Wenn dies dein erster Besuch hier ist, lies bitte zuerst die Nutzungsbedingungen
durch. Du musst dich registrieren,
bevor du Beiträge verfassen kannst. Klicke dazu oben auf 'Registrieren', um den Registrierungsprozess zu
starten. Du kannst auch jetzt schon Beiträge lesen.
Danke Leute Klasse wenns Euch interessiert und gefällt, das freut mich tierisch!
Donnerstag, 08.08.2013
Heute ist Ruhetag! Ich nutze die Zeit um die Gegend um Carmacks etwas zu erkunden. Am Vorabend lernte ich auf dem Campingplatz den Deutsch-Kanadier Sven kennen. Er repariert im Auftrag seiner Firma vor Ort die Feuerwehrfahrzeuge. Das trifft sich gut! Da ich selbst Feuerwehrmann bin, interessiert mich seine Tätigkeit natürlich brennend. Ich verzichte auf die klapprigen Drahtesel und gehe auf eigene Faust los, Roli und die beiden Michaels wollen später auch noch nach Carmacks. Der Weg führt über den Highway und die einzige Yukonbrücke weit und breit, überall am Wegesrand stehen Waldweidenröschen, das "Fireweed", es ist die Nationalblume des Yukon Territory.
In Carmacks am Feuerwehrhaus treffe ich Sven, er erklärt mir die amerikanische Fahrzeugtechnik und ich darf mir alles anschauen, in seinem Montagewagen läuft Hard Rock. Wir verstehen uns! Im General Store lade ich Eisteepulver und etwas Zucker für den Tee nach. Auf dem Rückweg schaue ich im Tagé Cho Hudän Interpretive Centre vorbei und ich werde dort freundlich hereingebeten. Drinnen sind Kunsthandwerk und historische Gegenstände der First Nations ("Indianer" hören die nicht sehr gerne glaube ich) ausgestellt und ein paar Frauen üben sich in Perlenstickerei. Auf dem Außengelände herrscht reges Treiben und eine nette ältere Lady namens Jennifer lädt mich spontan zu einem Teller Eintopf ein.
Sie erklärt mir, dass sie den "northern Tutchone" angehören und fragt mir Löcher in den Bauch, woher ich komme, was wir im Yukon treiben und wie es uns hier gefällt. Ob wir Tiere gesehen haben möchte sie wissen, ich zeige ihr meine Fotos. Ihre Mutter Amy war sehr begeistert von den Bildern und erzählte mir, dass die Schneehühner die ich fotografiert habe eine Delikatesse seien. Hernach bringen sie mir ein paar Wörter ihrer Sprache bei, leider kann ich sie mir nicht behalten. Im Gegenzug bringe ich ihnen ein paar deutsche Wörter bei. Jennifer war überrascht, sie hätte nicht gedacht dass ich Deutscher bin, sie hat die Deutschen nur als unfreundlich und griesgrämig in Erinnerung. Anschließend zeigen mir Jennifer und eine andere Frau wie sie Elchhäute zum Gerben vorbereiten, die Arbeit ist schweißtreibend und olfaktorisch eine echte Herausforderung. Ich bedanke mich bei allen für die freundliche Einladung, das leckere Essen und das vermittelte Wissen und gehe zum Campingplatz zurück.
Abends gesellte sich Sven noch einmal zu uns und wir diskutierten über deutsche und kanadische Politik und die jeweiligen Besonderheiten der Länder. Er ist begeistert von unserem Schwarztee (dort oben bekommt man nur den minderwertigen Beuteltee). Roli schenkt ihm spontan eine Packung. Wir tauschen Email-Adressen aus und verabschieden uns, wir wollen morgen früh los und Sven muss auch wieder arbeiten.
