[No] [SE] Von Storlien nach Hemavan.

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    • 09.02.2019
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    [No] [SE] Von Storlien nach Hemavan.

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Ich werde hier mal meine Tourerfahrungen vom Sommer hinein schreiben.
    Leider nur Schrittweise und ohne Bilder. Habe noch nicht alles aufgeschrieben und Bilder habe ich nicht (mehr). Sorry dafür. Versuche das aber so zu erstellen dass man das zumindest anhand der Namen googeln kann und sich so vorstellen kann wie es war.


    Tag 1; 26. Juni:
    Es ist Sonntag, später Vormittag. Ich bin nach irgendwas zwischen 24 und 28 Stunden Zug - und Busfahrt endlich in Storlien angekommen. Erkenne den Ort kaum wieder. Überall ganze Ferienhausviertel aus dem Boden gestampft. Leerstehendes, schwedisches Immobiliengold. Vor vier Jahren war ich schon einmal hier. Damals war es ein total verschlafenes Nest am Ende der Welt mit Bahnhof. Ich startete hier in meine erste größere Hinking Tour in Richtung Süden, bis hinunter nach Sälen. Den „südlichen Kungsleden“, wie (fast) nur die deutschen ihn kennen. Letztes Jahr bin ich den nördlichen Kungsleden von Abisko nach Hemavan gegangen. Beides sehr eindrucksvolle und sehr schöne Erfahrungen, die mich haben wieder kommen lassen. Denn es tat sich zwischen Storlien und Hemavan eine Lücke auf und jetzt stehe ich hier, um diese zu schließen.

    Es geht dieses Jahr also nordwärts bis nach Hemavan. Ich freue mich auf die Tour, auf die tolle Landschaft und auf die netten Menschen, die ich unterwegs begegnen werde.

    Ziel heute ist die DNT-Angeltjonnhytta in Norwegen, etwa 25km entfernt. Das Wetter scheint mir wohlgesonnen zu sein. Es ist warm und sonnig. Ich habe alles dabei, der Rucksack ist - wie immer - viel zu schwer. Ich nehme die Bahngleise in Richtung Westen anstelle der Straße, denn ein Teil der Gleise ist nicht da, da die Strecke gerade renoviert wird. So spare ich mir den Straßenlärm. In Teveldalen geht es rauf und das Skillerfjellet. Puh, scheiße was für ein Anstieg. Ich schwitze bei dem Wetter wie ein Schwein. Nix gutes mehr gewohnt. Endlich oben kann ich aber das wunderschöne Fjell genießen. Ein Mix aus Weite, Schneefelder und Seen. Ein schöner Traum, ein anstrengender Traum. Das Wetter hat sich inzwischen zugezogen. In der Ferne sehe ich erste Schauer. Aber immernoch schwülwarm.
    Östlich vom „Huva“ mache ich an einem gelben schwedisch norwegischen Grenzsteinhaufen kurz Rast. Die paar Meter gingen ganz schön in die Knochen. Was zum Teufel hab ich mir da wieder eingebrockt! Während ich darüber sinniere und eine kühle Briese genieße schlafe ich ein.
    Bis mich gefühlt Stunden später ein paar Regentropfen wieder aufwecken. Also weiter geht es. Doch aus den paar Regentropfen wird später ein richtiges Gewitter. Super, alle vier Jahreszeiten an einem Tag! Hält zum Glück nicht an, später wird es wieder trockener. Es reicht aber um festzustellen, dass meine Lowas immeroch so wasserdicht wie ein Sieb sind. Scheiß Schuhe!
    Bis zur Angeltjonnhytta schaffe ich es heute nicht. An einer schönen Stelle am Berg mit traumhaftem Blick auf den Hallsjoen und neben einem badewannengroßen See aus Eiswasser in einem Bach schlage ich mein Zelt auf, genieße fast das kühlende Bad und mache für heute Feierabend.


    Tag 2:

    5km vor Angeltjonhytta – Schutzhütte nach Ferslia

    Guten Morgen liebe Sonne! Wolken sind weg, Sonne da, heute wird ein warmer Tag. Ich breche am Morgen auf. Kaum verlasse ich den Berg, wird der Boden wie ein Schwamm und ich sinke mit jedem Schritt in das nasse Gras etwa 3-4cm ein. Komme aber dennoch gut voran.
    An der zur Angeltjonhytta treffe ich auf Christina aus Göteborg. Sie packt gerade ihr Zelt zusammen, dass sie direkt am See aufgestellt hat. Sie möchte einmal quer durch in nördlich Richtung gehen, bis hinauf zum Tripelpunkt Schweden-Norwegen-Finnland. Wow, denke ich nur. So etwas würde ich mit nie zutrauen. Schon gar nicht in ihrem Alter mit Anfang fünfzig. Da ziehe ich meinen Hut vor. Wir schnacken eine weile nett miteinander und ich verabschiede mich von ihr, wohlwissend, dass ich sie bestimmt in den nächsten Tagen ein paar Mal treffen werde.
    Am Aufstieg zwischen dem Halsfjellet und dem Steinkleivfjellet rutsche ich auf einem matschigen Wiesenhang weg und nehme die katholische Grundstellung ein. Die Gebetsstellung auf den Knien meine ich. Puh, denke ich, weich gefallen. Stehe auf und sehe, dass in dem Matsch ein Stein mein rechtes Knie neben der Kniescheibe sauber auf drei cm aufgeschlitzt hat. Kurze Hose sei Dank. Scheiße, denke ich, die Tour ist vorbei. Bewege vorsichtig mein Knie – Alles gut, fast keine Schmerzen und läuft sauber. Intakt. Große Erleichterung, kein Helikopter notwendig. Aber was mache ich mit dem Schlitz?? Ich kann in mein Knie schauen und ich habe nicht die geringste Ahnung was das angeht. Hoffe, dass irgendwo Christina in der Nähe ist, oder irgendjemand anders, den ich fragen kann. Aber – nein. Weit und breit niemand. Gehe ich zurück zur Hütte, oder weiter? Entschließe mich trotz allem weiter zu gehen. Durch den Matsch. Knie funktioniert ja. Dreckige Wunde lasse ich offen und bluten. Sehe aus wie ein blutiges Schwein, ist mir aber egal. Sauberes Wasser war gerade nicht da und mein Medikit ist dafür ungeeignet.
    Etwa eine halbe Stunde später treffe ich erneut auf ein Schneefeld. Suche dort den Ablauf und finde einen eiskalten Bach mit sauberem Wasser. Endlich. Nehme in der Affenhitze ein Bad und spüle meine Wunde aus, bis ich darin kein Dreckkörnchen mehr sehen kann. Lasse sie aber trotzdem offen bluten, damit es sich weiter ausblutet. Blutet nicht viel, aber ich hoffe so den Dreck aus den Tiefen heraus zu bekommen. Ich musste unweigerlich an Lester Nygaard aus Fargo denken, wie sich seine Hand mit der Kugel drin entzündete. Das wollte ich unbedingt vermeiden, bin ja noch Wochen unterwegs. Aber allein an den Gedanken an Fargo musste ich wieder unweigerlich lachen.
    Der Weg behält im Verlauf seinen matschigen Charakter und ist stellenweise nur schwer zu erkennen, weil sich in dem Modder nur schwer Trampelpfade erkennen lassen oder schnell wieder zuwachsen. Die einzige Orientierung sind die Winterkreuze, die ich aber immer wieder verliere und so gerade das letzte Stück vor der Hütte Ferslia querfeldein durch den Wald gehen muss. Mit der Wunde will ich nicht an einem Ast oder Strauch hängen bleiben. Schließlich erreiche ich dort die Hütte Ferslia und mache eine ausgedehnte Pause. Treffe dort auf einen verrückten, der einmal Cross Norway bis zu Kap geht, aber wirklich helfen kann er mir nicht. Zudem stelle ich fest, dass ich mir im letzten Waldstück meine Schuhe für das Camp und zum Furten vom Rucksack abgerissen haben muss als ich mich durch den Wald gewühlt habe. Großes Problem für den weiteren Verlauf der Tour, dass es zu lösen galt, aber derzeit nicht das größte. Und das nach gerade mal zwei Tagen auf Tour….
    Nach der Pause ging es weiter durch schöne und matschige Landschaften bis ich nach etwa 6km mein Tagesziel die Schutzhütte nach Ferslia erreicht habe und daneben an einem kleinen See mein Zelt aufgestellt habe. Das Ende des Tages wurde auch Zeit, denn bei der Hitze und Südwind hatte ich den ganzen Tag über ca. 20 Fliegen vor der Nase, wie sich zunehmend für meine Wunde interessierten. Das konnte so nicht bleiben. Gegen Abend nach einem ausgedehnten Bad im Fluss noch einmal mit dem mittags abgefüllten Eiswasser meine Wunde ausgespült, mit Mini-Alkoholpads aus meinem Medikit abgetupft und dem einzigen Pflaster aus dem Kit, dass groß genug war, verschlossen. Und im Anschluss über das Pflaster Fixierband noch gewickelt. Das schränkt die Bewegungsfreiheit etwas ein, hält aber alles dort, wo es ist. Das war eine Lösung, aber keine Lösung für drei Wochen.
    Feierabend.

    Zuletzt geändert von Petrolhead; 16.08.2022, 21:58.

  • Fjellfex
    Fuchs
    • 02.09.2016
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    #2
    Echt schade, dass es keine Bilder gibt. Bin trotzdem sehr gespannt auf den Bericht - insbesondere, wie du die "weglosen" Abschnitte zwischen Storlien und Hemavan bewältigt hast.

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    • Ljungdalen

      Alter Hase
      • 28.08.2017
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      #3
      Ja, cool, da bin ich auch gespannt. Irgendwie werden Teile dieses Abschnitts oft irgendwie wundersam übersprungen (E1, Norge på langs, i.d.R. weiter östlich Gröna Bandet...) - ich erwähnte es erst kürzlich...

      Zitat von Petrolhead Beitrag anzeigen
      ...Angeltjonhytta...
      Bevor jemand herumsucht, wie ich eine Weile: Angeltjønn...

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      • Petrolhead
        Gerne im Forum
        • 09.02.2019
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        #4
        Ja, ich hatte auf dem Weg viele tolle Bilder und Videos gemacht, konnte sie aber nicht retten.
        Zwei Bilder vom ersten Tag konnte ich mir wieder zurück schicken lassen.

