[UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

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    • 30.10.2009
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    [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Land: Schottland / UK
    Reisezeit: 30.8.-15.9.2010
    Region/Kontinent: Nordeuropa



    Vorwort

    Nachdem ich im letzten Jahr meine erste weitere Strecke auf dem WHW gelaufen war, sollte es dieses Jahr etwas zivilisationsferner werden, aber trotzdem nicht zu wild. Erfahrung sammeln halt. Das es nochmal Schottland sein sollte, war von vorneherein klar. Im Cicerone Backpacker's Britain erregte die beschriebene Cairngorm High Level Traverse meine Aufmerksamkeit. Nicht, daß ich wirklich High Level laufen wollte, aber die Strecke ließ sich im groben auch Low Level verfolgen und bot einige schöne Gelegenheiten für Munro-Abstecher. Den östlichen Teil weggelassen, würde es mit zwei Munro-Tagen für 5 Tage durch die Cairngorms reichen. Danach, das wollte ich sowieso schon lange machen, plante ich die Strecke Dalwhinnie - Ft. William. Als Wunschzeit faßte ich den Mai ins Auge, da er a) statistisch der Monat mit den wenigsten Regentagen ist und b) meine Hoffnung war, daß die Midges zu dieser Zeit noch überschaubar sind.

    Die Recherchen im Forum offenbarten, daß zu meiner geplanten Route ein frischer Reisebericht existierte. Von Midges und Bog mußte ich lesen, aber das war im September gewesen, und ich würde ja im Mai unterwegs sein.
    Dummerweise mußte ich meinen Urlaub dann aus beruflichen Gründen von Mai auf September verschieben...



    30.8. Anreise

    Schon im Landeanflug auf Edinburgh kann ich sehen, daß der Tag warm wird: nur ein paar vereinzelte Quellwölkchen hängen am Himmel, und ehe ich mich versehe, stehe ich vor dem Flughafen in der Sonne. Da ich bis zur Abfahrt des Busses nach Aviemore noch 2 1/2 Stunden Zeit habe, fahre ich gemütlich mit dem Airlink-Bus in die Innenstadt und besorge mir erst einmal eine Gaskartusche. Den Rest der Wartezeit verbringe ich in der Sonne sitzend am St. Andrew Square. Dann bringt mich der vorgebuchte Citylink Bus in knapp 4 Stunden nach Aviemore. Ich checke im Aviemore Inn in mein Zimmer ein, gehe einen Burger essen und genehmige mir in der Lounge Bar des Cairngorm Hotels noch zwei Pints. Dann gehe ich schlafen, nicht ohne vorher noch die MWIS Vorhersage zu checken. Was ich sehe, trägt zur geruhsamen Nachtruhe bei - gutes Wetter für die nächsten Tage.



    31.8. Aviemore - Lairig Ghru - Corrour Bothy

    Nach einer letzten Dusche auf absehbare Zeit und einem kräftigen schottischen Frühstück wuchte ich den Rucksack auf den Rücken und breche auf in den sonnigen, windstillen Morgen. Zuerst entlang der Straße, dann über gut ausgebaute Spazierwege, bis an der Abzweigung zum Lairig Ghru der Ernst des Lebens anfängt.


    Spazierwege im Rothiemurchus


    Abzweig zum Lairig Ghru

    Nach einiger Zeit auf dem Pfad in Richtung Lairig Ghru fülle ich meine Wasserflasche an einem kleinen Bach nach. Da der Algenbewuchs im Bach mich etwas mißtrauisch macht, beschließe ich, wenn ich ihn schon mitschleppe, den Wasserfilter zu benutzen. Dummerweise heißt das, für den einen Liter in der Flasche ca. eine Minute still hocken und pumpen. Der regelmäßige Leser von Reiseberichten aus Schottland erinnert sich an die oben erwähnte Windstille und weiß, was kommt: Midges. Noch sind sie zahlenmäßig nur lästig, aber sie halten mich davon ab, eine längere Pause zu machen. Die mache ich dafür an einem kleinen Zwischensattel, wo wenigstens ein schwaches Lüftchen weht. Dort begegnet mir ein Pärchen komplett JW-ausgerüsteter Deutscher, die mich aufgrund meines Tech Tee der urdeutschen Marke "Berghaus" direkt auf Deutsch anquatschen . Die Corrour Bothy sei, naja, ein Dreckloch eben, und bis zur Derry Lodge gebe es sowieso keine Möglichkeit zu zelten, wegen alles Sumpf und so. Ich bedanke mich für die Auskunft, wünsche den beiden noch einen guten Weg und stelle sie mir insgeheim auf Heizdecken-Kaffeefahrt vor. Ein Kribbeln läßt mich auf meinen windabgewandten Arm schauen, und mit einem energischen Wisch mit der anderen Hand entferne ich eine Horde Midges, die sich zur Mahlzeit versammelt haben. Das kann ja heiter werden.


    Pfad Richtung Braeriach

    Etwas später erreiche ich die Stelle, wo der Pfad in Richtung Braeriach abzweigt. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, falls mich der Übermut packt dort hochzusteigen und die erste Nacht an den Wells of Dee zu zelten. Ich horche in mich hinein, aber von Übermut keine Spur. Außerdem flüstert mir jedes einzelne der 20 kg in meinem Rucksack ins Ohr "Du willst nicht noch 700 Höhenmeter mit mir machen! Nicht heute am ersten Tag." So marschiere ich weiter in Richtung Paßhöhe.

    Immer wieder geht es jetzt weglos über grobes Geröll, dahinter heißt es jedesmal den Pfad wiederzufinden. Schließlich erreiche ich den Paß, ein kurzer Blick zurück Richtung Speytal, und kurz darauf passiere ich die Pools of Dee. An längeres Stehenbleiben ist hier wegen der Midges nicht zu denken, trotzdem hält das zwei Wanderer, Vater und Sohn, nicht davon ab, hier ihr Zelt aufzuschlagen. Zugegeben, ein romantisches Plätzchen, aber bei Windstille zu Midge-verseucht und bei Wind durch die Lage am Paß zu windexponiert - ich hatte diese Stelle schon beim Blick auf die Karte als Zeltplatz ausgeschlossen.


    Geröllfelder


    Ein letzter Blick zurück


    Pools of Dee

    Bald wird der Pfad auch wieder besser, keine Geröllfelder mehr, und der Devils Point, an dessen Fuß mein Tagesziel liegt, die Corrour Bothy, rückt näher. Allerdings meldet sich mein linkes Knie jetzt beim bergab laufen - die Balanciererei über die Felsbrocken war wohl nicht so das wahre. Mist! Eigentlich wollte ich morgen an der Bothy mein Zelt stehen lassen und von dort aus light and fast die Braeriach Traverse machen.

    An der Bothy angekommen, baue ich mein Zelt auf - die Midges toben schon heftig, so daß ich Jacke und Headnet überziehe. Ein Zelt steht schon da, aber die Bewohner habe ich nie gesehen.


    Corrour Bothy

    Ich inspiziere die Bothy, jemand hat seine Sachen dort deponiert. Am Bach hinter der Bothy fülle ich den Wasserbeutel, und als ich zurückkomme, baut noch jemand sein Zelt auf. Um den Midges zu entgehen, essen wir in der Bothy. Der Zeltkollege hat nur kalte Küche dabei, da er nur eine Übernachtung plant. Während wir essen, wird die Tür aufgestoßen und jemand poltert in die Stube, grußlos, schnaufend, nach Luft japsend, auf seine Stöcke gestützt. Wir schauen uns an und erwarten den anscheinend unmittelbar bevorstehenden Herztod des Neuankömmlings. Nach ein paar Minuten kann er wieder sprechen - es ist der Besitzer der deponierten Klamotten, der heute auf den Munros war und sich dabei offenbar ziemlich angestrengt hat, da er erst mittags losgezogen ist und im D-Zug-Tempo unterwegs war.

    Nach dem Essen verkrieche ich mich ins Zelt und schreibe den Tagesbericht frisch aus der Erinnerung auf. Gegen 21:45 will ich noch kurz die Zähne putzen und hoffe, daß die Midges sich mittlerweile etwas verstreut haben. Zu meiner Überraschung haben sie sich völlig zurückgezogen und ich sitze noch etwas auf einem großen Stein vor dem Zelt, um den Abend und den Sternenhimmel zu genießen. Dazu noch einen Schluck Glenlivet, den ich extra in eine kleine, weiße Sigg-Flasche abgefüllt habe, gegen Mißverständnisse am Flughafen mit "Whisky, NOT fuel" beschriftet - man weiß ja nie. Gegen 11 gehe ich dann nach einem langen ersten Tag schlafen.



