[SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

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  • xeqis
    Anfänger im Forum
    • 10.08.2011
    • 14
    • Privat

    • Meine Reisen

    [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Hallo allerseits,

    ich habe mich just hier angemeldet und muss euch erst einmal für wertvolle Tips und Inspirationen danken, die ich mir in den letzten Monaten aus dem Forum entnehmen durfte. Als kleine Gegenleistung jetzt ein frischer Bericht aus dem Sarek.
    Da ich mit nur wenig Solotrekking- und keinerlei Fjäll-Erfahrung nach Lappland gefahren bin, hab ich mich kaum getraut, mich früher anzumelden und all die Fragen zu stellen, die mir auf der Zunge brannten. "Mach doch erstmal den Kungsleden und guck ob dir das überhaupt gefällt"..."Furten allein - da brauchst du ne Menge Erfahrung und selbst dann kann viel schiefgehen"..
    Und ihr hättet damit recht gehabt. Ich habe einiges an Respekt vor der Natur erst auf der Reise selbst gelernt. Und klar hätte mehr schiefgehen können. Ich hatte es mir aber in den Kopf gesetzt und meine Route war zumindest für Sarekverhältnisse nicht so schwierig. Außerdem habe ich auch nicht groß Kilometer gefressen, sondern der Natur viel Zeit geschenkt. Bis auf den verdammten Sumpf am Anfang ist alles gut gelaufen.
    Aber der Reihe nach.
    Geflogen bin ich am Samstag 16.7. nach Kiruna, am nächsten Tag bis Gällivare und dann Ritsem. Hier direkt mal eine Warnung an alle, die eventuell noch dieses Jahr dahin wollen: Das Boot in Ritsem fährt nicht mehr im Anschluss an die Ankunft des Busses! Bin gegen 14h in Ritsem angekommen und das Boot fuhr erst abends gegen sechs. Wäre also eventuell eine Überlegung, die Tour in Saltoluokta zu starten, da dort der Bootverkehr weiterhin mit dem Bus abgestimmt ist.


    Der letzte Kaffee in der Zivilisation...


    Ich aber abends bei strahlendem Sonnenschein nach Anönjalme übergesetzt und konnte nicht fassen, wie sehr sich die Umgebung seit dem Abflug in Köln zum Guten gewandelt hatte. Der Akkha völlig wolkenfrei, ruhiges Wasser und keinerlei zivilisatorischen Geräusche mehr! Dafür natürlich die Mücken, oh je die Mücken. Habe ja schon viel Gefluche von euch gelesen aber in Realität ist es echt nochmal was anderes.
    Guten Mutes losgewandert und auch gut vorangekommen (Schweden-Highway), es waren ca. 10 Leute auf dem Boot gewesen, die sich aber auch schnell verteilt haben, so dass ich an dem Abend nur noch ein Paar aufgebaute Zelte gesehen habe.

    Und dann passiert direkt am ersten Tag sowas: Ich bin ein bisschen abseits vom Weg gegangen und kam zunehmend in sumpfiges Gelände, noch nicht so schlimm aber man sackte eben etwas ein. Dann stieß ich auf etwas, was ein wenig so aussieht wie ein ausgetrocktenes Flussbett, nur ca. 2m breit. Ich habe einfach nicht nachgedacht (die Trekkingstöcke hatte ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht ausgepackt) und dachte super, in 2 Schritten bin ich drüben.
    Bereits beim ersten Schritt sank ich bis zum Oberschenkel ein, reflexartig machte ich aber schnell noch den zweiten Schritt, in der Hoffnung, es im Dreisprung-Style doch noch rüberzuschaffen.
    Das ging natürlich gründlich dagegen, und ich steckte bis zur Hüfte im Schlamm.
    Gefährlich war das alles eigentlich nicht, da ich mich sofort am Ufer festhalten konnte - dämlich aber sehr wohl. Vor allem weil ich kurz Angst bekam, dass mein Schuh im Schlamm steckenbleibt.