        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG-20220807-WA0002.jpg Ansichten: 0 Größe: 101,5 KB ID: 3148000
        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG-20220807-WA0003.jpg Ansichten: 0 Größe: 261,4 KB ID: 3148001
        Zur Tourvorbereitung hatte ich mir die Videos vom Fernwanderer angesehen. Der hat 2018 zumindest zwischen Ferslia und Skjeldbrua fast den gleichen Weg genommen wie ich. Hier mal ein Link zu seinem sehr guten Tourbericht für einen Teil:
        https://www.youtube.com/watch?v=rT-L...9AdZoJ&index=2

        Was meinen Weg angeht, so bin ich im wesentlichen dem E1 in Richtung Norden gefolgt. Und ab etwa der Hälfte des Weges wieder nach Schweden zurück gekehrt und den Lapplandsleden genommen.

        Und Sorry wegen den falsch geschriebenen Ortsnamen. Gibt es eine Code-Tabelle (alt+...) für die Sonderzeichen?

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        • Petrolhead
          Gerne im Forum
          • 09.02.2019
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          #5
          Weiter mit Tag 3 und 4:

          Tag 3:
          Schutzhütte 6km nach Ferslia – DNT-Hütte Bellingstua.
          Neuer Tag. Wieder Sonne, wieder heiß, wieder Fliegen und Mücken, wieder Matsch. Abgesehen davon eine schöne und ereignislose Etappe. Die scheinbar endlose und weich gezeichnete Weite des Merraskardfjelled mit einem Mix aus Seen, Steinen und kleinen Birken ist schon toll. Trotzdem freue ich mich auf die Straße am Innsvatnet bis hin zur Bellingstua. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Dazu scheint es sich langsam zuzuziehen und gegen Nachmittag kommen die ersten Tropfen. Die, gerade als ich die Bellingstua erreicht hatte, in einen länger anhaltenden Wolkenbruch ausarten. Glück gehabt, Tagesziel erreicht. Ich gehe in die Hütte kurz Hallo sagen und treffe dort auf ein junges norwegisches Pärchen. Da sonst niemand da war, boten sie mir an im anderen Zimmer oder Nachbargebäude zu übernachten. Trotz, dass ich kein DNT-Schlüssel hatte. Nach einem Blick aus dem Fenster dankend für das Zimmer im Nebengebäude entschieden, schmeiße dort meine Tasche auf den Boden und sehe vor dem Doppelbett diese alten, halb kaputten Sandalen liegen. Muss wohl ein alter Herr vergessen haben. Für mich sind sie ein Geschenk des Himmels und ab sofort mein. Schuhproblem gelöst.
          Den Rest des Abends verbringe ich mit dem norwegischen Pärchen, snacken nett über deutsche und norwegische Sitten. Was man so macht, wenn man auf Leute in fremden Ländern trifft. Bei meinem Schnitt im Knie konnten sie nicht helfen und der Medizinschrank war auch nutzlos. Schade. Aber die Wunde hatte sich den ganzen Tag ruhig verhalten und bot noch kein Grund zur Sorge.

          Tag 4:
          DNT-Hütte Bellingstua über DNT-Veresstua nach Gudmundliklumpen
          Gut ausgeruht verabschiede ich mich von dem norwegischen Pärchen. Der Regen hat nahezu aufgehört und es hat sich etwas abgekühlt. Ich freue mich darauf heute mal nicht von der Sonne abgebrannt zu werden. Es geht über leicht hügelige und endlose Gras- und Sumpflandschaften. Die Wegmarkierung mit Winterkreuzen ist schon mal da, aber eher dürftig. Einen Trampelpfad gibt es nicht. Durch den ergiebigen Regen in der Nacht versinke ich mit jedem Schritt noch ein Stück tiefer im Matsch als sonst. Die Hoffnung auf trockene Schuhe ist schon lange weg. Zum Glück gibt es Goretex-Socken.
          Gegen Mittag erreiche ich am traumhaft schönen Veresvatnet die Veresstua. Die Hütte sehr schön und fast neu, aber verschlossen, niemand da (DNT-Schlüssel notwendig). Trotzdem mache ich eine ordentliche Pause. Werde etwas beunruhigt wegen meinem Knie. Das Pflaster ist bei der Hitze schon zwei Tage drauf und sollte gefühlt getauscht werden. Aber wie gesagt, keine Ahnung. Schalte mein Handy um meine Schwester zu fragen. Die ist Krankenschwester (Warum komme ich da erst jetzt darauf?!) Und siehe da - 4G. Mitten am Arsch der Welt! Wer hätte das gedacht. Sie gibt mir eine gute Einweisung in Wundversorgung, die leider einen kleinen Haken hat. Nichts von dem was ich dafür brauchte konnte mein Medipack bieten. Und nu? Die nächste Apotheke war irgendwo weit weg. Mist! Am Ortseingang, wenn man das so nennen kann, hörte ich jemanden Holz machen. Ein landwirtschaftlicher Betrieb, denke ich. Die werden bestimmt ein Erste-Hilfe-Set und Verbandszeug für solche Fäll haben. Also mache ich mich auf zum Lärm des Holzspalters – und treffe dort auf einen etwa siebzig Jahre alten Herrn, der scheinbar nie den „Ort“ verlassen hat. Oh Gott, denke ich. Wenn der mal englisch spricht. Bei uns in den dunklen tiefen Ostwestfalens hätte man jeden Fremden mit der Forke verjagt. Ich spreche ihn trotzdem an und erkläre ihm meine Situation. Aber wieder erwarten war er sehr freundlich und sein Englisch besser als meins. Dann holt er sein neues Klapp-Smartphone aus der Tasche, das via Bluetooth mit seinen Ohrschützern verbunden war und ruft in das hundert Meter entfernte Haus an. …... Wenn ich da an meine etwa gleich alten Eltern denke und wie die sich mit Technik umbringen…. Naja, ich gehe zum Haus und dort erwarten mich seine Frau und Tochter (oder Enkelin?) mit der Hausapotheke. Ich bediene mich an Desinfektionsmitteln, Wattepads und Pflaster und bin überglücklich. Als Gegenleistung wollten sie nix, weder Geld noch arbeit. Das schönste Geschenk, dass ich seit Ewigkeiten erhalten habe. Wir reden noch eine Weile und ich genieße den fantastischen Ausblick auf dem See und mache mich im Anschluss wieder auf dem Weg. Für mich leben die Leute meinen Traum.
          Ich genieße die kurze Strecke über den Schotterweg entlang des Sees bevor ich den Abzweig ins Bläfjella/Skjaekerfjella in Richtung Sjaekerdalshytta nehme. Denn ich weiß, lange wird es Weg nicht mehr geben. Zum einen, weil er in ein paar Kilometern nur noch auf der Karte existiert, zum anderen, weil ich ihn verlassen möchte. Mein Plan ist es die weglose Abkürzung querfeldein über das Skjaekerfjell bis nach Gaundalen zu gehen. Und so verlasse ich den Weg und schlage kurz darauf an einem See im Irrgarten westlich des Gudmundliklumpens mein Zelt auf. Ich versorge meine zu heilen beginnende Wunde am Knie mit Desinfektionsmittel und einem frischen Pflaster und mache für heute Schluss.

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          • Ljungdalen

            Alter Hase
            • 28.08.2017
            • 3338
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            • Meine Reisen

            #6
            OT:
            Zitat von Petrolhead Beitrag anzeigen
            Und Sorry wegen den falsch geschriebenen Ortsnamen. Gibt es eine Code-Tabelle (alt+...) für die Sonderzeichen?
            Wikipedia?

            Aber ich würde das anders machen: alle benötigten Buchstaben (groß/klein, so viele sind es ja nicht) irgendwo in ein Dokument schreiben, und dann jeweils von da kopieren.

            Davon abgesehen: auf dem Mac hier drücke ich einfach etwas länger auf bspw. das O, und dann erscheint eine Auswahl diverser Formen inkl. Ø (zum Anklicken oder Auswahl mit Zifferntaste... bei skandinavischen Buchstaben oft die 7, kann man meist "blind" drücken ). Nur an das Ŋ komme ich so nicht (bspw. in samisch jiegŋa = Gletscher).




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            • Petrolhead
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              • 09.02.2019
              • 69
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              • Meine Reisen

              #7
              Ich habe beschlossen hier nicht alles zu texten. Ich schreibe momentan das so für mich auf, und es ist verdammt viel zu viel Text. Das würde hier eh keiner lesen, ich selbst wahrscheinlich auch nicht.
              Nur ganz kurz zusammen gefasst. Für mich war das eine Wahnsinns-Tour.
              Die Wunde, die ich mir zugefügt hatte ist für den Rest der Tour zum Glück ruhig geblieben und hat sich nicht entzündet. War zum Ende hin sogar fast verheilt.
              Aber ich hatte am 7.Tag zwischen Langvatnet und Gressamoen nach dem Aufstieg ins Fjell mein Handy verloren. Trotz Eingrenzung des Raumes auf 300m habe ich einen kompletten Tag danacht gesucht, aber nicht gefunden. Also keine Fotos (deshalb keine Bilder), kein GPS und keine Uhr mehr. Einen Weg gab es sowiso nicht. Ich bin also bis zum Laksjoen tagelang oldschool nur mit Karte/Kompass gelaufen. Wetter hat auch umgeschlagen und bis zum Ende bedeckt und immer wieder Regen. Das war das sicherlich absolut knüppelnste, was ich je gemacht habe und machen werde, aber war auch grenzenloseste Freiheit und hat mir unvergessliche Augenblicke, Landschaften, Erfolge und Niederlagen beschert.
              Erst ab dem Laksjoen hatte ich wieder so etwas wie ein Weg unter den Füßen und erst ab Gaddede nach sechs Tagen ohne endlich wieder eine Uhr.
              Der weitere Weg war eigentlich unbspektakulär, aber schön. Ich bin den Lapplandsleden gefolgt. Kann ich nur empfehlen. Natürlich längst nicht so spektakulär wie Norwegen oder der Kungsleden, aber trotzdem gut. Und vor allem: leer. Ich habe auf dem ganzen Lapplanndsleden nicht einmal eine Hand voll Leute getroffen.

              Auf jeden Fall hat es gezeigt wie verbesserungswürdig meine Ausrüstung ist. Künftig kommt immer ein Not-GPS mit. Wenn mir dort etwas passiert wäre....