Freitag, 09.08.2013
Ferien sind vorbei, ab heute wird wieder gearbeitet! Wir frühstücken und bauen rasch ab. Wir treiben an Carmacks vorbei und nehmen uns für heute einen neuen Takt vor: 45 Minuten paddeln, 15 Minuten Pause (treiben lassen). Die Landschaft um Carmacks herum ist - wie ich finde - sehr abwechslungsreich, lediglich der Klondike Highway stört die Sicht. Nach 34 km kündigen sich lautstark die Five Finger Rapids an. Wir haben uns lange über die Stromschnellen unterhalten und man hört ja diverse Schauergeschichten über die Gefährlichkeit der Durchfahrt dort. Sämtliche Bücher die wir gelesen haben beschreiben: Einfach im rechten Kanal in der Mitte halten. Auf dem Campground in Carmacks wollten uns deutsche Kanufahrer noch gute Tipps geben: "Haltet Euch im rechten Kanal ganz links, fahrt bloß nicht zu weit rechts..." Ich weiss nicht. Wir sind mittendurchgefahren und wurden sauber durchgespült. Unten wurden wir wegen der hohen Wellen etwas nass, aber alles in allem war die Durchfahrt doch... unspektakulär.
An der kommenden Insel machen wir Halt, leider bekomme ich die Rapids nicht ganz auf die Linse. Ich gebe zu: Auch ich habe mich ein wenig von den Geschichten beeindrucken lassen, ähnlich wie es immer hiess, der Yukon habe höchstens 6°C Wassertemperatur... Ein paar Kilometer weiter passieren wir noch die Rink Rapids, sie sind nicht so spektakulär wie die Five Fingers, aber auch sie machen mächtig Getöse. Auch hier schleichen wir uns am rechten Ufer gefahrlos vorbei. Wir wollen nach 50 km bei Yukon Crossing campen, aber ein französisches Weltenbummlerpärchen schnappt uns den Platz quasi vor der Nase weg. Wir paddeln weiter und steuern Merrice Creek an, auch hier lagen schon mehrere Boote. Wir landen an und ich gehe oben zum Lager. Dort sitzen 6 Kanadier, die ausweislich der leeren Bierbüchsen schon etwas länger hier waren. Ich stelle fest, dass dort genug Platz für uns vier ist, aber 2 der "Gentleman" werden ziemlich patzig und machen deutlich, dass wir dort nicht erwünscht sind. Beleidigt ziehen wir von dannen, einer der Truppe kommt noch hinterher und will uns Camps auf der Karte zeigen, ich habe den Eindruck dass ihm die Reaktion seiner Fellows ziemlich peinlich ist.
Wir hatten während der folgenden Kilometer kein Glück mit der Campsuche, ein eingezeichnetes Camp haben wir nicht gefunden und die Inseln entpuppen sich alle als überwuchert und mit Dornengestrüpp unpassierbar zugewachsen, die flachen Stellen am Ufer waren entweder matschig oder mit großen Steinen gesäumt, es ist tatsächlich so: Mal eben anhalten wo man will und dort sein Camp aufschlagen, das funktioniert hier einfach nicht, es ist nicht der Südwestfälische aufgeräumte Nutzwald. Trotz fortgeschrittener Tageszeit und etlichen Kilometern beschließen wir, nach Minto weiterzupaddeln, dort wollten wir ursprünglich erst am nächsten Tag aufschlagen. Das Paddeln ist heute sehr anstrengend, mir schmerzen die Schultern und ich weiss nicht mehr wie ich sitzen soll. In Minto passieren wir ein paar Fischerhütten und eine Indianersiedlung sowie die Zufahrt zur Minto Mine. Dort liegen große Pontonschiffe, mit denen LKW und Material über den Fluss zur Mine gebracht werden.
Nach insgesamt 99 Flusskilometern erreichen wir endlich Thoms Location. Ein exzellentes Camp mit einer alten Hütte, die durchaus zum Übernachten taugt. Wir können die Kanus über einen kleinen Seitenarm das Ufer hochziehen und oben entladen. Wir sind froh es für heute endlich geschafft zu haben. Roli springt vor Freude fast im Dreieck, ja... er hat wirklich gute Laune, die extrem ansteckend ist.