    Wer also nun auf eine Tollpatschtour hofft, wird leider im folgenden enttäuscht - diese erste Aktion war mir eine frühe, aber effektive Lektion.
    Nach ca. 10 Kilometern habe ich dann nah am Weg mein Zelt aufgebaut, Mücken aus dem Innenzelt entfernt und bin recht schnell eingepennt.

    Am Montagmorgen taten mir kurz meine Kollegen auf der Arbeit leid. Selbst schuld, dachte ich aber schnell und machte mich auf den Weg richtung Kisuris. Gegen Mittag war ich bei den beiden Brücken kurz vor Kisurisstugan. Bei den drei großen Tafeln über die drei Nationalparks bin ich dann abgebogen. Ziel: Guophervagge (bitte entschuldigt die falschen Schreibweisen). Direkt nach 500m treffe ich auf einen einzelnen Wanderer. Es sollte der letzte Mensch für bis Skarja werden.
    Ich hielt mich in ca. 1km Abstand zum Sjpietjavjahka und wanderte südwärts. Wenn es noch einen richtigen Weg gab, so habe ich ihn schnell verloren, denn bald schon hatte man stets die Wahl zwischen mehreren Rentier-Trampelpfaden. Die Strecke war einigermaßen gut zu gehen, bis auf dass es wieder etwas sumpfig wurde und ich mich kurz geärgert habe, nicht höhere und wasserdichtere Schuhe mitgenommen zu haben.
    Nachdem ich etwas an Höhe gewonnen hatte, ging es aber gut und die ersten Bäche konnte man problemlos auf größeren Steinen furten, ohne dass man die Schuhe hätte wechseln müssen.
    Die erste "richtige" Furt, allerdings in sehr langsamem Wasser, war die über den Sieggajahka. Ich hatte mir beim Globetrotter sehr leichte Neoprenschuhe gekauft und war über die Tour hinweg durchweg begeistert - ausreichend rutschfest, nicht ganz so kalt wie mit Sandalen und wenn man jetzt nicht frontal auf spitze Steine springt auch fest genug für die paar Schritte, die ich sie meistens anhatte.
    Kurz darauf hatte ich dann eine Begegnung mit einem hypernervösen Vogel, der wohl Angst bekam, ich würde mir aus seinem Nachwuchs ein Omelett machen wollen. Er kam mehrmals wild zeternd im Sturzflug auf mich zu, nur einige Zentimeter über meinem Kopf. Obwohl ich ihm nichts getan hatte und auch weit und breit kein Nest zu sehen war, wurde mir in dem Moment schon die Rolle bewusst, die ich hier einnahm: Ich war nur Gast, jemand der die Regeln lange nicht so gut kennt wie sämtliche Tiere, die hier leben.
    Zelt dann kurz südlich des Sieggajahka aufgebaut. Schulterschmerzen hielten sich die ganze Reise über in Grenzen (vor allem am Schluss natürlich, da kaum noch Proviant zu schleppen), waren aber an diesem Abend schon deutlich zu spüren.
    Trotzdem war ich unfassbar guter Dinge, zumal ich nun endlich im eigentlichen Sarek Nationalpark angekommen war (vorher war alles Padjelanta) und mir bewusst wurde, dass gerade Wirklichkeit wird, was seit einem halben Jahr in meinem Kopf herumschwirrte.


    Die erste Furt und.....


    ...der erste Zeltplatz im Sarek

    Der Dienstag brachte leider etwas mehr Regen, aber zum Glück in häufigem Wechsel mit der Sonne. Ich war inzwischen in baumloser Gegend unterwegs (bis zu Skarja gibt es auch keine Bäume mehr) und hielt mich etwas höher am Hang westlich das Lavdak. Sehr langsam, aber mit jedem Schritt etwas mehr, erschloss sich das Guohpervagge vor mir und schließlich um mich herum. Der Ausblick auf das zeitlose Geschlängele das Lavdakjahka im Sonne-Schattenspiel werde ich sicherlich nicht mehr so schnell vergessen.


    die ersten Blicke aufs Guohpervagge..ziemlich vielversprechend!