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              • zilka

                Erfahren
                • 29.06.2017
                • 420
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                #8
                Toller Bericht, auch ohne Fotos! Hätte auch noch mehr gelesen :-), hat Spaß gemacht.
                zilka

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                • Petrolhead
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                  • 09.02.2019
                  • 69
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                  • Meine Reisen

                  #9
                  ich habe mir nach langer Zeit mein geschriebenes wieder durchgelesen. Da kam einiges wieder hoch. Eigentlich wäre es schade den Kram nicht online zu stellen, weshalb ich meine oben getroffene Entscheidung revidiere.
                  Also, weiter geht es mit viel Text und ohne Bilder. Bis Tag vier sehtt ihr oben stehen, also mache ich mit Tag fünf weiter:

                  Tag 5:
                  Gudmundliklumpen nach Grønlivatnet

                  Ziel für heute ist der Grønlivatnet kurz vor Gaundalen. Einen Weg gibt es nicht, also muss ich einen suchen. Hatte vorab anhand von Karten einen gpx-Verlauf erstellt und auf das Handy gespeichert. Mein Plan ist es westlich einer gedachten Linie entlang des Njaakanjohke / Gauna zu gehen und parallel zur Grenze in nordöstliche Richtung zu laufen. Aber ich bin ein kurzes Stück eines unmarkierten Pattweg gefolgt und so finde ich mich auf einem kleineren Bergkamm östlich davon wieder (Hitre Seterfjellet). Und vor mir tut sich der Njaakanjohke auf und weist mir den Weg. Links von mir ist das lang gestreckte und unberührte Tal und dahinter die Berge des Skjækra-Fjells. Es ist traumhaft schön, noch einfach zu gehen aber brüllend heiß und die Fliegen zahlreich. Als ich den Njaakanjohke erreiche, nutze ich Tierpfade, um durch diesen dichten Birkenwald zu kommen. Äußerst mühsam, also entscheide ich mich auf den Berg zu gehen, wo keine Bäume mehr wachsen. Gute Idee, denn ab da ließ es sich wieder gut gehen.
                  Doch auf einmal kreuzt mir der Gauna-Fluss (Stigåa) den Weg. Mist, an das das Ding hatte ich nicht mehr gedacht. War auf einer anderen Karte. Also nutzt nix, rüber. Wasser war knietief und echt fix, hat aber gerade noch funktioniert. Voll Freude über die erste geglückte Flussüberquerung setze ich meinen Weg fort und erreiche am frühen Abend den Grønlivatnet, wo ich einen trockenen und schattigen Zeltplatz finde und noch schwimmen gehe.


                  Tag 6
                  Grønlivatnet zum Verbindungsfluss Grøningen und dem Langvatnet

                  Ein traumhafter Zeltplatz, ein wunderschöner Morgen. Ziel für heute ist der Langvatnet. Ich freue mich darauf, da es bis nach Graundalen einen Weg gibt, zwischen Gaundalen und dem Holden Fjellgard mich die Strommasten leiten werden und von Holden nach Langvattnet es endlich wieder einen markierten Weg gibt. Da die Sonne niemals zu verschwinden scheint, passe ich meinen Kleidungsstil den Bedingungen an und trage nur noch meine Regensachen. Regenhose gegen Fliegen, Mücken und Matsche von unten und Regenjacke mit Kapuze gegen Fliegen, Mücken und die brennende Sonne von oben.
                  Doch kaum breche ich auf, kommt die erste Ernüchterung. Der Ablauf des Grønlivatnet, den ich auf den auf den Bildern als tröpfelndes Bachlein gesehen hatte, entpuppt sich als ordentlicher Fluss. Anscheinend wegen der noch immer stattfindenden Schneeschmelze. Also Schuhe wechseln aus und wieder durch. Machbar. Und weil es noch nicht nass genug war, führt der Weg nach Gaundalen direkt über Sumpflandschaft, in der ich immer wieder meine Schuhe versinken lasse.
                  Dafür begrüßen mich in Gaundalen seine freundliche Hüttenwirtin und zwei lustige Norweger. Ich bekomme einen gratis Kaffee und eine 2l Kanne Wasser (die ich komplett leere), setze mich zu ihnen an den Frühstückstisch und wir quatschen eine Weile zusammen. Leider erfahre ich dabei auch, dass auf dem Weg zum Holden Fjellgard die Strommasten alle abgeholzt wurden. Ersatz, wie einen markierten Weg gibt es auch nicht, bekomme aber eine grobe Erklärung. Zum Weg selbst gibt es nicht viel zu sagen. Über das Fjell, wie immer traumhaft schön und gegen Ende hin im Wald wieder matschig. Der Weg ist einige Male, aber nicht immer erkennbar. Wenn man richtig ist, trifft man zwischendurch auf verstreut liegen gelassene Strommasten und auf eine verlassene Pistenraupe mit einem alten VW-Dieselmotor. Das sind aber auch die einzigen Anzeichen der Zivilisation.
                  Am Holden Fjellgard treffe ich auch eine verlassene Fjellstation. Scheint heute niemand da zu sein. Nach dem sehr herzlichen Empfang heute Morgen in Gaundalen ist das eine Enttäuschung. Zudem hat das Wetter umgeschlagen und es nieselt kurz. Ich mache etwas Pause in der Garage hinter einem alten orangenen Fiat-Trecker und entschließe mich zum Langvatnet weiterzugehen.
                  Endlich ein markierter Weg! Am Anfang ist schlecht zu finden, da die ersten Kilometer umgeleitet und nicht mit der Karte übereinstimmend sind. Aber ich komme zurecht und lasse mich den Rest des Tages bis zum Verbindungsfluss zwischen Grøningen und dem Langvatnet durch den Wald führen. Nach den weglosen letzten Tagen sehr entspannend. Am Fluss schlage ich mein Zelt auf und nehme zusammen mit tausenden an mir interessierten kleinen Mücken ein Bad im Fluss.


                  Tag 7
                  Verbindungsfluss Grøningen und dem Langvatnet bis ?

                  Ziel für heute ist einmal um das Nordende vom Langvatnet, dann über das Plukkutjønnfjellet, östlich am Seisjøfiskløysa vorbei und dann immer in Richtung Norden bis nach Gressamoen. Vorm Wetter her ist es ideal. Schön, aber nicht zu warm.
                  Es beginnt damit, dass ich mich vom Fluss bis zum am Langvatnett durch weglosen Wald durchschlage. Einmal den See erreicht, kann ich auf das Fjell und erreiche den Verbindungsweg nach Gjevsjøen. Ihn werde ich ein paar wenige Stunden folgen. Er erleichtert mir den Aufstieg auf das Vaalta Plukkutjønnfjellet, das sich vor mir wie eine riesige Wand am Horizont auftut. Einmal oben werde ich nach Plan den Weg wieder verlassen und in Richtung Norden aufbrechen. Gesagt getan. Den oberen Bergkamm erreicht (719m üNN) mache ich an einem kleinen See aus Wasser und Eis eine kleine Pause und genieße die 360°Rundumsicht über die unberührte Natur. Am Ende der Pause nehme ich Peilung Nordost an und mache mich wieder auf. Das Areal ist leicht muränenartig. Es geht immer wieder 5m rauf und runter. Wald gibt es nicht, aber zwischen den Steinfeldern Sträucher aus Krüppelbirken. Kurze Zeit später prüfe ich noch einmal meine Richtung und korrigiere leicht nach Norden. Eine Minute später fasse ich an meine Brusttasche in der sich mein Handy und meine Karte befinde und stelle fest, hier stimmt was nicht. Handy weg! Halt! Bis hier hin und kein Meter weiter! Bei meiner Pause vorhin (etwa 300m Luftlinie) hatte ich es noch gehabt. Panisch schmeiße ich meinen Rucksack und Trekkingstöcke auf den Boden auf dem Boden und durchkämme alle Taschen. Nichts. Muss mir beim Richtung kontrollieren unbemerkt aus der Tasche gefallen sein. Ich renne ebenso panisch ohne Gepäck zu meinem Pausenplatz zurück. Auch da nix. Erschreckt stelle ich fest, dass ich blind durch das Fjell gelaufen bin und nicht mehr weiß, wo ich mein Gepäck gelassen hatte. Wie dumm. Ich gehe wieder zurück, kann aber gut meinen Rucksack finden, da ich auf einer kleinen Erhebung alles hingeworfen hatte. „Was nun?“, sprach Zeus. Und in dem Moment sitze ich urplötzlich in den Wolken und es rauscht ein Unwetterschauer runter. Ich denke kurz daran mein Zelt als Schutz aufzubauen, aber es schüttet zu viel. Also nehme ich mein Groundsheet aus dem Rucksack und decke mich damit zu. Bei dem Guss und der Sicht kann man eh nix machen. Da sitze ich also frierend in Wind, Wolken und Regen. Kein Handy mehr, keine Fotos mehr, kein GPS mehr, keine Uhr mehr, keine Lust mehr. Noch 20km bis Gressamoen. Wer holt mich ab?
                  Weiter gehen macht jetzt keinen Sinn mehr. Als der Regen etwas nachlässt, schlage ich 20m weiter an einer halbwegs windgeschützten Stelle an einem Bach mein Zelt auf. Ich trockne mich ab, wärme mich auf und schlafe sogar tatsächlich ein. Ich kann es irgendwie noch nicht begreifen, dass fast der wichtigste Ausrüstungsgegenstand weg sein soll.
                  Als ich wieder aufwache haben sich Nebel und Regen wieder verzogen. Zeit auf die Suche zu gehen. Ich verbringe den Rest des Tages damit in den 300m Luftlinie meinen Weg zu eruieren und mit Stöcken und Steinen zu Kennzeichnen. Keine leichte Aufgabe. Wer kann sich noch genau daran erinnern, wo er kürzlich langgegangen ist, wenn alles gleich aussieht. Meinen Stopppunkt kennzeichne ich mit meinen Trekkingstöcken, die noch weit sichtbar sind. Ich stelle mir immer wieder den Moment vor, wie ich das Handy im Gras oder Gebüsch liegen sehe, wie glücklich ich dann sein werde, dass alles wieder gut ist. Aber nein, es bleibt weg. Es wird Dämmrich, ich bin hungrig und müde. Es muss irgendwas um die 23Uhr sein, also beschließe ich morgen früh weiter zu suchen.


