[GB] Von Meer zu Meer: Von der Ostküste Schottlands zur Westküste

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  • Heather
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    • 03.06.2013
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    #21
    Vielen Dank, dass ihr mich 'mitgenommen' habt.

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    • Mosen
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      • 21.04.2007
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      #22
      Tag 8: 01. Juli --- Loch Rannoch – Loch Laidon

      Den eher bescheidenen Spot verlassen wir morgens schnell und laufen weiter den Loch Rannoch entlang. Hier am westlichen Ende des Sees („Seeende“ sieht echt komisch aus) gibt es recht viele Häuschen, oft mit rasenbewachsenem Zugang zum See. An jeden steht allerdings eine Variation eines „No Camping“-Schilds, das scheint hier ein Ärgernis zu sein. Nach wenigen weiteren (!) Kilometern tut sich ein kleiner Sandstrand auf. „Sandy Beach“, da ist er ja. Entweder, der polnische Angler wollte uns ärgern, uns loswerden, oder er konnte wirklich ganz, ganz schlecht Entfernungen schätzen. „Hundred meters“, my a**!!
      Da wir nun einmal hier sind, gibt es Frühstück. Nass-sandig soll jetzt nicht alles werden, daher bleiben wir an der Straße und setzen uns auf den Parkplatz, auf dem niemand außer uns parkt. Hier merken wir, dass wir in Blair Atholl Kaffee hätten kaufen sollen, der geht zur Neige. Katastrophe! Ich überlege schon, zurückzutrampen, aber hier kommt ja keiner vorbei, die Straße ist quasi eine Sackgasse. Wir hoffen auf Rannoch Station.
      Die nächsten Stunden geht es eine äußerst ruhige, lange Straße entlang des River Gaur, der Verbindung zwischen Loch Rannoch und dem Gaur Reservoir. Es ist ein entspanntes Laufen, wir quatschen, füllen Wasser am Bach auf und fühlen uns schon fast am Ziel. Soooo viel kann ja jetzt nicht mehr schiefgehen. Es gibt eine richtig schöne Pause im Heidekraut der Böschung, gelehnt an große Felsen dösen wir eine halbe Stunde in der Sonne.
      Der Rannoch Station Tearoom ruft, dieses kleine Café auf dem noch kleineren Bahnhof Rannoch Station. Das erreichen wir bald und haben uns nicht umsonst gefreut: Es gibt Kaffee aus der French press (OK, etwas dünn vielleicht) und Scones mit clotted cream. Eine große Empfehlung an dieser Stelle!!
      Ein kleiner Vogel setzt sich zu uns auf den Tisch und futtert mit. Die Chefin meint, dass der eigentlich statt Scones Midges fressen sollte, aber es ist wieder windig und somit sind ja keine da. Uns ist das sehr recht und wir teilen gern unsere Scones.
      Wasser steht in großen Kannen auf einer Fensterbank neben der Küche, so dass Wanderer sich versorgen können. Auf meine vorsichtige Frage, ob wir wohl etwas Kaffeepulver kaufen könnten, gibt der Senior-Chef mir gleich zwei Optionen: Richtiges Pulver in eine ZipLoc-Tüte oder eine große Handvoll Instant-Kaffee-Tütchen. Den zeigt er mir in einer vollen Schublade im immer offenen Warteraum auf dem Bahnsteig. Ein Wasserkocher und eine kleine Vertrauenskasse stehen daneben. Irre. Um möglichst wenig Aufwand zu generieren, nehme ich den Instant-Kaffee. Die paar Tage wird das wohl gehen. So richtig mögen wir gar nicht gehen, so schnuckelig ist das hier, aber wir wollen ja zum Loch Laidon.


