Zitat von Bergahorn
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[IS] Traverse des zentralen Hochlands im Spätsommer 2023
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Di 22.08.23
Früh am Morgen erreichen wir die Färöerinseln in ihrer Hauptstadt Tórshavn. Es ist sehr neblig und die Wolkengrenze liegt bei ca. 20 m über dem Meer. Aus dem Kabinenfenster ergibt sich ein grauenhafter Anblick, der überhaupt nicht einlädt.
Doch der Blick durch die Scheibe täuscht - in natura ist es eigentlich ganz annehmbar, kaum Wind, kein Niederschlag, mild. Icefeather zieht direkt los, die Umgebung erkunden. Ich bleibe noch 1-2 Stündchen in der Kabine, lese meinen Roman und mache mich etwa gegen 0900 auf die Socken.
Erstmal warte ich auf dem Rollfeld vor der Fähre darauf, daß mein GPS die Position findet. Ich habe wichtiges vor, ein paar Wegpunkte gespeichert und möchte diese direkt ansteuern, statt zu flanieren und zu spät zur Fähre zurückzukommen. Mein Weg führt nach Nordwesten, doch instinktiv ohne GPS wäre ich direkt nach Nordosten gelaufen und hätte dann vermutlich im Wohngebiet kehrtgemacht.
Ich folge der Havnargøta, Kopagøta und dem Áarvegur und schwinge mich den Vaglið entlang. An der Kreuzung mit der Sverrisgøta habe ich mein Ziel erreicht: TUTL records - doch ich muß noch ein paar Minütchen bis 1000 warten, dann wird geöffnet.
Ich trage mein Anliegen vor, die Verkäuferin überlegt kurz und schlägt mir dann ein paar CDs vor. Ich gucke ein wenig, wie die Titel so heißen und lasse mir einzelne Lieder vorspielen. Die Sache ist gebongt - die gute Eivør Pálsdóttir und ein gewißer Marius Ziska dürfen bei mir mitreisen - und vorweg: sich ihre Schrammen abholen...
Mission erfüllt! Ich schlendere ein wenig durch die Umgebung, die Tórsgøta hinauf, an der Niels Winthers gøta geselle ich mich ins Visit Tórshavn (Touristeninformation), besorge mir ein paar Postkarten, Kaffee und Gebäck und schreibe mit dem kurzerhand geliehenen Kugelschreiber meine Grußkarten. Das Schreiben gestaltet sich leicht schwierig, denn ich bin landkrank. Kein Witz: auf See habe ich mich an den Wellengang gewöhnt, aber hier an Land fühlt es sich seltsam an...
Meine nächste Mission lautet: finde einen Briefkasten! Ziellos wandele ich umher und stolpere beim Juwelier in der Kongabrúgvin in den Laden. Natürlich bekomme ich Auskunft und natürlich bin ich unwissend am Briefkasten vorbeigelaufen... also wieder kehrt und hoch in die Posthúsbrekka (klingt ja schon irgendwie passend). Schnell die Karten einwerfen und wieder in Richtung Hafen gelaufen.
Unterwegs glauben noch 1-2 Kaffee im Paname Café dran und ich nutze das örtliche WLAN, nachdem ich auf der Fähre tagelang nicht meiner ODS-Sucht fröhnen konnte.
Es wird Zeit, zum Schiff zu gehen und so tue ich dies mit einem kleinen Umweg über Tinganes, um von dort unseren Pott abzulichten.
Wir legen ab und dümpeln durch färöische Gewässer, vorbei an hübschen Bergflanken, die steil ins Wasser hinabfallen. Bald sind wir wieder auf hoher See bzw. in der Kabine, der Bibliothek, der Sauna, dem Speisesaal oder anderen Places-to-be.