Nach dem Aufbauen (keiner schläft in der Hütte!) geht MichaBB ein wenig angeln und erspäht Besuch. Zwei junge Männer aus Österreich und Deutschland, sie waren ebenfalls am Morgen in Carmacks gestartet, waren ebenfalls auf der Suche nach einem Camp. Im Gegensatz zu unseren kanadischen Paddelkollegen (waren es eigentlich wirklich Kanadier? Dafür waren sie echt zu unfreundlich...) haben wir absolut nichts dagegen das Lager mit mehreren Leuten zu teilen. Mein Abendessen hätte ich mir besser geklemmt... Eeeeeeekelhaft süße Baked Beans (mit Schinkengeschmack und Ahornsirup) aus der Dose. Grausam! Also gabs noch Corned-Beef-Brot mit Zwiebeln. Mir tun alle Knochen weh, aber ich falle dennoch zufrieden auf meine Isomatte (Therm-a-Rest Trail Lite). Diese hätte ich jedoch besser dicker kalkuliert...
Samstag, 10.08.2013
Die Pancakes gelingen abermals perfekt, was für ein schöner Start in einen sonnigen Tag. Das Abbauen und Verladen ist mittlerweile Routine und geht rasch von der Hand, wie sehr man sich doch an bestimmte Tätigkeiten gewöhnt. Einziger Wermutstropfen heute morgen: Meine Schultern schmerzen, ich denke ich habe mich beim Paddeln zu oft verkrampft. Wir setzen unsere Tour auf dem Yukon fort, die Gegend hier wirkt etwas rauher, wir fahren an vielen kahlen Bergen und hohen Felsen vorbei und sehen auch den ersten Schwarzbären, zumindest seinen Hintern, wie er im Gebüsch verschwindet.
An der Einmündung des Pelly River befindet sich das berühmte Fort Selkirk, wir halten dort an um uns die Gebäude anzuschauen. Alle restaurierten Hütten sind offen und begehbar, hier gibt es zudem ein riesengroßes Camp mit Küchenhütte und Wasseranschluss. Auf der Seite stromabwärts befinden sich einige bewohnte Hütten und ein Fischercamp, hier waren einige Leute mit der Reparatur eines Stromaggregats beschäftigt. Ein Kanadier identifiziert mich sofort als Deutschen und erzählt mir von seiner Besichtigung von Schloss Neuschwanstein des "Crazy King Luis", ich kann leider nichts dazu sagen, ich war dort noch nie. Anschließend erklärt er einem First Nation die Eigenarten der Deutschen und dass es in Europa sowieso viel zu viele Menschen gibt. Hatte nicht Unrecht mit dem was er sagte.
Anschließend schaute ich mir die historischen Bauten an, es stehen noch 2 Kirchen dort, ein alter General Store und zahlreiche Wohnhäuser. Die dort lebenden Menschen helfen im Sommer beim Restaurieren und Instandhalten der Bausubstanz. Hier scheint echt die Zeit stehengeblieben zu sein. Ich denke, hier hätte man auch mehrere Tage verbringen können, aber wir wollen heute noch weiter kommen, soviele Kilometer haben wir noch nicht gemacht.
Die heutige Etappe empfinde ich angesichts der sengenden Hitze als sehr zermürbend, der Yukon wird hier sehr breit, fliesst recht lahm und es gibt hunderte Flussinseln. Ich mache immer wieder meine Mütze nass um ein wenig das Köpfchen zu kühlen. Auch MichaBB kämpft mit Nackenschmerzen. Ich frage mich, wie Micha L. es in seiner langen Paddelhose aushält, aber er beschwert sich nicht und mault nicht so viel herum wie ich.
