[DK] Und ewig rauscht das Meer: Unterwegs auf Dänemarks Ostseeradweg

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  • Sylvie
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    [DK] Und ewig rauscht das Meer: Unterwegs auf Dänemarks Ostseeradweg

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    Zuletzt geändert von Sylvie; 22.10.2021, 20:39.

  • Sylvie
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    #2
    Endlich geht’s los. Nach einem langen, schwierigen und mitunter recht unangenehmen Corona-Jahr schwingen wir uns wieder auf in erfreuliche Höhen. Auf geht’s nach Dänemark – den Ostseerundweg wollen wir erkunden. Nichts ist gebucht, wir fahren ins Blaue dieses Jahr, aber das Zelt ist im Gepäck, sodass wir uns treiben lassen können und einfach mal schauen, wie weit wir kommen. Geld zum Ansparen gab's ja genug in der letzten Zeit bzw. weniger Möglichkeiten es auszugeben und also hab ich ein neues Fahrrad gekauft, das mich gewiss leichter über lästige Anstiege treckt, als mein wenig-gängiges Stadtrad, mit dem ich voriges Jahr durch den Spreewald sauste. Fette Reifen hat es, die ich auch brauchen werde, und einen Supadupa-Sattel, der keinerlei Po-Schmerzen verspricht. Immerhin. Den Rest muss ich mir dennoch selbst erstrampeln, denn Elektroantrieb gibt’s für uns nicht (erst in 15 Jahren, wie Stefan jetzt festlegte ); wir fahren rein bio mit Muskelmotor. In Flensburg wollen wir starten, alles andere ist ungewiss.
    Zuletzt geändert von Sylvie; 22.10.2021, 23:25.

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      #3
      12. August 21: Auf in den Norden
      Die Anfahrt nach Flensburg verläuft ohne Probleme. Die Autobahnen sind mäßig voll; ab und zu weichen wir dennoch auf Landstraßen aus. Das ist fein für mich, die ich nur beifahre; so habe ich mehr zum Gucken. Unser Hotel in Flensburg ist rosafarben. Es heißt Nordig und hat schon bessere Zeiten gesehen. Wir checken ein, zeigen unsere frischen Antigentests (obgleich wir beide genesen sind) und laufen sofort noch mal los zur Flensburger Förde, um irgendwas Essbares für unsere Löcher im Bauch zu finden. Hier unten am Hafen turnt das Leben, glaubten wir, aber mitnichten. Es gibt wenig Lokalitäten und alle schließen sie schon um neune. Jo, die Nordmenschen gehen anscheinend mit der Sonne zu Bett. Die immerhin schickt uns zum Trost einen spektakulären Untergang.


      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: #IMG_20210812_223719.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,99 MB ID: 3085200

      Wir schlendern noch ein bisschen an der Mole entlang, köpfen zwei Bier im Abendrot und lassen die Füße über die Hafenmauer baumeln. Teure Immobilien stehen hier direkt an der See. Der Blick der hier Wohnenden schweift ungebremst über nicht minder teure Segelbote.

      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: #IMG_20210812_224326.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,70 MB ID: 3085201

      Hier will man kein Erdenvolk haben, das betrunken und grölend durch diese Idylle taumelt. Wir trollen uns grummelnd von diesem Ort und suchen ne Imbissbude im Hinterland, wo eher die billigen Häuser immobil sind. Wir finden auch eine und nach einer lapprigen Currywurst geben wir den heutigen Tag zum Schlafen frei. Das aber wird gar nicht so einfach. Unser rosa Hotel behauptet sein Dasein inmitten von Vielbefahrenheit. Der Straßenlärm lässt uns erst lange nicht und schließlich am Morgen dann wieder nicht schlafen. Na mäg. Ab morgen haben wir genug Bewegung an frischer Luft. Jegliches Unbill dieser Art wird uns dann nicht mehr stören.
      Zuletzt geändert von Sylvie; 23.10.2021, 13:20.

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        #4
        13. August 21: Gendarmenstieg I. – der coolste Weg, den die Menschheit je befahren hat
        Wir springen gespannt aus den Federn, frühstücken schnell, was das Nordig uns bietet (immerhin Frühstück haben sie hier) und fahren das Auto zum Park & Ride ganz am Rande der Stadt. Gleich nebenan ist ein Wertstoffhof, genügend Betrieb also, um die Kutsche für mehr als zehn Tage hier stehen zu lassen. Wir schrauben die Räder zusammen, befestigen alles, was mitmuss, ein jeder von uns wird viertaschig fahren, und drempeln erst mal Richtung Zentrum. Stef hat seine Kontaktlinsen vergessen, die muss er zum Joggen dabeihaben und ich will schnell noch ne Bodrum-Kanne kaufen. Die nämlich habe ich vergessen. Und Kaffee muss man sich immer selbst kochen können. Zum Trost und zum Ankommen, zum Wachwerden und zum Aufraffen, zum Vorsichhinträumen, zum Tunken von leckeren Keksen - wofür auch immer, aber die Kaffeefrage ist für mich existenziell und immer mit „Ja, ich will.“ und mit absoluter Autonomie zu beantworten.

