[NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

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  • Antracis
    Fuchs
    • 29.05.2010
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    [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Land: Norwegen

    Reisezeit: Zweite Julihälfte 2015

    Region/Kontinent: Skandinavien - Nordeuropa




    „Det gjemte landet“ - Lomsdal-Visten 2015




    Prolog

    Meine Frau ist mal wieder an allem Schuld. In einer Phase akuten Fjellwehs wurden alle Nationalparks in Norwegen in einer einzigen Nacht besucht - das Internet machts möglich. Hängen blieb Sie, und ich dann auch, an Lomsdal-Visten. Der Junior unter den norwegischen Nationalparks, der erst 2009 das Licht der Welt erblickte, wusste auf Bildern durch abwechslungsreiche Landschaft und vermutete Einsamkeit zu begeistern, ist er doch durch den DNT noch nicht erschlossen und entbehrt deshalb markierter Wege und dem üblichen dichten Hüttennetz.

    Die notwendigen Recherchen für die Tour gestalteten sich verheißungsvoll schwierig, über das Gebiet ist selbst bei wanderbegeisterten Locals in Nordland meist wenig Wissen vorhanden, am ehesten noch bei passionierten Anglern und Jägern. In deutscher Sprache fand sich nur ein einziger, nicht sehr aussagekräftiger, Tourreport im Netz. Einen großen Schritt weiter brachten uns die norwegischen Reiseberichte von Martin Koksrud Bekkelund und seiner Frau Anne Siri die, mit Google translator übersetzt, erste Routenentwürfe möglich machten. Ein Mailaustausch mit Martin ergab weitere wertvolle Hinweise und auch den Verweis auf das wundervoll illustrierte Buch "Lomsdal-Visten - Det Gjemte Landets villmark" von Marius Nergård Pettersen, leider aber auch nur in norwegisch erhältlich. Dafür war die Homepage von Marius voll von leicht übersetzbaren nützlichen Infos. Otto Støver vermittelte den hilfreichen Kontakt zu Wissenden im Fjellforum.no und den Feinschliff lieferte der Austausch mit dem Ranger des Nationalparks Carl Norberg, der uns neben Hinweisen auf Pfade, wenige Brücken und offene Hütten auch noch mit wohlmeinenden Warnungen vor den oft unglaublich schnell anschwellenden und dann unpassierbaren, Flüssen im Park selbst versorgte. An dieser Stelle nochmals Tusen Takk an alle Beteiligten!

    Die Kartenbeschaffung machte ebenfalls etwas Mühe, weil aufgrund der Neuauflage nicht alle Blätter von Statens kartverket verfügbar waren, letztlich fand sich aber noch eine brauchbare 1:50.000-Karte von Norge-Serien.

    Wir hatten 11 Tage und planten aufgrund der Einsamkeit und des zu erwartenden schwierigen Geländes eine zeitlich großzügige Route, die größtenteils in den vergleichsweise häufig begangenen Teilen des Parks verlaufen sollte. Nur gegen Ende sollte die Route ins Hochfjell und in anspruchsvoller Höhenlage über den Visttindan-Pass führen. Angesichts des ungewöhnlich harten Winters und späten Sommeranfangs beschlichen uns zwar im Vorfeld der Reise zunehmend Zweifel an der Realisierbarkeit aufgrund der Schneelage, aber wir starteten letztlich optimistisch gen Norge. Der Aufregungsgrad in der letzten Woche vor Tourstart wäre allerdings eher einer geplanten Mount-Everest-Besteigung in Badehose angemessen gewesen - aber wir stehen dazu.


    Packtag

    Morgen ist es also soweit. Die Vorfreude ist fast so groß, wie der Berg an Arbeit, der mal wieder vor der Abreise zu erledigen ist. Aufgrund der relativen Abgeschiedenheit der Gegend haben wir uns noch ein neues GPS gegönnt, weil wir mit dem Dakota 20 und seinem Touchscreen nie warm geworden sind. Das neue ist super mit Handschuhen bedienbar, aber die letzten Routen wollen noch gebastelt sein. Die Wettervorhersage verheißt viel Wasser aber wenig Gutes, insofern packen wir noch einiges an Essensgoodies ein, um für die Abwettertage gewappnet zu sein. Essen für 12 Tage wiegt halt einiges und auf dieser Tour kommt einiges dazu. Viele Kameraakkus und ein Stativ, weil ich auch filmen will und ich traue auch dem Garminhandbuch nicht über dem Weg, demnach das GPS bis zu 16 Stunden Batteriedauer hat. (Stimmte aber, mit dem Akkuvorrat wären wir locker zum Nordkap gekommen. ).

    Mit zunehmender Erfahrung geht das Packen irgendwie bei uns nicht schneller, aber immerhin immer stressfreier. Am Ende stehen 23 Kg für mich und 18 Kg für Anke auf der Packliste. Das können wir gut tragen, ist aber bisher unser schwerstes Tourgepäck. Wieder mal sind wir erst gegen 2:00 Uhr im Bett, der Wecker geht um 5:00 Uhr. Passt.


    Anreisetag Berlin - Trondheim - Mosjøen

    Da es noch fast mitten in der Nacht ist, gönnen wir uns ein Taxi zum Flughafen Berlin-Schönefeld, wo wir uns mit einem Frühstück für 20 Tacken schon mal auf die norwegischen Preise einstimmen.


    Noch sind sie sauber...

    Nachdem der Flieger bestimmt eine endlose Viertelstunde an unseren, im BER-Flughafen brachliegenden, Steuergeldern vorbeigetuckelt ist, verläuft der weitere Flug unauffällig. Bordservice bei Norwegian ist typisch norwegisch: Es gibt zwar gratis nicht mal trockenes Brot, aber free WiFi in 9km Flughöhe.

    Von Trondheim geht's mit einer Turboprop-Maschine von Widerøe weiter, unser Gepäck hat es immerhin bis hierher geschafft.