Nach insgesamt 82 Kilometern erreichen wir gemeinsam mit einer tschechischen Kajaktruppe "Menzies Location", kurz vor der Einmündung des Selwyn River. Hier gibt es sehr viele zum Campen geeignete Stellen und sogar mehrere Feuerstellen, dennoch ziehen die Tschechen maulend weiter, stinken wir vielleicht?? Die Moskitos sind hier wieder sehr verfressen, aber hey! Ich werde gestochen und es passiert... nichts! Scheinbar hat sich mein Körper an die Viecher gewöhnt und tatsächlich interessieren sie sich heute mehr für die anderen als für mich, bis heute war es immer umgekehrt. Vielleicht auch nur selektive Wahrnehmung, wer weiss.
Nach dem Aufstellen des Unterschlupfs springe ich in den Yukon, eine Wohltat bei dem Wetter. Beim Abendessen (Thunfisch mit Zwiebeln) packt mich die Angellaune, doch ich erwische wieder mal keinen einzigen Fisch. Dafür sehe ich in der Nähe einen Biber planschen, ich bekomme ihn leider nicht so recht vor die Linse. Später am Abend rücken die Globetrotter aus Frankreich ein, das Paar befährt den kompletten Yukon und hält zwischendurch an um "mal eben" diverse Trails abzulaufen. Kurz darauf trudelt auch das deutsch-österreichische Team ein, hier ist genug Platz für alle, wir unterhalten uns über unsere Erlebnisse und niemand kommt sich in die Quere.
Hallo "Wildschwein",
das ist ja lustig, dich auch hier zu treffen. Habe mich grade eben mal so "aus Spaß" hier angemeldet.
Ich muss aber sagen, das das Forum einen sehr vernünftigen Eindruck macht.
das ist ja lustig, dich auch hier zu treffen. Habe mich grade eben mal so "aus Spaß" hier angemeldet.
Moin Parzi, herzlich willkommen, das Netz ist halt klein
Sonntag, 11.08.2013
Wir sind alle recht früh auf, die Schweizer Bootsbesatzung wählt zum Frühstück die obligaten Eier mit Speck und MichaBB und ich backen uns Apfelpfannekuchen. Die Franzosen und unsere deutschsprachigen Paddelkollegen schlafen noch tief und fest als wir weiterfuhren. Das Paddeln war an diesem Morgen angenehm, die Luft war kühl und es wehte ein frischer Wind. Es dauert jedoch nicht lang, bis die Sonne abermals den wolkenlosen Himmel erobert und ihre volle Kraft entfaltet, heute wird es richtig heiss! Die Fliessgeschwindigkeit des Yukon stagniert abermals, worauf Roli das altbekannte "Da unten wirds schmaler" raushaut, die Standardparole der letzten Tage.
Wir paddeln wieder im altbekannten Takt, es ist sehr anstrengend und schweisstreibend, vielleicht stelle ich mich aber auch nur an und die anderen können sich gut verstellen. Die Landschaft wird gebirgig, es sieht eben nicht alles gleich aus hier oben. Auch wenn man mir meine Begeisterung nicht anmerkt: Ich liebe dieses Land, ich liebe diesen Fluss, ich kann es nur gerade nicht so zeigen. Wir sehen stromabwärts einen kleinen Schwarzbären im Wasser schwimmen, dieser flieht jedoch rasch ans Ufer und rettet sich ins Gestrüpp. Eine Gruppe vorwitziger Kanufahrer hält schreiend und johlend auf den kleinen Kerl zu (ich glaube es waren auch Franzosen oder Frankokanadier, wir begegneten ihnen an diesem Tag noch öfters).
Ich will nicht jammern... aber Schulter und Rücken schmerzen und meine Nase und die Ohren sind verbrannt. So richtig fit scheinen meine Freunde auch nicht zu sein, kein Wunder bei dem heissen Wetter. MichaBB entdeckt auf seinem GPS ein Camp auf "Halfway Island" und wir beschließen hier zu bleiben. Heute haben wir insgesamt 62 km zurückgelegt.
