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Von einem, der als kranker Softie loszog und als Held zurückkam – oder: Was noch geht
Prolog:
Ich war glücklicherweise jung, als ich 1983 das nordschwedische Fjäll entdeckte. Der Rucksack wog damals an die 30 kg, Essen und Ausrüstung reichten zum Überleben, es war Ende der Schneeschmelze und jeder Bach ein reißender Fluss. Doch mit 17 steckt man sowas locker weg und Schweden hat mich seither nicht mehr losgelassen. Alle Jahre wieder komme ich in die Region zwischen Abisko und Sarek und mache immer die gleiche Tour in immer neuen Variationen. Auch dieses Jahr schaffte ich wieder ein paar Premieren: Mein erster Helikopterflug jemals, die erste Packrafting-Tour im Fjäll, erstmals kein Zelt und – last but not least – mein erster Reisebericht im Internet. Ich wollte immer schonmal wissen, wie sich sowas anfühlt.
Jetzt bin ich dreimal so alt wie damals, und – tja – Mann wird nicht jünger. Insbesondere die Füße machen schnell schlapp, Knick-, Senk-, Spreizfuß mit Hammer- und Krähenzehen nennt man sowas, von allem ein bisschen. Ich hab zuviel gewandert in meinem Leben. Daher die Idee mit dem Packraft. Wenn die Füße nicht mehr wollen, shipper ich einfach durch die Gegend, so meine Idee. Doch die Idee hat einen Haken. So ein Packraft wiegt incl Trocki und Paddel mindestens 5 kg zusätzlich. Auch bei zuviel Gewicht streiken die Füße. Um Gewicht zu sparen, habe ich dieses Jahr mit insgesamt gut 10 kg incl Essen für 4 Tage ganz auf Hütten gesetzt. Einziger Luxus war ein Kocher.
Ob ich die Runde – grob einmal im Uhrzeigersinn um den höchsten Berg Schwedens herum, den Kebnekaise - von der Fjällstation über Singi, Sälka, Nallo bis Vistas mit meinen Füßen schaffe ? Und wird der Bach Vistasvagge mich nach 35 km wieder heil in Nikkaluokta an Land spülen ? Außer Satellitenbilder hatte ich keine Anhaltspunkte, was für ein Fluss mich erwartet. Ich wollte es nochmal wissen.
An einem der letzten Augusttage war ich im Rahmen eines längeren Urlaubs endlich in Nikkaluokta. Die Birken und die Tundra verfärben sich zu dieser Zeit schon, die Mücken sind weg und das größte Gedränge auf Wegen und in Hütten auch. Optimale Voraussetzungen also.
Ein Heli ganz für mich allein

Ich erinnere mich noch, wie ich – in den guten alten Zeiten – den Helikopter aus Nikkaluokta verflucht habe, der mir den morgendlichen Schlaf an der Fjällstation Kebnekaise genommen hat. Wer wandern will, soll das gefälligst tun und auch die ersten 25 km bis zum Beginn der schöneren Landschaft laufen, so meine damalige Einstellung. Jetzt nehme ich ganz dekadent selbst den Heli, will mir meine Füße nicht gleich am ersten Tag ruinieren. Ich bin der einzige Fluggast. Der Hubschrauber fliegt zwar dreimal, weil so viele Leute aus den Bergen weg wollen. Nur ich will jedoch hinein. Ganz unspektakulär geht das, kaum sind wir oben, sind wir auch schon da. Ruhig schrabbelt der Heli über einer Landschaft, die zwischen rot, braun und grün changiert.
Ein paar läppische Kilometer
Nach einem zweiten Frühstück setze ich um kurz nach neun den Rucksack auf und starte die erste Etappe von ca 15 km bis Singi. Es ist wärmer als gedacht, doch bald schon setzt Regen ein, der jedoch von hinten kommt und mich deshalb nicht stört. Das gesamte Fjäll ist voller Blaubeeren. Eine Schande, daran achtlos vorbeizugehen !

Blick von der Fjällstation
So langsam ich auch laufe, mit vielen Pausen, ersten Renntier-Beobachtungen und Fotos: Um halb zwei Uhr bin ich bereits da. Oben auf der Anhöhe musste ich noch mit mir kämpfen, nicht den Abzweig zur nächsten Hütte zu nehmen, weil ich definitiv nicht müde war. Das wären nochmals 2-3 Stunden gewesen. Doch ich reiße mich zusammen und schone meine Füße.