    Norwegisch für Einsteiger

    Da auf der Bahnstrecke Trondheim-Bodø gebaut wurde, sind wir kurzentschlossen auf den recht günstigen Flug ausgewichen. Mit mehr Fluglärm als gewohnt bringt uns das Vehikel nach Mosjøen. Staunend beobachten wir den doch noch reichlich vorhandenen Schnee in den Bergen.




    Weiter gehts mit dem Taxi zum Hotel. Die Kommunikation läuft nordlandstypisch. Wozu viele Worte machen, wenn auch zwei reichen. Wir haben noch den halben Tag Zeit und Mosjøen kann uns mit seinen vielen kleinen Cafés und aufgehängter Wäsche begeistern.







    Zudem haben wir an der zweiten Tankstelle Glück (Es ist Sonntag und die Geschäfte haben geschlossen) und können Gaskartuschen kaufen und deshalb morgen schon mit dem frühen Bus zu unserem Ausgangsort fahren. Später essen wir noch im Hotel, ein einfaches Abendessen ist im gewohnt saftigen Preis enthalten und entschädigt für das nicht funktionierende Free Wifi. Es dämmert erst gegen 23:00 Uhr und wat sind wir uffjeregt.
    Zuletzt geändert von Antracis; 13.08.2017, 17:05.

  • r5027
    Anfänger im Forum
    • 07.07.2015
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    #2
    AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

    Schön das es in Norwegen doch noch Gegenden gibt die bislang kaum besucht worden sind. Freue mich auf die Forstsetzung, der Anfang ist gut geschrieben mit vielen Infos und auch die Bilder machen Lust auf mehr. Ich bin in 2 Wochen im Süden von Jotunheimen unterwegs und möchte die nächsten Jahre weiter oben im Norden wandern. Da kommt dein Bericht genau richtig.

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    • Antracis
      Fuchs
      • 29.05.2010
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      #3
      AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

      Tag 1: Mosjøen - Tosbotn - Øvre Breivatnet

      Ein letztes Mal warm Duschen, ein letzter Blick auf die deprimierende Wettervorhersage, aber wir tragen die Sonne ja im Herzen. Ein ordentliches Frühstück später warten wir am Bahnhof auf den Bus nach Tosbotn, der uns pünktlich die Gelegenheit gibt, aus ca. 80 freien Sitzplätzen dass auszuwählen, was die drei anderen Insassen übrig gelassen haben. Nachdem wir mit dem freundlichen Busfahrer die üblichen zwei Worte und ein paar Kronen gewechselt haben, geht es los. Knapp 2 Stunden fahren wir, die letzten 5km durch den dunklen Tosentunnel. Ca. 4km Straße zu laufen sparen wir ein, weil uns in Tosbotn noch ein anderer Busfahrer gratis bis Borkamoen mitnimmt. Schließlich stehen wir, bei bedecktem Himmel aber gehobener Stimmung, am Tosenfjord, dem Start unserer Route.



      Für unsere erste Etappe wurde uns in Erzählungen einiges an Plackerei in Aussicht gestellt, die pure Höhenmeteranzahl schreckte uns aber trotz schweren Gepäcks erstmal nicht. Insofern starten wir sehr optimistisch und erwarten einen eher beschaulichen ersten Tag. Naja, ich sach mal vorab: Irren ist menschlich.

      Zunächst bringt uns ein gut ausgefahrener Feldweg in angenehmer Steigung voran.



      Wir machen ordentlich Höhenmeter und genießen die schöner werdende Landschaft und kommen in den Genuss des Anblicks des einen oder anderen reißenden Bächleins, die sich ihren Weg durch den Wald bahnen. Dieser bietet leider auch den Mücken reichlich Windschutz, so dass wir bereits in der ersten Pause auf unsere Bugshirts zurückgreifen müssen. Die haben wir seit 4 Jahren, damals aufgrund des positiven Berichtes hier im Forum gekauft. Dieser effektivste Mückenschutz, handgefertigt von kanadischen Nerds, war uns diesmal von größtem Nutzen und hat den einen oder anderen Liter Blut eingespart.

      Wir ackern weiter die Steigung hoch, aus dem Feldweg wird eine Art Modderpiste. Der fruchtbare Boden, in dem wir ab sofort schmatzend versinken, würde jedem Hobbygärtner Freudentränen in die Augen treiben. Modell frisch gewässertes Blumenbeet - nichts schmatzt besser und schreit: Give me more Trailrunners, please!



      Parallel neben der Piste läuft jetzt stellenweise ein Pfad, oft gehen beide auch ineinander über. Irgendwann driften dann Pfad und GPS-Track auseinander. Garmin und Pfad auf der Karte wollen geradewegs hoch über den bewaldeten Bergkamm, der Schlammpfad will mehr nach Osten, das Steilgelände umgehen. Wir geben Garmin und der vermeintlich kürzeren Variante eine Chance und folgen dem, was vor 30 Jahren mal ein Pfad gewesen sein könnte - nur um uns in heiklem, farnüberwucherten verblocktem Steilgelände wiederzufinden. Eine Spezialität dieser Gegend mit ihrem mild-feuchtem Klima, die wir noch hassen lernen werden. Man sieht nicht wo man hintritt und bei jedem Schritt droht der Verlust mindestens eines Sprunggelenkes. Da sich in der Packliste weder Machete noch Flammenwerfer finden, humpeln wir fluchend, unter viel Zeitverlust wieder zurück zum Pfad. Hat sich das Erstellen des GPS-Tracks doch gelohnt.

      Immerhin erreichen wir nun ein Felsplateau mit toller Aussicht bis zurück zum Tosenfjord, und lassen uns von spärlich gesetzten Steinmännchen weiter voran lotsen.