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Mittwoch 23.08.2023:
Morgens gegen 9:00 Uhr legt die Norröna im Hafen von Seyðisfjörður an. Zuvor haben wir ein letztes mal das reichhaltige Frühstücksbuffet geplündert. Nachdem die Ausrüstung nun marschfertig gepackt ist, vergewissern wir uns, dass wir nichts in der Kabine vergessen haben und stellen unsere, in den letzten Tagen ausgelesenen, Romane in die Bibliothek des Schiffes. Auf der langen Anreise konnten wir uns mental gut auf die vor uns liegende Route einstellen.
Wir verlassen das Schiff über die Gangway, passieren eine kurze Passkontrolle und betreten isländischen Boden. Ich zum ersten Mal, Molte zum wiederholten Male. Er hat auch bereits einen Platz im Kopf, an dem wir uns zum Trampen aufstellen und den Daumen rausstrecken werden. Es ist noch früh am Vormittag und in der Stadt sind viele Autos von der Fähre ins Landesinnere unterwegs. Nach kurzer Zeit ist auch schon die erste Mitfahrgelegenheit gefunden. Eine irische Familie mit zwei Kindern nimmt uns in Ihrem Wohnmobil mit. Da die regulären Sitze bereits besetzt sind, nehmen wir auf der Couch Platz. Anschnaller gibt es keine, wird schon ohne gehen, da sind sich alle einig. Während der Fahrt gibt Molte den Iren einige Tipps zu deren geplanter Route durch Island. Die Tochter auf der Rückbank schminkt sich nach allen Regeln der Kunst, während der Vater den Camper über den Pass nach Egilsstaðir fährt. Der Sohn ist vollauf mit dem Smartphone beschäftigt. Durch die Fenster kann ich bereits einige Blicke auf die Gras- und Gesteinslandschaft Islands erhaschen, leider verhüllt sich diese in starkem Nebel.
In Egilsstaðir steigen wir aus, bedanken uns bei der Familie und suchen den örtlichen Supermarkt auf, um uns mit eiheimischen Spezialitäten, getrocknetem Fisch und Käse, einzudecken. Nach dem Einkauf setzen wir uns auf eine Bank und nehmen ein zweites Frühstück zu uns. Unsere Wasservorräte füllen wir an der Tankstelle nochmals auf, bevor wir uns an die Ringstraße stellen und auf die nächste Mitfahrgelegenheit warten. Diesmal dauert es eine Weile. Ein isländischer Landwirt nimmt uns für ein paar Kilometer mit. Anschließend das gleiche Spiel von vorn. Diesmal haben wir Glück, denn eine Polin und ein Albaner, die in England leben und in Island Ihren Urlaub verbringen, nehmen uns mit Ihrem umgebauten Van mit. Als Island Veteran sitzt Molte vorne und berät unseren Fahrer. Ich sitze hinten auf der Matratze und ziehe den Kopf ein, da es wieder keinen Gurt für mich gibt. Dem Gespräch kann ich von hinten aus folgen. Es stellt sich heraus, dass die beiden ziemlich nahe an unserem Startpunkt, dem Abzweig der alten (Nr. 901) von der neuen Ringstraße (Nr. 1), vorbeikommen. Sie fahren extra einen kleinen Umweg, um uns genau dort abzusetzen. Jetzt geht es also los.
Wir bedanken uns bei den beiden und schultern unsere Rucksäcke. Nachdem wir ein „Vorher“ Bild gemacht haben, laufen wir, zunächst auf einer Schotterpiste dann querfeldein, unserem Tagesziel, Sænautasel, entgegen. Die Sonne zeigt sich nicht, dafür hat sich der Nebel gelichtet und es ist trocken. Unterwegs treffen wir auf einen abgewrackten Bus mitten im Nirgendwo. In den Reifen ist noch verdächtig viel Druck, teilweise ist er bereits ausgeschlachtet. Er scheint bereits eine Weile dort zu stehen. Am frühen Abend erreichen wir das Ufer des Sænautavatn und laufen Richtung Westen zum historischen Torfhaus und Bauernhofmuseum Sænautasel. Hier werden wir für die Nacht bleiben. Wir kochen Abendessen und legen uns früh schlafen
(Is-) Land in Sicht.
Beim Trampen.
Sænautasel.
