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Über Pfingsten war ich mit meinem guten Freund Henry auf dem Gendarmstien in Süddänemark unterwegs. Dazu soll nun mein erster kleiner Reisebericht folgen:
Land: Dänemark
Reisezeit: Pfingsten 2012
Eigentlich hätten wir uns schon zwei Wochen früher auf den Gendarmstien begeben wollen, da die Kieler SV Holstein allerdings zu diesem Zeitpunkt noch um den Aufstieg in die 3. Liga mitspielte, entschlossen wir uns stattdessen, zum entscheidenden Spiel nach Wolfsburg zu reisen. Über das Ergebnis sei hier der Mantel des Schweigens gehüllt.
Nun stand also das Pfingstwochenende vor der Tür, es war strahlender Sonnenschein angesagt (die kleinen Symbole bei wetter.de zeigten von Freitag bis Sonntag ausschließlich die volle Sonne oder den Mond – keine einziges Wölkchen!) und Henrys Freundin hatte sowieso mit dem Auto in die Nähe von Flensburg zu fahren. Perfekte Voraussetzungen also, wäre da nicht ein kleines Problem mit Henrys Ausrüstung gewesen. Irgendwie hatte er es geschafft, zu verdrängen, dass sein Rucksack die letzte Nordistik-Exkursion auf die Färöer Inseln nicht überlebt hat – Donnerstag fiel es ihm dann wieder ein. So musste Henry mit einem 30€ No-Name-Rucksack meines Mitbewohners vorlieb nehmen. Für Henry sollte es übrigens die erste mehrtägige Wanderung mit Zelt usw. werden. Mir ging es bei der Tour vor allem darum, mein größtenteils „neu“ (will sagen: „gebraucht“) erworbenes Equipment zu testen und zu sehen, wie gut ich auf mehr als 10-15km barfuß und in den Vibram Five Fingers vorankomme.
1. Tag: Freitag, der 25. Mai 2012
Voller Vorfreude erwartete ich Henry und seine Freundin um 12 Uhr an unserem verabredeten Treffpunkt, dem Parkplatz von Ikea Kiel. Als sie endlich eintrafen (natürlich hatte der Dozent von Henrys letzter Lehrveranstaltung gnadenlos überzogen), ereilte mich beim Einladen meines Rucksackes der erste frühe Schock der Tour: Das Zelt, dass da irgendwie an Henrys geliehenem Rucksack befestigt war, hätte locker Platz für ihn, seine Freundin, mich und das Auto das uns nach Dänemark bringen sollte geboten. Auf meine Nachfrage erzählte Henry mir, dass er irgendwie das Außenzelt seines eigentlichen, viel kleineren Zeltes nicht finden konnte und sich deswegen auf die Schnelle eines von einer Freundin leihen musste. Nun gut. Natürlich hätte ich ihm jetzt anbieten können, mein Zelt im Auto zu lassen und das Zelt mit ihm zu teilen – allerdings hatte ich die Tour ja extra mit der Intention geplant, mein neues Zelt zu testen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich sowieso ungern mit Leuten ein Zelt teile. Daher entschloss ich mich, stattdessen lieber etwas von Henrys Proviant sowie Kocher und Geschirr komplett in meinen Rucksack zu nehmen. Dann ging es los. Nach einer unaufgeregten Fahrt erreichten wir Padborg, wo wir auch im vorbeifahren schon das erste „Gendarmstien“-Schild erblickten. Dem folgten wir so gleich und nach wenigen hundert Metern sah ich mich zum ersten Mal dazu gezwungen, die Five Fingers anzuziehen, da der erste Teil des Weges als wahrhaftige Schotterpiste entpuppte. Diese führte uns rasch aus Padborg heraus in einen kleinen Wald.
- Los geht's!
Am Ende dieses Waldes erwartete uns der erste Rastplatz. Hier sahen wir auch die erste der zahlreichen Gendarmstien-Karten, welche immer wieder am Wegesrand zu finden sein sollten. Besonders toll daran fand ich die durchgehende Kilometermarkierung, die die Etappenplanung doch sehr erleichterte (die Karten sind große Varianten dieser PDF-Datei, bei der die Kilometermarkierungen leider fehlen). Außerdem wies uns eine Infotafel darauf hin, dass wir uns nun im Krusau-Tunneltal befanden.
