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Hallo zusammen,
mein erster Reisebericht im Forum. Wenn Ihr Hinweise jeglicher Art habt, lasst Sie mich bitte wissen.
Zuerst einmal die Rahmendaten:
Art der Tour: Wintertour
Bereistes Gebiet: Grenzregion in Nordlappland zwischen dem Inarisee (Finnland) und dem Pasvik-Nationalpark (Norwegen)
Reisezeitraum: 17.02. - 02.03.2011
Größe der Gruppe: Anfangs 3, später 2
Anreise: Flugzeug
Fortbewegungsmittel: Schneeschuhe + Pulka
Vorgeschichte
Seit Jahren planten Alex, ein Freund aus Schultagen, und ich eine gemeinsame Schneeschuhwintertour. Nie hat es geklappt und meistens aus Termingründen. Ich habe bereits mehrere Wintertouren in Lappland gemacht, doch für Alex ist es die erste. Er hat aber bereits eine Menge Outdoorerfahrung zu anderen Jahreszeiten. Ebenfalls die erste Wintertour ist es für meine Freundin Katerina, die noch dazu auch noch auf bislang nur eine wirkliche Mehrtagestour (14 Tage auf dem Nordkalottleden im Sommer 2010) zurückblicken kann. Eine Situation, die mir ordentlich Respekt einflößt und auch ein wenig Zweifel in meine Gedanken streut. Nicht ganz zu Unrecht, wie die Reise zeigen wird.
Lange bevor es losgeht, treffen wir uns im Oktober und diskutieren die Route, Anreise, Nahrungsmittel, aber vor allem die Ausrüstung. Es wird ein langer Abend, an dessen Ende fast meine gesamte Wintertourenausrüstung unser Wohnzimmer bevölkert. Alex macht sich eine ansehnliche Liste der noch zu besorgenden Sachen und wir verabreden eine weitere Abstimmung per Email. Über die Route allerdings besteht schnell Einigkeit. Vor allem, weil die beiden über keinerlei Erfahrung verfügen, ist es ihnen recht egal. Und ich will unbedingt ins Pasvik-Gebiet. Zum einen, weil ich dort bereits 2009 hin wollte und dann doch nur auf finnischer Seite geblieben bin (eine lange Geschichte, in der Krankheit, gefrorene Krapfen und jede Menge Polizisten eine Rolle spielen - vielleicht ein ander Mal, falls es auf Interesse stößt). Und zum anderen, weil es eine Gegend mit einer hohen Hüttendichte ist. Perfekt für meine beiden Wintertoureneinsteiger, denke ich mir. Also wird der Flug gebucht und die restliche Vorbereitung betrieben.
Die Anreise
Einen Tag vor unserem Flug treffen wir uns alle in Dresden, erledigen die letzten Vorbereitungen inkl. Nahrungskauf und Pulkapacken und steigen dann am 17.2. in den Bus nach Berlin. Der bringt uns direkt zum Flughafen, von dem wir erst Richtung Riga und von dort weiter Richtung Rovaniemi abheben. Alles läuft problemlos. Eigentlich eine entspannte Reise, aber die Anspannung ist doch schon etwas spürbar. Grund dafür ist der Wetterbericht, der in Rovaniemi für die Nacht -35 Grad vorhersagt. Und wir haben aus finanziellen Gründen kein Hotel gebucht, sondern uns für den Bahnhofsvorplatz entschieden. So kommt es dann auch. Kurzzeitig kommt gute Stimmung auf, denn der Pilot meldet nur -25 Grad für Rovaniemi. Wir werden aber gleich darauf von einem anderen Passagier darüber aufgeklärt, dass diese Temperatur am Flughafen gemessen wurde. Und da Rovaniemi in einer Senke am Fluß liegt, sollten wir uns dann doch eher auf -35 Grad einstellen. Naja, wäre ja auch zu "schön" gewesen.
