[ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

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  • OutofSaigon
    Erfahren
    • 14.03.2014
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    [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

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    Die meisten Artikel in diesem Forum handeln von Touren der letzten zehn Jahre oder so, aber hier schreibe ich von einer Tour im Jahr 1987. Das war noch die Zeit vor der Digitalfotografie; damals kam noch nicht jeder von jedem Sonntagnachmittagsausflug mit 200 Fotos zurück, sondern allemal mit zwei oder drei; denn jedes einzelne Foto kostete ja Geld. So müßt ihr entschuldigen, daß ich von jener gescheiterten Dschungelexpedition mehr mit Worten als mit Bildern berichte. Überdies sind meine Dias von damals nach jahrzehntelanger Lagerung in den Tropen jetzt auch nicht mehr das, was sie einmal waren ...

    Ich arbeitete damals in West Sumatra, also der indonesischen Provinz, die zu beiden Seiten des Äquators an Sumatra´s Westküste liegt. Hier liegt auch der mittlere Abschnitt des Gebirges, das sich an der gesamten Westküste entlangzieht und auf Indonesisch „Bukit Barisan“ genannt wird. Es ist ein Faltengebirge mit zahlreichen Vulkanen und Kraterseen. Sein höchster Gipfel ist 3800m hoch, aber die meisten haben nur knapp 3000m. Einige davon habe ich in jenen Jahren bestiegen, und so steht in diesem Forum mittlerweile mein Bericht von der Besteigung des Talamau.

    Als eine ganz besondere Herausforderung erschien mir aber immer, einen sehr abgelegenen alten vulkanischen Kratersee in den Bergen zu erreichen. Er wird „Laut Tinggal“ genannt, da bedeutet so viel wie „das zurückgebliebene Meer“. Dieser Kratersee liegt fast unzugänglich im Dschungel auf etwa 1900m Höhe. Ich hatte ihn auf Luftbildern und daraus hergestellten topografischen Karten gesehen; Google Earth und dergl. war ja damals noch völlige Utopie. Heutzutage kann aber jeder diesen Kratersee ausmachen; er liegt auf 0°28'30"N und 99°39'45"E, also ganz knapp nördlich des Äquators.

    Ich hatte damals schon einige Erfahrung im Trekken durch den weglosen Dschungel und schätzte, daß man den See wohl in etwa zwei Tagen erreichen könnte, ausgehend vom nächstgelegenen Dorf, südwestlich des Sees. So ging es an die Vorbereitung. Ich konnte meinen Kollegen Bernd dafür begeistern, sich an dieser Expedition zu beteiligen; mit allen Risiken, die ein Trek in einen völlig unbekannten Bereich tropischen Regenwalds damals mit sich brachte.

    In den Achtziger-Jahren war diese ganze Region (der westliche Teil des Bezirks Pasaman) noch sehr wenig entwickelt, wild und urtümlich, gerade erst erschlossen durch die erste vernünftige Asphaltstraße (die übrigens durch deutsche Entwicklungszusammenarbeit zustande gekommen war). Ansonsten sah die einzige andere Hauptstraße damals so aus:

    Na, und wenn schon die Hauptstraße der Region so aussah, dann könnt ihr euch vorstellen, wie erst die Nebenstraßen beschaffen waren ...

    Mehr Fotos und einführende Schilderungen findet ihr in meinem Bericht von der Besteigung des Talamau.


    Die Expedition zum Laut Tinggal begann damit, daß wir mit einem Jeep in die Nähe des Berges fuhren und uns dann mit Motorrädern in das genannte Dorf (Situak) bringen ließen. Ihr seht es auf dem Satellitenbild auf 0°22'52"N und 99°35'15"E. Damals war diese Fahrt an sich schon ein kleines Abenteuer; die gute Straße, die ihr auf dem modernen Satellitenbild seht, existierte 1987 natürlich noch nicht. Bei schlechtem Wetter war der Weg eigentlich nur noch zu Fuß begehbar und selbst mit einem Geländemotorrad nur schwer zu befahren.

