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Weil meine Freundin dieses Jahr leider nicht ganz fit war, ich aber trotzdem gern wandern wollte, zog ich am Ende allein los. Nicht zu weit sollte es sein, und möglichst auch nicht zu kalt. Die Gegend um Rogen hat mir auf einer früheren Tour schon sehr gut gefallen. Warum also nicht noch mal da hin?
09.09.2020
Ich reise über Arlanda an. Von dort soll es über Mora mit Zug und Bus nach Grövelsjön gehen. Leider gibt es Probleme mit irgendwelchen Weichen, so dass mein erster Zug schon über eine Stunde Verspätung hat. Da sind die Anschlussverbindungen natürlich schon weg. Aber zum Glück hat SJ einen guten Service, so dass mich eine von ihnen gestellte Taxifahrt (mit einem Festpreis von 4500 SEK die teuerste meines Lebens) am Ende schneller als der ursprünglich gebuchte Bus zur Fjällstation bringt.
Es ist kalt und windig, als ich für die erste Nacht mein Zelt auf dem Campingplatz der Fjällstation in Grövelsjön aufbaue. Eigentlich hätte ich auch noch abends losmarschieren können, aber mich reizt ein vernünftiges Frühstück und eine warme Dusche.
10.09.2020
Das war eine gute Entscheidung! Heute geht es sauber und gestärkt los. Es ist kalt (unter 5 Grad) und windig, aber sonnig, als ich losgehe. Zunächst stiefele ich den Hang hoch. Ich will über den Storvätteshågna Richtung Spångkojan. Der Wind drückt mich immer wieder zur Seite, aber ich komme gut voran.
Bei der Brücke am Övre Fosksjön fülle ich meine Flasche nach, und dann geht es gleich den Storvätteshågna hoch. Ich fühle mich fit und steige stetig auf. Man kann schön auf die Seenkette von Särsjön und Hävlingen blicken.
Eigentlich hatte ich mir eine Rast am Santesonstjärnen vorgestellt, doch als ich oben bin, ist es dermaßen windig, dass ich nur noch schnell weiter will. Der Wind schlägt mir schlecht verzurrte Rucksackriemen von hinten ins Gesicht. Und auf dem Santesonstjärnen rollen Wellen samt Schaumkronen ans Ufer. Bei anderen Witterungsbedingungen ist dies sicher ein schöner Rastplatz, aber nicht heute. Also laufe ich zügig weiter. Der Abstieg durch das herbstlich leuchtende Fjäll ist durchaus schön. Hier verstehe ich erst, dass ich wieder in der Natur und auf Tour bin. Es stellt sich ein gewisses Hochgefühl ein.
Kurz vor der Spångkojan reißt ein Schnürsenkel meines Schuhs. Das hatte sich abgezeichnet, kam aber am ersten Tag doch etwas früher als erwartet. Ich trotte noch bis zur Hütte und wechsele erstmal die Schnürsenkel. (Ich hatte zum Glück vorab für Ersatz gesorgt.) Eigentlich war die Hütte mein Minimalziel für den ersten Tag. Doch es ist erst 15 Uhr. Nach kurzer Rast beschließe ich, weiterzugehen.
