[SE] Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalme - Ritsem

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    • 11.12.2013
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    [SE] Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalme - Ritsem

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Leider kommt hier erst Teil 2, dann Teil 1!
    Bitte zum zweiten Beitrag in diesem Thread runterscrollen.









    Teil 2:


    Mehre Male versuche ich eine geeignete Stelle zu finden, aber es ist überall schwierig. Ich versuche es und wenn es gefährlich wird, kehre ich wieder um. Ich will bei der letzten Flussüberquerung schließlich kein Risiko eingehen. Trotzdem bekomme ich nasse Beine und Schuhe.
    Dieses Gesuche kostet mir viel Zeit und irgendwann muss ich mich für eine Stelle entscheiden, bei der ich zuerst eine recht große Fläche von knietiefem Wasser, gespickt mit Felsen und großen Steinen, an denen ich mich festhalten kann, durchqueren muss, um an den eigentlichen Fluss heranzukommen.
    Sieht tief aus – der Fluss schaut nicht gefährlich, jedoch passierbar aus, aber die letzten Furten haben mich gelehrt, dass selbst ein harmlos aussehender Fluss zum Problem werden kann. Also lasse ich Vorsicht walten und nehme mir viel Zeit. Darunter leiden meine Beine, die immer gefühlloser werden – das Schlechte daran ist, dass ich dadurch nicht mehr so trittsicher bin.
    Als ich mich ein bis zwei Meter durchgekämpft habe, immer seitlich stabil gehend, gilt es ein bis zwei tiefe Stellen zu überqueren. Ich studiere die Umgebung, es gibt keine anständige andere Stelle in der Nähe, dies ist noch die Günstigste.
    Ich taste mich mit den Füßen nach links und erreiche plötzlich keinen Boden mehr. Vorsichtig verlagere ich mein Gewicht wieder auf den rechten Fuß. Die Stelle links neben mir ist verdammt tief. Selbst bei Knietiefe kann man starke Probleme mit dem Gleichgewicht haben, wenn man ohne Stock geht.
    Im Grunde bleibt mir nichts anderes übrig, als zum nächsten hervorstehenden Stein zu springen, wo ich mich wieder festhalten und anlehnen kann.
    Dies gelingt mir trotz der sagenhaft gemeinen Strömung sogar noch relativ gut. Nun wird jedoch eine noch tiefere Stelle vor mir sichtbar, hinter dem großen rettenden Felsen, der mein Ziel war.
    Kurz dachte ich nach und fühlte mich plötzlich in der Zwickmühle. Ich bin umgeben von Flusstiefen, die mich samt Rucksack problemlos wegspülen und weiter unten in stromschnellenartigen Verläufen enden würden.
    Über mich selbst verwundert, komme ich auf die gar nicht mal so dumme Idee, auf den großen Felsen vor mir zu klettern, um von dort aus hinter diesen wieder hinunter zu springen – sozusagen in den Strömungsschatten.
    Nach einigen Minuten des Kalkulierens, erachte ich diese Möglichkeit, als die noch am Vernünftigste.
    Als ich oben bin, genieße ich den festen Boden unter meinen Füßen. Jetzt muss ich auf der anderen Seite des Felsens hinunterspringen – er ragt etwa zwei Meter aus dem Wasser. Ich spähe über den Rand und sehe leider nicht durch das schäumende Wasser hindurch. Ich habe keine Ahnung, wie tief es ist. Es sieht seichter aus, als die umliegenden Strömungsgebiete, aber das ist auch nur eine Vermutung.


    Die Idee mit dem Felsen





    "Der Flussboden war einfach unvorhersehbar. Mal glitschig, mal tief, mal schräg/steil.
    Das Hauptproblem war, dass ich keinen Stock hatte. Ich war ja noch froh, wenn der Untergrund vor mir so seicht war, dass ich auf allen Vieren gehen konnte. War das nicht der Fall, war die Wahrscheinlichkeit, nach hinten umzukippen groß."



    Ich ordne meine Gedanken, mache den Rucksack abwurfbereit, hoffe, mache mich auf das Schlimmste gefasst – jetzt kommt alles auf mein Glück an. Dies war die gefährlichste Situation der ganzen Tour. Ich denke tatsächlich keine einzige Sekunde daran, was passiert, wenn das Wasser zu tief ist.
    So tief wie möglich lasse ich mich gleiten. Aber irgendwann wird es zu steil und ich muss mich abstoßen. Mit dem Gewicht meines Ranzens falle ich mit einem Ruck die restliche Distanz hinunter.
    In diesem Moment geht alles sehr schnell, zu schnell, um nachzudenken.
    Bevor ich es realisieren kann, stehe ich steif aber sicher auf angenehm flachem Boden – das Wasser reicht mir bis zu den Knien.
    Mit zitternden Beinen greife ich mit einer Hand nach dem Untergrund und als ich den Arm hebe, kommt zum Vorschein schwarzer grober Sand.
    Der Strömungsschatten! Dem Verstand sei Dank! Und vielleicht auch meinem Schutzengel. Besser hätte es nicht kommen können – seichtes Wasser auf solidem Untergrund. Wäre der Boden so steinig und rutschig gewesen, wie sonst, hätte das wirklich böse enden können.
    Wie ein Schiffbrüchiger erklimme ich das rettende Land, werfe den Rucksack ab, massiere die Beine und Füße. Das trockene Weidenkraut um mich herum fühlt sich so toll an nach dieser Tortur.
    Von Wasser habe ich jetzt erst einmal genug. Zwei Rentiere, ein Großes und ein Kleines, nähern sich mir, während ich die Klamotten auswringe. Ich schaue mich um – ein letztes Mal bekomme ich die grandiose Landschaft zu sehen, der Fluss verläuft S-förmig bis weit in die Ferne. Langsam beginnen sich auch die Wolken zu lichten, man kann Blau erkennen und Sonnenlicht, das auf die obere Wolkendecke trifft.
    Ein paar Fotos des Sieges und weiter geht's.











    Etliche Male noch muss ich durch unvermeidbare, stinkende, dunkelbraune Sumpffelder stapfen, das Moderwasser fließt mir mal in die Schuhe, so tief sinke ich ein. Die Folge des Niederschlages.
    Der Weg über den letzten großen Hügel zieht sich noch etwas, auf der Karte habe ich es kürzer eingeschätzt.


    Es zieht sich:









    Irgendwann ändert sich der Untergrund, es wird buschiger, mehrere Trampelpfade laufen parallel nebeneinander. Im feinen Nebel unten im Talkessel kann ich mein Ziel erkennen, vor dem See, dort muss die Anlegestelle für die Fähre sein, die mich nach Ritsem bringt. Als ich auf den Padjentandalen stoße – ein beliebter schwedischer Fernwanderweg – weiß ich, ich habe es so gut wie geschafft.






    Endzeitstimmung






    Bald tauchen kleine Bäume auf, ich überquere mehrere Brücken und Holzstege, die sumpfige Stellen überbrücken sollen – dem Himmel sein Dank! Auch wenn ich nicht darum herum komme, noch mehrmals durch tiefe Pfützen laufen zu müssen. Am Wegesrand finde ich die Überreste eines Schädel samt Geweih eines Elches – was ein Exemplar. Riesig und furchteinflößend – wäre ich in der Lage es zu transportieren, ich hinge es zu Hause über meine Zimmertür.







    Birkenhaine prägen das Gesamtbild, der Padjentandalen führt mich schließlich zu einer sehr langen Brücke und ich passiere einen heftig strömenden Fluss. Als ich in der Mitte der Brücke angelangt bin und hinunter blicke, wird mir etwas schwindelig, schaumendes Gewässer peitscht und braust, übertönt alles andere, wehe dem, der sich dort befindet.







    Schon bald treffe ich auf Ferienhäuser und einen Aushang für die Bootsabfahrtszeiten. Zu den Missgunsten meines kläglich gescheiterten Zeitmanagaments, war das letzte Boot heute schon abgefahren. Ein sehr netter Mann nähert sich und beantwortet mir meine Fragen, da der Aushang nicht gerade präzise Informationen hergibt.



    Das Ziel







    Das nächste Boot würde morgen um 08:30 Uhr ablegen. Er meint auch, ich kann mein Zelt unten bei der Anlegestelle aufbauen, das kümmert keinen.
    Nun, viel habe ich mir ja bei diesem "Örtchen" nicht erhofft, aber hier gab es wirklich so gut wie gar nichts. Außer vielleicht fünf Ferienhäuser, gibt es nichts, außer ein paar Holzfällerbauten, dem später noch vernehmendem Motorengeräusch nach auch bewohnt.
    Der Anlegeplatz besteht aus einer schwimmenden metallenen Insel und einem daran befestigten langen Steg.









    Die einzige Möglichkeit, das Zelt aufzustellen, ist vor dem überdachten Aushang der vergilbten Werbung von Freizeitaktivitäten in der Umgebung – ich gehe nicht weiter auf diese ein, denn es interessiert mich einfach nicht.
    Wie falsch es doch aussehen würde, wenn hier mein Zelt stünde. Aber etwas anderes kann der Mann von vorhin nicht gemeint haben. Nun ja, die Reste eines erloschenen Lagerfeuers liegen noch da, ich bin wohl nicht der Erste.
    Morgen werden sich hier alle Menschen versammeln, die ins Boot wollen und genau da steht nach ungefähr zehn Minuten mein Zelt. Ich hole Wasser aus dem See, keine zwanzig Meter entfernt, es ist sehr klar und allen Anscheins nach genießbar.
    Schnell husche ich in mein Zelt, verstecke die stinkenden, verdreckten Schuhe zwischen Innen- und Außenzelt und mache es mir gemütlich. Ich schreibe Tagebuch und knabbere wieder an dem übrigen Knuspermüsli. Einige wenige Male vernehme ich Stimmen von anderen Wanderern, die vorbeilaufen. Ich bilde mir ein sie reden auch über das kleine Zelt, das hier einfach aufgebaut worden ist. Was soll's.

    "In Ritsem fährt morgen dann der Bus um zehn nach neun nach Gällivare.
    PS: Meine Füße sehen aus wie eingelegte Pepperoni."