    In Situak übernachteten wir im Haus des Bürgermeisters auf dem Holzfußboden, denn es gab natürlich keinerlei gewerbliche Unterkunft. Das war aber OK; denn wir hatten selbstredend Matten mitgebracht (und natürlich auch ein Zelt). In Situak heuerten wir auch vier Leute an, die uns auf diesem geplanten Dschungeltrek begleiten sollten. Das hatten wir nicht vorab tun können, denn es gab ja kein Telefon oder sonstige Möglichkeit der Telekommunikation. Unter den Dorfbewohnern gab es durchaus welche, die schon des öfteren in diesem Bereich des Dschungels gewesen waren: zum Sammeln von Waldprodukten, insbesondere von Rotan (auf diese Pflanze komme ich noch zu sprechen). Wir einigten uns also auf eine Vier-Tage-Expedition. Wir nahmen einen Sack Reis mit, Trockenfisch, Chilisoße, Tee, Kochgeschirr und Feuerzeug. Unsere Leute packten ein paar Plastikplanen ein, um daraus eine primitive Hütte zum Schlafen zu bauen, und vergaßen natürlich auch nicht das Allerwichtigste: ihre Macheten.

    So ging es dann am folgenden Tag los. Wir marschierten erst in nordöstlicher Richtung durch die Felder. Heute sind in diesem Bereich Ölpalmpflanzungen und gute Fahrwege, damals waren es nur Felder von Bergreis und kleine Fußpfade, auf denen wir nicht schneller voran kamen als vielleicht 2km pro Stunde.

    So erreichten wir nach etwa zwei Stunden einen Fluß, über den es natürlich keinen Steg gab. Wer hätte auch im Dschungel von Sumatra einen Steg für die Herren Wanderer aus Deutschland bauen sollen? So hieß es: Schuhe und Hosen aus – und durch!


    Entschuldige, Bernd, daß ich dich hier in der Unterhose zeige!

    Die Flußdurchquerung muß auf etwa 0°24'58"N und 99°35'53"E gewesen sein. Mittlerweile gibt es über diesen Fluß eine kleine Brücke, gebaut zum Abtransport der Palmölfrüchte, die nun auch auf der dorf-abgelegenen Seite des Flusses angebaut werden; ihr seht diese Brücke auf 0°25'23"N und 99°36'35"E.

    Wenn ihr jetzt auf das Satellitenbild schaut, denkt ihr bestimmt, daß es von dieser Flußdurchquerung bis zum Laut Tinggal eine relativ kurze Wanderung sein müßte. Das täuscht aber sehr. Lest weiter!

    Wir marschierten noch ein ganze Weile durch Trockenfelder. Einen Eindruck davon, wie diese damals aussahen, gibt euch das folgende Foto:


    Nach wohl rund weiteren zwei Stunden Marsch betraten wir dann den Primärwald, also den noch fast völlig ungestörten tropischen Regenwald, der damals wohl noch weiter den Hang herunter reichte als heute.


    Allerdings kamen wir nicht sehr weit, denn es fing bald an zu regnen. Zwar ist die Haupt-Regenzeit in Sumatra von Oktober bis April, und wir waren im Mai unterwegs, aber in diesem Bereich Indonesiens muß man immer mit Regen rechnen, und so begann es denn auch. Es mag etwa 14 Uhr gewesen sein. „Regen“ ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck, denn ein Tropenregen ist in den meisten Fällen eher ein „Gießen“. In den ersten paar Minuten hält das Blätterdach den Guß noch zurück, aber dann kommt er eben doch. In großer Eile suchten wir in diesem hängigen Gelände nach einer einigermaßen flachen Stelle und fanden auch eine, auf der wir unser Zelt aufstellen konnten. Unsere Leute hackten mit ihren Macheten schnell ein paar junge Schößlinge ab und bauten daraus mit der Geschwindigkeit der geübten Waldläufer ein einfaches Gestell, über das sie ihre Plastikplanne spannen konnten. Damit waren die Unterkünfte für die Nacht fertig.

