AW: [CA] Zu Fuß und im Packraft durch die Wildnis des kanadischen Yukon Territory
Teil 4 des Yukonberichts
Zu Fuß durch die Richardson Mountains
Nach langer Ruhepause mache ich mich gegen 14.30 Uhr auf den Weg. Zunächst geht es ein Stück durchs Moor, aber dann wird es unheimlich…
Die Vegetation aus Fichten, Zwergbirken und Erlengebüschen wird immer undurchdringlicher. Nur mit massivem Krafteinsatz kann ich mich überhaupt durch den Busch zwängen. Dabei sehe ich oft keine zwei Meter weit.
Zunächst hoffe ich, nur relativ kleinflächige Dickichte durchqueren zu müssen, aber wenn ich mal wieder einen der niedrigen Hügel erklommen habe die einen gewissen Ausblick gewähren, sehe ich nichts als dichten Busch so weit das Auge reicht.
Wahrscheinlich wütete hier vor langer Zeit ein Waldbrand, was die offenbar gleich alte Vegetation erklärt. Vor allem bin ich überrascht über die ungeheure Dichte in der die Pflanzen hier wachsen. Ich war schon in anderen nördlichen Gegenden wandern. Aber so etwas habe ich bisher weder in Lappland, British Columbia oder der Mongolei erlebt.
Immer wieder prüfe ich mit dem GPS wie weit ich schon gekommen bin. Trotz stundenlanger Anstrengungen scheint es, ich würde förmlich auf der Stelle treten.
Die Sonne wärmt jetzt richtig und zaubert Unmengen von kleinen Schweißfliegen hervor, die von allen Seiten versuchen etwas von der salzigen Flüssigkeit die mein Körper absondert zu erhaschen. Manchmal, wenn eine besonders dichte Stelle mich nicht mehr freilassen will, stoße ich mit lauten Flüchen meinen Unmut aus.
Auch das Wild scheint diese Dickichte zu meiden, kaum eine Fährte oder Losung ist zu sehen, es herrscht bedrückende Stille.
Kilometerweit nichts als dichtester Busch
Irgendwann gelange ich an einen kleinen Bach, der zum Lagern einlädt. Obwohl es bisher der erste auch nur halbwegs zum Zelten geeignete Platz ist, marschiere ich weiter. Die seit meinem Aufbruch vom Fluss zurückgelegte Entfernung ist mir einfach zu gering.
Bald beginne ich den langgezogenen Aufstieg auf einen Berg. Ich versuche dort zu laufen, wo noch einige Altbäume stehen, die mit ihrem Schatten dafür sorgen, dass die Vegetation weniger dicht ist.
Obwohl der Anstieg mich ganz schön ins Schwitzen bringt, komme ich besser voran, und hege die Hoffnung, dass ich die alten Waldbrandflächen hinter mir gelassen habe.
Oben angekommen, gelange ich auf einen schmalen Grat unter dem der Hang steil abfällt. Hier eröffnet sich der erste Blick auf mein Ziel, die Richardson Mountains, die als imposante Mauer in einiger Entfernung aufragen.
Der erste Blick zu den Richardson Mountains
Allerdings verrät mir der Ausblick auch, dass meine Tortur noch lange kein Ende hat. So weit das Auge reicht, breitet sich die dichte Vegetation der ehemaligen Waldbrandflächen aus.
Während das Vorankommen bislang schon schwierig war, entpuppt sich der Abstieg als wahre Strafe. Die Grünerlendickichte hier auf dem feuchten Nordhang sind so dicht, dass die Zweige kaum nachgeben und ich mich trotz der Steilheit des Geländes nur mit brachialem Körpereinsatz hindurchzwängen kann.
Schließlich erreiche ich ein Bächlein in einem Tal, dass ich von oben ausgemacht hatte. Allerdings ist es so tief eingekerbt und dicht bewachsen, dass sich keine Lagermöglichkeit ergibt.
Canyoning im Dickicht des Kerbtales
Ich beschließe dem Kerbtal abwärts zu folgen, in der Hoffnung, dass es schließlich in ein breiteres Tal mündet. Zunächst komme ich auch noch halbwegs voran, obwohl umgestürzte Bäume mich oft zu akrobatischen Übungen zwingen.
Dann wird das Tal steiler, und ich befürchte irgendwann nicht mehr weiterzukommen, da es vielleicht wasserfallartig abfällt. Mit großer Mühe zwänge ich mich aus der Spalte heraus und hangele mich auf den Steilhängen weiter.
Dann gelange ich in das nächste Tal. Welch Enttäuschung, es ist ebenfalls kerbförmig eingeschnitten und mit dichtester Vegetation bedeckt. Diesmal mache ich nicht den Fehler, zu versuchen dem Tal zu folgen sondern klettere gleich nach oben raus. Auf der Höhe angekommen eröffnen sich noch einmal schöne Ausblicke auf die Richardsons im sanften Licht des späten Abends.
Die Richardson Mountains im Abendlicht
Die kahlen Bergrücken dort lassen mich hoffen, leichter voranzukommen, wenn ich in größere Höhen gelange.
Trotz aller Anstrengung ist es ein wunderschöner Abend, an dem die untergehende Sonne die bereits herbstlich gefärbten Birken und Aspen golden leuchten lässt.
Die Abendsonne lässt die Hänge leuchten
Gegen 21 Uhr erreiche ich ein Stück weiter talabwärts schließlich doch noch einen geeigneten Zeltplatz am Bach. Seitdem ich den Peel River verlassen habe, bin ich lediglich 6,5 Kilometer vorangekommen! 6,5 Kilometer in 6 Stunden!
