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Leider kommt hier erst Teil 2, dann Teil 1!
Bitte zum zweiten Beitrag in diesem Thread runterscrollen.
Teil 2:
Mehre Male versuche ich eine geeignete Stelle zu finden, aber es ist überall schwierig. Ich versuche es und wenn es gefährlich wird, kehre ich wieder um. Ich will bei der letzten Flussüberquerung schließlich kein Risiko eingehen. Trotzdem bekomme ich nasse Beine und Schuhe.
Dieses Gesuche kostet mir viel Zeit und irgendwann muss ich mich für eine Stelle entscheiden, bei der ich zuerst eine recht große Fläche von knietiefem Wasser, gespickt mit Felsen und großen Steinen, an denen ich mich festhalten kann, durchqueren muss, um an den eigentlichen Fluss heranzukommen.
Sieht tief aus – der Fluss schaut nicht gefährlich, jedoch passierbar aus, aber die letzten Furten haben mich gelehrt, dass selbst ein harmlos aussehender Fluss zum Problem werden kann. Also lasse ich Vorsicht walten und nehme mir viel Zeit. Darunter leiden meine Beine, die immer gefühlloser werden – das Schlechte daran ist, dass ich dadurch nicht mehr so trittsicher bin.
Als ich mich ein bis zwei Meter durchgekämpft habe, immer seitlich stabil gehend, gilt es ein bis zwei tiefe Stellen zu überqueren. Ich studiere die Umgebung, es gibt keine anständige andere Stelle in der Nähe, dies ist noch die Günstigste.
Ich taste mich mit den Füßen nach links und erreiche plötzlich keinen Boden mehr. Vorsichtig verlagere ich mein Gewicht wieder auf den rechten Fuß. Die Stelle links neben mir ist verdammt tief. Selbst bei Knietiefe kann man starke Probleme mit dem Gleichgewicht haben, wenn man ohne Stock geht.
Im Grunde bleibt mir nichts anderes übrig, als zum nächsten hervorstehenden Stein zu springen, wo ich mich wieder festhalten und anlehnen kann.
Dies gelingt mir trotz der sagenhaft gemeinen Strömung sogar noch relativ gut. Nun wird jedoch eine noch tiefere Stelle vor mir sichtbar, hinter dem großen rettenden Felsen, der mein Ziel war.
Kurz dachte ich nach und fühlte mich plötzlich in der Zwickmühle. Ich bin umgeben von Flusstiefen, die mich samt Rucksack problemlos wegspülen und weiter unten in stromschnellenartigen Verläufen enden würden.
Über mich selbst verwundert, komme ich auf die gar nicht mal so dumme Idee, auf den großen Felsen vor mir zu klettern, um von dort aus hinter diesen wieder hinunter zu springen – sozusagen in den Strömungsschatten.
Nach einigen Minuten des Kalkulierens, erachte ich diese Möglichkeit, als die noch am Vernünftigste.
Als ich oben bin, genieße ich den festen Boden unter meinen Füßen. Jetzt muss ich auf der anderen Seite des Felsens hinunterspringen – er ragt etwa zwei Meter aus dem Wasser. Ich spähe über den Rand und sehe leider nicht durch das schäumende Wasser hindurch. Ich habe keine Ahnung, wie tief es ist. Es sieht seichter aus, als die umliegenden Strömungsgebiete, aber das ist auch nur eine Vermutung.
Die Idee mit dem Felsen
"Der Flussboden war einfach unvorhersehbar. Mal glitschig, mal tief, mal schräg/steil.
Das Hauptproblem war, dass ich keinen Stock hatte. Ich war ja noch froh, wenn der Untergrund vor mir so seicht war, dass ich auf allen Vieren gehen konnte. War das nicht der Fall, war die Wahrscheinlichkeit, nach hinten umzukippen groß."
Ich ordne meine Gedanken, mache den Rucksack abwurfbereit, hoffe, mache mich auf das Schlimmste gefasst – jetzt kommt alles auf mein Glück an. Dies war die gefährlichste Situation der ganzen Tour. Ich denke tatsächlich keine einzige Sekunde daran, was passiert, wenn das Wasser zu tief ist.
So tief wie möglich lasse ich mich gleiten. Aber irgendwann wird es zu steil und ich muss mich abstoßen. Mit dem Gewicht meines Ranzens falle ich mit einem Ruck die restliche Distanz hinunter.
In diesem Moment geht alles sehr schnell, zu schnell, um nachzudenken.
Bevor ich es realisieren kann, stehe ich steif aber sicher auf angenehm flachem Boden – das Wasser reicht mir bis zu den Knien.
Mit zitternden Beinen greife ich mit einer Hand nach dem Untergrund und als ich den Arm hebe, kommt zum Vorschein schwarzer grober Sand.
Der Strömungsschatten! Dem Verstand sei Dank! Und vielleicht auch meinem Schutzengel. Besser hätte es nicht kommen können – seichtes Wasser auf solidem Untergrund. Wäre der Boden so steinig und rutschig gewesen, wie sonst, hätte das wirklich böse enden können.
Wie ein Schiffbrüchiger erklimme ich das rettende Land, werfe den Rucksack ab, massiere die Beine und Füße. Das trockene Weidenkraut um mich herum fühlt sich so toll an nach dieser Tortur.
Von Wasser habe ich jetzt erst einmal genug. Zwei Rentiere, ein Großes und ein Kleines, nähern sich mir, während ich die Klamotten auswringe. Ich schaue mich um – ein letztes Mal bekomme ich die grandiose Landschaft zu sehen, der Fluss verläuft S-förmig bis weit in die Ferne. Langsam beginnen sich auch die Wolken zu lichten, man kann Blau erkennen und Sonnenlicht, das auf die obere Wolkendecke trifft.
Ein paar Fotos des Sieges und weiter geht's.
Etliche Male noch muss ich durch unvermeidbare, stinkende, dunkelbraune Sumpffelder stapfen, das Moderwasser fließt mir mal in die Schuhe, so tief sinke ich ein. Die Folge des Niederschlages.