    Am Spätnachmittag kochten unsere Leute im Regen einen Topf Reis, und wir aßen diesen, gewürzt mit Chilisoße und Trockenfisch, als Abendessen. Anschließend konnten wir nichts weiter tun als ins Zelt kriechen und dort dem Regen lauschen.

    Ihr glaubt gar nicht, wie dunkel es auf dem Boden des Dschungels ist. Das dichte Blätterdach läßt kaum Licht durch. So wachten wir am nächsten Morgen wohl erst etwa um 7 Uhr auf. Unsere Leute hatten wieder einen Topf Reis gekocht, und diesen, gewürzt mit Chilisoße und Trockenfisch, aßen wir zum Frühstück. Dann bauten wir, so rasch wir konnten, das Lager ab und gingen weiter.

    Im Primärwald kommt man eigentlich ganz gut voran; er ist keineswegs so undurchdringlich, wie der kleine Moritz das vielleicht von seinen Eltern erzählt bekommt. Im Dämmerlicht unter dem dichten Blätterdach versuchen die jungen Pflanzen, so schnell wie möglich nach oben zu wachsen und treiben dabei kaum nach den Seiten aus. So kann der Waldläufer zwischen diesen „Stangen“, die selten dichter stehen als im Ein-Meter-Abstand, ganz gut durch gehen. Aufgehalten wurden wir allerdings von dem sehr rutschigen Boden: der Lehm war vom Regen der vergangenen Nacht (oder vergangenen Nächte) natürlich noch glitschiger geworden, als er mit Sicherheit ohnehin schon war. Unsere Leute, eben geübte und erfahrene Waldläufer, bewegten sich allerdings in ihren billigen Gummischlappen wesentlich sicherer als Bernd in seinen Sportschuhen und ich in meinen Bergstiefeln, trotz der tollen Profilsohle.

    Erstaunlicherweise erinnere ich mich nicht an größere Probleme mit Blutegeln, die den Urwald in dieser Höhenlage (300-1500m) eigentlich zu Abertausenden bevölkern sollten. Ebenso habe ich auf dieser Tour (und auch den anderen im Dschungel von Sumatra) kaum Tiere gesehen. Allenfalls hört man sie. In den Morgenstunden vernahmen wir regelmäßig die klangvollen Rufe der Siamang-Affen (größeren Verwandten der Gibbons, die ihr aus dem Zoo kennt). Hin und wieder hörten wir im oder über dem Blätterdach das Geräusch der schwerfällig-langsamen Flügelschläge von Nashorn-Vögeln. Das war eigentlich schon fast alles, abgesehen vom Zirpen verschiedener Zikadenarten.

    Im Laufe des Vormittags kamen wir mit zunehmendem Höhengewinn recht schnell wieder aus dem Primärwald heraus. Es wurde lichter, und damit begann das Elend. Wo das dichte Blätterdach fehlt, wachsen in Bodennähe Tausende von Pflanzen, und diese bildeten in diesem Bereich das allerschlimmste Dickicht, das ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. Schaut euch die folgenden Bilder an:





    Wir alle hackten mit aller Kraft mit unseren Macheten. Dennoch war kaum ein Durchkommen. Sich einfach hindurch zu drängen, war auch keine Option, denn dieses Dickicht bestand ganz und gar aus dornen- und hakenbewehrten Pflanzen, an denen Kleidung, Kopfbedeckung und Rucksäcke ständig hängen blieben. Und ich sage euch: diese Widerhaken waren sehr belastungsfähig, und wenn man nicht seine ganzen Sachen zerfetzen wollte, mußte man immer wieder erst leicht zurück gehen, um sich „auszuhaken“. Nicht nur Rucksäcke, Klamotten und Kopfbedeckung blieben ständig hängen, auch unsere Gesichter und Arme waren voller blutiger Kratzer. Es war einfach furchtbar, und wir kamen pro Stunde wohl kaum ein paar hundert Meter voran.