    1.9. Corrour Bothy - Derry Lodge

    Morgens wache ich vom Geräusch auf, das Nieselregen auf Zeltplane verursacht. Ich fluche innerlich. Das war nicht angesagt! Als ich vorsichtig das Innenzelt öffne, um die tatsächliche Regenstärke zu begutachten, sehe ich die wahre Bescherung: das Geräusch stammt nicht von Regen, sondern von Midges, die buchstäblich mit dem Kopf durch die (Zelt-) Wand wollen, um mir meinen Lebenssaft aussaugen zu können. Meine mir eigene Morgenträgheit verhindert leider, daß dieses Schauspiel im Bild festgehalten wird.

    Als es einige Zeit später wirklich einen kurzen Schauer gibt (das war nicht angesagt!), verziehen sich die Midges und ich trage mein Frühstücksgeraffel in die Bothy, wo ich mir erstmal einen Kaffee koche. Der Hillwalker hat schon gepackt und rät mir im kurzen woher-und-wohin-Smalltalk, auf keinen Fall durch Strath Nethy zu laufen, viel zu boggy sei es da. "Walk high", ist sein Rat. Er meint damit, vom Loch Avon über Cairn Gorm nach Glenmore zu laufen. Scherzkeks, mit 20kg Rucksack (in dem Moment notiere ich mir gedanklich, mich zu Hause mal über Möglichkeiten der Gewichtsreduzierung im Rucksack zu informieren, ohne gleich notwendigerweise im UL-Sumpf landen zu müssen). Außerdem hat mein Knie gestern rumgezickt, da rüber wird es wahrscheinlich dann endgültig zu Matsch.

    Dieser Gedanke bringt mich dann dazu, über meine Tagespläne nachzudenken. Eigentlich wollte ich heute ja ein paar Munros baggen, aber ich beschließe zur Vorsicht, langsam die kurze Strecke bis zur Derry Lodge zu laufen. Wenn's gut geht, gehe ich morgen auf der geplanten Strecke weiter, ansonsten kann ich nach Braemar rauslaufen. Damit begründe ich eine Tradition auf dieser Tour: immer von einer Bailout-Möglichkeit zur nächsten denken...

    Da der Regen inzwischen aufgehört hat, sind die Mistviecher wieder aktiv. Ich schleppe mein Zeug zum Packen in die Bothy, da habe ich mehr Ruhe. Wenig später ist alles im Rucksack verstaut und los geht's.


    Aufbruch von der Corrour Bothy

    Der Weg geht halbhoch am Hang entlang, unten mäandert der River Dee durch etwas, das wie Sumpf aussieht.


    Glen Geusachan


    Glen Luibeg; irgendwo da hinten liegt die Derry Lodge

    Der Pfad biegt nach Osten ab, und schon bald kann ich aus der Höhe die bewaldeten Hänge bei der Derry Lodge ausmachen. Doch zwischen meine momentane Position und mein Ziel hat Slartibartfaß' Kollege, der für das Design der Highlands zuständig war, den Luibeg Burn gelegt. Der will an der Luibeg Bridge überquert werden, und der Weg dahin führt durch einige hundert Meter bogverseuchten Gebiets. Die großen, unregelmäßigen Schritte von einem Fleck festen Bodens zum nächsten und der abschließenden kurze, aber steile Abstieg zur Brücke lassen mich mein Knie wieder spüren...


    Luibeg Bridge

    Auf der anderen Seite geht es weniger steil wieder einige Meter rauf, nochmal durch ein kurzes Bog-Stück und dann weiter auf einem festen Pfad. Bald darauf erreiche ich die Brücke über den Derry Burn und schlage mein Zelt 200 Meter flußaufwärts auf.


    Zelten am Derry Burn

    Da es erst später Nachmittag ist, gönne ich mir die Zeit für eine Rasur und sogar eine Haarwäsche. So kommt auch die Sea to Summit Faltschüssel zu ihrem ersten Einsatz. Dann überlege ich: gestern kamen die Midges gegen 18:30, also sollte ich bis dahin gekocht und gegessen haben. Jetzt ist es 17:00 Uhr, also fange ich an, es sollte noch genug Zeit sein. Doch kaum brennt der Kocher, kommen sie von überall her. In einiger Entfernung auf und ab laufend, warte ich, bis das Wasser kocht, kippe meine Tüte Globi Lunch Ungarisch rein und flüchte ins Zelt (weitere Gedankennotiz: Essenskonzept überdenken. Das Globi-Zeug schmeckt mir nicht. Macht aber effektiv satt: schon nach zwei Löffeln habe ich keinen Hunger mehr...). Um den Topf zu spülen, wage ich mich etwas später nochmal raus, diesmal schon in voller Schutzausrüstung. Die Midges bilden jetzt schon eine Wolke um mein Zelt. Schnell bin ich wieder drin, um den Tagesbericht zu schreiben.

    Gegen 21:30 erinnere ich mich daran, daß gestern um diese Zeit die Mistviecher wieder weg waren, mit der Hoffnung, daß das heute und hier genauso ist und ich vielleicht noch ein bißchen gemütlich vor dem Zelt sitzen kann. Zelteingang auf, rauskrabbeln, und mir wird schlagartig klar, daß ich gerade einen Riesenfehler gemacht habe. Ich pralle gegen eine massive Wand aus Midges. Killer Midges from Outer Space! Nightmare on Midge Street! Ins Zelt zurück kann ich nicht mehr, da meine Jacke, die ich glücklicherweise schon im Zelt übergezogen habe, nicht mehr blau, sondern schwarz von den Monstern ist und ich die alle ins Zelt schleppen würde. Also ganz raus und hinter mir die Reisverschlüsse schnell zugezogen, hoffentlich sind nicht so viele reingeflutscht! Ich bewege mich schnell vom Zelt weg, rubbele mit beiden Händen die Midges aus den Haaren und stülpe mir das Headnet über. Wenn ich auf dem Weg schnell hin und her gehe, ist es erträglich. Ich drehe eine Zigarette und sehe den Schein dreier Stirnlampen über die Brücke geistern. Da ich sowieso in Bewegung bleiben muss, laufe ich rüber und treffe drei Schotten, die gerade ihr Zelt aufbauen. Im Schein Ihrer Lampen führen die Midges Freudentänze auf. So viel Futter auf einmal! Einer der drei kann ein bißchen deutsch und nutzt die Gelegenheit zum Üben. Er erzählt mir, er sei schon mehrmals hier gewesen, aber so schlimm seien die Biester noch nie gewesen. Ich lasse die drei weiter ihr Zelt aufbauen, rauche noch eine letzte Zigarette, klopfe die an mir klebenden Midges so gut es geht ab und krieche ins Zelt zurück. Anschließend bin ich eine halbe Stunde damit beschäftigt, die im Zelt schwirrenden Blutsauger mit einem feuchten Waschlappen so weit wie möglich zu dezimieren. Noch einen kräftigen Schluck aus der weißen Sigg-Flasche (die mit dem Glenlivet) und ich lege mich schlafen.



    2.9. Derry Lodge - Loch Avon

    Als ich in der Nacht mal aufwache, leuchte ich vorsichtig mit der Stirnlampe aus dem Zelt. Sie haben aufgehört zu schwärmen, aber sie sitzen überall. Die Situation ist unwirklich. Ich komme mir vor wie in einem Alien-Abklatsch-Film und schlafe durch den Gedanken leicht belustigt wieder ein.
    Am Morgen sind sie wieder aktiv, an ein gemütliches Frühstück ist nicht zu denken. Also gibt es zum Müsli im Zelt nur eine aufgelöste Vitamintablette statt Kaffee. Dann wird der improvisierte ABC-Schutzanzug angelegt und ich fange an, meine Sachen aus dem Zelt zu räumen und 20 m weiter zum Packen wieder abzulegen, denn die kleinen Monster schwirren in einer Wolke um mein Zelt. Danach wird das Zelt abgebaut. Irgendwo habe ich mal gelesen, daß Midges keine Sonne mögen. Dieses Gerücht entbehrt jeglicher Grundlage.


    Midges im Sonnenschein

    Aus den Gestängeaufnahmen bröselt mir torfähnlicher Dreck entgegen. Wie kommt Torf da rein? Dann wird mir klar, was ich das ist: Die Mistviecher haben sich dort drin vor der Nachtkälte und Feuchtigkeit versteckt und sich in Massen gegenseitig erstickt. Wenn mich in diesem Moment jemand sähe, er würde mich für verrückt halten. Möglicherweise sogar für gefährlich. Leise vor mich hin kichernd, wiederhole ich immer wieder "I see dead Midges".

    Schließlich ist alles im Rucksack verstaut und ich mache mich auf in den sonnigen Morgen. Kaum daß ich in Bewegung bin, hören die Midges auf, ein Problem zu sein. Zuerst geht das Headnet in die Jackentasche, dann die Jacke in den Rucksack. Es wird schnell warm und die Szenerie bekommt einen Touch von afrikanischer Savanne.