Ich gehe an der Höhe 892 entlang Richtung Slagufjället. Es geht stetig bergan. Eigentlich ist es nicht steil, aber meine Kräfte haben schon etwas abgenommen, so dass ich mich wundere, wie mühsam mir der Aufstieg fällt. Kurz vor der Rengärde wollte ich ursprünglich weglos schnurstracks nach Norden zur Störrödtjärnstugan gehen. Aber das Terrain sieht mir zu mühsam aus. Stattdessen folge ich nun dem Weg Richtung Hävlingen. Dummerweise bekomme ich nun Knieschmerzen. Ein leichter Schmerz ist mir nicht unbekannt, er geht meist schnell wieder weg. Heute jedoch scheint der Schmerz stärker zu sein. Aber was kann man schon machen? Mühsam setzte ich Schritt vor Schritt, zirkuliere durch grasüberwachsene Steine. Aber es wird nicht besser. Ich brauche also einen Platz für das Nachtlager. Die in der Karte eingezeichnete Hütte und der Windschutz gefallen mir nicht. Ich quäle mich also weiter, runter bis zum Töfsingen. Aber auch da finde ich keinen guten Zeltplatz am Ufer. Es ist mir zu nass. Außerdem ist das Ufer verschilft, und ich hätte gern einen direkten Frischwasserzugang. Am Ende baue ich mein Zelt erschöpft neben der Schutzhütte auf. Die Nacht ist still. Sehr still. Kein Lüftchen geht. Fast etwas unheimlich. Ich schlafe schnell ein.
11.09.2020
Am Morgen bewege ich mein Knie vorsichtig. Es ist tatsächlich etwas besser geworden. Aber jetzt schmerzt zusätzlich ein Band auf dem rechten Fußrücken. Mal sehen, wo das hinführt. Ich tape noch die Anfänge von Blasen und breche auf. (Blasen bekomme ich immer in den ersten Tagen, aber durch regelmäßige Pflege mit Hirschtalgcrème bekomme ich sie in den weiteren Tagen meistens in den Griff.) Meine Strategie bei körperlichen Wehwehchen ist eigentlich immer: ignorieren. So viele Optionen gibt es schließlich nicht. Tourabbruch oder weiterlaufen. Und ein Tourabbruch bedeutet ja meistens auch noch weiterlaufen. Jedenfalls lautet mein Fazit zum ersten Tag: Du hast dich wohl doch etwas übernommen.
Die Nacht im Fjäll war frostig. Ich bin froh, dass ich sie geschützt in niedrigeren Lagen verbracht habe. Die Sonne scheint, und ich breche gut gelaunt auf. Kurz vor der Abzweigung nach Slagusjön bleibe ich einfach stehen und lausche. Es ist totenstill. Man hört nichts. Außer das Rauschen des Blutes in den eigenen Ohren. Eine Weile lasse ich diese große Stille auf mich wirken, dann setze ich meinen Weg andächtig fort.
Beim Aufstieg zum Slagusjön bin ich vielleicht deshalb noch in Gedanken. Ich schaffe es tatsächlich kurz, die Wegmarkierungen zu verlieren. Orientierungslos laufe ich hin und her. Das kann doch nicht so schwer sein, einem markierten Wanderweg zu folgen! Nach kurzem Suchen finde ich den Weg zum Glück wieder. Die Sonne scheint, und ich trage mich schon mit dem Gedanken, beim Slajusjön ein Bad zu nehmen. Doch als ich oben ankomme, weht dort ein eisiger Wind, der mir alle Badegedanken schnell austreibt. Beim Windschutz treffe ich einen schwedischen Rentner, der an seinem 76. Tag durch Schweden zieht. Ich glaube, der Start war in Abisko. Ich bin ziemlich beeindruckt. Wenn das nicht tolle Aussichten für die Rente sind...
Nach kurzem Plausch wünschen wir uns gegenseitig eine gute Tour, und ich laufe weiter Richtung Störrödtjärnstugan. Als ich dort ankomme, begrüßt mich eine freundliche Hüttenwartin durch ein geöffnetes Fenster. Leider pfeift der Wind so laut, dass wir uns nicht verstehen können. Also kommt sie nach draußen, und wir reden kurz. Sie fragt etwas besorgt, ob ich noch bis zur Rogenstugan will. Ich entgegne, dass ich ein Zelt dabei habe und heute nicht bis dorthin kommen muss. Das scheint sie zu beruhigen. Sie empfiehlt die Gegend beim Windschutz am südlichen Zipfel des Rogensees als Zeltplatz. Wir verabschieden uns, und ich ziehe weiter.