    Eine Sache finde ich am Rande noch erwähnenswert: Mein kleines Handy spinnt. Oder eher gesagt der Akku. Höchstwahrscheinlich ist es nass geworden, jetzt schaltet es sich nach ein paar Minuten selber wieder ab und ich muss den Akku heraus nehmen und wieder hinein stecken, wenn ich es wieder anbekommen will. Blöd nur, dass ich eigentlich auf den Wecker angewiesen bin – das Boot morgen fährt zwischen acht Uhr und viertel nach acht. Wenn es blöd kommt, verschlafe ich. Wenn da nicht die innere Uhr ticken würde, die mir schon so manche Male verlässlichere Dienste beschert hat. Tatsächlich kann ich ziemlich genau bestimmen, wann ich aufwache (oft genug war es auf die Minute genau).
    Ich rede mir einfach immer wieder ein "Um sieben aufstehen, um sieben aufstehen...". Diese Sache ist wichtig, was den Drang, von alleine aufzuwachen noch verstärkt. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass ich mit der Püntklichkeit keine Probleme haben werde.
    Bis es ein wenig dunkel wird, genieße ich die Ruhe im geschützten Zelt, verarbeite die vielen Eindrücke der vergangen Tage.


    Tag 7

    Es ist hell. Ich höre leise Stimmen von verschiedenen Personen. Wie von der Tarantel gestochen, fahre ich hoch, krame mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung nach meiner Armbanduhr.
    Halb sechs! Puh!
    Ab hier döse ich nur noch vor mich hin, wache jede halbe Stunde vollständig auf.
    Die Nacht war verdammt kalt gewesen. Jede nicht bedeckte Stelle wurde mit der unangenehmen Frische bestraft (Oh, die Nasenspitze!).
    Rechtzeitig mache ich mich fertig und baue das Zelt ab. Das Boot kommt recht pünktlich um viertel nach acht.
    Es handelt sich um ein mittelgroßes Fährboot und kann schätzungsweise höchstens vierzig Personen transportieren. Für einen fairen Preis erhalte ich ein Ticket und nehme im überdachten Innenraum Platz. Ich habe nicht erwartet, in den Genuss einer Bootsfahrt zu kommen. Sie ist eine willkommene Abwechslung.


















    Langsam tuckern wir vor uns hin, es sind noch ein paar andere Leute an Bord. Gemächlich ziehen die grün bedeckten Steilhänge der sich vorm See auftürmenden Berge vorbei, und beim Beugen über die Reeling sehe ich das klargrüne Wasser aufspritzen, dahinter eine durch die tief stehende Sonne erzeugte Straße aus tausenden glitzernden Sternen auf der ruhigen Wasserdecke, der darüberliegende Horizont gesäumt von länglichen weißen Wolkenteilen hinter hellblauem Himmel. Der Osten.
    Eine halbe Stunde dauert die Fahrt, bis ich schließlich in Ritsem ankomme.











    Ritsem ist ein beliebter Ausganspunkt unter den Wanderern hier, hieß es. Von einem Ort kann allerdings weniger die Rede sein. Es ist eher ein Parkplatz von Autos und Booten, versteckt hinter vielen Bäumen, befinden sich ein paar Häuser. Ich will gar nicht wissen wer hier wohnt und wie man hier wohnt, so wahnsinnig abseits. Vielleicht sind es nur Ferienhäuser.
    Die Wartezeit für den Bus gibt mir Gelegenheit mein Tagebuch wieder ein wenig zu füllen.
    Als er schließlich ankommt, stellt sich heraus, dass ich diesmal einen weniger sympathischen Busfahrer erwischt habe. Als ich ihm das Interrail-Ticket zeige, knallt er mir sogleich ein unmissverständliches "No!" ins Gesicht. Schon gut, kann ja nicht immer klappen. Zweihundertfünfzig Kronen kostet mir der Spaß.
    Schon gestern hatte ich Bedenken, keinen Zug nach Stockholm oder zumindest Süden zu bekommen – diese würden sich erst in Galliväre äußern.
    Auf der Busfahrt sehe ich nochmal die Randgebiete verschiedener Nationalparks, auch des Sareks, an mir vorüber gleiten. Die damalige Ausstiegsstelle, Suorva, ist auch dabei. Bis jetzt hat unterm Strich alles geklappt. Ich denke darauf kommt es an.





    Das kenne ich!



    Nach der ruhigen, schönen Busfahrt, etwa zwei Stunden später, komme ich auch genau dort an – in Gällivare. Nicht lange ist es her, als ich hier ankam, den Sarek als Ziel.
    Die Ticketautomaten hier sollen idiotensicher sein. Leider muss ich aber feststellen, dass sie nichts von Interrailtickets wissen – ich müsste also ganz normale Tickets kaufen, brauche in Wirklichkeit aber nur die Reservierungen.
    Also auf zum nächsten Reisebüro, das sich mit ein bisschen Herumgefrage sogar relativ leicht finden lässt. Ein glücklicher Schritt in die richtige Richtung! Bei der netten Dame kann ich Reserviereungen bis nach Malmö, ganz nah der Grenze, erwerben.
    Der nächste Zug würde in nur einer halben Stunde losfahren! Mein pessimistisches Denken bezahlt sich nun aus. Ich dachte, die Züge würden eventuell bis für die nächsten Tage ausgebucht sein und ich steckte hier fest. Pustekuchen! Besser kann es nicht sein, ich bin sehr erleichtert.
    Zurück am Bahnhof angekommen, kommt auch schon bald mein Zug. Dieser fährt nach Boden.
    Eine zähe Fahrt, durch die mehrtägige Hinfahrt sind bei mir die Relationen in Bezug auf Wartezeiten irgendwie verschoben. Sind zwei Stunden lang?
    Keine Ahnung, jedenfalls steige ich in Boden in einen Schlafwaggon nach Stockholm. Er sieht im Innern genauso aus, wie auf der auf der Hinfahrt. Diesmal teile ich mein Sechserabteil aber jedoch nur mit einer einzigen Person. Ein zurückhaltender, sehr netter Herr, Ende dreißig, der ebenfalls trekken war. Allerdings im Sjöfallet-Nationalpark. Im Sarek war er auch schon einmal.



    Das auch!










    Die Zumutbarkeit meiner von Moorwasser durchsetzten Schuhe geht, meiner objektiven Einschätzung nach, gegen null. Unterm Bett verstaut geht es.
    Es ist schön, unter Gleichgesinnten zu sein. Gemütlich ist es wie beim letzten Mal. Ich habe einen Tisch, zwei freie Betten, viel Platz und viel Zeit. Wieder das Klackern der Schienen, das ganz besondere vorbeisausende Bimmeln, die geborgene Atmosphäre. Ich fahre nach Süden, immer weiter nach Süden.
    Ich plane den weitern Verlauf meiner Reise von Malmö aus. Höchstwahrscheinlich wird es von da aus nach Kopenhagen gehen. Dort werde ich mir ein Ticket von Flensburg nach Hamburg organisieren. Von Hamburg aus will ich direkt nach Nürnberg fahren, die Misere mit den grausigen Regionalzügen vermeiden. Am besten mit dem Bus, allerdings bräuchte ich dafür ein Internet-Cafè für das Ordern.
    Vor der langen Strecke ohne Halt über Nacht, bremst der Zug noch einige wenige Male bei kleinen Bahnhöfen ab und ich nutze die Gelegenheit, um im Tagebuch festzuhalten, dass mich mein Mitfahrgenosse darauf hinwies, mein am Gürtel hängendes Survival-Messer (es befand sich die ganze Reise über keine einzige Sekunde im Rucksack) lieber einzupacken, wenn ich in Stockholm ankäme – Obama sei dort zu Besuch. Kein unnützer Rat!

    "Bis jetzt lief alles wirklich super – nicht langweilig, aber auch nicht ätzend.
    Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in den vergangenen Tagen je Heimweh empfunden hätte.
    Ich hatte gar nicht das Gefühl, weit weg zu sein. Nur eben woanders."


    Tag 8

    Im Stockholmer Hauptbahnhof informiere ich mich über die Strecke nach Hamburg. Flensburg hat mich gesehen. Ich werde nämlich von hier aus über Kopenhagen direkt nach Hamburg fahren.





    In Stockholm angekommen


    Die Fahrt von Stockholm nach Kopenhagen ist trotz oder dank des Nichtstuns kräftezehrend. Zumindest mental. Diese schwedischen Schnellzüge sind verdammt leise, ich befinde mich meistens auf dem schmalen Grat zwischen Langweile, Grübelei, Döserei und Halbschlaf. Und ich werde ungeduldig. Ich werde eine so weite Strecke nicht mehr mit Zügen zurücklegen!



    "Ich sitze im Kopenhagener Hauptbahnhof. Mich beschleicht das seltsame Gefühl, dass die Preise hier verdammt hoch sind.
    In einer dreiviertel Stunde kommt der ICE nach Hamburg. Ich bin erst nach zwanzig Uhr dort. Dann heißt es entweder am Bahnhof übernachten oder in ein Hostel (angeblich direkt daneben).
    Hier in Kopenhagen habe ich in einem Internetcafè eine Busfahrt von Hamburg nach Nürnberg gebucht. Morgen um sieben Uhr geht's los und nach siebzehn Uhr komme ich erst an!"








    In Kopenhagen angekommen habe ich etwas Zeit, in einem Internetcafè einen Platz im Bus von Hamburg nach Nürnberg zu reservieren. Nürnberg ist nun im Gespräch, welch herrlicher Gedanke. Ich komme voran.
    Von hier aus steige ich dann auch in einen deutschen ICE um. Was dieser mir bringen wird, habe ich nicht vermutet.
    Als wir an der südlichsten Spitze von Dänemark ankommen, wird der ICE langsamer und ich sehe bereits – das Meer.
    Umherkreisende Möwen bereiten Nordsee-Feeling, ich frage mich, was nun kommen wird. Eine weitere lange Brücke mit Gleisen? Nein. Der Zug wird auf eine riesengroße Fähre gezogen und eine Durchsage ertönt, jeder solle sich von Bord des Zuges begeben. Der weißrote ICE ist unter den vielen Autos irgendwie fehl am Platz, auf den Ladeflächen des mehrstöckigen Schiffes.
    Ich gehe ganz nach oben, zur Aussichtsplattform, wo sich bereits vermehrt Familien mit Kindern aufhalten.
