Die Nacht wird eine unruhige. Zwar haben wir alle gute Isomatten und Schlafsäcke, aber -35 Grad sind eben dann doch auch heftig. Zumal wir auf dem Bahnhofsvorplatz natürlich kein Zelt aufgestellt haben. Als ich am nächsten Morgen erwache, gilt mein erster Gedanke der Bahnhofshalle. Ein kurzer Sprint mit Schlafsack und Matte und schon ist es warm. Manchmal ist es ganz einfach, wieder ein Lächeln ins Gesicht zu bekommen. Katerina begrüßt mich weniger glücklich mit der deutlichen Aussage: "Das war die schlimmste Nacht meines Lebens!". Und auch Alex hat wohl schon bessere erlebt (ich übrigens auch). Aber in der Bahnhofshalle können wir uns wirklich gut aufwärmen und in Ruhe unsere Sachen packen. Der Bus nach Ivalo fährt vor und wir nehmen Platz. Auch auf diesem Abschnitt gibt es keinerlei Probleme. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Präzision die Busse "hier oben" selbst bei diesen Bedingungen fahren.
In Ivalo angekommen, gibt es eine lebenswichtige Pflichtaufgabe: Brennstoff besorgen. Ich hatte bereits im Vorfeld bei den Geschäften per Email nach Reinbenzin gefragt und auch zumindest eine Antwort bekommen. Aber eine positive: Primus Powerfuel für 8,20 Euro / Liter. Naja, muss wohl sein. Dummerweise hatte ich nicht nach der Menge gefragt und so stehen wir nach Verlassen des Ladens nur mit fünf statt der geplanten acht Liter auf der Straße. Kein anderes Geschäft in Ivalo hat die anderen drei und so weichen wir auf Petroleum aus.
Weiter geht es mit dem Bus in den kleinen Grenzort Nellim, den Startpunkt unserer Tour. Allerdings mit Hindernissen, den an einer Kreuzung versagen beim Bus die Bremsen und er rutscht in den (zugeschneiten) Straßengraben. Der Busfahrer meint später lapidar, für mehrere Wochen -30 Grad sei die Technik dann doch nicht ausgelegt. Zum Glück war er nur mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs, so dass niemandem etwas passiert. Aber wir stecken fest. Und der Busfahrer schafft es nicht, uns aus eigener Kraft zu befreien. Während die ganzen Schulkinder froh sind, das auf der langweiligen Strecke endlich mal was passiert, denke ich daran, dass wir nun wohl im Dunkeln unser Zelt aufbauen werden müssen.
Der Ersatzbus kommt, zieht uns aus dem Graben und fährt nach dem Umsteigen (inkl. Pulkaumladen) weiter nach Nellim. Ich versuche aus dem Busfahrer ein paar Informationen zum Weg und zur Wettervorhersage heraus zu bekommen, erfahre aber nichts Neues. Letztlich kommen wir in Nellim an, doch es wird bereits dunkel. So war das zwar nicht geplant, aber zum Glück dauert die Dämmerung so hoch im Norden ja eine ganze Weile. Im tollen Licht des Sonnenuntergangs bauen wir unsere Zelte auf und ich schmelze noch eine ganze Weile Schnee, damit es morgens schneller geht.
Der erste Tag
Diese Nacht geht Katerina auf Nummer sicher und nutzt zusätzlich zum Winterschlafsack noch meinen Sommerschlafsack, der als Kältereserve mit dabei ist. Mit Erfolg, denn am nächsten Morgen schaut sie mich schon viel freundlicher an. Ich schäle mich als erster aus den Daunen und mache Frühstück. Das Wetter ist fantastisch: Die Sonne scheint, kein Wind und das Thermometer zeigt annehmbare -20 Grad. Wir brauchen trotzdem recht lange und kommen erst gegen 11:30 los. Eigentlich viel zu spät. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir eine wirklich heftige Etappe vor uns haben. Ziel ist die erste Hütte am Wegesrand des neuen Piilola Wilderness Trail - die Kessijärvi Hütte. Die ist allerdings ca. 23 km weit von unserem Nachtlager entfernt. Im Sommer keine Entfernung, so ist das im Winter (für mich) schon sehr weit. Mit Schneeschuhen wohlgemerkt! Aber wir haben ja noch einen Trumpf im Ärmel - die Strasse. Diese führt bis zum Trailanfang und damit fast bis zur Hütte, die ca. 5 km hinter dem Trailbeginn liegt. Und sie ist super geräumt. Vorwärtskommen also wie im Sommer.