                  Tag 8
                  ? bis Styggdalen(Gaasejaevrie)

                  Wider Erwarten habe ich die Nacht gut geschlafen. Nicht von dem Handy geträumt, war aber der erste Gedanke des Tages. Wie lange ich geschlafen habe und wie spät es ist – keine Ahnung. Ist ja keine Uhr da. Die Sonne steht im Osten, also wird es etwa neun Uhr sein.
                  Nach dem Frühstück mache ich mich erneut auf die Suche. Das Wetter spielt zum Glück mit. Ideales Wanderwetter. Bewölkt, aber trocken. Wieder renne ich die 300m Luftlinie auf und ab. Durchkämme auf der gesamten Strecke jedes Gebüsch auf und ab. Prüfe, ob ich mich irgendwo geirrt habe. Aber abgesehen von Wohlstandsmüll (Essensdosen, Gewehrpatronen) nichts. Es bleibt verschollen. Gegen Mittag wurde der Drang weiter zu ziehen größer als das Handy zu suchen. Weiß auch nicht mehr, wo ich noch suchen kann. Wahrscheinlich nach dem gestrigen Regen eh kaputt. Ist der Punkt, an dem ich überlege, wie die Tour weiter gehen soll. Geht es überhaupt weiter? Macht es Sinn ohne Bilder machen zu können überhaupt weiter zu gehen? Theoretisch ist das möglich. Ich habe Karten und einen ungenauen 2cm² großen Midi-Kompass von Sunnito für den Rest der Tour und die Tickets nach Hause liegen ausgedruckt im Rucksack. Genau für diesen Fall. Da ich sowieso mitten im Nichts bin, entschließe ich mich wie geplant den kompletten Weg dazu weiterzugehen. Trotzdem fühle ich mich auf die Situation überhaupt nicht vorbereitet. Keine Ahnung vom Navigieren mit Karte/Kompass. Ich packe mein Zelt wieder ein, verabschiede mich gedanklich vom Handy und gehe. Ein trauriger und gleichzeitig glücklicher Moment. Traurig, weil ich hier für immer etwas zurücklassen werde, und glücklich weil ich jetzt endlich weiter kann.
                  Die Navigation erweist sich als schwierig, aber möglich. Das Gelände an sich aus See, Sumpf und Fjell ist zunächst gut begehbar und ich komme gut voran, aber westlich des Nordre Gauptjønnaksla gerate ich zu weit westlich in die Seenlandschaft. Auf der Karte nicht tragisch, aber Vorort gleicht das einem schier undurchdringlichem Labyrinth aus Seen und 10m hohen Klippen, die nicht auf der Karte eingezeichnet sind. Positionsbestimmung unmöglich, Richtung halten schwierig. Als ich zunehmend nur noch mit Dauerscheibenwischer die Mücken vor meinem Gesicht vertreiben kann und die Sonne sich im Westen befindet, komme ich an einem sehr schmalen und lang gezogenen See, der mit einem kurzen Fluss an einem großen See verbunden ist, an. Es ist das Ostende vom Styggdalen. Endlich habe ich wieder eine Position. Ich überquere den Fluss und schlage kurze Zeit später an einer Angelstelle mein Zelt auf. Ich nutze den restlichen Abend, um meine Erlebnisse der vergangenen Tage mir in meine Tourplanung zu schreiben. So weiß ich zumindest auch welcher Tag heute ist.


                  Tag 9
                  Styggdalen(Gaasejaevrie) – Gressåmoen Fjellgård - Almdalshytta

                  Trotz allem wieder gut geschlafen. Die unzähligen Mücken vom Vorabend scheinen vorerst weg zu sein und das Wetter ist in bester Wanderlaune – Wenn auch an der Schwelle zum Regnen. Ich packe mein Zelt ein und freue mich endlich aus diesem verschissenen Labyrinth zu verschwinden. Immer in Richtung Norden nach Gressåmoen. Kann es kaum erwarten an der Hütte anzukommen.
                  Aber erst einmal geht der Weg weiter so wie am Vortag. Seen und Klippen. Was für ein Dreck. Aber irgendwann werden die Abstände der Hindernisse größer und vor mir öffnet sich das weite, offene Fjell. Ich bin auf er Hochebene und habe einen traumhaften Ausblick auf den Norden und auf den Westen. Im Westen irgendwo da hinten Wald und ein großer See, im Norden am Horizont ein riesiges Fjellgebiet mit einem breitem Waldstreifen, den ich noch sicher überqueren muss. Dumm nur, dass ich die ungefähre Richtung weiß, in die ich gehen muss, aber mir nicht mehr wirklich im Klaren bin, wo genau ich mich gerade befinde. Nur so ungefähr. Das Labyrinth am frühen Morgen hat ganze Arbeit geleistet. In der Ferne in Richtung Nordnordwest, sicher 2-3h Fußmarsch entfernt, sehe ich ein Bauernhaus. Ich beschließe die Peilung anzunehmen, um die zu fragen, wo zum Teufel sie wohnen.
                  Ich komme zuerst gut voran und genieße einfach nur den traumhaften Ausblick, aber je weiter ich gehe, desto mehr wird mir klar, dass der Waldstreifen ein riesiges Waldgebiet ist und ich im Wald sicher die Peilung auf das Bauernhaus verlieren werde. Und so kam es auch. Irgendwann war das Haus weg und der Wald dicht. Ich nutze wenig bewaldete Sumpfflächen, um überhaupt voranzukommen. Irgendwann waren aber auch die weg und ich kämpfe mich durch den dichten Wald. Zumindest bis ich auf einen Fluss treffe. Hm, ob das der Fluss ist, an dem Gressåmoen liegt?, frage ich mich. Das im Fjell gesichtete Bauernhaus hatte ich drangegeben. Ich entschließe mich dem Fluss abwärts zu folgen. Mal am Ufer, mal mittendrin. Einmal musste ich in einem Wasserfall runter klettern. Nicht hoch, aber verdammt, wenn was passiert wäre…. Sowiso allgemein gesprochen; Ein Notfall GPS ist bei solchen „Wegen“ Pflicht. Ich ärgere mich keins mitgenommen zu haben. Einfach nur dumm. Wäre etwas passiert, hätten mich in ferner Zukunft nur noch die Robotermenschen ausbuddeln können. Zu finden ist man dort nicht. Nie. Naja, ich wische den Gedanken beiseite und folge dem Fluss einfach immer weiter. Eine andere Wahl gibt es eh nicht. Irgendwann treffe ich auf Fußspuren. „Foodsteps , yeahyeahyeah, Foodsteps“, fange ich an laut und völlig unmelodisch zu singen. Hören tut das eh keiner. Ich freue einfach nur einen Trampelpfad zu sehen und folge ihm weiter flussabwärts.
                  An dem Fluss lag nicht wie erwartet Gressåmoen, sondern er mündete völlig abrupt in einem noch viel größeren Fluss. Nach einem Blick auf der Karte konnte das nur der Låarte Lulu sein an dem die besagte Hütte liegt. Aber bin ich jetzt westlich oder östlich von der Hütte? Keine Ahnung. Das im Fjell gesichtete Bauerhaus war etwas in westlicher Richtung, und wenn das die besagte Hütte war, dann könnte ich vermutlich jetzt ein Stück weiter östlich sein. Nach dieser These folge ich dem Fluss abwärts in Richtung Westen. Hit or miss. Etwa 2km weiter treffe ich auf eine Brücke und folge durch dem Wald ein paar Meter einem gut ausgebauten Weg. Vor mir öffnet sich eine Lichtung und ich sehe einen großen alten Bauernhof und ein großes Schild mit der Aufschrift „Gressåmoen Fjellgård“. Ich fall aus Erleichterung vor dem Schild auf die Knie und breche in Tränen aus. Was für eine Etappe, was für eine Prüfung, was für ein Martyrium.
                  Zum Gressåmoen Fjellgård muss ich nicht viel sagen. Sehr schönes Haus. Ein guter Ort zum Übernachten. Es zieht ein Schauer auf, also mache ich ausgedehnt Mittagspause und gönne mir eine Kanne Earl Grey. Mein -Tagesziel für heute ist noch etwas weiter weg. Die Almdalshytta, in etwa 15km.
                  Freudig nach dem Motto „Schlimmer wird es nicht werden“ breche ich wieder auf in Richtung Norden- Nordosten. Mein Plan ist es durch das schmale Tal zwischen Vestre Bukvassfjellet und Bukvassfjellet zu gehen, doch aber als ich den Aufstieg von Gressåmoen ins Fjell hinter mir hatte, stand ich am südöstlichen Ende einer Bergkette. Ich war etwas weiter östlich als gehofft. Und was auf der Karte wie zwei weit entfernte Berge aussieht, durch die man locker zwischendurch gehen kann, entpuppt sich in real und in nah als schier unüberwindbar. Also entschließe ich mich den etwas weiteren aber machbaren Weg zu gehen. Östlich am Berg Bukvassfjellet vorbei und zwischen dem See Bukvatnet und dem Litlbukvassfjellet in Richtung Norden zur Almdalshytta. Wie der Weg war? Nun, Wetter wurde schlecht, es war kalt, windig und regnerisch. Ein Gang bei harschem Wetter durch eine rauhe, wilde Schönheit aus Berge, Felsen‚ Eis, Wasser, Gras und Matsch. Ständig begleitet von einem Vogel der die ganze Zeit „Get him“ zu rufen scheint. Schwer zu gehen, da man aufgrund von Felsen und Tümpel keine 10m geradeaus gehen kann. Allmählich am Ende meiner Kräfte steuere ich erneut auf eine Bergkette hinzu. Und vor dem Berg ein reißender Fluss bei dem auf einer Erhebung die Almdalshütta zu sehen ist. Einen Schlüssel habe ich nicht, es ist auch niemand da, also schlage ich neben der Hütte völlig K.O. und durchnässt mein Zelt auf. Was für ein Tag!