    Einige Bäche gefurtet und immer mehr in diese klassische Talform hineingekommen. Auf Dauer sogar relativ anstrengend, immer am Hang zu gehen, zumindest bei größerem Gefälle.
    Als letzte Furt hatte ich mir den Gasska Lavdakruvtasj ausgeguckt. Da es aber über den Tag zwischendurch ordentlich geregnet hatte, führte dieser viel mehr Wasser als erwartet (bzw als es in meinem Wanderführer stand). Er war nur ca. 8m breit, sprudelte aber schon ordentlich. Ich bin also an manchen Stellen ein, zwei Schritte vorangegangen, um dann festzustellen, dass es hier nicht geht. Als ich fast schon aufgegeben hatte und die Furt auf den nächsten Morgen verschoben sah, versuchte ich es doch noch einmal etwas weiter flussabwärts. Die ersten Schritte gingen gut, aber dann wurde die Strömung doch stärker, so dass man die Trekkingstöcke nicht mehr so einfach setzen konnte, zumal es in der Mitte fast hüfttief war.
    Es ging dann aber doch - nach klassischer Klettertheorie immer mit 3 festen Punkten. Da keine rollenden Steine unterwegs waren und die Strömung gleichmäßig blieb, kam ich nach vielen kleineren Schritten zwar etwas nass, aber mächtig erfrischt ans andere Ufer.
    Kurz hinter dem Fluss baute ich mein Zelt auf - es gab eigentlich auf meiner Tour überall genug Möglichkeiten zum Aufstellen, so dass ich nie längere Zeit mit Suchen verbringen musste.

    Am nächsten Tag wurde das Gelände spürbar schlechter begehbar. Zuerst hielt ich mich recht hoch am Hang, was aber nach einiger Zeit ziemlich auf die Gelenke ging. Meine Entscheidung, es weiter unten zu versuchen, war jedoch strategisch auch nicht wirklich klug, weil hier schon bald größere Geröllfelder auf mich warteten. Regen setzte ein. Völlig bizarr aufeinander gestapelte Felsbrocken machten es schwer azuschätzen, welche Steine stabil liegen und welche bei Belastung wackeln. Da ich kein zu großes Risiko eingehen wollte und sehr vorsichtig voranging, verringerte sich mein Gehtempo auf höchstens 1-2kmh. Ich wollte nicht wie das Rentierskelett enden, das ich am Vormittag gesehen hatte.


    Rentiere sind grundsympathisch.

    Überhaupt war mir zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich die erwogene Route bis nach Aktse nicht laufen, sondern über das Ruohtesvagge nach Ritsem zurückwandern würde. Es wäre sonst eher ein Gehetze geworden, zumal ich nur 11-12 Wandertage zur Verfügung hatte. Ich bereue die Entscheidung nicht, da ich sowieso in den Sarek zurückkehren möchte und auf diese Weise auch mehrere Ruhetage einlegen konnte.

    Na gut, ich denke ich mache den Bericht in mehreren Teilen. Gibt wohl auch bald noch ein Video auf Youtube, hochgradig unprofessionell aber vielleicht trotzdem ein guter Eindruck.
    Zuletzt geändert von Fledi; 11.08.2011, 18:53. Grund: Ländertag eingefügt

  • Fledi
    Batgirl
    Alter Hase
    • 20.02.2003
    • 3702
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: Sarek Solo Trekking Juli 2011

    Netter Bericht und tolle Fotos.
    Zuletzt geändert von Fledi; 11.08.2011, 18:52.
    ~Aufgeben ist das Letzte, was man sich erlauben darf. ~

    ~Freunde sind wie Sterne, Du kannst sie nicht immer sehen, aber sie sind immer da. ~

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    • HUIHUI
      Fuchs
      • 07.08.2009
      • 2140
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

      Prima, mir gefällt das was du machst und schreibst.
      Es ist schön das bei dir fast ausschliesslich deine persönliche Erfahrung im Kontext zur Natur und dir selbst im Bericht vorkommt, eine tolle Abwechselung zu den drögen aber leider immer häufigeren Berichten derer die Touren als Arbeitsleistung wahrnehmen "am Tag 1 bin ich 32km von a nach b gehechelt .......... an Tag 4 38 km ..... an Tag 8 war ich die 400 km durch, wieder eine Tour zum abhaken".