Nach einer ersten kleinen Stärkung durchquerten wir gut gelaunt und ins Gespräch vertieft kleinere Wäldchen, kamen an Tümpeln und Wiesen vorbei und trafen immer wieder auf alte Grenzsteine. Diese waren mit D für Dänemark und DR für Deutsches Reich markiert. Wenig später kamen wir dann an einen historischen Grenzübergang, komplett mit Schlagbaum und allem drum und dran. Wie wir einem Pfosten mit zahlreichen Markierungen entnehmen konnten, befanden wir uns hier neben dem Gendarmstien auch auf dem Ochsenweg, dem Jakobsweg und 3200km vor Santiago de Compostela.
- Historischer Grenzübergang
Von dort aus ging es vorbei an einigen hügeligen Wiesen, bis wir recht schnell das Dorf Kruså erreichten, welches direkt an der heutigen deutsch-dänischen Grenze liegt.
- bloß nicht den Kopf verlieren!
Von hier aus führte der Weg uns durch den Kollund Skov erstmalig an die heiß geliebte See. An einem schmalen Strandstreifen legten wir eine weitere kurze Pause ein, um etwas Schokolade und ein paar Bananen zu verspeisen.
Nach dieser kleinen Stärkung ging es weiter Richtung Kollund. Der Ort war schnell durchquert, der Weg führte uns nun an einen schönen Badestrand – eine Gelegenheit die ich mir als absolute Wasserratte natürlich nicht entgehen ließ. So nutzte ich die Ostsee erstmal für eine schnelle Abkühlung, während Henry erstmalig leise über das Gewicht seines Rucksackes zu klagen begann. Da hatte ich eigentlich schon früher mit gerechnet, bisher schlug er sich wacker. Als ich wieder trocken war, ging es weiter; nun einstweilen von der Küste weg, vorbei an einem Campingplatz und zwischen wirklich schönen Häusern in den nächsten Wald. Hier, bei ca. 13km, lag ob der recht späten Startzeit auch schon unser Tagesziel: Ein Naturlagerplatz. Davon gibt es in Dänemark eine ganze Menge, das sind mehr oder weniger in Ordnung gehaltene Plätze, auf denen das Zelten erlaubt ist, gerne auch mit Bänken, Tischen und Feuerstellen. Mein Zelt stand innerhalb von zwei Minuten, danach ging ich Henry noch beim Aufbau seiner Doppelhaushälfte zur Hand, bevor ich mich an die Zubereitung des Abendessens machte.
- Henry bittet zu Tisch
- Naturlagerplatz
Leider hatte Henry die Griffzange für den Topf vergessen, was mir aber die Möglichkeit gab, endlich mal auf Wissen aus Johannes Vogels „Outdoor Survival mit dem Messer“ zurückzugreifen und aus einer Astgabel eine behelfsmäßige Kochzange zu basteln. Nicht, dass man nicht auch ohne Lektüre dieses Buches darauf gekommen wäre, oder zumindest die Idee gehabt hätte, den Topf mit zwei Stöcken festzuhalten, aber so habe ich mich trotzdem ein bisschen gefreut. Während des Kochens wurden wir von einem dänischen Mann, vollgepackt mit Zelt und Grill und mit drei Kindern im Schlepptau, überrascht, die nach einem kurzen „Hi!“ wortlos wieder in Richtung des Weges verschwanden. Dabei hätten wir gegen etwas Gesellschaft gar nichts einzuwenden gehabt. Nach dem Abendessen machten wir dann ein kleines Feuer an dem wir noch ein Stündchen saßen, bevor sich jeder in sein Zelt verkroch.