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      Rannoch Station Tearoom


      Die Straße ist zu Ende und am Anfang des Tracks steht ein Schild, welches ich schon oft bei Google Street View habe und mich irgendwie sehr drauf gefreut habe: „Public footpath to Glencoe by Loch Laidon. 19km“ steht drauf. Außerdem hängt ein Warnschild in der Nähe, auf dem deutlich darauf hingewiesen wird, dass es im nun kommenden Rannoch Moor keine Shelter, wenig Wege, und kaum Hoffnung auf rasche Hilfe gibt, sollte man sich vertun. Nur gut ausgerüstet soll man sich hineinwagen! Gut ausgerüstet? Und das mit Instant-Kaffee! Aber na gut. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

      Zunächst geht es noch auf einem forestry track, auf dem ein großer Harvester für Krach sorgt. Der Weg windet sich durch dichten Wald und halten Ausschau nach einer Möglichkeit, an den etwa 100m vom Weg entfernten Loch Laidon runterzukommen, denn da wollen wir zelten. Ein echter „sandy beach“ schwebt uns vor. An einer Stelle gibt es eine breite Schneise runter. Die ist zwar zugewuchert mit Brombeeren und anderen Gestrüpp, aber da sollten wir durchkommen. Wir steigen langsam und vorsichtig in den Wald runter, bis Nils, der vorne geht auf einmal einen halben Meter kleiner ist! Er steckt mit einem Bein bis zum Knie in einem bis dahin unsichtbaren Schlammloch fest. An dem Hang kommt er auch kaum wieder raus, also ziehen wir, einer rechts, einer links, an seinen Schultergurten, bis das Loch ihn schmatzend freigibt. Gut, dass er richtige Stiefel anhat! Jeden trailrunner müssten wir jetzt ausgraben.
      Die Stelle umgehen wir durch den dichten Nadelwald, der uns kaum durchlassen mag, und gehen danach vorsichtig weiter Richtung See, immer hübsch hintereinander und in die Stapfen des Vordermanns tretend.
      Endlich erreichen wir den See und haben tatsächlich einen breiten Sandstrand vom Feinsten vor uns!! Wasser kommt aus dem Bach hinter uns gegluckert, die Zelte stehen schnell und Wäscheleinen sind zwischen kleinen Tannen gespannt, die mutig am Strand wachsen.


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      Da noch immer die Sonne scheint und der Wind gerade so ist, dass er die Midges fernhält, sind wir bald im Wasser und genießen eine ausgiebige und notwendige Wäsche. Auch Socken, Unterbüxen und ein oder zwei T-Shirts werden gewaschen und aufgehängt.
      Niemand ist hier. Durch den weglosen Wald/Sumpf kommt sicher keiner mehr und ansonsten ist der einzige Zugang per Boot. Also gibt es heute ein kleines Lagerfeuer am Strand und der Grill wird nochmal benutzt, wen soll es stören? 23 km sind heute auf dem Tacho, ein eher entspannter Tag.


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      Dieser Zeltplatz ist auf der Liste ganz, ganz weit oben!
      Zuletzt geändert von Mosen; 18.01.2025, 13:42.
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      Frost, 'The Road Not Taken'

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      • Mosen
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        • 21.04.2007
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        #23
        Tag 9: 02. Juli --- Loch Laidon – Glencoe

        Was ein Platz! Ein wenig wehmütig werden die Feuerstelle zugeschaufelt und die Zelte und Wäscheleinen entfernt. Nach der üblichen guten Stunde morgens erinnern nur noch ein paar Fußstapfen im Sand an unseren Aufenthalt. Das kurze Stück zurück zum forestry track nimmt bestimmt 20 Minuten in Anspruch, diesmal ohne Einsinken.
        Der Weg führt noch ein wenig durch den dichten Wald, bevor er am Waldrand an einem Wendeplatz endet. Ein Blick über das jäh beginnende Rannoch Moor veranlasst uns, den festen Boden zum Frühstücken zu nutzen, obwohl wir erst kurz gegangen sind. Gute Entscheidung!!
        Mit dem mittlerweile liebgewonnenen Porridge (Porage!!) und einem Kaffee im Bauch wagen wir uns ins Moor. Das ist echt krass! Direkt hinter dem Wendeplatz macht es „Schmatz!“ und wir stehen auf einem Pfad, der aus tiefen, schwarzen Pfützen und Grasbüscheln besteht und zwischen kleinen Hügeln in der Ferne verschwindet. Es ist klar, was das Warnschild meinte: Hier kommt kein Landi und kein ATV durch, wenn hier etwas Ernstes passieren sollte, muss wieder der Heli ran. Wir sehen ein paar Fahrradspuren, die allermeiste Zeit aber wird man hier sein Rad tragen müssen, keine Chance zu fahren.