      Ich freue mich auf mehr!
      Ich bin ziemlich einfach. Ich trinke guten Wein, das ist konzentrierter Sonnenschein.

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      • sarek2007
        Erfahren
        • 22.08.2007
        • 453
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

        Sehr schön!
        Vor 4 Jahren bin ich zumindest bis Skarja die selbe Strecke gelaufen. Selbst die Zeltplätze sind bislang fast identisch .

        Den Gasska und Lulep Lavdakruvtasj konnten wir damals unten am Schwämmfächer kurz vor der Einmündung in den Guopherjakha problemlos furten. Weiter oben war uns die Strömung auch zu stark. Hängt natürlich auch vom Wasserstand ab.

        Die Geröllfelder waren in der Tat wackelig.
        Bin gespannt wie's weiter geht.

        Gruß,
        Tilman

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        • dingsbums
          Fuchs
          • 17.08.2008
          • 1503
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

          Schöner Bericht, ich freue mich auch auf mehr. Erhöht vor allen Dingen die Vorfreude auf die eigene Tour - noch gut 3 Wochen, dann geht es los.
          Ich finde es auch super, dass du dir Zeit für die Natur gelassen hast. So soll das sein. Und wie es aussieht, gehörst du jetzt auch zu den Lappland-Infizierten.

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          • Ranger
            Erfahren
            • 15.12.2004
            • 435
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

            Schöner Bericht!
            In ca. 3 Wochen gehts bei mir in den Sarek, wird meine erste Solotour. Und dein Bericht steigert meine Vorfreude.
            Gruß
            Robert

            www.roberthaasmann.com

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            • aivery
              Gerne im Forum
              • 28.01.2009
              • 88
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

              Klasse, vielen Dank!
              Wie oben schon gesagt, schön dass du dir für die Natur Zeit gelassen hast! Das ist wichtiger, als km zu fressen.

              Hier direkt mal eine Warnung an alle, die eventuell noch dieses Jahr dahin wollen: Das Boot in Ritsem fährt nicht mehr im Anschluss an die Ankunft des Busses! Bin gegen 14h in Ritsem angekommen und das Boot fuhr erst abends gegen sechs.
              Vielleicht für das nächste mal:
              Hier findest Informationen wann die einzelnen Boote fahren. (Für dich wären es 12:10 und 17:30) Link
              Aber, so zeigt es doch das Bild, du hast ja die Zeit gut zum entspannen genutzt.

              Grüße
              aivery

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              • smeagolvomloh
                Fuchs
                • 07.06.2008
                • 1929
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                Danke für den schönen Bericht!

                Die Vorfreude auf meinen baldigen Nordlandurlaub wächst und wächst!
                "Das Leben leicht tragen und tief genießen ist ja doch die Summe aller Weisheit."
                Wilhelm von Humboldt, 1767-1835

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                • HenkySpanky
                  Erfahren
                  • 14.02.2010
                  • 351
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                  Zitat von xeqis Beitrag anzeigen
                  Hier direkt mal eine Warnung an alle, die eventuell noch dieses Jahr dahin wollen: Das Boot in Ritsem fährt nicht mehr im Anschluss an die Ankunft des Busses! Bin gegen 14h in Ritsem angekommen und das Boot fuhr erst abends gegen sechs. Wäre also eventuell eine Überlegung, die Tour in Saltoluokta zu starten, da dort der Bootverkehr weiterhin mit dem Bus abgestimmt ist.
                  Ich bin vor einer Woche gegen 15:30 von einem Samen mit grossem privaten Boot fuer 200 SEK (20 mehr als offizielle Faehre) ruebergefahren worden - zusammen mit 11 anderen Wanderern. Scheint auch regelmaessig zu pendeln der Mann.