Seit Stunden der erste geeignete Zeltplatz
Der nächste Morgen bricht grau und ungemütlich an, wenigstens ist es nicht kalt. Streckenweise komme ich auf ausgetretenen Elchwechseln gut voran.
Glücklicherweise muss ich mich nicht mehr durch extrem dichte Vegetation quälen, dafür sind die Moore aber auch nicht gerade einfach zu begehen, da ich mit meinem immer noch schweren Rucksack bei jedem Schritt tief in die Moospolster einsacke.
Oft muss ich wieder von Bülte zu Bülte balancieren um versteckten Wasserlöchern auszuweichen. Entspanntes Wandern ist etwas anderes!
In den weiten Mooren komme ich nur langsam voran
Nach etwa 2 Stunden gelange ich an den Canyon River, den ich gestern schon von oben ausgemacht hatte. Möglicherweise könnte ich hier irgendwo eine flache Stelle zum Durchwaten finden, aber ich halte mich gar nicht lange mit der Suche danach auf, sondern bringe gleich mein Packraft wieder zum Einsatz.
Wozu hat man denn ein Boot im Rucksack dabei? Obwohl das hier ein relativ bescheidenes Flüsschen ist, schaffe ich es beim einsteigen den Bug mit dem aufgeschnallten Rucksack im Wasser zu versenken!
Zwar ziehe ich es sofort wieder an Land, aber der Rucksack hat natürlich eine ordentliche Ladung Wasser abbekommen. Das ist nicht weiter schlimm, da ich ja den Inhalt wasserdicht verpackt habe, aber vollgesogen mit Wasser wird meine Last noch schwerer. Schließlich bin ich trotzdem glücklich ans andere Ufer gelangt.
Die ganze Aktion mit Bootsaufbau, beladen und alles wieder verstauen, hat über eine Stunde gedauert. Nichts was man häufiger an einem Tag machen möchte!
Am Canyon River kommt das Packraft noch einmal zum Einsatz
Obwohl ich mich bislang bemüht hatte, meine Stiefel trocken zu halten, tappe ich in den Mooren des Uferbereiches in ein tiefes Sumpfloch, was mit nassen Strümpfen und Stiefeln belohnt wird. 8 Gänse schweben auf den sich bald seeartig verbreiternden Fluss ein.
Schon seit langem steuere ich einen Bergrücken an, der den Beginn der Richardson Mountains markiert. Der Anstieg ist gemächlich und die Vegetation so lückig, dass ich immer wieder bequeme Durchschlupfmöglichkeiten finde.
Als ich höher gelange, weichen die Zwergbirken und Grünerlen schließlich dichten Polstern aus hellen, fast weißen Rentierflechten. Endlich ergeben sich Ausblicke auf die Umgebung und das Wandern macht zum ersten Mal seit meinem Aufbruch am Peel River richtig Spaß.
Dafür weht hier oben ein eiskalter Wind, der immer wieder Regenschauer mit sich bringt. Zwar ist mir meine weitere Marschrichtung eigentlich klar, aber der direkte Weg würde mich wieder hinab in tiefe Täler voll dichtem Bewuchs bringen.
Daher versuche ich mich auf den Bergrücken zu halten, wo das Vorankommen erheblich einfacher und schöner ist. Das führt natürlich zu großen Umwegen.
Auch das Wild scheint die Grate zur Fortbewegung zu bevorzugen, denn ich finde viel Losung, auch von Bären, wie mir die großen Haufen voll halbverdauter Beeren zeigen.
Schließlich steige ich aber doch ins Tal ab, um mein Nachlager aufzuschlagen. Zwar habe ich Bedenken, beim Abstieg wieder so ein Fiasko in den Hanggebüschen zu erleben, wie gestern Abend, aber diesmal gelange ich erstaunlich einfach nach unten, und finde rasch einen Lagerplatz in einem dunklen Fichtenwald an einem Bach.
Inzwischen haben sich die Schauer zum Dauerregen entwickelt, der bald auch auf dem durch die Baumkronen geschützten Waldboden ankommt. Egal, wenn der Hobokocher erst einmal in Gang ist, kann ihm der Regen nichts mehr anhaben!
In 11 Stunden habe ich heute lediglich 12 Kilometer zurückgelegt! Ich bin langsamer als ich erwartet hatte, daher mache ich mir Gedanken, ob ich die Tour wie geplant durchführen kann. Während der Regen auf das Zeltdach prasselt, sitze ich noch lange über meinen Karten, und beschließe schließlich meine ursprünglich geplante Route etwas zu verkürzen.
Auch war ich bisher davon ausgegangen, in erster Linie in den Tälern zu laufen. Das erscheint mir hier nicht sinnvoll, da die Vegetation einfach zu dicht ist. Da die Richardson Mountains meist nicht sehr schroff sind, entscheide ich mich für eine höher gelegene Route entlang des Hauptkamms.
Es regnet die ganze Nacht hindurch und auch am nächsten Morgen fällt das Nass vom Himmel, so dass ich erst gegen 9.30 aufbreche. Bald habe ich das Tal wieder verlassen und gelange zurück auf einen Grat.
Zwar lässt es sich hier oben gut wandern, aber eigentlich will ich dem Verlauf des Tals folgen, in dem ich übernachtet habe, die Bergkämme verlaufen aber leider quer dazu.
Leider verlaufen die Bergkämme nicht parallel zum Tal
Trotzdem gelingt es mir grob die Richtung zu halten, nur einmal muss ich in ein Quertal absteigen, ansonsten laufe ich auf den Graten.