Das Camp ist ziemlich staubig und sandig, die Klamotten sind rasch eingesaut, wir sind ja auch nicht auf einem Kindergeburtstag, oder? Es ist brüllend heiss, wir springen zur Abkühlung in den Yukon, nicht nur einmal an diesem Tag. Zum Abendessen kochen wir wieder alle gemeinsam Nudeln mit Tomatensauce (und vieeeel Knoblauch). Satt, zufrieden und einigermaßen vom Yukonbad erfrischt sitze ich mit einem Whisky am Feuer und lausche dem Surren und Schwirren der zahllosen Insekten. Die Sonne geht goldgelb hinter den Bergen unter, wir lauschen dem Knistern des Feuers und dem seichten Rauschen des Yukon. Das Leben ist schön.
Montag, 12.08.2013
Vieeeel Hitze, vieeeel warmer Gegenwind, vieeeeel Meckerschimpfnöhl im Boot! Ich weiss kaum noch im Boot zu sitzen, oh mann... dabei ists doch so schön hier! Nach ein paar Kilometern auf dem Fluss, überfahren Roli und Micha L. fast einen Schwarzbären, der über den Fluss schwimmt (zumindest sah es aus dem hinteren Boot so aus). Der pelzige Kamerad störte sich scheinbar nicht an uns, er schwamm gelassen weiter und kraxelte an dem linken Flussufer hoch. Da ich heute sehr mit mir selbst beschäftigt bin, bekomme ich von der Umgebung ansonsten nicht viel mit, ich schaue die meiste Zeit nach unten und mache einen Buckel, da mir der Rücken sehr zu schaffen macht. Beim nächsten Mal muss einfach eine dickere Isomatte mit!
Ab heute müssen wir uns leider vom klaren Wasser verabschieden... in einem extrem breiten Flusstal mündet der White River in den Yukon und schleppt fleissig Sedimente mit (daher der Name), ab jetzt ist das Wasser schlammig braun. Eine Weile lang fliesst das schmutzige Wasser des White River getrennt vom sauberen Wasser des Yukon nebeneinander her, doch alsbald gewinnt der Schlamm die Oberhand und wir paddeln ab sofort in so heller Brühe, dass wir sogar scharfe Schatten auf die Wasseroberfläche werfen.
In diesem Flussabschnitt sind Camps rar gesät, wir suchen ein "beaver Camp", welches uns Elke vom Kanuverleih in die Karte gezeichnet hatte. Die angepeilte Insel entpuppte sich jedoch als "unbewohnbar", wir haben dort keinen adäquaten Lagerplatz finden können. So schwer es fällt, wir paddeln weiter. Rolis GPS zeigt nach insgesamt 89 km einen Campground auf "Ogilvies Island" an, diesen finden wir sofort.
Hier finden wir eine verfallene Hütte sowie verrostete landwirtschaftliche Geräte vor und es gibt wieder Knilliarden Moskitos. Heute reicht mein Elan nur noch zum Öffnen einer Dose Spam, dazu gibts Zwieback, zum Kochen fehlt mir der Antrieb. Das schlammige Wasser hier erfordert etwas mehr Arbeit, da ich tagsüber diese Brühe nicht trinken möchte (im abendlichen Tee fand ich es nicht ganz so tragisch...) koche ich das Wasser ab und stelle es zum Abkühlen in den Fluss. Nach ein paar Stunden hat sich der Modder am Boden abgesetzt und ich seihe das klare Wasser vorsichtig ab.
Wir können am gegenüberliegenden Flussufer eine große Rauchwolke von einem weiter entfernten Waldbrand sehen, die Sonne färbt sich bedrohlich rot. Von Süden her ziehen dunkle Wolken auf, es blitzt und donnert, nach all den letzten Tagen schwülwarmen Wetters kein Wunder. Eine Regensäule nähert sich, es sieht sehr beeindruckend aus. Ich falle jedoch bald erschöpft ins Zelt, Roli leiht mir netterweise seine Backupisomatte. Er schläft auf einer DownMat und hatte sich für den Fall dass diese den Geist aufgibt eine dünne Evazotematte eingepackt. Der Regen erreicht uns, ich höre es noch gewittern, schlafe jedoch bald ein.