      Da wir im Folgenden keinen Pfad mehr finden, steigen wir weglos hinunter ins Tal und bekommen eindrücklich vorgeführt, was das weglose Wandern in Lomsdal-Visten so schwierig macht: Die Kombination von für Nordnorwegen recht üppiger, sichtraubender Vegetation, viel Blockwerk und vielen Felsplatten und Steilabbrüchen, die einen immer mal wieder zum Richtungswechsel zwingen, wenn man glaubt, jetzt endlich ein Durchkommen gefunden zu haben. Und immer da, wo nix zu sein scheint, ist Sumpf. Das Ganze ist ziemlich kraft- und zeitraubend. Anke räumt dabei mal eben mit dem Hintern einige Meter Steilhang ab, wird aber glücklicherweise (sanft ) von einer Fichte gebremst. Unten angekommen machen wir am unteren Bjørnstokkvatnan erstmal Pause.



      Die Landschaft ist schön, aber sehr boggy. Selten haben wir einen Pfad, ab und an Steinplatten, meist Sumpf. Die Werftgarantie der Stiefel wird derweil deutlich überschritten.



      Am oberen Bjørnstokkvatnan rätseln wir mal wieder über den Pfad, der laut Karte über den Steilhang verläuft, während der gesunde Outdoorverstand einen unten am Ufer entlangführen möchte. Ein Norweger, der am See zeltet und für lange Zeit der letzte Mensch sein wird, den wir treffen bestätigt was wir mittlerweile selbst festgestellt haben: Dass der Pfad in der Karte oft „rubbish“ ist und man seinen eigenen Weg aus vorhandenen Pfaden und Intuition gehen muss.

      Mühsam geht’s also nah am Wasser entlang, sprichwörtlich über Stock und Stein.



      Wieder Kraft- und zeitraubend, aber glücklicherweise ist es trocken und das Blockwerk mit den Flechten drauf nicht rutschig. In strömendem Regen, wenn das alles nass ist, möchte ich nicht hier lang krabbeln müssen. ( Keine Angst, kommt alles später noch ).

      Mittlerweile sind wir schon ziemlich platt, haben aber erst knapp die Hälfte der geplanten Strecke geschafft. Immer weiter wuchten wir uns ein breites Trogtal hinauf, Furtstellen gibts als Gratisdreingabe der Natur.


      Es zieht sich...


      ...und zieht sich...

      Über die letzten Höhenmeter, die unter anderem auch durch einen schneegefüllten Canyon führen, helfen Steinmännchen. Dann endlich können wir das Hochplateau mit Øvre und Midtre Breivatnet bewundern, ein gigantisches Panorama das sich da plötzlich hinter der letzten Kuppe eröffnert.






      Nun nicht gerade mit letzter Kraft, aber deutlich außerhalb der Komfortzone, nehmen wir den steilen Abstieg, der teilweise auch noch über Schneefelder führen muss, in Angriff und finden schließlich am Verbindungsfluss der beiden Seen einen schönen Zeltplatz. Wir sind wirklich vollkommen platt. Ich steckte vor Tourstart gerade in einer Marathonvorbereitung auf eine durchaus ambitionierte Zeit und war wirklich gut ausdauertrainiert, aber so eine Ochsentour durch schwieriges Gelände ist halt doch etwas Besonderes, speziell am ersten Tag. Das Umziehen im Zelt wird deshalb bei uns beiden von Beinkrämpfen ziemlich erschwert, was sicher komisch ausgesehen hätte, wenn es jemand hätte sehen können. Nach dem Waschen, einigen getrockeneten Mangoröllchen (Absolute Schmackofatzempfehlung!) sowie unserer Standardabendbrot-Kombi aus süßem Moment und Real Turmat geht es uns aber schon deutlich besser. Zähneputzen fällt trotzdem aus und wir in komatösen Schlaf. Es ist fast halb Zwölf, aber noch taghell.

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      • Antracis
        Fuchs
        • 29.05.2010
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        #4
        AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

        Tag 2: Øvre Breivatnet - Tettinghytta

        Körperliche Erschöpfung und absolute Windstille sorgen für das erste, neunstündige Durchschlafen im Zelt in meiner Trekkingkarriere, Anke gehts genauso. Nach ziemlich frischer Nacht (Tiefstwert 6 Grad), weckt uns dann aber freudig die Sonne und wir genießen unser Frühstück mit herrlicher Aussicht auf die beiden Seen. Nicht zum ersten Mal zeltet hier jemand, sogar ein Tisch nebst Stühlen ist aus Felsen improvisiert.



        Wir genießen die Sonne und trödeln ziemlich herum, genießen die immer noch frühlingshaft anmutende Natur.



        Erst gegen 14:00 Uhr kommen wir los. Zunächst müssen wir den Abfluss vom Øvre in den Midtre Breivatnet furten, was eher lästig als anspruchsvoll ist.





        Dann lotsen uns vereinzelte Steinmännchen über die wunderschöne, felsübersäte Hochebene zwischen den beiden Seen.





        Die Sonne brennt uns aufs Haupt und das Gelände wird wieder zunehmend anspruchsvoller. Viele „kleine“ Höhenmeter sind zu überwinden, bis wir mit herrlichem Ausblick auf den Breivasstinden und Lauvvasstinden Rast machen können. Auch die Weite der Landschaft weiß hier zu beeindrucken.



        Von hier können wir sogar das Visttindan-Massiv sehen und leider auch, dass dort noch viel Schnee auf dem Pass liegt, wo wir eigentlich in ein paar Tagen rüber wollen.



        Wir steigen dann zunächst zeitraubend ab zum Øvre Lappskardvatnet, wobei wir etliche Schneefelder queren müssen. Der See liegt windgeschützt in einer Senke, so dass wir mückengeplagt in die Bugshirts wechseln. Wir tragen sie direkt auf der Haut ohne T-Shirt drunter, trotzdem kochen wir schier in unserem eignen Saft. Der Aufstieg zum Lappskardet, unserem heutigen Pass, ist kurz aber steil und durch die übliche Vegetation erschwert. Oben angekommen lotsen uns Steinmännchen über den Pass, hier verlassen wir auch geplant zunächst den Nationalpark und genießen die Aussicht ins Titingsdalen in der schon tiefstehenden Sonne.