Und so laufen wir dann auch munter drauf los und kommen sehr gut voran. Bald hat sich ein Rhythmus eingeschlichen und jeder hängt seinen Gedanken nach. Nur ganz wenige Autos begegnen uns, aber das ist in dieser selbst für finnische Verhältnisse abgelegenen Gegend ja auch nicht verwunderlich. Bald kommen auch die ersten Bäume mit gelben Bändern in Sicht - die Abgrenzung der Grenzzone. Betreten nur mit Sondererlaubnis gestatttet, die wir nicht haben. Brauchen wir ja aber auch nicht, denn unser Weg führt nicht hinein, sondern daran entlang.
Sonderlich abwechslungsreich ist die Straße natürlich nicht und trotz der Tatsache, dass wir wirklich zügig unterwegs sind, wird mir bald klar, dass wir zu langsam sind, um die Hütte noch im Hellen zu erreichen. Als die Sonne sich langsam Richtung Horizont aufmacht, wird es auch empfindlich kalt. Die Stimmung bei Katerina und Alex bewegt sich proportional mit der Sonne. Plötzlich überholt mich ein Auto und hält direkt neben Katerina, die diesmal die Führung übernommen hatte. Es folgt einer der Höhepunkte dieser Tour, denn es entspannt sich folgender Kurzdialog:
Mann im Auto: "What are you doing?"
Katerina: "We are walking."
Hört sich vielleicht nur begrenzt komisch an, aber man stelle sich das entsprechende Gesicht des Mannes vor, der genau weiß, dass wir meilenweit die einzigen hier sind. Entsprechend seine Antwort: "I can see that." Trotzdem ist die Begegnung für uns ein Glücksfall, dessen positive Wirkung wir noch mehrere Tage spüren werden. Denn die beiden Männer sind Grenzwächter, die an der Grenze patroullieren. Ich quetsche sie nach unserem Standort aus und erfrage die Distanz bis zur Hütte. Schließlich stelle ich die entscheidene Frage: Nehmt ihr uns ein Stück mit? Kurzes Zögern, ein nettes Lächeln unsererseits und ein freundliches Nicken. Wir binden die Pulken aneinander und anschließend an die Anhängerkupplung. Im warmen Auto geht es flink die Straße entlang. Den Pulken wird bei der Geschwindigkeit vermutlich schwindlig und ich drehe mich immer mal wieder um, aber sie halten treu die Spur.
Die beiden zeigen uns den Einstieg zum Trail (alles zugeschneit), fahren aber weiter? Irritationen kommen auf, aber sie erklären uns, dass es einen besseren Einstieg gibt. Kurze Zeit später stehen wir am Anfang einer Skooterspur, die direkt zur Hütte führen soll. Und auch noch kürzer ist, als der Trail. Perfekt denke ich und rüste mich zum Aufbruch. Doch genau in diesem Moment schaut mich Alex an und sagt, dass er die Tour gerne abbrechen möchte. Hmm, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Er erklärt mir kurz die Gründe und geht dann zu den beiden Finnen rüber. Die gucken natürlich erstmal sehr entgeistert, als er sie nach einem Hotel in der Nähe fragt. Da haben sie uns gerade hierher gefahren und jetzt wollen wir in die entgegengesetzte Richtung? Aber es hilft nix. Alex will zurück. Daher lassen wir die Pulken an Ort und Stellen, steigen wieder ins Auto und finden uns kurze Zeit später in einem warmen, behaglichen Hotelzimmer wieder. Wir machen Lagebesprechung beim Abendbrot und schnell wird klar, dass Alex die Tour ganz abbrechen wird, während Katerina und ich sie fortsetzen werden. Mit dieser Entscheidung geht es dann ins Bett.