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Mi 23.08.23
Die Nacht war relativ ruhig, nicht mehr so turbulent wie zwischen den Shetlands und den Färöern. Wir frühstücken, richten unsere Rucksäcke und begeben uns an Deck, um unsere Annäherung an diese schöne Insel und unser Einlaufen in den Seyðisfjörður zu bewundern.
Dann heißt es: alle Mann von Bord!
Wir betreten isländischen Boden - endlich.
Ich bin wieder daheim.
Flott gehen wir an die zentrale Kreuzung beim Ortsausgang, an der quasi jeder vorbei muß, der über den nächsten Paß bzw. nach Egilsstaðir möchte. Dort spreche ich ein paar Leute auf dem Parkplatz an, während Icefeather bereits mit einem praktischen Schild ein ganzes Wohnmobil aufgegabelt hat.
Nach der, von Icefeather beschriebenen, Anhalterfahrt schultern wir am Grunnavatn unsere Rucksäcke. Hier zweigt die alte Ringstraße von der neuen, asphaltierten Strecke ab und wir starten in die unendliche Weite des Hochlands.
Die ersten Schafe zeigen sich am Horizont
Wir laufen irgendwo runter
Und irgendwo rauf
Magic bus!
Alles einsteigen!
Camp 01 bei SænautaselZuletzt geändert von Moltebaer; 25.05.2024, 06:12.
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Zitat von Moltebaer Beitrag anzeigenMagic bus!
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Zitat von Ljungdalen Beitrag anzeigenzumindest drohen keine Giftpflanzen, oder?
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Donnerstag 24.08.2023:
Über Nacht lichten sich die Wolken und das Sonnenlicht bahnt sich morgens seinen Weg durch den diffusen Morgennebel. Während sich dieser verflüchtigt, packen wir unsere Sachen und brechen auf. Unser Weg führt uns heute über grasige und steinige Steppen, streckenweise durch sumpfige Areale gen Westen. Die Landschaft erinnert mich an den Thriller, den ich auf der Fähre las und sich in den weiten Steppen der Mongolei abspielte.
Bereits heute haben wir zum ersten Mal Sicht auf den Vatnajökull und die Herðubreið. Deren Anblick wird uns auch noch in den kommenden Tagen erfreuen. Den gesamten Tag begleitet uns die Sonne und nach guten 20 Kilometern erreichen wir das Ostufer des Þrihyrningsvatn. Wir schlendern am Ufer entlang zu dessen Westende und campieren unweit des Sees. Zum Vertreib der übrigen Zeit fotografieren wir das Zelt und Molte spielt ein wenig mit den Modi seiner Kamera. Nach einem erfrischenden Bad im See und einem leckeren Abendessen geht der Tag auch schon zu Ende.
In der Ferne der Vatnajökull.
In der Bildmitte die Spitze der Herðubreið.
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Do 24.08.23
Sænautasel im Morgenlicht
Die Fischerhütte am Þríhyrningsvatn?
Das Kverkfjöll in der Ferne
Zimmer mit Aussicht
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Freitag 25.08.2023
In dieser Nacht wache ich auf und strecke, in der Hoffnung am Himmel Polarlichter auszumachen, den Kopf aus dem Zelt. Polarlichter sehe ich zwar keine, dagegen aber eine zarte Morgendämmerung und viele Sterne am tiefblauen Nachthimmel. Ich beschließe Fotos zu machen und verlasse, mit Kamera bewaffnet, das Zelt. Ohne Stativ gelingen die langen Belichtungszeiten in der Dämmerung zwar nur bedingt, ein paar schöne Aufnahmen sind trotzdem dabei. Anschließend verkrieche ich mich wieder in die Wärme des Schlafsacks und schlafe nochmal ein. Wohlwissend, dass die Morgendämmerung dem sonnigen Tag vorausgeht.