Kurz vor Singi hört der Regen auf
Volle Hütten
In Singi tobt der Bär. Es ist ein Kommen und Gehen. Tja, das ist der Kungsleden, es wird von Jahr zu Jahr mehr. Doch ich bin verwundert, dass selbst Ende August kurz vorm Schließen der Hütten noch so viel los ist. Mit mir sind zwei Franzosen, ein Deutscher und viele Schweden in der Hütte. Die Gespräche kommen aber nicht in Schwung. So vertiefe ich mich in mein Buch, das sich schnell als Enttäuschung herausstellt. Was also tun mit dem noch jungen Tag ?
Draußen entdecke ich das Holzlager. Hier kann ich meine nicht verbrauchte Energie loswerden. Mit Mühe mache ich aus einem Meterstück drei Klötze. Die Säge bleibt permanent stecken. Mehr Spaß macht hinterher das Kleinhacken mit der Axt. Angelockt vom fröhlichen Arbeitslärm stößt ein Schwede zu mir. Auch er bleibt beim Sägen stecken, selbst zu zweit schaffen wir es kaum. Endlich kommt der Stugvard und demonstriert uns mit links (!), wie das geht: Lange Züge, ohne Druck. Dann sägt es sich wie durch Butter. Der Schwede aus Malmö probiert es und sägt wie ein Weltmeister. Ich komme kaum mit dem Hacken hinterher.

Müde bin ich immer noch nicht, aber zufriedener, und jetzt lausche ich den Geschichten meiner Mitbewohner: Eine Deutsche musste am Morgen mit dem Heli ausgeflogen werden. Sie hatte sich eine Blase gelaufen, die war infiziert, und sie konnte keinen Schritt mehr tun. Später erzählt ein 18-jähriger Süddeutscher den 50 Jahre alten Schweden, was der Unterschied zwischen den Alpen und dem Fjäll ist. Und der mitsägende Schwede aus dem Holzlager erzählt mir von seinen sechs Kindern, mit denen er in einem Apartment in Malmö wohnt. Endlich können sie im Sommer stundenlang duschen ! Vorher auf dem Bauernhof ging das nicht, da versiegte bei Trockenheit stets die eigene Quelle.
Alles nette Geschichten, doch gegen 8 Uhr verziehe ich mich in meine Koje, und entweder habe ich an diesem Tag doch genug gemacht, oder das Buch war zu langweilig. Ganz schnell fallen mir jedenfalls die Äuglein zu.
Nallo ruft
Am nächsten Morgen bin ich der erste. Schnell frühstücken, Wasser holen und Altwasser wegbringen, schon bin ich um 8 Uhr auf eisglatten Holzbohlen unterwegs, die in der Kälte der Nacht Raufreif gesammelt haben. Die Sonne strahlt von einem wolkenlosen Himmel. Schon bald beginnen Karawanen anderer Wanderer mir entgegenzukommen. Hej. Hej do ! How are you? Immer wieder wechseln wir freundliche Worte. Nett.

Das Wetter verschlechter sich - Kungsleden
Schon um halb 11 Uhr bin ich in Sälka angekommen. Eine so kurze Wanderung lässt sich noch nicht als Tag bezeichnen ! Es hat zwar inzwischen angefangen zu regnen und das Seitental, in das ich will, hängt voller Wolken. Doch ich will Weg vom Trubel des Kungsleden und einen „vollwertigen“ Tag draus machen. Ich vertilge eine Rolle Kekse aus dem Hüttenladen und steige dann die paar Höhenmeter ins Tal Richtung Nallo.

Blick von Sälka Richtung Nallo

Nallo fast erreicht
Ich folge einem Trampelpfad, der sich zwar immer wieder verliert. Doch das Laufen ist fast einfacher als auf dem Kungsleden. Auf dem Königspfad haben die vielen Wanderer und die Erosion die Erde abgetragen und die Steine freigelegt, die man nun überklettern oder überspringen muss. Hier im Seitental ist dagegen der Weg noch unverbraucht und viel ebener, wenn nicht gerade ein Bachbett überquert werden muss. Die Wolken verdecken zwar einen Großteil der Landschaft Die dramatisch steilen Berghänge schauen aber trotzdem rechts und links heraus, bis nach einer scharfen Kehre die Hütte im Tal unter mir auftaucht. Jetzt weiß ich auch, was ich getan habe, und zufrieden lasse ich mir in „meiner Hütte“ meine Fertignahrung aufquellen, trinke Tee und wechsele ein paar Worte mit der Hüttenwartin. Ansonsten bin ich allein hier.
„I don't trust the government“
Später stößt noch ein Niederländer dazu, der jedes Jahr im farbenfrohen Herbst zwei Monate in der Gegend verbringt. Auch er ist vom Kungsleden geflohen und erzählt mir nun von seinen Touren, die ihn später dieses Jahr noch auf den Padjelanta treiben werden, wo er in den Noträumen der Hütten übernachten will. Er war auch schon im Winter in Nordschweden, hat sein Wohnmobil bis minus 40 Grad kältetauglich gemacht. Leider darf er keine Spikes aufziehen, das ist in den Niederlanden verboten. Polizeiautos dürfen dagegen mit Spikes fahren. Seine Theorie: Die Polizei muss einen Vorteil gegenüber der Spikes-losen Bevölkerung haben. „I don't trust the government. Not any more“, beschließt der langjährige Naturfotograf und Tourguide den Abend.
Solche Hüttenbegegnungen sind es, die mir in Erinnerung bleiben und Spaß machen.