Der zweite Tag
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück steigen wir in ein Taxi, was uns wieder zu den Pulken bringt. In Windeseile fliegen am Autofenster all die Kilometer vorbei, die wir gestern noch zu Fuß zurückgelegt haben. Letztlich kommen wir wieder bei den Pulken an. Wir teilen die Ausrüstung auf und verabschieden uns von Alex. Er nimmt das Taxi wieder zurück und wird auf gleicher Route wieder nach Deutschland reisen.
Katerina und ich aber ziehen uns die Schneeschuhe an und ziehen die Pulken Richtung Hütte. Ich genieße die Sonne und den strahlend blauen Himmel. Währenddessen versucht sich Katerina hinter mir an das Laufen mit Schneeschuhen zu gewöhnen. Sie werden bis zum Ende der Tour aber nicht zu ihren Freunden. Genausowenig wie die Pulka. Die Hütte ist allerdings schnell erreicht, auch wenn wir uns die letzten 150 m durch Tiefschnee plagen müssen, da die Scooterspur an der Hütte vorbeiführt. Keine Stunde haben wir für die letzten Kilometer gebraucht. Aber wer weiß, ob wir die Hütte gestern im Dunkeln auch gefunden hätten. Egal, jetzt sind wir ja da und machen es uns gemütlich.
Der Hüttenalltag ist schnell erledigt. Feuer machen, Holz sägen und hacken, Schnee schmelzen und kochen. Da wir noch richtig viel Zeit haben, packen wir die Bücher aus und beginnen zu lesen.
Die nächsten Tage
Auch die nächsten Tagen behalten diesen Rhythmus bei. Morgens aufstehen, frühstücken und packen, tagsüber laufen und abends die Hütte beziehen. Mit Ausnahme des dritten Tages, wo wir in der Nuottamajärvi Laavu übernachten, beziehen wir am Tagesende jetzt immer eine Hütte. Wettertechnisch wird es immer wärmer (zum Ende der Tour waren es nur noch 0 Grad - Ende Februar wohlgemerkt), aber der Wind wird deutlich stärker. Die meisten Tage scheint sogar die Sonne.
Die Tipps der beiden Grenzer erweisen sich als Gold wert. Wir finden die Winterroute etwas weiter westlich des Sommertrails und haben keine Probleme ihr zu folgen. Eigentlich ein traumhafter Weg über Seen und durch Wälder, aber Katerina hat dafür meist keine Augen. Die Schneeschuhe und die Pulka machen ihr das Leben schwer und das schlägt auf ihre Stimmung. Hinzu kommt, dass sie daher recht langsam ist, was wiederum den Kreislauf nicht so richtig in Schwung bringt. Ergo ist ihr dauernd kalt. Und Augen für die Landschaft hat sie daher auch nicht so wirklich. Ich erinnere mich lächelnd an meine ersten Wintertouren. Der Winter macht es einem eben nicht so leicht, ihn zu genießen.
Doch es gibt noch einen großen Vorteil, der mit den Grenzern zu tun hat. Offensichtlich hat sie unser seltsames Verhalten am ersten Tag übervorsichtig werden lassen. Da wir ihnen auch erzählt hatten, wo wir lang wollen, finden wir wie durch Zauberhand frisch gespurte Routen vor. Es ist nicht zu übersehen, dass sie uns das Leben leicht machen wollen. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür. Wir treffen sie noch einmal an der Laavu, doch das Angebot einer Dankesschokolade lehnen sie ab. Schade, den nach Alex' Ausstieg haben wir die doch im Überfluss.
mein erster Reisebericht im Forum. Wenn Ihr Hinweise jeglicher Art habt, lasst Sie mich bitte wissen.