Leider ist das Gelände nicht immer so schön offen und lediglich mit Flechtenteppichen bewachsen. Immer wieder muss ich mich durch klatschnasse Gebüsche zwängen. Heute finde ich es gar nicht schlecht, in wasserdichten Paddelsachen zu laufen, normales Regenzeug hätte den konzentrierten Güssen beim Durchqueren der Buschzonen kaum stand gehalten.
Häufig stoße ich auf Elchfährten- und Losung, sowie auf rotgefärbten, breiigen Bärenkot, leider bekomme ich außer einigen Elch- und Karibugeweihstangen nichts von größeren Tieren zu sehen. Wahrscheinlich ist es dem Wild auch zu ungemütlich!
Immer wieder gehen Schauer, zum Teil mit Schnee vermischt nieder, und der kalte Wind lässt nur kurze Pausen zu. Nachmittags gelange ich in höhere Regionen in denen nicht einmal mehr Zwergbirken wachsen. Nur schütteres, gelbes Gras und Rentierflechten bedecken das dunkle Schiefergestein.
Obwohl die Verhältnisse ziemlich ungünstig sind, genieße ich es entlang der Kämme zu laufen, wo sich schöne Aussichten öffnen. Bei blauem Himmel wäre es hier natürlich noch viel schöner!
Im Labyrinth der Kämme
Meine Karten sind zu ungenau, um eine wirkliche Hilfe im Labyrinth der Kämme zu bieten. Kompass und GPS geben die grobe Richtung vor, für den tatsächlichen Weg lasse ich mich oft von meinem Instinkt leiten.
Mein Ziel ist das Tal des Canyon Creek, den ich ja schon gestern überquert hatte, der hier aber in einem großen Bogen das Gebirge durchbricht.
Später am Nachmittag wird aus den gelegentlichen Schauern wieder ein kalter Dauerregen, der zunehmend an Stärke gewinnt. Um einen Lagerplatz zu finden, muss ich von den Höhen in ein bewaldetes Tal absteigen.
Ich fürchte wieder einmal in dichter Vegetation an einem steilen Hang zu landen, aber hier gibt es keine Waldbrandlächen, und der alte Fichtenwald ist dunkel genug um die Bodenvegetation niedrig zu halten. Auch kommt immer wieder der nackte Schiefer zu Tage, auf dem nur Flechten wachsen.
Erstaunlich einfach gelange ich an ein kleines Bächlein und schlage mein Zelt im peitschenden Regen auf. In der Eile bleibe ich mit meinen Stiefeln hinten am Zelt hängen, so dass ein Riss entsteht, der aber glücklicherweise keine Auswirkungen auf die Dichtigkeit des Zelts hat, was sich jetzt als sehr wichtig herausstellt!
Es ist so unangenehm, dass ich keinen Versuch starte, in meinem Hobo-Kocher ein Feuer zu entfachen. Nicht einmal zum Wasser holen verlasse ich das Zelt. Ich habe einfach genug vom Dauerregen! Auch heute bin ich bedingt durch die weiten Umwege auf den Kämmen nur 9 Kilometer weiter gekommen.
Es ist kaum zu glauben, die ganze Nacht schüttet es wie aus Eimern und auch am nächsten Morgen hat der Regen noch nicht an Kraft verloren.
Glücklicherweise ist mein Nallo 2, der schwedischen Firma Hilleberg sehr gut. Das Zelt lässt an keiner Stelle Wasser durch. Auch 2 Personen können darin schlafen, obwohl es nur 2,2 kg wiegt.
Ich habe keine Lust mich wieder durch den strömenden Regen zu quälen und bleibe daher im Zelt, bis schließlich gegen 10 Uhr der Regen tatsächlich nachlässt und dann aufhört.
Das Tal in dessen Oberlauf ich zelte, mündet in den Canyon Creek, wie meine Karte verrät. Heute versuche ich nicht den Graten zu folgen, sondern marschiere auf dem Talboden abwärts.
Dabei komme ich zu meinem Erstaunen besser als erwartet voran. Der Wald ist licht genug um mir keine ernsten Hindernisse entgegen zu setzen, und häufig kann ich auf festem Boden laufen. In den Mooren entdecke ich niedrige junge Lärchen, aber ältere Bäume dieser Art habe ich hier noch nicht gesehen.
Moor mit Zwergbirken und jungen Lärchen
Schließlich erreiche ich das breite Tal des Canyon Creek, und stehe bald vor dem dunklen, tief eingeschnittenen Bach, der hier einen ganz anderen Charakter hat als dort wo ich ihn zuerst überquert hatte. Nach kurzer Suche finde ich eine Stelle, wo der Creek so schmal ist, dass ich rüber springen kann.
In dem sumpfigen Tal gibt es große, offene mit Sumpfgräsern bewachsene Flächen. Leider sehe ich in diesem idealen Elchlebensraum keinen der großen Hirsche.
Die offenen Flächen sind zu sumpfig um sie zu durchqueren, aber es gibt stets eine Möglichkeit sie durch die randlichen Moorwälder zu umgehen. Nur manchmal muss ich bei tiefer gelegenen Rinnen schon sehr genau darauf achten, wo ich lang gehe, da es hier auch offenes Wasser gibt.
Bevor ich das Tal durchquert habe, gelange ich noch an einen Bach der aus einem Seitental kommt, und ebenso viel Wasser wie der Canyon Creek führt.