Die ganze Nacht über schüttet es. Dennoch stecke ich um 7 Uhr meine Füße in die Wanderschuhe. Je tiefer ich ins Tal absteige, desto schöner wird das Wetter. Der Wind pfeift durch die Paddelschäfte hinten am Rucksack, ich fühle mich wie in einem Yachthafen. Die Landschaft wird lieblicher, und die teils rote Tundra wechselt sich mit standhaft gebliebenen Blumen ab. Beim Blick zurück zeigt mir ein Regenbogen, dass es weiter oben weiterhin regnet.


Unten scheint die Sonne - oben regnet es noch
Lisa Stuga machts möglich
Um 10 Uhr bin ich in Vistas, und da war es wieder mein Problem: Was tun mit dem angebrochenen Tag ? Der Hüttenwart kann nicht viel sagen über den Fluss von hier bis Nikkaluokta. Ein Deutscher meint, bis auf eine Stromschnelle sehe der Bach paddelbar aus, aber ich würde die 40 km (mit den ganzen Flussschleifen) niemals an einem Tag schaffen. Weiter unten hat das Gewässer kaum noch Strömung. Unmöglich, das mit einem Gummiboot abzureißen, glaubt der Deutsche.
Aber der Stugvard hat eine Idee: Ca 10 km von Vistas liegt eine Hütte am Fluss, 1932 erbaut von einer Frau namens Lisa. Die Hütte sei offen, er weiß aber nicht, in welchem Zustand sie ist. Das klingt wie eine gute Idee. So kann ich heute noch etwas machen und muss nicht befürchten, dass der Fluss für einen Paddeltag zu lang ist. So blase ich nach dem zweiten Frühstück mein Gummiboot auf, ziehe den Trockenanzug an und steche unter staunenden Blicken in See.

Blick von Vistas zurück
Das hat vor Dir noch keiner gemacht, sagt der Stugvard zum Abschied. Ich hatte im Internet schon einen Bericht über einen Versuch gefunden. Doch mein armer Vorgänger war nicht weit gekommen. Schnell hatte er ein Paddel verloren und musste den Großteil der Strecke zu Fuß gehen. Auch ich muss Verluste hinnehmen. Mein Paddel behalte ich zwar stets unter Kontrolle. Doch die Wanderstöcke, die ich eigentlich am Rucksack festgebunden hatte, sind am Ende des Tages doch weg.... Wer sie findet, darf sie mir gerne zurückbringen.

Fotos auf dem Wasser gibt es keine – da musste ich paddeln
Wenig Wasser macht Fluss langsam
Der Fluss ist wunderschön, hat gerade noch genug Wasser. Mäßig rasch fließendes Wasser wechselt sich mit kleinen Stromschnellen ab, alle leicht zu fahren mit nur wenigen Steinhindernissen, und die auch meist überspült. Gefühlt komme ich schnell voran, doch die auf der Karte verzeichnete Brücke nach 5 Kilometern lässt lange auf sich warten. Für ein schnelles Vorankommen ist dann doch zu wenig Wasser im Bach. Bei der Brücke ist schnell klar, dass ich hier nicht weiterpaddeln kann. Wer sein Boot beherrscht, würde hier durchkommen, ich schätze das Wildwasser auf Klasse III bis IV. Doch ganz allein und mit nur wenig WW-Erfahrung steige ich lieber aus und laufe ca einen Kilometer den Wanderweg, bis aus dem Tal das Rauschen des Wassers leiser wird. Irgendwie schlage ich mich durch das Gestrüpp zurück zum Bach und kann hier auch wieder paddeln. Später kommt nochmals Wildwasser, aber diesmal muss ich nur wenige hundert Meter laufen.
So langsam spüre ich die Anstrengung des Tages. Mir wird etwas schwummrig. Ich kenne das, für ein bis zwei Stunden sollte aber noch Kraft da sein. Doch sollte ich die Lisa Stuga nicht finden, oder sollte die Hütte verfallen sein, würde es hart werden, ohne Zelt und Schlafsack mich bis Nikkaluokta durchschlagen zu müssen.
Endlich kommt die Flussbiegung, auf die ich gewartet habe. Ich halte Ausschau nach einer Hütte – nichts. Keine Chance, wenn die zu weit vom Ufer weg stehen sollte. Der Birkenwald würde sie verdecken. Etwas Sorge mache ich mir schon. Da ! Ist das ein Schornstein oder ein Baumstumpf ? Ich lande an und sehe nichts. Doch nach ein paar Metern in den Wald hinein steht sie da, die Lisa Stuga. Fast ein Wunder, dass ich sie gefunden habe.

Lisa Stuga
Die Tür geht auf, es ist schon jemand da: Bernd mit seiner elf- oder zwölfjährigen Tochter. Ja wir werden auch zu Dritt auf den gefühlt vier Quadratmetern hier Platz finden, meint er. Erleichtert stelle ich fest, dass auch Decken da sind, sogar eine verschimmelte Matratze. Ich kann also bleiben.