Der Weg über den letzten großen Hügel zieht sich noch etwas, auf der Karte habe ich es kürzer eingeschätzt.
Es zieht sich:
Irgendwann ändert sich der Untergrund, es wird buschiger, mehrere Trampelpfade laufen parallel nebeneinander. Im feinen Nebel unten im Talkessel kann ich mein Ziel erkennen, vor dem See, dort muss die Anlegestelle für die Fähre sein, die mich nach Ritsem bringt. Als ich auf den Padjentandalen stoße – ein beliebter schwedischer Fernwanderweg – weiß ich, ich habe es so gut wie geschafft.
Endzeitstimmung
Bald tauchen kleine Bäume auf, ich überquere mehrere Brücken und Holzstege, die sumpfige Stellen überbrücken sollen – dem Himmel sein Dank! Auch wenn ich nicht darum herum komme, noch mehrmals durch tiefe Pfützen laufen zu müssen. Am Wegesrand finde ich die Überreste eines Schädel samt Geweih eines Elches – was ein Exemplar. Riesig und furchteinflößend – wäre ich in der Lage es zu transportieren, ich hinge es zu Hause über meine Zimmertür.
Birkenhaine prägen das Gesamtbild, der Padjentandalen führt mich schließlich zu einer sehr langen Brücke und ich passiere einen heftig strömenden Fluss. Als ich in der Mitte der Brücke angelangt bin und hinunter blicke, wird mir etwas schwindelig, schaumendes Gewässer peitscht und braust, übertönt alles andere, wehe dem, der sich dort befindet.
Schon bald treffe ich auf Ferienhäuser und einen Aushang für die Bootsabfahrtszeiten. Zu den Missgunsten meines kläglich gescheiterten Zeitmanagaments, war das letzte Boot heute schon abgefahren. Ein sehr netter Mann nähert sich und beantwortet mir meine Fragen, da der Aushang nicht gerade präzise Informationen hergibt.
Das Ziel
Das nächste Boot würde morgen um 08:30 Uhr ablegen. Er meint auch, ich kann mein Zelt unten bei der Anlegestelle aufbauen, das kümmert keinen.
Nun, viel habe ich mir ja bei diesem "Örtchen" nicht erhofft, aber hier gab es wirklich so gut wie gar nichts. Außer vielleicht fünf Ferienhäuser, gibt es nichts, außer ein paar Holzfällerbauten, dem später noch vernehmendem Motorengeräusch nach auch bewohnt.
Der Anlegeplatz besteht aus einer schwimmenden metallenen Insel und einem daran befestigten langen Steg.
Die einzige Möglichkeit, das Zelt aufzustellen, ist vor dem überdachten Aushang der vergilbten Werbung von Freizeitaktivitäten in der Umgebung – ich gehe nicht weiter auf diese ein, denn es interessiert mich einfach nicht.
Wie falsch es doch aussehen würde, wenn hier mein Zelt stünde. Aber etwas anderes kann der Mann von vorhin nicht gemeint haben. Nun ja, die Reste eines erloschenen Lagerfeuers liegen noch da, ich bin wohl nicht der Erste.
Morgen werden sich hier alle Menschen versammeln, die ins Boot wollen und genau da steht nach ungefähr zehn Minuten mein Zelt. Ich hole Wasser aus dem See, keine zwanzig Meter entfernt, es ist sehr klar und allen Anscheins nach genießbar.
Schnell husche ich in mein Zelt, verstecke die stinkenden, verdreckten Schuhe zwischen Innen- und Außenzelt und mache es mir gemütlich. Ich schreibe Tagebuch und knabbere wieder an dem übrigen Knuspermüsli. Einige wenige Male vernehme ich Stimmen von anderen Wanderern, die vorbeilaufen. Ich bilde mir ein sie reden auch über das kleine Zelt, das hier einfach aufgebaut worden ist. Was soll's.
"In Ritsem fährt morgen dann der Bus um zehn nach neun nach Gällivare.
PS: Meine Füße sehen aus wie eingelegte Pepperoni."
Eine Sache finde ich am Rande noch erwähnenswert: Mein kleines Handy spinnt. Oder eher gesagt der Akku. Höchstwahrscheinlich ist es nass geworden, jetzt schaltet es sich nach ein paar Minuten selber wieder ab und ich muss den Akku heraus nehmen und wieder hinein stecken, wenn ich es wieder anbekommen will. Blöd nur, dass ich eigentlich auf den Wecker angewiesen bin – das Boot morgen fährt zwischen acht Uhr und viertel nach acht. Wenn es blöd kommt, verschlafe ich. Wenn da nicht die innere Uhr ticken würde, die mir schon so manche Male verlässlichere Dienste beschert hat. Tatsächlich kann ich ziemlich genau bestimmen, wann ich aufwache (oft genug war es auf die Minute genau).
Ich rede mir einfach immer wieder ein "Um sieben aufstehen, um sieben aufstehen...". Diese Sache ist wichtig, was den Drang, von alleine aufzuwachen noch verstärkt. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass ich mit der Püntklichkeit keine Probleme haben werde.
Bis es ein wenig dunkel wird, genieße ich die Ruhe im geschützten Zelt, verarbeite die vielen Eindrücke der vergangen Tage.
Tag 7
Es ist hell. Ich höre leise Stimmen von verschiedenen Personen. Wie von der Tarantel gestochen, fahre ich hoch, krame mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung nach meiner Armbanduhr.
Halb sechs! Puh!
Ab hier döse ich nur noch vor mich hin, wache jede halbe Stunde vollständig auf.
Die Nacht war verdammt kalt gewesen. Jede nicht bedeckte Stelle wurde mit der unangenehmen Frische bestraft (Oh, die Nasenspitze!).
Rechtzeitig mache ich mich fertig und baue das Zelt ab. Das Boot kommt recht pünktlich um viertel nach acht.
Es handelt sich um ein mittelgroßes Fährboot und kann schätzungsweise höchstens vierzig Personen transportieren. Für einen fairen Preis erhalte ich ein Ticket und nehme im überdachten Innenraum Platz. Ich habe nicht erwartet, in den Genuss einer Bootsfahrt zu kommen. Sie ist eine willkommene Abwechslung.