        Das Rad, wie gesagt, ist neu. Ich bin es natürlich schon probegefahren, aber dennoch, als ich zum ersten Mal jetzt mit den vorderen Packtaschen draufsitze, muss ich gewaltig Luft holen. Das Rangieren mit diesen Gewichten ist ungewohnt. Die rütteln den Lenker gewaltig hin und her, ich habe Mühe, das Rad in der Spur zu halten. Mit diesem Gegurke durch den Stadtverkehr? Ich könnte mir Schöneres vorstellen, aber nach 30 Minuten hab ich mich dran gewöhnt. Und später weiß ich die Zusatzgewichte sogar zu schätzen, denn auf dem Un-Weg, der auf uns wartet, sorgen die Taschen für Vordermasse und machen das ganze Sylvie-Gefährt sehr schön stabil auf dem schlingernden Grund. Aber ich greife vor, noch sind wir in Flensburg und das ist im Stadtkern ein hübsches Örtchen. Wir fahren staunend durch mittelalterliche Gassen und schieben die Räder dann lange durch eine endlose Fußgängerpassage. Hier besorgen wir jene Dinge, die uns noch fehlen zum Glücklichsein. Dann fällt Stefan ein, dass er seine Sonnenbrille im Auto hat liegen lassen. Er will noch mal los und sie holen. Ich verdrehe sogleich die Augen. Ich kann es partout nicht leiden, wenn der Start sich so sinnlos verzögert, während ich bereits aufbruchslustig und kühn ungeduldig mit den Hufen scharre. An einem Supermarkt am Rande der Stadt trennen wir uns. Stef fährt zum Auto zurück und ich vertreib mir die Zeit auf dem Parkplatz mit meiner zweitliebsten Beschäftigung: einfach dasitzen und die Leute beobachten.

        Die beiden Damen in pink hinter mir hecheln lautstark ihre letzten Affären durch; die Herren am Nachbartisch, joggingbehost und baseballbekappt kichern dazu. Dann fangen sie an, leere Bierbüchsen in den übervollen Papierkorb kicken zu wollen – das Ganze ist freilich getarnt als Effort in Richtung der Damen; die sollen ebenso albern mitkicken und später vielleicht zu anderen Gefälligkeiten übergehen. Die Mädels wedeln gelangweilt und mit spitzen Fingern ihre lila Handtaschen – kein Bedarf, soll das heißen, die Herren aber tun begriffsstutzig und lassen nicht locker. Ein dralles Mädchen indes kriegt erst mal ein großes Eis, während ihre ebenso dralle Schwester und auch die Mutter sich nach dem schweren Einkauf zum Rauchen niederlassen. Und so und so… niemals kann ich mich sattsehen und -hören an diesen Geschichten, die das Leben tagtäglich aus seiner genetischen Trickkiste zaubert. Viel zu schnell ist Stefan zurück und reißt mich aus meinem Guck-Rausch. Immerhin, jetzt kann’s dann mal losgehen.

        Wir schwingen uns auf die Sattel. Es ist kurz nach Mittag, die Sonne scheint und der Wind bläst uns frisch ins Gesicht. Wir fahren kurz straßenbegleitend durch ein paar Vororte, dann weichen die Häuser rechter Hand einem großen Park. In den kullern wir gackernd hinein. Dann wird der Park zum Wald und ebenfalls rechts von uns gibt’s schon den wispernden Wellenschlag der Flensburger Förde.
        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 9,46 MB ID: 3085210

        Es geht schattig durch dichtes Buchengehölz. Wir sind bereits mittendrauf auf dem Gendarmenstieg, jener Weg, der von der Flensburger Förde aus weit ins dänische Hinterland führt. Auf dem einst die Dänen stets wachsam patrouillierten, um ihr Land vor gierigen Südländern zu schützen. Heute ist der Stieg ein Wanderweg, der dänische Jakobsweg gewissermaßen. Mit dem Rad soll er knifflig zu fahren sein. Unser Radführer Bikeline hatte ausdrücklich gewarnt vor diesem Weg, der bestückt mit Stufen, Morast und allerlei ekligen Steigungen in keinem Fall stressfrei auf Rädern zu bewältigen sein soll. Stefan, der alte Trailrunner wollte den natürlich unbedingt fahren – und ich, die ich weniger fit und geschmeidig bin, wollte den unbedingt nicht fahren. Zumindest nicht sofort als erste Tour. Wir hatten schon zu Hause Streit wegen des Gendarmenstiegs und konnten nur schwer uns einigen. Immerhin rang Stefan mir ab, dass wir es wenigstens probieren sollten. Noch ist der Weg liebreich und brav...

        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 2a.jpg Ansichten: 0 Größe: 7,80 MB ID: 3085211
        ... obgleich schon merklich schmaler, als am Anfang, ....

        ... aber ab hier, warnt uns Bikeline, sollen wir ihn weitläufig umfahren und lieber die Nester im Hinterland erkunden. Wir tun das auch brav (ich setze mich durch). Wir passieren die Grenze in Krusa, die Dänen winken uns lächelnd hinüber, und fahren straßenbegleitend nach Kollund. Und dann immer noch straßenbegleitend Richtung Rinkenaes. Irgendwann fange ich an zu gähnen. Die Straßen sind nett und wenig befahren, auch die Dörfchen sind glattpoliert und zauberhaft, es geht ordentlich hügelan hügelab. Dänemark ist vielleicht im Landesinneren platt, aber hier an der Küste folgt die Landschaft alten Fjorden. Entsprechend zerklüftet ist die Topographie. Aber wo ist das Meer?, frage ich Stef konsterniert. Geht’s nicht irgendwann wieder zurück an die Küste? Anscheinend nicht, meint er achselzuckend. Bikeline hat für uns offenbar die sichere und biedere und gemächliche Variante rausgesucht.