    Diese meisten dieser Pflanzen gehören zur großen Familie der Palmen, wie auch der Rotan. Diese Palmenarten bilden selbst keine tragfähigen Stämme, sondern nur lange Schößlinge, die aber an der Unterseite kräftige Widerhaken besitzen. Mit diesen Widerhaken verankern sie sich an irgendwelchen festeren Pflanzen und ranken sich dann, buchstäblich „Zug um Zug“, an jenen empor in die lichteren Höhen. Diese langen Schößlinge sind sehr faserig und elastisch, weswegen man aus Rotan ja auch ganz gute Möbel bauen kann, vor allem Sessel, Sofas und dergl., für die das Material gebogen wird. Alles gut und schön, aber für den Trekker ist ein solches Dickicht die Hölle.

    Zu allem Überfluß begann es wiederum bald nach Mittag zu gießen. Und wir hatten kein Blätterdach mehr über uns! Die Suche nach einem auch nur einigermaßen akzeptablen Platz für unser Camp gestaltete sich schwierig und zeitraubend, und so waren wir bis auf die Haut klatschnaß, bevor unser Camp stand.




    GPS gab es ja noch nicht, und ich hatte nur meinen barometrischen Höhenmesser, um ungefähr abzuschätzen, was unsere Position sein könnte. Allem Anschein nach waren wir noch reichlich weit vom Laut Tinggal entfernt, wobei „reichlich“ natürlich an unserem total mickerigen „Marsch“-Tempo gemessen werden mußte.

    Wir waren nun zwei Tage unterwegs gewesen und hatten, logischerweise, etwa die Hälfte unseres mitgebrachten Proviants verbraucht. Nach meiner Schätzung hätten wir aber mindestens einen weiteren Tag bis zum Laut Tinggal gebraucht, so daß aus der Vier-Tage-Expedition eine Sechs-Tage-Expedition geworden wäre (dabei die letzten beiden Tage ohne Essen - hmmm ...).

    Wir berieten uns und kamen zu dem Schluß, daß wir die Expeditionen wohl ohne den gewünschten Erfolg abbrechen mußten. Das Laut Tinggal war einfach noch zu weit entfernt. Meine guten Leder-Bergstiefel waren mittlerweile total durchgeweicht. Theoretisch waren sie „wasserfest“, aber wenn einem, fast wie in der Dusche, das Wasser am Körper herab rinnt und von innen in die Stiefel läuft, dann verliert der Begriff „wasserfest“ seinen Sinn.

    Eine gewisse Ironie lag darin, daß auch unser Trinkwasser knapp wurde. Zwar hörten wir in der Ferne einen Bach rauschen, aber weiß Gott, wie lange wir gebraucht hätten, um den zu erreichen (wie gesagt, man kam in diesem Dickicht ja kaum ein paar hundert Meter pro Stunde vorwärts). So sammelten wir das Regenwasser, das von den Blättern herab lief. Zum Abendessen gab es einen Topf Reis, gewürzt mit Chilisoße und Trockenfisch.

    Auch am dritten Tag war es morgens erst einmal einigermaßen trocken. So konnten wir vor der Umkehr wenigstens noch ein Erinnerungsfoto von unserem Camp und unserer Mannschaft machen:


    Hier seht ihr noch einmal die Dornen an den Palmschößlingen, die uns das Vorwärtskommen so gräßlich erschwert hatten:




    Zum Frühstück gab es einen Topf Reis, gewürzt mit Chilisoße und Trockenfisch. Dann traten wir den Rückweg an. Durch das dichte Gestrüpp behindert, kamen wir bergab nicht viel schneller voran als bergauf, aber um die Mittagszeit dieses dritten Tages hatten wir doch wieder den Wald erreicht.

    Ihr könnt sicher erraten, was kurz danach passierte. Richtig: es begann zu gießen. Die relativ flache Stelle, an der wir am ersten Tag unser Zelt aufgebaut hatten, fanden wir nicht wieder, obwohl wir eigentlich den gleichen Weg zurück gingen. So blieb uns nichts anderes übrig, als ein Notcamp aufzuschlagen. Unsere Männer waren geschickt wie immer: rasch schlugen sie ein paar junge Stangen ab, sorgten dafür, daß in rund 1,50m Höhe Astgabeln waren, legten dort hinein eine Firststange und warfen dann eine Plastikplane über dieses „Gerüst“. Dann kochten sie das Abendessen: einen Topf Reis, gewürzt mit Chilisoße und Trockenfisch.

