[SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

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  • Taffinaff
    Fuchs
    • 03.01.2014
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    • Privat

    • Meine Reisen

    [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Liebe Gemeinde,

    Im August 2014 ging ich meine erste längere Solotour seit Jahrzehnten. Da ich Wildnis und Norden wollte, war das Ziel naheliegend:




    Schon mal kurz zusammengefasst: wunderbare Tour, spektakuläre Natur, grosses Glück mit dem Wetter. Eine festgelegte Route hatte ich nicht und wusste bis zur Abreise noch nicht einmal, wo ich losgehen sollte, aber die generelle Idee war, die schönsten Strecken der Gegend mitzunehmen. (Danke an die vielen fleissigen Schreiber hier, deren Reiseberichte da sehr hilfreich waren.) Weiter als zum Abisko Nationalpark und der näheren Umgebung war ich zuvor noch nicht gekommen. Es ging schliesslich von Abisko nach Kårsavagge, Abiskojaure, Alesjaure, Vistasvaggi, Stuor Reaiddavaggi, Unna Reaiddavaggi, Pyramidenpass, Kaskasavagge, Singivagge, Kebnekaise, STF Kebnekaise und Tarfala bis Nikkaluokta. Insgesamt waren das in 8 Tagen gut 140 km mit 4000 Höhenmetern und viel unwegsamem Gelände. Das Wetter war exzellent, bis auf einen trüben Nachmittag und ein oder zwei nächtliche Regenschauer war fast nur Sonnenschein.


    Ein paar Eindrücke:











    Erster Tag
    19.8., (Stockholm - Kiruna-) Abisko - Kårsavagge, 12 km, + 300 m

    Die Anreise mit dem Flieger nach Kiruna und mit dem Bus Richtung Narvik war völlig unspektakulär.



    In Kiruna am Flughafen gibt es eine Präzisionswaage für Gepäck

    Eigentlich hatte ich vor, in Katterjåkk loszugehen, aber unterwegs fiel mir auf, dass ich für die Route keine Ahnung hatte, wo man denn nach ein paar Stunden Weges übernachten könnte (Hütte? Zeltplatz?) und wie ich überhaupt vorankäme (erster Tag, seit Jahrzehnten die erste grössere Tour, ungewohnte Ausrüstung, …) Das schien mir dann doch etwas spekulativ, und kurzentschlossen stieg ich in Abisko aus. Das berüchtigte Wolkenloch scheint es übrigens wirklich zu geben: von Stockholm via Kiruna bis kurz vor Abisko war es bedeckt, aber dortselbst schien die Sonne. Bei der Turiststation waren noch letzte Spuren des Fjällräven-Volkswandertags zu erkennen, aber ansonsten herrschte entspannte Stimmung. Ich widerstand den Versuchungen des Restaurants, erwarb eine Flasche Spiritus und ein Halstuch, hängte meinen Rucksack an die Waage (14 kg inkl Proviant für drei Tage) und ging dann los, es war nachmittags um vier.

    Auf Kungsleden hatte ich keine Lust, da war mir schon im Vorjahr unangenehm viel Verkehr aufgefallen, und auch wenn der Fjällräven-Wahnsinn für diesmal vorüber war, war mir da zu viel los. Also ging es in Richtung Kårsavagge. Der Birkenwald sah übrigens längst nicht so schlimm aus wie befürchtet nach dem Parasitenproblem der letzten Jahre, es gab durchaus einige tote Bäume, aber die meisten sahen gesund aus und andere schienen auf dem Wege der Besserung.

    Der Weg ist einfach, es geht erst durch den Wald, dann in offenem Gelände immer das Tal hinauf. Bei der Brücke über den Kårsajåkka war mir im letzten Jahr ein schöner Zeltplatz aufgefallen, und ich überlegte erst dort zu bleiben, aber dann gewann doch nochmal der Spass am Laufen und ich wanderte immer weiter bis kurz vor der Kårsavagge Hütte. Dort gibt es zahlreiche schöne Zeltplätze nahe am Seeufer und ich nahm den nächstbesten. Es dauerte ein wenig, das neue Zelt aufzuschlagen, ging aber eigentlich problemlos, und auch die übrige Ausrüstung machte erst einmal keine Probleme. Dann wurde noch ein "Turmat" Fertiggericht verspeist und schlafen gegangen.



    Camp Kårsavagge

    Zweiter Tag
    20.8., Kårsavagge - Abiskojaure - Alesjaure, 22 km (+ 7 km Bootsfahrt), + 470, - 660, + 300 m

    So schön wie im Zelt schläft es sich doch nirgends (ausser natürlich wenn es regnet, stürmt, friert, mückt usw., was es hier aber nicht tat.) Früh um sieben war ich ausgeschlafen und wurde von gutem Wetter begrüsst. Alsbald war das Frühstück zubereitet: Haferbrei und Kaffee, wovon ich mich fortan noch öfters nähren würde. Anspruchslos und gut! Um acht war ich wieder auf den Beinen und ging das kurze Stück zur Kårsavagge Hütte, hielt einen kleinen Schnack mit dem Hüttenwart und machte mich daran, den Bach zu durchqueren. Man konnte, wie schon im letzten Jahr, bis auf die letzten zehn Meter trockenen Fusses von Stein zu Stein hüpfen, aber das letzte Stück musste man waten. Der Weg über den Njunesgeahci ist einigermassen markiert, aber trotzdem kann man leicht den Pfad verlieren. Es geht erst über Heide, dann wird es progressiv steiler und steiniger und schliesslich geht man quasi geradeaus den Berg hoch. Gleichzeitig wird natürlich die Aussicht immer schöner.




    Anstieg von Kårsavagge


    Für den zweiten Tag ging es nicht schlecht voran. Oben angekommen, traf ich einen entspannten Schweden, der in zweieinhalb Tagen von Riksgränsen über Unna Allakas hergelaufen war und weiter nach Laktatjåkka wollte. Sonst war nicht viel los, knapp unterhalb des Bergübergangs stand ein Zelt, auf der anderen Seite traf ich noch zwei oder drei Wanderer. Alsbald ging es an den Abstieg nach Abiskojaure, der etwas steil, aber unanstrengend ist, zuerst geht es über Geröll, dann Heide, schliesslich durch den Wald und dann steht man plötzlich vor der Hütte. Auch hier gab es einen kurzen Schnack mit dem Hüttenwart und dann erstmal einen mittäglichen Kaffee. Mit dem relativ leichten Gepäck ging es gut voran und ich machte mich alsbald wieder auf. Eine Idee war gewesen, über Unna Allakas zu gehen, aber nach etwas Nachdenken fand ich es dann angebrachter, schneller gen Süden voranzukommen, um mehr Zeit für das Hochgebirge rund um Kebnekaise zu haben, wo ich noch nie gewesen war. Also weiter auf dem Kungsleden. Die Strecke ins Garddenvaggi ist ja zauberhaft schön mit der Aussicht nach Norden, wenn auch nicht anspruchslos mit dem Anstieg. Oben angekommen, ändert sich der Charakter der Landschaft, indem der Wald spärlicher wird und die hohen Berge und ausgedehnten Seen die Aussicht dominieren.

