[GB] "Och, scheiß Urlaub!" - Schottisches Tourtage

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  • Christian J.
    Lebt im Forum
    • 01.06.2002
    • 9424
    • Privat

    • Meine Reisen

    #41
    uuuppps, jetzt hab ich den Thread aus Versehen wieder nach vorne geholt. Ich wollte damit aber gar nix sagen... :wink: :wink: :wink:
    "Er hat die Finsternis der Latrinen ertragen, weil in der Scheiße nach Mitternacht sich manchmal die Sterne spiegelten"
    Durs Grünbein über den Menschen

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    • jasper

      Fuchs
      • 02.06.2003
      • 2456
      • Privat

      • Meine Reisen

      #42


      Das muss ja wirklich ein Versehen gewesen sein! Aber mir geht es ja auch oft so, man passt einen Moment nicht auf und dann ist es schon geschehen! :wink:

      MfG,

      Jasper
      www.backcountry-hiking.de
      ... unterwegs in der Natur

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      • bubu
        Fuchs
        • 28.07.2002
        • 1348

        • Meine Reisen

        #43
        Das passiert, wenn man ein wenig Zeit und Muße hat und entdeckt, dass es eine eigene Kategorie für Reiseberichte gibt im Forum:



        Tag des siebten Sonnenaufgangs – Samstag, 9.8.03


        -Geschichten für das Forum schreiben oder einer muss immer leiden-

        Mitten in der Nacht, um genau zu sein 5 Uhr in der Früh, schellt unser Wecker. Wir müssen aufstehen, um rechtzeitig vor den Mücken zu fliehen und bevor die Sonne sich reckt, einen kleinen Teil unserer Strecke zu schaffen. Wir freuen uns schon beim Aufstehen auf eine lange Mittagspause.
        Doch bevor es losgeht, verteilen wir aus Versehen noch etwas Wasser im Zelt. Chris schmeißt den Wassersack um und die leckere Flüssigkeit gräbt sich in meinen Schlafsack. Dann spiele ich den Tollpatsch: Die Cornflakes-Packung hat ein Loch und lauter kleine braune Körner kullern herum. Nun sieht unser Zelt aus wie eine Bühne, auf der sich eben noch tausend schnuckelige Hasen tummelten, die ihre Geschäfte nicht zurückhalten konnten.
        Die Mückenplage ist trotz der angenehmen Morgenstille wieder so extrem, dass wir beschließen, unsere Zähne und den restlichen Körper in der Mittagspause zu säubern.
        Für eine verlassene Gegend wie hier ist die Straße, auf der wir gehen, sehr befahren. Das Wetter stimmt uns heiter – die Sonne lacht, aber nicht zu laut, weil der Himmel mit Wolken übersäht ist und ab und an weht Wind.
        Unsere erste Pause machen wir unter einer Felswand (Creag a´ Chaise). Von dort aus beobachten wir, wie die Autos an den „Passing Places to Permit Overtaking“ vorbeisausen. Chris macht auf seiner Fotoexkursion eine bemerkenswerte Entdeckung, während ich in aller Ruhe, unter der Felswand, Käse mit Brot verspeise: Er entdeckt ein Schild, auf dem steht in etwa: Vorsicht Steinschlag! Wir lachen nur, blicken an dem Baby-Felsen empor und essen weiter.
        Eine zweite Pause halten wir an einem Fluss im Wald ab. Wunderschönes Plätzchen zum Relaxen und Waschen. Und was wäre ein wunderschönes Plätzchen ohne unsere Freunde?! Freunde sind immer bei einem und so wundern wir uns gar nicht erst, dass sie auch an diesem Ort schwirren – Mücken.
        Der Weg führt uns weiter am Loch Huorn entlang – wir oben, Wasser unten. Wir genießen den Ausblick auf die um uns liegenden Berge, die sich weit durch das Land erstrecken, und reden nebenher über Gott und unsere Welt. Hüben und drüben wachsen fremdartige Gräser, die sich im Wind wiegen und in diesen Sekunden wünsche ich mir einen ahnungsvollen Fachmann herbei, der uns über die Flora dieser Gegend aufklärt. Denn nichts ist schlimmer als Unwissenheit!
        Eine dritte Pause machen wir mitten auf der Straße. Vorbeifahrende Autos und deren Insassen grüßen uns warmherzig. Für mich ist es noch immer ungewöhnlich, dass der Beifahrer nicht aus dem Fenster gucken kann, weil er fahren muss.