                  Tag 10
                  Almdalshytta - Laksjøen

                  Neuer Tag, Wetter immernoch scheiße. Es hat die ganze Zeit durchgeregnet. Keine Ahnung wie spät es ist. Ich verlasse mich auf meine innere Uhr und bin irgendwann einfach aufgestanden. Ziel für heute ist entweder Skjeldbrua oder der Laksjøen. Das wird später entschieden. Wichtiger ist jetzt erst einmal einen Weg in Richtung Norden zu finden. Der Plan war an der Hütte in dem Aallejejohke Flussaufwärts zu gehen und anschließend zwischen den Bergen von Gaskepraantse und dem Østre Brandsfjellet in Richtung Nordosten aufbrechen. Aber was sich in der Vorbereitung als tröpfelndes Rinnsal zeigte, war durch Schneeschmelze und Dauerregen ein reißender Fluss, indem man kein Fuß setzen sollte. Zudem waren durch das Hochwasser die Ufer ebenfalls nicht begehbar. Einzig verbliebende Möglichkeit war einem provisorisch markierten Weg zu folgen, der halbwegs in die richtige Richtung führte. Auf der Karte war nix eingezeichnet. Er führt erst ein Stück entlang des Flusses und im Anschluss immer weiter hinauf auf den Berg. Nach etwa 1-2Stunden stoße ich auf einen reißenden etwa 5m breiten Bach, der vom Fjell kommt und das Regenwasser bergab in Richtung Fluss führt. Im Normalfall ein Rinnsal, aber bei dem Wetter…. Kommt vom Fjell, fällt als Wasserfall, läuft 30m horizontal und fällt weiter die Klippen herunter. Vor Kraft strotzend und wahnsinnig schön - wenn ich da nicht durch müsste. Ich gehe die 30m auf und ab, finde aber keine Stelle, die wirklich gut für eine Überquerung ist. Also entscheide ich mich für die am wenigsten schlimmste. Hit or miss. Alternativen gibt es nicht Es ist tatsächlich genau die Stelle, die der Fernwanderer auf Youtube trockenen Fußes überquert, wie ich später zu Hause herausfinde. Aber bei mir steht das Wasser über die Knie und zerrt gewaltig an meinen Beinen. Ich schaffe so gerade mich mit beiden Trekkingstöcken und den Steinen im Grund als Stützen auf den Füßen zu halten und komme nur gaaanz langsam und wackelig in Tippelschritten vorwärts. Minischritt für Minischritt. Aber es geht! Zwischendurch mache ich hinter einem großen Stein eine kurze Verschnaufpause, aber irgendwann ist es geschafft. Nach den abenteuerlichsten 5m klatschnass am anderen Ufer angekommen, brülle ich einen lauten Jubelschrei in die endlose Weite. Ich trockne mich in dem Regen so gut es geht ab, ziehe meine Sache wieder an und mache mich weiter dem markierten Weg hinauf.
                  Die Freude hält aber nicht lange an, denn bald darauf hat die Wegmarkierung keine Lust mehr oder es sind die Fähnchen ausgegangen und es lässt mich wieder allein mit dem Fjäll und dem Regen. Ich folge meinem Kompass immer in Richtung Nordosten. Aus dem Nichts kreuzen Quadspuren von West nach Ost meinen Weg. Ob das ein nicht verzeichneter Weg zum Laksjøen ist?, frage ich mich. Mehr ist im Osten ja nicht. Ich entschließe mich den Spuren zu folgen. Eine Weile geht das auch gut, aber irgendwann nehmen mir die Spuren eine zu südliche Richtung. Das mag ich nicht. Umkehren? Zu spät. Nur vorübergehend etwas südlich? Wer weiß das schon. Ich bleibe auf dem Pfad, was sich als schwerer Fehler erweist. In die Richtung Nordosten, die Richtung, in die ich muss, tut sich ein Berg auf. Blicke ich in Richtung Süden tut sich genau das Tal auf, von dem ich heute Morgen aus losgegangen bin. Verdammt! Haben die imaginären, klischeehaften amerikanischen Sportkommentatoren in meinem Kopf wieder was zu lästern. Ich bin falsch gegangen. Aber wo bin ich jetzt? Ohne GPS eine verdammt beschissene Frage. Ich beschließe den Berg entgegen dem Uhrzeigersinn zu umrunden, und zwar möglichst weit oben, um mir in Richtung Norden einen Überblick zu verschaffen. Ein wahnsinnig anstrengendes Vorhaben, denn die Berghänge sind wieder muränenartig. Auf und nieder immer wieder…. Es dauert lange, aber es gelingt mir. Scheinbar ewig versperrt mir der Berg den Weg in Richtung Norden. Aber endlich wird es begehbar und ich bin oben auf dem Hochplateau. In greifbarer Nähe über mir die Wolken, um mich herum ein Meer aus Schneefelder, nasser, glitschiger Felsen und unzählige kleiner Seen. Harsch, aber traumhaft schön. Und als ich am Nordhang angekommen bin, entschädigt mich eine traumhafte Sicht über zig Kilometer in Richtung Norden und Nordosten. Wieder bedauere ich es keine Kamera bei mir zu haben, um diesen schönen Moment festhalten zu können. Und dort hinten mein Tagesziel, den Laksjøen. Beim Blick in die Karte sehe ich auch, was ich heute gemacht habe. Ich bin im Uhrzeigersinn halb um den Gaskepraantse und halb entgegen dem Uhrzeigersinn um ein paar Berge im Østre Brandsfjellet (Luvlie Praantse) gelaufen. Schön blöd. Den Rest des Tages hatte ich Peilung auf das Ostufer vom Laksjøen und ich habe bei inzwischen trockenem Wetter den langen Abstieg hinunter genossen. Am Seeufer mein Zelt aufgeschlagen, wasche mich im beisein von hunderten Minimücken und mache anschließend Feierabend. Wieder ein völlig wahnsinniger Tag. Und ich habe erst die Hälfte! Wenn das so weiter geht…..


                  Tag 11
                  Laksjøen – Kvesjøen

                  Ein neuer Tag. Ich freue mich riesig heute endlich einmal den kompletten Tag befestigten Weg unter den Füßen zu haben. Noch so einen Wahnsinn wie die letzten Tage halte ich körperlich und seelisch nicht mehr aus. Zudem geht es heute über Sandvika/Nordli einkaufen. Candyland. Ich habe noch Essen für mehrere Tage, aber etwas Gaumenschmeicheln kann nicht schaden. Die Tatsache, dass ich noch Essen für mehrere Tage habe, war übrigens bei der Odysse der vergangenen Tage sehr beruhigend. Scheiß auf das Kilo, was das gekostet hat.
                  Und so breche ich auf, immer dem Weg folgend, and den überdimensionierten Holzfiguren des Laksjøen vorbei und lasse meine Seele baumeln. Einfach mal stumpf Straße laufen. Tut das guuuut. In Sandvika decke ich mich mit Süßem ein, futtere eine viel zu kleine Ladung Pommes mit etwas wurstähnlichem und frage jedem, den ich begegne nach einer Uhr, Handy oder Kamera. Nope. Wahrscheinlich halten sie mich für einen verwirrten Irren…. Gegen Abend (vermutlich) fängt es wieder an zu Regnen. Habe keine Lust auf Regnen. Also schlage ich direkt neben der Straße am Ostufer des Kvesjøen mein Zelt auf und beende den Tag.
                  Um mitten in der Nacht – äh, zumindest ist es Dämmrich draußen- von einem infernalischen Getöse geweckt zu werden. Scheiße! Rasenmäher! Ich schieße adrenalingepeitscht aus meinem Zelt raus, sehe aber zwischen Zelt und Straße noch ein paar alte Bäume stehen. Puuuuh. Nicht auszudenken…. Wer kann denn ahnen, dass die den Straßenrand mitten in der Nacht mähen. Ich verkrieche mich wieder ins Zelt und schlafe ein.


                  Tag 12
                  Kvesjøen - Gäddede

                  Heute geht es wieder über die Grenze zurück nach Schweden. Dazu ist Gäddede ein richtiger Ort mit Einkaufsmöglichkeiten! Freudig mache ich mich auf dem Weg. Wieder über Straße, aber das ist kein Problem für mich. Es ist ein definierter Weg (verirren unmöglich!) aber trotz oder wegen der Tatsache, dass es eine Grenzstraße ist, wenig befahren. Aber kurz vor der Grenze bricht mir mein Hüftgurt vom Rucksack. Dort wo er am Rucksack befestigt ist, ist der Kunststoff gebrochen. Bei genauerem Hinsehen ein Wunder, dass es überhaupt hast zwanzig Jahre gehalten hat. Hatte es die Tage schon gesehen, dass die Stelle nicht so toll aussieht und deshalb Belastung heraus genommen, in der Hoffnung, dass es reicht -hat es aber nicht. Der Hüftgurt ist Schrott. Ich schraube den Gurt ab und schmeiße ihn am See Kveeidet in die letzte norwegische Mülltonne vor der Grenze. Ab jetzt heißt es Gewicht nur noch schulten. Am Anfang war das echt beschissen, aber für den Rest der Tour, soviel vorab, ging das besser als gedacht. Man gewöhnt sich an alles.
                  Am späten Vormittag erreiche ich Gäddede. Kaufe im Supermarkt Pflaster und Mückenmittel, durchforste jede Ecke nach Uhr, Handy, Kamera und nerve das Personal mit Fragen danach. Ohne Erfolg. Im Anschluss gehe ich in die Touristeninfo schräg gegenüber und frage dort nach. Leider auch mit bescheidenem Erfolg. Immerhin lassen sie mich nicht mit meinen Problemen allein und helfen mir so gut sie können. Sie stellen eine Suchanzeige in ihre örtliche Kleinanzeigen-Facebookgruppe online, ob jemand ein Handy, eine Kamera oder wenigstens eine Uhr zu verkaufen hat. Also bleibt mir im Moment nur abwarten und hoffen. Ich nutze die Zeit, um mich aufzuwärmen, mir das bemühte Naturum anzuschauen, kommende und gehende Leute zu beobachten und gegen Mittag für einen kompletten Stadtrundgang, der nicht einmal eine halbe Stunde dauert. Als sich gegen Nachmittag immernoch niemand gemeldet hat, beschließe ich mich auf dem Campingplatz einzuquartieren (Hütte mit Bett Heizung und Kühlschrank) und so die Resonanz vom Abend abzuwarten. Vielleicht meldet sich einer. Und vielleicht haben die auf dem Platz wenigstens eine Uhr in ihrer „Lost and Found Box“. Wir verabreden uns am morgigen Vormittag gegen neun (…wenn ich bis dahin weiß, wann neun Uhr ist…). Vielleicht hat sich bis dahin jemand gemeldet. Und so ist für mich der Tag vorbei und ich freue mich darauf erneut im Candyland (ICA-Supermarkt) einkaufen zu können, um heute Abend so richtig zu schlemmen.
                  Komme ich aus dem Supermarkt, steht an der Tankstelle gegenüber eine Buchanka mit Helmstedter Kennzeichen. Wow, denke ich nur. Die Person muss echt Eier haben, um damit bis hier rauf zu fahren. Also gehe ich hin, um einfach mal drei Worte zu schnacken. War eine Fahrerin, was ich absolut nicht erwartet hätte. Schätze Anfang dreißig, hat das Ding selbst ausgebaut und tourt damit durch Norwegen/Schweden. Ich fand Fahrerin, wie Auto einfach in jeder Hinsicht Klasse, wäre am liebsten mit eingestiegen, fand es aber unangemessen danach zu fragen. Zudem wollte ich meine Tour nicht hier, sondern in Hemavan beenden. Im Nachhinein: Verdammt, verdammt, verdammt!!! Also bin ich wieder zurück zu Campingplatz, wo ein Bett, eine Dusche, warmes Essen und dreckige Wäsche auf mich warten.
                  Und dort treffe ich auf Christina, die ich am zweiten Tag bei der Angeltjønnhytta getroffen hatte. Mit ihr hätte ich nie gerechnet. Sie ist oft Straße gegangen und hat bei weitem nicht den Mist gemacht, den ich hatte. Ich treffe mich mit ihr und zwei weiteren Hikern beim örtlichen Türken italienische Gyros-Pizza Essen und haben so alle noch einen schönen Abend.