    Eine starke Meeresbrise zerrt an mir. Ich bin noch nie zuvor mit dem Zug auf eine Fähre gefahren.
    Es fühlt sich übrigens nicht wie eine Fähre, sondern wie ein richtiges Kreuzfahrtschiff an. Mehr als eine viertel Stunde verweile ich oben, bei außergewöhnlich starkem Wind (es ist herrlich), weit unten die aufbrausende See, beleuchtet von einzelnen durch die Wokendecke hindurch stechenden Sonnenstrahlen.
    Da diese Überfahrt so sehr unerwartet kam und vorallem, da ich alleine reise, empfinde ich diesen Moment als schwer beschreiblich abenteuerlich.
    Wieder begleiten uns Möwen über unseren Köpfen, die Kinder erfreuen sich an dem anhaltenden drückenden Luftzug.
    Irgendwann werde ich mit einem Segelboot eine große Schiffsreise unternehmen, denke ich mir. Diese Augenblicke inspirieren mich besonders. Und zeigen mir wieder (ganz wichtig!), dass die Hin- und Rückfahrt auf alle Fälle fester Bestandteil meiner Tour sind.

    Als ich in Hamburg ankomme, wird es bald dunkel. Liebend gerne hätte ich den Schutz eines Zimmers der nahen Hostels genossen, doch dies ist schlicht nicht möglich, denn sie sind voll. Ich werde im Bahnhof übernachten müssen.


    Real Urban Survival - Samstag Nacht in Hamburg ohne Bleibe:









    Es ist Samstag. Und das nicht gut. In Hamburg. Am Hauptbahnhof. Dies wird mir klar, als ich alle dreißig Sekunden entweder a) einen Besoffene/Besoffene, b) einen Penner/Obdachlose oder c) herumschreiende Asoziale, die meinen, sie hätten es so richtig drauf, sehe.
    Die Stadt hat mich wieder – wie primitiv sie mir erscheint. Was für ein Kontrast. Es ist nicht ganz einfach, einen Schlaf-/ Rastplatz zu finden, der seiner Bezeichnung auch nur in Teilen gerecht wird. Permanent achte ich darauf, dass sich niemand an meiner Gürteltasche und meinen Wertsachen vergreift.
    Eine überdachte Sitzgelegenheit an einem Bahnsteig im Innern muss reichen, ich weiß nicht genau, ob ich die restlichen sechs, gefühlten zehn, Stunden schlafe oder einfach nur ins Schwarz des Innern meiner Augenlider starre. Denn es ist so gemein kalt, wenn man sich nicht bewegt.
    Zwischendurch gibt es einen unschönen Streit zwischen einer Frau und ein paar Jugendlichen – wegen eines Platzes. Solche Probleme braucht die Welt!




    Tag 9

    Viel zu früh (nicht falsch verstehen - das warten davor dauerte ewig(!)) befinde ich mich im Wartebereich des ZOB Hamburg.
    In ein paar Stunden kommt mit etwas Verspätung der Bus – nach...Nürnberg.
    Die letzte Etappe steht bevor. Und es ist eine schöne Etappe. Alles, was nichts mit Zügen zu tun hat (ausgenommen sind Schlafwagen), ist im Moment schön.










    In tiefes Nachdenken versunken schießt nicht viel später das tiefgrüne Gewächs, am Rande der Autobahn, vorbei.
    Meine ganz persönliche Entmysthifizierung des Sarek hat erfolgreich stattgefunden.


















    Ein Abenteuer, das sich gewaschen hat.



    Da dies mein erster online gestellter Reisebericht ist, würde ich mich über jegliches Feedback freuen und bin auch für Kritik offen.

    Zu viele Bilder?
    Zu langer Bericht?
    Zu subjektiv berichtet?
    Zu wenige Informationen zur Route (Hintergrundinfos)?


    Jedenfalls danke für's lesen!


    Für die Fotos benutzte ich im Übrigen eine Sony Cybershot DSC-S500. Uralt, aber es ist keine Schande, wenn sie verloren oder kaputt geht und die Batterien beheben das "Akku-leer"-Problem.
    Zuletzt geändert von Razzah; 16.12.2013, 02:14.

  • Razzah
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    • 11.12.2013
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    • Meine Reisen

    #2
    Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalmme - Ritsem Teil 1

    Teil 1






    Kursivdruck = Tagebucheinträge




    Wer sich für die Hinreise (sie war nicht unspannend) nicht interessiert, sollte zu Tag 3 springen.




























    Tag 1



    Ich sitze im Bahnhof von Flensburg.
    Ich musste ungefähr acht Mal umsteigen, um mit den verfluchten Regionalbahnen an die nördliche Grenze Deutschlands zu kommen. Natürlich gab es massig Komplikationen, etwa zwei Züge hatten keine Verspätung, es war spannend bis zum Schluss (drei Minuten Umsteigezeit für den letzten Zug nach Flensburg). Dieses Spielchen werde ich sicherlich nicht wiederholen.
    Jetzt muss ich lange warten, die ganze Nacht. Das ist mir egal, eine neue Etappe beginnt, ich habe Deutschland erfolgreich hinter mir gelassen - vielleicht wäre es zu langweilig gewesen, wenn ich nicht permanenten Stress gehabt hätte.
    Ich hatte mir diesen Bahnhof anders vorgestellt. Größer. Doch ich finde mich mitten in einem Kaff wieder, so scheint es.
    Ein paar wenige Leute kreuzen meinen Weg, der auf den Bahnsteig und den unwirtlichen Tunnel begrenzt ist.
    Beim Ausgang, wo neben Fahrausweisautomaten diverse längst geschlossene Kleingeschäfte und Toiletten die einsame Atmosphäre unterstreichen, finde ich zu meiner großen Erleichterung Sitzgelegenheiten, wenn sie auch sehr hart sind. Außerdem hindert mich die Armlehne an einer halbwegs bequemen Liegehaltung.
    Mein Rucksack verschafft hier Abhilfe, als eine Art Matratze für den Oberkörper. So lässt es sich schon ein paar müde Stunden überbrücken.
    Jedoch bin ich nicht ganz alleine. Ein seltsamer Mann, eher dunkelhäutig, wenn ich mich recht entsinne, scheint hier umherzuschleichen. Vielleicht ein Straßenpenner, vielleicht ein Behinderter oder vielleicht ein Reisender, wie ich, mit den unmöglichsten Umsteigezeiten.
    Immer wieder läuft er hin und her, zu diesem einen Automaten und wieder zurück.
    Mir soll's egal sein, mit dem Pfefferspray in der Gürteltasche bringt mich so schnell nichts aus der Ruhe. Meine Arme die Riemen des Rucksacks umschlungen, versuche ich etwas Schlaf zu finden.
    Nach etwa einer halben Stunde wird dieser jedoch prompt unterbrochen. Bilde ich es mir bloß ein oder höre ich ganz nahe Geräusche?
    Zu nahe. Der Reißverschluss!
    Empört husche ich nach oben – der Fremde von vorhin bewegt sich von mir weg, nicht zu verstehende Worte schwafelnd.
    Ich blicke zu meinem Rucksack. Ein Reißverschluss an der Seitentasche ist halb geöffnet – das gibt's doch nicht! Das hatte ich wirklich nicht erwartet, wie kann man nur so dreist sein.
    Das unschuldige Verhalten des Mannes lässt allerdings Zweifel in mir aufkommen. Er verhält sich wirklich so, als ob es keinerlei Gründe für Schuldgefühle gäbe, sein Blick verrät eher, ich hätte etwas falsch gemacht.
    Möglichst selbstbewusst starre ich ihm eine ganze Weile lang unentwegt ins Gesicht. So lange, bis er kein einziges Mal mehr zu mir herüber guckt. Oh, die Macht des Blickes. Ich hoffe dieses Entblößen seiner beschämenden Tat wird ihn ab jetzt davon abhalten.
    Es klingt wahrscheinlich leichtsinnig, dass ich mich wieder zur Ruhe begebe, aber jetzt bin ich bereit, um zu reagieren. Unterbewusst bereit.
    Die Gewissheit, dass ich es mit niemandem wirklich Bösartigen zu tun habe, und meine Unsicherheit in Bezug auf die Absicht des Mannes, nimmt mir die Übervorsicht.
    Und so ticken die nächsten paar Stunden vorüber, vielleicht einmal wache ich wirklich auf, döse wieder vor mich hin. Besser als draußen schlafen, denke ich mir immer wieder. Gegen Ende der Dunkelheit gesellen sich drei Jungs, etwas älter als ich, zu den Sitzen auf der anderen Seite. Sie haben mehr Angst vor mir (wegen Diebstahl), als ich vor ihnen.




    Tag 2

    Irgendwann sehe ich das letzte Mal auf meine Armbanduhr und es ist endlich Morgen, einer neuer Tag. Den Wecker meines kleinen Reisehandys brauchte ich nicht, die innere Uhr war verlässlicher.
    Erpicht darauf, endlich wärmende Bewegung zu bekommen, laufe ich hinauf zum Bahnsteig, lasse mir einen süßen Kaffee aus dem Automaten, wärme damit meine kälteempfindlichen Hände. Wie ein Geist wandle ich von Anfang bis Ende des Bahnsteiges, hin und her, wärmend und zeitvertreibend.
    Ich erinnere mich an die vielen Leute, mit denen ich in den Regionalzügen am Vortag in Kontakt getreten bin. Jetzt stehen reservierte Langstreckenfahrten an, welch ein Luxus.

    "Ich denke daran, in wie vielen Tagen ich die Durchquerung des Sareks schaffen kann. Mit sieben Tagen ohne Anfahrt wäre ich schon einverstanden, und wenn mir nichts in die Quere kommt, sieht das auch realistisch aus."