Auch hier finde ich nach kurzer Suche eine Engstelle.
Bald darauf verlasse ich das Tal und erklimme die steilen Hänge einer Bergkette. Ich hatte befürchtet, dass mich klatschnasse Dickichte erwarten, aber ich komme erstaunlich gut im Wald voran. Nachdem die Bäume zurückbleiben, eröffnet sich noch einmal der Blick zurück in das Tal des Canyon Creek.
Das Tal des Canyon Creek
Ich laufe jetzt auf einem Bergrücken zwischen zwei tiefen Seitentälern des Canyon Creek. Allerdings ist er nicht flach mit gleich bleibender Höhe, sondern häufig geht es auf und ab.
Schade, dass das Wetter so trübe ist, daher mache ich kaum Fotos. Bei schönem Wetter wäre es traumhaft hier zu wandern! Nachdem es kurzzeitig aufzuklaren scheint, beginnt es wieder zu nieseln.
Dann sehe ich weit entfernt oberhalb eines Blockfelds vier weiße Punkte. Der Blick durch mein kleines Taschenfernglas verrät, dass es sich dabei um Dallschafe handelt, die dort ruhen. Mein erstes Wild auf der Wanderung! Ich freue mich, die Wildschafe vielleicht fotografieren zu können, da mein Kurs in ihre Richtung führt. Aber als ich eine weitere Anhöhe erklommen habe, sehe ich wie die Dallschafe sich erheben und in unerreichbarer Entfernung weiterziehen. Schade!
Dennoch sehe ich noch andere Lebewesen. Einige Schneehühner fliegen explosionsartig vor mir auf. Um diese Zeit haben sie noch nicht ihr weißes Wintergefieder angelegt.
Unterhalb des Grates sehe ich einen Grasfleck und vermute dort eine Quelle, an der ich lagern könnte. Leider bewahrheitet sich meine Vermutung nicht. Erst ein Stück unterhalb im Nadelwald beginnt ein Bächlein, an dem ich mein Zelt aufschlage.
Kaum habe ich meine Sachen zum Trocknen rausgehängt, beginnt es wieder zu regnen. Vor allem für den Daunenschlafsack ist es wichtig, dass er regelmäßig trocknen kann. Das ist bei diesen Bedingungen leider nicht möglich, daher verliert er an Leistung, da klamme Daunen nicht so gut wärmen.
Um meinen Hobo-Kocher zu entzünden, benötige ich heute eine Esbittablette. Als er schließlich brennt, kommt der Topf voll Spaghetti ins Rutschen, da der Kocher nicht auf ebenem Untergrund steht. Todesmutig will ich meine Nudeln retten, was mir auch gelingt. Der Preis dafür ist allerdings eine Brandblase am Finger!
Da auch heute kein einfacher Wandertag war, wundere ich mich nicht, dass ich wieder nur 8 Kilometer weit gekommen bin.
Ich muss unbedingt mehr Kilometer pro Tag zurücklegen, sonst schaffe ich es trotz verkürzter Route nicht, rechtzeitig wieder am Dempster Highway zu sein. Der Druck unbedingt Strecke machen zu müssen, wird in den nächsten Tagen nicht mehr von mir weichen.
Der Morgen beginnt wieder trübe und grau, aber wenigstens regnet es nicht. Zunächst folge ich weiter dem Grat zwischen den Tälern. Man sieht auf den Graten häufig breite Wildwechsel, auf denen der Flechtenbewuchs verschwunden ist. Die Tiere lieben eben auch die einfachen Wanderrouten! Allerdings frage ich mich natürlich warum mir dann kein Wild begegnet, wo ich doch auch auf den Graten unterwegs bin.
Manchmal heben sich die Wolken ein wenig und erlauben kurze Ausblicke in die Weite der Berge mit ihren Hochflächen, tiefen bewaldeten Tälern und grauen Schuttflächen. Es ist ein erhabenes Gefühl diese Wildnis zu durchwandern in dem Bewusstsein über Dutzende von Kilometern wahrscheinlich der einzige Mensch zu sein.
Berge und Täler- Die Weite des Yukon
Schließlich habe ich den Oberlauf der Täler erreicht, und der Grat geht über in ein tundraartiges Hochplateau, das hier den Hauptkamm der Richardson Mountains bildet.
Mir ist klar, dass die Orientierung ab jetzt schwieriger wird, als auf dem leicht zu verfolgendem Grat. Daher habe ich gestern im Zelt aus der Karte Wegpunkte gemessen und in mein GPS Gerät übertragen.
Allerdings lasse ich auch jetzt den Satellitenempfänger nicht ständig laufen, sondern kontrolliere nur ab und zu die Richtung und die bereits zurückgelegte Entfernung. Im Wesentlichen versuche ich meinen Kurs durch Kompass-Peilungen zu halten.
Weite gelbe Grasflächen die zum Teil sumpfig sind, wechseln sich mit Bereichen ab, in denen ich über fast kahles, dunkles Schiefergestein laufe.
Einmal höre ich kurz einen Wolf heulen. Dieser perfekte Laut der Wildnis unterstreicht die düstere Stimmung des unter dem grauen Himmel mit seinen schweren Wolken sehr abweisend wirkenden Hochplateaus.
Ein sperberartiger Greifvogel streicht in niedriger Höhe entlang der Konturen eines Bergrückens.
Hier oben weht ein eiskalter Wind, der mich schon bald alle meine Kleidungsstücke anlegen lässt. Sogar die eigentlich eher für Polarexpeditionen bestimmte Kopfhaube setze ich auf.