        Na, das wird mir zu dumm, wir verlassen spontan die Bikelineroute und treffen vor Sonderhav wieder aufs Meer.

        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 3.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,59 MB ID: 3085212
        Zuletzt geändert von Sylvie; 23.10.2021, 13:33.

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        • Sylvie
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          #5
          Ne Zeitlang fahren wir noch auf Asphalt, dann verlass ich die Straße irgendwann Richtung Strand und fahre einfach nicht wieder drauf. Denn gleich hinter der Straße hab ich ein winziges Weglein entdeckt, das sich schmal durch die Dünen schlängelt. Das fahren wir jetzt. Irgendwann entdecken wir auch das Wanderschild mit dem blauen Männchen drauf, das uns zackigen Schritts, die Gendarmenmütze keck auf dem Hinterkopf, den Weg durch die Landschaft weist. Nu hat er uns wieder, der Gendarmenstieg.

          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 12b.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,48 MB ID: 3085214 Unser Lieblingswegweiser gleich am Anfang der Tour

          Und was für ein wundervoller Weg das ist!
          Immer dicht an der Küste mäandert er liebreich über windige Dünen, durch mannshohe Heckenrosen oder sperriges Schilf. Dann wieder wird er plötzlich waldig und führt uns quer durch dichtes Buchengehölz.

          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 2b.jpg Ansichten: 0 Größe: 7,18 MB ID: 3085215


          Ab und zu stehen liebliche Häuser am Wegesrand

          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 9.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,30 MB ID: 3085218 Oder auch winzige Leuchttürmchen

          Fast immer ist er ziemlich schmal, mitunter sehr steil, zuweilen mit Stufen versehen oder extrem steinig und stark bewurzelt. Gleich nebenan flüstern immer die Wellen und manchmal grollen sie auch. Der Pfad ist durchgängig schweißtreibend, immer mal müssen wir schieben, aber der Wind weht vom Meer uns frisch ins Genack. Er küsst uns sofort den Schweiß von der Haut.

          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 7.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,64 MB ID: 3085216
          Was für ein Weg! Was für eine Abwechslung! Was für eine ständige Herausforderung! Und den wollte Bikeline uns vorenthalten? Zugegeben, er ist sehr anstrengend zu fahren und ohne unsere fetten Reifen wäre er streckenweise unbezwingbar gewesen, aber dennoch: unmöglich ist er nicht. Selbst ich, wenig trainiert, mit gar keiner Trail-Erfahrung und mit dicken Gepäckstücken an allen Rädern schaffe ihn gut. Stef staunt über meine tollkühnen Fahrradmanöver und ist begeistert, weil ich begeistert bin. Nie wieder will ich zurück auf die Straße. Wir ignorieren Bikeline fortan, lassen alle Orte links von uns liegen und demmeln nur noch am Wasser entlang. Wanderer treffen wir einige. Sie schmettern uns fröhlich ihr „god tur“ entgegen. Andere Radfahrer hingegen sehen wir selten. Die lassen sich alle von Bikeline einlullen.

          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: image_37043.jpg Ansichten: 95 Größe: 5,10 MB ID: 3085219
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          Zuletzt geändert von Sylvie; 23.10.2021, 13:41.

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            #6
            Kurz vor Arsbjerg gibt’s einen akuraten Zeltplatz direkt am Wasser.

            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 11.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,82 MB ID: 3085226
            Wir füllen die Wasserflaschen und überlegen kurz, ob wir bleiben sollen, beschließen dann aber, doch noch ein Stückchen weiterzufahren auf diesem zauberhaften Fleckchen Erde.

            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 12a.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,14 MB ID: 3085227
            Kurz nach dem Zeltplatz verliert sich der Weg direkt am Wasser und endet schließlich in Sand und Morast.

            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 10.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,28 MB ID: 3085225
            Hier fahren wir kurzzeitig auch IM Wasser, auf dem schmalen Streifen, wo der Sand etwas fester ist, weil er immer wieder überspült wird. Das ist beschwerlich und wackelig; ich beende die Gaukelei irgendwann, weil ich Angst hab, ins Meer zu kippen.

            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 10a.JPG Ansichten: 0 Größe: 2,26 MB ID: 3085224
            Nach mühsamer Plackerei durch den Sand finden wir bald eine steile Böschung, wo wir mit sehr viel Kraft die Räder hinaufschieben können. Nu ist genug, sag ich, jetzt brauche ich erst mal ne Pause. Ein Kaffee wäre ganz nett, sinniere ich triefend vor mich hin. Oder ein Eis, meint Stefan. Hm… hier gibt’s nur das Meer und den Weg. Alle Ortschaften sind da, wo Bikeline uns hinführen wollte. Also nicht da, wo wir grade sind. Wir knabbern zum Trost ein paar Nüsse. Und während der Himmel sich eintrübt und erste Tropfen herunterplatschen, zückt Stef sein Handy, um Booking zu befragen, ob’s in der Nähe was zum Nächtigen gibt. Es gibt. In Grasten, etwas abseits der Route, ist ein Hotel, das zum Alten Rathaus heißt (et gamble Radhus). Nehmen wir das?, fragt er mich. Jawoll, das nehmen wir. Lass uns in diesen Ort einreiten und irgendwo was zu Essen finden.

            ------------------------------------ Fortsetzung bald ------------------------------------------------------
            Zuletzt geändert von Sylvie; 23.10.2021, 14:00.