Ob die essbar sind ?
Eine Nacht auf dem Boden
Bernd ist auch so ein echter Nordland-Fan. Er erzählt von seinen Touren früher, auch mal sechs Wochen am Stück in der Wildnis Kanadas, die er jetzt eben in kleinerem Stil mit seiner Tochter fortsetzt.
Der Wanderweg ist auf der anderen Flussseite. Bernd hat sich beim Durchwaten des Flusses am Vortag die Füße verletzt, und seine Tochter ist wenig begeistert, am nächsten Tag nochmals das für sie wahrscheinlich bauchnabelhohe Wasser durchqueren zu müssen. Beide haben keine Waatschuhe. So sind sie froh, als ich anbiete, dass sie morgen mein Packraft zum Übersetzen haben können.
Doch erstmal genießen wir das schöne Wetter. Hier unten im Tral scheint die Sonne, während weiter oben immer noch dunkle Wolken hängen. Ich trockne meine Sachen und genieße es, in der Wildnis zu sein und nette Leute um mich zu haben. Wir begutachten die Hütte und beschließen, wegen des Schimmels im Stockbett und den dort aus der Wand wachsenden Pilzen auf dem Boden zu schlafen. Abends gibt es ein Pilzmahl. Nein, nicht den Holzschwamm, hier wachsen Birkenpilze überall. Wir spielen Spiele, bis die Dämmerung einsetzt.
Das Lager auf dem Boden ist akzeptabel. Ich ziehe alles an, was ich habe, und so schaffe ich es 5 bis 6 Stunden Schlaf zu bekommen. Bernd muss nachts raus. Er hustet und würgt. Abends hat er mir sein Leid geplagt, andauernde Thrombosen, auch aktuell fürchtet er eine und wippt immer wieder mit dem Bein. Da ich so eine Thrombose auch schon hinter mir habe, mache ich mir jetzt Sorgen, dass Bernd als Folge der Thrombose eine Lungenembolie hat, akute Lebengefahr weit weg von allem. Doch er beruhigt mich, er meint, er hat sich nur den Magen durch das zu gute Essen verdorben, und so war es dann wohl auch.
Paddeln statt Waaten
Der Morgen ist verregnet. Der Plan für die Flussüberquerung ist, dass Bernd erst seinen Rucksack auf die andere Flussseite paddelt, dann seine Tochter holt. Wir befestigen die in der Hütte gefundene Angelschnur am Packraft, so dass ich es mir nach der Aktion mit der Angel zurückholen kann, denn Bernd muss ja auf der anderen Flussseite bleiben. Alles klappt reibungslos. Ich bringe die Angel zurück, schwinge mich dann selbst in mein Gummiboot, verabschiede mich noch von den beiden, und der zweite Paddeltag kann beginnen.

Vor der Flussüberquerung
Der Fluss wird ruhiger
Der Fluss hat jetzt definitiv ausreichend Wasser, ich mache Strecke. Alles ist auch für einen geübten Anfänger fahrbar, und nach 1 Stunde beginnt der Fluss langsamer zu fließen. Elche am Ufer erschrecken sich über mein gelbes USO im Fluss, Gänse fliegen knapp über mir. Die Landschaft wird zu einem Stillleben, ich lasse den Expressionismus des Oberlaufs hinter mir. Entgegen meinen Befürchtungen ist immer etwas Strömung im Fluss, so dass ich weiter gut vorankomme. Nur die riesigen, määndernden Flussschleifen verlängern die Strecke.

Stille statt Rauschen
Doch nach drei Stunden verliere ich die Lust. Meine Blase ist kalt, ich muss andauernd zum Pieseln ans Ufer. Die Füße mit den Neoprensocken sind ebenfalls kalt, und mein Thrombose-geschädigtes Bein puckert und pocht und schreit nach Bewegung bzw Durchblutung. Also lande ich an und laufe die letzten 5 Kilometer nach Nikkaluokta zu Fuß. Das tut zum Abschluss gut, auch wenn es per Raft wahrscheinlich schneller und weniger anstrengend gewesen wäre.