    Weiter ging es auf dem beplankten Weg des Kungsleden. ”Hej; Moin; Hi there; Hejsan; Hi; Tach auch; …” Einmal hätte ich Japanisch und einmal Gebärdensprache brauchen können, aber ansonsten sind die Umgangssprachen dort ganz klar Deutsch, Schwedisch und Englisch zu ungefähr gleichen Teilen. An der Landschaft war nichts auszusetzen, und nette Gesellschaft war es ja auch, aber auf die Dauer doch etwas ermüdend, alle halben Kilometer die gleichen Nettigkeiten auszutauschen. Nachmittags wurden dann doch irgendwann die Füsse müde und nach kurzem inneren Kampf beschloss ich das freundliche Angebot einer Bootstour für die letzten Kilometer anzunehmen.


    Bootsfahrt Alesjaure

    Um 300 Kronen erleichtert landete ich bei der STF Hütte von Alesjaure, wo nicht übertrieben viel Betrieb war, es gab reichlich leere Betten. Ein zivilisiertes Abendessen und einen Saunabesuch später war ich so erledigt, dass ich Mühe hatte, zum Bett zurückzukommen, wo ich dann alsbald ins Koma fiel.
    Zuletzt geändert von Taffinaff; 16.10.2014, 07:09.

  • Mika Hautamaeki
    Alter Hase
    • 30.05.2007
    • 3980
    • Privat

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    #2
    AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

    Das läßt sich ja schon sehr gut an!
    So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
    A. v. Humboldt.

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    • oesine63
      Erfahren
      • 27.11.2013
      • 422
      • Privat

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      #3
      AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

      Jö, ein Bericht über meine Lieblingsgegend mit wunderschönen Bildern - freue mich schon auf Fortsetzung! 14 kg Gepäck mit Zelt und Proviant ist auch nicht schlecht, könntest du bei Gelegenheit mal über deine Ausrüstung (Zelt, Kocher, Rucksack) erzählen? Gruß, oesine

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      • Taffinaff
        Fuchs
        • 03.01.2014
        • 1067
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        • Meine Reisen

        #4
        AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

        Zitat von oesine63 Beitrag anzeigen
        Jö, ein Bericht über meine Lieblingsgegend mit wunderschönen Bildern - freue mich schon auf Fortsetzung! 14 kg Gepäck mit Zelt und Proviant ist auch nicht schlecht, könntest du bei Gelegenheit mal über deine Ausrüstung (Zelt, Kocher, Rucksack) erzählen? Gruß, oesine
        Fortsetzung folgt demnächst. Und über die Ausrüstung habe ich unter diesem Link schon etwas ausführlicher berichtet.

        Taffi

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        • Mortias
          Fuchs
          • 10.06.2004
          • 1225
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          #5
          AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

          Ein guter Anfang von einer sehr reizvollen Tour. Besonders die Vorschaubilder sind unglaublich schön und wecken Vorfreude. Aber auch der Schreibstil liest sich echt angenehm. Ich würd mir lediglich wünschen, wenn Du pro Tag noch ein paar mehr Bilder hinzufügst. Ich meine das ich doch so eine schöne Landschaft wo Du durchgelaufen bist, die musst Du nun wirklich nicht vor uns verstecken.

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          • Taffinaff
            Fuchs
            • 03.01.2014
            • 1067
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            #6
            AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

            Dritter Tag 21.8.
            Alesjaure - Vistasvaggi - Stuor Reaiddavaggi, 22 km, + 80, - 180, + 160 m

            Nach einem langen Schlaf kehrte alsbald der Tatendrang zurück und ich hielt das Frühstück kurz. Danach war erstmal Rucksack aufräumen und Proviant kaufen angesagt, aber dann konnte es losgehen.



            Alesjaurestugorna


            Von Vistasvaggi hatte ich viel Rühmliches gelesen und hatte mir deshalb vorgenommen, diese Strecke keinesfalls auszulassen. Auf der anderen Seite der Brücke ging es das kurze Stück nach Norden bis kurz vor Alisjavri, anscheinend die Hauptstadt der Gegend hier, wobei ich es fertigbrachte, gleich mehrmals den Weg zu verlieren. Den Weg ins Vistasvaggi kann man aber nicht verfehlen.



            Alisjavri


            Kurz vor der Hauptstadt geht es dann ein kurzes Stück bergauf bis zu den Seen auf der Wasserscheide des Tales. Bis auf ein Paar, das ein Stück vor mir unterwegs war, traf ich keine anderen Wanderer an und fand das auch sehr erfreulich so. Lappland ist überall schon eindrucksvoll genug, aber die Aussichten im Vistasvaggi sind einfach spektakulär. Gletscher in Sonnenschein, Bergwände, Felsen, unten im Tal der Fluss, einfach wunderschön. Nachträglich finde ich es geradezu schade, dass ich so wenig fotografiert habe.



            Ins Vistasvaggi




            Oberes Vistasvaggi




            Vistasvaggi


            So ging es auf dem leichten Weg bei wunderbarem Wetter voran, bis dann ich etwas unerwartet bei Vistasstugan stand. Drinnen traf ich die nette Hüttenwartin, die mir erstmal ein Glas Saft und ein Stück frischgebackenen Kuchen anbot. Genau das richtige nach einer längeren Wanderung! Bei all der Gastfreundlichkeit war ich versucht, über Nacht zu bleiben, aber das Wetter war allzu schön und die Aussicht allzu verlockend. Also trank ich noch einen Kaffee und machte mich dann wieder auf, um das Stuor Reaiddavaggi zu erforschen. Auch von dessen sagenumwobener Schönheit hatte ich schon viel lesen dürfen, und auch hier wurde ich nicht enttäuscht.