Zuerst einmal die Rahmendaten:
Art der Tour: Wintertour
Bereistes Gebiet: Grenzregion in Nordlappland zwischen dem Inarisee (Finnland) und dem Pasvik-Nationalpark (Norwegen)
Reisezeitraum: 17.02. - 02.03.2011
Größe der Gruppe: Anfangs 3, später 2
Anreise: Flugzeug
Fortbewegungsmittel: Schneeschuhe + Pulka
Vorgeschichte
Seit Jahren planten Alex, ein Freund aus Schultagen, und ich eine gemeinsame Schneeschuhwintertour. Nie hat es geklappt und meistens aus Termingründen. Ich habe bereits mehrere Wintertouren in Lappland gemacht, doch für Alex ist es die erste. Er hat aber bereits eine Menge Outdoorerfahrung zu anderen Jahreszeiten. Ebenfalls die erste Wintertour ist es für meine Freundin Katerina, die noch dazu auch noch auf bislang nur eine wirkliche Mehrtagestour (14 Tage auf dem Nordkalottleden im Sommer 2010) zurückblicken kann. Eine Situation, die mir ordentlich Respekt einflößt und auch ein wenig Zweifel in meine Gedanken streut. Nicht ganz zu Unrecht, wie die Reise zeigen wird.
Lange bevor es losgeht, treffen wir uns im Oktober und diskutieren die Route, Anreise, Nahrungsmittel, aber vor allem die Ausrüstung. Es wird ein langer Abend, an dessen Ende fast meine gesamte Wintertourenausrüstung unser Wohnzimmer bevölkert. Alex macht sich eine ansehnliche Liste der noch zu besorgenden Sachen und wir verabreden eine weitere Abstimmung per Email. Über die Route allerdings besteht schnell Einigkeit. Vor allem, weil die beiden über keinerlei Erfahrung verfügen, ist es ihnen recht egal. Und ich will unbedingt ins Pasvik-Gebiet. Zum einen, weil ich dort bereits 2009 hin wollte und dann doch nur auf finnischer Seite geblieben bin (eine lange Geschichte, in der Krankheit, gefrorene Krapfen und jede Menge Polizisten eine Rolle spielen - vielleicht ein ander Mal, falls es auf Interesse stößt). Und zum anderen, weil es eine Gegend mit einer hohen Hüttendichte ist. Perfekt für meine beiden Wintertoureneinsteiger, denke ich mir. Also wird der Flug gebucht und die restliche Vorbereitung betrieben.
Die Anreise
Einen Tag vor unserem Flug treffen wir uns alle in Dresden, erledigen die letzten Vorbereitungen inkl. Nahrungskauf und Pulkapacken und steigen dann am 17.2. in den Bus nach Berlin. Der bringt uns direkt zum Flughafen, von dem wir erst Richtung Riga und von dort weiter Richtung Rovaniemi abheben. Alles läuft problemlos. Eigentlich eine entspannte Reise, aber die Anspannung ist doch schon etwas spürbar. Grund dafür ist der Wetterbericht, der in Rovaniemi für die Nacht -35 Grad vorhersagt. Und wir haben aus finanziellen Gründen kein Hotel gebucht, sondern uns für den Bahnhofsvorplatz entschieden. So kommt es dann auch. Kurzzeitig kommt gute Stimmung auf, denn der Pilot meldet nur -25 Grad für Rovaniemi. Wir werden aber gleich darauf von einem anderen Passagier darüber aufgeklärt, dass diese Temperatur am Flughafen gemessen wurde. Und da Rovaniemi in einer Senke am Fluß liegt, sollten wir uns dann doch eher auf -35 Grad einstellen. Naja, wäre ja auch zu "schön" gewesen.