Auf dem Hochplateau der Richardson Mountains
Teil 4 des Yukonberichts
Zu Fuß durch die Richardson Mountains
Nach langer Ruhepause mache ich mich gegen 14.30 Uhr auf den Weg. Zunächst geht es ein Stück durchs Moor, aber dann wird es unheimlich…
Die Vegetation aus Fichten, Zwergbirken und Erlengebüschen wird immer undurchdringlicher. Nur mit massivem Krafteinsatz kann ich mich überhaupt durch den Busch zwängen. Dabei sehe ich oft keine zwei Meter weit.
Zunächst hoffe ich, nur relativ kleinflächige Dickichte durchqueren zu müssen, aber wenn ich mal wieder einen der niedrigen Hügel erklommen habe die einen gewissen Ausblick gewähren, sehe ich nichts als dichten Busch so weit das Auge reicht.
Wahrscheinlich wütete hier vor langer Zeit ein Waldbrand, was die offenbar gleich alte Vegetation erklärt. Vor allem bin ich überrascht über die ungeheure Dichte in der die Pflanzen hier wachsen. Ich war schon in anderen nördlichen Gegenden wandern. Aber so etwas habe ich bisher weder in Lappland, British Columbia oder der Mongolei erlebt.
Immer wieder prüfe ich mit dem GPS wie weit ich schon gekommen bin. Trotz stundenlanger Anstrengungen scheint es, ich würde förmlich auf der Stelle treten.
Die Sonne wärmt jetzt richtig und zaubert Unmengen von kleinen Schweißfliegen hervor, die von allen Seiten versuchen etwas von der salzigen Flüssigkeit die mein Körper absondert zu erhaschen. Manchmal, wenn eine besonders dichte Stelle mich nicht mehr freilassen will, stoße ich mit lauten Flüchen meinen Unmut aus.
Auch das Wild scheint diese Dickichte zu meiden, kaum eine Fährte oder Losung ist zu sehen, es herrscht bedrückende Stille.
Kilometerweit nichts als dichtester Busch
Irgendwann gelange ich an einen kleinen Bach, der zum Lagern einlädt. Obwohl es bisher der erste auch nur halbwegs zum Zelten geeignete Platz ist, marschiere ich weiter. Die seit meinem Aufbruch vom Fluss zurückgelegte Entfernung ist mir einfach zu gering.
Bald beginne ich den langgezogenen Aufstieg auf einen Berg. Ich versuche dort zu laufen, wo noch einige Altbäume stehen, die mit ihrem Schatten dafür sorgen, dass die Vegetation weniger dicht ist.
Obwohl der Anstieg mich ganz schön ins Schwitzen bringt, komme ich besser voran, und hege die Hoffnung, dass ich die alten Waldbrandflächen hinter mir gelassen habe.
Oben angekommen, gelange ich auf einen schmalen Grat unter dem der Hang steil abfällt. Hier eröffnet sich der erste Blick auf mein Ziel, die Richardson Mountains, die als imposante Mauer in einiger Entfernung aufragen.
Der erste Blick zu den Richardson Mountains
Allerdings verrät mir der Ausblick auch, dass meine Tortur noch lange kein Ende hat. So weit das Auge reicht, breitet sich die dichte Vegetation der ehemaligen Waldbrandflächen aus.
Während das Vorankommen bislang schon schwierig war, entpuppt sich der Abstieg als wahre Strafe. Die Grünerlendickichte hier auf dem feuchten Nordhang sind so dicht, dass die Zweige kaum nachgeben und ich mich trotz der Steilheit des Geländes nur mit brachialem Körpereinsatz hindurchzwängen kann.
Schließlich erreiche ich ein Bächlein in einem Tal, dass ich von oben ausgemacht hatte. Allerdings ist es so tief eingekerbt und dicht bewachsen, dass sich keine Lagermöglichkeit ergibt.
Canyoning im Dickicht des Kerbtales
Ich beschließe dem Kerbtal abwärts zu folgen, in der Hoffnung, dass es schließlich in ein breiteres Tal mündet. Zunächst komme ich auch noch halbwegs voran, obwohl umgestürzte Bäume mich oft zu akrobatischen Übungen zwingen.
Dann wird das Tal steiler, und ich befürchte irgendwann nicht mehr weiterzukommen, da es vielleicht wasserfallartig abfällt. Mit großer Mühe zwänge ich mich aus der Spalte heraus und hangele mich auf den Steilhängen weiter.
Dann gelange ich in das nächste Tal. Welch Enttäuschung, es ist ebenfalls kerbförmig eingeschnitten und mit dichtester Vegetation bedeckt. Diesmal mache ich nicht den Fehler, zu versuchen dem Tal zu folgen sondern klettere gleich nach oben raus. Auf der Höhe angekommen eröffnen sich noch einmal schöne Ausblicke auf die Richardsons im sanften Licht des späten Abends.
Die Richardson Mountains im Abendlicht
Die kahlen Bergrücken dort lassen mich hoffen, leichter voranzukommen, wenn ich in größere Höhen gelange.
Trotz aller Anstrengung ist es ein wunderschöner Abend, an dem die untergehende Sonne die bereits herbstlich gefärbten Birken und Aspen golden leuchten lässt.
Die Abendsonne lässt die Hänge leuchten
Gegen 21 Uhr erreiche ich ein Stück weiter talabwärts schließlich doch noch einen geeigneten Zeltplatz am Bach. Seitdem ich den Peel River verlassen habe, bin ich lediglich 6,5 Kilometer vorangekommen! 6,5 Kilometer in 6 Stunden!