Langsam tuckern wir vor uns hin, es sind noch ein paar andere Leute an Bord. Gemächlich ziehen die grün bedeckten Steilhänge der sich vorm See auftürmenden Berge vorbei, und beim Beugen über die Reeling sehe ich das klargrüne Wasser aufspritzen, dahinter eine durch die tief stehende Sonne erzeugte Straße aus tausenden glitzernden Sternen auf der ruhigen Wasserdecke, der darüberliegende Horizont gesäumt von länglichen weißen Wolkenteilen hinter hellblauem Himmel. Der Osten.
Eine halbe Stunde dauert die Fahrt, bis ich schließlich in Ritsem ankomme.
Ritsem ist ein beliebter Ausganspunkt unter den Wanderern hier, hieß es. Von einem Ort kann allerdings weniger die Rede sein. Es ist eher ein Parkplatz von Autos und Booten, versteckt hinter vielen Bäumen, befinden sich ein paar Häuser. Ich will gar nicht wissen wer hier wohnt und wie man hier wohnt, so wahnsinnig abseits. Vielleicht sind es nur Ferienhäuser.
Die Wartezeit für den Bus gibt mir Gelegenheit mein Tagebuch wieder ein wenig zu füllen.
Als er schließlich ankommt, stellt sich heraus, dass ich diesmal einen weniger sympathischen Busfahrer erwischt habe. Als ich ihm das Interrail-Ticket zeige, knallt er mir sogleich ein unmissverständliches "No!" ins Gesicht. Schon gut, kann ja nicht immer klappen. Zweihundertfünfzig Kronen kostet mir der Spaß.
Schon gestern hatte ich Bedenken, keinen Zug nach Stockholm oder zumindest Süden zu bekommen – diese würden sich erst in Galliväre äußern.
Auf der Busfahrt sehe ich nochmal die Randgebiete verschiedener Nationalparks, auch des Sareks, an mir vorüber gleiten. Die damalige Ausstiegsstelle, Suorva, ist auch dabei. Bis jetzt hat unterm Strich alles geklappt. Ich denke darauf kommt es an.
Das kenne ich!
Nach der ruhigen, schönen Busfahrt, etwa zwei Stunden später, komme ich auch genau dort an – in Gällivare. Nicht lange ist es her, als ich hier ankam, den Sarek als Ziel.
Die Ticketautomaten hier sollen idiotensicher sein. Leider muss ich aber feststellen, dass sie nichts von Interrailtickets wissen – ich müsste also ganz normale Tickets kaufen, brauche in Wirklichkeit aber nur die Reservierungen.
Also auf zum nächsten Reisebüro, das sich mit ein bisschen Herumgefrage sogar relativ leicht finden lässt. Ein glücklicher Schritt in die richtige Richtung! Bei der netten Dame kann ich Reserviereungen bis nach Malmö, ganz nah der Grenze, erwerben.
Der nächste Zug würde in nur einer halben Stunde losfahren! Mein pessimistisches Denken bezahlt sich nun aus. Ich dachte, die Züge würden eventuell bis für die nächsten Tage ausgebucht sein und ich steckte hier fest. Pustekuchen! Besser kann es nicht sein, ich bin sehr erleichtert.
Zurück am Bahnhof angekommen, kommt auch schon bald mein Zug. Dieser fährt nach Boden.
Eine zähe Fahrt, durch die mehrtägige Hinfahrt sind bei mir die Relationen in Bezug auf Wartezeiten irgendwie verschoben. Sind zwei Stunden lang?
Keine Ahnung, jedenfalls steige ich in Boden in einen Schlafwaggon nach Stockholm. Er sieht im Innern genauso aus, wie auf der auf der Hinfahrt. Diesmal teile ich mein Sechserabteil aber jedoch nur mit einer einzigen Person. Ein zurückhaltender, sehr netter Herr, Ende dreißig, der ebenfalls trekken war. Allerdings im Sjöfallet-Nationalpark. Im Sarek war er auch schon einmal.
Das auch!
Die Zumutbarkeit meiner von Moorwasser durchsetzten Schuhe geht, meiner objektiven Einschätzung nach, gegen null. Unterm Bett verstaut geht es.
Es ist schön, unter Gleichgesinnten zu sein. Gemütlich ist es wie beim letzten Mal. Ich habe einen Tisch, zwei freie Betten, viel Platz und viel Zeit. Wieder das Klackern der Schienen, das ganz besondere vorbeisausende Bimmeln, die geborgene Atmosphäre. Ich fahre nach Süden, immer weiter nach Süden.
Ich plane den weitern Verlauf meiner Reise von Malmö aus. Höchstwahrscheinlich wird es von da aus nach Kopenhagen gehen. Dort werde ich mir ein Ticket von Flensburg nach Hamburg organisieren. Von Hamburg aus will ich direkt nach Nürnberg fahren, die Misere mit den grausigen Regionalzügen vermeiden. Am besten mit dem Bus, allerdings bräuchte ich dafür ein Internet-Cafè für das Ordern.
Vor der langen Strecke ohne Halt über Nacht, bremst der Zug noch einige wenige Male bei kleinen Bahnhöfen ab und ich nutze die Gelegenheit, um im Tagebuch festzuhalten, dass mich mein Mitfahrgenosse darauf hinwies, mein am Gürtel hängendes Survival-Messer (es befand sich die ganze Reise über keine einzige Sekunde im Rucksack) lieber einzupacken, wenn ich in Stockholm ankäme – Obama sei dort zu Besuch. Kein unnützer Rat!
"Bis jetzt lief alles wirklich super – nicht langweilig, aber auch nicht ätzend.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in den vergangenen Tagen je Heimweh empfunden hätte.
Ich hatte gar nicht das Gefühl, weit weg zu sein. Nur eben woanders."
Tag 8
Im Stockholmer Hauptbahnhof informiere ich mich über die Strecke nach Hamburg. Flensburg hat mich gesehen. Ich werde nämlich von hier aus über Kopenhagen direkt nach Hamburg fahren.