Die Nacht wird eine unruhige. Zwar haben wir alle gute Isomatten und Schlafsäcke, aber -35 Grad sind eben dann doch auch heftig. Zumal wir auf dem Bahnhofsvorplatz natürlich kein Zelt aufgestellt haben. Als ich am nächsten Morgen erwache, gilt mein erster Gedanke der Bahnhofshalle. Ein kurzer Sprint mit Schlafsack und Matte und schon ist es warm. Manchmal ist es ganz einfach, wieder ein Lächeln ins Gesicht zu bekommen. Katerina begrüßt mich weniger glücklich mit der deutlichen Aussage: "Das war die schlimmste Nacht meines Lebens!". Und auch Alex hat wohl schon bessere erlebt (ich übrigens auch). Aber in der Bahnhofshalle können wir uns wirklich gut aufwärmen und in Ruhe unsere Sachen packen. Der Bus nach Ivalo fährt vor und wir nehmen Platz. Auch auf diesem Abschnitt gibt es keinerlei Probleme. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Präzision die Busse "hier oben" selbst bei diesen Bedingungen fahren.
In Ivalo angekommen, gibt es eine lebenswichtige Pflichtaufgabe: Brennstoff besorgen. Ich hatte bereits im Vorfeld bei den Geschäften per Email nach Reinbenzin gefragt und auch zumindest eine Antwort bekommen. Aber eine positive: Primus Powerfuel für 8,20 Euro / Liter. Naja, muss wohl sein. Dummerweise hatte ich nicht nach der Menge gefragt und so stehen wir nach Verlassen des Ladens nur mit fünf statt der geplanten acht Liter auf der Straße. Kein anderes Geschäft in Ivalo hat die anderen drei und so weichen wir auf Petroleum aus.
Weiter geht es mit dem Bus in den kleinen Grenzort Nellim, den Startpunkt unserer Tour. Allerdings mit Hindernissen, den an einer Kreuzung versagen beim Bus die Bremsen und er rutscht in den (zugeschneiten) Straßengraben. Der Busfahrer meint später lapidar, für mehrere Wochen -30 Grad sei die Technik dann doch nicht ausgelegt. Zum Glück war er nur mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs, so dass niemandem etwas passiert. Aber wir stecken fest. Und der Busfahrer schafft es nicht, uns aus eigener Kraft zu befreien. Während die ganzen Schulkinder froh sind, das auf der langweiligen Strecke endlich mal was passiert, denke ich daran, dass wir nun wohl im Dunkeln unser Zelt aufbauen werden müssen.
Der Ersatzbus kommt, zieht uns aus dem Graben und fährt nach dem Umsteigen (inkl. Pulkaumladen) weiter nach Nellim. Ich versuche aus dem Busfahrer ein paar Informationen zum Weg und zur Wettervorhersage heraus zu bekommen, erfahre aber nichts Neues. Letztlich kommen wir in Nellim an, doch es wird bereits dunkel. So war das zwar nicht geplant, aber zum Glück dauert die Dämmerung so hoch im Norden ja eine ganze Weile. Im tollen Licht des Sonnenuntergangs bauen wir unsere Zelte auf und ich schmelze noch eine ganze Weile Schnee, damit es morgens schneller geht.
Der erste Tag
Diese Nacht geht Katerina auf Nummer sicher und nutzt zusätzlich zum Winterschlafsack noch meinen Sommerschlafsack, der als Kältereserve mit dabei ist. Mit Erfolg, denn am nächsten Morgen schaut sie mich schon viel freundlicher an. Ich schäle mich als erster aus den Daunen und mache Frühstück. Das Wetter ist fantastisch: Die Sonne scheint, kein Wind und das Thermometer zeigt annehmbare -20 Grad. Wir brauchen trotzdem recht lange und kommen erst gegen 11:30 los. Eigentlich viel zu spät. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir eine wirklich heftige Etappe vor uns haben. Ziel ist die erste Hütte am Wegesrand des neuen Piilola Wilderness Trail - die Kessijärvi Hütte. Die ist allerdings ca. 23 km weit von unserem Nachtlager entfernt. Im Sommer keine Entfernung, so ist das im Winter (für mich) schon sehr weit. Mit Schneeschuhen wohlgemerkt! Aber wir haben ja noch einen Trumpf im Ärmel - die Strasse. Diese führt bis zum Trailanfang und damit fast bis zur Hütte, die ca. 5 km hinter dem Trailbeginn liegt. Und sie ist super geräumt. Vorwärtskommen also wie im Sommer.