    Savanne

    Life is good. Das ist einer der Tage, an dem man die Frage, warum man sich das alles antut, mit den beiden Worten "wegen sowas" vom Tisch fegen kann. Das einzige, was das Idyll stört, ist die RAF (für die, die alt genug sind, sich da noch dran zu erinnern: die Royal Air Force, nicht die anderen), die die Glens bei Tiefflugübungen mit einem Lärmteppich direkt aus der Hölle überzieht.


    Laut!

    Doch irgendwann zollt auch die RAF dem Ölpreis Tribut, stellt ihre Dogfight-Simulationen ein und ich habe das Glen Derry für mich. Nach einiger Zeit kommt das Coire Etchachan in Sicht und ich beginne den Aufstieg zur Coire Etchachan Bothy, auch bekannt als Hutchinson Memorial Hut.


    Coire Etchachan mit Bothy

    Nach einem kurzen Blick in die Bothy gehe ich weiter. Als es kurz wieder bergab geht, meldet sich das Knie sofort wieder. Ich mache auf einem großen Felsblock erstmal Mittagspause. So kann ich unmöglich morgen auf Derry Cairngorm und Ben Macdui steigen, schließlich bin ich in jeder Richtung einen Tagesmarsch von der Zivilisation entfernt. Ich beschließe also schweren Herzens, auch diese Munros links liegen zu lassen und nicht am Loch Etchachan zu zelten, sondern bis zum Loch Avon zu laufen und von dort am nächsten Tag nach Glenmore zu marschieren. Langsam setze ich meinen Weg fort und als ich den Loch Etchachan erreiche, sehe ich dort schon ein Zelt stehen. Ich tröste mich also damit, daß ich diesen Ort sowieso nicht für mich alleine gehabt hätte.


    Coire Etchachan von oben


    Loch Etchachan

    Hier oben gibt es ein paar schöne Flecken zum Zelten, aber sie wären bei schlechtem Wetter alle ziemlich dem Wind ausgesetzt. Nach ein paar Metern wird der Blick frei nach unten auf den Loch Avon. Schon von hier oben kann ich ein schönes Fleckchen direkt bei der Mündung des Baches, der vom Wasserfall kommt, ausmachen. Dort möchte ich mein Zelt aufschlagen! Ich hoffe, daß niemand vor mir dort ankommt und mache mich an den steilen Abstieg.


    Loch Avon

    Der Weg ist an einigen Stellen ziemlich erodiert, und einmal mehr bin ich froh um das gute Wetter. In strömendem Regen wäre das sicher nicht ganz ungefährlich. Unten angekommen, laufe ich noch ein paar Meter durch Sumpf, bis ich an einem kleinen Sandstrand stehe. Jemand war so freundlich, schonmal einen kleinen Windschutz aus Steinen zum Kochen für mich zu bauen. Ein paar Meter daneben stelle ich mein Zelt auf - zum erstenmal unbehelligt von Midges. Als erste Aktion hänge ich das Innenzelt aus, drehe es auf links und schüttle die Midge-Leichen raus. Dann richte ich mich häuslich ein und klettere, Knie hin, Knie her, noch ein bißchen in der Umgebung rum. Dabei mache ich völlig begeistert ein Foto nach dem anderen von meinem Zeltplatz. Ein wirklich grandioser Platz!

    Später koche ich mir mein Abendessen und einen großen Vorrat Tee, wobei dann doch ein paar Midges auftauchen - aber nichts, was mich nach gestern noch erschüttern könnte. Wahrscheinlich sind das die, die ich selber in meinem Rucksack mit eingeschleppt habe. Wenn es jetzt also am Loch Avon Midges als Neozoen gibt - mea maxima culpa. Sie dürften hier oben allerdings den Winter nicht überleben.


    "Strand" von oben


    Zelten am Loch Avon

    Schließlich wird es dunkel, aber obwohl es rasch abkühlt, genieße ich den Abend und sitze noch relativ lange auf einem Stein vor dem Zelt. Ich bin anscheinend völlig alleine hier - den einzigen Menschen habe ich heute unterwegs im Glen Derry getroffen. Das Zelt oben am Loch Etchachan war verlassen, der Besitzer war wohl unterwegs auf den umliegenden Munros. Und auch hier am Loch Avon ist niemand mehr vorbei gekommen, trotz des großartigen Wetters. Zur Feier des Tages gönne ich mir eine der drei extra für diese Momente mitgebrachten Zigarren und ein paar Schlucke aus der weißen Sigg-Flasche (genau, die mit dem Glenlivet)...

    In der Nacht fordert der Tee seinen Weg nach draußen. Von meinem Standpunkt aus direkt über dem Loch Avon verschleudert der abnehmende Mond sein silbriges Licht über den See und die umliegenden Berge. Ich denke kurz daran, die Kamera rauszuholen, beschließe dann aber, daß a) mir zu kalt ist, um lange draußen rumzuhampeln, b) das Foto ohne Stativ und mit meiner Kompakten eh nichts wird und c) diese Stimmung sowieso nicht auf einem Bild bewahrt werden kann, sondern nur in der Erinnerung. So stehe ich noch einige Momente da und sauge das Bild in mich auf, bevor ich wieder in meinen Schlafsack krieche. Ein perfekter Schlußpunkt hinter einem großartigen Tag.



    3.9. Loch Avon - Glenmore

    Morgens lacht mich die Sonne aus einem strahlend blauen Himmel an. Ich genieße die wärmenden Strahlen in einer fast Midge-losen Umgebung bei einem gemütlichen Frühstück. Dann packe ich meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg. Die Flußmündung wird auf Stepping Stones überquert, dann geht es am Nordufer des Loch Avon Richtung the Saddle. Das ist auf dem ersten Stück leichter gesagt als getan, denn der Pfad, der auf der Karte eingezeichnet ist, existiert in der Wirklichkeit nicht als solcher, sondern ist mehr als grobe Orientierung zu sehen. Über große Felsbrocken geht es auf und ab am Ufer entlang. Nur an gelegentlichen Fußabdrücken im Schlamm zwischen den Felsen erkenne ich, daß ich noch ungefähr richtig bin. Trotzdem kontrolliere ich immer wieder auf der Karte und dem GPS, ob ich nicht doch falsch laufe. Immerhin ist sogar auf der Garmin-Karte ein Pfad verzeichnet, und das, obwohl dort eher Wege fehlen, die es in Wirklichkeit gibt (was das angeht, ist die Garmin-Karte GB wirklich rausgeworfenes Geld). Irgendwann wird der Pfad dann besser sichtbar.


    Blick zurück. Hier ist der Weg schon besser

    Kurze Zeit später erreiche ich The Saddle, wo ich erstmal Pause mache. Zwei Stunden habe ich durch die Kletterei über die Felsen bis hierhin gebraucht. Ich schaue ins Strath Nethy und bin gespannt, wie die Wegverhältnissen dort sein werden. Schließlich bin ich gewarnt worden...


    Strath Nethy vom Saddle

    Zunächst geht es aber über einen guten Pfad auf flachen Steinen leicht abwärts. Zwar sieht man hin und wieder etwas Matsch, aber wirklich boggy ist es nicht. Dann wird das Tal etwas enger, und der Weg wechselt immer wieder vom Bachufer ein bißchen den Hang hinauf und wieder herunter. An manchen Stellen kann man sehen, daß bei Regenwetter bestimmt mehr Probleme mit Schlamm auftauchen können, aber nach einer Woche Trockenheit und Sonnenschein läßt sich alles immer wieder mit einem beherzten großen Schritt regeln.


    Strath Nethy


    Immer am Bach entlang

    Später weitet sich das Tal, und der Weg führt durch die heidebewachsene Ebene. Auch hier ist viel Dreck zu sehen, der sich bei Nässe in Schlamm verwandeln wird, aber bösartige, hüfttiefe Bogholes würde ich auch hier nicht erwarten. Doch dann weicht die Heide einer Graslandschaft, Sumpfgras, und immer wieder mäandern kleine Bäche durch die Gegend. Now we're talking bog! Immer wieder teste ich zunächst mit den Stöcken, ob die nächste Stelle, auf die ich meinen Fuß setzen will, mich auch tragen wird. Zwei Hillwalker mit leichten Tagesrucksäcken überholen mich - die ersten Menschen, die ich seit mehr als 24 Stunden sehe - und hüpfen mit langen Sprüngen den Pfad entlang. Da sie so nicht testen können, wo sie landen werden, platscht es einige Male, aber weiter als bis zum Knöchel versinken sie auch nicht. Ich kann mir mit dem schweren Rucksack diese Technik nicht erlauben und bleibe bei vorsichtigen, wenn auch manchmal weiten Schritten. Alles in allem bleibt aber das große Bogfest aus, das tagelange trockene Wetter hat mich wohl vor Schlimmerem bewahrt. Schließlich erreiche ich nach einem kurzen Abschnitt, in dem große Steine den Weg durch Sumpf und Wasser bilden, die Brücke über den River Nethy, wo der Pfad in einem breiten Wirtschaftsweg aufgeht. Direkt hinter der Brücke mache ich erstmal Pause auf einem großen Stein.