Kurz vor Nikkaluokta
In Nikkaluokta wartet eine heiße Dusche auf mich. Ich bin zufrieden. In vier Tagen habe ich viele Leben gelebt, vom dekadenten Touri bis zum gemäßigten Abenteurer, habe nette Leute kennengelernt und Landschaften von schroff bis sanft durchwandert und durchfahren.
Auch wenn ich mich manchmal schon alt fühle, ich muss nur loslegen, dann geht noch was.
PS: Falls jetzt jemand Lust auf den Vistasvagge bekommen haben sollte, hier nochmal zusammengefasst: Der Wildfluss hat im Sommer/Herbst wahrscheinlich immer genug Wasser. Könner werden wahrscheinlich nach Besichtigung auch die zwei Schnellen fahren. Alle anderen müssen ab kurz vor der (einzigen) Hängebrücke ca 1 km und einige km später nochmals auf wenigen hundert Metern umtragen (links, da ist der Wanderweg). Reine Paddelzeit sind ca 6 Stunden. Insgesamt hat der Fluss auf den 40 km ein Gefälle von 130 Metern, der Großteil davon auf den ersten 20 Kilometern.
Man kann natürlich darüber streiten, ob für 6 Stunden Paddeln 3 Tage Wandern vertretbar sind. Ich finde aber, der Weg ist das Ziel, insbesondere das Tal von Nallo nach Vistas ist wunderschön.
Prolog:
Ich war glücklicherweise jung, als ich 1983 das nordschwedische Fjäll entdeckte. Der Rucksack wog damals an die 30 kg, Essen und Ausrüstung reichten zum Überleben, es war Ende der Schneeschmelze und jeder Bach ein reißender Fluss. Doch mit 17 steckt man sowas locker weg und Schweden hat mich seither nicht mehr losgelassen. Alle Jahre wieder komme ich in die Region zwischen Abisko und Sarek und mache immer die gleiche Tour in immer neuen Variationen. Auch dieses Jahr schaffte ich wieder ein paar Premieren: Mein erster Helikopterflug jemals, die erste Packrafting-Tour im Fjäll, erstmals kein Zelt und – last but not least – mein erster Reisebericht im Internet. Ich wollte immer schonmal wissen, wie sich sowas anfühlt.
Jetzt bin ich dreimal so alt wie damals, und – tja – Mann wird nicht jünger. Insbesondere die Füße machen schnell schlapp, Knick-, Senk-, Spreizfuß mit Hammer- und Krähenzehen nennt man sowas, von allem ein bisschen. Ich hab zuviel gewandert in meinem Leben. Daher die Idee mit dem Packraft. Wenn die Füße nicht mehr wollen, shipper ich einfach durch die Gegend, so meine Idee. Doch die Idee hat einen Haken. So ein Packraft wiegt incl Trocki und Paddel mindestens 5 kg zusätzlich. Auch bei zuviel Gewicht streiken die Füße. Um Gewicht zu sparen, habe ich dieses Jahr mit insgesamt gut 10 kg incl Essen für 4 Tage ganz auf Hütten gesetzt. Einziger Luxus war ein Kocher.
Ob ich die Runde – grob einmal im Uhrzeigersinn um den höchsten Berg Schwedens herum, den Kebnekaise - von der Fjällstation über Singi, Sälka, Nallo bis Vistas mit meinen Füßen schaffe ? Und wird der Bach Vistasvagge mich nach 35 km wieder heil in Nikkaluokta an Land spülen ? Außer Satellitenbilder hatte ich keine Anhaltspunkte, was für ein Fluss mich erwartet. Ich wollte es nochmal wissen.
An einem der letzten Augusttage war ich im Rahmen eines längeren Urlaubs endlich in Nikkaluokta. Die Birken und die Tundra verfärben sich zu dieser Zeit schon, die Mücken sind weg und das größte Gedränge auf Wegen und in Hütten auch. Optimale Voraussetzungen also.
Ein Heli ganz für mich allein
Ich erinnere mich noch, wie ich – in den guten alten Zeiten – den Helikopter aus Nikkaluokta verflucht habe, der mir den morgendlichen Schlaf an der Fjällstation Kebnekaise genommen hat. Wer wandern will, soll das gefälligst tun und auch die ersten 25 km bis zum Beginn der schöneren Landschaft laufen, so meine damalige Einstellung. Jetzt nehme ich ganz dekadent selbst den Heli, will mir meine Füße nicht gleich am ersten Tag ruinieren. Ich bin der einzige Fluggast. Der Hubschrauber fliegt zwar dreimal, weil so viele Leute aus den Bergen weg wollen. Nur ich will jedoch hinein. Ganz unspektakulär geht das, kaum sind wir oben, sind wir auch schon da. Ruhig schrabbelt der Heli über einer Landschaft, die zwischen rot, braun und grün changiert.
Ein paar läppische Kilometer
Nach einem zweiten Frühstück setze ich um kurz nach neun den Rucksack auf und starte die erste Etappe von ca 15 km bis Singi. Es ist wärmer als gedacht, doch bald schon setzt Regen ein, der jedoch von hinten kommt und mich deshalb nicht stört. Das gesamte Fjäll ist voller Blaubeeren. Eine Schande, daran achtlos vorbeizugehen !
Blick von der Fjällstation