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            • Fjellfex
              Fuchs
              • 02.09.2016
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              #7
              Ui, wie schön - ein neuer Sylvie-Bericht!
              Radeln in DK steht in meiner Prioritätenliste nicht so weit oben, aber schon allein um meinen deutschen Wortschatz zu erweitern werde ich hier dabei sein ... und ich wurde ja schon durch zwei neue Vokabeln belohnt ("drempeln" und "demmeln").
              Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen
              Kaffee muss man sich immer selbst kochen können. Zum Trost und zum Ankommen, zum Wachwerden und zum Aufraffen, zum Vorsichhinträumen, zum Tunken von leckeren Keksen - wofür auch immer, aber die Kaffeefrage ist für mich existenziell und immer mit „Ja, ich will.“ und mit absoluter Autonomie zu beantworten.
              Absolut! Bei solch verwegenen Unternehmungen ist eine gut sortierte Notfallapotheke unverzichtbar!!

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              • lina
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                • 12.07.2008
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                #8
                Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                Radeln in DK steht in meiner Prioritätenliste nicht so weit oben
                … aaaaber sehr auf meiner

                Ich freu mich auf die Fortsetzung!

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                • Sylvie
                  Erfahren
                  • 20.08.2015
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                  #9
                  Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                  Ui, wie schön - ein neuer Sylvie-Bericht!
                  Radeln in DK steht in meiner Prioritätenliste nicht so weit oben, aber schon allein um meinen deutschen Wortschatz zu erweitern werde ich hier dabei sein ... und ich wurde ja schon durch zwei neue Vokabeln belohnt ("drempeln" und "demmeln").
                  Haha.... Drempeln und Demmeln hast Du aber schon letztes Jahr gelernt. Wird Zeit, dass ich paar neue Wörter ersinne. Zum Beispiel orgeln, semmeln, gurken, gaukeln, geigen... seppeln geht auch. Oder saften... Na schau wir mal, was die Tour noch so bringt. :-)

                  Grüße

                  Sylvie

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                  • Fjellfex
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                    • 02.09.2016
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                    #10
                    Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen

                    Haha.... Drempeln und Demmeln hast Du aber schon letztes Jahr gelernt.
                    Echt jetzt? Da siehste mal, wie ich rumkalke...

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                    • Sylvie
                      Erfahren
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                      #11
                      Zitat von lina Beitrag anzeigen
                      … aaaaber sehr auf meiner

                      Ich freu mich auf die Fortsetzung!
                      Ich mich auch. Die Idee zu dieser Radtour hab ich übrigens auch aus dem Forum.

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                      • Sylvie
                        Erfahren
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                        #12
                        Immer noch 13. August: Volksfest in Grasten
                        Und so machen wir’s. Auf dem Platz vorm alten Rathaus gibt’s grade ein Volksfest. Bierbänke, Flohmarkt, jede Menge Volk und ne ziemlich flotte Rentnerband überschallt das Gelände mit Countrymusik. Die Leute lachen und toben, wippen mit und klatschen, die Sonne ballert, denn der Regen hat sich verzogen und gleichzeitig bläst ein ordentlicher Wind – wenn jetzt Herbst wäre, das Laub würde tanzen. So aber tanzen nur die Haare. Alle Gesichter sehen glücklich aus. Das alles wirkt auf mich so surreal, so ungewohnt nach der langen Coronapause, dass ich mich erst mal auf die Rathaustreppe setzen und alles in mich aufsaugen muss. Überall liegen Rosenblätter rum. Es muss hier zuvor eine Hochzeit gegeben haben. Da sitze ich nun zwischen all diesen Rosenblättern, wippe mit, grinse breit in die Welt und bade mein Herz in Freude. Was für ein hoffnungsvoller Moment! Stef sucht derweil die Rezeption, kommt aber schulterzuckend zurück. Es gibt zwar ne Rezeption, aber niemand scheint hier zu arbeiten. Das Hotel ist unbemannt. Aber Booking hat uns kryptische Zahlen geschickt und jetzt begreifen wir, dass das die Türcodes sind. Und so ziehen wir ein in unser Zimmer, das sich Prins Joachim nennt. Et gamble Radhus ist tatsächlich ein altes Rathaus. Es gibt darin noch ein Trauzimmer.

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: #IMG_20210813_163638.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,95 MB ID: 3085319
                        Aber im Rest der alten Amtsstuben hat der Schimmel sich ausgetobt, die wurden einfach in Zimmer umgewandelt. Das ganze Haus wirkt prachtvoll: überall dicke Teppiche, vergoldete Spiegel, Marmortreppen mit gedrechselten Geländern, Ölschinken an den Wänden. Recht konträr dazu unser Zimmer, sehr modern eingerichtet, gemütlich, geschmackvoll in typisch nordischem Chic.

                        Wir stellen nur schnell unsere Sachen ins Zimmer und stürmen gleich noch mal runter. Wir brauchen jetzt erst mal dringend ein Bier. Das zapfen wir Flugs und suchen uns etwas abseits ne Bank, auf der wir die Rentnercountrymusik in nunmehr erträglicher Lautstärke genießen.

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 13.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,06 MB ID: 3085314
                        Hach! Die Sonne scheint immer noch. Und die Stimmung ist hier so ausgesprochen behaglich. Wir sind extrem gut gelaunt, besprechen noch einmal die Highlights des Weges, rufen alle unsere Kinder an und werden so langsam beschwipst vom Bier. Glückselig taumeln wir wieder zurück, duschen, ziehen uns um und laufen erneut in die Stadt, um das gluckernde Bier in uns endlich mit Essen zu neutralisieren.