    Brücke über River Nethy

    Hier gibt es schöne Plätze zum Zelten, wenn - ja, wenn es keine Midges gäbe! Kaum sitze ich still, schon werde ich freudig umschwärmt. Da ich nicht bereit bin, mich aussaugen zu lassen, bleibt die Pause kurz und ich wandere den Rest der Strecke zur Glenmore Campsite. Weil ich wegen der gestrichenen Munros einen Tag vor meinem Plan liege, checke ich für drei Nächte ein, um einen weiteren Ruhetag zur Schonung für das Knie zu gewinnen. Nach dem Zeltaufbau geht's dann erstmal ausgiebig unter die Dusche. Beim Haarewaschen werden Unmengen toter Midges ausgespült - kein Wunder, daß sich meine Kopfhaut anfühlt wie die olympische Skipiste für die Buckelpistenwettbewerbe. Zurück zum Zelt, trifft mich beim Öffnen des Eingangs erstmal der Hammer. Der Geruch, der mir entgegenschlägt, raubt mir den Atem. Vielleicht hätte ich die Socken vor das Zelt legen sollen, statt sie drin liegen zu lassen...

    Aber kaum, daß ich wieder zivilisiert aussehe und rieche, werde ich von meinen Zeltnachbarn zum Bier eingeladen. Graeme entschuldigt sich wortreich dafür, daß das Bier nicht kalt ist, aber nach vier Tagen Busch ist mir das sowas von Schnuppe... Er und seine Freundin sind aus Aberdeen für eine Woche Uraub zum Zelten hier und sitzen auf throngleichen Campingstühlen vor einem Riesenzelt, das sich neben meiner bescheidenen Ein-Mann-Hütte macht wie die Sommerresidenz der Queen. Während wir quatschen, fällt mir auf, daß irgendetwas nicht so ist wie sonst. Richtig, ich fuchtele nicht mit den Armen vor dem Gesicht herum. Keine Midges! Das hindert eine Gruppe neu angekommener Boy und Girl Scouts aber nicht daran, die ganze Zeit mit Headnets rumzulaufen. Ich habe kein schlechtes Gewissen dabei, sie als verweichlichte Jugend von heute zu bezeichnen, was die Freundin von Graeme etwas verwirrt. Lästig seien die Midges ja schon, und auszuhalten sei es nur mit ihrer spezial-100%-Natur-anti-Midge-Lotion. Ich schaue etwas genauer hin. Naja, drei bis fünf kleine Punkte schwirren schon um meinen Kopf, aber nach meinem Erlebnis an der Derry Lodge ist das so gut wie Midge-frei.

    Als die beiden anfangen zu kochen, mache ich mich auf, die 15 Minuten zur Glenmore Lodge zu laufen, wo ich in der Lochain Bar ein riesiges Ribeye Steak verdrücke und noch zwei, drei Pints hinterherspüle. Außerdem nutze ich die Gelegenheit, um per freiem WLAN den aktuellen Wetterbericht zu holen. Noch drei Tage soll es trocken bleiben, dann soll sich das Wetter verschlechtern. Schaun mer mal.



    4.9. Glenmore

    Da ich hier sowieso einen Ruhetag einlegen wollte, wird dieser Tag verbummelt. Erst einmal werfe ich meine Sachen in die Waschmaschine und danach in den Trockner. Dann gehe ich zum Loch Morlich, wo ein breiter Sandstrand Nordseefeeling verbreitet. Nicht wenige Leute liegen da und sonnen sich - bei 15 Grad wohlgemerkt. Im Wasser planschen einige Kinder, allerdings mit Neoprenanzügen. Und auch das "Boathouse Cafe" scheint gut besucht zu sein. Eine ältere Dame sucht mit einem Metalldetektor den Sandstrand ab, was eine jüngere Frau dazu veranlaßt, mir im Vorbeigehen ein sarkastisches "Someone lost a wallet here 60 years ago. It has never been found..." zuzuraunen.


    Boathouse Cafe

    Zurück auf dem Campingplatz ist es etwas voller geworden, man merkt, daß Samstag ist. Als überfüllt, wie hier mal erwähnt wurde, würde ich das allerdings nicht bezeichnen - es ist wohl schon Nachsaison. Neben mir schlägt Stuart aus London sein Zelt auf. Er möchte in einigen Wochen auf den Kilimandscharo und ist hergekommen, um zum Training ein paar Höhenmeter unter die Stiefel zu nehmen.

    Zum Abendessen kaufe ich mir im nahegelegenen Shop eine Dose Chili con Carne und vorgegarten Reis. Um den Umsatz anzukurbeln, hat der Inhaber ein ausgeklügeltes Prämiensystem entwickelt. Ich überschlage kurz den Preis des ausgelobten Sportwagens und die zu erzielenden Wiederverkaufserlöse der angebotenen Waren in der eBucht. Die eigenwillige Schreibweise löst allerdings Zweifel in mir aus, ob der Shop überhaupt Waren im geforderten Wert lagerhaltig hat


    Rabattsystem im Glenmore Store

    Nach dem Essen statte ich der Lochain Bar einen weiteren Besuch ab, um ein paar Pints zu bunkern. Flüssigkeitsverlust auf Tour ist ein ernsthaftes Thema!



    5.9. Glenmore / Loch Morlich

    Weil ich meine Runde durch die Cairngorms wegen des Knies um einen Tag verkürzt habe, mache ich einen weiteren Ruhetag. Da ich aber nicht den ganzen Tag faulenzen will, mache ich mich auf, den Loch Morlich zu umrunden. Auf gut ausgebauten Wegen komme ich schnell voran, so daß ich mich entschließe, noch einen kleinen Abstecher durch den Wald zu machen, damit ich nicht schon nach einer Stunde wieder am Campingplatz bin. Und wieder meldet sich mein Knie, so daß mir das Laufen schwer fällt. Eigentlich sollte ich meine Pläne über den Haufen werfen, so hat das doch keinen Sinn. Langsam eiere ich zum Campingplatz zurück, dabei habe ich noch eine schöne Aussicht auf die Föhnwalze, die seit gestern über den Cairngorms steht.


    Eindrucksvolle Wolken über den Cairngorms.

    Zurück am Campingplatz stelle ich verwundert fest, daß fast alle Leute abgereist sind. Liegt es daran, daß Sonntag ist und alle morgen wieder arbeiten müssen, oder ist es doch die Wettervorhersage? Morgen abend soll es ungemütlich werden. Der Wind hat merklich aufgefrischt, die verbliebenen Zelter haben die Spannleinen ausgebracht. Mich stört der Wind noch nicht sonderlich, ich bin einfach frustriert, weil ich nicht vernünftig laufen kann. Ich spaziere zum Loch und setze mich oberhalb des Strandes auf einer Baumwurzel in die Sonne. Am besten fahre ich morgen mit dem Bus nach Aviemore und übermorgen weiter nach Fort William, um von da aus Sightseeing zu betreiben. Enttäuscht über das vorzeitige Tourende starre ich auf den See hinaus...


    Baum in Strandnähe

    Als ich nach einer Stunde von meiner Wurzel aufstehe, um zum Zelt zurückzugehen, spüre ich - nichts! Keine Schmerzen im Knie. Vorsichtig hüpfe ich ein bißchen - immer noch nichts. Ich fühle mich von meinem eigenen Körper auf den Arm genommen. Nochmal ändere ich meine Pläne. Ich werde morgen die 10 km nach Aviemore laufen und je nachdem wie das funktioniert entscheiden, was ich weiter tun werde.

    Zurück am Zelt kommt auch Stuart bald von seiner Tagestour wieder. Er war auf Cairn Gorm, wo es wegen des Windes schon "interesting" war, und ist dann in einem weiten Bogen weglos über loses Geröll wieder abgestiegen. Da er nur für einen Tag Vorräte dabei hatte und ihm der Laden an der Campsite zu teuer ist, will er nach Aviemore zum Einkaufen. Um diese Zeit (schon nach 5) fahren sonntags keine Busse mehr, also versucht er es per Anhalter und wird von einer älteren Frau, die sich durch wiederholte Schlucke aus einem Flachmann fahrtüchtig hält, mitgenommen. Zurück läuft er die 10 km von Aviemore in wenig mehr als einer Stunde - kein schlechter Schnitt nach einem anstrengenden Munro-Tag. Ich glaube, er ist fit für den Uhuru Peak.