                  P.S.: Freue mich auf den Rest des Berichtes
                  "Es gibt nur drei wahre Sportarten: Stierkampf, Motorsport und Bergsteigen. Alle anderen sind lediglich Spiele"
                  (Ernest Hemingway)

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                  • Wanderelch
                    Anfänger im Forum
                    • 30.06.2011
                    • 44
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                    Zitat von Ranger Beitrag anzeigen
                    Schöner Bericht!
                    In ca. 3 Wochen gehts bei mir in den Sarek
                    Da würde ich am liebsten mitkommen.
                    Muss jetzt aber erst mal Geld für die nächste Tour verdienen.

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                    • freeclimber
                      Erfahren
                      • 07.01.2010
                      • 341
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                      Schöner Bericht, ich freu mich schon auf den nächsten Teil!
                      Leave nothing but footprints
                      Take nothing but pictures
                      Kill nothing but time

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                      • xeqis
                        Anfänger im Forum
                        • 10.08.2011
                        • 14
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                        Hello again,
                        danke für eure zahlreichen Reaktionen. Beneide alle, die ihre diesjährige Tour noch vor sich haben. Möge es vorher noch ordentlich Frost geben, damit die Mücken verschwunden sind, wenn ihr ankommt..

                        Also: Sarek Part 2/2

                        An dem schon beschriebenen Tag mit den Geröllfeldern sollte noch ein kleiner Schreckmoment auf mich warten, als mein Rucksack, den ich bei 45° Gefälle während einer Pause an den Hang "gelehnt" hatte, plötzlich munter gen Tal purzelte, was mich zu einigen größeren Sätzen abwärts bewegte. Nach 5m hatte ich ihn aber wieder, mit nur leichten Blessuren am Rucksack und an mir.
                        Nachdem das Gelände wieder besser geworden war, begegneten mir die ersten Rentiere in größerer Zahl. Mehrere Gruppen von ca. 10-20 Tieren taten meist das gleiche: 1.Stehenbleiben 2.Glotzen (ich glotzte stets zurück) 3. das Interesse wieder verlieren und weitergehen.
                        Die gemächliche Gutmütigkeit, die sie meistens an den Tag legten, täuschte jedoch über die beeindruckende Agilität hinweg, mit welche sie in einer Minute den ganzen Talhang hinab- und wieder hinaufgaloppieren konnten, wenn sie zB eine attraktive Rentierlady in der Ferne sahen.
                        Ich blieb trotz Rentierladys bei meinem recht langsamen Gehtempo und suchte mir ein Stück den Hang hoch einen Zeltplatz, der mein Zuhause für 2 Tage werden sollte.
                        Das Wetter wechselte an diesem Abend stündlich und bewies, wie verschieden das gleiche Szenario wirken kann: Wenn die Sonne schien und der Wind aussetzte, war alles sofort wie ein riesiges Wohnzimmer: Friedlich plätscherne Bäche in unmittelbarer Entfernung, Ausblicke, an denen man sich nicht sattsehen konnte, Temperaturen bis zu 30°, aber zur Erfrischung stets eiskaltes, klares Wasser oder auch Schneefelder. Von Kargheit keine Spur, eher ein polarer Garten Eden.
                        Regen und vor allem die starken Winde konnten das aber in Minuten ändern. Man steht plötzlich in einer Wolke und die fast unbegrenzten Ausblicke werden von einer kleinen grauen Wolkenglocke verdeckt. Hier war zumindest für mich mit meinem nicht ganz ausgereiftem Regenschutzkonzept während der Tour stets entscheidend, ob ich das Lager schon aufgebaut hatte oder eben nicht.
                        An diesem Abend jedoch war es wunderbar, stundenlang die Launen der Natur zu beobachten.