In Stockholm angekommen
Die Fahrt von Stockholm nach Kopenhagen ist trotz oder dank des Nichtstuns kräftezehrend. Zumindest mental. Diese schwedischen Schnellzüge sind verdammt leise, ich befinde mich meistens auf dem schmalen Grat zwischen Langweile, Grübelei, Döserei und Halbschlaf. Und ich werde ungeduldig. Ich werde eine so weite Strecke nicht mehr mit Zügen zurücklegen!
"Ich sitze im Kopenhagener Hauptbahnhof. Mich beschleicht das seltsame Gefühl, dass die Preise hier verdammt hoch sind.
In einer dreiviertel Stunde kommt der ICE nach Hamburg. Ich bin erst nach zwanzig Uhr dort. Dann heißt es entweder am Bahnhof übernachten oder in ein Hostel (angeblich direkt daneben).
Hier in Kopenhagen habe ich in einem Internetcafè eine Busfahrt von Hamburg nach Nürnberg gebucht. Morgen um sieben Uhr geht's los und nach siebzehn Uhr komme ich erst an!"
In Kopenhagen angekommen habe ich etwas Zeit, in einem Internetcafè einen Platz im Bus von Hamburg nach Nürnberg zu reservieren. Nürnberg ist nun im Gespräch, welch herrlicher Gedanke. Ich komme voran.
Von hier aus steige ich dann auch in einen deutschen ICE um. Was dieser mir bringen wird, habe ich nicht vermutet.
Als wir an der südlichsten Spitze von Dänemark ankommen, wird der ICE langsamer und ich sehe bereits – das Meer.
Umherkreisende Möwen bereiten Nordsee-Feeling, ich frage mich, was nun kommen wird. Eine weitere lange Brücke mit Gleisen? Nein. Der Zug wird auf eine riesengroße Fähre gezogen und eine Durchsage ertönt, jeder solle sich von Bord des Zuges begeben. Der weißrote ICE ist unter den vielen Autos irgendwie fehl am Platz, auf den Ladeflächen des mehrstöckigen Schiffes.
Ich gehe ganz nach oben, zur Aussichtsplattform, wo sich bereits vermehrt Familien mit Kindern aufhalten.
Eine starke Meeresbrise zerrt an mir. Ich bin noch nie zuvor mit dem Zug auf eine Fähre gefahren.
Es fühlt sich übrigens nicht wie eine Fähre, sondern wie ein richtiges Kreuzfahrtschiff an. Mehr als eine viertel Stunde verweile ich oben, bei außergewöhnlich starkem Wind (es ist herrlich), weit unten die aufbrausende See, beleuchtet von einzelnen durch die Wokendecke hindurch stechenden Sonnenstrahlen.
Da diese Überfahrt so sehr unerwartet kam und vorallem, da ich alleine reise, empfinde ich diesen Moment als schwer beschreiblich abenteuerlich.
Wieder begleiten uns Möwen über unseren Köpfen, die Kinder erfreuen sich an dem anhaltenden drückenden Luftzug.
Irgendwann werde ich mit einem Segelboot eine große Schiffsreise unternehmen, denke ich mir. Diese Augenblicke inspirieren mich besonders. Und zeigen mir wieder (ganz wichtig!), dass die Hin- und Rückfahrt auf alle Fälle fester Bestandteil meiner Tour sind.
Als ich in Hamburg ankomme, wird es bald dunkel. Liebend gerne hätte ich den Schutz eines Zimmers der nahen Hostels genossen, doch dies ist schlicht nicht möglich, denn sie sind voll. Ich werde im Bahnhof übernachten müssen.
Real Urban Survival - Samstag Nacht in Hamburg ohne Bleibe:
Es ist Samstag. Und das nicht gut. In Hamburg. Am Hauptbahnhof. Dies wird mir klar, als ich alle dreißig Sekunden entweder a) einen Besoffene/Besoffene, b) einen Penner/Obdachlose oder c) herumschreiende Asoziale, die meinen, sie hätten es so richtig drauf, sehe.
Die Stadt hat mich wieder – wie primitiv sie mir erscheint. Was für ein Kontrast. Es ist nicht ganz einfach, einen Schlaf-/ Rastplatz zu finden, der seiner Bezeichnung auch nur in Teilen gerecht wird. Permanent achte ich darauf, dass sich niemand an meiner Gürteltasche und meinen Wertsachen vergreift.
Eine überdachte Sitzgelegenheit an einem Bahnsteig im Innern muss reichen, ich weiß nicht genau, ob ich die restlichen sechs, gefühlten zehn, Stunden schlafe oder einfach nur ins Schwarz des Innern meiner Augenlider starre. Denn es ist so gemein kalt, wenn man sich nicht bewegt.
Zwischendurch gibt es einen unschönen Streit zwischen einer Frau und ein paar Jugendlichen – wegen eines Platzes. Solche Probleme braucht die Welt!
Tag 9
Viel zu früh (nicht falsch verstehen - das warten davor dauerte ewig(!)) befinde ich mich im Wartebereich des ZOB Hamburg.
In ein paar Stunden kommt mit etwas Verspätung der Bus – nach...Nürnberg.
Die letzte Etappe steht bevor. Und es ist eine schöne Etappe. Alles, was nichts mit Zügen zu tun hat (ausgenommen sind Schlafwagen), ist im Moment schön.
In tiefes Nachdenken versunken schießt nicht viel später das tiefgrüne Gewächs, am Rande der Autobahn, vorbei.
Meine ganz persönliche Entmysthifizierung des Sarek hat erfolgreich stattgefunden.
Ein Abenteuer, das sich gewaschen hat.
Da dies mein erster online gestellter Reisebericht ist, würde ich mich über jegliches Feedback freuen und bin auch für Kritik offen.
Zu viele Bilder?
Zu langer Bericht?
Zu subjektiv berichtet?
Zu wenige Informationen zur Route (Hintergrundinfos)?
Jedenfalls danke für's lesen!
Für die Fotos benutzte ich im Übrigen eine Sony Cybershot DSC-S500. Uralt, aber es ist keine Schande, wenn sie verloren oder kaputt geht und die Batterien beheben das "Akku-leer"-Problem.