OT:
Es folgt der zweite Teil. Irgendwie bin ich jetzt im Präsens gelandet, bei meinem ersten Reisebericht möge man mir diesen stilistischen Bruch verzeihen:
2. Tag: Freitag, der 26. Mai 2012
Der nächste Tag beginnt mit 7:30 Uhr relativ spät. Nach einem guten Frühstück (Porridge mit Cranberries und geraspelten Haselnusskernen) und einigen Problemen beim Packen von Henrys Zelt (natürlich ist der Packsack viel zu klein) machen wir uns gegen 9 Uhr wieder auf den Weg. Aus dem Wald führt er uns nun bei strahlendem Sonnenschein an eine Küstenstraße, zu unserer Linken liegen herrliche Sommerhäuser und Villen, zu unserer Rechten dösen die Ochseninseln in der Flensburger Förde.
- könnte ich mir als Sommersitz durchaus vorstellen.
Dann taucht auf der linken Seite eine unscheinbares gelbes Häuschen auf. Nordlichter erkennen hier allerdings eine kleine europäische Berühmtheit, es handelt sich um Annies Kiosk. Da ich kein Fleisch esse und Henry vom Frühstück noch gut gesättigt ist, verzichten wir allerdings auf den eigentlich obligatorischen Hotdog. Der Weg verläuft nun für mehrere Kilometer an der Küste, teils auf öffentlichen Straßen, teils auf kleinen Wegen hinter den Gärten vornehmer Sommerhäuser oder bescheidener Ferienbungalows. An einem Parkplatz an der Küstenstraße füllen wir in einem (super sauberen) öffentlichen WC-Häuschen unsere Wasservorräte auf (solche öffentlichen Toiletten fanden sich übrigens spätestens alle sechs bis sieben Kilometer, eher häufiger – eben überall, wo die Karte einen Parkplatz anzeigte, wirklich angenehm). Weiter an der Küste entlang, vorbei an grasenden Kühen, Bootsstegen und größeren Seglern auf der Förde geht es in Richtung Egernsund. Dabei passieren wir unter anderem einen niedlichen kleinen Leuchturm, vielleicht fünf Meter hoch.
Über die Egernsundsbroen gelangen wir in den kleinen Ort, passieren ein gut besuchtes Strandcafé, einen völlig überlaufenen Campingplatz und zahlreiche Urlauber und Ausflügler, die sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Da machen wir dann auch mal für eine halbe Stunde mit, legen uns an den Strand und lassen die Füße im Wasser baumeln. Für Henry wurde das auch wirklich Zeit, der Rucksack geht ihm ganz schön an die Substanz. Wir haben zu diesem Zeitpunkt allerdings auch schon 17 Kilometer hinter uns. Aufgrund von Henrys Rucksack- und Schultersituation gehen wir auch alle möglichen Planspiele durch, wie wir ggf. anders als zu Fuß nach Sønderborg kommen könnten und ich versichere Henry, dass ich ihm keineswegs böse wäre, wenn ihn die Kombination aus Wohnwagenvorzelt und besserer Plastiktüte auf dem Rücken dazu zwänge, den Weg motorisiert zu Ende zu bringen. Nach dieser Pause ist er allerdings erstmal wieder guter Dinge und wir machen uns wieder auf die Socken (bzw. nackten Füße). Wir beschließen, erstmal noch ein wenig weiterzugehen, dann in ein bis zwei Stunden ordentlich zu Essen und zu gucken, wie weit wir am Rest des Abends noch kommen. Der nächste in Frage kommende Naturlagerplatz liegt mit noch gut 20km eindeutig zu weit entfernt, wir beschließen für die Nacht auf einen Parkplatz oder ein Fleckchen ebener Erde irgendwo im Wald oder am Strand zu hoffen.
Die Landschaft wird nun zusehends hügeliger und der Weg führt von der Küste weg. Die Sonne brennt mittlerweile ziemlich und Henry klagt in immer kürzer werdenden Intervallen über Schulterschmerzen. Es taucht allerdings kein vernünftiger Schattenplatz auf, um eine längere Pause einzulegen. Nach weiteren fünf Kilometern erreichen wir eine historische Ziegelei. Im Schatten einiger Bäume stehen dort Picknicktische direkt am Meer. Während ich das Essen bereite, streckt Henry alle Viere von sich und lässt kein Wort vernehmen. Er greift jetzt zum äußersten, setzt auf Doping: eine Ibuprofen-Tablette soll den Schulterschmerz betäuben. Aufgeben will er nicht. Auch mir hat die Sonne in der letzten Stunde gut zuschaffen gemacht. Über eine Stunde verbringen wir hier mit Essen, lesen und im Schatten liegen. Danach, es geht mittlerweile auf 18 Uhr zu, nehmen wir uns vor, noch ein paar Kilometer abzureißen.