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 14.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,03 MB ID: 3085313

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 15.jpg Ansichten: 0 Größe: 7,13 MB ID: 3085315

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 16.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,67 MB ID: 3085317
                        Viel gibt es nicht in diesem Ort, eine Pizzeria, ein China-Imbiss und eine ziemlich verrottete Kneipe, wo aber nur Getränke zu haben sind. Wir schlendern, die Lage sondierend, hierhin und dorthin, Stef fragt mich, was ich gerne möchte. Entscheide Du, sage ich, ich bin so müde, ich will nur noch ins Bett, mir ist völlig egal, was ich esse. Also gut, der Chinese macht das Rennen. Wir bestellen irgendwas mit Ente, setzen uns raus auf die Terasse und verzehren friedlich, was man uns vorsetzt. Wir sind die einzigen Gäste hier, wir blicken direkt auf einen See, von dessen Ufer grüßt uns Schloss Gravenstein, die Sommerresidenz der dänischen Königsfamilie, ein friedvoller Blick auf herrschaftlich-weißen Stein.

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: #IMG_20210813_172147.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,31 MB ID: 3085316

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: #IMG_20210813_170932.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,52 MB ID: 3085311
                        Schloss Gravenstein. Hans Christian Andersen schrieb hier einst die Geschichte vom Mädchen mit den Schwefelhölzchen.

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 13 8 18.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,13 MB ID: 3085318
                        Stef will nach dem Essen noch ein paar Schritte laufen, ich aber nicht. Ich bin zu kaputt und also trennen wir uns hier. Müde und satt stiefel ich schnell die alten Rathaustreppen rauf, betrete beglückt Prins Joachim, falle aufs Bett und schlafe ziemlich sofort ziemlich fest ein.
                        Angehängte Dateien
                        Zuletzt geändert von Sylvie; 23.10.2021, 23:09.

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                        • danobaja
                          Alter Hase
                          • 27.02.2016
                          • 3289
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                          #13
                          Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen

                          Haha.... Drempeln und Demmeln hast Du aber schon letztes Jahr gelernt. Wird Zeit, dass ich paar neue Wörter ersinne. Zum Beispiel orgeln, semmeln, gurken, gaukeln, geigen... seppeln geht auch. Oder saften... Na schau wir mal, was die Tour noch so bringt. :-)

                          Grüße

                          Sylvie
                          gibts in bayern alles schon. ein paar der wörter kann man aber um dem ruf des forums nicht zu schaden nicht wirklich übersetzen.

                          dann schau ich also mal was die tour noch so bringt!
                          danobaja
                          __________________
                          resist much, obey little!

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                          • blauloke

                            Lebt im Forum
                            • 22.08.2008
                            • 9139
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                            #14
                            Schöner Beginn, da fahe ich gerne mit.
                            Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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                            • Sylvie
                              Erfahren
                              • 20.08.2015
                              • 361
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #15
                              Zitat von danobaja Beitrag anzeigen

                              gibts in bayern alles schon. ein paar der wörter kann man aber um dem ruf des forums nicht zu schaden nicht wirklich übersetzen.

                              dann schau ich also mal was die tour noch so bringt!
                              Immer her mit den neuen Wörtern, Meiner! Wir brauchen Abwechslung im Text. Gerne nehme ich auch bisschen bayrisch hier mit auf.

                              Gruß
                              Sylvie

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                              • Sylvie
                                Erfahren
                                • 20.08.2015
                                • 361
                                • Privat

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                                #16
                                Zitat von blauloke Beitrag anzeigen
                                Schöner Beginn, da fahe ich gerne mit.
                                Willkommen an Bord! Ich schreibe gleich mal bisschen weiter.

                                LG

                                Sylvie

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                                • Sylvie
                                  Erfahren
                                  • 20.08.2015
                                  • 361
                                  • Privat

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                                  #17
                                  14. August 21: Gendarmenstieg II - knifflig, verboten und atemberaubend
                                  Heute sind wir fröhlich und wach. Wir frühstücken eilig und springen auch schon auf die Räder, die wir alsbald Richtung Küste bewegen. Wir fahren nur anfangs straßenbegleitend rüber nach Egernsund und queren eilig die Halbinsel Broager, um dann sofort wieder meerwärts zu driften.


                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 0.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,88 MB ID: 3086325

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,24 MB ID: 3086327
                                  Bikeline wird ignoriert und das blaue Männchen mit der kecken Mütze gesucht. Der Gendarmenstieg ist heute noch wilder als gestern, schmale Passagen, enge Kehren, sandig-bewurzelte Unwegbarkeiten. Wildromantisch geht’s hoch und runter, durch Buchenwälder, Rosenhecken und Weizenfelder.

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 3.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,36 MB ID: 3086326

                                  Und ewig rauscht uns das Meer.

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,63 MB ID: 3086324Der Himmel droht dunkel heute. Manchmal nieselt es leicht. Wir fahren dennoch im T-Shirt, denn der Weg ist so anspruchsvoll, dass wir warm und wach sind. Die Flensburger Förde liegt jetzt hinter uns. Hier sieht das Meer schon wie Meer aus. Wir essen, was der Wegrand uns bietet: Mirabellen und Brombeeren. Irgendwann pausieren wir hoch oben über der Steilküste und lassen den Blick über Wellen und Inseln reisen.

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 4.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,95 MB ID: 3086330
                                  Bei Dyboll fahren wir über den Alssund. Kurz vor der Brücke gibt’s ordentlich Wasser auf die Mütze. Wir huschen schnell noch rüber nach Sonderburg und suchen dann Zuflucht unter dem riesigen Sonnenschirm eines Straßencafés.