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Teil 2:
Mehre Male versuche ich eine geeignete Stelle zu finden, aber es ist überall schwierig. Ich versuche es und wenn es gefährlich wird, kehre ich wieder um. Ich will bei der letzten Flussüberquerung schließlich kein Risiko eingehen. Trotzdem bekomme ich nasse Beine und Schuhe.
Dieses Gesuche kostet mir viel Zeit und irgendwann muss ich mich für eine Stelle entscheiden, bei der ich zuerst eine recht große Fläche von knietiefem Wasser, gespickt mit Felsen und großen Steinen, an denen ich mich festhalten kann, durchqueren muss, um an den eigentlichen Fluss heranzukommen.
Sieht tief aus – der Fluss schaut nicht gefährlich, jedoch passierbar aus, aber die letzten Furten haben mich gelehrt, dass selbst ein harmlos aussehender Fluss zum Problem werden kann. Also lasse ich Vorsicht walten und nehme mir viel Zeit. Darunter leiden meine Beine, die immer gefühlloser werden – das Schlechte daran ist, dass ich dadurch nicht mehr so trittsicher bin.
Als ich mich ein bis zwei Meter durchgekämpft habe, immer seitlich stabil gehend, gilt es ein bis zwei tiefe Stellen zu überqueren. Ich studiere die Umgebung, es gibt keine anständige andere Stelle in der Nähe, dies ist noch die Günstigste.
Ich taste mich mit den Füßen nach links und erreiche plötzlich keinen Boden mehr. Vorsichtig verlagere ich mein Gewicht wieder auf den rechten Fuß. Die Stelle links neben mir ist verdammt tief. Selbst bei Knietiefe kann man starke Probleme mit dem Gleichgewicht haben, wenn man ohne Stock geht.
Im Grunde bleibt mir nichts anderes übrig, als zum nächsten hervorstehenden Stein zu springen, wo ich mich wieder festhalten und anlehnen kann.
Dies gelingt mir trotz der sagenhaft gemeinen Strömung sogar noch relativ gut. Nun wird jedoch eine noch tiefere Stelle vor mir sichtbar, hinter dem großen rettenden Felsen, der mein Ziel war.
Kurz dachte ich nach und fühlte mich plötzlich in der Zwickmühle. Ich bin umgeben von Flusstiefen, die mich samt Rucksack problemlos wegspülen und weiter unten in stromschnellenartigen Verläufen enden würden.
Über mich selbst verwundert, komme ich auf die gar nicht mal so dumme Idee, auf den großen Felsen vor mir zu klettern, um von dort aus hinter diesen wieder hinunter zu springen – sozusagen in den Strömungsschatten.
Nach einigen Minuten des Kalkulierens, erachte ich diese Möglichkeit, als die noch am Vernünftigste.
Als ich oben bin, genieße ich den festen Boden unter meinen Füßen. Jetzt muss ich auf der anderen Seite des Felsens hinunterspringen – er ragt etwa zwei Meter aus dem Wasser. Ich spähe über den Rand und sehe leider nicht durch das schäumende Wasser hindurch. Ich habe keine Ahnung, wie tief es ist. Es sieht seichter aus, als die umliegenden Strömungsgebiete, aber das ist auch nur eine Vermutung.
Die Idee mit dem Felsen
"Der Flussboden war einfach unvorhersehbar. Mal glitschig, mal tief, mal schräg/steil.
Das Hauptproblem war, dass ich keinen Stock hatte. Ich war ja noch froh, wenn der Untergrund vor mir so seicht war, dass ich auf allen Vieren gehen konnte. War das nicht der Fall, war die Wahrscheinlichkeit, nach hinten umzukippen groß."
Ich ordne meine Gedanken, mache den Rucksack abwurfbereit, hoffe, mache mich auf das Schlimmste gefasst – jetzt kommt alles auf mein Glück an. Dies war die gefährlichste Situation der ganzen Tour. Ich denke tatsächlich keine einzige Sekunde daran, was passiert, wenn das Wasser zu tief ist.
So tief wie möglich lasse ich mich gleiten. Aber irgendwann wird es zu steil und ich muss mich abstoßen. Mit dem Gewicht meines Ranzens falle ich mit einem Ruck die restliche Distanz hinunter.
In diesem Moment geht alles sehr schnell, zu schnell, um nachzudenken.
Bevor ich es realisieren kann, stehe ich steif aber sicher auf angenehm flachem Boden – das Wasser reicht mir bis zu den Knien.
Mit zitternden Beinen greife ich mit einer Hand nach dem Untergrund und als ich den Arm hebe, kommt zum Vorschein schwarzer grober Sand.
Der Strömungsschatten! Dem Verstand sei Dank! Und vielleicht auch meinem Schutzengel. Besser hätte es nicht kommen können – seichtes Wasser auf solidem Untergrund. Wäre der Boden so steinig und rutschig gewesen, wie sonst, hätte das wirklich böse enden können.
Wie ein Schiffbrüchiger erklimme ich das rettende Land, werfe den Rucksack ab, massiere die Beine und Füße. Das trockene Weidenkraut um mich herum fühlt sich so toll an nach dieser Tortur.
Von Wasser habe ich jetzt erst einmal genug. Zwei Rentiere, ein Großes und ein Kleines, nähern sich mir, während ich die Klamotten auswringe. Ich schaue mich um – ein letztes Mal bekomme ich die grandiose Landschaft zu sehen, der Fluss verläuft S-förmig bis weit in die Ferne. Langsam beginnen sich auch die Wolken zu lichten, man kann Blau erkennen und Sonnenlicht, das auf die obere Wolkendecke trifft.
Ein paar Fotos des Sieges und weiter geht's.
Etliche Male noch muss ich durch unvermeidbare, stinkende, dunkelbraune Sumpffelder stapfen, das Moderwasser fließt mir mal in die Schuhe, so tief sinke ich ein. Die Folge des Niederschlages.
Der Weg über den letzten großen Hügel zieht sich noch etwas, auf der Karte habe ich es kürzer eingeschätzt.