Jetzt wieder am Strand entlang, bis wir eine Art Feriendorf erreichen. Wir füllen nochmal unsere Wasservorräte auf, lassen uns kaltes Wasser über den Kopf laufen, futtern eine Tafel Schokolade und spüren beide neues Leben in uns. Der Weg führt uns jetzt wieder weiter ins Landesinnere, auf die Ortschaft mit dem schönen Namen Gammelgab zu. Vier Kilometer sind seit der Erfrischung schon wieder geschafft, sechs wären es noch bis zum nächsten Parkplatz. Die schaffen wir auch noch, sagen wir uns. Von schmerzenden Schultern ist schon lange keine Rede mehr, es lebe die moderne Medizin! Und tatsächlich, den Parkplatz erreichen wir über eine Weide und danach am Strand entlang in gefühlter Rekordzeit. Allerdings ist er mit deutschen und dänischen Anglern und jeder Menge Bierdosen schon recht gefüllt, nicht gerade das, was wir uns erhofft hatten. Zum nächsten Parkplatz sind es nur noch ca. drei Kilometer und auch wenn davon zwei unbefestigt am Strand entlang führen, sollte das zu schaffen sein. Es gibt noch ein paar Kekse für jeden und dann geht es weiter, notfalls planen wir uns einfach am Strand niederzulassen. Damit wäre es allerdings wohl kaum etwas geworden, denn der Strand besteht aus Faustgroßen Steinen und der einzige mögliche Lagerplatz ist bereits von zwei Kajakfahrern, denen wir pünktlich einen "Guten Appetit!" wünschen können, belegt. Aber auch diese drei Kilometer schaffen wir problemlos. Der nächste Parkplatz ist allerdings von einer weiteren Lieblingsgruppe des gemeinen Wanderers belegt: vier Wohnmobilie und zwei getunte Golfs stehen dort. Überall hört man deutsche Stimmen und alte Männer in zu kurzen Shorts und Unterhemden grüßen uns mit "Servus".
Nach kurzer Beratung entscheiden wir uns, zu versuchen, was uns noch vor wenigen Stunden unmöglich erschien: Auf zum nächsten Naturlagerplatz! Diese letzten drei Kilometer packen wir auch noch! Und tatsächlich, bald führt der Weg wieder in einen Wald. So langsam müssen wir dann aber auch wirklich mal ein Lager ereichen, es ist mittlerweile nach 22 Uhr und ich habe meine Lampe zu Hause liegen lassen. Aufeinmal hören wir Stimmen. Der Weg macht einen Knick und tatsächlich, vor uns liegt der nächste Lagerplatz. Dort sehen wir allerdings drei große Familienzelte, auf den Campingtischen stehen geschätzte 30 leere Bierflaschen und ein Kind schreit. Ich erinnere mich, vor 300m eine herrlich aussehende ebene Fläche direkt an der Steilküste gesehen zu haben und ohne zu zögern stimmt Henry mir zu, dass wir doch lieber da nächtigen sollten. Das tun wir dann auch, ohne Zelt, mit herrlichem Ausblick auf die See. Vor wenigen Stunden, bei 20 Tageskilometern, erschien es ungewiss, ob wir Sønderborg jemals zu Fuß erreichen würden. Jetzt haben wir 36 Kilometer hinter uns – und am morgen somit nur noch 15 vor uns. Wir sind stolz wie sonstwas, zwei Meter hinter meinen Füßen geht es zehn bis fünfzehn Meter runter, dann kommt die See. Auf Tyvek-Zeltunterlegplane und Therm-a-Rest mümmele ich mich in meinen Schlafsack und bin im Nu eingeschlafen.