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ID: 3306512
        Im Vordergrund: Der Weg (das Nasse, glänzende...)

        Die nächsten Kilometer bis wieder ein Schotterweg kommt werden lang, außerdem nieselt es meistens. Der Blick ist aber fantastisch und das Wetter passt zum „moorigen“ Feeling.

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        Rannoch Moor

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        Wilder Sonnentau im Moor

        Die nächste Station, und da wird es schon Nachmittag, ist das Kingshouse Hotel am östlichen Ende vom Glencoe. Hier kreuzt der West Highland Way unseren Weg. Das Wetter ist mittlerweile echt eklig und so freuen wir uns auf eine Pause im Warmen. Allerdings stellen wir nicht ganz unerwartet fest, dass dort natürlich jede Menge WHW-Wanderer durchkommen, das Café des Hotels ist voll mit nassen Menschen. Eigentlich wollen wir die alle gar nicht sehen und sehnen uns nach dem einsamen Loch Laidon zurück. Etwas arrogant halten wir unseren selbsterdachten coast-to-coast Weg auch für deutlich „besser“. Quatsch natürlich, aber ganz gegen wehren können wir uns nicht. Trotzdem bleiben wir bestimmt fast zwei Stunden hier, denn draußen regnet es Bindfäden.

        Irgendwann aber müssen wir ja weiter. Das erste Mal auf der Tour ist die volle Regenmontur mal wirklich nötig. Dem WHW folgen wir nur ein paar hundert Meter. Der biegt dann Richtung Devil’s Staircase ab, wir bleiben unten im Glen. Das allerdings wird jetzt so Richtig Sch*****. Es gibt keinen Weg, der durchgängig durch den Glen führt, wir kämpfen uns teils mitten durchs Heidekraut, teils über ein paar Meter schnell wieder verschwindenden Trampelpfad und teils direkt an der Leitplanke entlang. Ständig donnern LKWs, Autos und Busse an uns vorbei, wir sind komplett in Wasser aus allen Richtungen eingehüllt. Wo zum Henker sollen wir hier zelten?!


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        Wasser von überall

        Schließlich beschließen wir, uns querfeldein runter zum Fluss zu schlagen, denn zumindest ist der ein Stück von der Straße weg und man kann ebene Stellen ausmachen, die es hier an den südlichen Hängen nirgends gibt.
        Obwohl das Ziel nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt ist, dauert es bestimmt noch einmal eine Stunde, bis wir unten ankommen. Da es weiter äußerst sumpfig ist, stapfen wir wieder hintereinander her. Nur an einer Stelle nicht... Da macht einer von uns (ich nenne mal keine Namen) ein paar Meter Grasfläche aus, die wie ein Weg aussehen und ein vermeintlich besseres Fortkommen verspricht. Ein zuversichtlich Schritt nach vorn und es gibt es einen lauten Schrei, der irgendwo zwischen Schreck, Fluch und Hilferuf einzuordnen ist. Der nicht namentlich genannte Gefährte sitzt am Rand eines vorher völlig unsichtbaren Lochs, die Beine bis zum Gürtel im schwarzen Wasser, nur der Rucksack hat seine Abwärtsfahrt aufgehalten. Es ist eine von diesen Situationen, wo irgendwie zu viel schief geht und es daher schon wieder egal ist: Es ist natürlich echt ärgerlich, aber halt auch echt lustig! Wieder helfen nur kräftige Hände an den Rucksackgurten, um den Kumpel zu befreien.