So langsam ich auch laufe, mit vielen Pausen, ersten Renntier-Beobachtungen und Fotos: Um halb zwei Uhr bin ich bereits da. Oben auf der Anhöhe musste ich noch mit mir kämpfen, nicht den Abzweig zur nächsten Hütte zu nehmen, weil ich definitiv nicht müde war. Das wären nochmals 2-3 Stunden gewesen. Doch ich reiße mich zusammen und schone meine Füße.
Kurz vor Singi hört der Regen auf
Volle Hütten
In Singi tobt der Bär. Es ist ein Kommen und Gehen. Tja, das ist der Kungsleden, es wird von Jahr zu Jahr mehr. Doch ich bin verwundert, dass selbst Ende August kurz vorm Schließen der Hütten noch so viel los ist. Mit mir sind zwei Franzosen, ein Deutscher und viele Schweden in der Hütte. Die Gespräche kommen aber nicht in Schwung. So vertiefe ich mich in mein Buch, das sich schnell als Enttäuschung herausstellt. Was also tun mit dem noch jungen Tag ?
Draußen entdecke ich das Holzlager. Hier kann ich meine nicht verbrauchte Energie loswerden. Mit Mühe mache ich aus einem Meterstück drei Klötze. Die Säge bleibt permanent stecken. Mehr Spaß macht hinterher das Kleinhacken mit der Axt. Angelockt vom fröhlichen Arbeitslärm stößt ein Schwede zu mir. Auch er bleibt beim Sägen stecken, selbst zu zweit schaffen wir es kaum. Endlich kommt der Stugvard und demonstriert uns mit links (!), wie das geht: Lange Züge, ohne Druck. Dann sägt es sich wie durch Butter. Der Schwede aus Malmö probiert es und sägt wie ein Weltmeister. Ich komme kaum mit dem Hacken hinterher.
Müde bin ich immer noch nicht, aber zufriedener, und jetzt lausche ich den Geschichten meiner Mitbewohner: Eine Deutsche musste am Morgen mit dem Heli ausgeflogen werden. Sie hatte sich eine Blase gelaufen, die war infiziert, und sie konnte keinen Schritt mehr tun. Später erzählt ein 18-jähriger Süddeutscher den 50 Jahre alten Schweden, was der Unterschied zwischen den Alpen und dem Fjäll ist. Und der mitsägende Schwede aus dem Holzlager erzählt mir von seinen sechs Kindern, mit denen er in einem Apartment in Malmö wohnt. Endlich können sie im Sommer stundenlang duschen ! Vorher auf dem Bauernhof ging das nicht, da versiegte bei Trockenheit stets die eigene Quelle.
Alles nette Geschichten, doch gegen 8 Uhr verziehe ich mich in meine Koje, und entweder habe ich an diesem Tag doch genug gemacht, oder das Buch war zu langweilig. Ganz schnell fallen mir jedenfalls die Äuglein zu.
Nallo ruft
Am nächsten Morgen bin ich der erste. Schnell frühstücken, Wasser holen und Altwasser wegbringen, schon bin ich um 8 Uhr auf eisglatten Holzbohlen unterwegs, die in der Kälte der Nacht Raufreif gesammelt haben. Die Sonne strahlt von einem wolkenlosen Himmel. Schon bald beginnen Karawanen anderer Wanderer mir entgegenzukommen. Hej. Hej do ! How are you? Immer wieder wechseln wir freundliche Worte. Nett.
Das Wetter verschlechter sich - Kungsleden
Schon um halb 11 Uhr bin ich in Sälka angekommen. Eine so kurze Wanderung lässt sich noch nicht als Tag bezeichnen ! Es hat zwar inzwischen angefangen zu regnen und das Seitental, in das ich will, hängt voller Wolken. Doch ich will Weg vom Trubel des Kungsleden und einen „vollwertigen“ Tag draus machen. Ich vertilge eine Rolle Kekse aus dem Hüttenladen und steige dann die paar Höhenmeter ins Tal Richtung Nallo.
Blick von Sälka Richtung Nallo
Nallo fast erreicht
Ich folge einem Trampelpfad, der sich zwar immer wieder verliert. Doch das Laufen ist fast einfacher als auf dem Kungsleden. Auf dem Königspfad haben die vielen Wanderer und die Erosion die Erde abgetragen und die Steine freigelegt, die man nun überklettern oder überspringen muss. Hier im Seitental ist dagegen der Weg noch unverbraucht und viel ebener, wenn nicht gerade ein Bachbett überquert werden muss. Die Wolken verdecken zwar einen Großteil der Landschaft Die dramatisch steilen Berghänge schauen aber trotzdem rechts und links heraus, bis nach einer scharfen Kehre die Hütte im Tal unter mir auftaucht. Jetzt weiß ich auch, was ich getan habe, und zufrieden lasse ich mir in „meiner Hütte“ meine Fertignahrung aufquellen, trinke Tee und wechsele ein paar Worte mit der Hüttenwartin. Ansonsten bin ich allein hier.
„I don't trust the government“
Später stößt noch ein Niederländer dazu, der jedes Jahr im farbenfrohen Herbst zwei Monate in der Gegend verbringt. Auch er ist vom Kungsleden geflohen und erzählt mir nun von seinen Touren, die ihn später dieses Jahr noch auf den Padjelanta treiben werden, wo er in den Noträumen der Hütten übernachten will. Er war auch schon im Winter in Nordschweden, hat sein Wohnmobil bis minus 40 Grad kältetauglich gemacht. Leider darf er keine Spikes aufziehen, das ist in den Niederlanden verboten. Polizeiautos dürfen dagegen mit Spikes fahren. Seine Theorie: Die Polizei muss einen Vorteil gegenüber der Spikes-losen Bevölkerung haben. „I don't trust the government. Not any more“, beschließt der langjährige Naturfotograf und Tourguide den Abend.
