Igelstroem; 10.04.2016, 10:02.
                                                                                                                                                                                    Lebe Deine Albträume und irre umher

                                                                                                                                                                                    Kommentar


                                                                                                                                                                                    • eisen
                                                                                                                                                                                      Erfahren
                                                                                                                                                                                      • 03.10.2005
                                                                                                                                                                                      • 334
                                                                                                                                                                                      • Privat


                                                                                                                                                                                      #91
                                                                                                                                                                                      Zitat von Igelstroem Beitrag anzeigen
                                                                                                                                                                                      Man darf meine Entscheidungsschwäche nicht unterschätzen. ›Einmal denke ich: Ich brauche unbedingt ein Zelt, es ist Wahnsinn, kein Zelt zu haben. Und im nächsten Moment denke ich: Ein Zelt ist total überflüssig, es ist Wahnsinn, jetzt ausgerechnet ein Zelt zu kaufen.
                                                                                                                                                                                      Oh in diesem Fall ist die Sache allerdings eindeutig: Du brauchst ganz klar BEIDES!
                                                                                                                                                                                      Sollten sich gegebenfalls moralische Bedenken wegen der Budgetierung ergeben, einfach beim inneren Monolog auf obiges rechtliches Dilemma verweisen. ;)

                                                                                                                                                                                      Grüsse,
                                                                                                                                                                                      eisen

                                                                                                                                                                                      Kommentar