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 4a.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,14 MB ID: 3086328Nicht weit entfernt gibt’s schon wieder Musik. Ein sehr engagierter Alleinunterhalter spielt fröhlich Keyboard unter seinem eigenen Bühnen-Baldachin. Dazu singt er: Every breath you take und weitere Schmeckerchen der 80-er Jahre. Jeder Schirm – die ganze Straße runter – ist mit nassen Leuten bevölkert. Alle schunkeln mit, schlechte Laune kommt gar nicht erst auf. Schon wieder untermalt und verstrahlt die Musik seltsam die Stimmung vor Ort. Every breath you take wird jetzt für mich immer diese Erinnerung hervorrufen: Wie wir alle leicht vernässt, aber dennoch froh unter diesen Schirmen hocken und diesem wackeren Entertainer lauschen.

                                  Der Regen flacht ab und wir schwingen uns wieder hoch auf’s Ross. Am Gestade sind wir eh schon; also bleiben wir gleich hier. Nach einem großen Park geht der Weg wieder übergangslos in den Gendarmenstieg unter. Wir nehmen den selbstverständlich, obgleich er hier streckenweise für Radfahrer verboten ist. Es kümmert uns nicht, wir wollen nicht nach Bikeline quer durchs Land fahren, sondern lieber am rauschenden Meer bleiben. Hoch oben an der Steilküste, weit und verwegen über dem Meer schlängelt sich der Pfad nun von Steilhang zu Steilhang.


                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 5.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,22 MB ID: 3086331
                                  Der Weg ist sandig, waldig und wurzelig. Wir fahren vorsichtig hier und auch bergab immer langsam, denn hinter der nächsten Kehre könnte der Abgrund nah sein. Im Zweifel schieben wir und genießen im Laufen umso mehr die grandiose Aussicht auf ein wildes, dunkles, dräuendes Meer.

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 6.JPG Ansichten: 0 Größe: 3,64 MB ID: 3086329
                                  Was für ein Weg! (Noch jetzt, beim Schreiben, zwei Monate später komme ich ins Schwärmen.)

                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 7.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,43 MB ID: 3086332
                                  Die nächste Husche überstehen wir unter schützendem Blattwerk. Der Weg wird glitschig jetzt, scheint hier aber, zumindest als Gendarmenstieg, auch zu Ende zu sein. Wir balancieren die Räder vorsichtig raus aus den Klippen und rauschen beglückt hinein in einen teerbestraßten Buchenwald. Danach verliert sich der Weg in weiten Wiesenstrecken. Die Fahrrinnen zwischen saftigem Gras sind jetzt nur noch eine Reifenbreite dick. Es gibt drei von ihnen nebeneinander und einmal, beim Versuch, die Spur zu wechseln, hebelt es mich tatsächlich sanft aus dem Sattel. Stef hat sofort den Fachausdruck parat: Er meint, ich musste das Gerät verlassen. Der Hallenser würde übrigens sagen: es hat mich hinjelascht. Oder: Ich hawwe mich hinjeleddert. (Dies sind aber sehr alte hallesche Begriffe, die fast niemand mehr kennt.) Gottseidank ist aber nur nasses Gras ringsrum, auf dem ich ziemlich aalglatt entlanggleite und mir keinerlei Blessuren zuziehe. Nach kurzem Schreck sitz ich wieder hoch zu Ross und wir verlassen den garstigen Rinnenweg.

                                  Nach einem weiteren ziemlich langen Waldstück erreichen wir Horuphav und endlich schafft der Regen, der launische Neck, das, was er heute schon zweimal erfolglos versuchte: Er kriegt uns nass. Ziemlich plötzlich bäumt sich der Himmel auf und es schüttet aus Wannen auf uns. Wir suchen kurzfristig Schutz in einer Bushaltestelle, aber eigentlich sind wir schon restlos aufgeweicht. Na, das wird doch heute nüscht mehr mit‘m Wetter. Als der schlimmste Guss vorbei ist semmeln wir rüber in ein nahe gelegenes Einkaufszentrum und hier, unter schützenden Glas-Arkaden googlen wir nach einer Bleibe. Wir haben Glück: Nur fünf Kilometer von hier gibt’s ein kleines Häuschen auf einem Bauernhof. Das steuern wir an.
                                  Zuletzt geändert von Sylvie; 26.10.2021, 23:35.

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                                  • Sylvie
                                    Erfahren
                                    • 20.08.2015
                                    • 361
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                                    #18
                                    Immer noch 14. August: Zurück zum Klosterstien, ein verwunschener Ort
                                    Unterwegs dorthin kommt allerdings tatsächlich die Sonne wieder raus. Ein kleines Stürmchen frischt auf und fegt die Regenwolken fort. Na schön! Da hätten wir auch noch weiterfahren können, vermerken wir konsterniert. Tun wir aber nicht. Vermutlich, sinnieren wir weiter, würde der Regen wiederkommen, wenn wir jetzt einfach weiterführen. Nein nein, der Regenmacher da oben, wollte uns genau dieses Zeichen geben, dass wir jetzt auf genau diesem Bauernhof uns ein Nachtquartier suchen. Und außerdem stellen wir fest: Wer sich einmal entschließt einzukehren, braucht sehr viel Willenskraft, um diesen Entschluss wieder zu kippen. Und Willenskraft haben wir heute auf dem Weg schon verbraucht. Also husch husch – scharf in die Pedale getreten und schnell hineingedrempelt in unser Nachtquartier.