                  Tag 13
                  Gäddede - Väktarmon

                  Am nächsten Morgen treffen wir uns im Frühstücksraum und frühstücken zusammen mit einer deutschen Auswanderfamilie. Ich erzähle denen meine Story der vergangenen Tage und bekomme prompt von der Mutter eine Damenarmbanduhr hingelegt. Ein neues, günstiges Modell. Sie bedeutet ihr nicht viel, und darum kann ich sie haben. Ich bin wieder einmal sprachlos nach all den Stationen, die ich vergebens abgefragt hatte, bekomme ich jetzt einfach so - völlig unspektakulär - eine Uhr hingelegt. Ich bin sprachlos. Wow, eine Uhr! Ich bedanke mich viele viele Male, weiß gar nicht was ich ihr dafür geben kann, und bin einfach nur glücklich.
                  Nach dem Frühstück geht es noch einmal zur Touristeninfo. Ich schaffe es als Lebenszeichen von mir zu Hause jemanden zu anzurufen, gebe den netten Leuten von Info 1kg Süßigkeiten als Danke, bekomme eine Tasse und einen Schal als Souvenir und kann es kaum erwarten endlich wieder weiter gehen zu können. Christina und der Rest wollen einen Ruhetag in Gäddede einlegen. Ich nicht, also bin ich wieder und immernoch allein unterwegs – jetzt aber endlich mit Uhr!
                  Der mit Winterkreuzen gekennzeichnete Weg führt mich immer mit einem leichten Anstieg über Schotterwege zu einer Sammelstation für Rentiere und in Anschluss weiter über sehr matschige Wiesen und lichte Wälder. Ich hatte gerade meine Schuhe wieder trocken gehabt… Das Wetter ist eher als grenzwertig mies zu bezeichnen, meist ist es bedeckt trocken, aber immer wieder Schauer zwischendurch. Eigentlich wie in den vergangenen Tagen auch. Zwischendurch mache ich noch Pause in einer Hütte im schlechten Zustand. Zum späten Nachmittag gibt es noch einen schönen Ausblick auf und von dem Berg Avaatore auf eine idyllisch verfallene Hütte und hinunter ins Tal. An der Rasthütte Väktarmon war dann der Tag für mich auch vorbei. Es hatte sich zum Nachmittag hin eingeregnet und so bin ich auch gleich in der Hütte geblieben.


                  Tag 14
                  Väktarmon - Sielkenjakkstugan

                  Ich gebe zu. Als ich anfange diese Zeilen über diesen Tag zu tippen kann ich mich nicht daran erinnern. Aber mit einem Blick auf meine Notizen und der Karte kam einiges wieder hoch. Der Tag beginnt unspektakulär und mit einem großen Anstieg auf das Mellankogsfjellet, aber schön in und über das Fjell. Der Boden unter den Füßen ist endlich wieder fest und nicht matschig. Ein Traum. Dafür würgt mir Weg und Wetter am See Sipmesjaevrie einen rein. Der Weg ist durch den Berg und den Steinen nur sehr anstrengend passierbar und ich habe direkt über meinem Kopf – und auch nur da- eine Regenwolke, die mich über Stunden auf Schritt und Tritt begleitet, bis sie sich endlich abgeregnet hat. Alles ist trocken, aber ich bin nass. Danke. Aber dafür entschädigt mich wieder der Schluss. Beim Abstieg zur Sielkenjakkstugan bekomme ich einen eindrucksvollen Blick auf den Sielkenjahke. Ein wunderschöner Berg und wieder bereue ich es keine Kamera dabei zu haben. In der Hütte ist dann auch Schluss für heute und ich freue mich die Nacht wieder ein festes Dach über dem Kopf zu haben.

                  Kommentar


                  • Petrolhead
                    Gerne im Forum
                    • 09.02.2019
                    • 69
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    Tag 15
                    Sielkenjakkstugan- etwa 3km vor Borgasjön

                    Ein wunderschöner ereignisloser Tag. In der Nacht hatte es ordentlich geregnet. Gut, dass ich in der Hütte war. Am Morgen dann der Abstieg mit einer sehr beeindruckenden Aussicht auf den Berg. Im Anschluss ging es wieder in den Wald und durch den Matsch und wieder rauf. Ich scheine der einzige zu sein, der seit langer Zeit diesen Weg nimmt. Die Winterkreuze sind voll Moose und Flechten und kaum erkennbar und der Weg selbst ist völlig zugewuchert. Aber trotzdem geht es gut voran. Kaum war ich beim nächsten Haus gab es auch wieder einen Weg. Nach einem kurzen, aber heftigen Anstieg liefen die Spuren aber weg und ich bin aufgrund von schlechten Erfahrungen aus der ersten Woche lieber den sicheren Winterkreuzen gefolgt. Schlechte Idee. Ab in die Steinfelder und in den Matsch. Später kamen die Spuren dann wieder uns so habe ich etwa 3km vor dem Westufer vom Borgasjön im Wald an einem Bach mein Zelt aufgestellt. Das Wetter war heute durchgängig gut. Zum ersten Mal auf dieser Tour. Nicht zu warm, etwas sonnig und durchgängig trocken. Einen Tag zum Genießen.


                    Tag 16
                    etwa 3km vor Borgasjön – 2km nach Slipsickstugan

                    Heute erreiche ich den Lapplandsleden. Ich starte bei strahlendem Sonnenschein und watschel über dem matschigen Weg hinunter bis zum Ufer des Borgasjön. Mit dem Berg Storjolberget vor den Augen ein ansehnlicher Anblick. Ich laufe die Straße entlang bis nach Sutme, wo ich nach einigem Suchen den Weg hinauf ins Fjäll finde. Aufgrund von Neubauprojekten hat man das ein oder andere Schild entfernt. Ich finde es schade, dass für Geldanlagen so viel gerodet wird. Eine offene Wunde in der Landschaft. Dafür wird die Etappe bis zur Slipsickstugan sehr schön. Traumhaftes Wetter, traumhaftes Fjell mit vielen Seen, ein wunderbarer und gut markierter Weg. Was will man mehr? Eine Hüttenübernachtung zum Beispiel. Ich wollte eigentlich in die Slipsickstugan, aber da hatte sich ein münsterländisches Päärchen mit einem jungen deutschen Schäferhund einquartiert, der nichts und niemand in seiner Umgebung duldete. Da sehe ich seit Gäddede zum ersten Mal wieder Leute und muss mich direkt über die aufregen. Und weil das noch nicht reicht, sind es auch noch stoffelige Muffköppe aus dem heimatlichem Nachbarkreis (WAF). Ich ziehe also 2km weiter und finde an einem namenlosen See ein schönes und ruhiges Plätzchen für die Nacht. Ein Blick in Richtung Westen sieht aber nicht gut aus. Soll es das mit zwei Tage schönem Wetter schon gewesen sein?


                    Tag 17
                    2km nach Slipsickstugan – Tjakkelestugan

                    Aus der Slipsickstugan wurde nix, aber der Platz dahinter war auch ok. Also morgens bei bestem Wetter wieder auf und davon gemacht. Die Wolken vom Vorabend hatten sich wieder verzogen. Auf zur Megastadt Klimpfjäll. Ich sehe seit Tagen nur Wegweiser nach Klippfjäll. Alle Wege führen nach Klimpfjäll. Wie nach Rom. Muss sehr bedeutend sein. Pustekuchen. Ein schöner, langer See, eine Ansammlung von Fischerhäusern, eine Straße, eine Tankstelle mit einem Mini-Supermarkt. Das war es. Was für eine Enttäuschung Aber ehrlich gesagt, alles andere hätte mich auch gewundert. Nun ja, in dem Mini-Supermarkt war die Auswahl an Futter für die nächsten Tage etwas eingeschränkt, also musste ich schweres Dosenfutter kaufen, was den Rucksack kaum noch tragbar gemacht hat. Wir erinnern uns - Der Hüftgurt liegt viele Kilometer entfernt kaputt und inzwischen stinkend in einer norwegischen Mülltonne. Nützt nix, die letzten hundert Kilometer werde ich auch so schaffen.
                    Wer Weg selbst war sehr gut zu gehen, gut markiert, aber landschaftlich recht unspektakulär. Und abgesehen von den vielen Fliegen, die im Wald auf einem warten sehr entspannend. Aber dafür der Durrenpiken (auch Dorronpiken genannt). Man geht durch ein lang gezogenes U-Förmiges Tal und rechts und links tun sich die Berge auf, links der Durrenpieken mit seiner steilen Felswand. Sehr mächtig, sehr einschüchternd, sehr schön. Ich wünschte ich hätte wieder eine Kamera dabei gehabt, um davon Bilder zu machen. Wäre gerne dort geblieben, wollte aber noch weiter. Bin bis zur Tjäkkelestugan gegangen, in der ich mich in ein Einzelzimmer einquartiert habe. Da es den Abend und den morgigen Tag Regnen soll, beschließe ich für den Folgetag einen Pausentag einzulegen. Meine Motivation hat in den letzten Tagen, wo die Anspannung der Weglosigkeit nicht mehr da ist und das End-Ziel in die Nähe kommt, spürbar nachgelassen. Keine Lust bei schlechtem Wetter zu gehen.
                    Die Nacht hält mich durchgehend wach. Mücken, Mücken und noch mehr Mücken. Ich frage mich, woher die kommen. Inzwischen müsste die Anzahl der getöteten Mücken gut dreistellig sein. Obwohl inzwischen Türen, Fenster und auch das Ofenrohr verschlossen sind. Ich fange an sämtliche Ritzen in dem Zimmer zu verschließen, aber es nützt nix. Die sind einfach überall. Es ist wie in einem Horrorfilm.