    Mein nächster Zug kommt mit kurzer Verspätung, aber vor allem auf einem anderen Gleis, was wildes Hin- und Hergerenne sichert. Es sind Schlafwaggongs mit äußerst schmalen Gängen, leider randvoll mit Fahrgästen.
    Ein paar Gänge entlang quetschend, stelle ich nicht viel später unbegeistert fest, dass ich die nächsten sechs Stunden Zugfahrt im unverheißungsvollen Zwischenraum der Türen verbringen muss. Wie alt diese Wagen doch waren, ich wusste gar nicht, dass so etwas in Europa überhaupt noch fährt. Der Dämpfungsfaktor der roten Metalltüren ist praktisch gleich Null, es scheppert, knackt, klackt, rumort. Geht irgendwann tierisch auf die Nerven. Doch besser hier, als direkt neben den stinkenten Toiletten, denn sonst gibt es hier wirklich keine Aufenthaltsgelegenheit – die Gänge sind so schmal, dass es schon schwierig ist, mit dem Rucksack ein Durchkommen zu finden.
    Abwechselnd stehend und sitzend, um das Gesäß durch den unbarmherzig harten Boden nicht zu sehr zu belasten, lenke ich mich hauptsächlich durch das Lesen meines Taschenbuches, das, passend zum Thema, von einer kleinen Gruppe Gestrandeter einer Insel handelt, und durch Schreiben im Tagebuch ab.
    Die detaillierte Auflistung der genauen noch verlaufenden Bahnfahrten und Stadtaufenthalte würde den Rahmen sprengen.
    Grob fahre ich über Kopenhagen, mit der U-Bahn nach Schweden, von dort aus mit einem komfortabelem Zug (der "Schwedische ICE") nach Stockholm, und von Stockholm aus kann ich endlich in den lang ersehnten Liegewagen, Richtung Norden, steigen, bei dem ich auch endlich zu den gesegneten Besitzern einer Platzreservierung gehöre. Diese ist in Schweden nämlich Pflicht.
    Die Bahn-Dame damals am Schalter in Deutschland, viele Tage her, meinte, es wäre ein Waggong mit Sitzen, die sich vollständig nach hinten umlegen lassen würden. Ich freue mich auf erholsame ruhige Stunden.
    Doch es kommt anders.
    Ein wenig zumindest. Denn es ist abermals ein Wagen mit richtigen Sechser-Schlafabteilen. Der Gedanke, dass ich eine kleine Zelle mit fremden Personen würde teilen müssen, plagt mich zuerst ein wenig. Ich habe so etwas noch nie gemacht, ich fühle mich ein bisschen ins kalte Wasser geschmissen.
    Als ich mich im falschen Abteil in der falschen Kabine vor einer überaus netten schwedischen Familie mit zwei kleinen Kindern, die freudig auf den Betten umherspringen, zum Otto mache, laufe ich trotzig zum richtigen Abteil. Nach mehrmaligem überprüfen, öffne ich die Schiebetüren und blicke in die Gesichter vierer junger Männer, nicht unsympathisch auf den ersten Blick.
    Mit knappen englischen Sätzen signalisieren wir uns gegenseitig menschlichen Umgang – ich weiß gleich: die Jungs sind okay.
    Kurzer Aklimatisation meinerseits folgt, meiner Neugier entspringend, die Frage, wo es denn hin ginge. Als einer antwortet, bin ich doch schon sehr überrascht.
    Auch in den Sarek!
    Sie schauen etwas ungläubig, als ich erwidere, was für ein Zufall das wäre, wir hätten dasselbe Ziel.
    Allein?
    Ja, allein, sagte ich, und ohne jegliche Fjällerfahrung.
    Endlich kann ich den Drang nach dem Nutzen meiner Fremdsprachenkenntnisse entfesseln, wir führen ein nettes Gespräch, wie das Wetter wohl sein wird (der Wetterbericht für diese Region sei schlicht nichtig, da es sowieso die ganze Zeit umschwingt, sagen sie), welche Gefahren es gebe und schließlich, wer denn wo schliefe.
    Sie waren geübte Trekker.
    Das Wort "Sarek" sprechen sie mit ihrem nordischen Akzent so speziell aus, das A eher wie ein O und das R rollend. Irgendwie hatte es etwas mysthisches, ich werde diesen Ausspruch lange in Erinnerung behalten.
    Eine einzigartige Zugfahrt steht mir bevor, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Das regelmäßige Klacken der Gleisunterbrechungen und dieses vorbeisausende Bimmeln, einfach herrlich.
    Blasender Wind am Fenster, vor den vielen Bäumen und derart verlassenen Gegenden, versetzt mich in Abenteuerstimmung. Ich habe die Hinreise bis zur letzten Etappe geschafft – die Herausforderung kann kommen! Das heißt, es ist nicht wirklich die allerletzte Etappe, eine zweistündige Busfahrt würde am nächsten Tag noch bevorstehen. Denn wir fahren über die Nacht. Es ist eine angenehme Fahrt. Ich fühle mich sicher, es ist gemütlich, gesellig, nach zwei anstrengenden Tagen ein weiches Bett, wahrscheinlich ist es nur das Nötigste, aber es kommt mir eben so vor.





    Tag 3

    Ich achte genau darauf, dass ich nicht verschlafe, aber das ist eigentlich unnötig, denn die anderen haben denselben Ausstieg, das heißt drei von ihnen, einer musste schon früher raus.
    Das kleine Örtchen heißt Gällivare (dort oben die Großstadt schlechthin). Verändertes Klima schlägt mir entgegen, rauer, nordischer.
    Der Bus, der mich nach Suorva, dem entgültigen Einstieg in den Sarek bringen soll, ist schnell randvoll, um diese Zeit wollen scheinbar sehr viele zum Wandern, Besichtigen etc. Sich einfach nicht aus der Ruhe bringen lassend, holt der schon ältere Busfahrer mit kurzen weißen Haaren sein Handy aus der Tasche und verständigt kurzerhand seinen Kollegen, er solle mit einem zweiten Bus kommen.
    So wird das bei denen gemacht!
    Da ich nach Suorva muss, darf ich aber gleich in der Ersten mit demselben Busfahrer steigen. Eigentlich würde die Fahrt nicht billig sein – ich versuche mein Glück und zeige das Interrail-Ticket vor – der Fahrer wirft einen Blick darauf und signalisiert mir, es sei schon in Ordnung, winkt ab und ich nehme erfreut Platz. Das Interrail-Ticket gilt für diese Busfahrt eigentlich gar nicht.





    Im Bus



    Eine leere breite Straße mit geschmeidigen Rundungen zeichnet den Weg, und nach wenigen Zwischenhalten bei verschiedenen Fjallstationen während der mehrstündigen Busfahrt komme ich nun endlich in Suorva an.
    Zwei oder drei weitere steigen aus, ich glaube es sind Deutsche. In diesem Augenblick fängt es auch schon zu regnen an – wie bestellt!





    Auf dem Weg nach Suorva





    Zwischenstopp an einem See



    Den Rucksack wasserdicht machend, studiere ich die Umgebung – sieht schon so ähnlich aus, wie auf den Satellitenbildern und der Karte.
    In stolzen Schritten schreite ich dem berühmten Suorva-Staudamm entgegen.
    Ich habe es geschafft! Wobei – es beginnt doch erst?





    In der Nähe des Staudamms



    Zuerst hole ich die Kamera heraus und mache Bilder von der leicht vernebelten Umgebung, von mit tief liegenden Wolkenfetzen bedeckten Steilhängen, von schmalen Wasserfällen, die sich mehrfach abzweigend gerade nach unten bewegen.
    Noch sind vereinzelt Häuser zu sehen und Zäune und Strommasten. Ein geteerter Weg führt mich über einen Fluss und neben dem riesigen Staudamm vorbei, der für den jetzigen Wasserstand viel zu hoch ist.







    Ich stoße auf ein winziges Dörfchen, das in irgendeiner Form zur Betreibung von Landwirtschaft da ist. Auf Menschen treffe ich nicht. Der Wanderführer beschreibt leider nicht gerade detailliert, wo es nun auf den Pfad geht, der direkt in den Nationalpark verläuft.
    Nahe an der Küste des nächstgelegenen großen Sees (oder ist es ein riesiger Fluss?) entferne ich mich von den Häusern, überquere kleine Bächlein, doch der Weg bricht irgendwann ab. Ich verstehe nicht und bin mir ziemlich sicher, genau den Anweisungen des Guides gefolgt zu sein.
    Nach langem Herumgesuche, Gegrübel und nervenaufreibender Suche, beschließe ich nochmal zurück zu gehen, um einen anderen Weg zu suchen, den ich anfangs für falsch gehalten hatte – es bleibt mir nichts anderes übrig. Zurück bei den Häusern rege ich mich darüber auf, dass ich zweieinhalb Stunden vergeudet habe (!!) und noch kein Bisschen voran gekommen bin. Hoffnungsvoll schlage ich nun einen anderen Weg ein, der eigentlich viel zu weit weg vom See verläuft.
    Nach ein paar Minuten treffe ich auf zwei Einheimische, die arbeitend neben einem brennenden Feuer (es hatte sicherlich irgendeinen Nutzen) auf der freien Wiese stehen und mich anfangs nicht weiter beachten.
    So unaufdringlich wie möglich werfe ich fragende Worte hinüber – dann: "Sarek?" und zeige mit dem Arm in Richtung des sich einer kontinuierlichen Steigung windenden Weges durch ein mit hohen Büschen und niedrigen Bäumen bewachsenes Gebiet.
    "Yes, yes, this way!" bestätigen sie. Getrieben von diesem positiven Hinweis, steige ich immer höher und höher, über Geröll und Schlamm und Sumpf. Ein letztes Mal stoße ich auf einen Menschen in einem großen Bagger, der, genau wie ich, versucht, sich einen Weg durch das unübersichtliche Gebüsch zu bahnen.
    Der Trampelpfad ist ein Segen – sobald ich mich noch unter der Baumgrenze befinde, sollte ich mich streng an den beschriebenen Weg halten. Im Wanderführer steht, manchmal bricht dieser ab, leider aber auch nicht viel mehr.
    Geplagt von dem immer wieder auftretenden Sumpf und schlammigen Untergrund, komme ich irgendwann ganz vom Weg ab und beschließe querfeldein zur rettenden Baumgrenze zu gelangen.
    Das ist schwerer als geplant, mit dem Rucksack bleibe ich oft an Zweigen hängen, ich überquere Flüsse und irre im Gebüsch umher.