                                    Das Gehöft unserer Träume liegt einsam zwischen endlosen Weizenfeldern. Es ist ein großes Gehöft mit mehren Gebäuden, U-förmig angelegt.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 8.jpg Ansichten: 0 Größe: 7,45 MB ID: 3086339
                                    In der Mitte des Hofs weht die dänische Flagge über einer großen Holzkonstruktion, die eine Glocke beherbergt.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 9.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,91 MB ID: 3086335
                                    Rings um die Häuser weitläufiges Gelände, parkähnlich mit saftigen Wiesen, hier und da Korbstühle im Schatten von Apfelbäumen. Ein sehr kontemplativer Ort.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 11.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,00 MB ID: 3086334Und es herrscht Stille hier. Niemand ist zu Hause. Stefan und ich teilen uns auf und durchsuchen das Gelände nach einem Ansprechpartner. Irgendwann ist Stef verschwunden und ich wandle alleine durch dieses kleine Menschenparadies. Seltsam, denke ich, die Glocke hier… Und hier steht eine lange Holztafel mit vielen Stühlen, alles ganz in weiß…

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 10.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,47 MB ID: 3086340
                                    Auf mich wirkt dieser Ort wie der Hof einer Sekte. Und sofort kommen mir die Krimis von Yussi Adler-Olsen in den Sinn, wo genau auf solchen verlassenen Höfen furchtbare Dinge geschehen.

                                    Aber Entwarnung: Stef kommt um die Ecke. Er wurde also noch nicht für irgendwelche Sonnenkulte zeremoniell geopfert (oder vorbereitend dafür eingesperrt), sondern hat vielmehr die Besitzerin im Schlepptau, die aber kein Wort englisch spricht. Weshalb sie wiederrum telefonisch ihren Sohn im Schlepptau hat, der uns in hervorragendem Deutsch die Konditionen erklärt. Wir könnten im Haupthaus in einer Kammer schlafen, meint er. Es gibt aber hier nur ein Gemeinschaftsbad für alle. Kammer?, denk ich. Was für ne Kammer? Die Buß- und Betkammer? Sofort steigt wieder der Sektengedanke in mir auf. Was ist mit den Hütten?, will ich wissen. Hinten, am Rande der Wiesen hatten wir kleine Hüttchen entdeckt. Ja, sagt der Typ, die vermieten wir auch, aber nur für zwei Nächte. Stef sieht mich an, ich schüttle den Kopf. Entweder die Hütte für einen Tag oder wir fahren weiter, flüstere ich. Stef ins Telefon, viel diplomatischer: Meine Frau sagt, sie will keine Kammer. Der Däne lacht laut auf. Ihre Frau hat goldrichtig entschieden, meint er prustend. (Schon wieder gruselt es mich: Sind wir also hiermit der Kammer des Schreckens entkommen?) Ich wollte Ihnen nur das billigere Angebot machen. Wir bedanken uns artig, geben ihm aber dann zu verstehen, dass wir weiterfahren werden, weil wir keine zwei Nächte bleiben wollen. Da lenkt der Gastgeber ein und vermietet uns die Hütte für eine Nacht.

                                    Ein riesiger weißer Hund kommt getrottet, beschnuppert mich kurz, leckt mir das Salz von den Waden und trollt sich wieder. Also ist es beschlossen, der Hund ist auch einverstanden: Hier bleiben wir über Nacht.

                                    Die ältere Dame, die kein Englisch spricht, gibt uns die Schlüssel und zeigt uns die Hütte. Die steht, flankiert von Apfelbäumen und zwei weiteren Hüttchen etwas abseits, etwa 60 Meter vom Haupthaus entfernt. Alle drei Hütten sind winzig und sehen aus wie alte Eisenbahnwaggons (oder sind gar welche).


                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 12.jpg Ansichten: 0 Größe: 8,22 MB ID: 3086341Sie sind allesamt nagelneu und innen sehr klug und geschmackvoll eingerichtet.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 13.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,90 MB ID: 3086337Wir schnallen unsere Taschen ab, fegen das Wasser von der Terrasse und hängen die Sachen zum Trocknen auf.

                                    Inzwischen ist der Besitzer eingetroffen und besucht uns in unserem Kurz-Domizil, das er uns freundlicherweise auch für eine Nacht zur Verfügung stellt. Ihr sucht die Einsamkeit und ich such die Partys, begrüßt er uns. Nächste Woche will er nach Berlin und das wilde Nachtleben genießen. Na holla, der Typ ist noch jung, dynamisch und uns sogleich sehr sympathisch. Sein Großvater, erzählt er uns, war Deutscher und er selbst ist als Mitglied der deutschen Minderheit hier zwischen den Sprachen aufgewachsen. Wir hatten als Kinder nur einen dänische Fernsehsender und das Programm lief nur von 17 bis 22 Uhr. Und dann hatten wir drei deutsche Kanäle mit einem tollen Kinderprogramm, erklärt er uns. Das war der Grund, dass er so gut deutsch lernte. Wir quatschen noch Zeitchen über dieses und jenes; dann lässt er uns weiter packen und racken.