Teil drei folgt die nächsten Tage. Ich warte immer noch auf Henrys Bilder.
Land: Dänemark
Reisezeit: Pfingsten 2012
Eigentlich hätten wir uns schon zwei Wochen früher auf den Gendarmstien begeben wollen, da die Kieler SV Holstein allerdings zu diesem Zeitpunkt noch um den Aufstieg in die 3. Liga mitspielte, entschlossen wir uns stattdessen, zum entscheidenden Spiel nach Wolfsburg zu reisen. Über das Ergebnis sei hier der Mantel des Schweigens gehüllt.
Nun stand also das Pfingstwochenende vor der Tür, es war strahlender Sonnenschein angesagt (die kleinen Symbole bei wetter.de zeigten von Freitag bis Sonntag ausschließlich die volle Sonne oder den Mond – keine einziges Wölkchen!) und Henrys Freundin hatte sowieso mit dem Auto in die Nähe von Flensburg zu fahren. Perfekte Voraussetzungen also, wäre da nicht ein kleines Problem mit Henrys Ausrüstung gewesen. Irgendwie hatte er es geschafft, zu verdrängen, dass sein Rucksack die letzte Nordistik-Exkursion auf die Färöer Inseln nicht überlebt hat – Donnerstag fiel es ihm dann wieder ein. So musste Henry mit einem 30€ No-Name-Rucksack meines Mitbewohners vorlieb nehmen. Für Henry sollte es übrigens die erste mehrtägige Wanderung mit Zelt usw. werden. Mir ging es bei der Tour vor allem darum, mein größtenteils „neu“ (will sagen: „gebraucht“) erworbenes Equipment zu testen und zu sehen, wie gut ich auf mehr als 10-15km barfuß und in den Vibram Five Fingers vorankomme.
1. Tag: Freitag, der 25. Mai 2012
Voller Vorfreude erwartete ich Henry und seine Freundin um 12 Uhr an unserem verabredeten Treffpunkt, dem Parkplatz von Ikea Kiel. Als sie endlich eintrafen (natürlich hatte der Dozent von Henrys letzter Lehrveranstaltung gnadenlos überzogen), ereilte mich beim Einladen meines Rucksackes der erste frühe Schock der Tour: Das Zelt, dass da irgendwie an Henrys geliehenem Rucksack befestigt war, hätte locker Platz für ihn, seine Freundin, mich und das Auto das uns nach Dänemark bringen sollte geboten. Auf meine Nachfrage erzählte Henry mir, dass er irgendwie das Außenzelt seines eigentlichen, viel kleineren Zeltes nicht finden konnte und sich deswegen auf die Schnelle eines von einer Freundin leihen musste. Nun gut. Natürlich hätte ich ihm jetzt anbieten können, mein Zelt im Auto zu lassen und das Zelt mit ihm zu teilen – allerdings hatte ich die Tour ja extra mit der Intention geplant, mein neues Zelt zu testen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich sowieso ungern mit Leuten ein Zelt teile. Daher entschloss ich mich, stattdessen lieber etwas von Henrys Proviant sowie Kocher und Geschirr komplett in meinen Rucksack zu nehmen. Dann ging es los. Nach einer unaufgeregten Fahrt erreichten wir Padborg, wo wir auch im vorbeifahren schon das erste „Gendarmstien“-Schild erblickten. Dem folgten wir so gleich und nach wenigen hundert Metern sah ich mich zum ersten Mal dazu gezwungen, die Five Fingers anzuziehen, da der erste Teil des Weges als wahrhaftige Schotterpiste entpuppte. Diese führte uns rasch aus Padborg heraus in einen kleinen Wald.
- Los geht's!
Am Ende dieses Waldes erwartete uns der erste Rastplatz. Hier sahen wir auch die erste der zahlreichen Gendarmstien-Karten, welche immer wieder am Wegesrand zu finden sein sollten. Besonders toll daran fand ich die durchgehende Kilometermarkierung, die die Etappenplanung doch sehr erleichterte (die Karten sind große Varianten dieser PDF-Datei, bei der die Kilometermarkierungen leider fehlen). Außerdem wies uns eine Infotafel darauf hin, dass wir uns nun im Krusau-Tunneltal befanden.