Moltebaer und ich machen uns auf den Weg als die Schatten noch lang und die Luft kühl ist. Heute stehen mehrere Furten und dazwischen viel Strecke auf oder neben staubigen Hochlandpisten an. Bereits am Vormittag beginnt die Sonne zu brennen, da sind die knietiefen Furten eine willkommene Abwechslung. Zum ersten Mal bekomme ich ein Gefühl für die (Hochland-)Wüste Islands, ziemlich eben und kilometerweit kein Wasser. Im Gegensatz zu Norwegen tragen wir meist die Wassermenge für den ganzen Tag mit. An einer Furt treffen wir auf eine Rangerin des Vatnajökull Nationalparks. Wir reden kurz, über unseren geplanten Routenverlauf und fragen nach der aktuellen Wetterprognose. Diese ist leider nicht optimal und sagt in den nächsten Tagen Regen voraus. Wir nehmen es hin und beschließen abzuwarten was kommt.
Zum Ende der heutigen 25 Kilometer weicht die Bimssteinwüste einem Lavafeld. Als sich die Sonne neigt, stellen wir das Zelt in der Nähe der Kreppa auf. Sogar Handyempfang haben wir hier. Grüße werden nach Hause geschickt und der aktuelle Wetterbericht gecheckt. Dieser sagt unbeständiges Wetter voraus. In der Abendsonne sitzend blicken wir zur Herðubreið, der wir heute bedeutend nähergekommen sind. Die nächsten Tage, wenn wir weiterziehen, wird sie wieder kleiner werden.
Blick zurück. Von dort kommen wir.
Klassischer Anblick bei einer Furt.
Herðubreið.
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Fr 25.08.23:
Wir laufen vom See weg
Und gelangen bald an eine seichte Furt
Weiter geht es über eine wüstenartige Ebene
Anders als auf Arakis üblich behalten wir nicht alles Wasser bei uns
Die Breitschultrige zeigt ihr Haupt und ist hübsch anzuschauen
An dieser etwas über knietiefen Furt warten einige Autos und trauen sich nicht hinüber. Wir ziehen Stiefel und Hosen aus und machen uns furtbereit. Die meisten Autos haben kehrtgemacht. Einem hadernden Pärchen gebe ich ein paar Tips, sie beobachten uns beim Furten und bedanken sich herzlich, nachdem sie es zu uns auf die andere Seite geschafft haben. Als wir uns wieder ankleiden, machen weitere Autos auf der Ursprungsseite kehrt.
Don't pay the ferryman until he gets you to the other side!
Hier und da ist mal wieder etwas Grün zu sehen
Eine weitere, klitzekleine Furt
Quo vadis?
Weit entfernter Hochlandverkehr
Und wieder Kieswüste
Ohne Moos nichts los
Kurz mal ein paar Trailsnacks einwerfen
Die Herðubreið dominiert die Landschaft
Ewige Weite
Wir erreichen die Brücke über die Kreppa
Und genießen beim Abendessen die herrliche Aussicht
Nettes Örtchen hierZuletzt geändert von Moltebaer; 28.05.2024, 22:38.
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Samstag 26.08.2023:
Heute soll es zu einer Brücke über die Jökulsá gehen. Mit 16,5 km Strecke eher eine Etappe zum Erholen und Regenerieren, aber das kommt uns sehr gelegen, denn die „Wüstenetappen“, bei denen wir Wasser für mindestens zwei Tage mittragen werden, rücken näher. Um nicht Wasser für drei Tage mitnehmen zu müssen, wollen wir zwei lange Etappen anstatt drei normal langen gehen. Wenn alles nach Plan läuft, ist es übermorgen schon so weit.
Anfangs folgen wir der spärlich befahrenen Piste. Lediglich ein paar wenige Geländewagen fahren an uns vorbei, auch zwei Trucks mit Touristenfahrten zur Askja. Später verlassen wir die Piste und Molte navigiert uns mit dem GPS querfeldein über erkaltete Lava und schwarzen Lavasand dem Tagesziel entgegen. Immer wieder zieht Nieselregen über uns hinweg und die Sonne ist den gesamten Tag nicht zu sehen.