    Später sitzen wir noch lange zusammen und leeren gemeinsam die Flasche Rotwein, die Stuart vom Tesco in Aviemore mitgebracht hat. Der Wind hat weiter zugenommen, wir haben uns winddicht angezogen und beobachten die Leute aus den umliegenden Zelten, die immer wieder herauskrabbeln, um die Leinen nachzuspannen. Schließlich gehen wir schlafen. Der Wind schüttelt das Zelt ganz schön, aber im Vertrauen auf die Bunkereigenschaften meines Soulo schlafe ich, möglicherweise unterstützt von der halben Flasche Rotwein, tief und sorglos.
    Zuletzt geändert von November; 06.11.2011, 16:58.

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    #2
    [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

    6.9. Glenmore - Aviemore

    Morgens frühstücke ich in aller Ruhe und lasse mir Zeit beim Zeltabbau. Schließlich will ich nur eine kurze Strecke gehen. Der Wind bläst immer noch, und die Wettervorhersage kündigt Regen ab dem Abend an. Da ich morgen relativ früh los will und keine Lust habe, dann im Regen ein patschnasses Zelt einpacken zu müssen, beschließe ich, die Nacht ausnahmsweise im Hostel zu verbringen. Ich lasse es langsam angehen und marschiere über den alten Logging Path nach Aviemore. Dort angekommen, werfe ich trotzdem noch einen Blick auf die ursprünglich von mir ins Auge gefaßten High Range Campsite. Die Zeltwiese sieht eigentlich ganz gut aus, liegt auch weit genug abseits der Straße und ist von Bäumen umgeben. Wenn der Wetterbericht nicht wäre, würde ich es wohl hier versuchen.


    Zwischen Glenmore und Aviemore: noch schön, aber ganz schön windig

    So aber checke ich im Hostel ein und gehe danach als erstes zur Touri-Info, um die Verbindungen nach Dalwhinnie und Fort William zu erfragen. Nach Dalwhinnie geht um 10:01 ein Zug, nach Fort William muß man über Inverness mit dem Bus fahren. Mein Knie hat heute gut gehalten, aber da ist ja noch das Wetter...

    Zurück im Hostel checke ich den MWIS Forecast. Grmpflt! Heftiger Regen und Wind mit Böen auf den Gipfeln bis 90 mph (ja, Meilen!), "with ferocious gusts into many glens". Immer wieder lese ich die Vorhersage, als ob sie davon besser werden würde, und plötzlich wird sie tatsächlich besser: die Windrichtung ist SO, und der Weg entlang Loch Ericht und weiter zur Culra Bothy geht von NO nach SW, also genau rechtwinklig. Nochmal auf der Karte die Topographie überprüft, und ich beschließe, daß mich die umliegenden Berge vor dem Schlimmsten schützen werden. Außerdem gehe ich davon aus, daß bei diesen Wetterbedingungen nicht viele Leute unterwegs sein werden, so daß ich auf jeden Fall in der Bothy übernachten kann und nicht noch das Zelt aufbauen muß.

    So steht also fest: die Tour geht wie geplant weiter. Dermaßen mental gestärkt esse ich im Roo's Leap (der Old Bridge Inn Pub, wo ich zuerst essen wollte, ist unverschämt teuer) die besten Enchiladas diesseits von Texas und gönne mir noch ein Pint in der Lounge Bar des Cairngorm Hotels. Dort spielt heute ein Akkordeonist schottische Volksweisen, aber eine Busreisegruppe aus Bayern, in der ein goldkettchenbehangener Unsympath das Wort schwingt, vertreibt mich bald zurück ins Hostel. Ich habe Glück, das Hostel ist heute nur leicht belegt und das Zimmer gehört mir alleine. Noch regnet es nicht, und voller gespannter Vorfreude auf den morgigen Tag schlafe ich ein.



    7.9. Aviemore - Dalwhinnie - Culra Bothy

    Beim Aufstehen regnet es immer noch nicht. Da hätte ich auch zelten können, aber so spare ich wenigstens Zeit beim Packen. Nach dem Frühstück ziehe ich los zum Bahnhof und erstehe meine Fahrkarte.


    Bahnhof Aviemore

    Auf der kurzen Fahrt nach Dalwhinnie öffnet der Himmel dann seine Schleusen und in kürzester Zeit schüttet es wie aus Eimern. So mache ich mich endlich im großzügig bemessenen Wartesaal (ca. 3x4m ) des Bahnhofs Wetterfest und stelle mich den Elementen. Der Wind bläst mittlerweile auch gehörig, aber wie vorhergesagt kommt er von schräg hinten. Nachdem ich die Schienen überquert habe, führt ein Landrovertrack am Loch Ericht entlang.


    Loch Ericht

    Nach kurzer Zeit begegnen mir drei Wanderer. Sie sind in einem erbarmungswürdigen Zustand, völlig durchnäßt wie begossene Pudel. Ich bin froh, daß mir der Wind nicht wie ihnen ins Gesicht bläst. Sie kommen von der Culra Bothy und berichten mir, daß ihnen außer mir noch niemand begegnet ist. Wie ich gehen sie davon aus, daß ich die Bothy bei dem Wetter für mich alleine haben werde. Ich glaube, sie halten mich für ein bißchen verrückt, bei diesem Wetter da rauszulaufen, aber als gute Briten haben sie natürlich Verständnis für leicht irrationale Aktionen.

    Der Wind nimmt weiter zu, und obwohl seine Richtung keinen Düseneffekt längs des Loch Ericht entstehen läßt, bilden sich doch Schaumkronen auf dem Wasser und in den Böen weht Gischt über die Wasseroberfläche. Manchmal fällt es mir schwer, das Gleichgewicht zu halten, wenn mich eine Windböe durchschüttelt.


    Schaumkronen auf dem Wasser

    Sowohl der Regen als auch der Wind streben mittlerweile ihrem Höhepunkt zu, so daß ich für einige Zeit noch nicht einmal Fotos mache. An der Ben Alder Lodge verläßt der Weg das Ufer des Loch Ericht und biegt nach Westen ab. Es geht aufwärts über einen kleinen Pass in Richtung Loch Pattack. Hier weht der Wind mit voller Wucht, immer wieder muß ich in den Böen stehenbleiben, da ich das Gleichgewicht zu verlieren drohe. Mittlerweile sind meine nassen Finger im Wind ziemlich kalt geworden, aber weiter und weiter verschiebe ich den notwendigen Stop, um mir die Handschuhe anzuziehen. Schließlich müßte ich dafür anhalten, den Rucksack in den Schlamm absetzen und die Handschuhe rauskramen, dabei möchte ich lieber in Bewegung bleiben bei diesem Wetter. Doch irgendwann werden die Finger so kalt, daß ich die Prozedur auf mich nehme. Mit einigem Erstaunen und auch mit etwas Schrecken stelle ich fest, daß es mir kaum noch gelingt, die Handschuhe überzustreifen, da durch die Nässe die Handschuhe nicht richtig auf die Hände rutschen wollen und meine Finger durch die Kälte nur noch beschränkt beherrschbar sind. Es ist erstaunlich, wie sehr der Wind zusammen mit der Nässe ungeschützte Körperteile auskühlen kann - schließlich sind es bestimmt 13, 14 Grad und unter meiner Hardshell habe ich nur ein kurzes T-Shirt an und mein Oberkörper ist trotzdem mollig warm.

    Durch die Handschuhe vor dem Wind geschützt wärmen die Hände jedoch schnell wieder auf, und wenig später kommt in der Ferne auch schon die Culra Bothy in Sicht. Der Pfad ist jetzt mehr ein Bachbett, und mit dem Tagesziel vor Augen vertraue ich auf die Wasserdichtheit meiner Schuhe und stiefele mitten durch.


    Culra Bothy in Sicht

    Die Bothy bietet drei getrennte Räume, zwei davon mit Feuerstelle und entsprechendem Geruch nach kaltem Rauch. So beziehe ich den einzigen Raum ohne Kamin und breite meine Sachen zum trocknen aus. Ironischerweise lassen jetzt, wo ich im Trockenen sitze, draußen der Regenn und Wind nach. Dafür sinken die Wolken ab und in meiner Phantasie verbringe ich schon eine gespenstische einsame Nacht in einer vom dichten Nebel umhüllten Bothy in den schottischen Highlands.