    Hinauf, immer hinauf



    Nach nervenaufreibenden Stunden, dessen Beschreibung mangels ausreichendem Erinnerungsvermögen hier ausbleiben (grob: es macht keinen Spaß und ich habe Angst nicht weiter zu kommen und/oder mich zu verlaufen), finde ich an einer anderen höheren Stelle den Weg wieder, verfolge diesen mit Vorsicht und Eifer, kann die Zipfel der herannahenden Berge des Sarek erkennen.
    Es zieht sich ewig hin, immer weiter hinauf, hinauf. Schließlich befinde ich mich aber auf einer freien Fläche, der Wind ist beständig und stark hier, ich hole die Karte heraus, orientiere mich. Das klappt unerwartet gut, beachtet man die Tatsache, dass ich wirklich kein geübter Kartenleser bin, eigentlich ist es das erste Mal, dass ich ernsthaft mit Kompass und Karte arbeite. Die markanten Berge erleichtern es noch – anfangs bin ich mir nicht ganz sicher, schreite weiter Richtung Süden und fühle mich glücklich, als ich nun vollends sicher bin, wo ich mich befinde.
    Noch ein Stück weiter und dann ist die Sehnsucht Realität – ich befinde mich nun endgültig im Sarek. Unterschiedlichste Gebirgszüge umschließen mich, als ob ich mich in einer Glaskugel befände. Unterstreichen meinen Mittelpunkt, alleine stehend auf einer riesigen Fläche, grenzenlose Freiheit – wie ich sie doch so lange herbei gesehnt habe.
    Dies setzt Maßstäbe für mich, jetzt kann kommen, was will, die Genugtuung habe ich, den Erfolg, verbissen verfolgt, ein weiteres Häkchen auf der To-Do-Liste meines Lebens.





    Die Sehnsucht wird Realität



















    Die Landschaft ist geprägt von niedrigem robustem Weidenkraut und aus dem Boden herausgagenden Felsen. Der Himmel teils blau, an den meisten Stellen jedoch mit hellen, manchmal dunkleren Wolken verhangen. Das Wetter sollte jedoch halten.
    Ich fühle mich wie eine Ameise, als ich durch das riesige Tal gehe, die seitlichen Berge mit den nahen schneebedeckten Spitzen ziehen ganz langsam an mir vorbei. Es macht unheimlichen Spaß ohne vorgeschriebene Richtung das Gefühl des Vorankommens zu erleben, keine Einschränkungen, und alles was ich brauche habe ich in meinem Rucksack (und sogar noch mehr).
    Die Flüsse stellen in diesem Punkt eine Ausnahme dar und früher oder später steht eine ordentliche Furt an. Das Rauschen des eiskalten klaren (und sehr leckeren!) Wassers weckt meine Neugier und bringt Aufregung. Am Ende des Tages sind die Flüsse wasserreicher, als in der Früh.





    Das erste Hindernis



    Ein Stock! Verdammt, ich habe noch daran gedacht, mir einen Stock zu besorgen, war dann aber doch zu nachlässig gewesen. Zu spät, ich würde im ganzen Nationalpark keinen Stock mehr finden – keine Bäume, keine Zweige.
    Meine Anti-Rutsch-Schuhe kommen zum Einsatz, die schweren Wanderschuhe hänge ich oben an den Rucksack – so bleiben diese zwar trocken, aber es ist viel schwerer das Gleichgewicht zu halten. Das wasserdichte Verpacken empfindlicher Dinge, wie Geldbeutel, Karte etc. kostet mehr Zeit und Geduld, als man denkt.
    Und das Überqueren des Flusses war schwerer, als ich dachte. Die schön rutschfreien Gummisohlen der Wasserschuhe greifen bei den extrem glitschigen moosbewachsenen Steinen nicht. Zum Glück gab es auch andere Steine, die Stabilität garantieren.
    Systematisch suche ich mir einen Weg, allerdings darf ich mir dabei nicht zu viel Zeit nehmen, denn das Wasser ist zwar nicht eiskalt, aber auf Dauer auch nicht wirklich angenehm.
    Ich kann nicht stehen, ohne mich nach vorne gelehnt an trockenen höheren Gesteinsbrocken festzuhalten, sonst falle ich um. Gegen Mitte des Flusses reicht mir das Wasser schon bis zu den Oberschenkeln – so war das nicht geplant. Es sah so aus, als ob es höchstens zu den Knien reichen würde. Auch der Druck des Wassers will mich bezwingen, so scheint es. Durch die Strömung ist es schwer, den Grund zu erkennen.
    Langsam aber sicher komme ich voran, einmal wird es brenzlig, als mir das Wasser tatsächlich bis zur Hüfte reicht, mit einem letzten Sprung Richtung Flussufer, hechte ich mich an Land. Nein, dass es so kompliziert werden würde, habe ich wirklich nicht gedacht.





    Die erste Furt ist geschafft



    Ein Stock hätte hier viel bewirkt. Wenigstens ist nichts nass geworden. Von dem Erfolg der geglückten Furt gekrönt, laufe ich noch bis elf Uhr Abends.



















    Eine Zeit lang macht sich Einsamkeit, Unbehagen und Unsicherheit in mir breit, aber als ich weit unten im Tal winzige bunte Pünktchen und den Rauch eines Lagerfeuers erblicke, weiß ich, ich bin nicht allein.





    Stark herangezoomt gut zu erkennen: Gesellschaft



    Eigentlich wollte ich so wenigen Menschen wie möglich begegnen, aber dieses unscheinbare Erlebnis ist Wind in den Segeln meines inneren Impulses, weiter zu kommen. Ich winke, wahrscheinlich umsonst, gehe gut gelaunt und (wenn auch unbegründet) fasziniert weiter.
    Es wird hier kaum dunkel in der Nacht, sehr angenehm für mich, da sich mein Tagesrhythmus vorzugsweise um viele Stunden nach vorne verschiebt. Obwohl ich erst gegen Mittag in Suorva angekommen bin, konnte ich die Strecke eines ganzen Tagesmarsches zurücklegen – meine Beine beschweren sich nicht und ich habe keine Probleme mit Blasen – seltsam, denn bei so einer Strecke tun mir normalerweise schon die Beine weh.





    Ich komme am ersten Tag sehr gut voran








    "Ein sonderbares Gefühl, hier zu sein. Bis auf den Wind ist es so ruhig, manchmal höre ich fremde Vögel quieken. Dauernd trifft man auf Spuren von Wild. Ich habe vorhin sogar die Knochen eines Geweihes gefunden.
    Erst wenn man hier ist, merkt man, dass jeder Berg, jeder Fluss, jedes Tal seinen eigenen Charakter hat und einzigartig ist. Ich schaue um mich und finde keine Worte, die Stimmung hier zu beschreiben. Sie ist besonders."





    Freiheit



    Als das Zelt aufgestellt ist, koche ich mir Nudeln – sie schmecken hier übernatürlich gut.
    Beim Aufstieg vorhin habe ich einen anderen Trekker getroffen, der mir den Rat gab, nicht wie geplant nach Kvikkjok, sondern nach Staloluokta zu wandern. Schöner und kürzer. Diesen Ratschlag behalte ich im Kopf.
    Als ich nach dem Ausspülen der Sachen und dem Fertigmachen schließlich im Schlafsack liege, höre ich tatsächlich Geräusche, die nur Tiere verursachen könnten. Einbildung kann es eigentlich nicht sein, der Wind kann es auch nicht sein. Vielleicht nur ein Vogel. Einmal war es ganz nah, wenige Meter vom Zelt entfernt. Still sein und abwarten – mir kann nichts passieren, denke ich mir immer wieder. Das hilft.



    Nordische Nacht










    Klein, aber gemütlich und schnell aufgebaut






    Tag 4










    Zu diesem Tag gibt es eigentlich nicht allzu viel zu sagen. Außer dass ich verdammt weit komme.





    First Person










    Manchmal kosten mir Flüsse viel Zeit. Einmal wird es sogar gefährlich – um da Gleichgewicht besser halten zu können, behalte ich die Schuhe bei einem größeren Fluss an. Es ist schon später Nachmittag, nach wie vor habe ich keinen Stock. Mit den Schuhen lässt es sich erstaunlich gut waten, aber der Strömungsdruck ist so stark, dass ich mich richtig anstrengen muss, um die Beine von der Stelle zu bewegen. Etwa in der Mitte wird es kritisch, ich muss mich nach vorne fallen lassen, die Arme greifen ins Ungewisse, sonst wäre ich nach hinten gekippt und fortgetragen worden.
    Den Rucksack abwurfbereit, suche ich nach einer stabilen Position, jetzt nur keine Panik. Diesmal ist das Wasser viel kälter, Füße und Beine werden taub und gefühllos.
    Auf allen Vieren versuche ich seitlich voran zu kommen. Plötzlich treffen mich von der Strömung fortgerissene Steine am Schienbein, nicht verletzend, aber sie zeigen, dass mit diesem Fluss nicht zu spaßen ist. Das Wasser ist vom aufgewirbelten Grund weißlich. Mehrmals komme ich in gefährliche Situationen, bei denen mein Gleichgewicht versagt und ich drohe umzukippen.
    Irgendwie am anderen Ufer angekommen ordne ich mich neu, presse das mit winzigen weißen Gesteinspartikeln durchsetzte Wasser aus den Schuhen.
    Es war leichtsinnig an dieser Stelle zu furten. Obwohl ich die restlichen Flüsse meistens ohne Wasserkontakt überqueren kann, entwickle ich eine gesunde Abneigung gegen diese.







    Warum sehen diese Flüsse immer nur so ungeheuer harmlos aus!?



    Einmal zeigen mir Rentiere (auf die ich nicht selten stoße – manchmal lassen sie mich ganz nah an sie heran) eine anständige Stelle an einem anderen Fluss, bei dem ich schon eine Weile erfolglos gesucht hatte – wie aus dem Bilderbuch. Ich folge ihnen problemlos. Diese anmutigen Tiere in der freien Wildbahn zu beobachten ist etwas Besonderes – mit den pelzigen Geweihen – schön.










    Einige Eindrücke vom zweiten Tag:






















































    Jetzt sind die Schuhe nass und bleiben das auch. Jedes Mal, wenn ich auftrete, ertönt ein Schmatzen. Irgendwann habe ich mich daran gewöhnt und es ist mir egal – Hauptsache es ist nichts Gefährliches, dieses Motto festigt sich im Laufe des Tages.