            Im Stuor Reaiddavaggi




            Schlafplatz


            Schliesslich beschloss ich dann doch, mir ein Nachtlager zu suchen. Unterhalb des Gipfels des Siehtagas gibt es zwischen Weg und Bach schöne flache Grasflecken und dort wurde das Zelt aufgeschlagen. (Noch schönere Zeltplätze gibt es übrigens weiter oben im Tal - ungefähr dort, wo der Bach aus dem Tal nördlich des Nallo in jenen im Stuor Reaiddavaggi mündet, und dann auch noch fast genau unterhalb des Nallogipfels -, aber das sollte ich erst am nächsten Tag herausfinden.) Elche scheinen dort übrigens auch öfters vorbeizukommen, aber wo tun sie das nicht. Die Nachtruhe blieb jedenfalls ungestört.
            Zuletzt geändert von Taffinaff; 16.10.2014, 06:46.

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            • Taffinaff
              Fuchs
              • 03.01.2014
              • 1067
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

              Vierter Tag
              22.8., Stuor Reaiddavaggi - Unna Reaiddavaggi - Pyramidenpass - Kaskasavagge - Tjäktjavagge, 24 km, + 700, - 660 m

              Erst mal frühstücken:



              Kaffee und Haferbrei mit Apfel. Einfacher und besser geht nicht!




              Nette Gegend


              Weiter ging es auf einer ganz wunderbaren Strecke am Nallo entlang und zu Nallostugan. Auch weiterhin gab es kaum andere Wanderer, zwei Zelte sah ich in dem ganzen Tal und eines bei der Hütte. Dort angekommen, unterhielt ich mich mit dem Hüttenwart und fragte insbesondere nach den Pässen auf dem Trepassleden, wozu er aber wenig sagen konnte, denn er hatte erst am Tag zuvor seine Aufgabe übernommen. Ich war ja schon bei der Lektüre des Wanderführers stark versucht gewesen, mich an diesem Weg zu versuchen. Allerdings war nach der Beschreibung klar, dass man das nur bei optimalen Bedingungen versuchen sollte.



              Nallostugan




              Oben im Stuor Reaiddavaggi


              Und das Tal hinauf mit Aussicht auf Gletscher überall. Der Weg ins Unna Reaiddavaggi ist nicht schwierig, aber etwas ermüdend, erst geht es über glatte Felsen und weiter oben über Geröll mit einigen sumpfigen Abschnitten. Gletscher hier und Gletscher dort, die Aussicht ist einfach phänomenal. Nach zweihundert Höhenmetern steht man oben auf der Wasserscheide unter den enormen Moränenwällen des Vaktpostengletschers und hat von dort einen leichten Weg bis zu der kleinen Schutzhütte Unna Räitastugan. Das Tal hat eine merkwürdige Topographie, indem es durch eine senkrechte Stufe in zwei Teile geschieden ist. Unterhalb des Gletschersees vom Reaiddaglaciären geht es über 100 Meter hinab, und oben auf der Kante steht die Hütte. Dort angekommen, gab es erst mal eine Kaffeepause.



              Ins Unna Reaiddavaggi



              Unna Reaiddavaggi mit Vaktpostenglaciären



              Unna Räitastugan





              Kaffee muss sein!




              Blick ins Unna Reaiddavaggi nach Osten


              Da es erst früher Nachmittag war und das Wetter immer noch schön, beschloss ich, mich am Trepassleden zu versuchen. Der Plan war, zu sehen wie weit ich käme, ggfs im Kaskasavagge, Guobirvagge oder am Gaskkasjavri zu zelten, und bei schlechterem Wetter durchs Kaskasavagge oder Guobirvaggi auszusteigen. Soweit ich weiss, sind die beiden problematischen Stellen des Trepassleden am nördlichen und südlichen Ende, nämlich der Aufstieg vom Unna Reaiddavaggi zum Pass zwischen Pyramiden und Knivkammen, und ein kurzes Stück beim Abstieg nach Tarfala, wo man auf oder direkt neben dem Kebnepaktegletscher gehen muss, um eine steile Felspassage zu umgehen. Alles übrige soll wohl anstrengend aber machbar sein. Der Weg von Unna Räita auf den Pyramidenpass war zuerst unspektakulär (bis auf die Aussicht natürlich). Der laut älteren Beschreibungen ziemlich ausgedehnte Gletscher hatte sich offensichtlich weitgehend zurückgezogen und bestand nur noch aus einem kleinen Teil im obersten Stück des Hanges auf der östlichen Seite. Ich ging zwischen Geröll und einzelnen kleinen Schneefeldern langsam bergan, bis es steiler aber durchaus noch leicht gangbar wurde und ich schliesslich am Fuss des Gletschers stand.



              Pyramidenpass von Norden


              Hier war es mit der Leichtigkeit allerdings vorbei und es sah so aus, dass links das Gelände zu steil war, der Gletscher selbst schneefrei und steil, weiter rechts wurde es ebenfalls steil. Eine Möglichkeit war am westlichen Rand des Gletschers entlang und ich stieg dort erstmal weiter auf. Es wurde dort sukzessive mühseliger und das Gelände bestand dort aus teils blankem Fels, teils grobem Geröll, das auch noch feucht und einigermassen rutschig war. Langsam und teils mit Hilfe der Hände arbeitete ich mich aufwärts, bis ich am Rande des Schneefelds stand, das sich oberhalb und westlich an den Gletscher anschliesst. Da es seitlich davon noch steiler wurde, beschloss ich geradeaus über den Schnee weiter aufzusteigen. Dies ging so einigermassen, es war zwar steil, aber mit Hilfe der Stöcke liess sich die Balance halten, und der Schnee war weich genug, um Stufen hineinzutrampeln. Schliesslich stand ich oben auf dem Pass und fühlte mich halb erleichtert, halb verängstigt von dem Aufstieg. Hätte ich es bleiben lassen sollen? Machbar war es, aber für meine Begriffe an der Grenze dessen, was für einen einzelnen Wanderer ohne Steigeisen geht. Jedenfalls hätte man da nicht die Balance verlieren dürfen, und bei weniger günstigen Bedingungen wäre es für mich ein klares Nein.



              Pyramidenpass Panorama (links Blick ins Kaskasavagge, Mitte Knivkammen, rechts Unna Reaiddavaggi). In diesem Bericht gibt es übrigens ein Bild mit der gleichen Aussicht ohne Wolken, mit Blick auf den Kebnekaise. Auch sonst lesenswert!