        So schön das Wetter derzeit auch ist, machen zunehmend aufziehende Cirruswolken einen Wetterwechsel für morgen wahrscheinlich. Zunächst aber konzentrieren wir uns auf den weglosen Abstieg ins Titingsdalen, der uns der letzten Illusion beraubt, dass es heute doch vielleicht eher beschaulich zugehen könnte. Wir peilen kleine Seen als Orientierungspunkte an, müssen aber immer wieder in Steillagen dichtes Gestrüpp umgehen oder auch mitten hindurch, um steile Felsplatten zu vermeiden. Weiter unten treffen wir aber tatsächlich auf einen Pfad. Die Freude währt nur kurz, weil sich dieser schon nach wenigen Metern wieder in dichtem Gestrüpp verliert. Was folgt, ist echt kein Zuckerschlecken, wobei wir diesen mittlerweile eigentlich bitter nötig haben.

        Selten auf Pfaden, meist durch dichte Vegetation, schlagen wir uns GPS-geleitet in Richtung des Wegpunktes der Hütte. Rückblickend würde ich heute noch näher am Fluss nach einem Trampelpfad suchen, aber dieser Teil ist wirklich selten begangen, so dass man nicht mit gut ausgetretenen Pfaden rechnen darf. Später folgen wir einer Telegraphenleitung durch Sumpfgebiet, die Hitze gibt uns den Rest. Wir sind wieder vollkommen platt.

        Als Garmin letztlich das Erreichen der Hütte verkündet, stehen wir lediglich an der Furt eines Zuflusses der Titingsdalselva. Na toll.

        Ringsrum ist keine Hytta zu sehen. Wenn man total abgekämpft und hoffnungsvoll die letzte Steigung genommen hat, ist das nicht gerade lustig (Keine Ahnung, woran es gelegen hat. Kartendatum hatte ich gecheckt, GPS-Genauigkeit war sehr gut). Anke findet aber dann einen Pfad in den Wald und tatsächlich, 200m später stehen wir vor der Tettinghytta.



        Rund um die Hütte hat sich üppige Vegetation breit gemacht.



        Die Hütte ist selten besucht, folglich fühlt sich die eine oder andere Maus heimisch. Nach grober Reinigungsarbeit und dem Entdecken vieler nagelneuer Feldbetten, die auf dem Dachboden hängen, geht es uns wieder besser. Beim Wasserholen staune ich über den niedrigen Wasserstand der Titingsdalselva, ich muss gut 10 bis 15 Meter ins trockengelegte Flussbett hinein, um Wasser zu bekommen. Es ist so warm, dass wir die Hütte gar nicht einheizen. Erstmal ausiegiebig zu abend essen, mittlerweile ist es schon nach Zehn, aber noch lange nicht dunkel.



        Nachdem wir mit einigen Schlücken 16jährigen Juras die letzten Kaloriendefizite beseitigt habe, verstauen wir die Ausrüstung so mäusesicher wie möglich und bauen uns in der Küche zwei Feldbetten auf. Als uns wieder mal komatöser Schlaf einhüllt, ist es fast 1 Uhr. Nur ab und zu hören wir etwas, was eine Maus gewesen sein könnte.
        Zuletzt geändert von Antracis; 25.08.2015, 14:21.

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        • November
          Freak

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          • 17.11.2006
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          #5
          AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

          Zitat von Antracis Beitrag anzeigen
          Hattet ihr keine Gamaschen dabei? Obwohl, hätte wahrscheinlich auch nicht mehr viel geholfen.

          Ist sehr unterhaltsam geschrieben.
          ich bezweifele auch, dass ich solche Anstrengungen noch meistern würde. Das Gelände scheint ja echt heftig zu sein.
          Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.

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          • Rainer Duesmann
            Fuchs
            • 31.12.2005
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            #6
            AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

            Klasse!
            radioRAW - Der gesellige Fotopodcast

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            • Antracis
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              • 29.05.2010
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              #7
              AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

              Zitat von november Beitrag anzeigen
              Hattet ihr keine Gamaschen dabei? Obwohl, hätte wahrscheinlich auch nicht mehr viel geholfen.

              Ist sehr unterhaltsam geschrieben.
              ich bezweifele auch, dass ich solche Anstrengungen noch meistern würde. Das Gelände scheint ja echt heftig zu sein.
              Danke. Aber wie heisst es so schön: Man macht im Alter mit Erfahrung wett, was einem an Kondi fehlt ? Ernsthaft, wir haben uns anfangs nicht gerade clever angestellt, immer mal wieder vom Trackverlauf laut Karte/GPS irritieren lassen. Als wir dann im Zweifel immer unser Intuition oder klar sichtbaren Spuren gefolgt sind, lief es merklich besser.

              Gamaschen waren eigentlich nicht notwendig, oft war zwar Einsinken über die Knöchel Standard, aber das haben die Lundhags mitgemacht. Aber einige wenige Stellen waren tiefer - und die habe ich zielsicher gefunden.

              Und ja, das Gelände ist schwer. Der Teufel steckt im Detail und manches war auch wirklich hart oder haarig. Die vielen kleinen Höhenmeter, die Mischung aus dichter Vegetation, steilen Steinplatten, Sumpf und Blockgelände, das schlaucht halt mit schwerem Gepäck. Andererseits taugte es selten zum Heldenepos. Also alles schaffbar auch von ambitionierten Blümchenoutdoorern wie uns.

              Ich mache die Tage mal weiter - es gibt auch einen Film.

              @Rainer: Danke!

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              • Horst24
                Erfahren
                • 01.02.2012
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                #8
                AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                Hallo,
                ein sehr schöner Bericht. Ich finds immer toll, auf mir bisher unbekannte Regionen hingewiesen zu werden. Ich hab erstmal recherchieren müssen, wo die Region denn genau liegt.

                Das inspiriert immer so schön…….
                Danke!