    Zum Schlafen breiteten wir unter dem Plastikdach nur unsere Matten aus. Allerdings wären wir auf dem hängigen Gelände natürlich ständig auf diesen Matten herunter und damit aus dem Schutz des Plastikdaches heraus gerutscht. So hackten unsere Leute ein paar Holzpflöcke ab, zwei Stück pro Person, und rammten diese in den weichen Boden. Darauf stellten wir dann unsere Füße und blieben so die Nacht durch im Trockenen. „Trocken“ ist hierbei relativ zu verstehen, denn erstens waren unsere gesamten Klamotten naß, und zweitens herrscht im regennassen Dschungel eine Luftfeuchtigkeit von schätzungsweise 90%. Dennoch kamen wir irgendwie durch die Nacht.

    Am vierten Tag, nach einem Frühstück von Reis, wie üblich gewürzt mit Chilisoße und Trockenfisch, gingen wir dann weiter durch den Wald hinunter. Einer unserer Waldläufer schlug eine Liane ab, und wir tranken das daraus in erstaunlicher Menge heraus laufende Wasser. Meine Lederstiefel waren naß und sauschwer geworden, alle meine Socken waren naß, und die Haut meiner Füße war aufgeweicht. Bernd und ich schleppten uns nur noch dahin, immer wieder ausrutschend. Unseren Waldläufern ging es aber nicht schlecht: sie marschierten in ihren billigen Gummischlappen ganz erstaunlich sicher. Übung macht eben den Meister.

    Den oben genannten Fluß mußten wir natürlich auch auf dem Rückweg wieder durchqueren, und dann ging es durch die Felder zurück ins Dorf Situak. Dort angekommen, war ich total geschafft. Meine schönen deutschen Bergstiefel, die sich in den Hohen Tauern so bewährt hatten, begannen sich aufzulösen, und ich ließ sie daher im Dorf zurück.

    Wie genau wir dann weiter kamen, ist meiner Erinnerung mittlerweile entfallen, aber irgendwie erreichten wir natürlich wieder die Zivilisation: erst die Hauptstraße in der Küstenebene, dann unsere Projekt-Feldstation, etwa zwei Autostunden entfernt, und später die Provinzhauptstadt Padang.


    EPILOG

    Bernd´s und meine Expedition zum Laut Tinggal war also eindeutig gescheitert. Irgendwie könnte ich sagen, es wäre die schlimmste Tour meines Lebens gewesen (bisher jedenfalls), aber irgendwie war es in seiner ganzen Irre auch ein tolles Erlebnis, und ich habe viel davon gelernt für meine darauffolgenden Dschungeltreks.

    Die Anstrengungen anderer, das Laut Tinggal zu erreichen, wurden durch unser Scheitern aber erst richtig angestachelt – das ist ja oft so im Leben. Einige Monate später machte sich ein anderer Deutscher (Jochen) auf, um als Voraus-Trupp für eine größere Gruppe einen Weg zu schlagen. Er kam natürlich an das gleiche Dickicht wie wir und schlug dort sein Camp auf. Anschließend begann er, einen Pfad durch das Dickicht zu hacken. Er hackte und hackte und hackte, acht Stunden lang. Dann war es Nachmittag, und er kehrte wieder in sein Camp zurück. Dieses erreichte er auch in rund 15 Minuten. Er war also mit seinem ganzen achtstündigen Hacken wohl kaum einen Kilometer voran gekommen!

    Trotz aller Widrigkeiten erreichte eine andere Truppe im folgenden Jahr das Laut Tinggal und machte Fotos dort. Das Laut Tinggal wird überragt von einem Kraterrand, auf dessen höchstem Punkt die Reste eines trigonometrischen Punktes aus der holländischen Kolonialzeit zu finden sind (oder jedenfalls damals waren). Die Holländer hatten sich also schon in den Dreißigerjahren bis dorthin durchgeschlagen – alle Achtung! Im Internet findet ihr einige (wenige) weitere Fotos vom Laut Tinggal.