So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
A. v. Humboldt.
Dienstag, 13.08.2013
Der Regen ist vorbei, die Rückenschmerzen leider nicht. Beim Frühstück reden wir über die Weiterfahrt. Da wir bislang mehr als Glück mit dem Wetter haben und sich außerdem die Wehwehchen hier und da mehren, sind drei Leute für Dawson, einer für ein weiteres Camp am Yukon. Wir wären also viel früher am Ziel als ursprünglich geplant, andererseits können wir so in aller Seelenruhe noch ein paar Tage ausspannen und das quirlige Dawson erkunden. Die Demokratie siegt. Ich bekomme an diesem Morgen nur etwas Eistee und ein halbes Würstchen herunter, das Abbauen fällt mir schwer und ich bin der letzte der seine Sachen auf das Boot lädt.
Wir sind trotz allem sehr früh auf dem Fluss, es ist sehr nebelig und es mischt sich der Rauch der umliegenden Waldbrände unter die Luft. Die Sonne gibt wieder Vollgas und wir fahren an frischen Waldbrandflächen vorbei, die teilweise noch vor sich hin qualmen. Vor einer Ansammlung mehrerer Flussinseln passiert uns (dem hinteren Boot) ein kleines Missgeschick: Wir folgen den anderen nicht rechtsherum sondern fahren links an der Insel vorbei. Da die Inseln hier lang und zahlreich sind und wir zudem immer mehr zur rechten Uferseite fahren müssen, hauen wir ordentlich in die Riemen. Roli und Micha L. warten auf einer Kiesbank auf uns und wir müssen einmal komplett die Hauptströmung queren. Ich reagiere etwas über, schimpfe und setze mich abseits um eine zu Rauchen. Im Nachhinein betrachtet unnötig, ein kurzes Gespräch mit der Truppe und alles ist wieder im Lot.
Wir steuern vor einer Flussbiegung abermals links um eine große Insel und lassen uns treiben, nach einer Weile hören wir das Dröhnen der "Klondike Spirit", dem Touristendampfer in Dawson City. Nach insgesamt 765 Kilometern auf dem Fluss haben wir unser Ziel erreicht! Nun müssen wir noch einmal kräftig paddeln, wir müssen vom linken zum rechten Flussufer, die Strömung ist sehr stark. Als wir dem Ufer näherkommen, erleben wir beim Blick nach unten eine Überraschung: Das Wasser ist glasklar und man den Grund sehen. An dieser Stelle mündet der Klondike in den Yukon und verdrängt das schmutzig-braune Wasser für eine Weile. Auch hier fließen die Ströme im gemeinsamen Flussbett ein Weilchen nebeneinander her, bevor der hellbraune Yukon wieder die Oberhand gewinnt.
Wir gehen hinter dem Dock ans Land. Es fühlt sich seltsam an: Die Tour ist vorbei, wir werden nicht mehr weiterpaddeln. Roli und ich suchen die Trading Post , dort müssen wir Boote und Kanuausrüstung abgeben. Wir ekundigen uns über das Prozedere und packen auf dem Rückweg zu unseren Freunden noch kalte Cokes und etwas Gebäck ein. Anschließend tragen wir die Kanus hoch und bringen die Fässer, Paddel und Schwimmwesten zur Trading Post.