                Horst

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                • Alpentrekker
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                  • 22.07.2013
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                  #9
                  AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                  Das sieht doch mal wieder interessant aus, was es da alles noch an Gegenden allein in Skandinavien gibt wo man noch über all hin könnte. Und von denen man vorher noch nichts gehört hat wie vorher auch schon geschrieben sind die Strapazen sehr komödiantisch beschrieben. Auf jeden fall sehr amüsant zu lesen. Ich freue mich wenn es weiter geht.
                  - Walk, Walk, Walk ... -
                  https://reiseelefanten.wordpress.com/

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                  • Antracis
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                    • 29.05.2010
                    • 1280
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                    #10
                    AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                    Danke für die positiven Rückmeldungen, das motiviert ungemein zum Weiterschreiben. Also los.

                    Tag 3: Tettinghytta - Strompdalshytta

                    Auf den Feldbetten schläft es sich gut, die Mäuse stören die Nachtruhe nicht und knabbern auch nicht unser Zelt an. Wir frühstücken erst um neun. Da wir mit dem Tagebuchschreiben im Rückstand sind, gibts aber noch eine zweite Tasse Tee, bevor wir starten. Zunächst haben wir einen gut ausgetretenen Pfad, der sich aber bald wieder verliert.



                    Unerwartet stoßen wir auf ein total verrostetes Kettenfahrzeug, recht rätselhaft, wie es hier herkommt. Vermutlich aus Bauarbeiten in den letzten Jahrzehnten, aber wofür ?



                    Bei bedecktem und schwülem, d.h. mückenfreundlichem, Wetter stapfen wir weiter zunächst durch üppig-feuchte Vegetation



                    Später durch grandiose Landschaften entlang des Flusses, begleitet vom Rauschen der Titingsdalselva und dem Surren des einen oder anderen Blutsaugergeschwaders.





                    Von Weitem hören wir bereits das Donnern des Titingsforsen, mit knapp 75 Metern der höchste Wasserfall in Lomsdal-Visten, trotz der insgesamt niedrigen Wasserstände ein beeindruckendes Naturschauspiel.



                    Vor dem folgenden Abstieg hatte ich in der Planung etwas Bammel. Martin Bekkelund hatte nicht immer einen Pfad auf dieser Strecke finden können und wo ein Wasserfall tief ins Tal stürzt, ist natürlich auch ein steiler Einschnitt zu erwarten. Letztlich war aber alles gut machbar. Zwar verliert sich der Pfad im Steilgelände des öfteren ( Zumindest haben wir ihn verloren ), aber wir orientieren uns ausreichend von der Schlucht entfernt, müssen nur einmal einen größeren Umweg klettern, als wir in absturzgefährdetes Gelände zu geraten drohen. Im flacheren Teil findet sich dann auch wieder ein gut ausgetretener Pfad. Das Klima ist eher tropisch, die Suppe läuft in Strömen.



                    Nun folgt ein kleiner Umweg nach Norden, weil wir die kleine Halbinsel Børiøyra besuchen wollen, die am Storbørja-Fjord gelegen ist. Hier finden sich einige Ferienhäuser, eine Möglichkeit des Zivilisationskontaktes in Lomsdal Visten. Wir passieren eine kleine Brücke und, einige Auf- und Abs später, stehen wir in Sichtweite eines Ferienhauses. Menschliche Präsenz nehmen wir aber nicht wahr, außerdem setzt just in diesem Augenblick ein starker Regen ein, weshalb wir Rast unter dem Schutz einer großen Fichte machen. Dort ist es aber ziemlich trocken und gemütlich.

                    Der anhaltende Dauerregen verhindert leider auch das Foto eines "Real-Turmat"-Automaten. Tatsächlich hat hier jemand einen Holz-Glaskasten aufgestellt, in dem einige Tüten Trekkingfutter von Real Turmat stehen, die man auf Vertrauensbasis gegen Geldeinwurf erwerben kann. Super Idee! Sozusagen das Pendant zum Kondomautomaten im Grosstadtklo.

                    Der Regen wird stärker und uns lockt die Hütte. Wir scheinen uns nun auf der Wanderautobahn von Lomsdal-Visten zu befinden, denn erstmals haben wir einen wirklich gut ausgetretenen Pfad, stellenweise sogar Holzbohlen über sumpfige Flächen, ist doch längst Versinken bis über den Knöchel unser Wander-Standard geworden. Teilweise doch sehr steil und, wegen der Nässe nicht immer einfach, führt uns der Pfad durch wunderbare Waldlandschaft mit üppiger Vegetation. Die Schwüle setzt uns aber doch zu. Als wir schon glauben, fast da zu sein, müssen wir nochmal steil einen Anstieg hinauf, dann erreichen wir die Lichtung mit der Strompdalshytta.



                    Die Nationalpark-Hütte ist sehr gemütlich, quasi DNT-Standard und wir heizen erstmal tüchtig ein und verbringen einen wunderbar gemütlichen Abend in der Hütte, wobei wir auch endlich mal unsere Sachen waschen können. Zunächst finden wir für 2015 nur 3 Hüttenbucheinträge, später stellt sich aber heraus, dass es mehrere Hüttenbücher gibt. Dennoch kein überlaufener Ort, angesichts der nahen Lage zum Fjord und des guten Pfades aber vermutlich einer der meistbesuchten Orte in Lomsdal-Visten.





                    Auf einer alten Tafel lesen wir, dass Strompdalen 1953 den Niederschlagsrekord für ganz Norwegen hatte, weiterhin ist Einschüchterndes über die Wasserstände und Pegelschwankungen in den Flüssen zu lesen. Teilweise Schwankungen von bis zu 3 Metern an einem Tag.



                    Wir genießen noch lange das Feuer und hören dem Regen zu, der sich draußen beständig ergießt. Irgendwann werden aber auch wir Müde und hauen uns in die Kojen.
                    Zuletzt geändert von Antracis; 29.08.2015, 22:41.