Nun folgt ein wirklich schöner Streckenabschnitt. Unterschiedliche Landschaftstypen wechseln sich bis nach dem Tandsjövålen auf relativ kurzer Strecke ab. Von knorrigem Wald, Sumpf und Seen bis Kahlfjäll ist alles dabei. Auch der empfohlene Zeltplatz ist sehr schön, aber ich will noch ein bißchen weiter.
Kurz nach dem Windschutz verliere ich tatsächlich schon wieder die Wegmarkierung. Das Gelände ist zwar etwas unübersichtlich, und manche Markierungen sind ausgewaschen. Aber ich bin doch einigermaßen überrascht, dass mir das schon zum zweiten Mal auf dieser Tour passiert. Tagträume ich zu viel?
Für den Abend ist Regen angekündigt, und als ich den Tandsjövålen hochsteige, ist das Wetter doch etwas ungemütlich. Der Wind ist sehr stark und hat Wolken herangetrieben, die die Sonne inzwischen komplett bedecken. Beim Aufstieg muss ich mein leichtes T-Shirt gegen ein Fleece tauschen, weil ich sonst empfindlich an Wärme verlieren würde. Der Wind erlaubt oben nur eine kurze Rast, er drückt mich immer wieder kräftig aus meiner Spur. So wird selbst das Fotografieren zur Aufgabe.
Hier oben zu zelten muss bei gutem Wetter ein Traum sein. Es ließen sich vermutlich phantastische Sonnenauf- oder -untergänge beobachten. Aber das Gelände ist nicht sehr eben, und Wasser scheint es auch nicht zu geben. Ich möchte hier jedenfalls nicht bleiben und hoffe auf geschütztere Plätze in tieferen Lagen.
Während meines Abstieges windet es gut weiter, zusätzlich zieht es sich weiter zu. Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es, mein Zelt nahe des namenlosen Sees direkt am Wanderweg aufzubauen. Ich wasche mich noch kurz im See, und schon tröpfelt es. Im warmen Schlafsack genieße ich mein Essen und freue mich, dass ich es trocken bis hierher geschafft habe.
12.09.2020
Ich bin früh wach, die Sonne geht gerade auf. Der Regen hat sich verzogen, so dass ich gleich zusammenpacke, um das gute Wetter zu nutzen.
Ich wandere zunächst durch den Wald nach Käringsjön. Von dort weiter am Handskinnvålen entlang Richtung Skedbrostugan. Der Weg ist am Anfang noch einfach, und mir kommen mehrere Menschen entgegen, die vermutlich auf dem Rückweg zu ihren Autos sind. Aber der Abschnitt vor der Skedbrostugan ist recht beschwerlich und zieht sich ganz schön hin. Der Weg führt durch große Felsbrocken, die Markierungen sind zum Glück gut zu sehen, ein ausgetretener Weg ist allerdings nicht immer erkennbar.
Immer wieder erwarte ich hinter der nächsten Wegbiegung das Zusammentreffen meines Wanderweges mit demjenigen, der von Hamra bzw. Tänndalen kommt, aber immer wieder ist es noch nicht so weit. Als ich dann endlich am Skedbrosjön ankomme, bin ich ganz schön erschöpft. Obwohl es erst ca. 13 Uhr ist, beschließe ich, hier mein Lager zu errichten. Ich nutze schnell die Abwesenheit von stärkerem Wind und springe in den saukalten See. Das tut gut, ist aber grenzwertig kalt für eine solche Ganzkörpereinlage. Es dauert eine Weile, bis mir wieder warm wird. Ich schlage mein Zelt auf und trödele rum. Gegen 17 Uhr kommt ein kräftiger Schauer, der mein Zelt mit Hagelmatsch bedeckt. Zum Glück ist der Schauer nur kurz und der Hagel taut bald weg.