Solche Hüttenbegegnungen sind es, die mir in Erinnerung bleiben und Spaß machen.
Die ganze Nacht über schüttet es. Dennoch stecke ich um 7 Uhr meine Füße in die Wanderschuhe. Je tiefer ich ins Tal absteige, desto schöner wird das Wetter. Der Wind pfeift durch die Paddelschäfte hinten am Rucksack, ich fühle mich wie in einem Yachthafen. Die Landschaft wird lieblicher, und die teils rote Tundra wechselt sich mit standhaft gebliebenen Blumen ab. Beim Blick zurück zeigt mir ein Regenbogen, dass es weiter oben weiterhin regnet.
Unten scheint die Sonne - oben regnet es noch
Lisa Stuga machts möglich
Um 10 Uhr bin ich in Vistas, und da war es wieder mein Problem: Was tun mit dem angebrochenen Tag ? Der Hüttenwart kann nicht viel sagen über den Fluss von hier bis Nikkaluokta. Ein Deutscher meint, bis auf eine Stromschnelle sehe der Bach paddelbar aus, aber ich würde die 40 km (mit den ganzen Flussschleifen) niemals an einem Tag schaffen. Weiter unten hat das Gewässer kaum noch Strömung. Unmöglich, das mit einem Gummiboot abzureißen, glaubt der Deutsche.
Aber der Stugvard hat eine Idee: Ca 10 km von Vistas liegt eine Hütte am Fluss, 1932 erbaut von einer Frau namens Lisa. Die Hütte sei offen, er weiß aber nicht, in welchem Zustand sie ist. Das klingt wie eine gute Idee. So kann ich heute noch etwas machen und muss nicht befürchten, dass der Fluss für einen Paddeltag zu lang ist. So blase ich nach dem zweiten Frühstück mein Gummiboot auf, ziehe den Trockenanzug an und steche unter staunenden Blicken in See.
Blick von Vistas zurück
Das hat vor Dir noch keiner gemacht, sagt der Stugvard zum Abschied. Ich hatte im Internet schon einen Bericht über einen Versuch gefunden. Doch mein armer Vorgänger war nicht weit gekommen. Schnell hatte er ein Paddel verloren und musste den Großteil der Strecke zu Fuß gehen. Auch ich muss Verluste hinnehmen. Mein Paddel behalte ich zwar stets unter Kontrolle. Doch die Wanderstöcke, die ich eigentlich am Rucksack festgebunden hatte, sind am Ende des Tages doch weg.... Wer sie findet, darf sie mir gerne zurückbringen.
Fotos auf dem Wasser gibt es keine – da musste ich paddeln
Wenig Wasser macht Fluss langsam
Der Fluss ist wunderschön, hat gerade noch genug Wasser. Mäßig rasch fließendes Wasser wechselt sich mit kleinen Stromschnellen ab, alle leicht zu fahren mit nur wenigen Steinhindernissen, und die auch meist überspült. Gefühlt komme ich schnell voran, doch die auf der Karte verzeichnete Brücke nach 5 Kilometern lässt lange auf sich warten. Für ein schnelles Vorankommen ist dann doch zu wenig Wasser im Bach. Bei der Brücke ist schnell klar, dass ich hier nicht weiterpaddeln kann. Wer sein Boot beherrscht, würde hier durchkommen, ich schätze das Wildwasser auf Klasse III bis IV. Doch ganz allein und mit nur wenig WW-Erfahrung steige ich lieber aus und laufe ca einen Kilometer den Wanderweg, bis aus dem Tal das Rauschen des Wassers leiser wird. Irgendwie schlage ich mich durch das Gestrüpp zurück zum Bach und kann hier auch wieder paddeln. Später kommt nochmals Wildwasser, aber diesmal muss ich nur wenige hundert Meter laufen.
So langsam spüre ich die Anstrengung des Tages. Mir wird etwas schwummrig. Ich kenne das, für ein bis zwei Stunden sollte aber noch Kraft da sein. Doch sollte ich die Lisa Stuga nicht finden, oder sollte die Hütte verfallen sein, würde es hart werden, ohne Zelt und Schlafsack mich bis Nikkaluokta durchschlagen zu müssen.
Endlich kommt die Flussbiegung, auf die ich gewartet habe. Ich halte Ausschau nach einer Hütte – nichts. Keine Chance, wenn die zu weit vom Ufer weg stehen sollte. Der Birkenwald würde sie verdecken. Etwas Sorge mache ich mir schon. Da ! Ist das ein Schornstein oder ein Baumstumpf ? Ich lande an und sehe nichts. Doch nach ein paar Metern in den Wald hinein steht sie da, die Lisa Stuga. Fast ein Wunder, dass ich sie gefunden habe.
Lisa Stuga
Die Tür geht auf, es ist schon jemand da: Bernd mit seiner elf- oder zwölfjährigen Tochter. Ja wir werden auch zu Dritt auf den gefühlt vier Quadratmetern hier Platz finden, meint er. Erleichtert stelle ich fest, dass auch Decken da sind, sogar eine verschimmelte Matratze. Ich kann also bleiben.
Ob die essbar sind ?
Eine Nacht auf dem Boden