An der Brücke angekommen stellen wir routiniert das Zelt auf und überlegen, was wir den restlichen Tag noch anstellen wollen. Was passt da besser ins Isländische Hochland als ein Schotte aus den Highlands? Molte ist sehr erfreut über die Tatsache, dass ich bis hierher eine Ration guten Single Malts im Rucksack getragen habe. Wir suchen uns einen bequemen Felsen, setzen uns auf eine Schaumstoffmatte und prosten auf die Tour. Nach einiger Zeit kommt eine Rangerin des Nationalparks des Weges und wir unterhalten uns kurz, über das Wetter und die Umgebung. In der Nacht soll es stark regnen. Nachdem sie uns mit Informationen zur Gegend versorgt hat, fährt sie mit Ihrem Pickup weiter und wir beschließen die Gegend um unseren Lagerplatz zu erkunden.
Gegen Abend legen wir uns schlafen und bald prasselt auch schon der angekündigte Regen auf das Zelt.
Die Herðubreið in den Wolken.
Kverkfjöll.
Regenschauer kurz vor dem Tagesziel.
Die Jökulsá.
Gegend erkunden. Blick zur Askja.
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Die ersten paar Kilometer folgen wir der Piste, da sich das zwischen den beiden Brücken einfach anbietet.
In der Ferne kommt ein Auto aus Richtung des Upptyppingar
Es ist wie geschrieben ein wenig nieselig
Hier macht das Autofahren wirklich Spaß
Doch den letzten Schlenker machen wir nicht mehr mit und laufen quer durchs Gelände
Die Jökulsá á Fjöllum wird sicht- und hörbar
Leave some traces
Die Brücke über die Jökulsá á Fjöllum
Wir bauen das Zelt an einem Platz auf, der uns günstig erscheint...
Wohlgemerkt: erscheint!
Icefeather überrascht mich in der Tat mit einer kleinen Flasche köstlichen Whiskys. Als die Rangerin mit dem neuen Wetterbericht vorbeikommt, bin ich hübsch angeheitert und unterhalte mich blendend mit ihr. Sie teilt uns auch noch mit, wo wir Frischwasser finden können. Unsere heutige Wasserration haben wir zwar schon, wie gestern an der Kreppa, mit ausgeflockter Gletschermilch aufgefüllt, aber nun wissen wir, daß wir am nächsten Morgen direkt klares Wasser zapfen können.
Hier freuen wir uns noch über den windgeschützten Zeltplatz und kriechen zufrieden in die Schlafsäcke
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Sonntag 27.08.2023:
Der windgeschützte Zeltplatz beschert uns eine ruhige und entspannte Nacht, nur begleitet vom Staccato des Regens, der auf das Zeltdach prasselt.
Am Morgen hört es auf zu Regnen. Ich will den Kopf aus dem Zelt stecken und bekomme in der Apsis den Preis unserer Platzwahl zu Gesicht. In der Nacht ist Wasser durch die Apsis gelaufen und hat den Boden dieser komplett mit angeschwemmten Bimssteinen zugepflastert. Meine Ausrüstung, die größtenteils auf dem Rucksack liegt, ist, Gott sei Dank, trocken geblieben. Das Rückenpolster meines Rucksacks ist durchgeweicht, aber durch den Regen gestern tagsüber war es ohnehin nass. Molte begutachtet zwischenzeitlich halblaut donnerwetternd seine Kameraobjektive und wir schwören uns, das nächste Mal lieber im Wind zu zelten, als in einem Canyon. Wir frühstücken, bauen das Zelt ab und waschen die Bimssteinchen gleich an einer seichten Stelle in der Jökulsá vom Footprint ab.