                                    Stef fährt zurück in den Ort, um Essen zu kaufen, denn fürs Abendessen sind wir leider zu spät gekommen. Auf dem Hof wird anscheinend genau kalkuliert und portionsweise gekocht. Ich räume derweil weiter ein und mach’s mir danach auf der Terrasse zum Schreiben bequem. Was für ein herrlicher Blick auf diese zauberhaften Wiesen hier. Ich pflück mir erst mal nen roten Augustapfel, er schmeckt köstlich, koch mir nen Kaffee und will grad so richtig ins Schreibheft versinken, da ist Stef auch schon wieder zurück. Huch, das ging schnell. Wo ist die Zeit hingeflogen? An so einem Ort vergisst man sie nachhaltig.


                                    Zeit fürs Essen, der Hunger stand schon mehrmals auf der Schwelle, wurde aber abgewiesen. Jetzt lässt er sich nicht mehr mit Ausreden ködern, wir müssen kochen und zwar gleich. Während Stef mit unserer Outdoorpfanne saftige Steaks brät, schnippel ich uns derweil einen leckeren Salat zurecht.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 15.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,66 MB ID: 3086336
                                    Dann essen wir fürstlich im Abendsonnenschein.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 14.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,41 MB ID: 3086342
                                    Und so hindern wir leere Bierdosen am Wegfliegen.
                                    Denn es stürmt noch immer recht mittelprächtig.


                                    Dann tingeln wir noch mal los Richtung Meer. Ein kurzer Spaziergang durch weizenblonde Getreidefelder – die Dänen bauen hier offenbar Mischkulturen an, Weizen und Roggen zusammen – schon sind wir wieder unten am Meer.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 16.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,75 MB ID: 3086338

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 17.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,55 MB ID: 3086344Genauer gesagt an der Steilküste, auf dem Gendarmenstien wieder. Der Abzweig zum Hof ist mit einer Bank markiert, da steht Klosterstien drauf. Und also hatte ich Recht, nun gut mit der Sekte vielleicht nicht unbedingt, aber: Der Tisch, die Glocke, die Kammern, die malerischen Rastplätze allerorten – das Gehöft ist ne Herberge für Pilgerwanderer, die hier auf dem dänischen Jakobsweg laufen. So findet sich eines zum anderen. Ich erinnere mich übrigens genau an die Bank, denn wir sind heute schon einmal an ihr vorbeigefahren. Ich weiß sogar noch, dass ich neugierig war und den Weg zwischen den Weizenfeldern hochfahren wollte, um zu schauen, welches Kloster sich denn hier verbirgt. Aber letztlich taten wir es nicht, es lag nicht auf unserem Weg und die Steigung war mir zu happig.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 18.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,45 MB ID: 3086347Jetzt sitzen wir hier auf dieser Bank und ich frage mich: Konnten wir ahnen, dass wir in ein paar Stunden nur an diesen verzauberten Ort zurückkehren werden? Konnten wir? Ich frag mich das immer in solchen Momenten und manchmal schwingt ganz leise die Antwort in mir: Wir hätten gekonnt. Wir hätten…

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 19.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,83 MB ID: 3086346Der Sturzguss hat uns hierher zurückgeführt. Der Ort wollte von uns nicht unbeachtet bleiben. Was für ein Glück, dass wir bleiben durften.

                                    Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 14 8 20.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,92 MB ID: 3086345
                                    Wir schlendern zurück in unsere Hütte – die heißt übrigens Augustin – und fallen ziemlich bald schwer und erfüllt ins Bett.
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                                    Zuletzt geändert von Sylvie; 27.10.2021, 00:10.

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                                    • Flachlandtiroler
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                                      • 14.03.2003
                                      • 30246
                                      • Privat

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                                      #19
                                      Zitat von Sylvie Beitrag anzeigen
                                      Hoch oben an der Steilküste, weit und verwegen über dem Meer schlängelt sich der Pfad nun von Steilhang zu Steilhang.
                                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht Name: 14 8 5.jpg Ansichten: 0 Größe: 6,22 MB ID: 3086331
                                      Der Weg ist sandig, waldig und wurzelig. Wir fahren vorsichtig hier und auch bergab immer langsam, denn hinter der nächsten Kehre könnte der Abgrund nah sein. Im Zweifel schieben wir und genießen im Laufen umso mehr die grandiose Aussicht auf ein wildes, dunkles, dräuendes Meer.

                                      Was für ein Weg! (Noch jetzt, beim Schreiben, zwei Monate später komme ich ins Schwärmen.)
                                      ACK. Kann es sein das ist das kleine Küstenwäldchen bei Kettingskov?
                                      Spoiler: Da ist IIRC auch ein Übernachtungsplatz des Gendarmenstien.

                                      Ich war gelegentlich mal im Nachbarort und das war so der einzige Platz weit und breit mit richtig begeisternder "Landschaft". (Aus mir wird nie ein DK-Fan... )
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                                      • Ljungdalen

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                                        • 28.08.2017
                                        • 3270
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                                        #20
                                        OT:
                                        Zitat von Flachlandtiroler Beitrag anzeigen
                                        Ich war gelegentlich mal im Nachbarort und das war so der einzige Platz weit und breit mit richtig begeisternder "Landschaft". (Aus mir wird nie ein DK-Fan... )
                                        +1. Sieht aus wie bei mir "nebenan" (in MV). Also schon schön, sonst würde ich da nicht wohnen, und (Fahrrad-)Touren mache ich da - also bei mir - auch, aber einen ganzen Urlaub...? Muss schon *richtig anders* sein (Felsen - d.h. nicht nur Kreide oder sowas, (noch) menschenleer(er)...)


                                        Aber schöner Bericht, verfolge ihn mit Interesse. Vielen Dank.

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