        Wir furten noch den Fluss und finden uns auf mehreren Schotterbänken zwischen den Flussarmen wieder. Hier ist es ironischerweise das erste Mal seit dem Hotel trocken unter den Stiefeln. Bald haben wir einen möglichst erhöhten und ebenen Platz gefunden und schlagen das Lager auf.
        Der Wind fetzt hier ungehindert durch den Glen und wir sind noch einmal froh um das mitgebrachte Tarp. Mit Stöcken, Schnüren und Seilen aufgespannt, lässt es Regen und Wind wie eine Tragfläche über unsere Koch- und Sitzstelle wegpfeifen, so dass wir einigermaßen trocken und bequem essen können.


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        Furt im Glencoe

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        Das Tarp hält so eben.

        Etwas Sorgen macht uns der Regen. Hier kommen mehrere kleine Flüsse zusammen und unsere Schotterbank wird definitiv manchmal überspült. Wir hoffen einfach, dass das heute Nacht nicht passiert, woanders hätten wir auch nicht hingekonnt. So eine richtig ruhige Nacht wird es nicht.

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ID: 3306516
        Blick nach Westen. Zwei Flüssen kommen von vorn, einer von links (nicht im Bild). Wir dazwischen. Soooo viel kann ja jetzt nicht mehr schiefgehen.
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        • momper
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          • 05.12.2011
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          #24
          Sehr sco'ish ... tapfer!
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          • Mosen
            Erfahren
            • 21.04.2007
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            #25
            Tag 10: 03. Juli --- Glencoe (Insel im Fluss) – Glencoe (Red Squirrel Campsite)

            Die Nacht über regnet es weiter und ab und zu luge ich ins Vorzelt, immer in der Erwartung, meinen Rucksack im Wasser stehen zu sehen.
            Der Morgen zeigt, dass es nicht ganz so schlimm gekommen ist, unsere Insel ist aber tatsächlich kleiner geworden und jetzt sehr deutlich vom Ufer abgetrennt. Wir furten also zweimal, um wieder auf die richtige Seite des Flusses zu kommen. Es pladdert weiter, bis wir wieder oben an der sch**** Straße sind, sind wir eigentlich schon nass.
            Irgendwann gibt es sowas wie einen Weg, dem wir dann folgen. Trotz Regen ist die Stimmung soweit gut und wir halten die Augen nach einem Frühstücksplatz offen. Es bietet sich eine alte Steinbrücke an, hoch über der Straße. Unten im Tal brausen LKWs und Reisebusse vorbei, oben sitzen wir bei Kaffee und… Poraaaaage!


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ID: 3306833
            Frühstück hoch über der Straße durch Glencoe

            Mittlerweile ist die Nässe egal, wir genießen die Aussicht. Manchmal fahren unten Radfahrer entlang, da auf der engen Straße niemand überholen kann, zuckelt dann eine lange Autoschlange hinter ihnen her.
            Allerdings fühlt sich meine Hose nasser an, als sie unter der Regenhose sein sollte. Ich schaue mal nach und stelle fest, dass sich die Beschichtung meiner alten Marmot-Hose komplett aufgelöst hat. Überall kleine, graue Fitzel. Um nicht ganz Glencoe mit Mikroplastik zu verseuchen, pelle ich mich vorsichtig raus und rolle das Ding zusammen. Nass bin ich ja eh.

            Etwas geht es dann wieder direkt an der Straße entlang und wir gucken in ein echt gruseliges, leeres Haus: Alles kaputt geschlagen, rausgerissen, vermüllt, Graffiti an jeder Oberfläche. Später recherchieren wir, dass das Haus als „Horror-Haus von Glencoe“ bekannt geworden ist. Eine TV-Persönlichkeit hat als Serienvergewaltiger dort sein Unwesen getrieben. [Mittlerweile wurde beschlossen, das Haus abzureißen].