                    Tag 18
                    Tjakkelestugan

                    Heute ist Ruhetag. Gegen Morgen lässt die Mückenattacke nach. Es sind nur noch etwa eine Hand voll im Raum. Ich schaffe es endlich den versäumten Schlaf nachzuholen. Auch den Rest des Tages mache ich nix weiter als Essen, schlafen und viel lesen. Stieg Larssons „Verdammnis“- ein treffender Titel. Aber mit dem Buch bin ich fast durch und ich brauche etwas, was ich danach lesen kann. In der Nachbarstube entdecke ich noch „Lee Child Echo Bürning“. Ein Jack Reacher-Action-Roman auf Englisch. Kein literarisches Highlight, aber besser als nix und mit dem simplen Schreibstiel vielleicht eine Chance, dass ich es auch als Englisch-Dummkopf verstehe. Tante google nach Vokabeln fragen ist nicht.
                    Gegen Abend heize ich den Kamin an und freue mich auf die Nacht. Denn Mücken gibt es kaum noch. Aber als ich dann aber am späten Abend Mäuse durch mein Zimmer laufen höre, ist es endgültig vorbei. Ich habe keinen Bock auf eine weitere schlaflose Nacht und baue draußen im Regen mein Zelt auf. Arsch lecken. Fickt Euch. Gute Nacht.


                    Tag 19
                    Tjakkelestugan – Bleriken Aevjere

                    Ich habe in meinem Zelt wunderbar geschlafen. Ich freue mich endlich wieder aufzubrechen. Ruhetage sind echt nix für mich. Wetter ist immer an der Schwelle zwischen trocken und Regen, aber das macht mir jetzt weniger etwas aus. Hauptsache weg von diesem verdammten Ort.
                    Gegen Mittag bin ich schon an meinem Tagesziel, der Åtnikstugan. Ich weiß nicht, warum ich so durchgerannt bin. War es die Flucht vor der Tjakkelestugan, der Regen oder einfach nur der unspektakuläre Weg? Vermutlich von allem etwas. Die Hütte hier ist ganz nett. Viel sauberer. Nicht so ein Mäuse- und Mückenherd, wie die gestern. Dazu wärmt mich noch die Restwärme vom Ofen, den die Vormieter heute Morgen noch angestellt hatten. Bei dem nassen Wetter war es wirklich sehr angenehm in einen warmen trockenen Raum zu kommen. Also mache ich dort ausgedehnt eine Mittagspause beschließe aber dennoch weiter zu gehen.
                    Nach etwa 10km habe ich keinen Bock mehr. Es regnet durchgehend und die Landschaft ist ein langweiliger, durchgehender Birkenwald. Ich kämpfe mich die 50m durch das Dickicht hinunter zum See Bleriken westlich des Gothere. Ich suche mir die am wenigsten matschige Stelle und schlage dort mein Zelt auf.


                    Tag 20
                    Bleriken Aevjere – Gränssjö – Vapstalven.

                    Heute Morgen aufgewacht. Regen. Es hat die ganze Nacht durchgeregnet. Als es irgendwann weniger wird, beschließe ich aufzubrechen. Musste ich auch, denn irgendwie wurde es nass unter dem Zelt. Mein Zeltplatz war durch den vielen Regen abgesoffen.
                    Der Weg selbst ging durch nassen Birkenwald hinauf ins Fjell. Oben war ich total in den Wolken. Wunderschön. Doch als es wieder runter nach Gränssjö und zu den Seen Vapsjön geht, kam erneut der Regen. Anscheinend staut es sich an den Bergen und regnet sich ab. Ich gehe durch den Regen die Straße nach Westen und schlage an der Abzweigung für die nächste Etappe mein Zelt auf. Ich bin heute nicht viel gegangen. Es ist gerade mal 15Uhr als ich „fertig“ bin. Die Motivation ist bei dem Wetter auch nicht gerade berauschend. Ich freue mich darauf, wenn ich endlich die Tour geschafft habe. Auf andere Wanderer bin ich seit der Tjakkelestugan nicht mehr getroffen. Ich scheine der einzige verrückte zu sein. Ansonsten sind nur ein paar Angler unterwegs.


                    Tag 21
                    Vapstalven – Arrevatnet - Atostugan.

                    Immernoch Regen. Immer mal mehr oder weniger. Und verdammt kalt ist es. Um acht mache ich unmotiviert den Abgang. Muss ja vorwärts gehen. Die heutige Etappe auf dem Lapplandsleden ist auf dem ersten Viertel nicht in meinen Karten eingezeichnet, daher folge ich den matschigen Quadspuren den Kreuzen in Richtung Arevattnet. Der Weg sollte über den Berg Aamere gehen und im Anschluss in nördliche Richtung. Aber nachdem ich etwa eine halbe Stunde den Kreuzen gefolgt bin, hörten diese mit einmal auf. Verdammt. Bin die Stelle etliche Male wieder zurück und wieder hingegangen, aber nein, es gibt keine Fortsetzung der Wegmarkierung. Komplett zurück laufen wäre auch sinnlos, denn heute Früh war es die Abzweigung! Was für ein scheiß Beginn eines scheiß Tages. Also entschließe ich mich ohne Markierung weiter den Spuren zu folgen. Keine andere Wahl. Aber die Richtung stimmte nicht mehr. Viel zu weit östlich. Das kann nicht sein. Ich beschließe wieder den Weg in westliche Richtung zu verlassen. In „going crossroads“ hatte ich ja bereits einträgliche Erfahrungen sammeln können….. Da die Baumgrenze wieder hinter mir war, war das auch ohne Probleme möglich. Westlich von mir war eine Bergkette. Der Aamere und Skäaalartoe nahm ich an. Dort müsste mein Weg sein. Und siehe da, nach etwa 500m sah ich eine gut markierte Kette aus Wegmarkierungskreuzen. Die Richtung Nordwesten gefiel mir immernoch nicht so wirklich, aber mangels Alternativen war mir das jetzt egal. Ich packe meine inzwischen nasse Karte wieder ein und folge den Markierungen.
                    Ich bekomme einen wunderschönen Abschnitt über das Fjell geliefert. Einen sichtbaren Pfad gibt es nicht, aber die Kreuze sind immer gut erkennbar. Ich gehe über Gras- und Felslandschaften, gut zu bewältigen ohne im Matsch zu versinken oder ständig um Felsen laufen zu müssen. Links von mir tut sich eine Bergkette auf. Ich kann sie aber nur erahnen, da ich mitten in den Wolken bin. Wind ist weniger geworden weg, der Regen hat fast aufgehört, totale Stille. Was für eine Atmosphäre. Ich genieße jeden Schritt. Und das über Stunden.
                    Nach vielen Kilometern tut sich vorne rechts großer langgezogener See auf. Ich kann ihn in der Ferne sehen, da ich geradeso an der Wokendecke kratze. Den Arevattnet, denke ich. Aber irgendwie stimmt die Form des Sees nicht mit dem auf der Karte überein. Nicht langgezogen genug. Westlich davon ein weiterer See und auf der anderen Seeseite eine Wand aus Bergen. Ich folge den Wegmarkierungen in einer sehr breiten Schneise durch den Birkenwald bin hinunter ans Seeufer. Was ich dort entdecke, lässt mich laut fluchen und verzweifeln. Ein Wegweiser zu Arevattnet-Stugan quer über dem See. Ich Dummkopf bin dem Winterweg gefolgt. Es gibt noch einen Sommerweg an anderer Stelle! Das passiert, wenn man kein GPS und keine aktuelle Karte hat! Ich bin jetzt an der Rentiersammelstelle am Ostufer des Arevattnet. Ich sollte am Westufer sein. Etwa 4km weiter westlich.
                    Was also tun? Über dem See schwimmen ist nicht. Und das Boot, was ich finde, hat keine Paddel. Entlang des Südufers entlang laufen verwerfe ich auch schnell wieder. Das ist unpassierbar. Einzige und letzte Möglichkeit ist weiter weglos in nördwestliche Richtung zu gehen, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Die Arevatnettnet-Stugan wäre dann aber Geschichte, da Umweg. Sorgen bereitet mir der Verbindungsfluss zwischen dem Arevatnett und dem Abvelvatnet. Beide Seen sind nicht gerade klein und dann wird das kein Rinnsal sein. Und so ist es auch. Vor mir tut sich ein ordentlich breiter Fluss auf. Aber keine andere Wahl. Ich suche mir die breiteste und langsamste Stelle, ziehe wieder meine inzwischen reichlich geschunden und kaputten Sandalen aus der Bellingstua an und gehe ins Wasser. Immer tiefer und weiter, aber es geht kaum über die Knie und ich komme tatsächlich auf der anderen Flussseite an. Da war der Bach nach der Almdalshytta vor ein paar Tagen um einiges haariger. Ich freue mich zusammen mit hunderten von Mücken auf die überstandene Überquerung, ziehe meine nassen Stiefel wieder an und mache mich weiter querfeldein auf dem Weg.
                    Wider Erwarten funktioniert das sogar. Alsbald verlasse ich erneut die Baumgrenze, gehe über das Naajhregeguevtete und treffe vor dem Tjålhte auf den gut markierten Sommerweg des Lapplandsleden. Das Wetter hat sich inzwischen wieder deutlich verschlechtert. Oben auf dem Fjell ist der Wind richtig garstig geworden und es kommen immer wieder Schauer herunter, aber ich weiß nicht warum, es stört mich einfach nicht. Ich folge dem Sommerweg gut gelaunt quer über das Fjell und durch weitere Flüsse entlang immer nördliche Richtung. Zwischendurch gibt es noch eine kurze Pause in einer Schutzhütte. Da aber die kein Wasser hat, beschließe ich dennoch weiter zu gehen, um mir einen geeigneten Zeltplatz zu suchen. Daraus wird nix, Wind und Regen machen dem den gar aus. An Zelten nicht zu denken. Irgendwann beschließe ich bis zur Atostugan zu laufen. Und so ist es auch, gegen Abend schlage ich reichlich entkräftet etwa 500m vor der Hütte an einem Fluss mein Zelt auf. Was für ein Tag. Morgen wird ausgeschlafen.