        Nicht richtig einschätzen können wir das Wetter. In Deutschland hätte es längst zu regnen begonnen, alles weist darauf hin – Wind, graue, dicke Wolken, zunehmende Luftfeuchte. Doch noch brauchen wir die Regenkleidung, nicht auspacken.
        Weil wir nur auf der Straße laufen, beginnen die Füße zu schmerzen. Der öde Asphalt lässt uns nicht nur schneller vorankommen, nein, er birgt auch eine gewisse Gefahr in sich, den Abend mit dem Abbinden von Blasen zu verbringen. Aber wir hätten es auch anders haben können, denn eine Frau (mit zwei Kindern plus Hund) fragt uns, ob sie uns nicht bis zum nächsten Ort transferieren soll. Wir lehnen dankend ab, weil wir uns unser Abendbrot ehrenvoll verdienen wollen.
        Chris entdeckt in der Pause eine Zecke an seinem Bein und brennt sie fachmännisch mit dem Feuerzeug heraus, bevor er weiter daran herumfriemelt.
        Auf unserem weiteren Weg entdecken wir ein altes Gemäuer, was wohl aus der Eisenzeit stammt. Bei einer kurzen Rast spüren wir das heilige Flair dieses Ortes, das uns Kraft und Hoffnung gibt. Obwohl dieser Platz so einladend wirkt und uns beinahe drängt, unser Zelt hier aufzuschlagen, beschreiten wir den für uns bestimmten Weg weiter. Mit der Hoffnung, die eingezeichnete Bothy zu finden.
        Der Weg liegt keineswegs abseits der Zivilisation. Vielmehr tangiert er diese direkt – er führt durch eine Häuseransiedlung, die wie ein Hippiedorf wirkt. Freundliche Menschen, die stetig grüßen, ein Gefühl von Unabhängigkeit und Abgeschiedenheit, unordentliche Gärten, verschrobene Häuser.
        Wir wollen unsere Hoffnung bestätigen lassen und fragen nach, ob es die Bothy nach ihrer Meinung gibt. Dann die bittere Wahrheit – sie bezweifeln es. Somit finden wir uns mit einer weiteren mückenreichen Nacht ab, wir sind schließlich in der Wildnis, wo uns kein Luxus geschenkt wird. Zu unserer tollen Stimmung kommt ein sich gemächlich weiter zuziehender Himmel hinzu. Vorsichtshalber ziehen wir unsere Regenkleidung an, wobei wir uns ein bisschen lächerlich vorkommen und unsere Laune wieder steigt. Wenn man Chris in diesem Aufzug in dieser Gegend betrachtet, kann man nur fröhlich und lustig werden: Er schaut aus wie ein kleiner Reinhold Messner, kurz davor, den „Kili“ zu besteigen. Mit Gamaschen und Wanderstiefeln bewaffnet, laufen wir schließlich weiter.
        Nach einem anstrengenden Anstieg und der Reue, Regenkleidung zu tragen, bietet sich uns ein romantisches Panorama. Wir blicken auf entfernt nahe Hügel, die uns mächtig anstarren. Aufgrund der Bodenfeuchte scheinen sich jedoch hier auch die Mücken zu vermehren. Beute. Hier sind sie Beute, Opfer, genau wie wir. Denn hier gibt es Frösche! Zahlreiche kleine quakende Geschöpfe springen uns über die Füße, auf der Jagd nach saftigem Fleisch.
        Schafe rennen vor unseren Augen. Von weitem erblicken wir eine Hütte. Vermutlich ein Schafstall oder gar ein Wohnhaus? Aber mitten hier draußen in der freien Natur? Kügelchen von der verdauten Nahrung der Schafe zeigen uns den Weg und führen uns wie Hänsel und Gretel einem unbestimmten Ziel näher.
        Einen Meter vor der Hütte, während Chris unter eigensinnigen Geräuschen die Tür aufstößt, lese ich ein Wort an der blauen Tür. Ein Wort mit so viel Bedeutung für uns in diesen Augenblicken: B.O.T.H.Y. ! Ich könnte weinen! Das bedeutet mir so viel – eine Nacht ohne Mücken. Natürlich denke ich gleich an Chris` versprochene Worte. Sei unsere Übernachtungsstätte eine annehmbare Bothy, so legen wir einen Ruhetag ein. Also! Morgen bis mittags schlafen, mückenfrei, gemütlich.
        Unseren Abend verbringen wir selig mit dem Essen, Lachen und Hüttenbucheintragen. Chris sucht mit der Taschenlampe seine Taschenlampe, das Essen blubbert auf dem Kocher (es gibt Reis mit Fleisch und Pizzataler) und wir diskutieren mal wieder über die Rollenverteilung von Mann und Frau. Denn während Chris in der Begleitung abertausender Mücken im kalten Flusswasser das dreckige Geschirr spült, sitze ich in der behaglichen Hütte und schreibe verträumt Tagebuch, damit das Forum unsere Geschichten lesen kann.