Seit Stunden der erste geeignete Zeltplatz
Der nächste Morgen bricht grau und ungemütlich an, wenigstens ist es nicht kalt. Streckenweise komme ich auf ausgetretenen Elchwechseln gut voran.
Glücklicherweise muss ich mich nicht mehr durch extrem dichte Vegetation quälen, dafür sind die Moore aber auch nicht gerade einfach zu begehen, da ich mit meinem immer noch schweren Rucksack bei jedem Schritt tief in die Moospolster einsacke.
Oft muss ich wieder von Bülte zu Bülte balancieren um versteckten Wasserlöchern auszuweichen. Entspanntes Wandern ist etwas anderes!
In den weiten Mooren komme ich nur langsam voran
Nach etwa 2 Stunden gelange ich an den Canyon River, den ich gestern schon von oben ausgemacht hatte. Möglicherweise könnte ich hier irgendwo eine flache Stelle zum Durchwaten finden, aber ich halte mich gar nicht lange mit der Suche danach auf, sondern bringe gleich mein Packraft wieder zum Einsatz.
Wozu hat man denn ein Boot im Rucksack dabei? Obwohl das hier ein relativ bescheidenes Flüsschen ist, schaffe ich es beim einsteigen den Bug mit dem aufgeschnallten Rucksack im Wasser zu versenken!
Zwar ziehe ich es sofort wieder an Land, aber der Rucksack hat natürlich eine ordentliche Ladung Wasser abbekommen. Das ist nicht weiter schlimm, da ich ja den Inhalt wasserdicht verpackt habe, aber vollgesogen mit Wasser wird meine Last noch schwerer. Schließlich bin ich trotzdem glücklich ans andere Ufer gelangt.
Die ganze Aktion mit Bootsaufbau, beladen und alles wieder verstauen, hat über eine Stunde gedauert. Nichts was man häufiger an einem Tag machen möchte!
Am Canyon River kommt das Packraft noch einmal zum Einsatz
Obwohl ich mich bislang bemüht hatte, meine Stiefel trocken zu halten, tappe ich in den Mooren des Uferbereiches in ein tiefes Sumpfloch, was mit nassen Strümpfen und Stiefeln belohnt wird. 8 Gänse schweben auf den sich bald seeartig verbreiternden Fluss ein.
Schon seit langem steuere ich einen Bergrücken an, der den Beginn der Richardson Mountains markiert. Der Anstieg ist gemächlich und die Vegetation so lückig, dass ich immer wieder bequeme Durchschlupfmöglichkeiten finde.
Als ich höher gelange, weichen die Zwergbirken und Grünerlen schließlich dichten Polstern aus hellen, fast weißen Rentierflechten. Endlich ergeben sich Ausblicke auf die Umgebung und das Wandern macht zum ersten Mal seit meinem Aufbruch am Peel River richtig Spaß.
Dafür weht hier oben ein eiskalter Wind, der immer wieder Regenschauer mit sich bringt. Zwar ist mir meine weitere Marschrichtung eigentlich klar, aber der direkte Weg würde mich wieder hinab in tiefe Täler voll dichtem Bewuchs bringen.
Daher versuche ich mich auf den Bergrücken zu halten, wo das Vorankommen erheblich einfacher und schöner ist. Das führt natürlich zu großen Umwegen.
Auch das Wild scheint die Grate zur Fortbewegung zu bevorzugen, denn ich finde viel Losung, auch von Bären, wie mir die großen Haufen voll halbverdauter Beeren zeigen.
Schließlich steige ich aber doch ins Tal ab, um mein Nachlager aufzuschlagen. Zwar habe ich Bedenken, beim Abstieg wieder so ein Fiasko in den Hanggebüschen zu erleben, wie gestern Abend, aber diesmal gelange ich erstaunlich einfach nach unten, und finde rasch einen Lagerplatz in einem dunklen Fichtenwald an einem Bach.
Inzwischen haben sich die Schauer zum Dauerregen entwickelt, der bald auch auf dem durch die Baumkronen geschützten Waldboden ankommt. Egal, wenn der Hobokocher erst einmal in Gang ist, kann ihm der Regen nichts mehr anhaben!
In 11 Stunden habe ich heute lediglich 12 Kilometer zurückgelegt! Ich bin langsamer als ich erwartet hatte, daher mache ich mir Gedanken, ob ich die Tour wie geplant durchführen kann. Während der Regen auf das Zeltdach prasselt, sitze ich noch lange über meinen Karten, und beschließe schließlich meine ursprünglich geplante Route etwas zu verkürzen.
Auch war ich bisher davon ausgegangen, in erster Linie in den Tälern zu laufen. Das erscheint mir hier nicht sinnvoll, da die Vegetation einfach zu dicht ist. Da die Richardson Mountains meist nicht sehr schroff sind, entscheide ich mich für eine höher gelegene Route entlang des Hauptkamms.
Es regnet die ganze Nacht hindurch und auch am nächsten Morgen fällt das Nass vom Himmel, so dass ich erst gegen 9.30 aufbreche. Bald habe ich das Tal wieder verlassen und gelange zurück auf einen Grat.
Zwar lässt es sich hier oben gut wandern, aber eigentlich will ich dem Verlauf des Tals folgen, in dem ich übernachtet habe, die Bergkämme verlaufen aber leider quer dazu.
Leider verlaufen die Bergkämme nicht parallel zum Tal
Trotzdem gelingt es mir grob die Richtung zu halten, nur einmal muss ich in ein Quertal absteigen, ansonsten laufe ich auf den Graten.