    Laut Internetquellen lebt in Indonesien übrigens ein älterer Deutscher, der von sich behauptet, er sei der einzige noch lebende Weiße, der das Laut Tinggal gesehen hätte. Das ist aber Aufschneiderei.
    Zuletzt geändert von OutofSaigon; 12.08.2017, 06:46.

  • gearfreak
    Erfahren
    • 30.01.2010
    • 278
    • Privat

    • Meine Reisen

    #2
    AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

    Sehr schön erzählt, danke!

    Kommentar


    • rumpelstil
      Alter Hase
      • 12.05.2013
      • 2701
      • Privat

      • Meine Reisen

      #3
      AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

      Auch ich habe den Bericht sehr gerne gelesen. Danke für's Einstellen!

      Kommentar


      • 0001
        Erfahren
        • 10.11.2013
        • 107
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

        Vielen Dank für den netten Bericht

        Ich möchte mal wissen, wieso ich plötzlich so einen Appetit auf gekochten Reis, gewürzt mit Chilisauce und Trockenfisch habe. Komisch. Muss wohl schwanger sein.


        VG Robert

        Kommentar


        • Pfadsucher
          Anfänger im Forum
          • 05.10.2014
          • 23
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

          Ihr hättet mal mich mitnehmen sollen; ich hätte euch beim Pfadsuchen geholfen (ob ich einen Pfad gefunden hätte, ist eine andere Frage - das Dickicht sieht ja ziemlich furchtbar aus).

          Selbstironie beiseite: ein schöner kleiner Bericht! Mal was anderes als "die üblichen Verdächtigen" (Alaska, Patagonien und Nepal).

          Sehe ich da den Autor im Rückblick auf diese Tour und beim Schreiben dieses Berichts leicht schmunzeln?

          Kommentar


          • spaetzuender
            Anfänger im Forum
            • 18.09.2014
            • 17
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

            Zitat von Pfadsucher Beitrag anzeigen
            Mal was anderes als "die üblichen Verdächtigen" ...
            Ich glaube, mein Freund, du überschätzt den "Appetit" dieses Forums auf "mal was anderes als die üblichen Verdächtigen".

            Dies ist eben primär ein Forum von Nordland-Liebhabern, wo ein Nutzer sich selbst "maniac" (=Besessener) nennt (sic!) und das meiste, was südlich der Alpen liegt, nur verschwommen wahrgenommen wird.

            Ein bißchen schade eigentlich ...

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            • OutofSaigon
              Erfahren
              • 14.03.2014
              • 382
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

              Zitat von spaetzuender Beitrag anzeigen
              ... wo das meiste, was südlich der Alpen liegt, nur verschwommen wahrgenommen wird ...
              Naja, ich bemühe mich ja schon, die mehr äquatornahen Gefilde auf den "Bildschirm" dieses schönen Forums zu bringen. Hoffentlich schaffe ich es, noch ein paar Beiträge zu liefern. Andere dürfen sich auch gerne "hervortun"...

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              • Karliene
                Feldherrin
                Alter Hase
                • 08.03.2009
                • 3211
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

                Zitat von spaetzuender Beitrag anzeigen
                Ich glaube, mein Freund, du überschätzt den "Appetit" dieses Forums auf "mal was anderes als die üblichen Verdächtigen".

                Dies ist eben primär ein Forum von Nordland-Liebhabern, wo ein Nutzer sich selbst "maniac" (=Besessener) nennt (sic!) und das meiste, was südlich der Alpen liegt, nur verschwommen wahrgenommen wird.

                Ein bißchen schade eigentlich ...
                Klingt ein bißchen gestänkert... meinste nicht? Ich zitiere mal eine(n) UserIn in einem anderen Faden sinngemäß: Wenn die bestehenden Reiseberichte nicht gefallen oder interessieren kann man sich selbst mit einem beteiligen.
                Die Länder-Vielfalt der Berichte hier hängt immer von den Leuten ab die Berichte schreiben.