        ENDE Teil 4...
        Werde der Held deines eigenen Lebens.

        \"Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst.\" (anatole france)

        http://pro-regenwald.de

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        • Andreas
          Erfahren
          • 12.10.2003
          • 231
          • Privat

          • Meine Reisen

          #44
          Hallo Bubu,

          Erst einmal kompliment, super Bericht.

          Habe diesen Thread das erste mal gestern abend gelesen und war echt enttäuscht das das Ende fehlte aber Du hast es ja tatsächlich doch noch geschaft den letzten Teileurer Reise niederzuschreiben. Muß zugeben, hätte nach dieser Zeit nicht mehr damit gerechnet.

          Sobald ich die Fotos fertig habe, werde ich auch mal meine Tagesberichte aus Chile (Patagonien) reinsetzen

          Andreas (dersichwünschtauchsogutschreibenzukönnen)

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          • bubu
            Fuchs
            • 28.07.2002
            • 1348

            • Meine Reisen

            #45
            Ich will in den Urlaub!!!!!!



            Tag des achten Sonnenaufgangs – Sonntag, 10.8.03


            -Wo ist „Alter Tobi“?-

            Wie Gott es befohlen hat, folgen wir seinem Rat und legen am siebenten Tag der Woche einen Ruhetag ein. Wir stehen unvermeidlich früh auf – elf Uhr. Draußen blökt etwas, was wie ein erwachsenes Schaf klingen will. Hört sich an, als würde ein Mensch versuchen, Tiergeräusche nachzuahmen.
            Chris brutzelt schon die zweite Packung Eierkuchen und freut sich einen Ast, dass sie ihm so gut gelingen. Berechtigt! Den Beruf des Eierkuchenbäckers hat er ja vom Forum schon verpasst bekommen. Wir haben zusätzlich, weil Zeit, Schokolade kleingebröselt und Chris verteilt sie in der Teigware. An dieser Stelle kommt die brennende Idee zustande, ein Outdoor-Kochbuch zu schreiben. Die komplizierte Beschreibung, wie man Tomatenmark gleichmäßig und kontrolliert auf Fertiggerichte schmiert.
            Wenn ich aus dem Fenster blicke, tut sich mir ein Bild auf, das nicht mal van Gogh hätte besser malen können. Das sind die Highlands, wie ich sie mir erträumt hatte. Schön geformte Hügel, pflanzenbewachsen und schäfchenstandhaft. Die Sonne, die alles in einem Licht erscheinen lässt, das Optimismus verbreitet.
            Optimistisch gehen wir auch an unsere Tagesaufgabe heran: Waschen! Es ist nahezu alles perfekt. Die Sonne erlaubt uns ein angenehmes Bad und der Wind hilft uns beim Trocknen der nun duftend gezauberten Wäsche. Wir spannen vor dem Haus eine Rebschnur zwischen unsere Trekkingstöcke und hängen darauf die nasse Wäsche. Sagenhafte dreizig Minuten später sind die meisten Kleidungsstücke vollständig getrocknet!
            Am Fluss waschen wir auch noch das restliche Geschirr auf und bestaunen Chris` Pfanne. Die bleibt wohl eine ewige Erinnerung an die leckeren Pfannkuchen-Stunden. Chris will sie sich nach der nächsten Tour an die Wand nageln.
            Das ist schon eigenartig. Wir sind von dieser Tour noch gar nicht zurück, stecken quasi noch inmitten eines nicht enden wollenden Abenteuers – und dennoch schwirren in unseren Köpfen schon zahlreiche Ideen für neue Ausflüge herum. Es gibt auf dieser Welt, auf diesem Kontinent noch so viel zu entdecken, dass man sich gar nicht recht entscheiden will und kann, wohin man zuerst reist. Aber wir genießen jeden Augenblick – selbst den winzigen Moment, in dem die Sonne über die Berge blickt oder das Schaf Mäh! blökt.
            Christian macht sich am späten Nachmittag auf, um unsere (Ruhe)Tagesstätte und deren Umgebung zu fotografieren. Er hat eine Ski-Hose oder so etwas an und trägt über den Trekkingstiefeln Gamaschen. Ich sehe von weitem nur seinen Kopf, er hockt nämlich mitsamt der Fotoausrüstung im dichten Gras, inmitten all der Häufchen der Schafe. Und er pfeift. Pfeifen...ein Zeichen, dass es uns gut geht. Wir sind satt (haben frühzeitig geabendbrotet: Käsenudeln mit Milchpulver), sauber, die Wäsche wedelt noch immer im seichten Wind, hier draußen sind deswegen auch keine Mücken, und wir spüren ein Freiheitsgefühl, mit dem man gar nicht recht umzugehen weiß, weil es so fremdartig ist.
            Ich verfasse einen englischsprachigen Eintrag in das Hüttenbuch: „Giraffe meets ant“, das sagt schon alles. Ich gewöhne es mir an, in jedes Hüttenbuch eine Kurzgeschichte bzw. einen Dramenausschnitt zu schreiben, irgendwohin muss man schließlich mit all den Fantastereien, die einem hier draußen in der freien Wildbahn in den Sinn kommen. Manchmal ist es wie eine Sucht, das Schreiben!
            Die Aussage, Sonntage seien heilig, kann ich heute nicht abstreiten. Eigentlich ist jeder Tag heilig, aber dieser heute besonders. Es ist so ein „Ich-sage-dir-danke-für-alles“ – Tag. Danke, dass es dich gibt, danke, dass es die Sonne gibt, danke für die Schafe, die Luft zum Atmen...einfach für alles. Es ist dieses Glücksgefühl, was man selten im Alltag verspürt.
            In meinen Überlegungen unterbrochen entdecke ich eine menschliche Gestalt, die sich der Bothy nähert. Es ist ungewohnt, etwas Bewegliches, was kein Schaf und kein sich im Wind wiegendes Gras ist, zu erspähen. Er scheint weiterzulaufen. Nein, sie kommt näher. Er will hier schlafen. Oder? Moment. Augen zusammenkneifen. Mann? Frau? Beides? Es sind drei Leute. Zwei Männer und eine Frau, die mutig hinterher stapft. Sie nisten sich bei uns ein.
            Während ich draußen die Frische genieße, wuseln alle im Haus herum. In der oberen Etage. Ich hoffe nur, dass sie nicht nachgibt und das ganze Hüttchen zusammenbricht. Sind ja doch einige Kilos, die dort oben lagern. Es ist eh kein leichtes Spiel, mit dem Gepäck die Leiter heraufzukommen, die ins obere Geschoss führt. Knirsch, knarr.
            Beim Einnehmen des zweiten Abendbrotes komme ich mir endlich wie ein waschechter Hobbit vor. Aber nicht wie ein fauler Hobbit! Heute vielleicht, aber nur heute. Wir sind heute nur bis zum Bach gelaufen. Das sind etwa 15m bis hin. Wenn man dann noch bedenkt, wie oft wir zum Bach gelaufen sind...man mag bestimmt auf einen halben oder gar ganzen Kilometer kommen!!!
            Also ein richtiger Hobbit-Tag – fehlt nur noch „Alter Tobi“ und die Sache wäre perfekt.
            So ein Ruhetag verführt dazu, dumme Gedanken zusammenzuspinnen und über bestimmte Dinge des Lebens nachzudenken. Und wenn man in solchen Situationen keinen Stift und keinen Zettel bei sich trägt, wird man verrückt.
            Wir unterhalten uns noch ein wenig mit den Fremden und gehen bald schlafen.



            ENDE Teil 5...




            @Andreas
            Ist ja noch gar nicht fertig...Wir waren zwei Wochen unterwegs. Es kann sich also noch eine Weile hinziehen.
            Werde der Held deines eigenen Lebens.

            \"Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst.\" (anatole france)

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            • bubu
              Fuchs
              • 28.07.2002
              • 1348