Es zieht sich:
Irgendwann ändert sich der Untergrund, es wird buschiger, mehrere Trampelpfade laufen parallel nebeneinander. Im feinen Nebel unten im Talkessel kann ich mein Ziel erkennen, vor dem See, dort muss die Anlegestelle für die Fähre sein, die mich nach Ritsem bringt. Als ich auf den Padjentandalen stoße – ein beliebter schwedischer Fernwanderweg – weiß ich, ich habe es so gut wie geschafft.
Endzeitstimmung
Bald tauchen kleine Bäume auf, ich überquere mehrere Brücken und Holzstege, die sumpfige Stellen überbrücken sollen – dem Himmel sein Dank! Auch wenn ich nicht darum herum komme, noch mehrmals durch tiefe Pfützen laufen zu müssen. Am Wegesrand finde ich die Überreste eines Schädel samt Geweih eines Elches – was ein Exemplar. Riesig und furchteinflößend – wäre ich in der Lage es zu transportieren, ich hinge es zu Hause über meine Zimmertür.
Birkenhaine prägen das Gesamtbild, der Padjentandalen führt mich schließlich zu einer sehr langen Brücke und ich passiere einen heftig strömenden Fluss. Als ich in der Mitte der Brücke angelangt bin und hinunter blicke, wird mir etwas schwindelig, schaumendes Gewässer peitscht und braust, übertönt alles andere, wehe dem, der sich dort befindet.
Schon bald treffe ich auf Ferienhäuser und einen Aushang für die Bootsabfahrtszeiten. Zu den Missgunsten meines kläglich gescheiterten Zeitmanagaments, war das letzte Boot heute schon abgefahren. Ein sehr netter Mann nähert sich und beantwortet mir meine Fragen, da der Aushang nicht gerade präzise Informationen hergibt.
Das Ziel
Das nächste Boot würde morgen um 08:30 Uhr ablegen. Er meint auch, ich kann mein Zelt unten bei der Anlegestelle aufbauen, das kümmert keinen.
Nun, viel habe ich mir ja bei diesem "Örtchen" nicht erhofft, aber hier gab es wirklich so gut wie gar nichts. Außer vielleicht fünf Ferienhäuser, gibt es nichts, außer ein paar Holzfällerbauten, dem später noch vernehmendem Motorengeräusch nach auch bewohnt.
Der Anlegeplatz besteht aus einer schwimmenden metallenen Insel und einem daran befestigten langen Steg.
Die einzige Möglichkeit, das Zelt aufzustellen, ist vor dem überdachten Aushang der vergilbten Werbung von Freizeitaktivitäten in der Umgebung – ich gehe nicht weiter auf diese ein, denn es interessiert mich einfach nicht.
Wie falsch es doch aussehen würde, wenn hier mein Zelt stünde. Aber etwas anderes kann der Mann von vorhin nicht gemeint haben. Nun ja, die Reste eines erloschenen Lagerfeuers liegen noch da, ich bin wohl nicht der Erste.
Morgen werden sich hier alle Menschen versammeln, die ins Boot wollen und genau da steht nach ungefähr zehn Minuten mein Zelt. Ich hole Wasser aus dem See, keine zwanzig Meter entfernt, es ist sehr klar und allen Anscheins nach genießbar.
Schnell husche ich in mein Zelt, verstecke die stinkenden, verdreckten Schuhe zwischen Innen- und Außenzelt und mache es mir gemütlich. Ich schreibe Tagebuch und knabbere wieder an dem übrigen Knuspermüsli. Einige wenige Male vernehme ich Stimmen von anderen Wanderern, die vorbeilaufen. Ich bilde mir ein sie reden auch über das kleine Zelt, das hier einfach aufgebaut worden ist. Was soll's.
"In Ritsem fährt morgen dann der Bus um zehn nach neun nach Gällivare.
PS: Meine Füße sehen aus wie eingelegte Pepperoni."
Eine Sache finde ich am Rande noch erwähnenswert: Mein kleines Handy spinnt. Oder eher gesagt der Akku. Höchstwahrscheinlich ist es nass geworden, jetzt schaltet es sich nach ein paar Minuten selber wieder ab und ich muss den Akku heraus nehmen und wieder hinein stecken, wenn ich es wieder anbekommen will. Blöd nur, dass ich eigentlich auf den Wecker angewiesen bin – das Boot morgen fährt zwischen acht Uhr und viertel nach acht. Wenn es blöd kommt, verschlafe ich. Wenn da nicht die innere Uhr ticken würde, die mir schon so manche Male verlässlichere Dienste beschert hat. Tatsächlich kann ich ziemlich genau bestimmen, wann ich aufwache (oft genug war es auf die Minute genau).
Ich rede mir einfach immer wieder ein "Um sieben aufstehen, um sieben aufstehen...". Diese Sache ist wichtig, was den Drang, von alleine aufzuwachen noch verstärkt. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass ich mit der Püntklichkeit keine Probleme haben werde.
Bis es ein wenig dunkel wird, genieße ich die Ruhe im geschützten Zelt, verarbeite die vielen Eindrücke der vergangen Tage.
Tag 7
Es ist hell. Ich höre leise Stimmen von verschiedenen Personen. Wie von der Tarantel gestochen, fahre ich hoch, krame mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung nach meiner Armbanduhr.
Halb sechs! Puh!
Ab hier döse ich nur noch vor mich hin, wache jede halbe Stunde vollständig auf.
Die Nacht war verdammt kalt gewesen. Jede nicht bedeckte Stelle wurde mit der unangenehmen Frische bestraft (Oh, die Nasenspitze!).
Rechtzeitig mache ich mich fertig und baue das Zelt ab. Das Boot kommt recht pünktlich um viertel nach acht.
Es handelt sich um ein mittelgroßes Fährboot und kann schätzungsweise höchstens vierzig Personen transportieren. Für einen fairen Preis erhalte ich ein Ticket und nehme im überdachten Innenraum Platz. Ich habe nicht erwartet, in den Genuss einer Bootsfahrt zu kommen. Sie ist eine willkommene Abwechslung.