So schlecht wie der Tag losgeht, geht er nicht weiter. Durch eine Mondlandschaft marschieren wir zunächst Richtung Askja. Der Wind treibt zwar weiterhin Regenschauer über uns hinweg, aber dazwischen zeigt sich immer öfter die Sonne und sorgt für Regenbögen. Schließlich verziehen sich die Wolken ganz. Wir umrunden den nicht mehr aktiven Schildvulkan Vaðalda und haben das Glück, dass der Dyngjuvatn im Moment Wasser führt. Wie ein Spiegel liegt er im flachen Gelände. Als wir uns zwischen Askja und Vaðalda befinden, halten wir uns südlich und laufen, in einigem Abstand, parallel zur Piste in Richtung Svartá. Unterwegs kommen wir an einer Messstation für seismische Aktivität vorbei und ein Stück weiter fallen uns kleine rote Fähnchen auf, die im schwarzen Lavasand stecken. Wir wissen beide nicht, was es damit auf sich hat. Sind das irgendwelche Entfernungsmarkierungen, Landvermessung, ein Forschungsprojekt? Mit viel Phantasie überlegen wir und werden es am Abend erfahren.
Angekommen an der Svartá breiten wir das nasse Footprint aus und stellen das Zelt daneben auf. Die Sonne und der kräftig wehende Wind trocknen es im Handumdrehen. Währenddessen holen wir Wasser, machen Fotos und stellen im Anschluss daran das Zelt anständig auf. Die Sandheringe leisten hervorragende Dienste. Nachdem das Zelt steht, machen wir weiter Fotos, kochen Essen und erkunden bei einem Verdauungsspaziergang die „Oase“, die für etwas Grün in der ansonsten unbewachsenen Gegend sorgt. Wir blicken gen Westen auf die flache Ebene, die wir morgen überqueren werden und die kein Wasser für uns bereithält.
Gegen Abend hält an der Piste oberhalb der Svartá ein Pickup und zwei Männer steigen aus. Schon von weitem hören wir, wie sie sich auf Englisch unterhalten. Einer der beiden läuft im Laufschritt, an unserem Zelt vorbei, in die Ferne. Ab und an steckt er ein rotes Fähnchen in den Sand. Der Zweite ruft und gestikuliert ihm zu. Als wolle er ihm eine Richtung weisen. Ranger sind es keine, dafür tragen sie nicht das richtige Outfit. Wir sprechen einen der beiden an und erfahren, dass Sie mit den roten Fahnen die Strecke für einen Ultralauf markieren, den Fire+Ice Ultra. Ein Ultralauf der auf einer Strecke von 250 km quer durch das isländische Hochland führt. Klingt nach einer knallharten Sache.
So schnell wie die beiden aufgetaucht sind, so schnell verschwinden sie auch wieder und Ruhe kehrt ein. Ich mache noch viele Bilder vom Abendrot und ruhe mich für die morgige Mammut-Etappe aus. Heute waren es 19 km morgen werden es mit Sicherheit noch einige mehr sein.
Blick zurück.
Herðubreið.
Askja und Dyngjuvatn.
Blick gen Westen auf die morgige Strecke.
Svartá.
Zelt trocknen und in die Heimat texten.
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So 27.08.23
Nachts prasselt der vorhergesagte Regen aufs Zelt, soweit nicht ungewöhnlich für Island. Als ich nachts wach bin, vernehme ich ein Gluckern, wie von einem nahen Bach. Merkwürdig, die Jökulsá rauscht doch. Aber ich denke mir nichts weiter und schlafe wieder ein.
Am Morgen dann die schöne Bescherung: die umliegenden Steine haben eine Art Trichter gebildet und ein kleines Rinnsal direkt durch unser Zelt fließen lassen. Das Bimsgestein wurde aufgeschwemmt und mein Stativ bspw. versank zur Hälfte, mußte erst ausgebuddelt und abgewaschen werden. Bei den Objektiven stellt sich heraus, daß bei den wasserdichten Packsäcken eine elementare Eigenschaft nicht mehr zutrifft. Auch hier drang Feuchtigkeit ein und suchte sich ihren Weg zur Frontlinse. Oh, weh! Schnell notdürftig trocknen und so herum einpacken, daß die Feuchtigkeit nicht weiter hineinkriechen kann.
Hier sieht man das Malheur in vollem Format. Die Zelthutze wurde bereits ausgeclipst.