    Gegen Ende desselben, treffe ich auf vergleichsweise viele andere Trekker. Vor allem in der Nähe des bekannten Nottelefons, das als eine Art Treffpunkt in der Mitte des Sareks gilt, sind einige Zelte aufgestellt, und ich unterhalte mich mit einer Gruppe, die dort ihr Lager aufgeschlagen hat.





    In der Mitte des Sarek angekommen, wird es dunkel



    Das Gespräch mit einem Schweizer zuvor, der sich im Sarek mehr als gut auskannte, änderte meine Route beträchtlich. Ich hatte mich zugegeben nicht wirklich ausführlich mit den Anbindungsmöglichkeiten nach Gällivare beschäftigt, aber hätte auch nicht gedacht, dass es von Staloluokta so schwer sein würde (scheinbar kein Bus – nur Helikopter), von dort weg zu kommen. Kvikkjok war weit weg und verlief durch viel Wald und weniger annehmliche Gegend.
    Das beste Ziel war dann Akkastugorna im Norden. Dazu müsste ich das Ruotesvágge durchqueren. Von dort aus mit dem Boot über einen See und mit dem Bus weiter nach Gällivare. Machbar.
    Ich lasse den Platz bei dem Nottelefon hinter mir und gehe zur Verwunderung der Personen aus dem Gespräch zuvor weiter, obwohl es schon sehr spät am Abend ist.


    Sonderbare Entdeckungen







    Um Mitternacht, als es schon etwas dunkel ist, schlage ich mein Zelt in der Nähe des Weges auf, mitten im Ruotesvágge. Dabei regnet es und ich muss mich beeilen. Ziemlich ausgelaugt von den Strapazen des vergangenen Tages, bette ich mich in meinem Schlafsack zur Ruhe. Ich bin heute so weit gelaufen, dass ich theoretisch schon morgen in Akkastugorna ankommen könnte. Es wäre allerdings schon ein weiter Weg. Nach zwei Tagen habe ich jetzt schon mehr als die Hälfte hinter mir – auch wenn es nicht die längste Route ist, bin ich sehr schnell voran gekommen. Mit sieben Tagen war ich also nicht wirklich richtig gelegen.
    Die Nacht bringt unheilvoll wirkende Wolkengeschwader über die zackigen Felsspitzen in der Ferne. Schwachblaues Licht dringt hindurch, lässt das Land aber dunkel bleiben.
    Der Regen wird stärker, der Wind zerrt und rüttelt an meinem Zelt, wenn ich es nicht so fest abgespannt hätte, wäre ich nun richtig besorgt gewesen. Aber obwohl ich zuversichtlich bin, dass mein kleines winschnittiges Zelt stand hält, wird es mir ein wenig mulmig. Tatsächlich erlebte ich selten solch einen Sturm, wobei es einem im Zelt nochmal viel schlimmer vorkommt.




    Tag 5








    Ist die Luft rein? Nein!



    Die Erschöpfung beschert mir einen festen Schlaf, als ich morgens erwache, nieselt es noch. Mal nimmt der Regen zu, dann wieder ab. Kurzzeitig kommt nichts herunter, dann wieder größere Tropfen. Ich warte ab, schreibe Tagebuch, luge aus einem offenen Schlitz der Zelttür: Tropfendes, teils gelbliches Gras unter einer grauen dicken Suppe aus Nebel – das andere Ende des Tals ist kaum zu erkennen.

    "Eine Gruppe von Schweden, die beim beliebten Platz beim Nottelefon ihr Lager aufgeschlagen hatten, kamen von Akha und bestätigten, dass von dort aus drei Mal täglich Boote nach Ritsem führen. Wenn ich mein Tempo halte und wenn dieser verdammte Regen mal aufhören würde, könnte ich morgen Abend dort sein.
    Ich werde jetzt alles langsam zusammenpacken und das Zelt notfalls im Regen abbauen."


    Soll ich bei Regen aufbrechen oder noch warten?
    Zu diesen Gedanken esse ich Knuspermüsli und Schokoriegel – die Dinger machen vielleicht süchtig... Aber sie vertreiben auf jeden Fall die Zeit und geben einem vorübergehend Motivation zum Aufbruch. Wie ungewohnt gemütlich es doch in dem Ein-Mann-Zelt ist, das gleicht die zwängende Enge aus.
    Als es um Mittag herum immer noch regnet, treffe ich die richtige Entscheidung, wie sich später herausstellen wird.
    Ich mache den Rucksack transportfertig (kein leichtes Spiel bei so wenig Platz!), schlüpfe in meine klammen, noch ziemlich durchnässten Schuhe, schaudere oft und baue das Zelt bei leichtem Regen so schnell wie möglich ab (13:30 Uhr). Bei der ganzen Aktion ist durch etwas Sorgfalt zum Glück nur recht wenig wirklich nass geworden.
    Wieder dieses Gefühl des Aufbruchs – ich lasse meine Schlafstelle hinter mir, dieses Verlassen hat den intensiven Charakter eines rituellen Aktes. Ich bewege mich wieder fort – auf ins Ungewisse. Wärme, ich empfange dich.
    Zunächst kann ich mich weiterhin auf dem deutlichen Trampelpfad halten (der inzwischen völlig aufgeweicht und schlammig ist), aber es wird deutlich, dass eine Orientierung hier sehr schwer fallen kann. Wie in dem Wanderführer beschrieben, der mir in der jetzigen Situation auch nur ein paar Informationen zum jetzigen Tal, dem Ruotesvagge, liefern kann. Wenigstens wird es als ein einfach zu durchlaufendes Tal beschrieben.
    Rentierrudel lassen sich sehen und leisten mir etwas Gesellschaft in dieser trostlosen grauen Gegend, die bei erträglicherer Witterung sicher eine wundervolle Strecke abgegeben hätte.







    Jetzt zeigt sich, wie kälteresistent sich mein Körper geben würde. Hose und Beine sind bald ganz durchnässt, aber durch die Bewegung verspüre ich nur wenig Kälte. Die Füße haben sich an die Nässe gewohnt und es macht irgendwie keinen Unterschied mehr, ob sie nass oder trocken sind.
    Die Wolken hängen so tief, dass ich nur den Fuß der Talberge erkennen kann. Ich muss Flüsse überwinden, die normalerweise nur ganz kleine Bäche sind, auf der Karte nicht eingezeichnet. Der hohe Niederschlag hat hier über Nacht einiges verändert.
    Das Terrain, die Landschaft verändert sich, das viele Gras verwandelt sich in teils schwarze Gesteinsflecken und viel Sumpfgebiet, dort wo das Wasser etwas tiefer steht. Diesen riesigen Pfützen gilt es auszuweichen – manchmal ist es gar nicht so einfach einen trockenen Weg zu finden. Der Pfad ist längst verschwunden, viele Wege eröffnen sich mir, eine weite Fläche, von der kaum etwas zu sehen ist.
    Und nun ist es an der Zeit den richtigen Weg einzuschlagen. Zwar kann man sich an den breiten Tälern einfach orientieren, aber die schlechte Sicht verhindert im Moment eine schnelle Bestimmung des Standortes.
    Der Wind macht ein Lesen der Karte unmöglich, erst als ich mich auf die windgeschützte Seite eines (vergleichsweise) kleinen Hügels flüchte, kann ich diese aufschlagen und bin froh, als ich nach mehreren planlosen, vielleicht etwas verzweifelten Minuten weiß, wo ich lang gehen muss. Nahe Hügel, ähnliche diesem, helfen beim Kartenlesen unheimlich.
    Vom übrig gebliebenen Wind geplagt, packe ich das gute Stück ungeduldig wieder in die durchsichtige Plastikhülle.









    Weiter geht es durch eine Ansammlung mehrerer breiter Gletscherströmungen, diesmal richtig weiß, es schmeckt etwas salzig, als ich mit der Fingerspitze probiere. Dieses Gewässer stellt kein großes Hindernis dar. Leider aber auch nur das – die Realität erweist sich nämlich als viel unschöner. Ich verschätze mich durch die Undurchsichtigkeit des lautstark fließenden Wassers sehr und sehe mich nach einigen Schritten bis zur Hüfte in der eisig kalten Brühe stehen. Fast überwältigt mich die Macht der Strömung, mit Mühe kann ich standhalten, breitbeinig und nach dem Schritt in die unerwartete Tiefe mit dem Herz in der Hose.
    Schritt für Schritt bewege ich mich Richtung Ufer, es sah doch so einfach aus. Aber das habe ich bis jetzt schon oft gedacht und so viele Male hat sich dieser Gedanke als falsch herausgestellt. Unterschätze niemals die Macht des Wassers, die Korrektheit dieses Satzes habe ich nun zu Genüge in der Praxis am eigenen Körper erfahren können.
    Der nach der Adrenalinausschüttung aufkommenden Kälte an der unteren Körperhälfte und den kleinen Kieselsteinen, die sich neben viel Wasser in meine Schuhe gegraben haben, trotzend, schlurfe ich ans Trockene. Naja, es regnet noch immer. Wind und Regen haben sogar zugenommen.
    Nachdem ich die Schuhe notdürftig ausgewrungen habe, geht es weiter, jetzt zerrt das Wetter zunehmend an meinen Nerven. Zwar hält mich die Jacke trocken, aber unter der Gürtellinie ist alles pitschnass, ich friere, obwohl ich mich mit dem Laufen beeile. Kurze Zeit jogge ich, ein seltsames Gefühl, hier zu joggen. Durch diese Weite, scheint man nicht voran zu kommen.
    Ein sehr unglücklicher Umstand ist auch der Gegenwind. Regen peitscht mir ins Gesicht, die Kapuze ist fast hinfällig. Ich frage mich, wie lange das noch so weiter geht, der Nachmittag neigt sich dem Ende und das Wetter spielt nach wie vor verrückt.
    Verflucht sei dieser Tag, denke ich mir, das muss wirklich nicht sein. Ich bekomme nun also die unbarmherzige des Sarek zu spüren. Wind und Wetter beschreiben diese Situation am treffendsten.
    Was gäbe ich, um ein warmes Plätzchen, ein Dach über dem Kopf, eine Wärmequelle – aussichtslos. Nur karge Naturlandschaft um mich herum.
    Bis zum frühen Abend dachte ich zumindest so.
    Nach strapazierenden kalten langen Stunden bilden sich an der Nebelwand vor mir ganz sanfte Konturen ab.
    Neugierig nähere ich mich. Wahrscheinlich nur ein herausragender Fels oder ein Erdhügel. Es wird klarer und ich erkenne eine Form. In der Natur gibt es keine rechten Winkel – also gibt es hier doch etwas von Menschen Erbautes?
    Als ich mich weiter nähere, schwinden die Zweifel – ich laufe auf ein winziges Haus, eine Hütte mit ziemlich flachem dreieckigem Dach zu! Vielleicht unbewohnt? Ich werde es herausfinden.
    Zuerst kann ich es nicht fassen – das käme mir jetzt einfach zu gelegen. Aber ich kann doch nicht einfach ein fremdes Haus betreten?