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                    • Antracis
                      Fuchs
                      • 29.05.2010
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                      AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                      Tag 4: Strompdalshytta - Lomsdalselva

                      Ich wache früh in der Hütte auf, so um 5:00 Uhr, und bin aus irgendeinem Grund putzmunter. Naja, es ist ja auch schon seit 3 Stunden hell. Anke schläft noch tief und fest, insofern heize ich erstmal den Ofen ein und erledige die üblichen Morgenarbeiten. Irgendwann schunkeln wir zu Bob Marley aus dem Radio durch die Hytta. Wir haben echt gute Laune und tun uns schwer, diesen schönen Ort zu verlassen.

                      Es muss aber sein und so wandern wir bei schwülwarmem Wetter, teils mit leichtem Niesel auf gut ausgetretenen, aber oft steilem Pfad. Schon von Weitem donnert der Breivasforsen. Als wir Ihn schließlich erreichen, ist er ein toller Anblick. Die breiteste Dusche in Lomsdal-Visten.



                      Anke hatte sich schon beim Studium anderer Reiseberichte auf diese Brücke gefreut, wurden doch am Seitengeländer nur die nötigsten Drahtseile eingezogen. Beim Überqueren wird auch klar warum: Man wollte schlicht den Breivasforsen nicht daran hindern, die Überquerenden mit reichlich Gischt einzuhüllen.



                      Wenig später stehen wir dann erstmals am Ufer der Lomsdalselva. Beim Anblick kommen einem unwillkürlich einige Takte aus Smetanas Moldau ins Ohr und schaffen es fast, kurz vom Summen der uns umschwirrenden Blutsauger abzulenken.





                      Der folgende Abschnitt führt uns hoch über der Lomsdalselva durch recht steiles Blockgelände, dazwischen ist immer mal wieder ein Pfad zu verfolgen. Einmal versteigen wir uns und landen in einem der zahlreichen Steilabbrüche. Nach kurzer Expedition ohne Rucksäcke ist aber der Pfad wieder gefunden und es kann weitergehen. Wir schwitzen in unseren vollsynthetischen Bugshirts und stinken mittlerweile dermaßen, dass uns wohl nur noch von Aasfressern Gefahr droht.



                      Allmähnlich gewinnen wir an Höhe und die Ausblicke werden immer grandioser:



                      Auf einem Felsplateau machen wir Rast. Wir sind offensichtlich auf der Wanderautobahn im Lomsdalen unterwegs. Verhältnismäßig viele Steinmännchen weisen den Weg über ein unwirkliches Hochplateau, ganz eigen in seiner Erscheinung mit Krüppelkiefern, vielen Wasserlöchern und Steinplatten.





                      Auf diesem unerwartet guten Untergrund kommen wir gut voran und entschließen uns letztlich, an einer schönen Stelle an der Lomsdalselva zu zelten, direkt auf wildem Wacholder. Beim Waschen ist mir der Fluss, selbst für norwegische Verhältnisse, als sehr kalt in Erinnerung.



                      Es wird ein schöner Abend. Der Fluss strömt kraftvoll, wir futtern leckeren Schinkenspeck und genießen die Luft und sogar hin und wieder ein paar Sonnenstrahlen. Später hören wir dem leichten Niesel auf dem Zelt zu - und schlafen ein. Als wir aufwachen, ist es tatsächlich stockdunkel und kurz vor ein Uhr. Abendessen fällt aus, wir knabbern nur ein paar Nüsse und spülen mit dem Wasser des Lebens nach. Entspannt pennen wir ein, als es anfängt, hell zu werden.
                      Zuletzt geändert von Antracis; 29.08.2015, 21:38.

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                      • Antracis
                        Fuchs
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                        #12
                        AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                        Der Tragödie erster Teil jetzt auch in bewegten HD-Bildern

                        Lomsdal-Visten 2015 HD Video Part 1
                        Zuletzt geändert von Antracis; 30.08.2015, 19:46.

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                        • losgelaufen
                          Anfänger im Forum
                          • 08.08.2015
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                          #13
                          AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                          Echt klasse geschriebener Bericht und tolle Bilder. Freu mich schon auf mehr.

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                          • Sena
                            Neu im Forum
                            • 03.11.2014
                            • 7
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                            #14
                            AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                            Ein toller Reisebericht! Und ein tolles Video, das neben den Bildern und den Texten die Atmosphäre nochmal richtig gut rüberbringt. Bin gespannt, wie es weitergeht!

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                            • Antracis
                              Fuchs
                              • 29.05.2010
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                              AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                              Danke für die Rückmeldungen! Also weiter gehts.



                              Tag 5: Abwettern Lomsdalselva


                              Ich wache wieder früh auf, drehe mich aber nochmal um, weil das Wetter, selbst durch unser freundliches gelbes Innenzelt betrachtet, wenig verheissungsvoll ausschaut. Später, beim Gang vors Zelt, ist alles grau in grau. Während des Frühstücks fängt es an, sich einzuregnen.



                              Wir trödeln entspannt bis zum Mittag, erwägen aber zunächst, doch heute noch zur Lomsdalskoia zu gehen, um voran zu kommen. Schließlich sind es geschätzt nur ca. 2-3 Stunden und dort können wir unsere Sachen trocknen. Anke hat Bedenken, dass die sehr kleine Hütte nicht so gemütlich und mäuseverseucht ist. Gegen die Gemütlichkeit unserer Kaitum-Halle kommt so schnell nix an.

                              Aber auch Sie hat zunächst nichts gegen einen Aufbruch, also beginnen wir gegen Mittag zu packen. Währenddessen wird aber der Regen immer stärker und wir bekommen zunehmend Zweifel, ob es sinnvoll ist, unsere noch trockene Ausrüstung unnötig durchzuweichen (wird eh noch passieren. ). Der Regen nimmt uns schließlich die Entscheidung ab, indem er noch stärker wird und wir packen alles wieder aus. Immerhin wieder Zeit rumgebracht.



                              Es folgt der übliche Abwetterdreikampf Essen-Lesen-Schlafen, ich gewinne mit knappem Vorsprung. Ausführlich widmen wir uns dann der Camproutine, zum Beispiel der Wasseraufbereitung.