    Tiefe Wolken


    In der Bothy

    Doch zu früh gefreut, die Wolken sinken nicht weiter, sondern ziehen sich wieder nach oben zurück, und bei Einbruch der Dunkelheit kommt sogar noch ein Pärchen reingewandert, das auf Wetterbesserung für morgen hofft und sich an Ben Alder wagen will. Die beiden schlagen meine Einladung aus und ziehen in einen der beiden nach kaltem Rauch miefenden Räume. Gewarnt durch eine in der Bothy stehende Familienpackung Instant-Mäusetod hänge ich meinen Proviant sicher an einem Haken an der Decke auf. Der Wind ist mittlerweile fast völlig eingeschlafen, der Regen hat sich zu leichtem Nieseln reduziert, und nach einem Schlummertrunk aus der weißen Sigg-Flasche im Licht zweier zurückgelassener Teelichte wird mein Schlaf nur von gelegentlichem leisem Mäusegetrappel gestört.



    8.9. Culra Bothy - Loch Ossian YH

    De neue Tag begrüßt mich mit einer deutlichen Wetterbesserung. Die Wolken haben sich auf den Gipfel des Ben Alder zurückgezogen und lassen in der Ferne sogar ein paar Strahlen Sonnenlicht durch. Schnell habe ich nach dem Frühstück meine Sachen gepackt, winke meinen Bothynachbarn noch ein kurzes Goodbye zu und bin unterwegs. Bald ist die Bothy außer Sicht. Der Weg zum Bealach Dubh rollt auf und ab, bevor er leicht, aber stetig anzusteigen beginnt. Dann noch ein kurzer, steilerer Anstieg und ich stehe auf der Paßhöhe, von wo ich einen ersten Blick auf den Loch Ossian habe.


    Ben Alder


    Zum Bealach Dubh


    Loch Ossian von der Paßhöhe

    Nun geht es am Hang entlang immer leicht bergab. Ich fange an, nach einem Weg runter zum Uisge Labhair Ausschau zu halten. Naiv wie ich bin, denke ich, daß genug Leute diesen Weg auch in der Gegenrichtung gehen und man eigentlich irgendwie sehen müßte, wo die dann hochkommen. Irgendwann biegt der Weg nach Süden ab, ohne daß ich ein Zeichen eines Abstieges gesehen hätte. So beginne ich bei NN467718 meinen weglosen Abstieg, immer wieder erodierten Abbrüchen, Schlammlöchern und kleinen Bächen ausweichend, bis ich bei NN461772 auf der anderen Seite des Baches den Anfang des in der Karte eingezeichneten Weges entdecke. Das auch eingezeichnete Wegstück südlich des Uisge Labhair existiert in der Realität nicht. Trotz des durch den gestrigen Regen hohen Wasserstandes finde ich einige Meter aufwärts eine Stelle, an der ich den Bach auf Steinen trockenen Fußes überqueren kann.


    Uisge Labhair

    Der Weg am Uisge Labhair entlang ist ziemlich aufgeweicht und erweist sich heute im Punkt Bog dem Strath Nethy als zumindest ebenbürtig. Außerdem geht es immer wieder kurz auf und ab, und zusammen mit dem weglosen Abstieg geht das wieder ziemlich auf mein Knie. Da mittlerweile sogar die Sonne hin und wieder rauskommt, gönne ich mir an der Einmündung eines Seitenbaches erst einmal eine Pause.


    Bog


    Pause

    Nach endloser Bog-Treterei erreiche ich die Corrour Lodge, wo ein harter, steiniger Landrover-Track beginnt, der meinem Knie weitere Schläge versetzt. Komisch, gestern ging es ganz gut, aber das lag vielleicht daran, daß ich durch den Kampf gegen die Elemente von dem schmerzenden Knie abgelenkt war. So geht das auf jeden Fall nicht weiter und ich beschließe schweren Herzens, aber in der Gewißheit, das Richtige zu tun, auf die beiden restlichen Etappen nach Fort William zu verzichten und von Corrour Station mit dem Zug nach Fort William zu fahren. So humpele ich die restlichen Kilometer bis zum Loch Ossian Youth Hostel, wo ich für die Nacht einchecke.


    Loch Ossian


    Loch Ossian YH

    Im Hostel teile ich den Männerraum mit zwei Anglern und einem Hillwalker. Zwei ältere Damen wohnen im Frauenraum gegenüber. Nicht besonders viel los, aber in der letzten Woche soll das Hostel voll gewesen sein. Einer der beiden Angler ist nur zwei Meilen von hier entfernt aufgewachsen und gibt Highland-Geschichten aus seiner Jugend zum Besten. So sitzen wir nach dem Abendessen noch einige Zeit zusammen und quatschen, bevor wir schlafen gehen. Naja, zumindest ich schlafe...



    9.9. Loch Ossian YH - Corrour Station - Ft. William

    Schon beim Aufwachen höre ich es nebenan im Aufenthaltsraum rumoren. Wie sich herausstellt, ist einer der Angler in seiner Verzweiflung nachts dorthin umgezogen, um wenigstens etwas Schlaf zu finden - jemand soll fürchterlich geschnarcht haben. Komisch, ich hab nix gehört

    Dafür habe ich die ganze Nacht hindurch mein Knie gespürt. Damit gibt es jetzt nichts mehr zu deuteln, ich erkundige mich nach den Zugfahrzeiten und mache mich nach dem Frühstück auf den kurzen Weg zur Corrour Station.


    Loch Ossian am Morgen


    Corrour Station...


    ...mit 410m der höchstgelegene "Bahnhof" in Großbritannien

    Der Zug bringt mich schnell nach Fort William. Ich kaufe kurz noch ein paar Kleinigkeiten ein und mache mich auf den Weg zur Glen Navis Campsite. Am Ortseingang lege ich eine Pause am Ende des West Highland Way ein. Auf dem Schild steht "The Original End of the West Highland Way". Hmm. Original? Stand das letztes Jahr auch schon da? Meine Gedanken werden unterbrochen durch einen jungen Deutschen, der gerade in diesem Moment den WHW beendet. Er ist vor lauter Begeisterung kaum zu bremsen, was ich in gewissem Maße nachvollziehen kann, bin ich doch im letzten Jahr selber hier angekommen.

    Das letzte Stück zur Campsite ist schnell zurückgelegt, natürlich nicht ohne daß es noch einen kurzen, aber kräftigen Schauer gibt, der mich nochmal in die Regenklamotten zwingt. Einchecken, Zelt aufbauen, unter der Dusche den unerschöpflichen Vorrat heißen Wassers genießen, und dann auf einen Burger ins Glen Nevis Inn.



    10.9. Glen Nevis Campsite

    Heute ist Layday. Es regnet nachts, und auch morgens gibt es immer wieder Nieselschauer. So gibt es Frühstück im Regen. Danach wieder mal Klamotten waschen, aber aus den Socken geht der Geruch nicht so richtig raus...
    Ich mache noch einen kurzen Spaziergang zum Youth Hostel und zum Visitors' Center. Wieder fängt es an zu nieseln, so gehe ich zurück zur Campsite und verbummle den Tag.



    11.9. Ft. William

    Ich will in Ft. William shoppen gehen. Auf dem Weg in die Stadt kommen mir Läufer entgegen, und völlig verschlammte Fahrradfahrer rauschen von hinten an mir vorbei. Es ist Big Ben Nevis Triathlon: 1900m schwimmen im Loch Linnhe, 90km Mountainbiken, und zum Abschluß geht es über 21km den Ben Nevis rauf und wieder runter.

    Mir ist meine Einkaufstour schon anstrengend genug. Auf der Suche nach einer Berghaus Paclite Regenhose in meiner Größe werde ich von Nevisport nach Black's, dann nach Ellis Brigham's und von dort wieder zurück nach Nevisport geschickt. Na gut, dann muß halt die alte Marmot Precip Fullzip mit den undichten Reißverschlüssen an den Beinen noch ein bißchen länger Dienst tun.

    Als ich am Alten Fort sitze, um eine kurze Pause zu machen, zieht eine Dudelsackgruppe durch den Ort. Ich verbinde das (fälschlicherweise, wie sich noch herausstellen wird) mit dem Triathlon, der heute stattfindet. Auf jeden Fall verstehe ich ein weiteres Mal, warum die Engländer diese Dinger als Kriegsgerät einstuften und zeitweise verboten haben.

    Weiter durch die Stadt bummelnd entdecke ich den wahren Anlass für den Umzug: am Ende der Fußgängerzone wird das neue Ende des WHW eingeweiht. Eine Skulptur eines Wanderers, der auf einer Bank sitzt, davor auf dem Boden die gesamte Route des WHW in Granit gemeißelt. Jetzt verstehe ich, warum auf dem Schild am Ortseingang neuerdings "The Original End" steht.


    Das neue Ende des WHW

    Schlechte Nachrichten also für WHW-Wanderer. Die ansässigen Geschäftsleute möchten anscheinend, daß ihr noch an ihren Läden vorbeilauft (und möglichst Geld drin ausgebt) und haben dem WHW zwei weitere langweilige Asphaltkilometer durch die Fußgängerzone von Ft. William anhängen lassen.