13.09.2020
Die Nacht war kalt, der Morgen danach ist es auch, aber er ist herrlich sonnig. Meinem rechten Fuß geht es leider immer noch nicht besser, und auch das linke Knie meldet sich immer wieder. Ich habe mich inzwischen darauf eingestellt, dass der Schmerz auf dieser Tour wohl nicht mehr ganz weggehen wird. Es gilt von daher nur, den richtigen Zeitpunkt für einen Abbruch nicht zu verpassen. Aber zunächst möchte ich weitergehen, es versuchen, so lange es geht. Ich ziehe mich warm an, und gegen 8 Uhr bin ich auf dem Weg. Zunächst an der Skedbrostugan vorbei, dann Richtung Skedbrofjället und Rr 146. Ich schreite gemächlich durch eine morgendliche Ruhe, die mich ganz gelassen macht. Einige Schwäne auf einem namenlosen See registrieren mich zwar, aber lassen sich auch nicht aus der Ruhe bringen.
Der Aufstieg ist nicht so steil und wirklich schön bei diesem Wetter. Der Blick weitet sich immer mehr über die Seen auf der schwedischen Seite.
Langsam kommt der Rentierzaun in Sicht, und auf der norwegischen Seite zeigt sich eine andere, deutlich kargere Seenlandschaft.
Kurz vor dem Zaun lagert eine Rentierherde, die ich durch meine Anwesenheit störe. Ich verlangsame meinen Schritt und bleibe oft stehen. Doch irgendwann ist der Fluchtmechanismus aktiviert, und trotz ihrer Neugierde weicht die Herde langsam aus. Nur ein Albino bleibt noch vor mir mitten auf dem Weg stehen und guckt mich neugierig an. Ist er der Chef? Ich entschuldige mich brav für die Ruhestörung, und langsam gibt er den Weg frei. Dann passiere ich den Rentierzaun. Direkt danach fallen Schüsse. Die werden doch wohl nicht mir gelten? Ich gehe davon aus, dass es nur Jäger sind und ziehe weiter. Dabei frage ich mich, auf welche Tiere hier wohl Jagd gemacht wird. Ich gehe langsam den Hang hinunter und genieße die karge Landschaft bei bestem Wetter.
Es geht stetig hinab zu der Seenplatte, und ich komme gut voran. Kurz vor der Weggabelung verliere ich den Weg schon wieder! Zwar führt ein ganz passabel markierter Weg durch das Gelände. Aber es verlaufen hier teils parallel viele weitere Pfade, die teilweise besser ausgetreten sind. Ich laufe mehrfach hin und zurück, steige auf und ab, und am Ende finde ich den richtigen Weg wieder. Er führt unmarkiert durch eine sumpfige Wiese, vermutlich aufgrund des Mangels einer Stelle, an der man die Markierung hätte anbringen können. Das hat mich etwas Zeit und Nerven gekostet! Nach der Gabelung steige ich nach Gråvola auf. Die Sonne scheint weiter von einem wolkenlosen Himmel, und ich komme ganz gut ins Schwitzen. Und so bin ich froh, nach einiger Zeit wieder in den Wald zu gelangen, wo die Sonne nicht ganz so stark ist. Bald komme ich schon in der Gegend um die Seen Langeggtjørnane an. Der Weg schlängelt sich hier direkt am Seeufer oder auf einem Damm zwischen den Seen entlang. Die Landschft gefällt mir ausgesprochen gut, und der Weg ist wirklich attraktiv.
Leider verschlechtert sich hier die Situation mit meinen Knie- und Fußschmerzen. Ich überlege schon, hier mein Zelt aufzuschlagen, um eine Notrast oder gar Notübernachtung einzulegen. Schöne Plätze gibt es hier zuhauf. Aber irgendetwas treibt mich weiter, obwohl ich schon müde bin, und der Schmerz bei jedem Schritt stärker wird. Aus irgendeinem Grund quäle ich mich weiter bis zu dem länglichen namenlosen "See" südöstlich der Weggabelung nach Røvollen. Hier schlage ich mein Zelt auf, wasche mich und meine Kleidung und ruhe mich aus.
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