                Aber Danke an OutofSaigon für den Beitrag
                "Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist." Walter Kempowski - Schriftsteller (1929 - 2007)

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                • Intihuitana
                  Fuchs
                  • 19.06.2014
                  • 2043
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

                  Zitat von OutofSaigon Beitrag anzeigen
                  Naja, ich bemühe mich ja schon, die mehr äquatornahen Gefilde auf den "Bildschirm" dieses schönen Forums zu bringen. Hoffentlich schaffe ich es, noch ein paar Beiträge zu liefern. Andere dürfen sich auch gerne "hervortun"...
                  Also ich lese deine Berichte liebendgerne.

                  Norden interessiert mich nicht die Bohne, dafür alles was südlicher des Mittelmeeres liegt und da sind deine Berichte echt ein Segen.
                  Russian Roulette is not the same without a gun. - Lady Gaga

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                  • Gast-Avatar

                    #10
                    AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

                    Zitat von spaetzuender Beitrag anzeigen
                    Dies ist eben primär ein Forum von Nordland-Liebhabern, wo ein Nutzer sich selbst "maniac" (=Besessener) nennt (sic!) und das meiste, was südlich der Alpen liegt, nur verschwommen wahrgenommen wird.
                    Und was sieht man im Profil.

                    Dieser User hat noch keine Reiseberichte geschrieben ...
                    Es fällt immer wieder auf, dass die größten Meckerer der Reiseberichte, selber keine schreiben.

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                    • Trampelpfad
                      Gerne im Forum
                      • 08.02.2015
                      • 68
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

                      Vielen Dank für deinen Bericht.
                      Jetzt besteht mein Abend darin, deine anderen Berichte zu lesen

                      Kommentar


                      • berniehh
                        Fuchs
                        • 31.01.2011
                        • 2408
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

                        Herrlich, solche alten Berichte von früheren Reisen finde ich immer wieder interessant.
                        Ich kann mir auch gut vorstellen wie dicht der Wald gewesen sein muss. Das erinnert mich an meine Tour auf den Gunung Leuser 2001. Auf der Normalroute bin ich hoch, es gab da sogar einen Pfad, trotzdem war das Vorwärtskommen extrem langsam und ich musste sehr oft auf den Knien kriechen
                        Meinen ursprünglichen Plan vom Gipfel aus weglos auf der anderen Seite runter zur Westküste zu steigen konnte ich also vergessen Bin daher den gleichen Weg wieder zurück, zwei Wochen hat der Trek gedauert und ich hab keine Leute gesehen.
                        www.trekking.magix.net

                        Kommentar


                        • OutofSaigon
                          Erfahren
                          • 14.03.2014
                          • 382
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

                          Danke vielmals für euere netten Antworten! Freut mich sehr, wenn euch meine "alten Geschichten" ein wenig gefallen.

                          @chrischian: Ich glaube nicht, daß spaetzuenders Beitrag so negativ gemeint war, wie man ihm jetzt unterstellt. Ein Forum besteht ja nicht nur aus Schreibern, sondern auch aus Lesern (letzteres wahrscheinlich sogar mehrheitlich), und die Begeisterung der Leser fokusiert sich eben stark auf die nördlichen Gebiete. Das kann man ja aus den "Hit"-Zahlen sehen. Ist ja an sich auch nix Schlimmes. Dann haben die eben gewisse regionale Interessens-Schwerpunkte. Bei manchen "Foren" (Fränkische-Schweiz-Verein oder so) geht das gleich aus dem Namen hervor, bei den Outdoorseiten ist es nicht sofort augenscheinlich, aber eben trotzdem da. Wenn man das Trekkingforum liest, könnte man denken, der Himalaya bedeckte rund ein Fünftel der gesamten Erdoberfläche - in Wirklichkeit ist es doch deutlich weniger. Die haben eben wieder ihren eigenen Interessens-Schwerpunkt.