                        Bis zu diesem Zeitpunkt war ich nicht sicher gewesen, ob ich mir wegen Rentieren Sorgen machen musste oder mein Essen besser verpacken sollte. Diese Sorge erwies sich aber als wahrlich unbegründet. Am nächsten Morgen weckte mich eine größere Herde (insgesamt etwa 100 Tiere), die sehr verstreut über eine halbe Stunde hinweg an mir vorbei durch das Tal zog. Das stehenbleib-glotz-weitergeh-Spiel wurde immer und immer wieder vollzogen, und ich kam nicht umher mich zu fragen, ob Rentiere trotz oder gerade wegen ihres geringen IQ so sympathisch rüberkommen.
                        Den weiteren (Ruhe-)Tag verbrachte ich dann größtenteils mit chillen, Essen und mit kleineren Spaziergängen. Langweilig, dachte ich mir, würde es mir hier ziemlich lange nicht werden. Ich bin eigentlich kein Mensch der meditiert oder so, aber an solchen Orten wie dem Sarek kommt man unweigerlich irgendwann zur Ruhe und fängt an, das im Alltag antrainierte Multitasking-Denken sein zu lassen. Lange Stunden nichtstun bzw einfach beobachten, so sinnlos sie im Alltag erscheinen, bekamen eine ganz neue Bedeutung.
                        Als ich wieder aufbrach, war es nur noch ein knapper Tagesmarsch nach Skarja. Für Leute die noch nicht da waren: Hier treffen sich viele Täler, und es gibt sogar eine Brücke UND ein Nottelefon UND ein Klo. Skarja ist sozusagen die lärmende Innenstadt des Sarek.
                        Kurz bevor ich da war, schreckte ich unfreiwillig noch eine Herde Rentiere auf. Sie hatten sich auf einem kleinen Schneefeld unterhalb meines Weges versammelt, was aber verdeckt lag, so dass ich quasi plötzlich über ihnen auftauchte. Erstmalig entfiel das Glotzen, und die Herde bemühte sich beleidigt Richtung Tal.

                        Nachdem ich wie gesagt seit Verlassen des Padjelanteledens niemandem mehr begegnet war, war es fast komisch, an diesem Abend vom Zelt aus erstmalig Menschen vorbeiziehen zu sehen. Ich wusste noch nicht, dass die einsame Zeit hiermit bereits vorbei war - ab Skarja begegnete ich bzw sah ich fast stündlich Wanderern. Hier mal eine Frage an alle, die schonmal im Guophervagge unterwegs waren: Ist das wirklich so leer, oder hatte ich da diesmal Glück?


                        Skarja - verdammt gut, dass es so weit abseits von allem liegt, sonst wäre die Schönheit schnell hinüber..





                        Einen weiteren Ruhetag wollte ich mir gönnen, um vielleicht einen der kleineren Gipfel, die um Skarja herum lagen, zu erklimmen. Leider regnete es heute durch, so dass ich das Zelt außer abends kaum verließ.
                        Einen Tag und 15 Hörbuchstunden später wurde es Zeit für den Aufbruch ins Ruohtesvagge, und gleichermaßen für den Beginn des "Rückweges", denn ab sofort lief ich wieder mit Ziel Anönjalme / Ritsem.
                        Die nasse Nacht und den Nieselregen am Morgen ignorierte ich und brach in einer kurzen Regenpause mein Lager ab. Wollte heute eine größere Strecke schaffen und war gespannt auf eine größere Furt in einigen Kilometern.
                        Der Enthusiasmus hielt nur kurz an. Der immer stärker werdende Regen, der immer sumpfiger werdende Untergrund sowie die immer zahlreicheren neu entstehenden Bäche und Rinnsale taten ihr übriges, so dass ich bereits um 11 Uhr vormittags so durchnässt und so lustlos wie noch nie zuvor auf der Reise war. Wo war das einladende Wohnzimmer hin? Wo kann man sich unterstellen? Wo aufwärmen? So umfassend der Komfort des Zeltes bei Regen sein konnte, so sehr fehlte er mir an diesem Tag, und die Zuversicht, dass sich das schnell ändern würde, war nur schwer aufrechtzuerhalten.
                        Nach einer weiteren Stunde entdeckte ich relativ weit oben am Hang einen völlig abnormal geformten Stein, der wie von einem Riesen schräg in den Boden gerammt aussah. Ich schaute mich um: Wohl weit und breit der einzige Unterschlupf - dort musste ich hin.
                        Und wirklich: durch den starken Wind gab es auf der Nordseite des Steins einen kleinen Bereich, der zwar unter offenem Himmel lag, den der Regen aber nicht erreichte. Trockene Socken, meine lange Unterhose und eine sehr willkommene Tütensuppe brachten die Motivation zurück, auch wenn der Regen erstmal blieb. Wolken zogen vorbei auf meiner Höhe, so dass ich teilweise nichts mehr vom gegenüberliegenden Talhang sehen konnte.
                        Das erste Fleckchen blauer Himmel wurde erstmal begeistert auf Film festgehalten, bevor ich die Tour durch einen vom Wasser durchtränkten, satten Sarek fortsetzte.