Leider ist das Gelände nicht immer so schön offen und lediglich mit Flechtenteppichen bewachsen. Immer wieder muss ich mich durch klatschnasse Gebüsche zwängen. Heute finde ich es gar nicht schlecht, in wasserdichten Paddelsachen zu laufen, normales Regenzeug hätte den konzentrierten Güssen beim Durchqueren der Buschzonen kaum stand gehalten.
Häufig stoße ich auf Elchfährten- und Losung, sowie auf rotgefärbten, breiigen Bärenkot, leider bekomme ich außer einigen Elch- und Karibugeweihstangen nichts von größeren Tieren zu sehen. Wahrscheinlich ist es dem Wild auch zu ungemütlich!
Immer wieder gehen Schauer, zum Teil mit Schnee vermischt nieder, und der kalte Wind lässt nur kurze Pausen zu. Nachmittags gelange ich in höhere Regionen in denen nicht einmal mehr Zwergbirken wachsen. Nur schütteres, gelbes Gras und Rentierflechten bedecken das dunkle Schiefergestein.
Obwohl die Verhältnisse ziemlich ungünstig sind, genieße ich es entlang der Kämme zu laufen, wo sich schöne Aussichten öffnen. Bei blauem Himmel wäre es hier natürlich noch viel schöner!
Im Labyrinth der Kämme
Meine Karten sind zu ungenau, um eine wirkliche Hilfe im Labyrinth der Kämme zu bieten. Kompass und GPS geben die grobe Richtung vor, für den tatsächlichen Weg lasse ich mich oft von meinem Instinkt leiten.
Mein Ziel ist das Tal des Canyon Creek, den ich ja schon gestern überquert hatte, der hier aber in einem großen Bogen das Gebirge durchbricht.
Später am Nachmittag wird aus den gelegentlichen Schauern wieder ein kalter Dauerregen, der zunehmend an Stärke gewinnt. Um einen Lagerplatz zu finden, muss ich von den Höhen in ein bewaldetes Tal absteigen.
Ich fürchte wieder einmal in dichter Vegetation an einem steilen Hang zu landen, aber hier gibt es keine Waldbrandlächen, und der alte Fichtenwald ist dunkel genug um die Bodenvegetation niedrig zu halten. Auch kommt immer wieder der nackte Schiefer zu Tage, auf dem nur Flechten wachsen.
Erstaunlich einfach gelange ich an ein kleines Bächlein und schlage mein Zelt im peitschenden Regen auf. In der Eile bleibe ich mit meinen Stiefeln hinten am Zelt hängen, so dass ein Riss entsteht, der aber glücklicherweise keine Auswirkungen auf die Dichtigkeit des Zelts hat, was sich jetzt als sehr wichtig herausstellt!
Es ist so unangenehm, dass ich keinen Versuch starte, in meinem Hobo-Kocher ein Feuer zu entfachen. Nicht einmal zum Wasser holen verlasse ich das Zelt. Ich habe einfach genug vom Dauerregen! Auch heute bin ich bedingt durch die weiten Umwege auf den Kämmen nur 9 Kilometer weiter gekommen.
Es ist kaum zu glauben, die ganze Nacht schüttet es wie aus Eimern und auch am nächsten Morgen hat der Regen noch nicht an Kraft verloren.
Glücklicherweise ist mein Nallo 2, der schwedischen Firma Hilleberg sehr gut. Das Zelt lässt an keiner Stelle Wasser durch. Auch 2 Personen können darin schlafen, obwohl es nur 2,2 kg wiegt.
Ich habe keine Lust mich wieder durch den strömenden Regen zu quälen und bleibe daher im Zelt, bis schließlich gegen 10 Uhr der Regen tatsächlich nachlässt und dann aufhört.
Das Tal in dessen Oberlauf ich zelte, mündet in den Canyon Creek, wie meine Karte verrät. Heute versuche ich nicht den Graten zu folgen, sondern marschiere auf dem Talboden abwärts.
Dabei komme ich zu meinem Erstaunen besser als erwartet voran. Der Wald ist licht genug um mir keine ernsten Hindernisse entgegen zu setzen, und häufig kann ich auf festem Boden laufen. In den Mooren entdecke ich niedrige junge Lärchen, aber ältere Bäume dieser Art habe ich hier noch nicht gesehen.
Moor mit Zwergbirken und jungen Lärchen
Schließlich erreiche ich das breite Tal des Canyon Creek, und stehe bald vor dem dunklen, tief eingeschnittenen Bach, der hier einen ganz anderen Charakter hat als dort wo ich ihn zuerst überquert hatte. Nach kurzer Suche finde ich eine Stelle, wo der Creek so schmal ist, dass ich rüber springen kann.
In dem sumpfigen Tal gibt es große, offene mit Sumpfgräsern bewachsene Flächen. Leider sehe ich in diesem idealen Elchlebensraum keinen der großen Hirsche.
Die offenen Flächen sind zu sumpfig um sie zu durchqueren, aber es gibt stets eine Möglichkeit sie durch die randlichen Moorwälder zu umgehen. Nur manchmal muss ich bei tiefer gelegenen Rinnen schon sehr genau darauf achten, wo ich lang gehe, da es hier auch offenes Wasser gibt.
Bevor ich das Tal durchquert habe, gelange ich noch an einen Bach der aus einem Seitental kommt, und ebenso viel Wasser wie der Canyon Creek führt.
Auch hier finde ich nach kurzer Suche eine Engstelle.