                          @berniehh: Um die Besteigung des Gunung Leuser beneide ich dich. Hast du nicht davon ein paar Fotos?


                          Ich habe die zweite Hälfte der Achtzigerjahre in Sumatra gelebt, allerdings mit Familie und kleinen Kindern, und hatte deswegen auch andere Prioritäten als nur Dschungeltreks. Einen ganz wunderbaren Berg habe ich drei Mal bestiegen, konnte mich einfach nicht satt sehen an ihm. Ein Bericht davon folgt, wenn ich meine alten Dias digitalisiert habe (was leider ziemlich lange dauert, weil ich nur hin und wieder einmal eine Kiste zu diesem Zweck nach Deutschland bringen kann).

                          Ich habe auch einige andere Berge in Sumatra bestiegen, habe davon aber leider kaum Bilder (z. B. wegen schlechten Wetters) und auch nicht so interessante Geschichten zu erzählen. Eine Ausnahme ist der Singgalang; der liegt ganz nahe der Stadt Bukittinggi und ist knapp 3.000 m hoch. Technisch gesehen ist er ein Klacks: da kann man mit den Händen in den Hosentaschen hinauf laufen. Die Frage ist eher: kommt man auch lebend wieder zurück? Das hört sich albern an, ist es aber nicht. Auf dem Singgalang sind schon einige Wanderer spurlos verschwunden. In den Achtzigerjahren war einmal der Sohn des Provinz-Polizeikommandanten darunter. Der Kommandant hatte natürlich Zugriff auf Ressourcen, und ganze Hundertschaften haben den Berg abgesucht. Aber der junge Mann wurde nie gefunden. Und er war nicht der einzige. Eine rationale Erklärung ist nicht leicht zu finden. Treten da irgendwo giftige Gase aus? Der Singgalang ist ja ein Vulkan, wenn auch derzeit als "schlafend" klassifiziert. Oder gibt es dort immer noch Tiger? Das würde mich nicht wundern, und in Anbetracht ihrer immer kleiner gewordenen Reviere fallen sie in ihrer Verzweiflung vielleicht auch Menschen an. Oder sind die Wanderer irgendwo in eine Schlucht gestürzt?

                          Die Einheimischen führen das alles auf die Anwesenheit böser Geister zurück. Jawohl, das ist immer noch so. Erst bei meinem letzten Besuch 2013 habe ich das wieder gehört. Manche Wanderer wären lebend zurück gekommen, wenn auch nach unverhältnismäßig langer Zeit, und hätten berichtet, sie wären wie in einer anderen Welt gewesen. Hmmm. Waren das durch Gase hervorgerufene Halluzinationen? Jedenfalls sei die Besteigung des Singgalang jetzt verboten, wurde mir 2013 erzählt. Mich persönlich juckt es aber trotzdem (oder gerade deswegen), ihn noch einmal zu besteigen. Ich war nur einmal dort, und da hatten wir einen Stocknebel.

                          Also, ihr hört irgendwann noch einmal etwas von mir über Sumatra - und mehr, wenn es euch recht ist.

                          Liebe Grüße, Gottfried

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                          • Gast180628
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                            • 08.10.2012
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                            #14
                            AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

                            moin gottfried,

                            ja, is sehr recht!

                            gruesse, wr




                            ps: andere warme gegend die mich interessiert.... war jemand in jüngerer zeit mal in tibesti?

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                            • OutofSaigon
                              Erfahren
                              • 14.03.2014
                              • 382
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                              #15
                              AW: [ID] Zum Laut Tinggal – eine gescheiterte Expedition

                              Die Frage nach Tibesti ist wohl unbeantwortet geblieben, jedenfalls in diesem Faden.

                              Mittlerweile habe ich gesehen, daß anscheinend ein gewisser Mykhailo Pavliuk am Laut Tinggal war. Das war wohl 2013, also 26 Jahre nach Bernd's und meiner Irrsinns-Expedition. Siehe http://www.gunungbagging.com/malintang/
                              Zuletzt geändert von OutofSaigon; 26.12.2016, 03:41.

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