              Der Abstieg ins Kaskasavagge war einfacher. Dort liegt zwar immer noch viel Geröll, aber es ist deutlich gangbarer und ein längeres Stück konnte man auf einem Schneefeld gehen. Weiter unten wurde das Schneefeld immer mächtiger und eisiger und ich zog es vor, seitlich davon weiter zu gehen. Von unten betrachtet sah die Sache eher nach einem Eisklotz aus, vielleicht am ehesten ein eisiger alter Moränenkern.



              “Kleines” Schneefeld



              Kaskasavagge


              Nun stand ich also inmitten der, gewiss spektakulären, Einöde des Kaskasavagge und hatte erstmal genug vom Wandern. Leider zogen die Wolken so langsam immer tiefer und es begann zu nieseln.
              Noch so eine Kletterei wollte ich nicht unternehmen, und damit war die Idee mit dem Trepassleden nach Tarfala auch erst einmal begraben, da ich nicht wusste, wie es beim Kebnepaktegletscher aussehen würde. Eine Alternative für den nächsten Tag wäre gewesen, im Kaskasavagge nach Osten zu gehen und dann via Cievrralahku nach Tarfala. Nun war es aber schon ganz schön spät am Tag und die abschreckenden Schilderungen des Weges aus dem Führer ("blockrik… måste gå försiktigt på skrå… jobbig sträcka… extra försiktig…") standen mir plastisch vor Augen. Zelten? Zeltplätze gab es in der Nähe, aber die grandiose Ödnis des Geländes zusammen mit dem aufziehenden Schlechtwetter schlug mir mittlerweile dermassen aufs Gemüt, dass ich mir nicht vorstellen wollte, hier oben eine Regenperiode abzuwettern.



              Grandiose Ödnis bei aufziehendem Schlechtwetter


              Also gen Westen. Dann musste ich mich allerdings eilen, um bei Tageslicht noch ins Tal zu gelangen. Die Strecke besteht im Grunde nur aus Geröll, mal bisschen gröber, mal bisschen gangbarer, aber bei Nieselregen alles gleichermassen rutschig. Rein in die Regenklamotten und los. Es wurde dann auch ein ganz schön sportliches Vergnügen und ich brauchte gegen drei Stunden für die sechs oder sieben Kilometer bis zum Talausgang. Ich wollte nur noch weg von dem blöden Gestein und an irgendeinem netten Bächlein mein Zelt aufschlagen. Endlich wurde das Gelände leichter, es ging über Heide und Hügelchen und siehe da, in fortgeschrittener Dämmerung stand da auf einmal ein rotes Holzkreuz vor mir. Das konnte doch nur die Wintermarkierung vom Kungsleden sein? So spazierte ich ich zuversichtlich noch ein Stückchen weiter, bis ich dann kurz vorm Fluss das gesuchte Bächlein fand. Das Zeltaufschlagen ging inzwischen ganz flüssig, und dann konnte ich schliesslich eine wohlverdiente Schokolade vernichten und ein wenig Selbstkritik üben. Retrospektiv war es fragwürdig, vom Kaskasavagge so spät abzusteigen. Schlimmstenfalls wäre es auch mit der Stirnlampe gegangen, aber das gleiche bei mehr Regen hätte bis tief in die Nacht gedauert und vielleicht meine Kondition überfordert. Nachts in der Wildnis mit Knöchelbruch rumzuliegen ist ja auch nicht die lustigste Vorstellung, Satellitensender her oder hin. Und der Aufstieg zum Pyramidenpass war schon sehr anspruchsvoll, vielleicht hätte ich da in Grundstens Buch mehr zwischen den Zeilen lesen sollen. Nachher ist mal halt klüger (und entscheidend ist ja, was hinten rauskommt, wie Kanzler Kohl mal in seiner unnachahmlichen Subtilität formuliert haben soll…) Nach so einem Tag im gemütlichen Zelt zu liegen war jedenfalls nicht das Dümmste.
              Zuletzt geändert von Taffinaff; 16.10.2014, 15:11.

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              • Trolli
                Erfahren
                • 15.06.2010
                • 188
                • Privat

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                #8
                AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge



                Super Bericht bis hierher.... toller Schreibstil, kritisches Reflektieren. Gefällt mir sehr gut.
                Bin gespannt wie es weiter geht. Fantastische Ecke.

                LG, Trolli
                Travel the world and enjoy every day of your life.

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                • Taffinaff
                  Fuchs
                  • 03.01.2014
                  • 1067
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                  Fünfter Tag
                  23.8., Tjäktjavagge - Sälkastugorna - Singivagge, 12 km, + 200 m

                  Auf die wohlverdiente Schokolade folgte ein wohlverdienter Schlaf, der leider zu früh zu Ende ging. Warum redeten da dauernd irgendwelche Leute? Ach ja, der Kungsleden. Ich hatte sozusagen auf dem Seitenstreifen geparkt! Immerhin war das Wetter wieder schön, und es zeigte sich, dass ich inmitten von lauter reifen Moltebeeren lag, die zu der morgendlichen Hafergrütze eine willkommene Beilage lieferten.



                  Camp Tjäktjavagge




                  Frühstück




                  Das Frühstück wächst hier nicht nur am Wegesrand, sondern sogar mitten auf dem Weg


                  Auch mit der Speisekammer im Rucksack stimmte eigentlich alles, bloss das Fjällgodis (zu deutsch Studentenfutter) hatte ich leider rationieren müssen, nachdem davon weder in Alesjaure noch in Vistas zu haben war. Ein unhaltbarer Zustand. Also auf zum STF Sälkastugorna, und siehe, dort war der Spender wohlbefüllt. Dann konnte es also weitergehen. Der weitere Weg war erst einmal einfach. Erst ein paar Kilometer auf dem Kungsleden nach Süden, dann so langsam ins Singivagge abbiegen. Dort wird es im unteren Teil ziemlich steil, und die Empfehlung, auf der nördlichen Seite des Baches zu bleiben, kann ich nicht nachvollziehen, zumal auf der Südseite für ein längeres Stück ein gut sichtbarer Pfad existiert. Aber es geht auch auf der Nordseite durchaus zu machen und das beschwerlichste Stück, wo man über steiles Geröll traversiert, ist nicht sehr lang, vielleicht eine halbe Stunde Weges. Weiter oben dann sieht man eine riesige Mauer aus Steinen vor sich, die sich quer über das Tal zieht und anscheinend das Ergebnis von Gerölllawinen ist. Hat man die überstiegen, so kommt man alsbald auf eine Hochebene, die sich mit Wiesen und Bächen im Inneren des Singivagge erstreckt und einfach nur hübsch ist.