Ohne Boot heissts selber schleppen, wir tragen unsere Ausrüstung zur Fähre und fahren auf die andere Flusseite, dort wollen wir auf dem Government Campground unser letztes Lager aufschlagen. Nach der Schlepperei platzt mir zum zweiten Mal an diesem Tag der Kragen: Ich will eine DUSCHE!! Auf dem öffentlichen Campingplatz gibt es kleine Parzellen und ein paar Klohäuschen. Ich schaue beim Hostel weiter unten nach, aber dort sind die Zeltplätze extrem klein, eng und man muss auf Holzpaletten schlafen. Und nein: Duschen kann man dort auch nicht. Nachdem ich mich wieder mal abgeregt habe, und mich noch ein wenig über mich selbst ärgere, kehre ich zurück. Ich springe in den Yukon und wasch mich dort, habe ich die letzten 2 Wochen ja schließlich auch so gemacht. Nach der Abkühlung ist meine Laune wieder gut.
Wir fahren abends nochmal zurück und kehren bei "Sourdough Joe's" ein. Also ich muss sagen... in Kanada ist ein Burger noch Burger. Wir nehmen noch einen (dünnen) Kaffee im Downtown Hotel ein, dort beobachten wir einige Touristen, die dem "Sourtoe Cocktail Club" beitreten wollen... indem sie für nicht wenig Dollars einen alten mumifizierten Zeh in ihren Drink werfen lassen. Dafür gibts dann auch eine ganz tolle Urkunde. Oh Mann! Irgendwann liegen wir zufrieden in unseren Zelten. Nun haben wir noch ein paar Tage Zeit für Dawson City, mal schauen was wir so sehen und erleben.
Die letzten Tage...
Wir verbrachten noch insgesamt 3 volle Tage auf dem Campingplatz in Dawson. Dieses Örtchen weit weg von allem ist wirklich genial, man kommt mit jedem hier ins Gespräch, die Leute sind freundlich und es gibt viel Historisches zu sehen. Nicht von ungefähr heisst Dawson bei den Einheimischen auch "Dawsome". Ich habe mit vielen Leuten dort geredet, bin dann irgendwie noch auf einer Geburtstagsfeier gelandet und durfte vielen Menschen von unserem Trip erzählen. Am Samstag mussten wir "Adieu" sagen, Steven von Up North holte uns vormittags ab, es fing an zu regnen und wir fuhren über 500 Kilometer zurück nach Whitehorse, wo ein Hotelzimmer auf uns wartete. Zum Abschluss gingen wir noch einmal in "the Edge Bar" und aßen unseren letzten Burger in Kanada, MichaBB und ich stießen noch einmal im "Dirty Northern Bastard" auf die gelungene Tour an. Als wir uns vom Yukon River verabschieden wollten, traf ich Dan, einen Obdachlosen. Er saß mit seiner Gitarre neben der Uferpromenade und ich sprach ihn an, was er heute Nacht vorhabe und ob er keinen Platz hätte wo er bleiben könnte. Er lächelte mich an und sagte: "I have everything I need, some Cigarettes, a bottle of Coke, and my guitar, which sounds like heaven". Er bot mir an, sie auszuprobieren und ich spielte "Nothing else Matters", "Wish you were here" und "Stairway to heaven" an. Er spielte mir noch einen selbstgeschriebenen Song vor, der seinen ganzen Schmerz und seine ganze Sehnsucht transportierte, ich war wirklich wirklich zu Tränen gerührt. Wie es mit ihm weitergehe wollte ich wissen. Seine Antwort: "Well... this night I stay here and watch to the meteor shower, thats all I know". Ich verabschiedete mich von ihm und mir wurde klar: Auch hier oben im Norden Kanadas ist nicht alles Gold was glänzt. Der nächste Tag stand ganz im Zeichen der Abreise, wir kauften noch ein paar Souvenirs und tranken einen Kaffee, Nachmittags checkten wir ein und flogen abends pünktlich zurück nach Frankfurt. Als der Flieger nach dem Start eine Kurve fliegt, sehe ich aus dem Mittelgang heraus noch einmal die Berge und die Flüsse rund um Whitehorse. Es lag nicht an der Sonne, die Träne war echt.