    Ganz gleich, wo der WHW jetzt offiziell, original oder für einen persönlich endet, mein Tag endet wegen des ständigen Nieselregens mal wieder im Glen Nevis Inn.



    12.9. Steall Falls

    Der Wetterbericht sagt den einzigen trockenen Tag für die nächste Zeit voraus, und so beschließe ich, zu den Steall Falls zu wandern. Auf dem Hinweg laufe ich den Riverside Walk entlang, der an einigen Stellen ziemlich boggy und an anderen erodiert ist. Kurz hinter der alten Polldubh Farm stoße ich auf die Straße. Ein gelangweilter Reiseleiter zeigt seiner Gruppe die (unspektakulären) Lower Falls. Weiter werden die mit ihrem Reisebus nicht kommen.


    Altes Schafgehege an der verlassenen Polldubh Farm

    Eigentlich hätte ich hier auf die andere Flußseite wechseln sollen, um noch ein Stück Straße zu sparen, aber das habe ich in dem Moment vergessen und wandere so die Straße entlang bis zum oberen Parkplatz. Am Anfang des Weges durch die Nevis Gorge weist ein Warnschild auf die Gefahren des Weges hin und fordert die Spaziergänger, die mit dem Auto bis zum oberen Parkplatz fahren, auf, wenigstens geeignetes Schuhwerk zu tragen. Auch wenn der Weg nicht wirklich gefährlich ist, das Stadtweibchen mit den weißen Sandaletten finde ich trotzdem underdressed. Wäre ich Zyniker, würde ich mir jetzt wünschen, daß mir die Evolution einen Nahrungskonkurrenten vom Hals schafft. Über große Steinstufen geht es durch die Schlucht, bis der Blick auf die Steall Falls frei wird.


    Steall Falls aus der Nevis Gorge

    Kurz danach komme ich an der berüchtigten Wire Bridge vorbei. Ehrensache, daß ich dort für ein Foto von der anderen Seite rüber muß. Es ist auch viel einfacher als ich gedacht habe, und auf Bildern sah die Brücke viel länger aus als sie in Wirklichkeit ist. Das untere Doppelkabel der Brücke wurde übrigens erst im August erneuert, nachdem im Mai eines der beiden Doppelkabel gerissen war.


    Wire Bridge


    Neues Doppelkabel

    Neben der Brücke baut eine Dreiergruppe gerade ihr Zelt ab. Die Drei tragen volle Midge-Schutzausrüstung, obwohl mir hier nur vereinzelte Blutsauger auffallen. Entweder bin ich seit den Erlebnissen bei der Derry Lodge abgehärtet, oder die drei sind Weicheier. Ein Stück weiter setze ich mich am Ufer auf einen großen Stein und mache Pause, wobei ich den Ausblick ins Upper Glen Nevis und auf die Steall Falls genieße.


    Steall Falls

    Für den Rückweg wähle ich den Weg durch den Wald. Ein kurzes Stück soll zwar wegen Holzfällarbeiten gesperrt sein, aber das scheint niemanden so richtig zu kümmern, da auch die schottischen Holzfäller sonntags nicht arbeiten. Unterwegs meldet sich auch das Knie wieder, obwohl ich nur mit leichtem Tagesrucksack unterwegs bin, aber da sich mein Urlaub dem Ende zuneigt, ist mir das jetzt auch egal.


    Rückweg

    Zurück an der Campsite will ich mich gerade auf der Bank neben meinem Zelt zum Kochen einrichten, da fängt es wieder an zu regnen. Diese Bank muß verhext sein! Es ist mir während der vier Tage auf der Glen Nevis Campsite nicht gelungen, dort länger als 5 Minuten im Trockenen zu sitzen, obwohl es durchaus längere Regenpausen gab. So wird das Kochen abgesagt und das Glen Nevis Inn kann einen weiteren Umsatzzuwachs verzeichnen.



    13.9. Ft. William

    Schon beim Aufwachen regnet es in Strömen. Nach einem kurzen Frühstück im Zelt beschließe ich, die Ben Nevis Destille zu besichtigen. Also packe ich mich in die Regenklamotten ein und laufe los. Der Regen hat heute Wolkenbruchcharakter, und ziemlich begossen komme ich um 12:25 an der Destille an. Die Tour um halb eins ist ausgebucht - wegen des schlechten Wetters sind eine ganze Menge Leute auf die Idee gekommen, die Besichtigungstour zu machen. Als ich ein Ticket für die nächste Tour um halb zwei kaufen will, werde ich angemault, weil ich die 4 Pfund nicht klein habe. Und so verschwindet der Tourguide mit seiner halb-eins-Gruppe, ohne mir ein Ticket zu verkaufen. Als auch die nächsten 10 Minuten niemand auftaucht, der mir ein Ticket verkaufen will, wird es mir zu doof. Mittlerweile bin ich sowieso überzeugt, daß Ben Nevis kein guter Whisky ist und ich nichts verpasse, wenn ich den auch in Zukunft nicht trinke. Eigentlich mag ich die schottische Grumpiness ja, aber wer den Bogen überspannt, muß sein Geld eben von anderen Leuten verdienen.

    So ziehe ich wieder ab und laufe am alten Inverlochy Castle vorbei, um nicht wieder die Hauptstraße entlanglaufen zu müssen. Das Castle war nur 20 Jahre lang bewohnt und die ehemaligen Räumlichkeiten beschränken sich auf die vier Türme an den Ecken mit je ca. 4m Durchmesser.


    Inverlochy Castle

    Auf der Spur des Great Glen Way gehe ich zurück in die Innenstadt, wo ich schonmal ein Busticket für die Fahrt nach Edinburgh morgen kaufe. Da es immer noch schüttet wie aus Eimern, kehre ich auf ein kurzes Mahl im Gourmettempel unter dem Goldenen M ein, um abzutrocknen und mich ein bißchen aufzuwärmen, bevor ich mich auf den Rückweg zur Campsite mache. Durch den Regen haben sich große Pfützen auf der Zeltwiese gebildet, die ich daraufhin spontan "Lake District" taufe.



    14.9./ 15.9. Glen Nevis Campsite - Ft. William - Glasgow - Edinburgh - Heimflug

    Die ganze Nacht hindurch gibt es immer wieder Schauer, aber ich hätte am Morgen gerne eine trockene halbe Stunde, damit ich das Zelt nicht naß einpacken muß. Schließlich habe ich Glück und der Regen macht nicht nur Pause, sondern läßt auch die Sonne kurz durch. Ruckzuck wird das Zelt eingepackt und ich bin unterwegs zur Busbahnhof in Ft. William.


    Verlassener Zeltplatz mit verhexter Bank

    Die Fahrt nach Glasgow folgt im Groben dem Verlauf des WHW, und so wird manche Erinnerung an meine WHW-Tour im letzten Jahr wach. Nach kurzem Umsteigen in Glasgow komme ich in Edinburgh an und checke ins reservierte Hotel ein. Im Conan Doyle gönne ich mir ein letztes Abendessen. Da der Pub übermorgen für vier Wochen wegen Renovierungsarbeiten geschlossen wird, müssen alle Vorräte raus und ich bekomme ein riesiges Ribeye Steak zum Spottpreis.

    Am nächsten Morgen bringt mich der Airlink Bus zum Flughafen, wo wegen des morgigen Papstbesuches verschärfte Sicherheitsvorkehrungen für lange Schlangen sorgen. Ich darf natürlich wieder die Schuhe ausziehen, was mir nach zweieinhalb Wochen Tour besonders viel Freude bereitet - dem Sicherheitspersonal allerdings weniger

    Nach kurzem Flug holt mich meine Schwester am Flughafen ab, und bei mir zu Hause angekommen besteht mein fünfjähriger Neffe darauf, mir den Tagesrucksack mit dem Handgepäck die Treppen raufzutragen. So schnaufen wir, jeder für seine Größe einen riesigen Rucksack auf den Buckel, zusammen den letzten Aufstieg ins zweite Obergeschoß hoch. Den Rucksack in die Ecke gestellt, die Wanderschuhe ausgezogen, lasse ich mich aufs Sofa fallen. Die Tour ist zu Ende. Zeit, mit der Planung für die Nächste zu beginnen.

    [Stimme="Österreichischer Akzent"] I'll be back. [/Stimme]

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    • Rainer Duesmann
      Fuchs
      • 31.12.2005
      • 1642
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

      Ein großes Dankeschön!
      Eine schon sehr eingehende Schilderung Deiner Tour läßt mich eine weitere Stecknadel in die zu gehende Tourkarte schieben...

      Tolles Fotos und lebhafte Schreibe, das ist es was unser Forum so braucht und auszeichnet.