              • Meine Reisen

              #46
              Nachschub!!!! *fleißigsei*



              Tag des neunten Sonnenaufgangs – Montag, 11.8.03


              -Qualvoller Weg in die Zivilisation-

              Aufstehen, gemütlich frühstücken, merken, dass die eigenen Cornflakes alle sind. So kann ein Tag beginnen, der heimlich verspricht, spannend zu werden. In der Gesellschaft von ein paar tanzenden Mückenfreunden brechen wir auf, kehren unserer Zweitagesstätte den vollbepackten Rücken zu. Die Sicht ist hervorragend, wir können das ganze Tal überblicken. Und obwohl die Sicht so gut ist, verfolgen wir einen Weg durch einen Wald, der plötzlich und ganz unverhofft im Nichts endet. Deshalb müssen wir uns durch das Gestrüpp kämpfen und nebenher noch einen Aufstieg bewältigen.
              An einer alten Ruinen rasten wir. Unwissend, dass wir gleich einen gefährlichen Weg beschreiten müssen. Erfahrenen oder sogar Chris mag dieser Weg leicht begehbar, nahezu lächerlich vorkommen, aber ich hatte – im Nachhinein betrachtet – sehr viel Angst und musste innerlich mutig sein.
              Es folgt also dieser Anstieg von 110m auf etwa 460m. Allerdings verläuft der Weg nicht senkrecht und schön gleichförmig nach oben, sondern wir folgen ihm seitlich auf einem Hügelrücken. Ich meine, wir haben unseren Weg verloren, aber in Chris` Augen verlieren wir ja nie den richtigen Pfad, sondern finden höchstens einen noch besseren (siehe auch Zitatsammlung). Weit unter uns schlängelt sich der Fluss, der sich seinen Weg durch das Tal bahnt. Mir kommen Worte aus dem Herrn der Ringe in den Sinn: Geht nur um einiges fehl und die Gemeinschaft wird scheitern, so in der Art. So fühle ich mich auch gerade. Nur ein Fehltritt und schwupp, der schweigsame Weg verwandelt sich in eine blumige Rutschbahn und dann folgt der langatmige Sturz in die Tiefe und schließlich der nette Aufprall im Flussbett. Stille! Solche Gedanken kreisen einem in diesen Momenten im Kopf herum. Und dabei soll man sich noch konzentrieren können! Halt suchen können wir nur im Moos und in den wilden Pflanzen, deren Namen ich gar nicht mehr wissen will in diesen Augenblicken. Am besten funktioniert das Vorankommen, wenn man die Trekkingstöcke ablegt und auf allen Vieren kriecht.
              Dann noch die brennende Idee: Ein Foto von jedem in dieser traumhaften Stellung! Da uns eine Stelle des Hanges sehr gut gefällt, weil der Weg dort besonders gefährlich wirkt, vollführen wir erst noch einen mühseligen Platzwechsel. Immer mit bedachten Blicken und mit Respekt vor dem Flussbett unten in der Tiefe des Abgrunds.
              Oben stoßen wir wieder auf den eigentlichen Pfad. Ich schreie meine Entdeckung freudig Christian entgegen, der aufgrund seines massigen Gepäcks oder eines anderen undurchschaubaren Grundes nicht auf allen Vieren kriecht und somit langsamer vorwärts kommt. Die letzten Meter verlaufen durch sonniges Gebiet auf einer Art Hochebene. Steinig, grasbewachsen, Bächlein, die unseren Weg kreuzen, sichtbare Wildspuren.
              Auf dem „Gipfel“ machen wir eine wohlverdiente Pause mit Sicht auf einen Bergsee, der ungelogen eine rechteckige Form trägt. Und während wir darüber sinnieren, ob der See unecht und angelegt oder echt und naturgegeben ist, verspeisen wir unseren gesamten Vorrat an Müsliriegeln.
              Dieses Gebiet, so scheint es, hat einen ganz anderen Charakter als bisher gewohnte Gegenden.
              Aber die Umgegend ist uns beim Abstieg ziemlich egal. Mir zumindest. Denn dieser Abstieg ist heftig! Die Knie schmerzen und der Kopf auch, weil die Sonne jetzt grausam auf uns prallt und wir scheinbar dem Schatten hinterherlaufen oder er vor uns wegläuft. Meine Füße und Chris` Schultern tun weh. Eine Pause an einem Bach mildert ein wenig die Pein, obwohl sie eher, aufgrund der Mückenfreinde (kein Schreibfehler!), zum Albtraum statt zur Erholung tendiert.
              Nach wenigen Stunden erreichen wir Shiel Bridge, das eigentliche Ende unserer geplanten Tour. Dort stoßen wir direkt auf eine Mülltonne und können somit unseren ganzen Kram entsorgen – nein Chris, Finn fliegt nicht in die Tonne!!! Im ortseigenen Super-Tante-Emma-Markt stocken wir unseren Essvorrat auf: Nudeln, Suppe, Müsliriegel, Käse, Käse, Käse, Knäckebrot, Apfelkuchen. Dabei wird der Hunger nicht unbedingt kleiner.
              Dann begeben wir uns auf die Suche nach einem Telefon und einer Info. Dabei stoßen wir auf ein Hotel, in dem wir nachfragen, wann und wo denn der Bus von hier abfährt. Der Mann faselt irgendwas auf Englisch, dem ich nicht länger folgen kann. Allerdings, so habe ich verstanden, meint der Mann, der Bus halte überall, man müsse nur die Hand herausstrecken und dann stoppt der Bus. Wir können dieser Erklärung nicht so recht Glauben schenken und wollen bis Freitag abwarten, was uns das Schicksal so beschert.
              Der Weg zum Zeltplatz zieht sich über ein bis zwei Kilometer und bietet nur Asphalt. Wir tragen Gamaschen, bei Hitze! Und so ausgerüstet erreichen wir den Zeltplatz und stehen zwischen Dauercampern und Menschen mit Auto im Schlepptau inmitten der englischen Zivilisation.
              Mückenfrei bauen wir unser Zelt auf. Und wieder die perfekte Rollenverteilung: Chris kocht unser Abendessen und ich gehe duschen. Dann die gerechte Strafe für mich – während Chris ins Bad geht, hält der Wind inne und die Mücken nahen sogleich. Und somit sitze ich inmitten des unsauberen Geschirrs und werde zerbissen. Aber was ist das schon gegen die Qualen, die Chris bisher erleiden musste!!!



              ENDE Teil 6...






              Mit freundlichen Grüßen,
              sue.
              Werde der Held deines eigenen Lebens.

              \"Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst.\" (anatole france)

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              • Christian J.
                Lebt im Forum
                • 01.06.2002
                • 9424
                • Privat

                • Meine Reisen

                #47
                einfach nur goil, der Bericht. War schon 'ne lustige Tour.


                Und falls sich jemand über die Gamaschen wundert: Das war querfeldein der Nassgrass- und Zeckenschutz. Auf Wegen hatten wir die nicht dran. Das ging mit meinen Gore-Gamaschen trotz Hitze ganz gut. Wenn ihr mal richtig was zu lachen haben wollt, dann schreib ich mal meine Erkenntnissse bzgl. Ausrüstung auf... Insider kennen die Zahl, die manche Menschen in 2 Wochen Schottland auf dem Rücken schleppen.

                Christian
                (sich auf die Fortsetzung freuend)
                "Er hat die Finsternis der Latrinen ertragen, weil in der Scheiße nach Mitternacht sich manchmal die Sterne spiegelten"
                Durs Grünbein über den Menschen

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                • Speedwurm
                  Erfahren
                  • 01.02.2004
                  • 399
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #48
                  Hi,

                  wann kommt die Fortsetzung??