Nach einer ersten kleinen Stärkung durchquerten wir gut gelaunt und ins Gespräch vertieft kleinere Wäldchen, kamen an Tümpeln und Wiesen vorbei und trafen immer wieder auf alte Grenzsteine. Diese waren mit D für Dänemark und DR für Deutsches Reich markiert. Wenig später kamen wir dann an einen historischen Grenzübergang, komplett mit Schlagbaum und allem drum und dran. Wie wir einem Pfosten mit zahlreichen Markierungen entnehmen konnten, befanden wir uns hier neben dem Gendarmstien auch auf dem Ochsenweg, dem Jakobsweg und 3200km vor Santiago de Compostela.
- Historischer Grenzübergang
Von dort aus ging es vorbei an einigen hügeligen Wiesen, bis wir recht schnell das Dorf Kruså erreichten, welches direkt an der heutigen deutsch-dänischen Grenze liegt.
- bloß nicht den Kopf verlieren!
Von hier aus führte der Weg uns durch den Kollund Skov erstmalig an die heiß geliebte See. An einem schmalen Strandstreifen legten wir eine weitere kurze Pause ein, um etwas Schokolade und ein paar Bananen zu verspeisen.
Nach dieser kleinen Stärkung ging es weiter Richtung Kollund. Der Ort war schnell durchquert, der Weg führte uns nun an einen schönen Badestrand – eine Gelegenheit die ich mir als absolute Wasserratte natürlich nicht entgehen ließ. So nutzte ich die Ostsee erstmal für eine schnelle Abkühlung, während Henry erstmalig leise über das Gewicht seines Rucksackes zu klagen begann. Da hatte ich eigentlich schon früher mit gerechnet, bisher schlug er sich wacker. Als ich wieder trocken war, ging es weiter; nun einstweilen von der Küste weg, vorbei an einem Campingplatz und zwischen wirklich schönen Häusern in den nächsten Wald. Hier, bei ca. 13km, lag ob der recht späten Startzeit auch schon unser Tagesziel: Ein Naturlagerplatz. Davon gibt es in Dänemark eine ganze Menge, das sind mehr oder weniger in Ordnung gehaltene Plätze, auf denen das Zelten erlaubt ist, gerne auch mit Bänken, Tischen und Feuerstellen. Mein Zelt stand innerhalb von zwei Minuten, danach ging ich Henry noch beim Aufbau seiner Doppelhaushälfte zur Hand, bevor ich mich an die Zubereitung des Abendessens machte.
- Henry bittet zu Tisch
- Naturlagerplatz
Leider hatte Henry die Griffzange für den Topf vergessen, was mir aber die Möglichkeit gab, endlich mal auf Wissen aus Johannes Vogels „Outdoor Survival mit dem Messer“ zurückzugreifen und aus einer Astgabel eine behelfsmäßige Kochzange zu basteln. Nicht, dass man nicht auch ohne Lektüre dieses Buches darauf gekommen wäre, oder zumindest die Idee gehabt hätte, den Topf mit zwei Stöcken festzuhalten, aber so habe ich mich trotzdem ein bisschen gefreut. Während des Kochens wurden wir von einem dänischen Mann, vollgepackt mit Zelt und Grill und mit drei Kindern im Schlepptau, überrascht, die nach einem kurzen „Hi!“ wortlos wieder in Richtung des Weges verschwanden. Dabei hätten wir gegen etwas Gesellschaft gar nichts einzuwenden gehabt. Nach dem Abendessen machten wir dann ein kleines Feuer an dem wir noch ein Stündchen saßen, bevor sich jeder in sein Zelt verkroch.