    Eine Fata Morgana in Lappland!?



    Als ich wenige Meter vor der hölzernen Tür des heruntergekommenen Baus stehe, öffnet sich die Tür.
    Ein Mann tritt heraus. Er kommt mir seltsam bekannt vor.
    Mit einem Lächeln begrüßt er mich, schaut mitleidig drein.
    Wir wechseln ein paar eher unverständliche Worte, bis ich "I met you yesterday!" heraushöre.
    "At the phone station?"
    "Yeah, right."
    Die Hoffnung verwandelt sich ruckzuck in herzerwärmende Gewissheit. Ich frage, ob ich auch herein kommen könne, er meint es wäre kein Problem.
    Übertriebener Geruch von Heizöl stößt mir entgegen, unangenehm. Aber es ist trocken – und es ist wärmer, als draußen.
    Im Innern der Hütte finde ich mich in einem quadratischen Raum wieder, größer als von außen angenommen.
    Alles, was hier rumsteht, ein Stuhl, die Betten, ein dünner Tisch, auch die Wände und das Dach und der Ölherd sehen sehr alt und verkommen aus. Außer vielleicht in Museen habe ich so etwas noch nie gesehen – wer wohnt hier? Wem gehört es?
    Ein weiterer Insasse begrüßt mich, als der andere draußen Wasser holt.
    Ich ordne mich, bin einfach froh einen Unterschlupf zu haben, hänge meine Klamotten auf, erfreue mich an dem von einer kleinen Gaskartusche gespeistem Licht und komme mit den beiden ins Gespräch. Untereinander sprechen sie Norwegisch und Schwedisch gemischt. Sie sind überaus sympathisch und erklären mir, dass dies eine alte Hütte der Samen (Einheimische dieser Gegend) ist und früher als Unterschlupf für die Rentierzüchter diente.
    Im verlassenen Sarek? Ja, zumindest am Rand – die Nationalparkgrenze ist nicht mehr wirklich weit von hier.
    Ganz in Ruhe, ohne Angst vor aufkommendem Unwetter, nahm ich meinen Gaskocher heraus und machte mir etwas warmes zu Essen. Wieder dieses sichere Gefühl der Geborgenheit.


    Unerwartete Gesellschaft:









    "Ich sitze gerade auf einer der verkommenen Matratzen im Schlafsack und schreibe.
    Die beiden sind so nett und so cool drauf. Sie haben sich auch erst kürzlich getroffen und beschlossen den dritthöchsten Berg im Sarek im Akha-Massiv zu besteigen.
    Es ist unglaublich wie gemütlich es hier ist, die beiden andern empfinden das genauso. Mir war selten so gemütlich, wie jetzt.
    An diese Momente werde ich mich für immer erinnern."


    Der Norweger ist Lehrer und lebt in Trondheim. Er unterrichtet Sport, Geschichte und Wissenschaft und geht über 50 Tage im Jahr auf Trekking.
    Trotz des warmen Essens inklusive Müsli als Nachspeise, fühle ich mich unterkühlt.
    Ich habe eigentlich geplant noch bis in die Nacht weiter zu laufen, um morgen früher am Zielort anzukommen und noch ein Boot über den See zu bekommen, nach Ritsem, von dort aus nach Gällivare und dann einfach irgendwie nach Süden. Aber ich ändere diese Vorstellung im Laufe der Zeit, die ich hier verbringe. Ich beschließe hier zu übernachten und morgen gestärkt die restliche Strecke abzulaufen.




    Lass alles raus, Wetter!


    Ich mache mir Gedanken, wie es mit der Heimfahrt aussehen wird – mein Interrailticket wird mir hoffentlich dienlich sein, ich habe nicht viel Ahnung von den Anschlussmöglichkeiten, Strecken usw. Die Heimreise ist ungewiss, aber das war sie damals in Frankreich auch und es klappte auch. Es heißt wieder: Irgendwie kriege ich das schon gebacken! Wenn ich diesen Satz ins Tagebuch schreibe, hilft mir das unheimlich. Einfach immer nach Süden, das kann ja nicht so schwer sein.
    Der Norweger packt sein Satellitentelefon aus – auf meine Bemerkung, ich hätte gehört die Dinger funktionieren nicht immer, erwiedert er, es hätte noch nie nicht funktioniert.
    Das schlechte Wetter hält an. Uns kann es egal sein. Hoffentlich bringt die Nacht Besserung. Und hoffentlich sind wenigstens Teile meiner Kleidung morgen trocken. Morgen werde ich mich endlich mal durchringen, mich zu waschen und mir die Zähne zu putzen.
    Ich lese noch etwas in meinem Reiseroman mit den Kerlen auf der verlassenen Insel und finde danach ruhigen Schlaf mit wenigen Unterbrechungen.




    Tag 6


    Der Morgen bringt etwas Klärung der Sicht draußen. Die beiden brechen einige Stunden vor mir auf. Ich gehe mit ihnen nach draußen, winke, bedanke mich nochmals für die nette Gesellschaft, wir wünschen uns alles Gute.
    Noch lange stehe ich neben der alten Holzhütte, verfolge die beiden immer kleiner werdenden Punkte in den sanften Wellen des fernen Hügellandes. Ihr werdet einen Platz in meinen Erinnerungen einnehmen!
    Seltsam fühlt es sich an, alleine in der Hütte, ich werfe noch einmal Blicke in alle Ecken und lasse alles im Ausgangszustand zurück.
    Leider sind die Klamotten über Nacht nur wenig getrocknet, aber besser als vorher.
    Etwa dreißig Meter den Hang hinunter verläuft ein seichter Fluss, klar wie Glas. Auch etwas frisch, jedenfalls nutze ich die Gelegenheit, um mich am Oberkörper abzuwaschen.
    Oh, dieses Gefühl sich bei Nieselregen und stetem Wind auf der nackten Haut und mit nicht mehr als einem Stück Naturseife zu reinigen...













    Alles meins!





    Ein paar Mal den Berg hoch und wieder hinunter rennen und mir ist warm, außerdem ersetzt es das nicht auffindbare Handtuch, ich fühle mich einfach nur quicklebendig. Kein Mensch in Sichtweite, ein weiteres Mal nimmt das so selten aufkommende Gefühl dieser ganz besonderen Freiheit Besitz von mir. Wie ein Hase, der aus seinem Käfig ins Freie hoppelt.
    Diese Selbstständigkeit, dieses "nur sich selbst Rechenschaft schuldig sein", diese Unabhängigkeit ist es, warum ich hier her kam. Ich erinnere mich an die Stunden vor dem Computer, als ich mir sämtliche Bilder des Sareks voller Leidenschaft und Ungeduld ansah, als dies hier noch so fern war. Ich habe es tatsächlich fertig gebracht, alleine bis hier her zu kommen. Für mich persönlich ein unsagbarer Triumph.
    Um 09:30 Uhr breche ich dann entgültig auf, das Ende ist nahe, zumindest, wenn man nach der Karte geht.
















    "Irgendwann konnte ich die Ausläufer des Akha-Massivs ausmachen, im Norden. Der Blick auf die Spitze blieb mir durch die sehr tief hängenden Wolken versperrt. Trotz der schlechten Sicht konnte ich mich grob orientieren, auch wenn ich nie ganz sicher sein konnte, wo ich genau war.
    Durch den extremen Regen vor einigen Tagen, verwandelten sich ganze Flächen, die passiert wurden mussten, in tiefe Sumpflandschaften."












    Ich kann entscheiden zwischen langem Weg, angenehm zu gehendem, oder kurzem Weg, etwas schwer zu orientieren und mit einem größeren zu furtenden Fluss versehen. Ich entscheide mich für den kurzen.
    Eine Weile folge ich dem Fluss, der an der Hütte vorbeifließt und der jetzt immer breiter wird.
    Wieder treffe ich auf Rentiere, die mich ganz nahe an sie heran lassen, finde Geweihknochen, und sanfte Hügelflächen mit neuseeländischem Flair werden überquert.






    Nicht selten trifft man auf diese



    Die Wolken erheben sich, so langsam kann ich schon wieder die tieferen Gletscher erkennen.
    Wenn dieser Sumpf nicht wäre, manchmal reicht mir das modrige Wasser bis zu den Knöcheln. Die tollen Schuhe vermeiden (fast immer) das Schlimmste.
    Als ich soweit bin, dass sich auftürmende Akha-Massiv rechts vor mir ist, ist es an der Zeit den letzten Fluss zu furten. Zwar ist noch nicht sehr spät, aber das Unwetter hat ihm beträchtlich zugesetzt. Er ist breit, aber trotzdem strömungsintensiv. Hellblau bis weiß.





    Der eigens ernannte "Todesfluss", wie sich noch herausstellen wird
    Zuletzt geändert von Razzah; 16.12.2013, 02:14.

    Kommentar


    • sjusovaren
      Lebt im Forum
      • 06.07.2006
      • 6031

      • Meine Reisen

      #3
      AW: Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalmme - Ritsem Te

      Zitat von Razzah Beitrag anzeigen
      Da dies mein erster online gestellter Reisebericht ist, würde ich mich über jegliches Feedback freuen und bin auch für Kritik offen.

      Zu viele Bilder?
      Zu langer Bericht?
      Zu subjektiv berichtet?
      Zu wenige Informationen zur Route (Hintergrundinfos)?
      Erstmal Danke für deinen Bericht. Weckt Erinnerungen.