                              Der Steripen ist schon ein cooles Spielzeug. Hunderttausende Norweger trinken das Wasser puros, wir haben zumindest über 100€ dafür ausgegeben. Die schweineteuren Lithiumbatterien, die das Teil regelmässig verfrühstückt, nicht eingerechnet. Dafür haben wir ein Laserschwert, falls wir mal einem Bären begegnen.

                              Gegen 19:00 Uhr essen wir leckeren Rindfleischtopf, der Regen lässt aber weiterhin in Sachen Quali- und Quantität nicht mit sich handeln. Das starke Prasseln wird nur vom immer lauter werdenden Dröhnen der anschwellenden Lomsdalselva übertroffen.



                              Tag 6 Lomsdalselva - Nordöstliches Lomsdalen/Brücke


                              Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber zunächst regnet es weiter. Erst gegen Mitternacht lässt der Regen merklich nach. Mitten in der Nacht hört er dann auf, nach 14 Stunden. Der morgendliche Blick vors Zelt ist eindrucksvoll. Unser abendlicher Essplatz von Vorgestern ist vollkommen überspült, den Pegel schätze ich auf mindestens einen Meter höher.



                              Immerhin sind wir laut Höhenmesser über Nacht 40m abgerutscht, d.h. steigende Luftdrucktendenz und Hoffnung auf Wetterbesserung. Da wir in Ruhe im Zelt frühstücken und auch den ab und an auftretenden Sonnenstrahlen eine Chance geben wollen das Zelt zu trocknen, kommen wir erst gegen Zwölf Uhr los. Zunächst geht es wieder durch die uns faszinierende Landschaft des Lomsdalen: eine Fülle an formschönen Gestein, Wasserlöchern und Krüppelbirken.





                              Auf ziemlich ebenem Weg, mit wenig Sumpf und vielen Steinmännchen kommen wir gut voran und es geht hinter dem Plateau abwärts in eine immer dichter bewaldete Sumpflandschaft entlang des Flusses.



                              Wir finden einen gut ausgetretenen Trampelpfad, dem wir folgen. Irgendwann macht er eine scharfe Kurve und ich denke mir noch, dass hier ja eigentlich bald die Hütte sein müsste. Aber ich sehe nichts und gehe halt weiter. Der Weg wird immer mehr boggy und die Mücken immer nerviger. Dank Bugshirts überleben wir aber den gezielten Angriff mehrerer Blutsaugerschwadrone ohne einen einzigen Stich.

                              In der Karte ist die Hütte eingezeichnet (dachten wir ), die wir eigentlich bald erreichen sollten, aber wir finden nur die Ruinen eines verfallenen Bauernhofes. Interessant sich vorzustellen, dass hier Menschen total autark gelebt haben, dagegen ist Strompdalen ja noch direkt gut erreichbar. Letztlich finden wir eine Gamme, die nur spartanisch eingerichtet ist, aber prinzipiell nutzbar - und hier endet auch der Pfad.



                              Nun wird auch klar, dass wir wirklich schon an der Hütte vorbei sind, weshalb wir etwas genervt umkehren und den sehr boggy und mückenverseuchten Weg zurückgehen. An besagter scharfer Kurve angekommen sehe ich nun relativ gut eine Spur in den Wald gehen und dort finden wir die ziemlich versteckt gelegene Lomsdalskoia:



                              Die private offene Hütte ist sehr klein, hat aber alles was man braucht und ist auch sauber. Aufgrund der Abgelegenheit (in den letzten Monaten war nur eine handvoll Menschen hier und wir finden mit wenig Blättern den Eintrag von Martin Bekkelund von 2010) aber auch mausbesetzt. Weiterhin dunkel und die Moskitos sind vor der Tür wirklich eine Plage. Da das Wetter aber immer besser wird, zieht es uns ins Helle und wir beschließen, heute im Zelt zu übernachten und noch weiter zur Brücke zu gehen.

                              Zunächst geht es querfeldein durch Sumpf und Wald, dann kraxeln wir etwas am Ufer lang, da die Brücke irgendwo flussaufwärts sein muss (Sie ist auf den Karten nicht eingezeichnet) und stehen schließlich auch vor ihr. Über den beeindruckend donnernden Fluss zu schwanken, ist doch ein Erlebnis, auch wenn die Brücke wirklich in gutem Zustand und sicher ist.



                              Nach kurzem Studium der Karte entscheiden wir, heute noch Richtung Visttindangebirge zu gehen und hoffen, in der Höhe mehr trockene Flächen und weniger Mücken vorzufinden. Also weglos bergan, was Kraft und Zeit kostet. Aber die schöne Landschaft entlohnt.



                              In den ersten 1 1/2 Stunden wird immer sumpfiger, was wir auf der Karte als vermutlich "zeltbar" identifiziert hatten, weshalb wir irgendwann etwas frustriert umkehren und schließlich in Sichtweite der Brücke direkt am Fluss zelten. Der GPS-Track des heutigen Tages könnte mit "Maus auf Ecstasy" übertitelt werden.

                              Wir waschen uns im Fluss und futtern erstmal. Das Thermometer fällt rapide bis auf 4 Grad, immerhin könnte es deshalb trocken bleiben. Wir trinken uns das Wetter mit ein paar Schluck Whisky schön und schlafen schnell ein. Wieder mal ein langer Tag, es ist nach Zwölf.

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                              • OttoStover
                                Fuchs
                                • 18.10.2008
                                • 1076
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                                AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                                First class story and pictures. Boy, how much bad weather you really had. Im impressed you kept the spirit good. Looking forward to the continuing story. Otto
                                Ich lese und spreche Deutsch ganz OK, aber schreiben wird immer Misverständnisse.
                                Man skal ikke i alle gjestebud fare, og ikke til alle skjettord svare.

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                                • Antracis
                                  Fuchs
                                  • 29.05.2010
                                  • 1280
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                                  Sorry Otto ( and others who are still waiting... )

                                  Mich haben einige Aktivitäten abgehalten, aber jetzt werd ich zügig zu Ende schreiben. Unser nächster Besuch in Lomsdal-Visten steht ja schon vor der Tür.