                  Heiko (wartend :wink: )

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                  • bubu
                    Fuchs
                    • 28.07.2002
                    • 1348

                    • Meine Reisen

                    #49
                    Wenn die Abi-Prüfungen vorbei sind, widme ich mich wieder wichtigeren Dingen. :wink:


                    sue
                    Werde der Held deines eigenen Lebens.

                    \"Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst.\" (anatole france)

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                    • Christian J.
                      Lebt im Forum
                      • 01.06.2002
                      • 9424
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #50
                      Zitat von bubu
                      Wenn die Abi-Prüfungen vorbei sind, widme ich mich wieder wichtigeren Dingen. :wink:


                      sue

                      ööööhmmmm!
                      "Er hat die Finsternis der Latrinen ertragen, weil in der Scheiße nach Mitternacht sich manchmal die Sterne spiegelten"
                      Durs Grünbein über den Menschen

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                      • jasper

                        Fuchs
                        • 02.06.2003
                        • 2456
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #51
                        ööööhmmmm!
                        Das Leben stellt einen immer wieder vor neue Pruefungen!
                        www.backcountry-hiking.de
                        ... unterwegs in der Natur

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                        • Wuddl_
                          Gerne im Forum
                          • 04.03.2005
                          • 78
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #52
                          hmmm...
                          ein sehr schöner bericht... und eigendlcih könnt es ja weiter gehen... die ABI - Prüfungen sind ja vorbei ;)

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                          • Nitrox
                            Gerne im Forum
                            • 21.12.2003
                            • 74

                            • Meine Reisen

                            #53
                            Einfach nur klasse der Bericht .Fliege am 15.8. nach Schottland und habe jetzt schon die richtige Stimmung. Bilder wären noch super !!!!

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                            • fanaticTRX
                              Gerne im Forum
                              • 06.03.2004
                              • 86

                              • Meine Reisen

                              #54
                              Wenn ich das so lese mit den Midges, kommen Erinnerungen auf - egal, auf nach SCO (Fähre 5.8.05, Letterewe ich komme)!
                              When the goin' gets tough the tough get goin'...

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                              • froschkönig
                                Anfänger im Forum
                                • 07.03.2005
                                • 15

                                • Meine Reisen

                                #55
                                hab nun also grad 3 wochen schottland ganz ohne mücken hinter mir, geht also auch ohne...
                                fotos hier: http://loman.deviant.li/gallery/0511/index.html

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                                • bubu
                                  Fuchs
                                  • 28.07.2002
                                  • 1348

                                  • Meine Reisen

                                  #56
                                  Ooh je, es ist echt schon eine Weile her - aber ich habe es einst versprochen und will mich nun daran halten. Jetzt sind nicht nur die Abi-Prüfungen vorbei, sondern ich habe derweil schon vielen anderen Blödsinn verzapft...
                                  In den folgenden Tagen werde ich den Bericht beenden. An einigen Stellen in meinem Tagebuch konnte ich mich nicht mehr recht erinnern und lasse die Tatsachen einfach so im Raum stehen. Wenn ihr Details wissen wollt, müssen wir auf Chris warten, bis er wieder kommt oder vielleicht kommt die Erinnerung allmählich wieder. Es macht jedenfalls Spaß, die Tour gedanklich durchzugehen und in Erinnerungen zu schwelgen. :P

                                  Bitte schööööööööön:




                                  Tag des zehnten Sonnenaufgangs – Dienstag, 12.8.03



                                  -Den Frauen hinter her – den Boden begutachtend zur Mäusehütte-

                                  Ein neuer Morgen. Wir erwachen zum ersten Mal seit vielen Tagen nicht in einer romantischen, verlassenen Gegend, sondern inmitten Bier trinkender, grillender Menschen, die eine ähnliche und doch so verschiedene Vorstellung haben von Urlaub wie wir. Christian nutzt die Chance und verschwindet unter die Dusche. Ich richte derweil unser Frühstück aus unergründlichen Aspekten im Zelt an – Cornflakes und mehr oder weniger frische Apfelkuchenstücke. Wir genießen die Gaben und machen uns dann auf, unsere Ausrüstung zusammenzuräumen. Unser Ziel ist die Begehung eines kleinen Rundgangs, mit Ausgangs- und Zielpunkt Zeltplatz.
                                  Im Tal treffen wir auf die (an)sehenswerten schottischen Zottelrinder, auf Schafe, Kühe und Pferde. Die Gegend erinnert an die zahlreichen Familienurlaube in Österreich und der alpine Charakter lässt das Herzchen unermesslich hoch hüpfen. Während des Gehens streiten wir ein bisschen über meinen geplanten Norwegenaufenthalt (der nie wirklich stattfand, höchstens in meinem Kopf) und lernen uns mehr und mehr kennen. Wir sinnieren über die Zaun-Problematik (siehe Zitatesammlung) und Chris betet den Himmel an, er solle doch bitte blau bleiben für ein optimales Foto.
                                  Eine deutsche Frauenwandergruppe (Wirklich, da waren nur Frauen dabei!) holt uns bei einer Müsliriegelpause ein. Aber wir folgen wenig später ihren Spuren durch alpines Gelände, in der Hoffnung, sie bald einholen zu können. Aber der Vorteil des wenigen Gepäcks der wandernden Frauen lässt sie nahezu über die Berge fliegen, während wir mehr den Boden mit all seinen entzückenden Steinen und der Flora begutachten (müssen), denn die um uns liegenden Hügel. Auf dem Gipfel (dem höchsten Punkt im Tal) holen wir sie dann doch noch ein. In einer langen, ausgiebigen Pause verspeisen wir Hauptnahrungsmittel Riegel, Knäcke (mit nur 28 kcal pro Stück) und Käse. Die bekannte Ruhe des Gipfels, die können wir nicht genießen, denn die gibt es nicht, wegen der Frauen, die laut plaudernd gestikulieren und ihren Gemeinsinn ausleben. Chris macht deshalb Fotos ohne Himmel und mein Lieblingsbild von uns beiden, mit Selbstauslöser.
                                  Bald steigen wir zu unserer angestrebten Bothy ab. Der Weg führt uns durch matschiges Gelände und die sich gebildeten Bäche führen ölige Brühe – kein Trinkwasser, aber Ungewissheit über die Bildung dieser schimmernden Schicht (Weiß jemand, was das sein könnte?). Am Nachmittag erreichen wir die Hütte, die laut Hüttenbuch bekannt ist für das Wärmen kalter Mäusebäuche. Viele Leute haben eingetragen, sie hätten Mäuse gehört in der Nacht oder kleine Schwänzchen hinter dem Schrank verschwinden sehen.
                                  Viele Mücken begrüßen uns, weil es schon wieder fast windstill ist. Aber wir huschen in den Unterschlupf und schauen durch das Fenster nach draußen und lachen die Mücken aus und strecken ihnen die Zunge entgegen.
                                  Ich sitze auf dem Dachboden und schreibe Tagebuch, während Chris sich das Hüttenbuch anschaut und dabei öfter auflacht. Ich freue mich über seine Glücklichkeit.
                                  Wir schauen beide auf, als sich von draußen Stimmen nähern. Ich nehme deutsche Wortfetzen wahr und schließe lächelnd daraus, dass es sich um Deutsche handeln könnte. Sie betreten wenig später die Hütte und sehen Chris über dem Buch sitzen. Eine fast fließend englische Unterhaltung wird entfacht, bis die zwei fremden Jungs fragen, woher Chris kommt. „Germany“ – alle lachen. Und ich hab´s gewusst, denn nur Deutsche sagen M.I.T.C.H.E.S, obwohl es M.I.E.T.C.H.I.E.S ausgesprochen wird.
                                  Chris und ich gehen später noch Wasser holen. Der Bach ist etwa 100 m von unserem Haus entfernt. Chris läuft in Trekkingstiefeln und Gamaschen und ich im Gegensatz in Sandalen (Aber hé, ich trage eine lange Hose!). Dummheit muss bestraft werden! Der Weg zum Bach sieht – wie alle schottischen Wiesen und Hügel – auf den ersten Blick befestigt und trocken aus. Moose und Gräser begleiten uns zum Bach. Ab und an versinkt Chris und es quietscht merkwürdig. Ich weiche diesen berührten Stellen dann aus und erfreue mich an meinen trockenen Füßen. Bis zu dem Punkt, an dem ich mich auf einen großen Stein hieven will. Ich rutsche widerwillig ab, blicke zu Chris, der mein Glucksen gehört hat und die Augen verdreht. „Guck lieber nicht hin“, sage ich noch schützend. Ich merke, dass mein Fuß nass und schwer ist, sehe dann aus Neugierde aber doch hin – Matsch! Matsch und vereinzelt Gras! Ich bestehe darauf, die leckere Pampe am Bach abzuspülen, aber ohne Hilfe kann ich den dicken Matschstreifen nicht überqueren, der am Bach entlanggeht. Huckeback und zu zweit erreichen wir die andere Seite, um dort unsere Füße zu säubern und Trinkwasser aufzufüllen. Ich mache mich allein auf den Rückweg (nachdem wir zusammen den Matschstreifen überqueren, was noch lustiger ist als auf dem Hinweg). Chris will noch etwas fotografieren.
                                  Etwas erschöpft, mit Wasser bepackt und mit nassem zweiten Fuß erreiche ich die Hütte. Zum Abendessen gibt es Getreidekörner mit Käsesuppe und Pilzen. Danach liegen wir noch auf dem Dachboden und lesen Hüttenbücher, schreiben Kurzgeschichten und futtern Rispinos von Uncle Bens. Im Hintergrund knabbert eine Maus an etwas herum – es bleibt nicht nur eine Maus. Wir freuen uns auf diese Gesellschaft und schlafen selig ein.



                                  ENDE Teil 7...
                                  Werde der Held deines eigenen Lebens.

                                  \"Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst.\" (anatole france)

                                  http://pro-regenwald.de

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                                  • Nitrox
                                    Gerne im Forum
                                    • 21.12.2003
                                    • 74

                                    • Meine Reisen

                                    #57
                                    Schön das es weiter geht !!!! cool

                                    Kommentar


                                    • boehm22

                                      Lebt im Forum
                                      • 24.03.2002
                                      • 8249
                                      • Privat

                                      • Meine Reisen

                                      #58
                                      Hi bubu,

                                      sehr schön - da muß ich glatt nochmal von vorne lesen.
                                      Viele Grüße
                                      Rosi

                                      ---
                                      Follow your dreams.

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                                      • bubu
                                        Fuchs
                                        • 28.07.2002
                                        • 1348

                                        • Meine Reisen

                                        #59
                                        Tag des elften Sonnenaufgangs – Mittwoch, 13.8.03