Schlussbetrachtungen:
Auf dieser Reise konnte ich eine Menge lernen, vor allem über mich selbst. Wir waren alle nicht immer einer Meinung, aber wir haben gemeinsam eine tolle Zeit erlebt. Der Schuss hätte auch nach hinten losgehen können, immerhin kannten wir uns im Prinzip "nur" von ein paar Wochenenden. Ich habe in meinem Reisebericht oft angefangen zu jammern, einfach weil ich es auch so erlebte, aber im Nachhinein halte ich fest: Das war es alles wert, ich möchte nicht eine Minute dieses Urlaubs missen. Aber auch in punkto "Ausrüstung" habe ich ein paar Dogmen über Bord geworfen, darauf werde ich jedoch bestimmt noch einmal in einem separaten Thread zurückkommen. Ich weiss zwar nicht was morgen ist, aber für mich steht fest: Ich möchte wieder ins Yukon, ich würde nicht mehr den Yukon River befahren, sondern einen quirligen kleinen Nebenfluss, einfach damit beim Paddeln mehr Abwechslung da ist. Ich würde sagen: Wenn Ihr Fragen habt, fragt einfach
Danke fürs Lesen
Euer Stefan
PS: Diese und weitere Fotos gibt es auf meiner Flickr-Seite: http://www.flickr.com/photos/dorfisk...7635168907922/ Ich habe sehr viel mehr Bilder gemacht, wenn Euch etwas interessiert, fragt ruhig nach, vielleicht habe ich passende Fotos die ich dann noch hochladen kann.
Auch wenn ich mich wiederhole: Es ist ein grandioser Bericht. Vielen Dank fürs schreiben!
So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
A. v. Humboldt.
Danke für deinen Reisebericht. Er kam genau richtig, ich hab erst angefangen mich mit dem Yukon zu befassen und dann schreibst du so einen Bericht. Ich freue mich jetzt schon auf die Tour, auch wenn es noch dauert bis es soweit ist. Wahrscheinlich erst Sommer 2015. Aber Träumen darf man ja und auf dein Angebot fragen zu stellen komme ich gerne zurück.
Schöner Bericht und tolle Bilder. Ich habe den Teslin/Yukon 1999 gepaddelt und bin ehrlich gesagt etwas geschockt, wie "benutzt" die Lagerplätze auf den Bildern aussehen. Damals hatte es kaum Campspots. Na ja, da ich mit meinen Reisen ja auch irgendwie dazu beigetragen habe fühle ich mich natürlich auch etwas mitschuldig....die Gegend wird ja richtiggehend "zu Tode geliebt"....
Was mich besonders schmerzt ist aber die Tatsache, dass "leave no trace" anscheinend nicht von allen Wildniswanderern gleich verstanden wird, wer kommt den schon auf die Idee und sägt ganze Bäume im Camp um, nur um eine Sitzgelegenheit zu bauen??? Ich hoffe zumindest, dass bei den Reiseveranstaltern und Kanuvermietern noch rechtzeitig eine Sensibilisierung stattfindet, ansonsten sieht bald der ganze Yukon so aus.
Mein Sohn und ich haben genau diese Tour ca. 2 Wochen vor Euch gemacht. Auch über den Teslin in den Yukon bis nach Dawson. Nur zu zweit waren einige tägliche Dinge wie Auf- und Abbauen, Verstauen usw. etwas anstrengender aber dies tat dem Spaß, der Spannung und auch der Erholung keinen Abbruch. Und das gute Wetter war das Tüpfelchen auf dem i. Ganz sicher war das nicht die letzte Kanutour in dieser Region. Es warten ja noch einige Flüsse darauf, entdeckt zu werden.
Super Reisebericht und tolle Bilder. Ich konnte richtig mitleiden wie dich die Mücker zerstochen haben.
So langsam macht mir das Fernweh wieder zuschaffen.
Danke
Die Straße gleitet fort und fort,
durch Berg und Schlucht, durch Feld und Tann,....
Kommentar