Und so laufen wir dann auch munter drauf los und kommen sehr gut voran. Bald hat sich ein Rhythmus eingeschlichen und jeder hängt seinen Gedanken nach. Nur ganz wenige Autos begegnen uns, aber das ist in dieser selbst für finnische Verhältnisse abgelegenen Gegend ja auch nicht verwunderlich. Bald kommen auch die ersten Bäume mit gelben Bändern in Sicht - die Abgrenzung der Grenzzone. Betreten nur mit Sondererlaubnis gestatttet, die wir nicht haben. Brauchen wir ja aber auch nicht, denn unser Weg führt nicht hinein, sondern daran entlang.
Sonderlich abwechslungsreich ist die Straße natürlich nicht und trotz der Tatsache, dass wir wirklich zügig unterwegs sind, wird mir bald klar, dass wir zu langsam sind, um die Hütte noch im Hellen zu erreichen. Als die Sonne sich langsam Richtung Horizont aufmacht, wird es auch empfindlich kalt. Die Stimmung bei Katerina und Alex bewegt sich proportional mit der Sonne. Plötzlich überholt mich ein Auto und hält direkt neben Katerina, die diesmal die Führung übernommen hatte. Es folgt einer der Höhepunkte dieser Tour, denn es entspannt sich folgender Kurzdialog:
Mann im Auto: "What are you doing?"
Katerina: "We are walking."
Hört sich vielleicht nur begrenzt komisch an, aber man stelle sich das entsprechende Gesicht des Mannes vor, der genau weiß, dass wir meilenweit die einzigen hier sind. Entsprechend seine Antwort: "I can see that." Trotzdem ist die Begegnung für uns ein Glücksfall, dessen positive Wirkung wir noch mehrere Tage spüren werden. Denn die beiden Männer sind Grenzwächter, die an der Grenze patroullieren. Ich quetsche sie nach unserem Standort aus und erfrage die Distanz bis zur Hütte. Schließlich stelle ich die entscheidene Frage: Nehmt ihr uns ein Stück mit? Kurzes Zögern, ein nettes Lächeln unsererseits und ein freundliches Nicken. Wir binden die Pulken aneinander und anschließend an die Anhängerkupplung. Im warmen Auto geht es flink die Straße entlang. Den Pulken wird bei der Geschwindigkeit vermutlich schwindlig und ich drehe mich immer mal wieder um, aber sie halten treu die Spur.
Die beiden zeigen uns den Einstieg zum Trail (alles zugeschneit), fahren aber weiter? Irritationen kommen auf, aber sie erklären uns, dass es einen besseren Einstieg gibt. Kurze Zeit später stehen wir am Anfang einer Skooterspur, die direkt zur Hütte führen soll. Und auch noch kürzer ist, als der Trail. Perfekt denke ich und rüste mich zum Aufbruch. Doch genau in diesem Moment schaut mich Alex an und sagt, dass er die Tour gerne abbrechen möchte. Hmm, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Er erklärt mir kurz die Gründe und geht dann zu den beiden Finnen rüber. Die gucken natürlich erstmal sehr entgeistert, als er sie nach einem Hotel in der Nähe fragt. Da haben sie uns gerade hierher gefahren und jetzt wollen wir in die entgegengesetzte Richtung? Aber es hilft nix. Alex will zurück. Daher lassen wir die Pulken an Ort und Stellen, steigen wieder ins Auto und finden uns kurze Zeit später in einem warmen, behaglichen Hotelzimmer wieder. Wir machen Lagebesprechung beim Abendbrot und schnell wird klar, dass Alex die Tour ganz abbrechen wird, während Katerina und ich sie fortsetzen werden. Mit dieser Entscheidung geht es dann ins Bett.