      Bilder? Zeig die, die DIR wichtig sind.
      Länge? Eher zu kurz!
      Subjektiv? Ohne wäre es ja kein Reisebericht. Und es ist interessant, wie die Landschaft und Situationen auf dich gewirkt haben.
      Infos? Ja, da könntest du ausbauen. Wer die Gegend nicht vor dem geistigen Auge hat, wird es schwer haben nachzuvollziehen, wo du gerade bist.
      Dein Text macht leider etliche große Sprünge und Flurbezeichnungen nennst du fast nie. Wie z.B. ein Gletscherbach heißt, den du gerade furtest etc.
      Auch die Bilder könnte man ja untertiteln. Blick von Westen Richtung Slugga; Blick Richtung Bierikvarasj etc.

      Und daß du auf der Tour gleich mehrfach bis zur Hüfte im Wasser landest. Junge, du machst einem ja Angst.
      Bist wohl Sternzeichen Wasserratte und suchst dir immer die tiefste Stelle aus.


      Zitat von Razzah
      Noch ein Stück weiter und dann ist die Sehnsucht Realität – ich befinde mich nun endgültig im Sarek.
      Gefühlt bestimmt. Auf dem Papier noch lange nicht. Erst nach der Brücke über den Wasserlauf des Guhkesvagge.



      PS, es wäre bestimmt nicht nötig gewesen, zwei Threads zu erstellen. Du kannst doch einen zweiten Beitrag schreiben.
      Vielleicht kann einer der Mods deine Threads ja nachträglich noch vereinen.
      Heilig ist die Unterhose, wenn sie sich in Sonn' und Wind,
      frei von ihrem Alltagslose, auf ihr wahres Selbst besinnt.


      Christian Morgenstern

      Kommentar


      • Mika Hautamaeki
        Alter Hase
        • 30.05.2007
        • 3979
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalmme - Ritsem Te

        Bei deinen Flußquerungen hab ich es wirklich mit der Angst bekommen. Waren die Flüsse generell so voll oder hast Du nur Pech gehabt bei der Wahl der Furt? Im Nachhinein betrachtet, würdest Du ohne Fjellerfahrung (so hatte ich deine Wandererfahrung aus dem Bericht entnommen) wieder solo direkt in den Sarek (oder eine andere Gegend ohne Brücken-Infrastruktur) gehen oder doch lieber z.B. den Padjelantaleden (um in der groben Gegend zu bleiben) vorziehen?
        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
        A. v. Humboldt.

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        • Razzah
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          #5
          AW: Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalmme - Ritsem Te

          Oh, wie dumm von mir, ich hätte ja im gleichen Thread einfach einen zweiten Beitrag schreiben können...
          Naja, wie gesagt, ist das erste Mal.

          Danke für die Tipps!

          Durch die fehlenden Namen und Bezeichnungen hab ich mir schon gedacht, dass ich den Ansprüchen der Erfahreneren in gewissen Teilen nicht gerecht werde, wenn es um den Standort geht.
          Guter Punkt und auf jeden Fall bearbeitungswürdig.

          Die Route auf der Karte habe ich aus urheberrechtlichen Gründen leider nicht zeigen dürfen (hat hier jemand vielleicht eine Idee?).


          @Mika: Da ich Survivalbegeisterter bin, würden mich die Flüsse auch weiterhin nicht von solch einer Tour abhalten. Für die ungünstigeren Furten war zum Einen bestimmt die "Faulheit" nach einer geeigneten Stelle zu suchen und zum Anderen die Tatsache, dass ich keinen Stock hatte, Schuld.
          Da es gegen Ende sooo viel geregnet hat, war der Wasserstand dann auch dementsprechend hoch.
          "Vorgefertigte" Wanderwege wie der Padjelantaleden würden wahrscheinlich das herausfordernde Ungewisse nehmen, was mir fast wichtiger ist, als das Wandern an sich.
          Ich würde mich auf jeden Fall gerne steigern, also z.B. ohne Karte ein ausnahmslos menschenfreies Gebiet durchlaufen.

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          • codenascher

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            #6
            AW: Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalmme - Ritsem Te

            Zitat von Razzah Beitrag anzeigen
            Ich würde mich auf jeden Fall gerne steigern, also z.B. ohne Karte ein ausnahmslos menschenfreies Gebiet durchlaufen.
            Meinst das ist wirklich sinnvoll???

            Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

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            • Sarekmaniac
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              #7
              AW: Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalmme - Ritsem Te

              Also, da Du explizit nach Reiseberichtkritik fragst:

              Dein Text und dein ganzer Schreibstil gefällt mir super gut. Im Gedächtnis bleibt mir bestimmt die Bildunterschrift "Alles meins". Insgesamt kommt richtig schön rüber, wie viel Freude Du gehabt hast, trotz des meist trüben Wetters, nasser Füße, schwieriger Furten... Ich war nass, mir war kalt, ich will da wieder hin

              Zum Furten: Die Wasserstände waren wohl nicht ganz niedrig, allerdings bist Du IMO da zum Teil recht blindlings drauflos, die Probleme kamen dann nicht von hohen Wasserständen per se, sondern durch falsche Wahl der Querungspassage. Einfach genauer schauen, auch mal eine Viertelstunde (ohne Rucksack) das Ufer abgehen, sich von einem erhöhten Punkt einen Überblick verschaffen. Erst denken, dann furten. Und Stöcke sind hilfreich (schreibst du ja selbst).

              Die meisten Bilder haben keinen großen fotografischen Wert. Sie sind für den Bericht, und mehr noch bestimmt für dich selbst, von dokumentarischem Wert, deshalb finde ich sie als Illustrationen okay. Aber es sind keine guten Bilder. Häufig ist der Himmel überbelichtet, zum Teil sind sie sehr unscharf, oft haben sie kein gutes, ansprechendes Motiv bzw. zufällige, nichtssagende Bildausschnitte. Das Foto vom Elchschädel ist eine der Ausnahmen, das finde ich klasse.

              Ohne Karte gehen kann man als "Übung" machen, also versuchen, sich die (Tages)Strecke einzuprägen und die Karten im Rucksack zu lassen. Keine Karten mitnehmen, vor allem, wenn es von einem Gebiet gute Karten gibt, ist einfach nur Leichtsinn und hat mit "Steigerung" (von was auch immer - der Fähigkeiten, der Schwierigkeit) nichts zu tun.
              Zuletzt geändert von Sarekmaniac; 13.12.2013, 14:27.
              Eshche odin zhitel' Ekaterinburga zabralsja na stolb, chtoby dokazat' odnoklassnice svoju bespoleznost'.
              (@neural_meduza)

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              • Prachttaucher
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                #8
                AW: Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalmme - Ritsem Te

                Du hast einen erfrischenden Schreibstiel, der das eigentlich Erlebte gut rüberkommen läßt. Ehrlich gesagt habe ich während des Lesens ständig mit dem Schlimmsten gerechnet und war richtig froh, daß es gut ausging. Respekt für Deine Tagesetappen !

                So grob konnte ich Deine Route nachvollziehen, allerdings verwechselst Du wohl Staloluokta und Saltoluokta. Vielleicht könntest Du das ja in Teil 1 korrigieren - ich vermute mal das in beiden Fällen Staloluokta gemeint war ?

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                • Razzah
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                  #9
                  AW: [SE] Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalme - Ritse

                  allerdings verwechselst Du wohl Staloluokta und Saltoluokta. Vielleicht könntest Du das ja in Teil 1 korrigieren - ich vermute mal das in beiden Fällen Staloluokta gemeint war ?
                  Meinte Staloluokta, richtig.


                  Ohne Karte gehen kann man als "Übung" machen, also versuchen, sich die (Tages)Strecke einzuprägen und die Karten im Rucksack zu lassen. Keine Karten mitnehmen, vor allem, wenn es von einem Gebiet gute Karten gibt, ist einfach nur Leichtsinn und hat mit "Steigerung" (von was auch immer - der Fähigkeiten, der Schwierigkeit) nichts zu tun.
                  Naja, wenn man eine Karte im Rucksack hat, wird man sie (gegen seinen eigentlichen Willen) höchstwahrscheinlich zur Hand nehmen, wenn es unangenehm wird.
                  Wenn man im Vorhinein die ungefähren Chancen "errechnet", da irgendwie wieder rauszukommen, finde ich das nicht so problematisch - es kann eben nur unbequem werden. Mit einem Zelt und Essen kann man verdammt weit kommen.
                  Zuletzt geändert von Razzah; 16.12.2013, 01:46.

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                  • Sarekmaniac
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                    #10
                    AW: [SE] Ausführlicher Reisebericht Sarek,Sommer 2013 Suorva - Änonjalme - Ritse

                    Naja, wenn man eine Karte im Rucksack hat, wird man sie (gegen seinen eigentlichen Willen) höchstwahrscheinlich zur Hand nehmen, wenn es unangenehm wird.
                    Wenn man im Vorhinein die ungefähren Chancen "errechnet", da irgendwie wieder rauszukommen, finde ich das nicht so problematisch - es kann eben nur unbequem werden. Mit einem Zelt und Essen kann man verdammt weit kommen.
                    Niemand wird dich auf Tour zwingen, etwas gegen deinen Willen zu tun (hoffe ich mal).

                    Weit kommen kann man eventuell schon, es ist halt die Frage, wo man am Ende rauskommt. Also mal als fiktives Beispiel, ausgehend von deiner Sarektour: Du stellst aufgrund eingetretender Probleme (z.B. komplett durchnässt, Arm gebrochen, Zelt geschrottet etc. pp) fest, dass es nunmehr dein eigentlicher Wille ist, eine Hütte aufzusuchen. Du befindest Dich, sagen wir mal, im Sarvesvagge im Bereich der Wasserscheide. Mich würde interessieren, wie Du deine "ungefähren Chancen" einschätzt, ohne Karte die (gar nicht weit entfernten) Tuottarhütten im Padjelanta zu finden? Und wie berechnest Du diese Wahrscheinlichkeit? Woher weißt Du ohne Karte überhaupt, dass es dort Hütten gibt? Und was ist das Gegenstück deiner Gleichung, also: "Wenn ich die Hütten nicht finde, dann..."
                    Zuletzt geändert von Sarekmaniac; 18.12.2013, 10:36.
                    Eshche odin zhitel' Ekaterinburga zabralsja na stolb, chtoby dokazat' odnoklassnice svoju bespoleznost'.
                    (@neural_meduza)

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