                                  Tag 7 Lomsdalen - Middagsfjellet - Lomsdalen


                                  Am nächsten Morgen stehen wir dennoch früh auf und entscheiden uns trotz instabilen Wetters zum Aufstieg aufs Middagsfjellet. Rückblickend ist man bekanntlich immer schlauer und sinkende Barometertendenz, diesige blaue Luft mit leichter Corona der Sonne und verhältnissmäßig viele Wolken kündigten einen Wetterwechsel an, aber wir gingen ja mit leichtem Tagesgepäck und hatten halt noch viel Zeit und auch Unternehmungslust, wollten noch nicht weitergehen und den Aufstieg unbedingt versuchen. Zunächst blieb auch alles stabil und wir packten optimistisch.









                                  Schon der mühsame Einstieg zeigt uns aber schon in den unteren Höhenlagen, dass wir die Tour unterschätzt haben. Immer wieder ist die Route schlecht vorauszusehen, kommen wir in Sackgassen, bremsen uns Büsche und zu steile Rampen. Das alles kostet sehr viel Zeit. Schließlich treffen wir aber auf Steinmännchen, die allerdings aus meiner Sicht nicht den Aufstieg zu markieren scheinen, sondern einen, wenn man aus dem sehr abgelegenen Grunnvasdalen kommt, zur Brücke lotsen.
                                  Entschädigt werden wir für die Mühen durch die Aussicht ins Lomsdalen.





                                  Schließlich queren wir ein Plateau, um mehr südlich an die weniger steilen Flanken hinauf zum Gipfelplateau zu gelangen. Es wird dann doch steiler und blockiger als erwartet und wie meist in solchen Situation, wird dann auch das Wetter schlechter.



                                  Wir kämpfen uns aber erstmal weiter, leider bald in beständigem Nieselregen, was alles nicht einfacher macht. Vor allem Anke kämpft zwischen einigen Blöcken bravourös mit Ihren Höhenängsten und so gelangen wir endlich auf das über 800m hoch gelegene Gipfelplateau. Letztlich zieht uns das aber endgültig den Zahn. Kein wirkliches Plateau, sondern die 20m zwischen Höhenlinien mit schneegefüllten wasserunterspülten Canyons voll ausnutzend, zieht sich das ganze scheinbar endlos, der Regen nimmt zu und es ist extrem windig. Auf 870 Metern geben wir schließlich auf (der Gipfel hat 901m), frustiert, erschöpft, weil wir sowieso nichts gesehen hätten in der mittlerweile dichter werdenden Suppe und weil der steile Abstieg bei diesen Bedingungen kein Zuckerschlecken werden wird.

                                  Es war kein Zuckerschlecken, in strömendem Regen oft eine verdammt rutschige Angelegenheit, dauerte letztlich über 5 Stunden, aber wir haben bei noch passablen Sichtverhältnissen eine save Route finden können und einige heikle Blockpassagen umgangen. Nervig sind vor allem die vielen glatten Steinplatten, die man bei trockenen Bedingungen mit guter Sohle einfach runter gehen kann, die wir aber zeitaufwändig umgehen mussten.

                                  Irgendwann konnten wir dann einen roten Punkt in der Landschaft ausmachen, unser Zelt
                                  Knapp zwei Stunden später war es dann schon wärmer, trockene Klamotten und ein heisses Teechen belebten die Lebensgeister. Naja, Rückzug ist nicht immer die schlechteste Option. Zumal die Karte klar zeigt, dass der sinnvollste und deutlich einfachere Aufstieg der vom Nedre Beivatnet zu sein scheint, weniger Steil, einfachere Orientierung und man kommt direkt zum Gipfel ohne das zeitraubende Plateau, aber letztlich hat uns das Wetter den Zahn gezogen - und die Tatsache, dass das schon mit einem verstauchten Knöchel eine eher grimmige Nummer geworden wäre.

                                  Wie auch immer, den letzten Wärmekick geben uns Chilli con Carne, runtergespült mit Whisky - wieder ist es fast Mitternacht und Einschlafprobleme haben wir keine.

                                  To be continued...
                                  Zuletzt geändert von Antracis; 17.05.2016, 21:51.

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                                  • Antracis
                                    Fuchs
                                    • 29.05.2010
                                    • 1280
                                    • Privat

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                                    Und der zweite Teil in bewegten Bildern:

                                    Lomsdal-Visten 2015 Full HD Video Teil 2
                                    Zuletzt geändert von Antracis; 18.05.2016, 09:07.

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                                    • Sternenstaub
                                      Alter Hase
                                      • 14.03.2012
                                      • 3769
                                      • Privat

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                                      AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                                      ich habe gerade erst - aufgrund deines neuen Eintrages - diesen Bericht entdeckt.
                                      Wirklich richtig klasse und ich freue mich, dass er offensichtlich nun weitergeht. Also mach ma hinne.
                                      Two roads diverged in a wood, and I—
                                      I took the one less traveled by,
                                      And that has made all the difference (Robert Frost)

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                                      • Prachttaucher
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                                        Liebt das Forum
                                        • 21.01.2008
                                        • 12105
                                        • Privat

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                                        #20
                                        AW: [NO] „Det gjemte landet“ Lomsdal-Visten 2015

                                        Ging mir auch so....wobei ich auch noch unterwegs war, als der Bericht "veröffentlicht" wurde.

                                        "und Mosjøen kann uns mit seinen vielen kleinen Cafés und aufgehängter Wäsche begeistern."

                                        Kann ich nur zustimmen. War 2015 mein Abreiseort. Auf Grund seltener Busverbindungen war ich 1,5 Tage dort und habe es nicht bereut - auch die Lage des Ortes an Fluß und Steilwand gefiel mir gut.

                                        Ich hatte in der zweiten August-Hälfte erst Hochsommer mit (noch nie erlebter) Insekteninvasion und dann einige recht ungemütliche Tage.

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