Der zweite Tag
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück steigen wir in ein Taxi, was uns wieder zu den Pulken bringt. In Windeseile fliegen am Autofenster all die Kilometer vorbei, die wir gestern noch zu Fuß zurückgelegt haben. Letztlich kommen wir wieder bei den Pulken an. Wir teilen die Ausrüstung auf und verabschieden uns von Alex. Er nimmt das Taxi wieder zurück und wird auf gleicher Route wieder nach Deutschland reisen.
Katerina und ich aber ziehen uns die Schneeschuhe an und ziehen die Pulken Richtung Hütte. Ich genieße die Sonne und den strahlend blauen Himmel. Währenddessen versucht sich Katerina hinter mir an das Laufen mit Schneeschuhen zu gewöhnen. Sie werden bis zum Ende der Tour aber nicht zu ihren Freunden. Genausowenig wie die Pulka. Die Hütte ist allerdings schnell erreicht, auch wenn wir uns die letzten 150 m durch Tiefschnee plagen müssen, da die Scooterspur an der Hütte vorbeiführt. Keine Stunde haben wir für die letzten Kilometer gebraucht. Aber wer weiß, ob wir die Hütte gestern im Dunkeln auch gefunden hätten. Egal, jetzt sind wir ja da und machen es uns gemütlich.
Der Hüttenalltag ist schnell erledigt. Feuer machen, Holz sägen und hacken, Schnee schmelzen und kochen. Da wir noch richtig viel Zeit haben, packen wir die Bücher aus und beginnen zu lesen.
Die nächsten Tage
Auch die nächsten Tagen behalten diesen Rhythmus bei. Morgens aufstehen, frühstücken und packen, tagsüber laufen und abends die Hütte beziehen. Mit Ausnahme des dritten Tages, wo wir in der Nuottamajärvi Laavu übernachten, beziehen wir am Tagesende jetzt immer eine Hütte. Wettertechnisch wird es immer wärmer (zum Ende der Tour waren es nur noch 0 Grad - Ende Februar wohlgemerkt), aber der Wind wird deutlich stärker. Die meisten Tage scheint sogar die Sonne.
Die Tipps der beiden Grenzer erweisen sich als Gold wert. Wir finden die Winterroute etwas weiter westlich des Sommertrails und haben keine Probleme ihr zu folgen. Eigentlich ein traumhafter Weg über Seen und durch Wälder, aber Katerina hat dafür meist keine Augen. Die Schneeschuhe und die Pulka machen ihr das Leben schwer und das schlägt auf ihre Stimmung. Hinzu kommt, dass sie daher recht langsam ist, was wiederum den Kreislauf nicht so richtig in Schwung bringt. Ergo ist ihr dauernd kalt. Und Augen für die Landschaft hat sie daher auch nicht so wirklich. Ich erinnere mich lächelnd an meine ersten Wintertouren. Der Winter macht es einem eben nicht so leicht, ihn zu genießen.
Doch es gibt noch einen großen Vorteil, der mit den Grenzern zu tun hat. Offensichtlich hat sie unser seltsames Verhalten am ersten Tag übervorsichtig werden lassen. Da wir ihnen auch erzählt hatten, wo wir lang wollen, finden wir wie durch Zauberhand frisch gespurte Routen vor. Es ist nicht zu übersehen, dass sie uns das Leben leicht machen wollen. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür. Wir treffen sie noch einmal an der Laavu, doch das Angebot einer Dankesschokolade lehnen sie ab. Schade, den nach Alex' Ausstieg haben wir die doch im Überfluss.
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