                                        -Schottisches Wetter – unser großer Tag mit dem Regengott-

                                        Mitten in der Nacht, gegen drei Uhr, wachen wir von wilden Geräuschen auf. Draußen wütet der Gott des Regens. Regentropfen prasseln auf das Wellblech dicht über unseren Köpfen und der Wind droht es zu zerreißen. Neugierig stürzen wir die Holzleiter herunter, um uns von der Wirklichkeit dieser Geräusche zu überzeugen. Wir bemerken, dass sich in der Hütte alles viel dramatischer und wilder anhört als es draußen wirklich ist. Zwar weht ein stürmischer Wind und die dicken Regentropfen befeuchten die vor uns liegenden Wiesen – aber von „Unwetter“ keine Spur. Schottisch eben.
                                        Müde kuscheln wir uns wieder in die Schlafsäcke. Am Morgen sieht ein heimlicher Beobachter nur noch unsere Nasen. Wir wollen nicht aufstehen und verkriechen uns noch mehr. Ein Blick in die Wildnis draußen verrät uns, dass uns dieses Wetter auch genau das sagen will: Bleibt liegen! Dennoch rappeln wir uns auf und beginnen den Tag mit Müsli und Cornflakes. Wir sinnieren über Menschen, die bei diesem Wetter in ihren Wohnwagen sitzen und Mensch-Ärger-Dich-Nicht spielen.
                                        Als wir losgehen, nieselt es und der Wind fegt anmutig durch das Tal. Regenhosen und Gamaschen sollen die Feuchtigkeit von unseren Leibern halten.
                                        Zunächst stapfen wir durch nasses Moos, vorbei an einer Jugendherberge mitten in der Wildnis, hinein in das sich anschließende Tal. Über unseren Köpfen braut sich eine dichte Wolkendecke zusammen, gegen die die Sonnenstrahlen keine Chance haben. „Wo komm` all die grauen Wolken he-her. Ich weiß nicht, warum ich lebe, nur dass ich am Leben bi-hin.“, singe ich vor mich hin und genieße die Dunkelheit und die bezaubernde Atmosphäre.
                                        Es ist schwer, zu gehen. Ich trotte gemütlich tropfend hinter Chris her, der den bestmöglichen Weg zu finden weiß. Mein Sichtfeld ist durch die Kapuze und die nasse Brille so dermaßen eingeschränkt, dass ich einfach nur blind hinter Chris herlaufen muss – und Gefahr laufe, im Matschloch zu landen. Langsam und vom Regen und Sturm gepeitscht wandern wir durch das wolkenverhangene Tal. Ab und an lacht uns die Sonne an und der Regen lässt sich unterdrücken. Wer weiß, was die da oben treiben?!
                                        Eine Passüberquerung würde laut Plan anstehen. Wir beschließen, sie noch heute zu meistern und irgendwo im Tal zu übernachten. Schon ziehen wieder neue Regenwolken auf – und der Wind hält inne. Das freut...nicht lange. Die Mücken tauche auf! Wir hatten sie schon ganz vergessen. Es ist traurig, dass wir an diesem schönen Ort nicht pausieren können, weil wir nur am Wedeln sind.
                                        Beim Aufstieg stolpern wir über ein Reh, das tot an der Seite liegt. Scheint, als sei es den Hang hinuntergestürzt – „Er ist in den Schatten gestürzt“, brummele ich vor mich her und versuche, theatralisch zu wirken.
                                        Beim Klettern verlieren wir wieder den Pfad und erleichtern uns den Anstieg damit keineswegs. Beinahe senkrecht stehen wir in der gras- und moosbewachsenen Wand. Links und rechts von uns tauchen rettende Gesteinsformationen auf, auf die wir uns stellen, um ein wenig Halt zu finden.
                                        Oben angekommen werden wir, wie so oft, mit einer wahnsinnig tollen Aussicht auf das gesamte Tal beloht. Alpines Gelände, versehen mit grünen, bewachsenen Flächen.
                                        Nun gilt es, einen geeigneten Zeltplatz für den Abend und die Nacht zu finden. Wir finden eine ebene Fläche, auf der wir ganz schnell unser Zelt aufschlagen. Es beginnt wieder zu regnen, und während Chris das Zelt sichert, verstaue ich das Gepäck im Innenraum, mache es mir drinnen einigermaßen gemütlich und warte. Dann warten wir beide – bis fünf Uhr. Dann gibt es den Fünf-Uhr-Tee und leckere warme Suppe aus dem Shiel Bridger Markt.
                                        Es hört sich an, als lägen wir an einer stark befahrenen Straße. LKWs und PKWs bahnen sich ihren Weg durch die Highlands. Ungeduldige Fahrer hupen und überfahren ab und an einen Fußgänger. Kinder werfen ihre Spielbälle in das Gedränge und kichern am Straßenrand. Bei einem Blick nach draußen ist da aber irgendwie nur ein großer Wasserfall – „nur“. Zu unserer Freude! Ein Wasserfall und um uns herum Gras, das vom Wind gewogen wird, und lauter grüne Hügel, deren Köpfchen in Wolken gebettet sind.
                                        Gleich wollen wir spielen. Vorher kocht Chris noch ein paar Nudeln. Er hängt mit dem halben Körper im Zelt und mit der anderen Hälfte außerhalb des Zeltes. Der Wind und der Nieselregen säuseln ihm ums Haar. Es passiert, was passieren muss. Ein zarter Windhauch säuselt auch um die Nudeln im Topf auf dem Kocher und eine sich anschließende Böe erfasst den Kocher und reißt den Topf mit den fast fertigen Nudeln zu Boden. Nun klebt etwa die Hälfte unseres Essens am und vor dem Zelt. Wir kratzen den Großteil wieder auf, sie schmecken sehr lecker. Nebenher versuchen wir zu identifizieren, welche Art Erde an den Nudeln klebt und wie man den Geschmack beschreiben kann. Das beste Gewürz ist nun mal Gras mit Dreck!
                                        Nach diesem angenehmen Schmaus spielen wir Bilder raten und Personen erraten. Chris` Bilder muss erst einmal jemand entkusseln können. Dann schlüpfen wir noch in die Rolle von Pinocchio, Kurt Tucholsky, Werther, John Lennon, Sue und einem Schaf und der Abend endet mit einem müden Gute-Nacht. Die Einsamkeit vermittelt uns den Eindruck eines nie enden wollenden Urlaubs.




                                        ENDE Teil 8...
                                        Werde der Held deines eigenen Lebens.

                                        \"Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst.\" (anatole france)

                                        http://pro-regenwald.de

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                                        • bubu
                                          Fuchs
                                          • 28.07.2002
                                          • 1348

                                          • Meine Reisen

                                          #60
                                          So, nun also der letzte Teil des Berichts.




