[NO] Was lange währt, wird endlich gut. Oder so... Mit dem Motorrad in Norge

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  • zimi
    Anfänger im Forum
    • 18.01.2012
    • 15
    • Privat

    • Meine Reisen

    [NO] Was lange währt, wird endlich gut. Oder so... Mit dem Motorrad in Norge

    Tourentyp
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    Mitreisende
    Moin,

    nach langer Zeit möchte ich nun endlich meinen Reisebericht zu Ende bringen. Aufgrund der Erlebnisse habe ich ziemlich lange gebraucht, um überhaupt damit anfangen zu können. Es sollte mit meiner Aprilia Pegaso Strada nach Norwegen gehen. Ohne festes Ziel, vielleicht eine Bekannte besuchen, sonst nix. Ich war immer mal für ein paar Tage zu Hause weg, aber eine größere Reise habe ich mir nie zugestanden. Aber, Dinge können sich ändern, nun sollte es soweit sein.

    Die Vorbereitungen hatten ja schon in 2011 begonnen, das Motorrad brauchte Koffer, die habe ich den Winter über gebaut. 2x 38 Liter, aus Alublech, schön stabil. Dazu noch neues Equipment, ein Forum 42 von Wechsel, einen Optimus Nova, einen Faltstuhl, einen Meru Adventure KuFa-Schlafsack. Das sollte für zwei Wochen Norwegen reichen. Gewicht und Volumen sind ja auf dem Motorrad nicht sooo wichtig wie beim Wandern. Alle Infos und Anregungen habe ich mir hier angelesen. Als ich das meiste Zeug schon zusammen hatte ging mir auf, dass ich am liebsten auf eine Wandertour umgeschwenkt wäre. Im Frühjahr ist mir nämlich bewusst geworden, wie gerne ich laufe. Aber die Vorbereitungen waren schon so weit, da wollte ich nicht mehr dran rütteln. Im Nachhinein eine Entscheidung von enormer Bedeutung...

    Ich hatte während der Arbeitswoche schon gepackt, am Donnerstag noch eine Steckdose ans Moped gebaut, zum Handy-Aufladen, danach die erste Probefahrt mit voller Beladung.



    Am Freitag noch die Frühschicht absolviert, letzte Kleinigkeiten eingepackt, etwas spät und aufgeregt ins Bett gegangen. Habe ich an alles gedacht?

    Tag1: 23.06.2012 Bruchhausen-Vilsen – Tønder (DK) 317km

    Um 9:00Uhr geht es los! Der lange ersehnte erste große Motorradurlaub beginnt! Das Navi gefüttert, ohne Autobahn nach Dänemark, in Bremen noch ´ne Knipse gekauft, noch einen Kaffee bei Louis, ganz gemütlich, ist ja Urlaub! Von Wischhafen nach Glückstadt mit der Fähre gefahren, eine Robbe liegt auf der Sandbank in der Sonne.



    Das Wetter ist prinzipiell herrlich, die Sonne lacht bei lockerer Bewölkung, nur der strenge Wind nervt etwas. Aber nicht wirklich Grund zum Klagen. Als Tønder in Sicht kommt, habe ich genug. Meine Fähre geht am Montag in Hirtshals, der Rest ist am Sonntag gut zu schaffen. Rezeption hat schon zu, also einen feinen Platz gesucht und das Zelt aufgebaut.



    Zur Feier des Tages gibt’s erstmal nen Grappa.



    Danach, beim Bannock-Backen, fängt es an zu regnen. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Zelt-Auswahl, da ist man vom Wetter ziemlich unabhängig.