                  Anstieg zum Singivagge




                  Ins Singivagge. Der Berg in der Mitte ist der Tuolpagormi




                  Oben angekommen


                  Auch hier war kaum jemand zu sehen, ein einzelnes Zelt stand etwas weiter unten im Tal und abends sah ich zwei Wanderer aus Kaffedalen herabsteigen, sonst war ich allein dort. Einige Zeltplätze auf der Wiese waren mit Steinmauern umgrenzt und dankbar schlug ich mein Zelt an einem der Plätze auf. Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit Herumlungern und Kaffeetrinken. Kaum war die Sonne fort, wurde es kühl und ich verkroch mich ins Zelt.



                  Kaffee am Kaffedalen




                  Abendliches Rumlungern

                  Kommentar


                  • Taffinaff
                    Fuchs
                    • 03.01.2014
                    • 1067
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                    Sechster Tag
                    24.8., Singivagge - Kaffedalen – Kebnekaise Südgipfel - Vierranvarri - STF Kebnekaise. 15 km, +1100, -600, +200, -1000 m

                    Um fünf wachte ich davon auf, dass mir kalt wurde. Kein Wunder, es waren null Grad draussen. Bei der Gelegenheit sah ich aus dem Zelt und sieh an, es war nicht eine Wolke zu schauen. Blauer Himmel, vollkommene Ruhe, einfach zauberhaft. Hatte ich gestern abend noch über Auschlafen usw. philosophiert, so war das sogleich vergessen. Kaffee, Brei, Zähneputzen, Zelt abbauen, Rucksack packen und um sechs war ich unterwegs auf Durlings Led. Der geht vom Singivagge durchs sogenannte Kaffedalen, welcher Name zwar nicht in der Karte steht, aber trotzdem allgemein bekannt ist.



                    Blick zurück aus dem Kaffeetal


                    Das allererste Stück ist einfach, dann wird es steiniger und steiler. Zwischendurch kann man über Schneefelder neben dem Bach gehen, und alles in allem ist es eine recht einfache Wanderung, selbst mit Gepäck.



                    Sonnenaufgang über Kaffedalen


                    Nach eineinhalb Stunden konnte ich den Einschnitt sehen, der zum Pass nördlich vom Vierranvarri fuehrt, und fragte mich ernstlich, ob ich wirklich schon so bald da sei? Aber man kann den Weg gar nicht verfehlen. In der Karte ist angegeben, dass der Pfad im obersten Teil des Tals etwas nördlich des Baches verläuft, was ich aber nicht unbedingt sinnvoll fand, zumal dort keine Markierungen sind. Ich folgte stattdessen dem Bach, der allerdings auch sehr wenig Wasser führte, bis zu den Markierungen des Västra Leden, und dann weiter auf demselben den Kebnekaise hinauf. Das Stück oberhalb des Passes ist steil und mühselig für etwa 400 hm bis zu den beiden Schutzhütten auf 1880 m, danach wird es flacher und einfacher.



                    Västra Leden oberhalb vom Kaffedalen




                    Blick zurück auf den Pass




                    Die neuere der beiden Hütten kurz unterhalb des Gipfels, inklusive Schwedens höchstem Plumpsklo


                    In der älteren, östlichen Hütte traf ich zwei Schwedinnen, die nach einem langen Weg von Singistugorna am Vortag dort übernachtet hatten und sich gerade ihr Frühstück machten. Nach einer kleinen Verschnaufpause ging ich dann mit kleinem Gepäck weiter, während die beiden sich noch weiter aufwärmten. Oberhalb der Schutzhütte liegt immer mehr Schnee und bald kommt man auf das Gipfelplateau.



                    Such den Gletscher…




                    …da ist er!


                    Schliesslich steht man auf rund 2050 m und hat eine wunderbare Aussicht, von den norwegischen Bergen im Westen bis zum Hügelland im Osten, bei blauem Himmel einfach wunderschön. Die letzten 50 Höhenmeter des Südgipfels bestehen bekanntlich aus einem Gletscher und ich hatte von den beiden in der Hütte erfahren, der Schnee dort sei am Vortag weich genug gewesen, um ohne Steigeisen raufzukommen. Nun war es früh und unter null Grad, aber es ging trotzdem ohne Mühe. Der Aufstieg von der Südseite ist nicht schwierig, aber Vorsicht war natürlich trotzdem angebracht, zumal man für die letzten Meter besser auf die steilere Ostseite überwechselt.

                    Und dann lag mir also das ganze Königreich zu Füssen und mir wurde sogleich wunderlich im Kopf. Das kam aber wohl eher von der Lage dort oben, da es mit meiner Schwindelfreiheit nicht weit her ist. Das Panoramafoto fiel aus, weil ich mich nicht dazu bewegen konnte, da oben irgendwelche Verrenkungen zu veranstalten. Es ist aber auch wirklich sehr wenig Platz dort, denn der Gipfel besteht aus dem Zusammentreffen der drei scharfen Grate, die die Nordost-, Nordwest- und Südflanken des Gletschers voneinander scheiden. Dieser hat die Form einer dreiseitigen Pyramide, wobei die nordöstliche und nordwestliche Seite geradewegs in die respektiven steilen Bergflanken übergehen; rutscht man da also ab, so geht es viele hundert Meter abwärts und nimmt kein gutes Ende. Nach Norden geht ein schwindelerregender Eisgrat, der sich über den Nordgipfel zum Kebnepakte fortsetzt und definitiv nichts für Touristen ist. Die Südseite des Gletschers ist weniger steil und läuft flach auf dem Gipfelplateau aus, daher auch die lustigen Rutschbahnen.

                    Der Rückweg war sehr, sehr, SEHR mühselig. Es kann hier mal klar gesagt werden, dass der ganze Västra Leden auf den Kebnekaise eine einzige elende Plage ist. Vom STF Kebnekaise bis zum Gipfel sind es über 1400 Höhenmeter, und mit Ausnahme der untersten vielleicht 250 und der obersten 100 geht der bezeichnete Weg praktisch ununterbrochen durch unwegsames und steiles Geröll, und dass man zwischendurch (auf der unwegsamsten und steilsten Strecke) wieder 200 Höhenmeter verliert, die man dann auf dem Rückweg wieder raufsteigen muss, macht die Sache noch weit unerfreulicher.