                                          Tag des zwölften Sonnenaufgangs – Donnerstag, 14.8.03



                                          -Nur noch wenige Schritte oder wie wir uns am letzten Wandertag überarbeiten-

                                          Wie so oft in den schottischen Highlands werden wir auch an diesem Morgen von zwei blökenden Schafen wachgerüttelt – und von Chris` Handy. Die Nacht hat trotz Regen und Wind unser Zelt verschont. Wir befinden uns noch auf dem gleichen Hügel wie gestern am Abend beim Einschlafen. Jedoch weht kein Windchen und die Mücken tanzen (uns wieder auf der Nase herum). So essen wir unsere Cornflakes in gewohnter Weise im Zeltinneren.
                                          Anschließend werden auf engstem Raum die Rucksäcke gepackt und mit Mücken um den Kopf herum auch das Zelt zusammengeräumt. Nach nur ein paar Gehmetern erreichen wir den Wasserfall, der uns die ganze Nacht im Schlaf wog. Chris stellt sein Stativ auf und beginnt, ein Foto zu machen. Nach etwas einer halben Stunde drückt er auf den Auslöser und nickt zufrieden. Er meint wohl, er sei jetzt fertig, denke ich und freue mich, dass es jetzt weitergehen kann, obwohl es sehr amüsant ist, Chris beim Fotografieren zu beobachten.
                                          Auf dem Weg nach Shiel Bridge, der sich undramatisch durch das Tal aus den Highlands windet, werten wir unsere Tour aus. Sehr spaßig, aber ohne weiteren Kommentar.
                                          Aufgrund eines hübschen schottischen Zottel-Rindes mitten auf dem Weg umgehen wir den Pfad weiträumig. Gegen ein Uhr erreichen wir zweitmalig in unserem Leben den Zeltplatz in Shiel Bridge.
                                          Zelt aufbauen, duschen, Klamotten waschen. Unsinnig, ich wasche Sachen, die ich nicht mehr zum Anziehen brauche, obwohl zu Hause die Waschmaschine wartet. Zum Abendessen gibt es für jeden zwei Tüten Suppe und später Nudeln mit ganz viel Cheddar. Ich bin verliebt in diesen Käse.
                                          Wir unterhalten uns noch über Nettigkeiten der Schweiz und Schlechtigkeiten von Österreich, kochen kurz vor Mitternacht Suppe (Chris kocht und isst nur aus Gruppenzwang) und summen uns gegenseitig in den Schlaf.





                                          Tag des dreizehnten Sonnenaufgangs – Freitag, 15.8.03


                                          -Die abstoßende Großstadt-

                                          Wir stehen früh auf. Während Chris unser Zelt abbaut und den ganzen Kram auf dem Tisch auf der Wiese verteilt, unterhalte ich mich mit unserer deutschen Nachbarin, die Kulturwissenschaften studiert. Wir teilen die Sachen auf unsere Rucksäcke auf und brechen auf. Wir laufen noch ca. 1,5 km bis zur „Bushaltestelle“. Auf dem Weg treffen wir zwei österreichische Wanderer, die auf die Insel Skye wollen.
                                          Nach britischer Sitte bestellen wir unseren Bus – neben die Straße stellen, die Hand raushalten, sobald der CityLink in Sichtweite ist, dann hält er und der Fahrer steigt aus (!) und räumt unser Gepäck in den Buskofferraum. In Fort William müssen wir unerwartet umsteigen, denn die Busfahrer scheinen sehr spontan zu sein und machen den Eindruck, als haben sie selbst keine Ahnung vom Busplan, wenn denn einer existiere.
                                          Nach dem Hin- und Herladen fahren wir mit dem Bus nach Glasgow (6 Stunden Fahrt). In Glasgow laufen wir noch durch die Stadt, weil wir so viel Zeit haben, eh der Flieger geht. Die Großstadt gefällt Chris, mir jedoch missfällt sie. Ich fühle mich überfordert, was nach zehn Tagen Einsamkeit kein Wunder zu sein scheint. Der Kontrast ist so extrem, dass er mir Angst macht und ich beginne, die große Stadt regelrecht abstoßend zu finden.
                                          Wir haben Lust auf Fish&Ships. Der Verkäufer ist kurz vor dem Zusammenpacken und so bekommen wir unsere Speise vergünstigt. Mit freudigem Gesicht tollen wir durch die Straßen und futtern unser Essen – flutsch. Da rutschen mir die Ships aus der Hand und liegen vor mir auf dem Fußweg verteilt. Sogar von einer fremden Frau ernten wir mitleidige Blicke. Wir setzen uns vor die Kirche auf den Friedhof, um dort in Ruhe zu essen. Da werden wir aber nach nur fünf Minuten verjagt, weil der Pförtner die Türen schließen möchte. Der Abend naht.
                                          Redend und ruhend gammeln wir auf einem großen Platz herum, bis wir von ein paar kleinen (!) Kindern angeredet werden, ob wir denn Drogen hätten. Auch nach einem Nein lassen sie uns nicht in Ruhe und stören unseren Frieden. Wir ziehen traurig von dannen, weil uns der Platz gut gefallen hatte.
                                          Ein Bus fährt uns am späten Abend kurz vor Mitternacht zum Flughafen, wo wir die Nacht hindurch bleiben und warten.






                                          Tag des vierzehnten Sonnenaufgangs – Samstag, 16.8.03


                                          -Kein Gate will uns mitnehmen-

                                          Gegen Mittag geht der Flieger nach London. Dort essen wir letztmalig britische Sandwich, die nur bis 16.8. haltbar sind.
                                          Auf unserer Boarding Card steht, wir müssen zum Gate 3I – wir erkennen die zweite Ziffer als Trennlinie und fahren mit dem Zug zum Gate 3. Ich kaufe mir eine heiße Schokolade, möchte sie dort trinken, aber der Verkäufer gibt mir nur einen Mitnehm-Becher. Ich ärgere mich kurz und ahne noch nicht, dass es besser so ist. Wir setzen uns also vor das Gate 3 und warten auf unseren Flieger. Wir wundern uns, dass zwanzig Minuten vor dem Abflug noch immer keine Menschenseele da ist, um uns zu begrüßen oder um mit uns zu fliegen. Chris geht sich mit seinem besseren Englisch erkundigen und kommt nach wenigen Sekunden eilig zurück gerannt. Er hat erfahren, dass wir zum Gate 31 müssen (3I). Wir fahren eilig zum Gate 31. Am Bildschirm steht jetzt aber, dass er von Gate 34 fliegt. „Last Calling. Final Calling“. Wir rennen zum anderen Gate und stellen fest, dass Ryanair auf uns gewartet hat. Ein Mann hängt am Telefon und sagt, als er uns erblickt, „Okay, they are here now.“.
                                          Mit Adrenalin im Blut setzen wir uns auf unsere Plätze und schauen uns zufrieden lächelnd an. Als der Flieger abhebt kuschele ich mich in meinen Sitz und irgendwie auch ein Stück an Chris.




                                          ENDE
                                          Werde der Held deines eigenen Lebens.

                                          \"Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst.\" (anatole france)

                                          http://pro-regenwald.de

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