Bald darauf verlasse ich das Tal und erklimme die steilen Hänge einer Bergkette. Ich hatte befürchtet, dass mich klatschnasse Dickichte erwarten, aber ich komme erstaunlich gut im Wald voran. Nachdem die Bäume zurückbleiben, eröffnet sich noch einmal der Blick zurück in das Tal des Canyon Creek.
Das Tal des Canyon Creek
Ich laufe jetzt auf einem Bergrücken zwischen zwei tiefen Seitentälern des Canyon Creek. Allerdings ist er nicht flach mit gleich bleibender Höhe, sondern häufig geht es auf und ab.
Schade, dass das Wetter so trübe ist, daher mache ich kaum Fotos. Bei schönem Wetter wäre es traumhaft hier zu wandern! Nachdem es kurzzeitig aufzuklaren scheint, beginnt es wieder zu nieseln.
Dann sehe ich weit entfernt oberhalb eines Blockfelds vier weiße Punkte. Der Blick durch mein kleines Taschenfernglas verrät, dass es sich dabei um Dallschafe handelt, die dort ruhen. Mein erstes Wild auf der Wanderung! Ich freue mich, die Wildschafe vielleicht fotografieren zu können, da mein Kurs in ihre Richtung führt. Aber als ich eine weitere Anhöhe erklommen habe, sehe ich wie die Dallschafe sich erheben und in unerreichbarer Entfernung weiterziehen. Schade!
Dennoch sehe ich noch andere Lebewesen. Einige Schneehühner fliegen explosionsartig vor mir auf. Um diese Zeit haben sie noch nicht ihr weißes Wintergefieder angelegt.
Unterhalb des Grates sehe ich einen Grasfleck und vermute dort eine Quelle, an der ich lagern könnte. Leider bewahrheitet sich meine Vermutung nicht. Erst ein Stück unterhalb im Nadelwald beginnt ein Bächlein, an dem ich mein Zelt aufschlage.
Kaum habe ich meine Sachen zum Trocknen rausgehängt, beginnt es wieder zu regnen. Vor allem für den Daunenschlafsack ist es wichtig, dass er regelmäßig trocknen kann. Das ist bei diesen Bedingungen leider nicht möglich, daher verliert er an Leistung, da klamme Daunen nicht so gut wärmen.
Um meinen Hobo-Kocher zu entzünden, benötige ich heute eine Esbittablette. Als er schließlich brennt, kommt der Topf voll Spaghetti ins Rutschen, da der Kocher nicht auf ebenem Untergrund steht. Todesmutig will ich meine Nudeln retten, was mir auch gelingt. Der Preis dafür ist allerdings eine Brandblase am Finger!
Da auch heute kein einfacher Wandertag war, wundere ich mich nicht, dass ich wieder nur 8 Kilometer weit gekommen bin.
Ich muss unbedingt mehr Kilometer pro Tag zurücklegen, sonst schaffe ich es trotz verkürzter Route nicht, rechtzeitig wieder am Dempster Highway zu sein. Der Druck unbedingt Strecke machen zu müssen, wird in den nächsten Tagen nicht mehr von mir weichen.
Der Morgen beginnt wieder trübe und grau, aber wenigstens regnet es nicht. Zunächst folge ich weiter dem Grat zwischen den Tälern. Man sieht auf den Graten häufig breite Wildwechsel, auf denen der Flechtenbewuchs verschwunden ist. Die Tiere lieben eben auch die einfachen Wanderrouten! Allerdings frage ich mich natürlich warum mir dann kein Wild begegnet, wo ich doch auch auf den Graten unterwegs bin.
Manchmal heben sich die Wolken ein wenig und erlauben kurze Ausblicke in die Weite der Berge mit ihren Hochflächen, tiefen bewaldeten Tälern und grauen Schuttflächen. Es ist ein erhabenes Gefühl diese Wildnis zu durchwandern in dem Bewusstsein über Dutzende von Kilometern wahrscheinlich der einzige Mensch zu sein.
Berge und Täler- Die Weite des Yukon
Schließlich habe ich den Oberlauf der Täler erreicht, und der Grat geht über in ein tundraartiges Hochplateau, das hier den Hauptkamm der Richardson Mountains bildet.
Mir ist klar, dass die Orientierung ab jetzt schwieriger wird, als auf dem leicht zu verfolgendem Grat. Daher habe ich gestern im Zelt aus der Karte Wegpunkte gemessen und in mein GPS Gerät übertragen.
Allerdings lasse ich auch jetzt den Satellitenempfänger nicht ständig laufen, sondern kontrolliere nur ab und zu die Richtung und die bereits zurückgelegte Entfernung. Im Wesentlichen versuche ich meinen Kurs durch Kompass-Peilungen zu halten.
Weite gelbe Grasflächen die zum Teil sumpfig sind, wechseln sich mit Bereichen ab, in denen ich über fast kahles, dunkles Schiefergestein laufe.
Einmal höre ich kurz einen Wolf heulen. Dieser perfekte Laut der Wildnis unterstreicht die düstere Stimmung des unter dem grauen Himmel mit seinen schweren Wolken sehr abweisend wirkenden Hochplateaus.
Ein sperberartiger Greifvogel streicht in niedriger Höhe entlang der Konturen eines Bergrückens.
Hier oben weht ein eiskalter Wind, der mich schon bald alle meine Kleidungsstücke anlegen lässt. Sogar die eigentlich eher für Polarexpeditionen bestimmte Kopfhaube setze ich auf.
Auf dem Hochplateau der Richardson Mountains
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