      Top!

      Rainer
      radioRAW - Der gesellige Fotopodcast

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      • Borderli
        Fuchs
        • 08.02.2009
        • 1737
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

        Ja, "meine" Tour, "mein" Zeltplatz am Loch A'an - danke!!! Schöner Bericht! Das hat mir den frühen Morgen im Büro angenehm gemacht!
        Es war schön, die Tour nochmal zu "erleben", mit anderen Augen zu sehen. Aber einiges gleicht sich doch: Ich wollte nach dem Lairigh Ghru eigentlich auch "hoch hinaus" und musste es wegen diverser Blessuren bleiben lassen. Deine Midges müssen wohl die Nachkommen der Blutsauger gewesen sein, die mich letztes Jahr dort anzapften...
        Nochmal: Danke!
        Marion

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        • Karl-Koch
          Erfahren
          • 16.05.2007
          • 282
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          • Meine Reisen

          #5
          AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

          Schöner Bericht!

          Die Wire Bridge sieht ja echt interessant aus
          23

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          • tbrandner
            Erfahren
            • 03.11.2010
            • 489
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

            Hallo!

            Respekt! Ein toller Bericht! Ich war vor zwei Jahren bei unserer Wohnmobiltour in der Gegend - auf der Ben Nevis Campsite habe wir auch genächtigt
            (Ich weiß: Weichei ... )

            lg,
            Thomas
            _____________________________________
            Meine Seite: http://www.thomasbrandner.at

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            • Struppi
              Anfänger im Forum
              • 30.10.2009
              • 42
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

              Zitat von Borderli Beitrag anzeigen
              Ja, "meine" Tour, "mein" Zeltplatz am Loch A'an - danke!!!
              Ja, im Nachinein habe ich auch festgestellt, daß unsere Touren sich wohl nur dadurch unterscheiden, daß ich in der Culra Bothy übernachtet und nicht davor gezeltet habe - und daß ich was vom Strath Nethy gesehen habe


              Zitat von tbrandner Beitrag anzeigen
              (Ich weiß: Weichei ... )
              Nur, wenn Du ein Headnet gegen nicht vorhandene Midges getragen hast

              Gerd

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              • Cattlechaser
                Dauerbesucher
                • 04.08.2010
                • 848
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                Einen echten -Effekt hatte ich bei deinem Foto von den Midges. Ich habe ja mit den Viechern schon viel erlebt, aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Und das auch noch im Sonnenlicht!

                Ich bin im Übrigen deine Route Etappe für Etappe auf der Karte mitgegangen. Toller Bericht mit sehr stimmungsvollen Fotos. Vielen Dank.
                Magie ist Physik durch Wollen. www.uhempler.de

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                • Borderli
                  Fuchs
                  • 08.02.2009
                  • 1737
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                  Stimmt, habe ich heute früh vergessen: Danke für die Schönwetter-Fotos vom "Tal des Schlamms"! Jetzt weiß ich wenigstens, was ich letztes Jahr verpasst habe.

                  Das Foto von deinem von Midges belagertem Zelt ist auch als Anschauungsmaterial geeignet. Mein Gälischlehrer meinte neulich erst, dass die Midges doch nicht so schlimm seien.... Bei Gelegenheit empfehle ich ihm die Lektüre deines Berichtes!

                  Gesamtwertung: Jetzt siehst du Sternchen!

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                  • anja13

                    Alter Hase
                    • 28.07.2010
                    • 4883
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                    Danke für den tollen Bericht mit den vielen schönen Bildern!

                    (und gleich ein paar Ideen für die nächste Tour ...)

                    Kommentar


                    • Mr.Sunrise
                      Fuchs
                      • 01.02.2007
                      • 1230
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                      Vielen Dank für den tollen Bericht!

                      Da wird mir doch sofort wieder klar, dass ich so bald wie möglich mal wieder nach Schottland muß!

                      Gruß,
                      Daniel
                      Mr.Sunrise`s Outdoor Blog
                      Gründungsmitglied der ABF - Autonome Buff Fraktion

                      Da ist Purpur drin - Purpur ist auch ein Obst!

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                      • matzen
                        Erfahren
                        • 07.02.2008
                        • 196

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                        Zitat von Struppi Beitrag anzeigen
                        http://www.outdoorseiten.net/fotos/data/500/SCO_2010_0046.JPG
                        http://www.outdoorseiten.net/fotos/d..._2010_0051.JPG
                        Fast zu schön um wahr zu sein. Einfach nur toll

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                        • Lotta
                          Dauerbesucher
                          • 17.12.2007
                          • 929

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                          Danke für den schönen Reisebericht.
                          Das Midge-Bild ist echt heftig

                          Knieschmerzen sind mir leider auch ein Begriff Hattest du vorher schonmal Knieprobleme?

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                          • Borderli
                            Fuchs
                            • 08.02.2009
                            • 1737
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                            Nachdem ich mir den Reisebericht gerade nochmal durchgelesen habe, habe ich gleich meine Citylink Tickets für nächsten Mai bestellt (Die LH Flugtickets liegen schon längere Zeit hier). Allerdings geht es in eine andere Ecke Schottlands - von der es hier noch keinen Reisebericht gibt.

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                            • Atze1407
                              Fuchs
                              • 02.07.2009
                              • 2425
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                              So fängt das neue Jahr gut an, da möchte man doch gleich die Sachen packen und los.

                              Wenn du den Charakter eines Menschen kennenlernen willst, gib ihm Macht.
                              Abraham Lincoln

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                              • Rainer Duesmann
                                Fuchs
                                • 31.12.2005
                                • 1642
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                                Zitat von Borderli Beitrag anzeigen
                                Nachdem ich mir den Reisebericht gerade nochmal durchgelesen habe, habe ich gleich meine Citylink Tickets für nächsten Mai bestellt (Die LH Flugtickets liegen schon längere Zeit hier). Allerdings geht es in eine andere Ecke Schottlands - von der es hier noch keinen Reisebericht gibt.
                                Interessant.
                                Wo solls denn hingehen?

                                Rainer
                                radioRAW - Der gesellige Fotopodcast

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                                • Borderli
                                  Fuchs
                                  • 08.02.2009
                                  • 1737
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                                  ***räusper*** Auch wenn das jetzt etwas OT wird: Anreise Edi - Uig mit Bus, dann mit CalMac nach Tarbert, dann 8 Tage oder so durch den Norden von Harris (also Berge, Strand, wegloses Laufen), dann zurück nach Skye, den Skye Trail ablaufen, und über Fort William und Edi wieder heim. Mal sehen, wie weit ich komme. Derzeit bin ich noch bei Plan A; Plan B und Plan C muss ich mir noch ausdenken. Das Ganze soll im Mai stattfinden.

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                                  • Struppi
                                    Anfänger im Forum
                                    • 30.10.2009
                                    • 42
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                                    Zitat von Lotta Beitrag anzeigen
                                    Das Midge-Bild ist echt heftig

                                    Knieschmerzen sind mir leider auch ein Begriff Hattest du vorher schonmal Knieprobleme?
                                    Das Midge-Bild gibt die wirklichen Verhältnisse nicht annähernd wieder - und am Abend vorher war es noch schlimmer...

                                    Mit den Knien hatte ich zum erstenmal schon vor 25 Jahren bei einer geführten Tageswanderung mit dem beliebten Reiseveranstalter Y-Tours Probleme
                                    Normalerweise habe ich das unter Kontrolle, indem ich vor allem bergab bewußt langsam gehe.


                                    Zitat von Borderli Beitrag anzeigen
                                    mit CalMac nach Tarbert, dann 8 Tage oder so durch den Norden von Harris
                                    Nach Deinem vorherigen Post hatte ich schon die Frage "Inseln? Orkney oder Outer Hebrides?" auf der Zunge bzw. der Tastatur, aber das hat sich ja jetzt erledigt
                                    Dann mal viel Spaß bei den Vorbereitungen - aber die Pläne B und C werden doch üblicherweise erst vor Ort entworfen, oder?

                                    Gerd

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                                    • Borderli
                                      Fuchs
                                      • 08.02.2009
                                      • 1737
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                                      Zitat von Struppi Beitrag anzeigen
                                      Dann mal viel Spaß bei den Vorbereitungen - aber die Pläne B und C werden doch üblicherweise erst vor Ort entworfen, oder?

                                      Gerd
                                      Nee, das ist Plan D

                                      Kommentar


                                      • Mika Hautamaeki
                                        Alter Hase
                                        • 30.05.2007
                                        • 4006
                                        • Privat

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                                        #20
                                        AW: [UK] Durch die Cairngorms und von Dalwhinnie nach Corrour Station

                                        Vielen Dank für den super geschriebenen Bericht und die tollen Bilder!
                                        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                        A. v. Humboldt.

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