Langsam tuckern wir vor uns hin, es sind noch ein paar andere Leute an Bord. Gemächlich ziehen die grün bedeckten Steilhänge der sich vorm See auftürmenden Berge vorbei, und beim Beugen über die Reeling sehe ich das klargrüne Wasser aufspritzen, dahinter eine durch die tief stehende Sonne erzeugte Straße aus tausenden glitzernden Sternen auf der ruhigen Wasserdecke, der darüberliegende Horizont gesäumt von länglichen weißen Wolkenteilen hinter hellblauem Himmel. Der Osten.
Eine halbe Stunde dauert die Fahrt, bis ich schließlich in Ritsem ankomme.
Ritsem ist ein beliebter Ausganspunkt unter den Wanderern hier, hieß es. Von einem Ort kann allerdings weniger die Rede sein. Es ist eher ein Parkplatz von Autos und Booten, versteckt hinter vielen Bäumen, befinden sich ein paar Häuser. Ich will gar nicht wissen wer hier wohnt und wie man hier wohnt, so wahnsinnig abseits. Vielleicht sind es nur Ferienhäuser.
Die Wartezeit für den Bus gibt mir Gelegenheit mein Tagebuch wieder ein wenig zu füllen.
Als er schließlich ankommt, stellt sich heraus, dass ich diesmal einen weniger sympathischen Busfahrer erwischt habe. Als ich ihm das Interrail-Ticket zeige, knallt er mir sogleich ein unmissverständliches "No!" ins Gesicht. Schon gut, kann ja nicht immer klappen. Zweihundertfünfzig Kronen kostet mir der Spaß.
Schon gestern hatte ich Bedenken, keinen Zug nach Stockholm oder zumindest Süden zu bekommen – diese würden sich erst in Galliväre äußern.
Auf der Busfahrt sehe ich nochmal die Randgebiete verschiedener Nationalparks, auch des Sareks, an mir vorüber gleiten. Die damalige Ausstiegsstelle, Suorva, ist auch dabei. Bis jetzt hat unterm Strich alles geklappt. Ich denke darauf kommt es an.
Das kenne ich!
Nach der ruhigen, schönen Busfahrt, etwa zwei Stunden später, komme ich auch genau dort an – in Gällivare. Nicht lange ist es her, als ich hier ankam, den Sarek als Ziel.
Die Ticketautomaten hier sollen idiotensicher sein. Leider muss ich aber feststellen, dass sie nichts von Interrailtickets wissen – ich müsste also ganz normale Tickets kaufen, brauche in Wirklichkeit aber nur die Reservierungen.
Also auf zum nächsten Reisebüro, das sich mit ein bisschen Herumgefrage sogar relativ leicht finden lässt. Ein glücklicher Schritt in die richtige Richtung! Bei der netten Dame kann ich Reserviereungen bis nach Malmö, ganz nah der Grenze, erwerben.
Der nächste Zug würde in nur einer halben Stunde losfahren! Mein pessimistisches Denken bezahlt sich nun aus. Ich dachte, die Züge würden eventuell bis für die nächsten Tage ausgebucht sein und ich steckte hier fest. Pustekuchen! Besser kann es nicht sein, ich bin sehr erleichtert.
Zurück am Bahnhof angekommen, kommt auch schon bald mein Zug. Dieser fährt nach Boden.
Eine zähe Fahrt, durch die mehrtägige Hinfahrt sind bei mir die Relationen in Bezug auf Wartezeiten irgendwie verschoben. Sind zwei Stunden lang?
Keine Ahnung, jedenfalls steige ich in Boden in einen Schlafwaggon nach Stockholm. Er sieht im Innern genauso aus, wie auf der auf der Hinfahrt. Diesmal teile ich mein Sechserabteil aber jedoch nur mit einer einzigen Person. Ein zurückhaltender, sehr netter Herr, Ende dreißig, der ebenfalls trekken war. Allerdings im Sjöfallet-Nationalpark. Im Sarek war er auch schon einmal.
Das auch!
Die Zumutbarkeit meiner von Moorwasser durchsetzten Schuhe geht, meiner objektiven Einschätzung nach, gegen null. Unterm Bett verstaut geht es.
Es ist schön, unter Gleichgesinnten zu sein. Gemütlich ist es wie beim letzten Mal. Ich habe einen Tisch, zwei freie Betten, viel Platz und viel Zeit. Wieder das Klackern der Schienen, das ganz besondere vorbeisausende Bimmeln, die geborgene Atmosphäre. Ich fahre nach Süden, immer weiter nach Süden.
Ich plane den weitern Verlauf meiner Reise von Malmö aus. Höchstwahrscheinlich wird es von da aus nach Kopenhagen gehen. Dort werde ich mir ein Ticket von Flensburg nach Hamburg organisieren. Von Hamburg aus will ich direkt nach Nürnberg fahren, die Misere mit den grausigen Regionalzügen vermeiden. Am besten mit dem Bus, allerdings bräuchte ich dafür ein Internet-Cafè für das Ordern.
Vor der langen Strecke ohne Halt über Nacht, bremst der Zug noch einige wenige Male bei kleinen Bahnhöfen ab und ich nutze die Gelegenheit, um im Tagebuch festzuhalten, dass mich mein Mitfahrgenosse darauf hinwies, mein am Gürtel hängendes Survival-Messer (es befand sich die ganze Reise über keine einzige Sekunde im Rucksack) lieber einzupacken, wenn ich in Stockholm ankäme – Obama sei dort zu Besuch. Kein unnützer Rat!
"Bis jetzt lief alles wirklich super – nicht langweilig, aber auch nicht ätzend.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in den vergangenen Tagen je Heimweh empfunden hätte.
Ich hatte gar nicht das Gefühl, weit weg zu sein. Nur eben woanders."
Tag 8
Im Stockholmer Hauptbahnhof informiere ich mich über die Strecke nach Hamburg. Flensburg hat mich gesehen. Ich werde nämlich von hier aus über Kopenhagen direkt nach Hamburg fahren.