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ID: 3306834
            Das "Horror-Haus von Glencoe"

            Nicht viel weiter ist es zwar weit weniger bedrückend, aber auch skurril: Der Parkplatz Three Sisters Viewpoint. Da spucken Reisebusse einer nach dem anderen dutzende Touristen aus, die dann in Turnschuhen den Schotterhang runterstolpern und -rutschen, um möglichst dicht an die Three Sisters, drei nebeneinander liegende gewaltige Bergrücken, heranzukommen. Manche haben tatsächlich Gummilatschen an (sind im Bus bequemer) und nicht Wenigen flattern solche Einweg-Regencapes um die Bäuche. So fahren die dann durch Schottland…

            Wir marschieren durch die bunte Schar und biegen bald von der Hauptstraße ab in Richtung Glencoe Youth Hostel. Dort wollen wir die letzte Nacht vor der Rückreise verbringen, um etwas frischer in die Zivilisation zurückzukehren. Blöd nur: Wir sind so gut vorangekommen, dass wir einen Tag früher da sind, als wir reserviert haben. Platz gibt es keinen, wir zelten nebenan auf dem Red Squirrel Campingplatz.
            Nachdem die Zelte stehen, geht’s in den 3km entfernten Ort Glencoe und dort ins Glencoe Gathering Restaurant mit abgetrenntem Pub. Erst fish n‘ chips und Haggis (lecker!!) oben, dann runter in die Bar und ein paar Bierchen trinken. Hier lässt es sich sitzen. Die Bar hat zwar den Charme eines in die Jahre gekommenen Jugendherbergs-Speisesaals, aber es ist warm und trocken.
            Erst gegen Abend zuckeln wir zum Campingplatz zurück und machen von den Duschen Gebrauch.
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            • Pfad-Finder
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              #26
              Da habe ich wohl "damals", als ich von Rannoch Station nach Kingshouse Hotel gelaufen bin, wettermäßig mehr Glück gehabt (s.u., Handy-Foto von 2008). Ehrlich gesagt hatte ich mich damals gefragt, was die Leute für ein Gewese um diese Strecke machen... dank der Strom-/Telefonmasten ist ein Verlaufen ja praktisch unmöglich. Und Glencoe ist einfach nur Klasse, jedenfalls dann, wenn man entweder hörbehindert ist oder Straßenlärm ignorieren kann.

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Name: Rannoch-Moor1.jpg
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ID: 3306847
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              • Mosen
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                • 21.04.2007
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                #27
                Zitat von Pfad-Finder Beitrag anzeigen
                Ehrlich gesagt hatte ich mich damals gefragt, was die Leute für ein Gewese um diese Strecke machen... dank der Strom-/Telefonmasten ist ein Verlaufen ja praktisch unmöglich.
                Das stimmt, wenn man vorher gecheckt hat, dass Weg und Stromleitung grob parallel verlaufen, kommt man schon richtig raus. Aber bei dir scheint es deutlich trockener gewesen zu sein. Ersaufen kann man schließlich auch, wenn man weiß, wo man ersäuft.

                Und Glencoe... Naja. Die steilen Hänge sind schon doll, das hat man ja in Schottland sonst seltener. Auch da spielt sicher das Wetter eine Rolle.
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                  • 18.04.2008
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                  #28
                  Zitat von Mosen Beitrag anzeigen
                  Das stimmt, wenn man vorher gecheckt hat, dass Weg und Stromleitung grob parallel verlaufen, kommt man schon richtig raus.(...)
                  "Damals" hatte noch niemand eine Karte auf dem Handy, wir sind alle mit den OS-Papierkarten durchs Gelände gestolpert. Und da ist die Leitung drauf.
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                  • Mosen
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                    • 21.04.2007
                    • 465
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                    #29
                    Zitat von Pfad-Finder Beitrag anzeigen
                    "Damals" hatte noch niemand eine Karte auf dem Handy, wir sind alle mit den OS-Papierkarten durchs Gelände gestolpert. Und da ist die Leitung drauf.
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Name: PHOTO-2024-07-08-10-26-38 1.jpg
Ansichten: 284
Größe: 1,25 MB
ID: 3306904
                    Ja, auf die Landranger maps möchte ich auch nicht verzichten. Ist ja auch nicht so, dass wir uns verlaufen hätten...
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                      Erfahren
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                      #30
                      Tag 11: 04. Juli --- Glencoe – Ballachulish – Glencoe