                    Tag 22
                    Atostugan- Snurrienjuenie

                    Ein blöder Tag, der eigentlich gar nicht so schlecht anfing. Heute Morgen ausgeschlafen und etwa gegen zehn ging es weiter. Direkt die paar Meter über die Atostugan und im Anschluss über Straße nach Joesjö. Leicht zu gehen und schnell gemacht. Die Regenschauer hielten sich in Grenzen. Von dort aus geht es in das Jofjället hinauf. Das letzte Fjell vor Hemavan. Wenn ich das nächste Mal auf eine Straße gehe, wird es die bei Hemavan sein. Voller Vorfreude male ich mir aus, was ich dort alles im ICA kaufen werde. Als Nahrung habe ich nur noch das nötigste mit und ich habe echt verdammt immer Hunger. Aber bis dahin ist es noch etwas und ich muss in Joesjö erst einmal von der Straße runter in den Wald. Ich merke, dass der markierte Lapplandsleden hier ein Kompromiss war. Zum ersten Mal seit ich auf der Tour unterwegs bin. Es geht immer wieder 100m rechts, links, rauf, runter- gefühlt total im Kreis. Anscheinend immer wieder um Grundstücke herum. Doch irgendwann gelange ich dann doch an den See Skälvattnet. Hier muss ich ein Stück rudern, weil man sich mit dem Grundstückeigner nicht einigen konnte, wie man mir später von kundiger Hand aus erklärte. Aber wohin rudern? Am Ufer ist ein Boot (also 3x rudern) ein paar Sicherheitshinweise oder eine Beschreibung auf Schwedisch (Warum nicht auf Englisch?) and that`s it. Und wohin muss ich rudern? Auf meiner Karte ist nichts eingezeichnet und vor Ort ist auch keine Karte vorhanden. Am anderen Seeende erspähe ich ein Ruderboot am Ufer, erkläre das als mein Ziel und rudere los. Die ersten Meter gelingen ganz gut, aber dann dreht mich der garstige Wind immer wieder um. Komme keine zehn Meter weit ohne Pirouette. Unmöglich das dreimal zu rudern. Keine Chance. Irgendwann viel, viel später erreiche ich inzwischen stinkwütend und körperlich völlig fertig die andere Seeseite. Einige Meter von der Anlegestelle entfernt. Aber kein Bock mehr auf das Miststück und ich stampfe durchs Wasser zur Anlegestelle. Und weil das noch nicht reicht, ist das die Anlegestelle von so einem verschissenen Angler, aber nicht mein Weg. Und wo ist mein Weg jetzt???? Ich gehe also auf dem Feldweg neben der Anlegestelle in Richtung des Hauses, das ich vom See aus sehen konnte. Die werden ja wissen wo hier der Lapplandsleden verläuft. Doch so weit kommt es nicht, nach etwa 200m sehe ich die Abzweigung nach Hemavan, die ich nehmen muss. Aber was jetzt? Soll ich das Boot da liegen lassen? Schlechtes Gewissen macht sich breit. Genervt schmeiße ich meinen Rucksack ins Gebüsch und kehre ohne eine wirkliche Ahnung, was ich jetzt tun kann, zurück zum Boot. Rudern fällt aus. Das Wetter ist zu schlecht und ich zu inkompetent. Ich schnappe mir also die Leine und ziehe das Boot im Wasser hinter mir her. Sehr anstrengend, aber es geht. Als ich am Ufer meine Weggabelung nach Hemavan sehe, habe ich von der Zieherei die faxen Dicke, steige aus dem See und mache das Boot vom Weg aus gut sichtbar an einem Baum fest. Ich beschließe weiter zu gehen und mir entgegenkommende von meinem Alles-falsch-gemacht zu berichten, damit sie das Boot nehmen und es wieder an die richtige Stelle bringen. So müssen sie auch nicht zweimal rudern. Winwin für beide Seiten. Mir nachfolgende finden jetzt kein Boot vor und treffen hoffentlich die richtige Entscheidung – am Seeufer gehen. Hätte ich auch machen sollen. Dann hätte ich den scheiß Tümpel in 30min geschafft. Jetzt habe ich dort einen halben Tag verbracht und er hat mich alle Kraft und Motivation gekostet. Ich schaffe vielleicht noch drei bis vier Kilometer und stelle an einer windgeschützten Stelle am Berg Snurrienjuenie mein Zelt für die Nacht auf.


                    Tag 23
                    Snurrienjuenie - Hemavan

                    Es regnet. Keine Motivation mehr. Denke fast nur noch ans ankommen. Ich mache mich auf dem Weg, aber ständig geistert mir immernoch dieses beschissene Boot durch den Kopf. Den traumhaften Ausbllick in Richtung Süden über das Tal übersehe ich dabei fast. Und auch sonst genau genommen eine recht schöne Etappe. Aber an die Landschaft habe ich mich inzwischen doch sehr gewöhnt und bin da auch verwöhnt. Unterwegs kommen mir zwei schwedische Jungs entgegen. Endlich. Seit der Tjakkelestugan vor vier Tagen die ersten Wanderer auf die ich treffe. Ich berichte denen von meinem Malheur mit dem Kackboot und bin danach sehr erleichtert. Hoffentlich finden sie es. In Schweden gibt es inzwischen ein Wanderführer von dem Lapplandsleden in Buchform mit aktuellem und detailliertem Kartenmaterial. Das vereinfacht es für die deutlich. Etwas später begegne ich noch zwei Waldarbeitern, die gerade dabei sind, Untergewächse zu reduzieren. Es sind zweie von den Leuten, die den Lapplandsleden mit aufgebaut haben. Ich bedanke mich bei Ihnen für die erstklassige (abgesehen von dem See) Routenführung und für die inzwischen fast überall gelegten Planken. Da kann man nicht meckern. Ich erkläre ihnen auch mein Fehler mit dem Boot und sie mir, warum es dort überhaupt ein Boot geben muss.
                    Etwa drei Kilometer weiter entdecke ich am Horizont zum ersten Mal die große Antenne bei Hemavan. Nach über 520km auf der wahnsinnigsten Wanderung in meinem Leben ein sehr ergreifender Moment. Szenen wie der Schnitt ins Knie, das Suchen nach dem Handy, das Erreichen von Gressamoen Fjellgard, die Flussüberquerung nach der Almdalshytta oder die Bekanntschaften in Gäddede gehen mir durch den Kopf. Die Sichtung der Antenne gibt mir auch die Kraft für die letzten 10km bis zur Fjellstation – auch wenn wieder der Regen eingesetzt hat. Dort angekommen stelle ich mein Zelt auf denselben Platz wie letztes Jahr, dusche, kaufe viel Zeug ein, esse fast alles wieder auf und mache Feierabend.
                    Geschafft.

                    P.S.
                    Ich hatte mir vor der Tour jede einzelne Etappe im Internet zusammen gestellt und ausgedruckt. Das hat mir beim Verlust des Handys wirklich den Arsch gerettet. Nur deshalb konnte ich überhaupt die Wanderung fortsetzen. Auch konnte ich so mir jeden Abend aufschreiben, was ich so den Tag erlebt hatte. Diese Notizen sind in Textform das, was hier steht. Sie waren eine sehr gute Erinnerungshilfe. Ich bin mir sicher, dass ich ohne die und das Vorhaben hier so alles aufzuschreiben sicher inzwischen viel vergessen hätte.
                    Ich war übrigens trotz allem vier Tage zu Früh angekommen. Musste also noch fünf Tage in Hemavan auf meine Rückfahrt warten. Die Tickets hatte ich in gedruckter Form mit. Die fünf Tage auf der Fjällstation waren sehr speziell. Ich habe dort viele interessante und nette Leute getroffen. Aber es ist jedes Mal hart, wenn man sie wieder gehen sieht. Abschied jeden Tag. Christina aus Gäddede habe ich dort nicht gesehen. Nach drei Tagen hatte ich mich abgekanzelt bewusst niemand mehr treffen wollen und nur noch auf die Rückfahrt gewartet. Die Zeit vertrieben hatte ich mir mit Essen, Lesen und Tagestouren. Aber irgendwann endlich stand auch mein Bus da und ich konnte nach Hause. Dass die Heimfahrt selbst mit den tollen, gestrichenen Zugverbindungen auch wieder ein Abenteuer für sich werden würde, konnte ich da noch nicht wissen.

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                    • Fjellfex
                      Fuchs
                      • 02.09.2016
                      • 1705
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                      #11
                      Zitat von Petrolhead Beitrag anzeigen
                      ich habe mir nach langer Zeit mein geschriebenes wieder durchgelesen. Da kam einiges wieder hoch. Eigentlich wäre es schade den Kram nicht online zu stellen
                      Das wäre sogar jammerschade gewesen! Freut mich sehr, dass du dich doch noch aufgerafft hast - auch ohne Bilder ein Klassebericht.
                      Zudem noch aus einer Ecke, aus der wenig Lesefutter geliefert wird.
                      Au Mann, was für ein Mist mit dem Handy! Ich hatte mal auf einer Skitour den Teller des Stockes verloren und 30Min panisch danach gebuddelt, ehe ich ihn zum Glück hatte...aber Handyverlust ist natürlich eine ganz andere Nummer. Deshalb habe ich bei solchen Touren manches aus Sicherheitsgründen "doppelt" dabei: neben Stirnlampe noch ein "Notlicht", neben der Kamera noch die Handyknipse, und neben i.d.R. verwendeter Karte + Kompass noch das GPS.
                      Ich finde übrigens, dass du dich bei der Navigation ohne GPS im nur wenig strukturierten Gelände bei bescheidener Sicht gut geschlagen hast.

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                      • TilmannG
                        Fuchs
                        • 29.10.2013
                        • 1382
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                        #12
                        Meinen Respekt für die Durchführung der Tour!
                        http://www.foto-tilmann-graner.de/

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                        • Petrolhead
                          Gerne im Forum
                          • 09.02.2019
                          • 69
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          Danke!
                          Ich halte die Ecke von Norwegen/Schweden für zu unrecht so stiefmütterlich behandelt. Landschaftlich gesehen steht gerade der Teil auf dem E1 in Norwegen dem z.B. Kungsleden in nichts nach. Im Gegenteil, während sie sich auf dem Kungsleden fast gegenseitig tottrampeln war da absolut nichts. Nicht mal ein Weg, nur schöne, harsche, fordernde und gebende Natur.
                          Aber es ist eine andere Nummer wegloses Terrain zu gehen als immer nur stumpf einem Trampelpfad zu folgen. Auch mit GPS. Trotzdem kann ich es empfehlen. Aber man sollte es nicht als Anfänger versuchen und etwas später als ich, so etwa im August gehen. Dann ist die Schneeschmelze abgeschlossen und die Flusspegel nicht so hoch.
                          Der Lapplandsleden in Schweden ist auch eine Empfehlung, die sogar für Anfänger. Der Weg ist nahezu durchgängig gut markiert, hat auch seine schönen Ecken und ist über weite Strecken noch kaum begangen. Nur auf Brücken braucht man nicht hoffen, die gibt es noch nicht. Die paar Furten sind aber auch so easy machbar.

                          Mich zieht es inzwischen wieder rauf. Padjelanta. Von Kvikkjokk nach Kilpisjävrie. Passt nur noch nicht ganz in meine Terminplanung.

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                            • 18.04.2008
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                            #14
                            Danke für den Bericht, wir sind in diesem Jahr Grövelsjön-Storlien gegangen und vor einigen Jahren Hemavan-Jäkkvikk. Wir haben also gewissermaßen dieselbe "Lücke".
                            Alles unter Nutriscore "D" ist rausgeschmissenes Geld.

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