    Tag 2: 24.06.2012 Tønder - Hirtshals (DK) 422km

    Das Pladdern, zu dem ich eingeschlafen bin, weckt mich auch auf. Erstmal gut frühstücken mit Bannock, Wurst, Käse, Nudossi und Kaffee. So lässt es sich aushalten. Danach das Packen macht wieder Spaß, das Zelt ist super für skandinavisches Wetter. Ich kann mich ohne Probleme anziehen und alles einpacken, ohne das Zelt zu verlassen.
    Das war aber auch das letzte Positive für diesen Sonntag. Der Wind ist immer noch da, dazu ist es kalt und es gießt die ganze Zeit ohne Pause. Die Dänen sind nicht sonderlich kommunikativ, an einer Tanke werde ich auch noch beim Wechselgeld beschissen. Ich fahre die 422km mit nur zwei Pausen, bei der zweiten reicht ein riesiger Kaffee nicht mehr aus, um die Hände zu erwärmen. Ohne das Fähren-Ticket wäre ich nicht so weit gefahren, das war teilweise lebensgefährlich. Beide Handschuh-Paare waren irgendwann durch, die Hände total steif. Naja, man wird ja gut daran gewöhnt im Leben, über seine Grenzen zu gehen. Abends um kurz vor sieben erreiche ich den Campingplatz in Hirtshals, zwei Minuten vor Schließung. Ich hätte für die Hytte jeden Preis bezahlt, es waren aber nur 468.- Kronen gefordert. Hauptsache nicht ins Zelt müssen... Hoffentlich trocknen meine Klamotten über Nacht. Nachdem alles aufgehängt ist und die Heizung auf voller Kraft läuft, koche ich mir erstmal Nudeln mit Tomaten-Speck-Sauce, zum Nachtisch den obligatorischen Grappa, dann sind die Lebensgeister wieder da.



    Tag 3: 25.06.2012 Hirtshals (DK) – Egersund (NO) 218km + Fähre

    Puh, die Klamotten sind trocken! Kaffee und Bannock, schnell packen und ab zum Hafen. Das Wetter gibt sich weiter dänisch. Ich habe beschlossen, dass es in Norwegen besser ist, zwei Wochen ertrage ich das nämlich nicht. Die Fähre kommt, das Moped-Verzurren gelingt gut und schnell, da zahlt es sich aus, wenn man das schonmal gemacht hat.



    Mit dieser Fähre setzt auch der dänische Nimbus-Club nach Norge über, die Dinger machen ordentlich Radau im Schiffsbauch. (Nimbus war der einzige dänische Motorradhersteller, ist aber schon lange weg vom Fenster) Die Überfahrt ist geschmeidig, ich schlafe ein, als ich wach werde ist Norge schon in Sicht, der Himmel klart auf, es ist TROCKEN und die Sonne scheint durch lockere Bewölkung!



    Noch im Hafen von Kristiansand muss ich mir einen Teil meiner Klamotten ausziehen. Los geht’s auf der E39, erstmal ein paar Meter machen. Alle sagen, dass die Strafen so drakonisch seinen und man sich peinlich an Tempolimits halten muss. Die Realität sieht aber anders aus, vor allem die Norweger fahren eher, nun ja, flüssig. Nach 30km halte ich an einem Parkplatz, den ich für mich alleine habe, und koche mir erstmal einen Kaffee und sonne mich. Das Leben ist schön!!! Das Navi führt mich auf schöner Strecke durch das großartige Norwegen. Ich bin ja zum ersten Mal hier und wirklich überwältigt, die Norwegen-Liebhaber übertreiben wirklich nicht! Erst peile ich Brusand an, lasse mich aber von den Wolken ablenken, die vom Meer hereinziehen, und gehe in Egersund auf den Campingplatz. Duschen, mampfen, nette Unterhaltungen mit netten Leuten vom Platz. Ich bekomme Bier geschenkt, sitze noch lange draussen und genieße meine Umgebung. So richtig kann ich es immer noch nicht glauben, dass ich wirklich hier bin, dass ich es wirklich getan habe.