Der Tag startet diesig und verhangen
Doch das Wetter lockert sich auf, während wir durch diese Mondlandschaft ziehen
Lavabomben versprenkelt in der Asche wie Rosinen im Muffinteig
Manche davon laden zum Pausieren ein
Dreki ist in der Ferne zu sehen, etwa 10 km weit weg
Selbst die Wolken haben sich hübsch gemacht
Nördlich der Vaðalda
Unendlichen Weiten
Die roten Fähnchen für die Fire-and-Ice-Läufer
Seismometer mit Solar und Funk
Unter dem grün/gelben Eimer rechts müßte sich die Sensorik befinden
Das Dyngjuvatn vor der Askja
Wir nähern uns dem Etappenziel, der Oase Svartá mitten im Dyngjusandur
Die Erleichterung steht Icefeather in die Pixel geschrieben
Trinkwasser, Hvanne und Sand so viel man sich nur vorstellen kann
Hier sieht man rechts, daß eine Eissschicht unter dem Sand die Quelle speisen müßte
Es folgen ein paar Zeltfotos aus verschiedenen Perspektiven
Die Herðubreið erhebt sich im Teleobjektiv über die Valðalda und den Sandur
Der Dyngjusandur ist kein Ort für Menschen mit Platzangst
Doch zum Glück haben wir ja unsere kleine Sturmkuppel dabei
Edit:
Abends lege ich die Objektive und ihre Deckel nochmal in die Sonne um sie trocknen zu lassen. Nach einer Weile scheint alles wieder in Ordnung und ich blase und wische die Staubreste ab. Der anfängliche Schrecken weicht, die Linsen sind wieder einsatzfähig und funktionieren unverändert. Glück gehabt!Zuletzt geändert von Moltebaer; 04.06.2024, 20:53.
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Montag 28.08.2023:
Heute stehen wir zeitig auf, um vor der langen Etappe nicht viel Zeit zu verlieren. Nach dem Frühstück packen wir zusammen und füllen unsere Wassersäcke auf. Jeder trägt nun insgesamt sechs Liter. Das reicht für die kommenden beiden Tage. Sollten Komplikationen auftreten notfalls für drei Tage. Ausprobieren wollen wir das aber nicht und so trinken wir beide nochmals viel vom frischen Wasser der Svartá bevor wir uns auf den Weg machen. Schon ein besonderes Gefühl, zu wissen, dass es auf den nächsten 60 km keine Wasserquelle geben wird. Auf den schlammigen Schmelzwasserfluss des Vatnajökull wollen wir uns keinesfalls verlassen. Noch ist nicht mal sicher, ob er aktuell Wasser führt.
Zunächst geht es auf direktem Weg nach Südwesten über die flache Ebene aus schwarzem Lavasand zum erkalteten Lavafeld Holuhraun welches wir mal auf der Piste, mal querfeldein bis zum Abzweig der Piste Richtung Gæsavötn von der F910 durchqueren. Unterwegs überholt uns knatternd eine Gruppe Motocrossfahrer. Manche scheinen auf dem holprigen Sand eine Menge Spaß zu haben, andere werden ganz schön durchgebeutelt und scheinen sich zu plagen. Irgendwann sammelt sich die Gruppe in der Ferne und wartet. Wir schließen zu Ihnen auf. Jemand ist gestürzt. Ein Pickup holt den gestürzten Fahrer und sein Motorrad und bringt ihn zurück in die Zivilisation. Die Gruppe fährt weiter und auch wir ziehen nach einer kurzen Pause wieder los.
Bizarre Formen aus Lavagestein erheben sich aus dem Sand. Der Himmel ist wolkenbedeckt und gibt dem Ganzen eine mystische Stimmung. Wir treffen bei Dyngjusandur auf den Schmelzwasserabfluss des Vatnajökull und folgen diesem stromaufwärts. Das trübe Schmelzwasser fließt breit gefächert über viele flache Kanäle in die Ebene hinein. Inzwischen ist der Wind deutlich stärker geworden und es hat abgekühlt.