                        eben noch Rinnsal, nun Bächlein

                        Nach einiger Zeit stieß ich auf das Ufer des Smajllajahka, zu dem ich bislang parallel gelaufen war. Da er nun aber links abbog, ich aber das Tal weiter geradeaus entlang laufen wollte, musste die Neoprenschuhe wieder her.
                        Beim Smajllajahka verhielt es sich umgekehrt wie vor einigen Tagen beim Gasska Lavdakruvtasj. Im Führer wurde hier gewarnt, nur an bestimmten Stellen zu queren, und dass es weiter flussabwärts schon tödliche Unfälle gegeben habe. Das Furten verlief jedoch trotz des vielen Regens vorher äußerst problemlos; durch die vielen voneinander getrennten Flussarme war die Strömung gemächlich, und auch an relativ tiefen Stellen konnte man eigentlich immer sicher stehen.
                        Bald darauf traf ich auf die ersten Seen und einen kleinen Berg, den Ruohtesvarasj. Diesen bestieg ich und hatte wieder einen Zeltplatz, der einen morgens mit immenser Naturschönheit in den Tag lockt. Oben auf dem Berg gab es sogar einen kleinen See, welchen ich dazu benutzte, wenigstens einen Teil des Drecks von mir und aus meinen Klamotten zu entfernen.
                        In dieser Nacht musste ich zum ersten Mal mein Zelt umstellen, da der Lärm unerträglich wurde, nachdem der Wind sich gedreht hatte.




                        Blick vom Ruohtesvarasj zurück Richtung Skarja

                        Während des Frühstücks am nächsten Tag zeigte mir ein Solowanderer in der Ferne, wie man wohl am besten durch das nächste Tal kommt. Ich also alles gepackt und es ihm gleichgetan: An den Sümpfen vorbei, dann zur Rentierwächterhütte und ab da konnte man stets einen Weg erkennen, der eindeutig von Menschen und nicht von Rentieren getrampelt worden war. Auch wenn dieser alles andere als gerade verlief: Was für ein Unterschied für die Geschwindigkeit! Zum ersten Mal seit dem Padjelantaleden kam ich wieder in normalem Wandertempo voran.
                        So komfortabel das war: Seit Skarja nahm die Wildnis beständig ab, mir kamen große Teile des Ruohtesvagge nach den Erfahrungen im Guophervagge wie ein "normaler" Weitwanderweg vor, mit Ehepaaren und Zelten überall und einer vorgeschriebenen Route. Nicht dass es immer noch wunderschöne, fast unberührte Natur war, aber trotzdem: Im Nachhinein wäre ich die Route lieber andersherum gelaufen, also lieber das Rouhtes- in Vorbereitung auf das Guophervagge.