                      Bei Schietwetter geht es morgens wieder los. Unser Plan war ja, von Küste zu Küste zu laufen. Zwar liegt Glencoe am Wasser und Seetang haben da auch gefunden, aber so richtig Meer ist das noch nicht… Obwohl, immerhin schmeckt es schon salzig.
                      Also: Wir packen unsere sieben Sachen (und die anderen hundert auch) und marschieren wieder los. Vorbei am Youth Hostel, in dem wir für heute Nacht ein Zimmer reserviert haben, vorbei am Pub und wieder raus aus dem Ort. Eine Idee war, unsere Sachen schon im Hostel zu deponieren, aber das kommt uns wie Schummeln vor – die Rucksäcke kommen mit. 8km sind es noch bis zum Ballachulish Hotel, dem Punkt, an dem wir finden, dass es Meer ist.

                      Es regnet die ganze Zeit, so beharrlich wie die ganze Tour nicht. Ohne Regenhose bin ich schon recht nass, nur die Gamaschen verhindern, dass mir das Wasser bis in die Stiefel läuft. Der Weg ist nicht doll, es geht immer die Straße entlang. Wenigstens gibt es einen richtigen Fußweg und wir haben das Ziel vor Augen (zumindest im übertragenen Sinne), daher ist die Stimmung prima.


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ID: 3307602
                      Eh schon alles nass...

                      Endlich erreichen wir das Ballachulish Hotel. Zunächst wagen sich zwei von uns in die feine Absteige, tropfend und eher fehl am Platze. Da unser nicht mitgereister Kumpan vor Jaaaahren mal dort gejobbt hat, wollen wir ihm ein Souvenir mitbringen. Wir erstehen einen knuffigen Bären mit Hotel Ballachulish-Pulli.

                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

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ID: 3307603
                      Am westlichsten Punkt. Seetang und salziges Wasser = Meer.

                      Dann geht es die letzten Meter runter zum Strand! Ein wenig müssen wir uns noch durch den Seetang kämpfen, dann ist es geschafft!! 256 km, von Aberdeen bis hierher an den Atlantik! Anderen mag das gar nicht so viel erscheinen, für uns aber ist damit ein wichtiges Kapitel abgeschlossen. Jahre der Planens und Freuens, des Bangens, dass irgendwas vorher schiefgeht. Viele Treffen beim Bierchen, bei denen wir diskutierten, ob nun das Tarp mit soll oder nicht, ob man zwei oder drei Paar Socken braucht, Fleece oder Merino, usw.
                      Jetzt stehen wir hier im Seetang, tauchen die Stiefelspitzen ins Meer und machen Fotos. Endlich regnet es auch nicht mehr. Bombig!


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Name: PHOTO-2024-07-08-10-28-15 1.jpg
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ID: 3307604
                      Zielfoto!

                      Der Rückweg geht ähnlich flott und unaufgeregt wie der Weg hierher. Auf halber Strecke machen wir einen Schlenker und schlagen unser – heute sehr spätes – Frühstückslager in einer Unterführung auf, denn es regnet wieder. Wir ziehen hier in der Zivilisation doch einige argwöhnische (oder mitleidige?) Blicke auf uns. Beides unnötig, wir sind nicht gefährlich und es geht uns prima!

                      Am frühen Nachmittag kommen wir wieder am spärlich besuchten Glencoe Gathering Pub an, beziehen unseren Tisch von gestern, trocknen erstmal bei zwei, drei pints und vervollständigen unsere Notizen zu Strecke und Zeltplätzen.
                      Später geht es ins Hostel. Das ist klein und in die Jahre gekommen, aber wir haben ein Zimmer für uns, Duschen und den angeblich „best drying room in Scotland“. In der Küche gibt es abends Essen ohne Trangia und ein oder zwei Bier sind an der Rezeption auch zu erstehen, bevor es dann zeitig ins Bett geht. Es waren ja nur gut 16km heute, dafür aber die meiste Zeit im Regen. Bäääh.
                      Two roads diverged in a wood, and I--
                      I took the one less traveled by,
                      And that has made all the difference.