                    Blick aus Kitteldalen nach Westen. In der Mitte der Pass im obersten Teil vom Kaffedalen, rechts geht es zum Kebnekaise, links zum Vierranvarri




                    Weiter unten im Kitteldalen, vorne der Bach Kittelbäcken, im Hintergrund der Vierranvarri

                    Dafür kann man sich dann den ganzen laaangen Weg über auf die Sauna beim STF freuen. Wohl dem, der hier mit leichtem Gepäck unterwegs ist, aber noch viel wohler dem, der es ganz bleiben lässt und stattdessen Östra Leden nimmt (mit den bekannten Einschränkungen Schwindelfreiheit, Klettersteig- und Gletscherausrüstung), da verliert man keine Höhenmeter und erheblich kürzer ist es auch noch. Oder gleich den Weg, den ich morgens genommen hatte, Durlings Led aus dem Singivagge, da hat man nur 1100 Höhenmeter insgesamt und keine nennenswerten Schwierigkeiten ausser einem kurzen etwas steileren Stück, kurz vor dem Pass unterm Vierranvarri. Für den Hinweg habe ich inkl. Pausen dreieinhalb Stunden gebraucht, und hätte ich nicht aufgrund unfassbarer Blödheit den Rucksack bis zur Toppstugan mitgenommen (anstatt ihn auf dem Pass unterhalb vom Vierranvarri abzustellen), wäre es gewiss noch erheblich leichter gegangen. In der Nähe des kleinen Sees im Kaffedalen bei ungefähr 1350 m Meereshöhe gibt es übrigens ein oder zwei freigeräumte Plätze zum Zelten. Wer also die passende Ausrüstung für diese etwas kühlere Gegend hat, kann sich damit nochmal viele Höhenmeter zum Gipfel sparen.

                    Nach den Mühen des Tages war es eine hocherfreuliche Erfahrung, von den netten Leuten beim STF begrüsst zu werden und einen der spektakulär leckeren Kanelbullar aus der hauseigenen Bäckerei zu vernichten. (Ich behaupte mich da einigermassen auszukennen, jedenfalls was die Stockholmer Szene angeht, und die Bullen vom STF kommen sehr, sehr nah an die absolute Spitze heran. Die befindet sich übrigens im Kafe Sjöstugan am Brunnsviken, unweit Bergshamra.) Die Sauna mit Aussicht war auch nicht schlecht, zumal man beim Eingang zum Servicehaus ein kaltes Bier bekommt. Die Gebühr von 200 Kronen (für Mitglieder, andere Gäste zahlen 300) ist allerdings heftig, Wildnispreise halt. Dass man nicht zu nah bei der STF Station zelten sollte, ist wohl bekannt? Jenseits des Hügelchens mit dem Sendemast kriegt man jedenfalls vom Helikopterverkehr nicht mehr so viel mit, und Helikopterverkehr gibt es da reichlich. Kallaxflyg macht Linienflüge nach Nikkaluokta (für wen eigentlich?), ausserdem Versorgungsflüge für die Station, dazu kommen Rettungsdienste, Polizeihubschrauber usw., es ist nicht direkt eine friedvolle Naturstimmung.



                    Flugplan STF


                    Auf der anderen Seite, wie gesagt, geht es geruhsamer zu, und wenn man sich von den paar Zeltnachbarn gestört fühlen sollte, kann man beliebig weit von der Station weit weggehen, an schönen Plätzen mangelt es da nicht. Der Abend endete mit einem wohlverdienten Zweitbier und einer wunderbaren Aussicht auf die Berge.




                    Ein wohlverdientes kühles Bier

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                    • Taffinaff
                      Fuchs
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                      #11
                      AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                      Siebter Tag
                      25.8., STF Kebnekaise - Tarfala - STF Kebnekaise, 16 km, +500, - 500 m

                      Erstmal Frühstück:



                      Wildnisfrühstück


                      Nun hatte ich noch drei Tage, bis dass in Nikkaluokta der Bus ging. Ein möglicher Plan war es, über Tarfala, Cievrralahku und Cievrragorsa zu gehen, was wohl gemütlich in drei und etwas sportlicher in zwei Tagen zu machen wäre. Nach dem langen Weg am Vortag fühlte ich mich aber zu schlapp für längere Touren und beschloss statt dessen einen Tagesausflug nach Tarfala zu unternehmen. Dass dieser Besuch allein eine Reise wert sei, hatte ich vorher schon gelesen, und ich wurde nicht enttäuscht. Auch hier war erstaunlich wenig los. Während auf dem Weg nach Nikkaluokta noch munterer Verkehr herrschte, traf ich im Darfalvaggi über den ganzen Tag vielleicht fünf Leute. Der Weg ist nicht schwierig, wenn auch im oberen Teil sehr steinig. Und dort sieht es dann so aus:





                      (Wer macht denn sowas? Die bösen Lawinen?)







                      Oben angekommen, wähnt man sich in arktischen Gefilden. Ich hatte überlegt, noch zum ”Svarta sjön” auf dem Pass nach Guobirvaggi aufzusteigen, aber dann siegte die allgemeine Entspanntheit und ich begnügte mich mit Staunen und Fotografieren.





                      Hier sieht man übrigens das andere Ende des Trepassleden. Der Weg geht auf der Moräne rechts neben dem Kebnepaktegletscher und im obersten Teil dicht am Eis entlang (oder in manchen Saisons auf dem Eis), um die steile Felspassage weiter rechts zu vermeiden.


                      Des Nachmittags ging es zurück zur Fjällstation, deren Annehmlichkeiten wie Sauna, Bäckerei, Küche, Gesellschaft mir dann auch wieder hochwillkommen waren.




                      En svensk klassiker


                      Des Abends konnte man dann Sonnenschein und Wolken überm Ladtjovaggi bestaunen.





                      Die Berge ziehen ihre Schlafmützen an

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                      • Taffinaff
                        Fuchs
                        • 03.01.2014
                        • 1067
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                        #12
                        AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                        Achter Tag
                        26.8., Pausentag

                        Hier fiel ich einem Racheakt der Samigötter zum Opfer, wahrscheinlich zur Strafe dafür, dass ich bisher solch unglaubliches Glück mit dem Wetter gehabt hatte. Ich bitte mir nachzusehen, dass ich auf die Schilderung jeglicher Einzelheiten verzichten möchte. Nur soviel sei angemerkt, dass ich nicht unglücklich war, Imodium dabeizuhaben, und dass ich mich veranlasst sah, für den nächsten Tag einen Platz auf dem Helikopter nach Nikkaluokta zu buchen, um den Bus nach Kiruna nicht zu verpassen.