Je weiter wir uns gegen Nachmittag dem Gletscher nähern, desto breiter und tiefer werden die Kanäle des Schmelzwassers. Vermutlich ist die Abflussmenge des Schmelzwassers auch von der Tageszeit abhängig. Wir versuchen so gut es geht zwischen den Bächen voran zu kommen, stehen zu guter Letzt jedoch vor einer einige hundert Meter breiten Stelle, deren Bäche knietief und dutzende Meter breit sind.
Jetzt heißt es Stiefel aus und rein in die Badelatschen. Hosen hochkrempeln! Das Unangenehme an diesen Furten ist, dass man, im vom Sediment trüben Wasser, die Tiefe nicht abschätzen kann. Wir tasten uns vorsichtig durch die einzelnen Ströme. Dazwischen sind immer wieder einige Meter auf dem Trockenen zurückzulegen. Mehrmals geht es hinein ins kalte Nass. Gemessen an anderen Furten durch einen einzelnen Fluss, ist diese Furt extrem lang. Dementsprechend kalt und taub werden die Beine vom eisigen Schmelzwasser. Nachdem die Stelle überwunden ist und die Stiefel wieder geschnürt sind, geht es weiter an der Piste entlang in Richtung des heutigen Tagesziels. Beim Weiterlaufen wird uns wieder warm. Doch je später es wird, desto kälter wird der Wind und die Wolken ziehen sich weiter zu. Vereinzelte Regentropfen sind bereits zu spüren. Nach 23 gelaufenen Kilometern drehen wir das Tempo nochmals auf, um den Rest der Etappe nicht im Regen marschieren zu müssen.
An der Stelle an der sich die Piste Richtung Urðarháls den steilen Hang emporschwingt und die Hügel aus der Ebene ragen, stellen wir für die kommende Nacht das Zelt auf. Alle Handgriffe sitzen, wir verstehen uns wortlos im böigen Wind. Hätten wir die Zeit des Aufbaus gestoppt, wäre es wahrscheinlich die Bestzeit der Tour gewesen. Noch während wir unsere Ausrüstung im Zelt verstauen, setzt der Regen ein. Bevor wir anfangen im kalten Wind zu frieren und nass zu werden, kriechen wir ins Zelt und ziehen die Reißverschlüsse zu. Sogleich stellt sich Gemütlichkeit ein.
Wir kochen Abendessen und sind froh bereits über die Hälfte der „Wüstenetappen“ geschafft zu haben. Nach den 31 Kilometern heute sind wir reichlich erschöpft und schlafen bei Wind und Regen im trockenen Zelt ein. Wohlwissend, dass wir heute in keinem Canyon liegen.
Zum vorerst letzten Mal frisches, klares Wasser.
Trölladyngja in der Ferne.
Moltebaer zwischen Askja und Herðubreið.
Eis unter dem Sand.
Die Furt(en).
Endspurt.
Eisberge unter Lavasand.
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Wow, tolle Bilder von einer tollen Tour! Wobei ich staune, wie viele Forstwege, äh Pisten ihr nutzt. Und dass du, Moltebaer, als alter Islandhase das Zelt kameragefährdend platzierst! Naja, Erfahrungen macht man immer kurz nachdem man sie gebraucht hätte...
Ich freue mich jedenfalls auf die Fortsetzung!
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Wir waren etwa 1/3 der Strecke dort unterwegs, wo vor uns schon mal jemand mit dem Auto entlanggefahren ist. Meistens fiel halt die logisch beste Linie mit einer vorhandenen Straße/Spur zusammen. Da könnte man dann 20 cm neben der Spur laufen und sich heroisch auf die Brust klopfen oder es sein lassen und eben der Straße folgen. Ab wie viel Metern Abstand zur Spur zählt es eigentlich als "weglos"? Und was, wenn man mangels Vegetation die Spur auch 500 m nebendran deutlich erahnen kann? Ich überlasse die Definition jemand anderem und habe meinen Spaß da draußen
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