                      Frost, 'The Road Not Taken'

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                      • Mosen
                        Erfahren
                        • 21.04.2007
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                        #31
                        Tag 12: 5. Juli --- Glencoe – Deutschland

                        Früh am Morgen muss es wieder losgehen, wir müssen den frühen Bus nach Glasgow im Ort kriegen. Die nette Tochter des Betreibers überlässt uns zum Frühstück einen 1-kg-Bottich sandwich filler, eine leckere Kalorien- und Fettbombe aus Streukäse und Majo. Der ist grad einen Tag über MHD und sie kann ihn nicht mehr verwenden. Wir geben uns die größte Mühe ihn zu verbrauchen!
                        Zum dritten Mal geht es die 3km in den Ort. Der Bus kommt wie bestellt und die nächsten Stunden eiern wir durch Schottland. Komisch ist ja immer, wenn man innerhalb von einer Viertelstunde eine Strecke zurücklegt, für die man zuvor einen ganzen Tag zu Fuß gebraucht hat. So geht es uns bei der Fahrt durch Glencoe. Bei dem Wetter sind wir aber nicht böse, nicht noch einmal zu Fuß durch den Glen zu müssen.
                        In Glasgow angekommen, vertreiben wir uns noch ein wenig die Zeit mir einem Spaziergang die Sauchiehall Street entlang, die ist allerdings ganz schön heruntergekommen. Vieles ist zu oder es gibt nur noch so Billigläden, Müll und Dreck ist überall. Während Letzteres leider schon immer so war, ist der wirtschaftliche Rückgang wohl auch mit dem Brexit zu erklären. In Aberdeen sah die einst schöne Union Street auch so aus. Echt traurig.
                        Der Flug nach Amsterdam ist unspannend, schön ist, dass auch unsere Rucksäcke ankommen. Jan will von hier weiter Richtung Frankfurt, Nils, Arne und ich nach Bremen. Also verabschieden wir uns hier und beenden sozusagen offiziell die Tour.

                        Did it! Und soooo viel ist auch gar nicht schiefgegangen...
                        Two roads diverged in a wood, and I--
                        I took the one less traveled by,
                        And that has made all the difference.

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                        • Mosen
                          Erfahren
                          • 21.04.2007
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                          #32
                          Take aways und lessons learned in eher beliebiger Reihenfolge, werden vielleicht noch ergänzt:
                          1. Wir hatten saumäßig Glück mit dem Wetter. Bis auf die letzten drei Tage war es weitgehend trocken, nicht zu warm und vor allem fast immer windig, so dass kaum midges unterwegs waren. Und das in der Hochsaison!
                          2. Die Ausrüstung war gut. Der Klappgrill bleibt nächstes Mal zuhause, aber das Tarp hat sich bewährt. Und ohne den Flachmann fahre ich auch nicht nach Schottland.
                          3. Unsere Route erscheint vielen sicher wenig reizvoll. Wir haben tatsächlich Berge gemieden und sind in den Tälern geblieben. Uns ging es vor allem um die Strecke, nächstes Mal geht es vielleicht ein wenig höher hinauf. ​
                          4. Die Rangfolge der schönsten Lagerplätze ist umstritten. In den Top 3 sind aber auf jeden Fall ​​​​​​​Loch Laidon, Glen Tilt und auch der am River Garry bei Blair Atholl.
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                          • lina
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                            Liebt das Forum
                            • 12.07.2008
                            • 44512
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #33
                            Danke für’s Mitnehmen!

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                            • Mancunian
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                              • 12.06.2014
                              • 266
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #34
                              Auch von mir vielen Dank für den spannenden und schön geschriebenen Bericht. Da bekomme ich doch gleich Lust selbst mal so eine Streckenwanderung zu machen. Aber Munro-Bagging (was wir seit 2011 jährlich betreiben, sh. Meine Reisen) ist auch ganz ok.
                              ---
                              I'd rather be out on the hills...
                              http://chorltoniac.blogspot.com

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                              • Goldi
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                                • 11.09.2022
                                • 257
                                • Privat

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                                #35
                                Ja, danke für´s Mitnehmen. Sehr schön geschrieben. Ich glaube, nächstes Jahr muss ich auch wieder nach Schottland.

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