OT:
Es folgt der zweite Teil. Irgendwie bin ich jetzt im Präsens gelandet, bei meinem ersten Reisebericht möge man mir diesen stilistischen Bruch verzeihen:
2. Tag: Freitag, der 26. Mai 2012
Der nächste Tag beginnt mit 7:30 Uhr relativ spät. Nach einem guten Frühstück (Porridge mit Cranberries und geraspelten Haselnusskernen) und einigen Problemen beim Packen von Henrys Zelt (natürlich ist der Packsack viel zu klein) machen wir uns gegen 9 Uhr wieder auf den Weg. Aus dem Wald führt er uns nun bei strahlendem Sonnenschein an eine Küstenstraße, zu unserer Linken liegen herrliche Sommerhäuser und Villen, zu unserer Rechten dösen die Ochseninseln in der Flensburger Förde.
- könnte ich mir als Sommersitz durchaus vorstellen.
Dann taucht auf der linken Seite eine unscheinbares gelbes Häuschen auf. Nordlichter erkennen hier allerdings eine kleine europäische Berühmtheit, es handelt sich um Annies Kiosk. Da ich kein Fleisch esse und Henry vom Frühstück noch gut gesättigt ist, verzichten wir allerdings auf den eigentlich obligatorischen Hotdog. Der Weg verläuft nun für mehrere Kilometer an der Küste, teils auf öffentlichen Straßen, teils auf kleinen Wegen hinter den Gärten vornehmer Sommerhäuser oder bescheidener Ferienbungalows. An einem Parkplatz an der Küstenstraße füllen wir in einem (super sauberen) öffentlichen WC-Häuschen unsere Wasservorräte auf (solche öffentlichen Toiletten fanden sich übrigens spätestens alle sechs bis sieben Kilometer, eher häufiger – eben überall, wo die Karte einen Parkplatz anzeigte, wirklich angenehm). Weiter an der Küste entlang, vorbei an grasenden Kühen, Bootsstegen und größeren Seglern auf der Förde geht es in Richtung Egernsund. Dabei passieren wir unter anderem einen niedlichen kleinen Leuchturm, vielleicht fünf Meter hoch.
Über die Egernsundsbroen gelangen wir in den kleinen Ort, passieren ein gut besuchtes Strandcafé, einen völlig überlaufenen Campingplatz und zahlreiche Urlauber und Ausflügler, die sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Da machen wir dann auch mal für eine halbe Stunde mit, legen uns an den Strand und lassen die Füße im Wasser baumeln. Für Henry wurde das auch wirklich Zeit, der Rucksack geht ihm ganz schön an die Substanz. Wir haben zu diesem Zeitpunkt allerdings auch schon 17 Kilometer hinter uns. Aufgrund von Henrys Rucksack- und Schultersituation gehen wir auch alle möglichen Planspiele durch, wie wir ggf. anders als zu Fuß nach Sønderborg kommen könnten und ich versichere Henry, dass ich ihm keineswegs böse wäre, wenn ihn die Kombination aus Wohnwagenvorzelt und besserer Plastiktüte auf dem Rücken dazu zwänge, den Weg motorisiert zu Ende zu bringen. Nach dieser Pause ist er allerdings erstmal wieder guter Dinge und wir machen uns wieder auf die Socken (bzw. nackten Füße). Wir beschließen, erstmal noch ein wenig weiterzugehen, dann in ein bis zwei Stunden ordentlich zu Essen und zu gucken, wie weit wir am Rest des Abends noch kommen. Der nächste in Frage kommende Naturlagerplatz liegt mit noch gut 20km eindeutig zu weit entfernt, wir beschließen für die Nacht auf einen Parkplatz oder ein Fleckchen ebener Erde irgendwo im Wald oder am Strand zu hoffen.
Die Landschaft wird nun zusehends hügeliger und der Weg führt von der Küste weg. Die Sonne brennt mittlerweile ziemlich und Henry klagt in immer kürzer werdenden Intervallen über Schulterschmerzen. Es taucht allerdings kein vernünftiger Schattenplatz auf, um eine längere Pause einzulegen. Nach weiteren fünf Kilometern erreichen wir eine historische Ziegelei. Im Schatten einiger Bäume stehen dort Picknicktische direkt am Meer. Während ich das Essen bereite, streckt Henry alle Viere von sich und lässt kein Wort vernehmen. Er greift jetzt zum äußersten, setzt auf Doping: eine Ibuprofen-Tablette soll den Schulterschmerz betäuben. Aufgeben will er nicht. Auch mir hat die Sonne in der letzten Stunde gut zuschaffen gemacht. Über eine Stunde verbringen wir hier mit Essen, lesen und im Schatten liegen. Danach, es geht mittlerweile auf 18 Uhr zu, nehmen wir uns vor, noch ein paar Kilometer abzureißen.