In Stockholm angekommen
Die Fahrt von Stockholm nach Kopenhagen ist trotz oder dank des Nichtstuns kräftezehrend. Zumindest mental. Diese schwedischen Schnellzüge sind verdammt leise, ich befinde mich meistens auf dem schmalen Grat zwischen Langweile, Grübelei, Döserei und Halbschlaf. Und ich werde ungeduldig. Ich werde eine so weite Strecke nicht mehr mit Zügen zurücklegen!
"Ich sitze im Kopenhagener Hauptbahnhof. Mich beschleicht das seltsame Gefühl, dass die Preise hier verdammt hoch sind.
In einer dreiviertel Stunde kommt der ICE nach Hamburg. Ich bin erst nach zwanzig Uhr dort. Dann heißt es entweder am Bahnhof übernachten oder in ein Hostel (angeblich direkt daneben).
Hier in Kopenhagen habe ich in einem Internetcafè eine Busfahrt von Hamburg nach Nürnberg gebucht. Morgen um sieben Uhr geht's los und nach siebzehn Uhr komme ich erst an!"
In Kopenhagen angekommen habe ich etwas Zeit, in einem Internetcafè einen Platz im Bus von Hamburg nach Nürnberg zu reservieren. Nürnberg ist nun im Gespräch, welch herrlicher Gedanke. Ich komme voran.
Von hier aus steige ich dann auch in einen deutschen ICE um. Was dieser mir bringen wird, habe ich nicht vermutet.
Als wir an der südlichsten Spitze von Dänemark ankommen, wird der ICE langsamer und ich sehe bereits – das Meer.
Umherkreisende Möwen bereiten Nordsee-Feeling, ich frage mich, was nun kommen wird. Eine weitere lange Brücke mit Gleisen? Nein. Der Zug wird auf eine riesengroße Fähre gezogen und eine Durchsage ertönt, jeder solle sich von Bord des Zuges begeben. Der weißrote ICE ist unter den vielen Autos irgendwie fehl am Platz, auf den Ladeflächen des mehrstöckigen Schiffes.
Ich gehe ganz nach oben, zur Aussichtsplattform, wo sich bereits vermehrt Familien mit Kindern aufhalten.
Eine starke Meeresbrise zerrt an mir. Ich bin noch nie zuvor mit dem Zug auf eine Fähre gefahren.
Es fühlt sich übrigens nicht wie eine Fähre, sondern wie ein richtiges Kreuzfahrtschiff an. Mehr als eine viertel Stunde verweile ich oben, bei außergewöhnlich starkem Wind (es ist herrlich), weit unten die aufbrausende See, beleuchtet von einzelnen durch die Wokendecke hindurch stechenden Sonnenstrahlen.
Da diese Überfahrt so sehr unerwartet kam und vorallem, da ich alleine reise, empfinde ich diesen Moment als schwer beschreiblich abenteuerlich.
Wieder begleiten uns Möwen über unseren Köpfen, die Kinder erfreuen sich an dem anhaltenden drückenden Luftzug.
Irgendwann werde ich mit einem Segelboot eine große Schiffsreise unternehmen, denke ich mir. Diese Augenblicke inspirieren mich besonders. Und zeigen mir wieder (ganz wichtig!), dass die Hin- und Rückfahrt auf alle Fälle fester Bestandteil meiner Tour sind.
Als ich in Hamburg ankomme, wird es bald dunkel. Liebend gerne hätte ich den Schutz eines Zimmers der nahen Hostels genossen, doch dies ist schlicht nicht möglich, denn sie sind voll. Ich werde im Bahnhof übernachten müssen.
Real Urban Survival - Samstag Nacht in Hamburg ohne Bleibe:
Es ist Samstag. Und das nicht gut. In Hamburg. Am Hauptbahnhof. Dies wird mir klar, als ich alle dreißig Sekunden entweder a) einen Besoffene/Besoffene, b) einen Penner/Obdachlose oder c) herumschreiende Asoziale, die meinen, sie hätten es so richtig drauf, sehe.
Die Stadt hat mich wieder – wie primitiv sie mir erscheint. Was für ein Kontrast. Es ist nicht ganz einfach, einen Schlaf-/ Rastplatz zu finden, der seiner Bezeichnung auch nur in Teilen gerecht wird. Permanent achte ich darauf, dass sich niemand an meiner Gürteltasche und meinen Wertsachen vergreift.
Eine überdachte Sitzgelegenheit an einem Bahnsteig im Innern muss reichen, ich weiß nicht genau, ob ich die restlichen sechs, gefühlten zehn, Stunden schlafe oder einfach nur ins Schwarz des Innern meiner Augenlider starre. Denn es ist so gemein kalt, wenn man sich nicht bewegt.
Zwischendurch gibt es einen unschönen Streit zwischen einer Frau und ein paar Jugendlichen – wegen eines Platzes. Solche Probleme braucht die Welt!
Tag 9
Viel zu früh (nicht falsch verstehen - das warten davor dauerte ewig(!)) befinde ich mich im Wartebereich des ZOB Hamburg.
In ein paar Stunden kommt mit etwas Verspätung der Bus – nach...Nürnberg.
Die letzte Etappe steht bevor. Und es ist eine schöne Etappe. Alles, was nichts mit Zügen zu tun hat (ausgenommen sind Schlafwagen), ist im Moment schön.
In tiefes Nachdenken versunken schießt nicht viel später das tiefgrüne Gewächs, am Rande der Autobahn, vorbei.
Meine ganz persönliche Entmysthifizierung des Sarek hat erfolgreich stattgefunden.
Ein Abenteuer, das sich gewaschen hat.
Da dies mein erster online gestellter Reisebericht ist, würde ich mich über jegliches Feedback freuen und bin auch für Kritik offen.
Zu viele Bilder?
Zu langer Bericht?
Zu subjektiv berichtet?
Zu wenige Informationen zur Route (Hintergrundinfos)?
Jedenfalls danke für's lesen!
Für die Fotos benutzte ich im Übrigen eine Sony Cybershot DSC-S500. Uralt, aber es ist keine Schande, wenn sie verloren oder kaputt geht und die Batterien beheben das "Akku-leer"-Problem.
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