                        Gezeltet habe ich nördlich des Gisuris am Sinjuvtjudisjahka. Die Mückendichte pro Kubikmeter nahm wieder aberwitzige Werte an, nachdem ich im Sarek selbst tatsächlich wenig Probleme mit den Viechern hatte (wohl wegen des Windes und der Höhe). Als ich nächsten Morgen nach einigen Regenschauern im Zelt lag, dachte ich kurz, das erneute Einsetzen des Regens zu hören, nur um dann festzustellen, dass das einfach ein paar dutzend Mücken sind, die zwischen Außen- und Innenzelt herumschwirren und ständig mit leisem "flopp" gegen die Zeltwände stoßen.
                        Also keine Zeit verloren und auf dem Weg weiter bis zu den drei Schildern am Padjelantaleden gelangt, welche damals meinen Einstieg markiert hatten. Der Moment fühlte sich an wie Abschied, und ich kam nicht umher, etwas sentimental zu werden. Andererseits wurde mir klar: Es war alles gutgegangen, ich musste mir keinen Arm abschneiden und die Reise hatte für mich genau das (und mehr) erfüllt, weswegen ich nach Lappland gekommen war. Außerdem würde ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht längst ein großes Verlangen nach frischem Käse, echter Milch und einer heißen Dusche entwickelt hätte.

                        Natürlich will ich heute, zwei Wochen nach meiner Rückkehr, schon wieder zurück ins Fjäll - hatte das irgendwie schon geahnt. Trotzdem merke ich, wie ich noch immer ein dickes Entspanntheitspolster mit mir rumtrage, das mich hoffentlich wie ein guter Winterspeck durch die kalten Monate bringt.
                        Bin also, wie dingbums schon vermutet, definitiv Lappland-infiziert. Mein Bestreben, nach Möglichkeit auf jeder Reise ein neues Fleckchen Erde kennenzulernen, werde ich für den Sarek nochmal überdenken müssen. Kenne ja sowieso erst einen kleinen Teil..

                        Soweit mein Bericht. Ach so, lade gerade auch das Video auf Youtube hoch. Link kommt nachher.


                        @henkyspanky: echt, so billig war das? Hätte ich mal nachgefragt! Aber gut zu wissen für die Zukunft..

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                        • Wanderelch
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                          • 30.06.2011
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                          #13
                          AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                          Zitat von xeqis Beitrag anzeigen
                          oder hatte ich da diesmal Glück?

                          .
                          Also bei so einem tollen Blick kann man nur vom Glück reden.

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                          • Gast-Avatar

                            #14
                            AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                            "Hier mal eine Frage an alle, die schonmal im Guophervagge unterwegs waren: Ist das wirklich so leer, oder hatte ich da diesmal Glück?"

                            Die Hauptroute ist in der Saison wohl häufig überlaufen. Wenn Du nach meinem Reisebericht schaust: Ich habe auf den von Järven empfohlenen Nebenrouten (inkl. Guophervagge) im September ca. 9 Tage keinen Menschen getroffen. Das war ein schönes Wildnis-Feeling.

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                            • freeclimber
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                              • 07.01.2010
                              • 341
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                              #15
                              AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                              Zitat von xeqis Beitrag anzeigen
                              1.Stehenbleiben 2.Glotzen (ich glotzte stets zurück) 3. das Interesse wieder verlieren und weitergehen.
                              Leave nothing but footprints
                              Take nothing but pictures
                              Kill nothing but time

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                              • Mortias
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                                • 10.06.2004
                                • 1279
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [SE] Sarek Solo Trekking Juli 2011

                                Cooler Bericht. Bin selbst erst vorgestern Abend von meiner Tour zurückgekommen und es macht mir unheimlich Spass zu lesen, was ansonsten so für Touren unternommen wurden.
                                Und Respekt, dass Du bei Deiner ersten Lappland Tour und dann auch noch bei Deiner ersten Solotour Dir gleich den Sarek vorgenommen hast. Aber ich würd mal sagen, Du hast diesen Sprung ins kalte Wasser ziemlich gut gemeistert. Finde es auch gut, dass Du Dir genug Zeit genommen hast die Natur zu genießen und nicht einfach nur durchzuhetzen. Gerade dieses Abschalten vom Alltagsdenken ist mir bei meinen Touren auch sehr wichtig.

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