Bernd ist auch so ein echter Nordland-Fan. Er erzählt von seinen Touren früher, auch mal sechs Wochen am Stück in der Wildnis Kanadas, die er jetzt eben in kleinerem Stil mit seiner Tochter fortsetzt.
Der Wanderweg ist auf der anderen Flussseite. Bernd hat sich beim Durchwaten des Flusses am Vortag die Füße verletzt, und seine Tochter ist wenig begeistert, am nächsten Tag nochmals das für sie wahrscheinlich bauchnabelhohe Wasser durchqueren zu müssen. Beide haben keine Waatschuhe. So sind sie froh, als ich anbiete, dass sie morgen mein Packraft zum Übersetzen haben können.
Doch erstmal genießen wir das schöne Wetter. Hier unten im Tral scheint die Sonne, während weiter oben immer noch dunkle Wolken hängen. Ich trockne meine Sachen und genieße es, in der Wildnis zu sein und nette Leute um mich zu haben. Wir begutachten die Hütte und beschließen, wegen des Schimmels im Stockbett und den dort aus der Wand wachsenden Pilzen auf dem Boden zu schlafen. Abends gibt es ein Pilzmahl. Nein, nicht den Holzschwamm, hier wachsen Birkenpilze überall. Wir spielen Spiele, bis die Dämmerung einsetzt.
Das Lager auf dem Boden ist akzeptabel. Ich ziehe alles an, was ich habe, und so schaffe ich es 5 bis 6 Stunden Schlaf zu bekommen. Bernd muss nachts raus. Er hustet und würgt. Abends hat er mir sein Leid geplagt, andauernde Thrombosen, auch aktuell fürchtet er eine und wippt immer wieder mit dem Bein. Da ich so eine Thrombose auch schon hinter mir habe, mache ich mir jetzt Sorgen, dass Bernd als Folge der Thrombose eine Lungenembolie hat, akute Lebengefahr weit weg von allem. Doch er beruhigt mich, er meint, er hat sich nur den Magen durch das zu gute Essen verdorben, und so war es dann wohl auch.
Paddeln statt Waaten
Der Morgen ist verregnet. Der Plan für die Flussüberquerung ist, dass Bernd erst seinen Rucksack auf die andere Flussseite paddelt, dann seine Tochter holt. Wir befestigen die in der Hütte gefundene Angelschnur am Packraft, so dass ich es mir nach der Aktion mit der Angel zurückholen kann, denn Bernd muss ja auf der anderen Flussseite bleiben. Alles klappt reibungslos. Ich bringe die Angel zurück, schwinge mich dann selbst in mein Gummiboot, verabschiede mich noch von den beiden, und der zweite Paddeltag kann beginnen.
Vor der Flussüberquerung
Der Fluss wird ruhiger
Der Fluss hat jetzt definitiv ausreichend Wasser, ich mache Strecke. Alles ist auch für einen geübten Anfänger fahrbar, und nach 1 Stunde beginnt der Fluss langsamer zu fließen. Elche am Ufer erschrecken sich über mein gelbes USO im Fluss, Gänse fliegen knapp über mir. Die Landschaft wird zu einem Stillleben, ich lasse den Expressionismus des Oberlaufs hinter mir. Entgegen meinen Befürchtungen ist immer etwas Strömung im Fluss, so dass ich weiter gut vorankomme. Nur die riesigen, määndernden Flussschleifen verlängern die Strecke.
Stille statt Rauschen
Doch nach drei Stunden verliere ich die Lust. Meine Blase ist kalt, ich muss andauernd zum Pieseln ans Ufer. Die Füße mit den Neoprensocken sind ebenfalls kalt, und mein Thrombose-geschädigtes Bein puckert und pocht und schreit nach Bewegung bzw Durchblutung. Also lande ich an und laufe die letzten 5 Kilometer nach Nikkaluokta zu Fuß. Das tut zum Abschluss gut, auch wenn es per Raft wahrscheinlich schneller und weniger anstrengend gewesen wäre.
Kurz vor Nikkaluokta
In Nikkaluokta wartet eine heiße Dusche auf mich. Ich bin zufrieden. In vier Tagen habe ich viele Leben gelebt, vom dekadenten Touri bis zum gemäßigten Abenteurer, habe nette Leute kennengelernt und Landschaften von schroff bis sanft durchwandert und durchfahren.
Auch wenn ich mich manchmal schon alt fühle, ich muss nur loslegen, dann geht noch was.
PS: Falls jetzt jemand Lust auf den Vistasvagge bekommen haben sollte, hier nochmal zusammengefasst: Der Wildfluss hat im Sommer/Herbst wahrscheinlich immer genug Wasser. Könner werden wahrscheinlich nach Besichtigung auch die zwei Schnellen fahren. Alle anderen müssen ab kurz vor der (einzigen) Hängebrücke ca 1 km und einige km später nochmals auf wenigen hundert Metern umtragen (links, da ist der Wanderweg). Reine Paddelzeit sind ca 6 Stunden. Insgesamt hat der Fluss auf den 40 km ein Gefälle von 130 Metern, der Großteil davon auf den ersten 20 Kilometern.
Man kann natürlich darüber streiten, ob für 6 Stunden Paddeln 3 Tage Wandern vertretbar sind. Ich finde aber, der Weg ist das Ziel, insbesondere das Tal von Nallo nach Vistas ist wunderschön.
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