Jetzt wieder am Strand entlang, bis wir eine Art Feriendorf erreichen. Wir füllen nochmal unsere Wasservorräte auf, lassen uns kaltes Wasser über den Kopf laufen, futtern eine Tafel Schokolade und spüren beide neues Leben in uns. Der Weg führt uns jetzt wieder weiter ins Landesinnere, auf die Ortschaft mit dem schönen Namen Gammelgab zu. Vier Kilometer sind seit der Erfrischung schon wieder geschafft, sechs wären es noch bis zum nächsten Parkplatz. Die schaffen wir auch noch, sagen wir uns. Von schmerzenden Schultern ist schon lange keine Rede mehr, es lebe die moderne Medizin! Und tatsächlich, den Parkplatz erreichen wir über eine Weide und danach am Strand entlang in gefühlter Rekordzeit. Allerdings ist er mit deutschen und dänischen Anglern und jeder Menge Bierdosen schon recht gefüllt, nicht gerade das, was wir uns erhofft hatten. Zum nächsten Parkplatz sind es nur noch ca. drei Kilometer und auch wenn davon zwei unbefestigt am Strand entlang führen, sollte das zu schaffen sein. Es gibt noch ein paar Kekse für jeden und dann geht es weiter, notfalls planen wir uns einfach am Strand niederzulassen. Damit wäre es allerdings wohl kaum etwas geworden, denn der Strand besteht aus Faustgroßen Steinen und der einzige mögliche Lagerplatz ist bereits von zwei Kajakfahrern, denen wir pünktlich einen "Guten Appetit!" wünschen können, belegt. Aber auch diese drei Kilometer schaffen wir problemlos. Der nächste Parkplatz ist allerdings von einer weiteren Lieblingsgruppe des gemeinen Wanderers belegt: vier Wohnmobilie und zwei getunte Golfs stehen dort. Überall hört man deutsche Stimmen und alte Männer in zu kurzen Shorts und Unterhemden grüßen uns mit "Servus".
Nach kurzer Beratung entscheiden wir uns, zu versuchen, was uns noch vor wenigen Stunden unmöglich erschien: Auf zum nächsten Naturlagerplatz! Diese letzten drei Kilometer packen wir auch noch! Und tatsächlich, bald führt der Weg wieder in einen Wald. So langsam müssen wir dann aber auch wirklich mal ein Lager ereichen, es ist mittlerweile nach 22 Uhr und ich habe meine Lampe zu Hause liegen lassen. Aufeinmal hören wir Stimmen. Der Weg macht einen Knick und tatsächlich, vor uns liegt der nächste Lagerplatz. Dort sehen wir allerdings drei große Familienzelte, auf den Campingtischen stehen geschätzte 30 leere Bierflaschen und ein Kind schreit. Ich erinnere mich, vor 300m eine herrlich aussehende ebene Fläche direkt an der Steilküste gesehen zu haben und ohne zu zögern stimmt Henry mir zu, dass wir doch lieber da nächtigen sollten. Das tun wir dann auch, ohne Zelt, mit herrlichem Ausblick auf die See. Vor wenigen Stunden, bei 20 Tageskilometern, erschien es ungewiss, ob wir Sønderborg jemals zu Fuß erreichen würden. Jetzt haben wir 36 Kilometer hinter uns – und am morgen somit nur noch 15 vor uns. Wir sind stolz wie sonstwas, zwei Meter hinter meinen Füßen geht es zehn bis fünfzehn Meter runter, dann kommt die See. Auf Tyvek-Zeltunterlegplane und Therm-a-Rest mümmele ich mich in meinen Schlafsack und bin im Nu eingeschlafen.
Teil drei folgt die nächsten Tage. Ich warte immer noch auf Henrys Bilder.
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