    Tag 4: 26.06.2012 Egersund - Sirdal ca. 200km

    Beim Aufwachen fühle ich mich etwas schlapp und habe leichte Kopfschmerzen. Nein, nicht von dem einen Bier abends, ich fürchte eher ein Anflug von Erkältung, ich habe in DK echt zu doll gefroren. Ich beschließe den Tag locker anzugehen, im Zweifelsfall auf dem Platz zu bleiben, wenn es nicht besser wird. Aber nach Aspirin, gutem Frühstück und genug Kaffee geht es gut, und ich fange an zu packen. Das schöne Wetter lockt doch zu sehr, einen Ruhetag kann ich immer noch einlegen, wenn ich mal abwettern muss. Im Nachhinein sehr lehrreiche Entscheidungen, aber das weiß ich ja zu dem Zeitpunkt noch nicht. Meine Routenplanung mache ich so, dass ich mehrere Campingplätze einbaue, so dass ich mehrere Möglichkeiten habe, den Tag zu beenden, es soll ja schließlich Spaß machen und ich habe keinen Termin. Ich fühle mich sehr flexibel und entspannt.
    Die Fahrt von Egersund nach Lysebotn genieße ich sehr, wobei ich mich schon aufs Wandern in Norge freue. Die Schönheit der Landschaft steht der Verkehrssicherheit diametral entgegen. Ich halte diverse Male an um Fotos zu machen.







    Die Abfahrt nach Lysebotn stellt natürlich einen ersten Höhepunkt dar. Mit schleifenden Kofferecken die Serpentinen hinunter, Mopedspaß vom feinsten!



    Unten habe ich mir die Fährzeiten aufgeschrieben, mit der Fähre möchte auf dem Rückweg vielleicht den Lysefjord runterfahren. Danach das ganze Kurvenvergnügen wieder bergauf. Wie schön das Leben doch ist. Noch...
    Nach dem Ende des Serpentinenstücks, als ich schon über den Kamm war und die Landschaft sich wieder öffnet, findet meine Fahrt ein jähes Ende. Die Stelle ist fahrerisch nicht anspruchsvoll, eine leichte Linkskurve, von weitem einsehbar. Ich bin die Kurve fachgerecht von außen angefahren, also am rechten Fahrbahnrand. Zu dicht am Rand, erschreckt, von der Straße abgekommen, wegen des hohen Asphaltrandes Superschlingern und Abwurf auf die rechte Seite, Rutschen, dann Stille. Bis auf meinen Atem, ich atme eine gefühlte Ewigkeit nur aus. Irgendwann der klare Gedanke: „Wenn ich jetzt nicht bald einatme, war´s das.“ Kurz vor knapp dann endlich der ersehnte Atemzug. Fühle ich alle Gliedmaßen? Kann ich mich bewegen? Gut, ich stehe auf. Handschuh aus, kein Blut. Helmverschluss auf und Helm ab. Ein Auto hält an. Brauchen Sie einen Krankenwagen?



    Nun ja, am Ende kommt natürlich der Hubschrauber, das wäre das schönste Foto gewesen. Ich habe jedenfalls den Lysefjord und den Preikestolen von oben gesehen. Die Schulter tut inzwischen ziemlich weh, das Atmen ist nicht ohne. Notaufnahme im Krankenhaus Stavanger. Mir werden die Klamotten vom Leib geschnitten, ein CT gemacht. Der erste Schreck, als ich nach Trinken frage: Bervor nicht geklärt ist, ob ich eine OP brauche, bekomme ich nichts. OP?! Nach endlosen Stunden die Diagnose: Schultereckgelenkssprengung Tossy 2, Kompressionsfraktur des 7. Brustwirbels, Lungenquetschung und kleiner Pneumothorax rechts. Uff, vor allem die Wirbelverletzung macht mir Angst. Ist aber alles stabil, ich soll nur zur Beobachtung des Pneumothorax ein paar Tage bleiben. So sah es vor meinem Krankenzimmer aus:







    Dank Haftpflicht mit Schutzbrief und kostenloser Auslandskrankenversicherung meiner BKK bin ich ohne Kosten für mich nach Hause gekommen, ebenso mein Moped. Ich war dann noch 3 Monate arbeitsunfähig, jede Menge Zeit um mich neu zu sortieren. Das Motorrad ist jetzt in Lettland, und ich habe mir einen Hund angeschafft, der mein Begleiter ist. Ach ja, und ich bin statt auf Reifen jetzt mit Hanwag Tatra unterwegs. Ich rauche nicht mehr. Und ein neuer Job ist auch in Aussicht, mein alter ist nicht zufriedenstellend genug. Alles einmal durchsortiert. Und ich arbeite daran ein besseres Gespür für meine Grenzen zu bekommen. Weniger Pläne und Vorstellungen, mehr Flexibilität und Wahrhaftigkeit.