                        Neunter Tag
                        27.8., STF Kebnekaise - Nikkaluokta (- Kiruna), 19 km, -200 m

                        Nach dem unfreiwilligen Pausentag konnte ich mir den Plan mit dem Weg über Cievrralahku aus dem Kopf schlagen. Immerhin war ich soweit genesen, dass ich den Helikopter dann doch nicht nehmen musste, das Ticket konnte ich glücklicherweise abbuchen und erstattet bekommen. So packte ich also meine Sachen und machte mich auf den leichten und vielbegangenen Weg nach Nikkaluokta. Hierzu gibt es nicht mehr so viel zu berichten, ausser dass das Wetter immer noch allerfeinst war.




                        Adjö, STF…




                        Adjö, fjäll…





                        In Nikkaluokta wurde dann erst mal eine Cola getrunken und in der Sonne gelegen, und dann kam der Bus. Kaum war Kiruna erreicht, begann es auch zu regnen. Ich nächtigte dann, mit ein oder zwei Dutzend anderen aus dem Bus, im “Yellow House”, was die billigste zu findende Unterkunft war. Hotelstandard hatte ich nicht erwartet, doch so schraddelig hatte ich es mir nun auch nicht vorgestellt. Die jüngten Einrichtungsgegenstände dürften wohl aus den 1970er Jahren sein? Es war aber durchaus bewohnbar. Beschwerlicher fand ich die Suche nach einem geniessbaren Abendessen, aber der Ostasienimbiss, beim Folkets Hus schräg gegenüber, konnte schliesslich weiterhelfen.


                        Zehnter Tag
                        28.8., (Kiruna – Stockholm)
                        Über Kiruna kann ich nicht direkt viel berichten. Die Suche nach einem Frühstück gestaltete sich etwas einfacher als die nach einem Abendessen, indem ich in dem sehr überschaubaren Ort alsbald das Cafe Safari entdeckte, wo es sich aushalten liess. Danach spazierte ich noch etwas durch den Nieselregen, besichtigte das Rathaus mit seinen diversen Ausstellungen, und nahm dann den Bus zum Flughafen.


                        Und schliesslich noch paar allgemeine Betrachtungen:

                        Ich war überrascht, wie gut ich vorankam. Nach meinen früheren Erfahrungen, immerhin war da eine mehrwöchige Tour in den Rocky Mountains und an der kanadischen Westküste dabei, hatte ich mir das schlimmer vorgestellt. Allerdings hatte ich damals auch weit mehr Gepäck, zu viel und unzulängliche Ausrüstung, und teils erheblich schlechteres Wetter. Ich hatte auch früher schon gemerkt, dass das Rumlaufen in der Natur, trotz allen meditativen Qualitäten, viel Energie freisetzen kann und eigentlich immer Lust auf mehr macht, jedenfalls solange das Wetter mitspielt. Das habe ich diesmal auch so erfahren und fand, dass ich mich manchmal geradezu zurückhalten musste, um nicht ins Joggingtempo zu verfallen und mich zu sehr zu verausgaben. Gut, dass die Route Abkürzungen, aber auch Exkursionen zuliess.

                        Fazit: Flexibel bleiben und nicht zu geizig planen. Wenn das Wetter mitspielt, kommt man weiter als gedacht.


                        Ein Riesenunterschied gegenüber früheren Erfahrungen war auch der Gebrauch von Stöcken. Als deren grössten Vorteil empfand ich, dass sich damit fürs Vorwärts- und Bergaufkommen die Kraft der Arme und Schultern mitnutzen lässt. Auch wenn ich es nicht quantifizieren kann, fand ich die Entlastung für die Beine bemerkenswert und den Gewinn an Ausdauer und Geschwindigkeit auch. Auch ist der Komfort für die Knie beim Bergabgehen erheblich besser. Schliesslich bieten die Stöcke eine bessere Balance in schwierigem Gelände und beim Waten (nein, es heisst wirklich nicht "Furten", ihr Sprachschänder), und sie taugen zum Sondieren auf Schnee und in tieferem Wasser.

                        Fazit: Stöcke lohnen sich.


                        Ich habe Wert darauf gelegt, ausreichend fit an den Start zu gehen, was in der Praxis mehrere Monate Lauftraining bedeutete. Ein gewisser Gewichtsverlust war ein erfreulicher Nebeneffekt.

                        Fazit: Es lohnt sich, in die eigene Kondition zu investieren. Und zum Thema ”Leicht”: Die überflüssigsten Kilos sind die unter der Haut, nicht die auf den Schultern.


                        Nachdem meine letzte richtig lange Wandertour so lange zurücklag, sah ich mich veranlasst, den grössten Teil der Ausrüstung neu zu erwerben. Zu dem Thema habe ich anderswo mehr geschrieben.

                        Fazit 1: Bei wesentlicher Ausrüstung lohnt es sich, in Qualität zu investieren. Damit meine ich v.a. Schlechtwetterklamotten, Schuhe, Rucksack, Zelt, LuMa und SchlaSa. Ob dagegen die Tütensuppe oder die Unterwäsche von nem teuren Outdoorhersteller kommt, ist wohl eher nebensächlich.

                        Fazit 2: Die beste Gewichtstrategie fürs Gepäck ist Weglassen. (Niemand braucht mehr als zwei Sätze Unterwäsche oder Strümpfe, besser bisschen Seifenpulver mitnehmen. Haferflocken und Milchpulver sind gut und wichtig, aber es gibt energiereichere Lebensmittel. Die nächste Hütte mit Proviantverkauf ist oft nur ein paar Tage weit weg. Wasser gibt es überall. Handykameras machen auch ganz schöne Bilder. Es reicht oft auch ein leichterer Schlafsack, warme Klamotten hat man ja sowieso dabei. Sonnencreme gibt es auch in kleinen Tuben. Und so weiter.) Natürlich gilt das nur eingeschränkt auf längeren und abseitigeren Touren.

                        Fazit des Fazits: man tut sich einen Gefallen, die Verhältnisse auf der geplanten Tour zu verstehen und dann konsequent wegzulassen, was man nicht braucht.


                        Jahreszeit: Ende August hatte ich ein Riesenglück mit dem Wetter, tagsüber nicht zu warm, nachts nicht zu kalt und kaum Regen. Die Wälder standen noch im Laub, gegen Ende der Tour begannen die ersten Birkenblätter zu fallen. Anscheinend eine sehr geeignete Jahreszeit für die Gegend, wenn ich auch den Sommer gleichermassen faszinierend finde mit seinem endlosen Tageslicht. Später als Ende August wird man dann doch zusehends eingeschränkt mit den kürzer werdenden Tagen; wenn man damit leben kann, ist der September bestimmt auch sehr schön.


                        Strecke: Jederzeit wieder. Aber nicht auf dem Kungsleden. Der Unterschied in der Bevölkerungsdichte zwischen der Hauptstrasse Abisko-Nikkaluokta und allen anderen Wegen war drastisch. Selbst auf dem Weg nach Tarfala war fast nichts los, dabei ist das eines der angesagtesten Ziele der Gegend, das Wetter war fantastisch und die Fjällstaion ausgebucht mit Touristen. (Auf dem Västra Leden zum Kebnekaise hingegen war geradezu Gewimmel, inklusive Turnschuhträgern). Ich werde die Gegend unbedingt wieder besuchen, aber jedenfalls mit Fokus auf abgelegeneren Strecken.


                        Das war es für diesmal. Ich komme wieder! Nochmal vielen Dank an alle euch fleissige Schreiber hier, ich verdanke euch viel Kenntnis und Inspiration.

                        Taffi

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                        • pekra62
                          Dauerbesucher
                          • 02.03.2012
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                          #13
                          AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                          Hallo Taffi,

                          vielen Dank für deinen wunderbaren, gut zu lesenden und informativen Bericht (incl. deiner Ausführungen in "Der Totaltest"). Hat Spaß gemacht, einerseits über bekannte Abschnitte zu lesen, andererseits Infos und Eindrücke über noch anstehende Etappen zu bekommen. Ich bin auch Fan dieser Gegend und kann den Tipp, einfach die Hauptroute zu verlassen und links und rechts die Nebenwege zu nutzen, voll unterschreiben.
                          Auch deinen diversen Faziten kann ich voll zustimmen (wobei mir das Weglassen manchmal etwas schwerfällt. Wenn ich dein und mein Rucksackgewicht vergleiche, hab ich da doch noch deutlichen Verbesserungsbedarf).
                          War erstaunt über die schönen Fotos mit der Handycam. Aber meine Große zuhause zu lassen, das bring ich dann doch nicht über's Herz - die muss mit
                          Letztendlich noch - Respekt! 140 km in 8 Tagen mit den Höhenmetern und nach langer Pause, find ich beachtlich.

                          Peter

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                          • Dwalinn
                            Gerne im Forum
                            • 26.07.2009
                            • 90
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                            #14
                            AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                            Schade, schon Ende . Hat Spaß gemacht zu lesen und die schönen Bilder anzuschauen. Da gerät man gleich wieder ins Träumen...

                            Deinem Fazit zur Kamera kann ich allerdings nicht zustimmen. Als Fotobegeisterter ist bei mir dann doch lieber die DSLR dabei, auch wenn es etwas mehr wiegt. Eine detaillierte Begründung lasse ich an dieser Stelle mal weg, das soll doch jeder für sich selbst entscheiden was er braucht/will .

                            Gruß,
                            Henning

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                            • Mika Hautamaeki
                              Alter Hase
                              • 30.05.2007
                              • 3980
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                              #15
                              AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                              Nochmal vielen Dank für den Bericht! Ich bin echt neidisch auf das Wetter, das Du da hattest.
                              So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                              A. v. Humboldt.

                              Kommentar


                              • oesine63
                                Erfahren
                                • 27.11.2013
                                • 422
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                                Gratulation zu dieser tollen Tour, zur Routenwahl und natürlich zum Ausnahmewetter! Als ich Anfang September 2012 durchs Vistasvaggi kam, gabs reichlich Regen und auf dem Weg nach Nallo/Sälka dann auch Schnee - schön wars trotzdem Herzlichen Dank für den humorvollen und sehr informativen Bericht (v.a. die ausführliche Beschreibung deiner Ausrüstung) - war ein Genuss ihn zu lesen! Gruß oesine63

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                                • Mortias
                                  Fuchs
                                  • 10.06.2004
                                  • 1225
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                                  Ja echt schade, dass der Bericht schon vorbei war. Fand ihn auch wirklich sehr informativ und gerade die vielen Analysen (sowohl technischer als auch selbstkritischer Natur) haben echt Freude gemacht zu lesen. Und Hut ab vor der zurücklegten Route, das schien ja nicht unbedingt ein Pappenstil gewesen zu sein. Gerade Deine eine 24 km Etappe übern Pyramidenpass und durchs Kaskasavagge hatten es ja echt mal in sich.
                                  Die Bilder haben mir natürlich auch sehr gut gefallen, zumal da für mich doch ein recht hoher Wiedererkennungswert bei war. Muss auch echt sagen, der Aufstieg zum Pyramidenpass sieht bei Dir um einiges schwerer aus von den Schneeverhältnissen etc. als es bei mir im Juli der Fall war. Da hätte ich dann sicherlich auch drüber geflucht und nicht gerade viel Spass bei empfunden.

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                                  • Taffinaff
                                    Fuchs
                                    • 03.01.2014
                                    • 1067
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                                    Vielen Dank fuer die freundlichen Kommentare zu meinem Bericht. Ihr schreibt ja gewiss fleissig an euren?

                                    Taffi

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                                    • Mika Hautamaeki
                                      Alter Hase
                                      • 30.05.2007
                                      • 3980
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                                      #19
                                      AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                                      Zitat von Taffinaff Beitrag anzeigen
                                      Vielen Dank fuer die freundlichen Kommentare zu meinem Bericht. Ihr schreibt ja gewiss fleissig an euren?

                                      Taffi
                                      OT: Leider hätte ich dazu auf Tour sein müssen. Geht aber seit 2013 nicht (Beruf/Familie etc). Wenn ich richtig Glück habe, könnte es 2015 mit dem Sarek was werden...vielleicht, ganz eventuell.
                                      So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                      A. v. Humboldt.

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                                      • Mortias
                                        Fuchs
                                        • 10.06.2004
                                        • 1225
                                        • Privat

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                                        AW: [SE] Kreuz und quer durch Schwedens höchste Berge

                                        Zitat von Taffinaff Beitrag anzeigen
                                        Vielen Dank fuer die freundlichen Kommentare zu meinem Bericht. Ihr schreibt ja gewiss fleissig an euren?

                                        Taffi
                                        Öhhhhmmm naja..... Sagen wir mal ich werde in nicht weiter absehbarer Zukunft mit dem Schreiben anfangen.

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