    Mein Dank nochmal an das Forum für die ganzen Infos, die ich hier abgerufen habe.

    Dank & Gruß,
    Simon
    Zuletzt geändert von zimi; 30.12.2012, 22:23.

  • crunchly
    Fuchs
    • 13.07.2008
    • 1520
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: [NO] Was lange währt, wird endlich gut. Oder so... Mit dem Motorrad in Norge

    Heftig, hätte ganz anders ausgehen können Aber manchmal brauch es wohl besondere Erlebnisse um zu erkennen was wirklich wichtig ist.

    Kommentar


    • fcelch
      Dauerbesucher
      • 02.06.2009
      • 521
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [NO] Was lange währt, wird endlich gut. Oder so... Mit dem Motorrad in Norge

      Uff......
      Danke fuer diesen sehr persoenlichen Bericht.

      Ich denke du solltest vielleicht irgendwann noch einen 2. Anlauf mit Norwegen unternehmen, muss ja nicht mit dem Moped sein. Das Land ist zu schoen um es in Erinnerung immer mit diesem Unglueck in Verbindung zu bringen.

      Alles Gute und viel Gesundheit in 2013 wuenscht man doch immer zum Jahreswechsel. Es ist wohl selten angebrachter als heute hier.

      Gruss
      Fcelch

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      • hosentreger
        Fuchs
        • 04.04.2003
        • 1406

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [NO] Was lange währt, wird endlich gut. Oder so... Mit dem Motorrad in Norge

        Hallo Simon,

        ich freue mich für Dich, dass es ... na ja... nochmal gut ausgegangen ist. Hast halt nochmal Glück im Unglück gehabt!
        Und für den trotzdem schönen Bericht und die Bilder sage ih Danke schön.

        Kommt 2013 die Wanderung, die Du vor Deiner Motorradtour schon in den Knochen gespürt hast???

        Alles Gute im neuen Jahr
        hosentreger
        Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

        Kommentar


        • Torres
          Freak

          Liebt das Forum
          • 16.08.2008
          • 30722
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [NO] Was lange währt, wird endlich gut. Oder so... Mit dem Motorrad in Norge

          Wow. Ehrlicher Bericht mit viel Selbsterkenntnis. Schade, dass Deine Tour so ein jähes Ende gefunden hat. Ich hoffe, Du bist wieder völlig hergestellt und freue mich auf weitere Reisebericht, dann eben zu Fuß.
          Oha.
          (Norddeutsche Panikattacke)

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          • Tie_Fish
            Alter Hase
            • 03.01.2008
            • 3550
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [NO] Was lange währt, wird endlich gut. Oder so... Mit dem Motorrad in Norge

            Gratuliere dir zu den Erkenntnissen fürs Leben und wünsche alles Gute! Manchmal braucht man schon einen auf die Mütze, damit man wieder den Weg findet.

            Ich freue mich für dich, dass es nicht so übel geendet hat wie für viele Mopedfahrer, die es jedes Jahr ernsthafter erwischt - 2010 war auf der Straße irgendwo oberhalb der Serpentinen nach Lysebotn gerade offenbar ein junges Paar tödlich verunglückt, kurz bevor ich dort vorbeikam - alles voll Blumen und Kränze, sehr traurig!

            Danke für den ehrlichen Bericht.
            Grüße, Tie »

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            • pointloma
              Erfahren
              • 20.03.2012
              • 274
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [NO] Was lange währt, wird endlich gut. Oder so... Mit dem Motorrad in Norge

              Sehr schade das ganze, aber ich wünsche dir alles Gute. Und man sieht auch, selbst aus sehr schlechten Dingen können trotzdem noch gute Sachen folgen!

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